Giacomo Puccini
Tosca
Musikdrama in drei Akten
Personen
Floria Tosca, berühmte Sängerin (Sopran)
Mario Cavaradossi, Maler (Tenor)
Baron Scarpia, Chef der Polizei (Bariton)
Cesare Angelotti (Baß)
Der Mesner (Bariton)
Spoletta, Agent der Polizei (Tenor)
Sciarrone, Gendarm (Baß)
Ein Schließer (Baß)
Ein Hirt (Knabenstimme)
Ein Kardinal – Der Staatsprokurator
Roberti, Gerichtsbüttel – Ein Schreiber
Ein Offizier – Ein Sergeant
Soldaten, Sbirren, Damen, Herren, Bürger, Volk usw.
Rom: Juni 1800
Erster Akt
In der Kirche Sant‘ Andrea della Valle
Rechts die Kapelle Attavanti. Links ein Malgerüst, darauf ein großes, mit einer Leinwand bedecktes Gemälde. Verschiedenes Malgerät. Ein Speisenkorb.
ANGELOTTI in Sträflingskleidern, die zerfetzt und beschmutzt sind, vor Furcht zitternd, tritt ängstlich zur Seitentüre ein, wie ein Verfolgter. Er wirft einen raschen Blick umher.
Ah! … Das gelang mir! …
Kann der Schreck verwirren! …
Überall sah ich Häscher nur und Sbirren!
Macht eine Bewegung des Schrecks, dann wendet er sich zurück und späht aufmerksam weiter, um bei größerer Ruhe sich des richtigen Ortes zu vergewissern.
Mit einem Seufzer der Erleichterung bemerkt er den Pfeiler mit dem Weihwasserbecken und der Madonna.
Der Pfeiler … mit dem Becken …
Hier wollte, schrieb die Schwester,
Den Schlüssel sie verstecken.
Nähert sich der Säule, sucht den Schlüssel am Postament des Madonnenbildes, findet ihn nicht, sucht eifrig von neuem, findet ihn dann endlich und unterdrückt einen Freudenschrei.
Hier ist der Schlüssel …
Weist auf die Kapelle Attavanti hin.
dort ist die Kapelle.
Vor Furcht entdeckt zu werden, hält er wieder inne und blickt ängstlich umher, dann schleicht er zu der Kapelle, steckt äußerst vorsichtig den Schlüssel ins Schloß, öffnet das Gitter, schließt es hinter sich ab und verschwindet.
Der Mesner kommt von hinten und geht von rechts nach links, um die Kirche zu inspizieren; er hat ein Bündel von Pinseln in der Hand.
Er nähert sich dem Gerüst und spricht mit lauter Stimme, als ob er seine Worte an jemand richtete, der anwesend ist.
DER MESNER.
Da sind die Pinsel!
Mag ich sie waschen, putzen,
Werdet Ihr doch sie bald noch mehr beschmutzen! …
Die schönen Pinsel …
Er blickt zu dem Gerüst hinauf und findet es zu seiner Überraschung leer.
Nichts … kein Maler!
Bei meinen Ohren
Hätt‘ ich geschworen,
Daß ich gehört Cavaradossi.
Er legt die Pinsel hin und besteigt das Gerüst.
Er blickt in den Korb hinein.
Nein, Täuschung! Unberührt noch alles!
Steigt wieder herab.
Der Angelus wird geläutet, der Mesner kniet nieder und betet demütig.
»Angelus Domini nuntiavit Mariae, et concepit de Spiritu Sancto. Ecce ancilla Domini. Fiat mihi secundum verbum tuum. Et Verbum caro factum est et habitavit in nobis …«
CAVARADOSSI durch die Seitentür, indem er den knieenden Mesner erblickt.
Was tust du?
DER MESNER.
Angelus betet‘ ich.
Cavaradossi steigt auf das Gerüst und enthüllt das Gemälde. Es läßt eine Maria Magdalena sehen, mit großen blauen Augen und einer Fülle goldigen Haares. Der Maler betrachtet sein Bild mit prüfenden Blicken.
Der Mesner, der, zu Cavaradossi gewendet, mit ihm sprechen will, sieht das Gemälde und tut einen Ausruf der Verwunderung
Sankt Andreas! Herrlich getroffen!
CAVARADOSSI.
Ei, wer?
DER MESNER.
Die Unbekannte,
Die zur Madonna da drüben
Er deutet zu der Madonnenstatue hin, von der Angelotti den Schlüssel geholt hat.
Gar oft schon heißeste Bitten entsandte.
CAVARADOSSI lächelnd.
Wahrhaftig.
Ich sah des feuchten Auges Schimmer,
Wie vor Gott es strahlte,
Aber sie merkt‘ es nimmer,
Daß ich sie malte.
DER MESNER empört.
