Pietro Mascagni
William Ratcliff
Personen
Mac-Gregor, Schottischer Edelmann (Bass)
Maria, Mac-Gregor’s Tochter (Sopran)
Graf Douglas, Maria’s Bräutigam (Bariton)
William Ratcliff (Tenor)
Lesley, Ratcliff’s Freund (Tenor)
Margarethe, Maria’s Amme (Mezzo-Sopran)
Tom, Inhaber einer Diebesherberge (Bass)
Willie, Tom’s Sohn (Mezzo-Sopran)
Robin (Bass),
Dick (Tenor),
Bell (Bariton),
John (Bass),
Taddie (Tenor), Diebe
Die Handlung spielt in Schottland um 1820.
Erster Akt.
Zimmer in Mac-Gregor’s Schloss.
Erste Scene.
Margarethe allein. Dann Mac-Gregor, Maria, Douglas.
MARGARETHE allein, kauert bewegungslos in der Ecke.
»Mein Liebchen hab‘ ich geschlagen todt,
Mein Liebchen war so schön, o!
Und ich erschlug sie doch!« – –
MAC-GREGOR legt Douglas‘ und Maria’s Hände in einander.
Ihr seid jetzt Mann und Weib. Wie Euch die Hände
Verbunden sind, so sollen auch die Herzen
In Lust und Leiden Euch verbunden sein
Für heut‘ und alle Zeit. Euch hat der Kirche,
Euch hat der Liebe Allgewalt vereint,
Zwei mächt’ge Sacramente. Also ruht
Ein Doppelsegen nun auf Euren Häuptern.
Empfangt denn aus der Rechten auch des Vaters
Zum heil’gen Bund der Treue meinen Segen!
Er legt segnend die Hände auf Beider Haupt.
DOUGLAS.
Mylord, lasst mich mit Stolz Euch »Vater« nennen!
MAC-GREGOR.
Ich selber nenn‘ Euch »Sohn« mit grösserm Stolze!
Sie umarmen sich.
MARGARETHE singt im abgebrochenen Wahnsinnstone.
»Was ist von Blut Dein Schwert so roth,
O Edward, Edward?«
DOUGLAS erschrocken auffahrend und nach Margarethe schauend.
Mylord, um Gott, welch‘ gläsern geller Laut?
Zu singen, ha, beginnt das steinerne
Gebild!
MAC-GREGOR mit erzwungenem Lächeln.
Nehmt keinen Anstoss an dem Sange:
Es ist die tolle Marg’reth, die im Schlosse
Ihr Wesen treibt. Sie krankt an Starrsucht schon
Seit Jahr und Tag. Mit stieren Augen liegt sie
Gekauert tagelang, und wie ein Stein,
Aus dem ein Laut sich losringt, hebt sie oftmals
Zu singen an und heult ein widrig Lied.
DOUGLAS.
Warum behaltet Ihr das Schreckniss hier
Im Schloss?
MAC-GREGOR leise zu ihm.
Still, still! Scharf ist ihr Ohr, sie hört
Uns sprechen. Längst schon hätt‘ ich sie von hinnen
Geschafft, jedoch ich darf nicht.
MARIA.
Lasst in Frieden
Die arme, gute Margarethe! Douglas,
Erzählt mir lieber etwas Neues doch!
Erzählt, was treibt man dort in London? Ach,
Zu uns in Schottland hier dringt keine Kunde.
DOUGLAS.
Noch ist’s das alte Treiben. Ja, man hastet
Und drängt zu Ross und Wagen. Rings ein Jagen
Und Pressen auf den Strassen! Lockt der Schlummer
Am Tag, so wird im Rausch zum Tag die Nacht.
In weiten Sälen schwelgt der Ueberfluss,
In stetem Wechsel lösen dort die Freuden,
Sich Mahl ab und Bankette. Drurylane
Und Coventgarden reizt der Menge Schaulust.
Die Oper rauscht in Fest und Glanz; sie wechseln
Pfundnoten mit verschwenderischen Händen
Für Noten der Musik sich eifrig ein.
»God save the king!« so hallt’s im Chor. Im Zwielicht
Der Schenken liegen und politisiren
Die Patrioten gern und subscribiren
Und wetten, fluchen, gähnen und befeuchten
Die Gurgel auf des Vaterland’s Gedeih’n.
Roastbeef und Pudding dampft, der Porter schäumt.
Quacksalber schreiben grinsend ihr Recept
Mit Lachen; hart auch drängt sich an’s Gewand
Der Taschendieb; der Gauner frech belästigt
Mit seinen aufdringlichen Höflichkeiten;
Der Bettler quält mit seinem Jammerblick,
Quält mit Gewimmer; aber mehr als alles
Belästigt, quält die unbequeme Sitte
Der Kleidertracht. Eng ist das Wespenwams
Und steif das Halsband. Endlich gar der Hut,
Der schier dem Thurm von Babel gleicht! Fluch sei
Dem Hut!
MAC-GREGOR.
Da lob‘ ich mir mein schottisch Wams,
Die Mütze. Ja, Ihr thatet gut, dass Ihr
Die Narrenkleider habt vom Leib geworfen.
Heut‘ lacht im Leibe mir das Herz, wenn ich
Euch alle schau‘ in der geliebten Tracht
Schottlands.
MARIA.
Von Eurer Reise gebt Bericht!
DOUGLAS.
Zu Wagen fuhr ich bis an Schottlands Grenze.
Zu langsam schien die Fahrt. Drauf in Old-Zedburgh
Nahm ich ein Pferd mir bald und schwang mich auf.
Zu heissem Ritt gab ich dem Thier den Sporn;
Mich selber aber spornte heiss Verlangen
Der Liebessehnsucht. Da – – auf Euch allein
War all mein Sinn gerichtet. So durch Waldung,
Durch Berge, durch’s Gefild trug mich mein Ross
Behend von dannen mit des Pfeiles Flug.
Verloren in Gedanken, durch’s Gehölz
Ritt ich bei Inverness. Fast wäre schlecht
Mir meine Träumerei bekommen. Plötzlich
Vorüber pfiffen an den Ohren mir
Die Kugeln, die aus meinem Traum gewaltsam
Mich weckten. Jählings stürzten auf mich ein
Drei Wegelag’rer. Da entspann sich wild
Ein Handgemenge, regneten die Hiebe.
Müh‘ hatt‘ ich da, mich meiner Haut zu wehren.
Doch endlich musst‘ ich wohl der Uebermacht
Erliegen – – Himmel! Du entfärbst Dich, taumelst,
Du wankst, Maria! –
Margarethe springt hastig auf und hält die in Ohnmacht fallende Maria in ihren Armen.
MARGARETHE.
Weh, Deine Rosenwangen,
Mein Püppchen, sind so blass wie weisses Linnen
Und kalt, ach, wie Gestein! O Himmel, weh!
Halb singend, halb sprechend und Maria streichelnd.
»Püppchen, Du kleine,
Oeffne mir Deine
Guckäugelein!
Nicht soll, o Kleine,
Kalt wie die Steine
Dein Antlitz sein.
Rosen, mein Liebchen,
Dich zu erfreuen,
Will auf die Grübchen
Ich lächelnd Dir streuen.«
MAC-GREGOR.
Halt ein, verrücktes Weib, mit Deinem Singsang!
Gewahrst Du niemals, dass noch mehr Du stets
Ihr krankes Haupt bethörst mit Wahnsinnssprüchen?
MARGARETHE mit dem Finger drohend.
Du willst mich schelten? Du? Wasch Dir die Hände
Zuvor, die rothen Hände, und beflecke
Mit Blut dem lieben kleinen Püppchen nicht
Das weisse Hochzeitskleid! Ich rathe gut Dir.
Fort, sag‘ ich, fort!
MAC-GREGOR ängstlich.
Die tolle Alte faselt! …
MARGARETHE.
»Oeffne, Du Kleine,
Oeffne die Aeuglein!«
MARIA erwacht aus ihrer Ohnmacht und lehnt sich an Margarethe.
Wohlan! Was ward aus Euch? Erzählt mir nur!
DOUGLAS.
So hört denn weiter! Mit verhängtem Zügel
Ein and’rer Reiter sprengte jäh herbei
Und fiel mit Wucht den Räubern in den Rücken.
Mich selbst beseelte neu entflammter Muth.
Die Hunde schlugen wir in schnelle Flucht.
Dem edeln Ritter wollt‘ ich Dank entbieten,
Doch »Ich muss eilen« rief er, weiter jagend.
MARIA lächelnd.
Dem Himmel Dank! Ihr habt mich sehr geängstigt.
Nun athm‘ ich neu belebt. Marg’rethe, führ‘ mich!
MARGARETHE ängstlich zu Mac-Gregor.
Du zürne nicht mit mir, sei mir nicht bös!
Nicht immer ist die arme Marg’reth närrisch.
Maria und Margarethe gehen ab.
Zweite Scene.
Mac-Gregor. Douglas.
DOUGLAS.
Wahrlich, ich staune! Ist Maria so leidend,
So reizbar? Allzu ängstlich scheint sie heut‘.
MAC-GREGOR.
Douglas, ich will und kann’s Euch nicht verhehlen
Wie ein Geheimniss, was so heftig heut‘
Maria’s Seele ängstigt und erregt.
Ich bitt‘ Euch um Vergebung, dass bisher
Ich schwieg. – Sechs Jahre sind entschwunden, seit
In’s Schloss einkehrt‘ ein fahrender Student,
Aus Edinburg gewandert. William Ratcliff
War des Studenten Name. Seinen Vater
Hatt‘ ich vordem gekannt, recht gut, recht gut
Gekannt; er hiess Sir Edward Ratcliff. Also
Nahm ich gastfreundschaftlich den William auf.
Er sah die Tochter, sah ihr in die Augen,
Sah viel zu tief hinein und füllte bald
Die Luft mit seinen Seufzern, schmachtete
In Sehnsucht und Verlangen, bis Maria
Ihm rund und frei erklärte, dass sein Werben
Und sein Betragen auch ihr lästig sei.
Da packt‘ er seine Liebe in den Korb
Und machte bald sich auf den Weg. – – Zwei Jahre
Schon gingen in das Land, da hielt der Earl
Von Ais, Sir Philipp Macdonald, den Einzug
In dieses Schloss und warb bei mir erfolgreich
Um meiner Tochter Hand. Sechs Monde waren
Verstrichen, und im hochzeitlichen Kleide
Harrt‘ am geschmückten Altar hold die Braut.
Der Bräut’gam fehlte nur. Allüberall,
In allen Zimmern, rings in Hof und Ställen
Und in des Gartens tiefverborg’nem Laub: –
Wir forschten lang und suchten, doch vergebens!
Am Fuss des Schwarzensteins, ach, fanden wir
Den blut’gen Leichnam Macdonald’s.
DOUGLAS.
Erschlagen!
Wer war der Mörder?
MAC-GREGOR.
Lange zeigte sich
Fruchtlos all unser Forschen. Endlich löste
Das Räthsel meine Tochter; sie gestand,
Dass sie den Mörder kenne, und erzählte
Uns so des Vorgangs Schrecken: William Ratcliff
Sei jene Nacht, die auf den Mordtag folgte,
Gleichwie in plötzlich raschem Ueberfall
In’s Schlafgemach Marie’s gedrungen, habe
Mit Lachen ihr der Hände Paar gezeigt,
Geröthet noch vom Blute des Verlobten,
Und Philipp Macdonald’s Verlobungsring
Mit zierlicher Verbeugung ihr gereicht,
Den Ring des Todtgeschlag’nen.
DOUGLAS.
O Verruchtheit!
O der Verhöhnung! Sprecht, was thatet Ihr?
MAC-GREGOR.
In seiner Ahnen Gruft liess ich ihn betten
Und an der Stätte, wo der Mord geschah,
Pflanzt‘ ich ein Kreuz. Den Mörder Ratcliff, ach.
Sucht‘ ich umsonst. – Schon war das zweite Jahr
Nach jener halb vergess’nen That entschwunden,
Als auf mein Schloss Lord Duncan sich begab,
Sich um Maria’s Neigung zu bewerben.
Und so geschah’s. Doch – welch‘ ein neues Unheil!
Am Altar stand in lichtem Festgewande
Die Braut, nicht ohne tiefgeheimes Bangen – –
Und Duncan lag am Schwarzenstein erschlagen!
DOUGLAS.
O welch‘ Entsetzen!
MAC-GREGOR.
»Auf! Zu Ross!« so rief ich.
»Auf, in den Sattel!« und drei Tage lang
In Wäldern, Thälern, Feldern, Klüften jagten
Und suchten wir – doch alles Müh’n vergeblich!
Des Mörders Spur war nirgends zu entdecken.
Und dennoch, ach! Dieselbe Schreckensnacht
Erfrechte William Ratcliff sich aufs neue,
In meiner Tochter Kammer heimlich sich
Zu schleichen und ihr mit des Lachens Hohn,
Im Grusse zierlich, jenen Ring zu reichen,
Den Duncan jüngst aus ihrer Hand empfangen
Am Tage der Verlobung.
Er geht ab.
Dritte Scene.
DOUGLAS allein.
Ha, der Mann
Scheint mir ein Fuchs. Bis nach der Trauung Stunde
Hat er’s verschwiegen. O wie klug gehandelt! –
Ha, messen möcht‘ ich mich mit diesem Trotzkopf,
Der stets Maria noch im Schlummer ängstigt!
Mir soll er nicht den Ring vom Finger zieh’n;
Denn wo mein Finger, ist auch meine Faust!
Vierte Scene.
Douglas. Lesley.
LESLEY im Mantel gehüllt und sich vorsichtig umsehend, tritt herein.
Mein Herr, Ihr seid der Graf von Douglas?
DOUGLAS.
Ja,
Ich bin’s. Was wollt Ihr?
LESLEY giebt ihm einen Brief.
So ist denn an Euch
Dies zarte Brieflein.
DOUGLAS hat den Brief gelesen.
Ja, ich werde kommen.
Das gebt zur Antwort ihm! Am Schwarzenstein!
Beide gehen ab.
Zweiter Akt.
Diebesherberge. Im Hintergrunde liegen schlafende Menschen. Ein Heiligenbild hängt an der Wand. Die Wanduhr tickt. Abenddämmerung.
Erste Scene.
William Ratcliff sitzt brütend in einer Ecke des Zimmers. In der andern Ecke sitzt Tom, der Wirth, und hält sein Söhnchen Willie zwischen den Knieen.
TOM leise.
Willie, kannst Du das Vaterunser sagen?
WILLIE lachend und laut.
Ich hab’s am Schnürchen, an den Fingern.
TOM.
Sprich
Nur nicht so laut! Du weckst mir sonst die Leute,
Todt vor Ermüdung just.
WILLIE.
Darf mit dem Spruche
Ich nun beginnen?
TOM.
Ja, doch ohne Jagen.
WILLIE schnell. »Vater unser im Himmel Du, geheiligt werde alle Zeiten Dein Name. Dein Reich komme zu uns, und Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden. Und gieb uns unser täglich Brot immerdar. Vergieb uns unserer Sünden Last, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern auf der Erde. Und führe uns nimmer – Stottert. und führe -«
TOM. Ei sieh, Du stotterst. »Führe uns nicht in Versuchung!« Merkst Du? »Führ‘ uns nicht in Versuchung!« Wiederhol’s!
WILLIE sieht immer nach William Ratcliff und spricht ängstlich und unsicher. »Vater unser im Himmel Du, geheiligt werde alle Zeiten Dein Name. Dein Reich komme zu uns, und Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auch auf Erden. Und gieb uns unser täglich Brot immerdar. Vergieb uns unserer Sünden Last, wie auch wir vergeben unseren Schuldnern auf der Erde. Führe uns nimmer – Stottert. führe uns nimmer -«.