(Weiche, Satanas, weiche!)
CAVARADOSSI zum Mesner, der ihm gehorcht.
Gib mir die Farben!
Er malt sehr eifrig und macht mitunter eine Pause, um seine Arbeit zu betrachten. Der Mesner geht und kommt, bringt dann einen Waschnapf, in welchem er die Pinsel reinigt.
Cavaradossi hört zu malen auf, zieht aus der Tasche ein Medaillon hervor, das eine Miniatur enthält, und läßt seine Augen zwischen beiden Bildern hin und her wandern.
Wie sich die Bilder gleichen
Durch verborgene Zeichen!
Die braune Floria,
Mein Lieb, für das ich glühe …
DER MESNER halblaut brummend.
(Es ist abscheulich!
Nichts ist ihm heilig! …)
Er holt frisches Wasser für die Pinsel.
CAVARADOSSI fortfahrend.
Und hier in sanfter Glorie
Diese fremde Blondine
Mit der Engelsmiene …
Ja, das lohnt der Mühe.
DER MESNER kommt brummend wieder.
(Es ist abscheulich!
Nichts ist ihm heilig! …)
Wäscht die Pinsel weiter.
CAVARADOSSI.
Wohl kann die Kunst vereinen,
Die von Natur so weit getrennt erscheinen;
Doch wie der Künstler schwanke,
Zu dem Medaillonbilde.
Du nur bist mein Gedanke!
Tosca, nur du!
Er malt.
DER MESNER wie vorher.
(Mit ihrer Augen Funkeln
Des Himmels Sterne sollten sie verdunkeln,
Ging’s den Malern zu Danke!
Es ist abscheulich!
Nichts ist ihm heilig!
Mit diesen Affen
Von Voltairianern,
Die alles frech und ohne Scheu begaffen,
Hat niemand gern zu schaffen!
Er stellt den Waschnapf unter das Gerüst und steckt die Pinsel in ein neben dem Maler stehendes Gefäß.
Es ist abscheulich!
Nichts ist ihm heilig!
Mit einem Wink auf Cavaradossi.
Ja, Ketzer sind sie alle
In diesem Falle.
Sich bekreuzigend.
So machen wir denn lieber
Ein Kreuz darüber.)
Laut zu Cavaradossi.
Euer Gnaden, darf ich?
CAVARADOSSI.
Ja, du kannst gehen!
Malt weiter.
DER MESNER auf den Korb zeigend.
Was hier im Korb, wollt Ihr nicht sehen?
CAVARADOSSI.
Mich hungert nicht.
DER MESNER reibt sich vergnügt die Hände.
Ach, das ist schade!
Er wirft einen begehrlichen Blick nach dem Korbe und stellt ihn dann für sich beiseite.
Nimmt zwei Prisen Tabak.
Geht Ihr, so schließt die Kirche!
CAVARADOSSI malend.
Gut.
DER MESNER.
Gut.
Entfernt sich nach dem Hintergrunde.
CAVARADOSSI arbeitet, der Kapelle den Rücken kehrend. Angelotti, der die Kirche verlassen wähnt, erscheint hinter dem Gitter und steckt den Schlüssel ins Schloß. Cavaradossi wendet sich bei dem Gekreisch des Schlosses um.
Was gibt’s da drinnen?
ANGELOTTI steht bei der Bewegung Cavaradossis einen Augenblick starr vor Schreck und macht Miene, in die Kapelle zurückzufliehen; als er aber die Augen erhebt, stößt er einen halb unterdrückten Schrei der Freude aus. Er hat den Maler erkannt und streckt ihm wie einem unverhofften Retter die Arme entgegen.
Ihr! Cavaradossi!
Euch sendet Gott mir!
Cavaradossi erkennt Angelotti nicht und bleibt erstaunt auf dem Gerüst stehen. Angelotti geht näher, um erkannt zu werden.
Ihr erkennt mich nimmer?
So sehr hat das Gefängnis mich verändert!
CAVARADOSSI erkennt ihn, legt schnell Palette und Pinsel weg und steigt vom Gerüst, während er vorsichtig umherblickt.
Angelotti! Der Konsul
Der ehemaligen Republik von Rom!
Er läuft, um die Seitentür abzuschließen.
ANGELOTTI geht Cavaradossi entgegen, geheimnisvoll.
Ich bin der Engelsburg entflohen soeben jetzt.
CAVARADOSSI hochherzig.
Zählen könnt Ihr auf mich.
TOSCA von außen.
Mario!
CAVARADOSSI gibt Angelotti einen schnellen Wink zu schweigen.
Versteckt Euch schnell!
Sie darf Euch hier nicht sehen!
Geduld, ich heiße gleich sie gehen!
TOSCA.
Mario!