TOM ärgerlich.
»Führ‘ uns nicht in Versuchung!«
WILLIE weinend.
Lieber Vater,
Sonst lief’s wie Wasser von der Lippe mir,
Ja, ja, wie Wasser; doch der Fremde dort –
Er zeigt auf William Ratcliff.
Starrt immer mich mit schlimmen Augen an.
TOM drohend.
Du, diesen Abend kriegst Du keine Fische,
Und stiehlst Du sie mir wieder aus dem Kasten,
Mir, Junge, aus dem Kasten – –
WILLIE weinend und im Vaterunserton.
»Führ‘ uns nicht
In Versuchung!«
RATCLIFF.
Lasst den Buben nur in Frieden.
Auch mir blieb niemals dieses »Führ‘ uns nicht
In Versuchung« im Gedächtniss haften.
Schmerzlich.
»Führ‘ uns
Nicht in Versuchung!«
TOM.
Ja, mir würd‘ es leid sein,
Zeigt nach den Schlafenden.
Wenn je der Bub‘ hier so wie Ihr und Die dort
Mir eines Tags geriethe. Mir würd’s leid sein.
Nun trolle Dich, mein Sohn!
WILLIE abgehend und weinerlich vor sich hinmurmelnd.
»Führ‘ uns nicht in Versuchung!«
Zweite Scene.
Ratcliff und Tom.
RATCLIFF lächelnd.
Wie deut‘ ich Eure Meinung?
TOM.
Christlich soll
Und fromm er werden, also mein‘ ich, Herr!
Er werde nie ein Galgenstrick, so mein‘ ich,
Und gleiche nie dem Vater!
RATCLIFF spöttisch.
Also schlimm
Seid Ihr noch nicht.
TOM.
Jetzt bin ich freilich nur
Ein zahmes Thier, ein Gastwirth, nur ein Gastwirth
Und zapfe Bier just. Weil mein niedrig Häuschen
Liegt im Gebüsch des Waldes hübsch versteckt,
Beherberg‘ ich nur grosse Herrn wie Ihr,
Nur grosse Herrn, die allzu gern verbergen
Den Stand und Namen, die am hellen Tage
Ausschlafen und des Abends sich ergeh’n.
So geb‘ ich Tagsquartier, nicht Nachtquartier.
Vordem nachtwandelt‘ ich auch selbst und schwärmte
Oftmals im fahlen Dämmerschein des Mondlichts
Macht eine Fingerbewegung.
In fremde Häuser, stöbert‘ auch in fremdem
Besitz. Doch niemals hab‘ ich’s also toll
Gemacht, wie diese, traun, es stets getrieben.
Er zeigt nach den Schlafenden.
Betrachtet, Herr, Euch einmal diesen Fuchskopf!
Der Schelm ist ein Genie. Nach Andrer Schnupftuch
Scheint angeboren ihm die lüsterne
Begier. Er stiehlt gleich einer Elster. Ei,
Seht nur, seht nur, wie hastig noch im Schlaf
Er mit den Fingern zuckt! Er stiehlt im Traum noch.
O seht! Er schmunzelt mit Behagen gar.
Betrachtet dort den Langen mit den dürren,
Den heuschreckhaften Beinen! ’s war ein Schneider,
Der mauste Läppchen anfangs, später Lappen,
Und endlich wurden’s ganze Stücke Tuch.
Dem Galgen einst entrann er nur mit Noth;
Seitdem hat er das Zucken in den Beinen.
O schaut, wie ihm die Füsse zappeln! Schaut!
Die Wette setz‘ ich, dass ihm eine Leiter,
Wie Vater Jacob einst, im Traum erscheint.
Auf diesen alten dicken Robin, Herr,
O heftet nun den Blick! Wie ruhig liegt
Und schnarcht er, ach! Und doch – der Morde zehn
Schon lasten ihm auf seiner Seele. Traun!
Wenn nur der Alte, gleichwie Unsereiner,
Katholisch wäre, dass ihm die Vergebung
Der Sünden würde! Doch ein Ketzer ist
Der Robin, und so muss er nach dem Hängen
Noch brennen in der Hölle dort.
RATCLIFF ist immer unruhig im Zimmer auf und ab gegangen und sieht beständig nach der Uhr.
Nein, Tom,
Der alte Robin wird nicht brennen. Ich
Versich’re Dir: ein anderer Gerichtshof
Spricht Recht in England, und ein andrer dort!
Ein Mann ist Robin, und den Mann erbittert
Empörung, der da sieht, wie oft die Buben,
Die Pfennigseelen, Müssiggänger, masslos
In schwelgerischem Ueberfluss sich baden,
In Sammt erglänzen und in Seide schimmern,
Wie leckre Austern sie in Gier verschlingen,
In Unersättlichkeit am Schaumwein sich
Die Kehlen letzen, lüstern süsse Kurzweil
Im Freudenbett des Doctor Graham treiben,
In goldnen Wagen durch die Strassen rasseln,
Sich brüsten und mit Stolz herabseh’n auf
Den armen Hungerleider, der dahinschleicht
Durch dies Gedräng‘ und, ach, sich nach dem Leihhaus
Mit Seufzen wendet, kummervoll sein letztes
Hemd in der Hand.
Bitter lachend.
Ah! Seht mir doch die klugen,
Die satten Leute, wie so trefflich sie
Mit einem Bollwerk von Gesetzen sich
Verwahren vor der Ungestümen Andrang,
Wenn ihnen wüthend der Verzweiflung Aufschrei
Des Hungers Qual entpresst! Und wehe, weh dem,
Der trotzend dieses Bollwerk will durchbrechen!
Bereit sind Richter allsogleich und Stricke,
Der Galgen und der Henker droht. Je nun!
Es giebt noch Wagehälse, die nicht schreckt
Die Furcht.
TOM.
So dacht‘ auch ich dereinst und sann
Auf Eure Weise. Seht, in zwei Nationen,
Die sich in wildem Wüthen stets bekriegen,
Theilt‘ ich der Menschen weite Fülle mir.
Die eine sind die Satten, und die andre
Sind, die da hungern. Zur Partei des Hungers
Gehört‘ auch ich, so musst‘ ich mit den Satten
Gar manchen Strauss ausfechten; doch zu ungleich
War mir von je der Kampf, ich hab’s erfahren.
Allmählich zieh‘ ich mich zurück vom Handwerk.
Ich ward es müde, ohne wirthlich Dach
Im Kreis zu streichen. Ja wahrhaftig, Herr,
Ein solches Dasein ist ein Hundeleben!
Sich gleich dem Wild durch Felder und durch Büsche
Gehetzt seh’n, immerdar in jedem Baum
Den Häscher blicken und vor Schreck erzittern,
Ob auch in stiller Kammer wohl geborgen,
Sobald die Thür sich aufthut! – –
Dritte Scene.
Lesley tritt hastig ein. Ratcliff stürzt ihm entgegen. Tom fährt erschrocken zurück mit dem Ausruf: »Jesus.«
LESLEY.
Er wird kommen.
Er kommt!
RATCLIFF.
Wird kommen? Nun, so gilt’s.
TOM ängstlich.
Wen meint Ihr?
Seit manchen Tagen fasst mich Schreck und Angst –
LESLEY zu Tom.
Sei ruhig, lass uns jetzt allein!
TOM mit pfiffiger Miene.
Ha, ich
Versteh‘. Ihr habt zu theilen unter Euch.
Er geht ab.
Vierte Scene.
Ratcliff und Lesley.
RATCLIFF.
Douglas wird kommen? Dann zum Aufbruch!
Er greift nach Hut und Degen.
LESLEY.
Ho!