CAVARADOSSI gegen die kleine Tür, von welcher die Stimme der Tosca kommt.
Hier bin ich.
ANGELOTTI von einer Ohnmacht angewandelt, lehnt sich an das Gerüst und sagt schmerzbewegt.
Meine Kraft ist
Zu Ende, ich vergehe.
CAVARADOSSI springt schnell auf das Gerüst hinauf, holt den Korb und gibt ihn Angelotti.
Hier werdet Ihr, was not tut, finden.
ANGELOTTI.
Danke.
CAVARADOSSI Angelotti Mut zusprechend, drängt er ihn zur Kapelle.
Schnell nur!
ANGELOTTI.
Danke.
CAVARADOSSI.
Eilig!
Angelotti geht in die Kapelle
TOSCA gereizt.
Mario! Mario!
CAVARADOSSI heuchelt Ruhe und öffnet Tosca.
Tritt ein!
TOSCA tritt heftig ein und wirft argwöhnische Blicke umher. Cavaradossi will sie umarmen, sie stößt ihn brüsk von sich.
Eingeschlossen?
CAVARADOSSI mit gespielter Gleichgültigkeit.
Der Mesner wollt‘ es haben.
TOSCA.
Du sprachst mit jemand?
CAVARADOSSI.
Mit dir!
TOSCA.
O nein, ich hörte flüstern, zischeln,
Wo steckt sie?
CAVARADOSSI.
Wer?
TOSCA.
Nun sie! Jenes Weibsbild!
Ich hörte Schritte und das Rascheln von Gewändern …
CAVARADOSSI.
Torheit.
TOSCA.
Du leugnest!
CAVARADOSSI leidenschaftlich.
Ich leugn‘ und liebe!
Will sie küssen.
TOSCA mit sanftem Vorwurf.
Halt! Doch nicht vor der Madonna!
Nein, lieber Freund,
Sie geht langsam auf das Standbild der Madonna zu und breitet sorgfältig die Blumen vor ihr aus, die sie mitgebracht hat.
Ich will ihr Blumen streu’n und beten …
Sie kniet nieder und betet mit großer Andacht; bekreuzigt sich und steht auf. Zu Cavaradossi, der inzwischen wieder an die Arbeit gegangen ist.
Nun hör‘ mich an: heut‘ abend sing‘ ich,
Doch kurz nur ist die Oper.
Erwarte mich beim Bühnenausgang,
Nach Hause gehen wir allein und einsam.
CAVARADOSSI der immer nachdenklich war.
Heut‘ abend?
TOSCA.
Wir haben Vollmond.
Der Gärten wunderbarer Duft
Berauscht das Herz. Bist du’s zufrieden?
Sie setzt sich auf die Stufen dicht neben Cavaradossi.
CAVARADOSSI zerstreut.
Freilich.
TOSCA betroffen von der Kälte Cavaradossis.
Sag’s noch einmal!
CAVARADOSSI.
Freilich.
TOSCA zornig.
Das klingt abscheulich.
Sanfter.
Von unserm Häuschen mit mir sollst du träumen;
Versteckt liegt’s hinter blühenden Bäumen;
Fern von der Neugier, vom Geräusch der Welt
Ward uns ein trautes Nest bestellt.
Ach, dort, im Arme dir, zu lauschen
Den Rätselstimmen zauberischer Nacht,
Wenn Stern an Stern hernieder lacht!
Wie sanft die Wipfel rauschen!
Vom Licht des Monds beschienen,
Mit Silber übergossen
Die ragenden Ruinen!
Und Amoretten kommen überall geflogen,
Mit Nachdruck.
– Die manchen schon betrogen! –
Die Seelen auszutauschen!
O duftet, Blumenfelder!
Säuselt leiser, knospende Wälder!
Ihr Sterne, diamant’ne Strahlen sprüht!
Erfülle ganz, du holde Nacht,
Die trunk’ne Seele,
Zeige deiner Wunder Macht!
CAVARADOSSI.
Vor Wonne sieh mich beben,
Süßes Leben!
TOSCA selbstvergessen.
Geweihet und geheiligt sei die Nacht
Unserer Liebe!
Sie lehnt das Haupt auf Cavaradossis Schulter, der sich unwillkürlich plötzlich umwendet, um nach Angelotti zu sehen.
CAVARADOSSI.
Kommen werd‘ ich zur Nacht! …
Doch nun zu meiner Arbeit!
TOSCA überrascht.
Ich soll gehen?
CAVARADOSSI.
Ja, die Zeit drängt, du weißt!
TOSCA steht gekränkt auf.
Also … geh‘ ich.
Sie tritt ein wenig von ihm zurück, wie um ihn noch einmal zu betrachten, da bemerkt sie das Bild und kommt wieder näher.
Wen stellt
Jene blonde Dame da vor?