Nur Vorsicht! Draussen ist’s noch finster nicht
Genug. Dein harren Späher, und die Knechte
Mac-Gregors lauern wachsam. Jedes Kind
Kennt hier Dein Aussehn, also gut beschrieb
Man Dich. Gieb Antwort! Was bezweckt die Tollheit?
Nach London komm mit mir, dort bist Du sicher.
O meide dieses Land, das traurige,
Wo alle wissen, dass Du Duncan einst
Und Macdonald den Garaus hast bereitet.
RATCLIFF mit trotziger Würde.
Den Garaus – ich? O Lüge! Duncan wahrlich
Und Macdonald, im Zweikampf fielen sie.
So wiss‘: ich focht in allen Ehren, und
In allen Ehren will ich jetzo auch
Mit Douglas fechten.
LESLEY.
Künde mir, wo kreuzte
Der Douglas Dir den Weg? That er zu nah Dir?
In welchem Grunde wurzelt Deine Feindschaft,
Dein Groll und Hass?
RATCLIFF.
Nie sah ich ihn und hab ihn nie gesprochen.
Er that mir nichts zu Leid, ich hass‘ ihn nimmer.
LESLEY.
Und doch willst Du ihm an das Leben? William,
Bist du von Sinnen?
RATCLIFF.
Glaube mir, ich bin
Kein träumereicher Mondscheinheld, ich bin
Kein Schattenbilderjäger, den der eig’ne
Spürhund, die Phantasie, durch Nacht und Hölle
Und ihre finstern Schrecken hetzt und aufjagt.
Ich bin kein schwindsuchtkränkelnder Poet,
Der zum Gestirn im buhlerischen Mondglanz
Liebäugelnd aufseufzt
LESLEY.
Alles das könnt‘ ich
Getrost mit einem Eide Dir beschwören.
RATCLIFF.
Und doch gesteh‘ ich – mag’s Dir spasshaft dünken –
Es giebt entsetzlich seltsame Gewalten,
Die oft mich fesseln; dunkle Mächte giebt’s,
Die mein Begehren treiben all‘ zur That,
Die meinen Arm regieren, die den Geist
Schon in der Kindheit mit Erbangen mir
Umschauert. – Schon wann ich in Knabentagen
Allein der Lust des Spielens mich ergeben,
Gewahrt‘ ich oftmals mit erstaunten Blicken
Zwei Schattenwesen, wie geformt aus Nebel,
Die, eins zum andern strebend in der Qual
Des Sehnens, sich in Liebe zu umfangen,
Ins Weite streckten ihre luft’gen Arme,
Vergebens streckten und in stiller Trauer
Versenkten Blick in Blick. Ob luftig auch
Und ob verschwimmend auch sie mir erschienen,
Ein Trugbild, merkt‘ ich auf dem einen Antlitz
Dennoch die starren Züge eines Mannes,
In herbem Stolz verschlossen, und gar hold
Nur milde Frauenschönheit auf dem andern.
Da zog der Zufall mich hierher, Mac-Gregor
Nahm mich in seinem Schlosse gastlich auf.
Ich sah Maria! Bei dem ersten Anblick
Der Jungfrau flammte hell ein jäher Blitzstrahl
Mir in die Seele. Ach, sie war das Abbild
Des Nebelweibes ja; das war der schöne,
Das war der stille, war der süsse Huldblick
Der Liebe, der in Träumen mir so oft,
So selig zugelächelt. Nur die Wangen
Mariens waren nicht so bleich, nur war
Ihr Auge nicht so starr. Ihr Antlitz glühte
Von Rosen, und von lichtem Glanz ihr Auge.
Ein zauberischer Liebreiz war vom Himmel
Auf dieses herrliche Geschöpf ergossen.
Ha, von des Sehnens Fieber heiss ergriffen,
Streckt‘ ich die Arme aus, sie an mein Herz
Zu zieh’n.
Pause.
Ich weiss nicht, wie es kam, ich sah
Mein Bild vom nahen Spiegel rückgeworfen.
Ich war der luft’ge Nebelmann und streckte
Den Arm nach jenem Nebelweibe aus
Mit Flammensehnsucht. – War’s ein eitler Traum nur?
War’s ein Betrug der heissen Phantasie?
O wie so freundlich, wie so mild und liebreich
Sah mich Maria voll Verheissung an,
Dass Aug‘ in Auge, Seel‘ in Seele tauchten! –
Gott! Meines Lebens dunkles Urgeheimniss
Lag plötzlich mir erschlossen: ich begriff
Den Sang der Vöglein und der Blumen Sprache,
Verständlich winkte mir der liebliche
Gruss der Gestirne zu, mir sprach der Quelle
Gemurmel, sprach der Flüsterhauch des Zephyrs
Und meiner eig’nen Brust geheimes Seufzen!
Alles verstand ich! Und wie frohe Kinder
Aufjauchzten wir und spielten wir im Bund.
O, welche Lust, wann eins das and’re suchte,
Bis jubelnd wir im Garten dann uns fanden!
Maria bot mir Blumen, Rosen, Myrten,
Sie schenkte Locken mir vom Haupthaar, schenkte
Mir Kuss auf Küsse, und ich gab ihr Kuss
Auf Kuss gedoppelt wieder. Endlich sank ich
Auf’s Knie. »O sprich, Maria, liebst Du mich?«
So bat ich.
Versinkt in Träumerei.
LESLEY.
Hätt‘ ich so Dich können seh’n,
Ratcliff, die nerv’gen Fäuste fromm gefaltet,
Dem Beter gleich vor einem Heil’genbilde,
Der Augen trotz’gen Funkelblitz in sanftes,
In sehnsuchtfeuchtes Schmachten aufgelöst!
RATCLIFF wild ausbrechend.
Ha, die verfluchte Schlange! O, sie sah
Mit seltsam ängstlich scheuen Augen mich,
Ja fast mit Widerstreben an, und ach!
Mit höhnischem Knix, mit kaltem, frost’gem Wort:
»Nein«, rief Maria herzlos. Noch vernehm‘ ich
Stets dieses Neins verrätherischen Laut,
Noch klingt mir dieses Nein stets um mein Haupt,
Dem Seufzer gleich, und so schlug mir mit Klirren,
Weh mir, des Paradieses Pforte zu!
LESLEY.
Das war ein ganz verruchtes Spiel.
RATCLIFF.
Ich liess
Mac-Gregors Schloss und floh von dort nach London.
Hier in der Hauptstadt fluthendem Gewühl
Hofft‘ ich des Sehnens Qual zu übertäuben,
Das mir das Herz brach. Oel goss ich in’s Feuer.
Die wilde Sehnsucht nach Marie entbrannte
Mir heisser nur als jemals. Allzu eng
Ward England mir; wie in Verbannungsschmerz
Verseufzt‘ ich Tag um Tag; die Liebe zog
Mit unsichtbaren Zwanges Eisenarmen
Allmächtig mich zurück. Hier in der Nähe
Marias nur vermag ich Schlaf zu finden.
Dir beicht‘ ich mein Geheimniss, o vernimm mich!
Geschworen hab‘ ich bei dem Wort des Herrn
Und bei der Hölle Pforten, habe mit
Entsetzensvollem Fluch den grausen Schwur
Besiegelt so: »Wer je Marieens Huld
Bräutlich zu nahen wagt, soll blutig fallen
Von dieser Hand!« So sprach geheim die Stimme
In meiner Brust den Schwur, und blindlings folg‘ ich
Der dunkeln Macht der räthselhaften Mahnung.
LESLEY.
Erst jetzt begreif‘ ich Dich, doch ohne Beifall.
RATCLIFF.
Spend‘ ich mir Beifall selbst? – Nur jene Stimme,
Die hier sich eingenistet, sagt mir »Ja«
Im tiefsten Busen; jene Bilder nur,
Die mir der Traum zeigt, nicken mit den Häuptern
Mir Beifall zu –
Aufschreiend.
O Himmel! Dort! Dort! Siehst Du?
Es ist dunkler geworden. Man sieht zwei nebligte Gestalten über die Bühne schwanken und verschwinden. – Die im Hintergrunde liegenden Räuber und Gauner, durch Ratcliff’s Schrei aus dem Schlaf geweckt, springen auf mit dem Ausrufe: »Was ist? Was giebt’s?«
RATCLIFF.
Sieh‘ dort die luft’gen Schemen!
LESLEY.
Sprich, was äfft Dich?
Bist Du des Teufels, Ratcliff? – Nichts gewahr‘ ich.
Fünfte Scene.
Ratcliff, Lesley, Robin, Dick, John und Taddie.
DICK.
Was stiert der in das Leere? Späht er Häscher?
LESLEY.
Ganz andres: Geister!
Alle lachen.
ROBIN verdriesslich.
So verdamme Gott mich!
Auch keine Ruh‘ am Tage mehr!
RATCLIFF.
Es dunkelt.
Ich will nun fort.
LESLEY.
Lass Dich begleiten!
RATCLIFF.
Nein!
LESLEY.
Nur bis zum Schwarzensteine folg‘ ich. Wachen
Späh’n dort vielleicht.
RATCLIFF.
Die scheucht die Furcht vom Platze.
Dort ist es nicht geheuer in der Nacht.
LESLEY.
Lebt wohl, Ihr Herr’n!
RATCLIFF.
Lebt wohl!
ALLE.
Der Himmel mag Euch segnen!
Ratcliff und Lesley gehen ab.
Sechste Scene.
Die Vorigen ohne Ratcliff und Lesley.
ROBIN.
Verdammt sein will ich, ha, wenn just der Mann
Berauscht nicht oder gar von Sinnen ist.
BILL.
O, der ist krank, gewiss!
DICK.
Was soll’s mich kümmern?
Lebt wohl! Der Arbeit Stunde ist nun da.
Betend vor dem Heiligenbilde.
Schütz‘ in Gefahr mich, gieb mir deinen Segen!
Er und mehrere gehen ab.
ROBIN hält sich seine Faust vor das Gesicht.
Mein Schutzpatron, leih‘ in Gefahr mir Beistand!
Er geht ab.
Siebente Scene.
Zwei Gauner bleiben schlafend liegen. Tom, der Wirth, schleicht herein und stiehlt ihnen das Geld aus der Tasche.
TOM mit schlauer Miene.
Sie dürfen vor Gericht mich nicht verklagen.
Geht ab.
John und Taddie wachen auf.
JOHN gähnend.
Der Schlaf ist doch die allerköstlichste
Erfindung.
TADDIE gähnend.
Komm, lass uns zum Frühstück, John!
JOHN.
Was giebt es Neues?
TADDIE.
Riffel, unser Freund,
Ward sicher an den Galgen heut‘ geknüpft.
TADDIE.
Die schlechteste Erfindung ist der Galgen.
Trollen beide fort.
Der Vorhang fällt.
Dritter Akt.
Wilde Gegend am Schwarzenstein.
Nacht. Links abenteuerliche Felsenmassen und Baumstämme. Rechts ein Denkmal in der Form eines Kreuzes. Der Wind braust. Man sieht zwei weisse Nebelgestalten, die sehnsüchtig die Arme gegen einander ausstrecken, sich nahen, immer wieder auseinanderfahren und endlich verschwinden.
Erste Scene.
Ratcliff tritt auf.
RATCLIFF allein.
Hei, wie die Winde pfeifen!
Ein Heer von Pfeifern spie die Hölle aus
An diesen Platz. Die spielen auf im Chor.
Tief hüllt der Mond sich in den Wolkenmantel
Und schüttelt nur verdrossen auf den Pfad
Ein sparsam Licht herab. Traun, meinethalb
Könnt‘ er sich vollends bergen, im Gewölk
Verdämmern! Braucht die Schneelawine doch
Nicht eine Leuchte, zu erspähn den Abgrund,
Den sie im Sturze füllt, der sichern Richtung,
Sich dem Magnete zu verbinden, ist
Das Eisen kundig; keines Meilenzeigers
Ist Ratcliff’s oft erprobter Stahl bedürftig,
Den Pfad zu finden, der unfehlbar ihn
Zu Douglas‘ Herzen führt. – Ob auch das Gräflein
Hier wird erscheinen? Wie? Ob nicht der Sturm,
Die Furcht vor Husten, Schnupfen und Erkältung
Es gar zurückhält? –
Fürwahr, just diese Nacht muss ich ihn haben!
Traun! Kommt er nicht, so weiss ich ihn zu suchen,
Ich treff‘ ihn selbst im Schloss des Mac-Gregor.
An sein Schwert schlagend.
Für jeden Raum erzwingt der Schlüssel hier
Den Zugang, diese Freunde decken mir
Den Rücken.
Legt die Hand an die Pistolen im Gürtel; nimmt eine Pistole heraus und betrachtet sie.
O! Wie der mich ehrlich anschaut!
Festdrücken möcht‘ ich gern auf seinen Mund
Die Lippen, küssend pressen ihn! Wie könnt‘ ich
Genesen, ach, von solchem Feuerkusse,
Von allen Qualen fänd‘ Erlösung ich!
Sinnend.
Vielleicht drückt Douglas jetzt zur selben Stunde
In gleicher Art auf Deinen Mund, Maria,
Die flammenden Lippen. Ha, entsetzlich! Nein –
Darum darf ich nicht sterben. Willenlos
Müsst‘ ich jedwede Nacht aus meinem Grabe
Aufsteigen, müsst‘, ein waffenloser Schatten,
Mit Knirschen ewig zuseh’n, wie ein Gimpel
Mit lüstern frechem Mopsgesicht beschnüffelt,
Schamlos begafft Maria’s holden Reiz!
Nicht darf ich sterben. – –
Zweite Scene.
Ratcliff. Douglas.
RATCLIFF.
Horch! Tritte nahn.
Ruft laut.
Wer kommt geschritten? Holla!
Gieb Antwort!
DOUGLAS.
Mir bekannt ist diese Stimme,
Des wackern Reiters Stimme, der mich jüngst
Den Klau’n der wüsten Wegelagerer
Entriss im Wald bei Inverness.
Nähert sich ihm.
Ja, ja,
Ihr seid es, jetzt könnt Ihr mir nicht entrinnen.
Für die grossherzig hülfsbereite Rettung
Schuld‘ ich Euch grossen Dank.
RATCLIFF.
Verschwendet nicht
Die Worte, spart den Dank! Denn Grille war
Und eitel Laune meine Hülfe nur.
Drei standen gegen Euch. Das war zu viel mir.
Wär’s Einer nur gewesen, ha, beim Himmel!
Glaubt, lieber wär‘ ich stumm vorbeigeritten.
DOUGLAS.
Seid nicht so grämlich. Lasst uns Freunde werden!
RATCLIFF.
Ganz nach Gefallen. Zum Beweis der Freundschaft
Sollt Ihr mir eine Bitte gleich gewähren.
DOUGLAS.
Mit Leib und Seele bin ich Euer. Redet!
RATCLIFF.
Von diesem Platz, mein allerjüngster Freund,
Sofort und ohne Zögern sucht das Weite,
Lachend.
Wenn Douglas Euer Name nicht!
DOUGLAS befremdet.
Das ist,
Bei Gott, mein Name!
RATCLIFF.
Was? Ihr seid Graf Douglas?
Lachend.
O schlimme, schlimme Botschaft! Jäh ist’s aus
Mit unsrer hübschen, neugebacknen Freundschaft;
Denn wisst, mein Name, Graf, – entfärbt Euch nicht! –
Mein Name lautet also: William Ratcliff.
DOUGLAS wild und das Schwert ziehend.
Du bist der Mörder Macdonald’s und Duncan’s?
RATCLIFF zieht sein Schwert.