CAVARADOSSI ruhig.
Die Magdalena.
Was meinst du?
TOSCA.
Daß sie zu schön ist!
CAVARADOSSI verbeugt sich lachend.
Zu schön? Ich danke.
TOSCA argwöhnisch.
Lachst du?
Die schmachtend blauen Augen sollt‘ ich kennen …
CAVARADOSSI.
’s gibt deren viele.
TOSCA sucht sich zu erinnern.
Warte … das ist doch
Sie steigt auf das Gerüst; triumphierend.
Die Attavanti!
CAVARADOSSI lacht.
Richtig.
TOSCA von Eifersucht erfaßt.
Du siehst sie? Liebst sie?
Weinend.
Du liebst sie?
CAVARADOSSI sucht sie zu beruhigen.
Ein reiner Zufall …
TOSCA hört nicht auf ihn, noch eifersüchtiger.
Die Schritte, das Geraschel … ha,
Sie war es, ja, sie war es!
CAVARADOSSI.
So hör‘ doch!
TOSCA.
Diese Kokette!
Drohend.
Das mir! Das mir!
CAVARADOSSI ernst.
Ich sah sie gestern, und es war ein Zufall …
Sie hat es nicht bemerkt …
Ich malte sie beim Beten …
TOSCA.
Schwöre!
CAVARADOSSI.
Ja denn.
TOSCA immer die Augen auf das Bild gerichtet.
Wie sie mich höhnisch anstarrt!
CAVARADOSSI.
Laß doch …
TOSCA.
Als ob sie mich verlachte!
Sie steigt, von Cavaradossi sanft genötigt, rückwärts die Treppe hinab, die Hände hochhaltend, die in denen Cavaradossis liegen, immer das Bild anschauend.
CAVARADOSSI.
Torheit!
Er zieht sie dicht an sich und blickt ihr leidenschaftlich in die Augen.
TOSCA mit leisem Vorwurf.
Ach, die Augen!
CAVARADOSSI.
Mit deinen Augen kann, den wundersamen,
Kein andres Auge je sich messen,
Ich schau‘ hinein, und alles ist vergessen!
Ob sie von Liebe leuchten oder zornig flammen.
Mit deinen Augen kann, den wundersamen,
Kein andres Auge je sich messen!
TOSCA hingerissen.
Du bist ein loser Schmeichler,
Ach, ein erfahr’ner Heuchler!
Betonend.
Nicht blind sind meine Augen! …
CAVARADOSSI zart.
O du Wilde!
TOSCA.
Mich beirren
Und verwirren
Wahngebilde.
Sie verbleichen
Und entweichen,
Wenn der Törin du verzeihst!
CAVARADOSSI.
Du magst lachen oder weinen
Immer reizend wirst du scheinen,
Alles nur dein heißes Lieben mir beweist!
TOSCA.
O vergib es,
Sag‘ ein Wörtchen mir, ein liebes!
CAVARADOSSI.
Ich sage nur das eine:
Daß ich bin und bleib‘ der Deine!
Stets vereine
Uns getreuer Liebe Geist!
TOSCA macht sich von ihm los.
Gott! Mich so zu drücken!
Du willst mich wohl ersticken?
CAVARADOSSI.
So geh und laß mich jetzt!
TOSCA.
Du bleibst hier bis zum Abend bei der Arbeit,
Und du versprichst: kein weibliches Wesen,
Ob blond es oder braun, erscheint mehr zum Gebet.
Hast du verstanden?
CAVARADOSSI.
Ich schwör’s, Geliebte! Geh!
TOSCA.
Du hast es eilig.
CAVARADOSSI mit leisem Vorwurf.
Schon wieder?
TOSCA gleitet ihm in die Arme und hält ihm das Gesicht zum Kusse hin.
Nein, verzeihe!
CAVARADOSSI scherzend.
Ei, ei, vor der Madonna?
TOSCA zur Madonna hinaufwinkend.
Sie ist so gütig!
Sie küssen sich.
Vor dem Weggehen sieht sie noch einmal das Bild an und sagt boshaft.
Nicht blind sind meine Augen!
Schnell ab.
Cavaradossi bleibt bewegt und nachdenklich; dann erinnert er sich Angelottis, horcht, ob Tosca sich entfernt hat, öffnet ein wenig die kleine Tür und blickt hinaus. Da er alles in Ordnung findet, läuft er zur Kapelle. Angelotti erscheint hinter dem Gitter. Cavaradossi öffnet es, und sie schütteln einander die Hände.
CAVARADOSSI zu Angelotti, der natürlicherweise das vorige Gespräch gehört hat.
Sehr gut zwar meint es Tosca, doch sie glaubt,
Sie müsse alles ihrem Beichtiger sagen,
Und deshalb schwieg ich.
In jedem Fall ist’s besser.