Ich bin’s, und um des Kleeblatt’s volle Zahl
Zu ründen, hab‘ auch Euch ich herbeschieden.
DOUGLAS stürzt auf ihn ein.
Verruchter Mörder, wehre Dich der Haut!
Gefecht.
RATCLIFF.
Ich schlage mich so gut ich kann. Ha, ha!
DOUGLAS innehaltend.
Stell‘ ein Dein grässliches Gelächter! Schweige!
RATCLIFF lachend.
Ha, ha! Ich lache nicht; das sind die bleichen,
Die Nebelmenschen dort –
DOUGLAS.
Lach, wie Du Lust hast! –
Ihr, Schatten Macdonald’s und Duncan’s Schatten,
Steht mir im Kampfe bei!
Gefecht.
RATCLIFF.
Teufel und Hölle!
Graf Duncan hilft ihm, der ermordete.
Misch Dich nicht ein, Du grausenvoller Fechter!
DOUGLAS.
Nimm das!
RATCLIFF.
Höll‘ und Verrath! Auch Macdonald
Eilt zum Gefecht herbei. – Von Dreien Einer
Bestürmt! Zu viel ist’s. –
Er weicht zurück und stolpert über das Piedestal des Monuments.
Höllenfluch! Ha, Ratcliff
Liegt nun besiegt. Nur zu! Durchbohrt mich hier!
Ihr könnt auf Erden keinen grössern Feind
Durchbohren.
DOUGLAS kalt.
Douglas‘ Waffe habt Ihr nun
Erprobt. Vielleicht hatt‘ ich Euch jüngst die Rettung
Des Lebens zu verdanken, und so sollt
Ihr jetzund mir das Eure danken. Wir
Sind quitt. –
Er geht stolz ab.
Dritte Scene.
Ratcliff liegt regungslos am Fusse des Monuments. Der Wind heult wilder. Die zwei Nebelgestalten erscheinen, nahen sich mit ausgestreckten Armen, fahren wieder auseinander und verschwinden.
RATCLIFF steht langsam und betäubt auf.
War’s Menschenlaut? War’s ein Geräusch des Windes?
Ein hohl gespenstig Wort summt mir und schwirrt
Im Ohr, des Wahnsinns voll, ein Geisterwort.
War’s nur ein toller Traum? Wo bin ich denn?
Was für ein Kreuz ist dies und welche Inschrift?
Er liest die Inschrift des Monuments.
»Hier sind im Wald von gottverfluchten Händen
Graf Duncan und Lord Macdonald gefallen.«
Auffahrend.
Das ist kein Traum. Ich bin am Schwarzenstein,
Wehrlos, besiegt, verspottet und verachtet!
Der Winde Bosheit kichert mir in’s Ohr:
»Da steht der starke, nie gebeugte Heros,
O seht ihn!
Seht den Verhöhner seines Heimathvolkes,
Den Aechter der Gesetze, der so trotzig
Selbst mit dem Himmel rechtet, seht ihn dort!
Nun kann er wehrlos nimmermehr verhindern,
Dass heut zur Nacht in seiner Liebsten Armen
Graf Douglas kosend ruht und mit Gelächter
Geschwätzig ihr erzählt, wie dort der Wurm,
Der feige, der sich Ratcliff nennt, am Boden
Gestreckt, sich wand und krümmt‘ am Schwarzenstein,
Gar jämmerlich sich krümmte, wie die Sohle
Des Grafen Douglas, sich nicht zu besudeln,
Ihn nicht zertrat!«
In Wuth ausbrechend.
Bösart’ge Hexenbrut!
Lasst ab von Eurem grässlichen Gelächter,
Mit schadefrohem Zeigefinger mich
Zu höhnen! Felsen schleudr‘ ich Euch auf’s Haupt,
Das scheussliche, die Tannenwälder Schottlands
Will ich entwurzeln, geissle Euch im Zorn
Die gelben Rücken, stampfe mit dem Fuss
Das schwarze Gift, zur Sühne meiner Schmach,
Aus dürrem Leib Euch, gottverhasste Wesen!
Entfess’le Deine Furien, grimmer Nord!
O Welt, zerstieb‘ in Trümmer! Brich, zerschmettre,
Zermalme mich, Du weite Himmelsdecke!
Im tiefsten Abgrund jäh verschlinge mich
Die Erde!
Halb wild, halb ängstlich und in einen geheimnissvollen Ton übergehend.
Sprich, o Schemen Du der Hölle,
O doppelgängerischer Nebel du
In Menschgestalt, mit Deinen stieren Augen
Was glotzest Du mich an? Du saugst das Blut mir
Mit Deinen Augen aus, Du wandelst mich
In starren Felsen, giessest eisig Wasser
Mir in die glüh’nden Adern, machst mich selbst
Zu einem nächtlich fahlen Truggebild.
Was zeigst Du mir dorthin? Mit ausgestrecktem,
Mit nebelhaftem Arm zeigst Du dorthin?
Soll wagen ich’s? Marie? Die weisse Taube?
So heischest Du denn Blut? Wer spricht hier? Holla!
Das war kein Windsgespräch. Ich soll sie rauben?
Bejahst Du’s mir mit Nicken? Sei’s, es sei!
Mein Wollen ist zu Eisen mir gehärtet
Und mehr als alle Himmelswaltung, mehr
Als die Gewalt der Höllenkunst, allmächtig.
Er stürzt fort.
Der Vorhang fällt.
Vierter Akt.
Mac-Gregor’s Schloss. Erleuchtetes Zimmer mit einem verhängten Kabinette in der Mitte. Man hört verhallende Tanzmusik und Mädchengelächter.
Erste Scene.
Maria, festlich geschmückt, und Margarethe treten eben herein.
MÄDCHENSTIMME hinter der Scene.
Ha, ha, ha, ha, ha.
MARIA.
Welch‘ Bangen, o mein Gott!
MARGARETHE.
Die Schnürbrust engt
Dich ein. Du liebes Püppchen, komm, lass Dich
Entkleiden!
Sie hilft Marien beim Auskleiden.
MARIA.
Schwer ist mir das Herz.
MARGARETHE.
Graf Douglas
Ist doch ein stattlich hübscher Mann.
MARIA heiter lachend.
Er ist’s
Und lustig und verträglich, und ein Mann!
MARGARETHE.
Ist denn mein süsses Püppchen auch so recht
Verliebt?
MARIA.
Ich soll verliebt sein, ich verliebt?
Thorheit. Genug, dass man sich leiden mag.
MARGARETHE.
Und doch – Du sprachst nicht immer also kühl.
Als William Ratcliff –
MARIA hält ihr ängstlich den Mund zu.
O, ich bitte, bitte,
Den bösen Namen, sprich ihn hier nicht aus!
Nacht ist’s und spät schon.
MARGARETHE.
Damals, o mein Püppchen,
Ja, damals wahrlich warest Du verliebt.
MARIA.
Nein, nein! Ach, im Beginn schien er so sanft
Und hold mir wie ein Lämmlein; mir erglänzte
Sein Antlitz so vertraut und lieb; so weich
Bestrickte seiner Stimme Klang, und heimlich
Quoll die Empfindung süssen Wohls so zart
Aus seinem Odem auf die Wangen mir.
Die Augen, wie so liebreich, wie so heiter
Und fromm zugleich sie blickten!
Zusammenschauernd.
Aber plötzlich
Vertauscht‘ er die Gestalt mit einem Schemen,
So starr und wild verzerrt, so bleich und blutig
Und todtengleich und furchtbar grimmig drohend,
Als wollt‘ er mich durchbohren. Ja, er sah
Fast gleich dem Nebelbild in Mannsgestalt,
Das oft ich schau‘ im nächt’gen Traum, die Arme
Nach mir gestreckt, die Augen lang‘ auf mich
Geheftet, grauenhafter Sehnsucht voll,
Dass ich erstarr‘ und selbst, in eitel luft’ge
Bildform verkehrt, die nebelhaften Arme
Ihm öffn‘ und also nach ihm breite.