ANGELOTTI.
So ging sie?
CAVARADOSSI.
Ja. Was ist nun Eure Absicht?
ANGELOTTI.
So, wie die Dinge stehen, muß ich fliehen,
Kann ich mich nicht verstecken …
Meine Schwester …
CAVARADOSSI.
Die Attavanti?
ANGELOTTI.
Ja … hat weibliche Tracht
Für mich verborgen, unter dem Altar dort …
Bekleidung, Schleier und Fächer.
Er sieht sich furchtsam um.
Sobald es dunkelt, will ich mich verkleiden …
CAVARADOSSI.
Ah, nun begreif‘ ich: deshalb das schöne Wesen,
Die glüh’nde Andacht der jungen schönen Dame!
Sie brachte fast mich in den Ruf
Geheimer Buhlschaft! Nun begreif‘ ich!
Eine liebende Schwester!
ANGELOTTI.
Sie wagte alles, dem verfluchten Scarpia
Mich zu entreißen!
CAVARADOSSI.
Scarpia?
Das fromme Faungesicht, das hinter
Scheinheil’ger Maske gern verbärge
Die bösen Lüste, jener Schurke,
Der beides in einem:
Denunziant und Henker!
Und kostet‘ es mein Leben, ich steh‘ Euch bei!
Doch bis zum Abend zögern, scheint bedenklich …
ANGELOTTI.
Fürcht‘ ich das Licht doch!
CAVARADOSSI hindeutend.
Die Kapelle stößt
An einen Küchengarten, …
Dann führt ein Schleichweg weiter fort durchs Feld
Zu meiner Villa …
ANGELOTTI.
Ich kenn ihn …
CAVARADOSSI.
Hier ist der Schlüssel …
Wenn es dunkelt, bin ich bei Euch,
Doch nehmet fort mit Euch die Kleider der Schwester …
ANGELOTTI holt die verborgenen Kleidungsstücke hervor.
Auf dem Leibe?
CAVARADOSSI.
Nein. Es ist nicht nötig,
Es begegnet Euch niemand …
ANGELOTTI will fort.
Lebt wohl denn!
CAVARADOSSI läuft ihm nach.
Bedroht Gefahr Euch,
So steiget in den Brunnen dort. Nur unten
Ist Wasser, doch in des Rohres Mitte findet
Der Zugang sich zu einer Höhle,
Die zuverläss’gen Unterschlupf Euch bietet.
Ein Kanonenschuß fällt. Die beiden sehen einander betroffen an.
ANGELOTTI.
Ha, des Kastells Kanone!
CAVARADOSSI.
Man entdeckte die Flucht schon,
Und Freund Scarpia läßt los seine Meute!
ANGELOTTI.
Lebet wohl.
CAVARADOSSI entschlossen.
Ich gehe mit, jetzt ist es nötig.
ANGELOTTI.
Hört,
Man kommt!
CAVARADOSSI begeistert.
Laß sie nur kommen, wir wagen’s!
Sie verschwinden schnell durch die Kapelle.
DER MESNER läuft sehr aufgeregt herein und schreit.
Die frohsten Neuigkeiten, Euer Gnaden!
Da er den Maler nicht auf dem Gerüst findet, bleibt er überrascht stehen.
Wie? Niemand hier? O jammerschade!
Denn wer einem Ketzer Pein macht,
Sich von einer Sünde rein macht.
Von allen Seiten kommen lärmend Geistliche, Ordensbrüder, Chorschüler und Kapellsänger herein.
Die ganze Schar herbei!
Nun vorwärts in die Sakristei!
Sie nach der Sakristei drängend.
CHOR.
Was denn? Sagt, was gibt es?
DER MESNER atemlos.
Wißt Ihr’s nicht? …
Bonaparte … der Verbrecher Bonaparte …
Sie umringen den Mesner, während andere hinzukommen und sich mit ihnen vereinigen.
CHOR.
Was ist? O sagt!
DER MESNER.
Aufgerieben und vertrieben
Und zum Teufel fortgejagt!
CHOR.
Glaub’s der Geier!
DER MESNER.
Sie ist wahr, die frohe Kunde!
Amtlich traf sie ein zur Stunde!
CHOR.
Braucht man uns zur Siegesfeier?
DER MESNER.
Ja, diesen Abend ist
Große Beleuchtung,
Glänzende Rout
Im Palazzo Farnese,
Und eine eigens
Geschriebene Cantate
Mit Floria Tosca.
Doch in den Kirchen
Loben wir Gott.
Nun geht Euch anziehen,
Macht kein Geschrei!
CHOR unter lautem Geschrei.
Ha, ha, ha, ha!
Doppelte Löhnung!
Te Deum … Gloria,
Singen wir!
Doppelt zahlt man Lohn, Victoria!
Ja, diesen Abend ist
Große Beleuchtung
Und Galagesellschaft!
Wir auch feiern Siegesfeste.
Hüpfend und unsinnig lachend.
Zahlt man uns,
Singen wir
Te Deum … Gloria!
Die Parole heißt:
Victoria!
Scarpia erscheint unvorhergesehen, mit Spoletta und Häschern in der kleinen Tür. Bei seinem Anblick verstummt alles erschreckt, wie von einem bösen Zauber gebannt.
SCARPIA.
Ein Tollhaus in der Kirche!
Schöne Wirtschaft!
DER MESNER furchtsam stammelnd.
Exzellenza … Die Veranlassung …
SCARPIA zum Chor.
Macht Euch fertig für das Te Deum!
Trübselig und verdrossen entfernen sich alle. Auch der Mesner will davonschleichen, aber Scarpia hält ihn heftig zurück.
Du bleibst!
DER MESNER unterwürfig.
Zu Diensten Euch!
SCARPIA zu Spoletta.
Du aber geh,
Sieh jeden Winkel an, verfolge alle Spuren!
SPOLETTA.
Ich geh.
Geht, von zwei Häschern gefolgt.
SCARPIA zu den anderen Häschern.
Acht‘ auf die Türen, aber ohne Aufsehn!
Zu dem Mesner.
Und nun zu dir!
Hüte dich, mich zu täuschen!
Soeben ist entsprungen
Ein großer Staatsverbrecher aus der Engelsburg …
Er flüchtete hierher …
DER MESNER.
Barmherziger Heiland!
SCARPIA.
Kann auch noch hier sein.
Wo ist die Kapelle der Attavanti?
DER MESNER.
Hier ist sie …
Er geht zum Gitter und findet es halb angelehnt.
Geöffnet! Ihr Heiligen!
Ein zweiter Schlüssel.
SCARPIA.
Gutes Zeichen … Laß uns sehen!
Sie betreten die Kapelle und kommen wieder: Scarpia, etwas enttäuscht, hält einen geschlossenen Fächer in der Hand, mit dem er aufgeregt hin und her fuchtelt.
Es war ein Fehler, sogleich Alarm zu feuern.
Der Gauner konnte schnell noch flüchten,
Doch er ließ als Beute mir dies Prachtstück,
Fächelnd.
Den Fächer hier.
Im Einverständnis war ein andrer noch.
Er überlegt eine Weile; dann betrachtet er den Fächer genauer, entdeckt ein Wappen darauf und ruft aus.
Marchesa Attavanti! Dies ihr Wappen …
Er sieht sich aufmerksam um und untersucht jeden Winkel der Kirche. Das Gerüst mit dem Malgerät und dem Bilde hält seine Blicke fest, und er glaubt im Antlitz der Heiligen die bekannten Züge der Attavanti wiederzufinden.
Ihr treues Abbild! …
Zum Mesner.
Wer malte diese Heil’ge?
DER MESNER immer furchtsamer.
Herr Mario Cavaradossi.
SCARPIA.
Er!
DER MESNER bemerkt einen Häscher, der aus der Kapelle den Korb herausbringt.
O Himmel, unser Eßkorb!
SCARPIA in seiner Überlegung fortfahrend.
Er!
Der Tosca Günstling!
Ein Feind des Staates!
Das trifft sich gut.
DER MESNER der den Korb untersucht hat.
Leer? … Leer! …
SCARPIA sieht den Häscher mit dem Korbe.
Was sagtest du? Was gibt’s?
DER MESNER nimmt dem Häscher den Korb ab.
Gefunden ward
In der Kapelle dieser Korb.
SCARPIA.
Kennst du das Ding da?
DER MESNER.
Freilich,
Des Malers Eigentum …
Ängstlich stammelnd.
doch … könnte wohl auch …
SCARPIA mit Nachdruck, halb gesprochen.
Sag deutlich, was du weißt.
DER MESNER noch ängstlicher und fast weinend zeigt den leeren Korb vor.
Ich ließ ihn stehn
Vorhin, er war gefüllt mit feinen Speisen …
Cavaradossis Mahl.
SCARPIA gespannt, im Tone des Untersuchungsrichters.
Er nahm es zu sich.
DER MESNER.
In der Kapelle?
Macht eine verneinende Bewegung mit der Hand.
Wie sollt‘ er da hinein?
Er hatt‘ auch keine Essenslust …
So sagt‘ er selbst.
Deshalb auch trug den Korb ich
Er zeigt, wohin er den Korb gestellt hatte.
Für mich beiseite.
Von dem strengen und finsteren Schweigen Scarpias beunruhigt.
Gott, in Gnaden steh‘ mir bei!
SCARPIA für sich.
So also war es: was der Gier
Des Sakristans entging, das kam
Dem Flüchtling dann zustatten.