MARGARETHE.
Du
Bist just der sel’gen Mutter gleich; auch sie
That also bös und spröd‘ und war doch närrisch
Und toll verliebt, dem Kätzchen gleich, in Ratcliff –
MARIA.
Wie? Meine Mutter?
MARGARETHE.
Ja, in Edward Ratcliff,
Den Vater Williams. O, wie hübsch, wie schön
War Deine Mutter! Ihrer selt’nen Anmuth
Verdankte sie den Namen: »Schöne Betty.«
Sie hatte Locken wie von Goldglanz, Hände
Gleichwie aus Marmelstein, und Augen: o,
Die kannte Edward wohl; sie waren schön;
Er sah hinein den ganzen Tag und sah
Sich schier die eignen Augen blind. Ihr Lied
Glich dem der Nachtigall. Sang sie am Heerde:
»Was ist von Blut dein Schwert so roth,
o Edward, Edward?«
Und war verhallt die Weise, stand die Köchin
In Andacht ganz versunken, und der Braten
Verdarb. Ach, hätt‘ ich nimmer ihr gelehrt
Das Trauerlied!
Sie weint.
MARIA.
Nur weiter, liebe Margreth!
MARGARETHE.
Schön-Betty, Deine Mutter, sass allein
Im Zimmer, und sie sang:
»Was ist vom Blut dein Schwert so roth,
O Edward, Edward?« –
Da plötzlich sprang der Edward in’s Gemach
Und stimmte trotzvoll in des Liedes Weise:
»Mein Liebchen hab‘ ich geschlagen todt –
Mein Liebchen war so schön, o!«
Und Deine Mutter ward alsda ergriffen
Von solchem Graun, dass nimmermehr sie wollte
Den armen, wilden Edward wiederseh’n.
Und um den Trotz zu steigern, reichte sie
Dem Mac-Gregor die Hand zum Bund. Da raubte
Die Wuth dem Edward Ratcliff die Besinnung,
Und um zu zeigen, dass er von Schön-Betty
Leicht könne lassen, aus Verzweiflungstrotz
Nahm er Lord Campbell’s Töchterlein Ginevra
Sich zur Gemahlin, und der William Ratcliff,
Der ist der Spross aus dieser tollen Ehe.
MARIA.
O, Du bejammerswerthe Mutter Du!
MARGARETHE.
Ein ganzes Jahr verging, und niemals tönte
Der Name Edward von den Lippen ihr.
Dann, als von neuem der October kam,
Just grade an demselben Tag, von dem
Ratcliff den Namen trug, da frug sie: »Margreth!«
(Und wie von ungefähr kam ihre Frage)
»Sprich, weisst Du nichts von Edward?« Wohl, ich weiss,
Dass er zur Frau sich Campbells Tochter nahm.
»Ginevra? Sprich!« – Schön-Betty stiess das Wort
Hervor; bald blass und bleich und wieder bald
Von Flammengluthen übergossen, hub
Sie seufzend bitterlich zu weinen an.
Auf meinen Knie’n hielt ich Dich schaukelnd just,
Marie; drei Monde zähltest Du gerad‘
Und schicktest Dich, mein süsses Püppchen, gleichfalls
Zu wimmern an. Ich, die Verlangen trug,
Die Thränen Deiner Mutter im Geplauder
Hinwegzuscheuchen, ich erzählt‘ ihr schwatzend,
Dass Edward von Schön-Betty nie vermöge
Zu lassen, dass man Tag und Nacht ihn sehe
Geheim das Schloss umschleichen, still verborgen,
Wie er voll Sehnsucht schmerzlich streckt die Arme
Nach der Geliebten Fenster. »O, das wusst‘
Ich längst«, so gab Schön-Betty mir zur Antwort
Und flog mit Hast ans Fenster, und verlangend
Nach Edward streckte sie die Arme aus.
Weh uns, das war nicht recht gethan! Denn just
In diesem Augenblick trat Mac-Gregor
Hinzu, Dein eifersücht’ger Vater.
Hält erschrocken ein.
MARIA.
Weiter!
Zu Ende sprich!
MARGARETHE.
Ich bin zu Ende.
MARIA.
Weiter!
MARGARETHE ängstlich.
Hart an der alten Mauer dieses Schlosses
Am andern Morgen lag, blutüberströmt,
Des Lebens baar, der Körper Edward Ratcliffs.
MARIA.
Der Mütter ärmste? Sprich!
MARGARETHE.
Sie starb vor Schreck
Am dritten Tag nach dem Ereigniss.
MARIA.
O,
Welch‘ grässlich Wort!
MARGARETHE im kalten, höhnischen Wahnsinnstone.
Mein Püppchen, hättest Du
Erst selbst geseh’n mit Deinen kleinen Augen,
Wie an des Schlosses Mauer Edward Ratcliff
Dalag! Ich sah’s, und ewig steht mir so
Das blut’ge Bild vor meinen Sinnen. Und
Weil mir Mitwissenschaft beschieden dessen,
Der ihn erschlagen hat, und weil den Namen
Ich keinem, der da athmet, nennen darf,
Weil toll ich ward, kann ich nicht schlafen mehr,
Seh‘ aller Orten ihn, den blut’gen Ratcliff,
Mit aufgesperrten, mit pfeilspitzen Augen,
Gespenstig aufgehob’nem Zeigefinger,
Wie langsam, stumm er vor den Blicken mir
Vorüberschreitet, einem Schatten gleich – –
Zweite Scene.
Die Vorigen. William Ratcliff, bleich, verstört und blutig, tritt herein.
MARGARETHE wild aufschreiend.
O heil’ge Jungfrau! Ha, der todte Edward!
Sie kauert nieder in einer Ecke des Zimmers und bleibt dort starr und regungslos sitzen.
MARIA aufschreiend.
Ah, Du Verruchter! – Bringst Du Douglas‘ Ring? –
RATCLIFF bitter lachend.
Vorbei ist das Tournier, geschlossen ist
Der Wettkampf um die Ringe nun. Zwei Ringe
Ersiegt‘ ich mir, doch da den dritten ich
Im Spiel nicht konnte stechen, stürzt‘ ich sieglos
Hinunter von dem Holzpferd.
MARIA plötzlich im vertraulich ängstlichen Tone.
William, William!
Du blutest ja, Du blutest. Neige Dich,
Dass ich die Wunde Dir verbinde!
Sie zerreisst ihren weissen Hochzeitsschleier.
Himmel!
Wo bin ich? Böser Du, Du bist nicht William –
Edward bist Du, und ich, ich bin Schön-Betty –
Wie blutig, William, ist Dein armes Haupt,
Und mein’s ist ganz verworren! Was beginn‘ ich? –
Komm her; wenn Du mich lieb hast, kniee nieder!
Sie will ihm die Kopfwunde verbinden.
RATCLIFF Stürzt zu ihren Füssen. Schmerzhaft zärtlich.
Neckt mich ein holdes Traumbild? Ich zu Füssen
Maria’s? Zierlich kleine Füsse, seid ihr
Nicht Nebel, Truggebilde nicht, Gestalten
Des Wahnsinns, die zerrinnen unterm Druck
Der Hand?
MARIA beschwichtigend und ihm den Kopf mit dem Schleier verbindend.
Bleib‘ ruhig, liege still! Dir klebt
Geronnen Blut an Deinem gold’nen, hübschen
Gelock. Bleib‘ still! Mich selber färbt Dein Blut,
Wenn Du Dich also regst. Willst Du gehorchen,
Auf’s Auge küss‘ ich Dich.
Sie küsst ihn.
RATCLIFF.
O, dieser Kuss
Verscheucht die Nacht mir von den dunkeln Augen.
Die Sonne kann ich wieder sehn – Maria!
MARIA wie aus einem Traum aufgeschreckt.