Tosca tritt in großer Aufregung ein. Sie geht zu dem Gerüst; da sie dort aber Cavaradossi nicht findet, sucht sie ihn unruhig im Mittelschiff der Kirche. Kaum hat Scarpia Tosca eintreten gesehen, so verbirgt er sich geschickt hinter der Säule, die das Weihwasserbecken trägt, und bedeutet dem Mesner mit einem gebieterischen Wink zu bleiben. Dieser begibt sich eingeschüchtert und mit Zittern zu dem Verschlage des Malers.
Tosca?
Sei’n wir behutsam! (Einmal machte
Das Taschentuch den Rächer!
Jago verstand den Handel …
Nun tut’s der Fächer!)
TOSCA kehrt zum Gerüst zurück und ruft ungeduldig.
Mario?! Mario?!
DER MESNER nähert sich Tosca.
Ihr ruft Cavaradossi?
Wer weiß es, wo er ist!
Verschwunden wie ein Schatten,
Wie durch Hexerei!
Macht sich fort.
TOSCA.
Betrogen? … Nein, verraten
Kann er mich nicht,
Beinahe weinend.
nein, nein,
Das kann er nicht.
SCARPIA hervortretend, höflich und einschmeichelnd zu Tosca.
O meine Teure!
Hier wartet eine
Von meinen Händen,
Wartet auf Eure,
Nicht zu bemühn die kleine,
Nein, um geweihtes Wasser ihr zu spenden …
TOSCA berührt Scarpias Finger und macht das Zeichen des Kreuzes.
Danke, mein Herr.
SCARPIA.
Ein leuchtendes Beispiel gebt Ihr:
Die Kunst zum Himmel
Zurückzuführen,
Das Profane zum Heiligen,
Mit Glück erstrebt Ihr,
Offen stehn Euch die Türen.
TOSCA zerstreut und präokkupiert.
Allzu gütig.
Das Volk fängt an, die Kirche zu besuchen und zerstreut sich im Hintergrund.
SCARPIA.
Solche Damen sind selten …
Die die Bühne betreten,
Mit Betonung.
Die kommen kaum hierher sonst, um zu beten …
TOSCA überrascht.
Das soll heißen?
SCARPIA.
Andere kommen
Und sind auch keine Frommen,
So zum Beispiel da jene
Goldblonde Magdalene,
Zeigt auf das Bild, mit betonter Absicht.
Eine Heldin der Liebe!
TOSCA losbrechend.
Was? Der Liebe?
Beweise! Beweise!
SCARPIA zeigt den Fächer.
Ist das vielleicht ein Malgeräte?
TOSCA reißt ihn weg.
Ein Fächer? Und wo lag er?
Mehrere Landleute treten ein.
SCARPIA.
Auf dem Gerüst da.
Irgendeine Störung
Verscheuchte beide,
Und auf der Flucht verlor sie ihren Fächer …
TOSCA den Fächer untersuchend.
Eine Krone! Das Wappen! Die Attavanti!
Nicht trog mich meine Ahnung!
SCARPIA für sich.
Es geht alles nach Wunsche.
TOSCA mit tiefem Gefühl und ausbrechenden Tränen, ohne weiter daran zu denken, wo und mit wem sie ist.
Ich kam hierher, das Herz voll zum Zerspringen,
Um die verhaßte Botschaft ihm zu bringen:
»Heut ist es nichts, die Tosca muß heut singen!«
SCARPIA wie vorher.
Ja, mein Gift zeigt sich wirksam.
TOSCA.
Ach, mit welchen Gefühlen werd‘ ich singen.
Eine Gruppe von Hirten und Ciociaren tritt ein.
SCARPIA honigsüß.
Ihr macht mir bange,
Reizende Schöne!
Über die Wange
Rinnt eine Träne!
Tauender Rose
Liebliches Abbild,
Reizende Schöne,
Ihr macht mir bange!
Er will ihr näher kommen.
TOSCA höflich abwehrend.
Laßt mich!
Mehrere Vornehme, welche ihre Damen begleiten, erscheinen.
SCARPIA mit Nachdruck.
Wie schön, das Leben
Für Euch dahinzugeben!
TOSCA ohne auf ihn zu hören.
Mag ich vergehn vor Schmerzen.
Er liegt und kost an einer andern Herzen!
SCARPIA für sich.
Ja, das gelang mir!
TOSCA besinnt sich, mit Bitterkeit.
Wo bin ich?
Bürger in mehreren Gruppen treten ein.
Wenn ich zusammen beide fände …
Das wäre Rache!
Immer gequälter.
Beschämen ihn unter eigenem Dache!
Tief schmerzlich.
Weh mir und wehe ihm!
Mein Nestchen besudelt von den beiden!