Maria ich? Und William Du?
Hält sich die Angen zu.
O Wahrheit
So trauervoll!
Schaudernd.
Fort! Flieh! Entweiche! Fort!
RATCLIFF springt auf und umschlingt sie.
Ich weiche nimmer. Theuer bist Du mir,
Maria, und nicht minder theuer ist
Dir William.
Vertraulich.
Oftmals hast Du’s mir im Traum
Gestanden. O, wir seh’n uns ähnlich, weisst Du?
Schau‘ Dich im Spiegel an!
Er führt sie an einen Spiegel und zeigt ihr beide Spiegelbilder.
Zwar Deine Züge
Sind schöner, edler, reiner als die meinen,
Und ähnlich sind sie doch. Sieh diese Lippen,
Umzuckt der gleiche Stolz, der gleiche Trotz
Sie nicht? Sprich doch ein einzig Wörtlein!
MARIA sich sträubend.
Lass,
O lass mich gehn!
RATCLIFF.
O hörst Du’s nimmer? Gleich
Tönt Deine Stimme wie die meine tönt,
Nur dass weit lieblicher und sanfter sie
Aus Deinem Munde quillt.
MARIA.
O lass mich, William!
RATCLIFF.
Ist nicht der Augen tiefe Bläue gleich,
Nur heller und belebter noch das Deine?
Nimmt ihre Hand und vergleicht sie mit der seinigen.
Gieb her die Hand! Die Linien sind gleich.
Blick‘ her!
Erschrickt.
Die Lebenslinie kurz wie hier! – –
MARIA.
O lass mich, William! Flieh, entweiche, eile!
Sie kommen gleich! Drum flieh – –
RATCLIFF.
Ja, lass uns fliehn!
Ha, wohlgesprochen! Eile! Lass uns fliehn!
Gesattelt steht mein Ross, der schnellste Renner
In Schottland hier.
Zieht sein Schwert hervor.
Mein Schwert bahnt uns den Weg
Zur Rettung. Sieh, wie funkelt’s: – Welche Stimme!
MARGARETHE wahnsinnig singend.
»Was ist von Blut Dein Schwert so roth,
O Edward, Edward?
Mein Liebchen hab‘ ich geschlagen todt –
Mein Liebchen war so schön, o!«
RATCLIFF.
Wer stiess, Marie, das blut’ge Wort hervor?
Die Eule, die sich dort gespenstisch klammert
Ans Fenster? War’s der Wind, der im Kamin
Sich pfeift sein nächtig Grablied? War’s die Hexe,
Die dort im Winkel kauert? Ja, die war’s!
Ihr Leib ist marmorstarr, doch aus der Brust
Schrillt ihr der heisere Singsang; sie befiehlt mir,
Im höchsten Schmerz.
Mein Lieb zu morden. – O, dass ich das thun muss! –
MARIA.
O, wie entsetzlich rollt Dein Blick! Von Flammen
Erglüht Dein Odem. Lass mich, William, lass mich!
Dein eigner Wahnsinn greift mich an. Verlass mich!
RATCLIFF.
O sträube Dich nicht mehr, mein Lieb! Maria,
So süss ist ja das Sterben! Komm mit mir!
Lass mich in jenes schöne Land Dich führen,
Von dem wir oft geträumt!
MARIA sich von ihm losreissend.
O flüchte, flüchte!
Denn trifft Graf Douglas Dich – –
RATCLIFF in Wuth ausbrechend.
Fluchvoller Name!
So heisst das Losungswort des Todes. Ha!
Kein Sterblicher, kein Gott soll Dich besitzen!
Nur mir gehörst Du –
Er will sie erstechen.
MARIA sich in das verhängte Kabinet flüchtend.
Du, mein William, willst
Mich morden?
RATCLIFF stürzt ihr nach in’s Kabinet.
Mir allein gehörst Du, o
Maria! – –
Man hört Marias Stimme: »William! Zu Hülfe! William!«
MARGARETHE.
»Mein Liebchen hab‘ ich geschlagen todt,
Mein Liebchen war so schön, o!«
Die zwei Nebelbilder erscheinen von entgegengesetzten Seiten, stellen sich am Eingang des Kabinets, strecken die Arme nach einander aus und verschwinden bei Ratcliffs Hervortreten.
RATCLIFF das blutige Schwert in der Hand, stürzt aus dem Kabinet.
Halt‘ ein!
Entweiche nicht, Du Schatten meiner selbst!
Dein ist die Mordthat, nächtlich bleiches Trugbild.
An Deiner Lufthand klebt das rothe Blut.
Komm Du und ficht mit mir, Maria’s Mörder!
Dritte Scene.
Mac-Gregor stürzt herein mit blossem Schwerte. Die Vorigen.
Um Hülfe hört‘ ich schrei’n.
Erblickt Ratcliff.
Verruchter Du,
Dich treff‘ ich endlich, Dich, verhasster Mörder
Und Räuber meines Friedens!
RATCLIFF wild auflachend.
Ja, der bin ich,
Und minder nicht bist Du mir selbst verhasst.
Zwar weiss ich nicht den Grund, doch hass‘ ich Dich,
Nach Deinem Blute lechz‘ ich –
Sie stürzen fechtend auf einander ein.
MAC-GREGOR.
Ha, Verbrecher!
RATCLIFF.
Ich lache.
MARGARETHE.
»Was ist von Blut Dein Schwert so roth,
O Edward, Edward?«
MAC-GREGOR stürzt nieder.
Verfluchter Singsang!
Er stirbt.
RATCLIFF erschöpft.
Die giftgefüllte Schlange liegt nun todt.
Nun sinkt vom Herzen mir die Last. Ach, schon
Geniess‘ ich süssen Vorgeschmack des Friedens,
Für ewig ist Maria mein, vollbracht
Ist nun mein Tagewerk. Ich komm zu Dir,
Maria!
Er geht in’s Kabinet; man hört inwendig seine Stimme.
O Maria, süsses Lieb,
O sieh mich hier, Maria!
Es fällt ein Schuss im Kabinet.
Die zwei Nebelbilder erscheinen von beiden Seiten, stürzen sich hastig in die Arme, halten sich fest umschlungen und verschwinden. Man hört lautes Rufen und verworrene Stimmen.
Letzte Scene.
Douglas, Gäste und Diener treten bestürzt herein. Die Vorigen.
EIN DIENER.
Himmel, Himmel,
Hier liegt der edle Herr!
VIELE STIMMEN.
Todt Mac-Gregor!
DOUGLAS.
Der edle Laird erschlagen! Weh uns! Hier
Liegt er entseelt! Auf frischer Spur verfolgt
Den Mörder, schliesst des Schlosses Thor und Pforten!
MARGARETHE richtet sich langsam in die Höhe, nähert sich der Leiche Mac-Gregor’s und singt im wahnsinnigen Tone.
Ha, also blutroth und so bleich lag auch
Der arme todte Edward Ratcliff einst
Hart an des Schlosses Mauer, ach, zum Tode
Getroffen, der bejammernswerthe Edward,
Vom bösen, zorn’gen Mac-Gregor!
Weinend.
Ich trage
Nicht Schuld an dieser Schreckensthat, mir war
Sie nur bewusst.
Zeigt nach Mac-Gregor’s Leiche.
Von William Ratcliff ward
Zu Boden der geschlagen. – Jetzt hat auch
Der William Ruh‘, er schlummert bei Maria.
Nur stille, stille nur! Weckt sie nicht auf
Aus ihrem Friedensschlaf!
Sie geht auf den Fusszehen nach dem Kabinette und hebt die Gardine desselben auf. Man sieht die Leichen von Maria und William Ratcliff.
ALLE.
Grau’nvoller Anblick!
MARGARETHE vergnügt lachend.
Wie sie dem Edward und Schön-Betty doch
So seltsam gleichen!
ALLE.
O grau’nvoller Anblick!
Ende.