Mit Entschlossenheit.
Ich will sie überfallen!
Sie wendet sich drohend gegen das Bild.
Du hast ihn nicht heut abend! Warte!
Mit einem Aufschrei der Verzweiflung.
SCARPIA entrüstet und vorwurfsvoll.
Die Kirche!
TOSCA weinend.
Gott wird verzeihen,
Mit Ausdruck.
Denn er kennt mein Leiden.
Scarpia unterstützt die in Tränen Aufgelöste und geleitet sie zum Ausgange, als wäre er um ihre Sicherheit besorgt.
Nach Toscas Abgang füllt sich die Kirche immer mehr.
SCARPIA kehrt, nachdem er Tosca hinausgeleitet hat, zu der Säule zurück; auf einen Wink von ihm tritt Spoletta vor.
Drei Häscher … mit einem Wagen …
Eilig …
Folg‘ ihr, wohin sie immer gehen mag,
Von fern! … Und Vorsicht!
SPOLETTA.
Wo statt‘ ich den Rapport ab?
SCARPIA.
Im Palazzo Farnese.
Spoletta schnell ab.
Die Menge hat sich im Hintergrunde gruppiert, um den Cardinal zu erwarten; einige Beter knien.
SCARPIA mit sardonischem Lächeln.
Geh, Tosca!
Dir im Herzen nistet Scarpia.
Der Cardinal erscheint mit Gefolge, das ihn zum Hochaltar geleitet; die Schweizer machen eine Gasse durch die Menge, die sich in zwei Flügel zerteilt.
Den Falken deines Eifers laß ich steigen
Nach edler Beute.
Alles versprach mir dein Betragen heute!
Dir im Herzen nistet Scarpia …
Geh, Tosca!
Verneigt sich betend, sobald der Cardinal vorübergeht; der Cardinal segnet die Menge, die vor ihm niederkniet.
DAS CAPITEL gesprochen.
»Adjutorium nostrum in nomine Domini«
CHOR ebenso.
»Qui fecit coelum et terram«
DAS CAPITEL.
»Sit nomen Domini benedictum«
CHOR.
»Et hoc nunc et usque in saeculum«.
SCARPIA mit wilder Glut.
Doppelte Beute
Jagt mir mein Falk:
Das Haupt des Rebellen
Und, was mir höher gilt:
Bald werd‘ ich sehen
Die siegenden Augen
Strahlen, glühen vor Lust!
Sie sinkt an meine Brust,
Mir in die Arme,
Bebend vor Liebeslust!
Er für den Galgen!
Sie für mein Lager!
Er starrt ins Leere.
Alles Volk wendet sich dem Hochaltar zu. Viele liegen auf den Knien.
CHOR.
»Te Deum laudamus«
»Te Dominum confitemur!«
SCARPIA wie aus einem Traume erwachend.
Tosca, dein Reiz macht,
Daß ich Gott vergessen!
Er stimmt begeistert in den Gesang ein.
CHOR.
»Te aeternum Patrem omnis terra veneratur!«
Der Vorhang fällt schnell.
Zweiter Akt
Im Palazzo Farnese
Scarpias Zimmer im oberen Stockwerk. Ein angerichteter Tisch. Weites, nach dem Hof des Palastes gehendes Fenster. Es ist Nacht.
SCARPIA sitzt am Tisch und speist. Von Zeit zu Zeit unterbricht er das Mahl, um nachzusinnen; er zieht die Uhr aus der Tasche und verrät in seinen unruhigen Mienen und Gebärden das Fieber seiner Aufregung.
Fliege, du Falke!
Und meine gut dressierten Hunde bringen
Wohl bald die Beute mir.
In aller heil’gen Frühe sollen Angelotti,
Dazu der schöne Mario hängen dann!
Er klingelt; Sciarrone erscheint.
Tosca ist im Hause?
SCIARRONE.
Ein Kammerherr ging eben, sie zu holen.
SCARPIA auf das Fenster zeigend.
Öffne.
Vom unteren Stockwerk her, wo die Königin ein großes Fest, Melas zu Ehren, gibt, klingt Orchestermusik.
Spät in der Nacht ist’s …
Für sich.
Zu der Kantate Glanz fehlt noch die Diva,
Drum kratzen sie Gavotte.
Zu Sciarrone.
Du passest ab die Tosca in der Einfahrt …
Und sagst ihr, ich erwarte sie hier
Nach der Kantate …
Sciarrone will gehen.
Nein, warte …
Er steht auf, tritt an ein Schreibpult und wirft eilig ein paar Zeilen hin.
Gib ihr das Billet hier …
Gibt ihm das Billet, mit dem Sciarrone abgeht.
Sie kommt bestimmt …
Geht an den Tisch und schenkt sich ein.
Bei der Liebe zu Mario!
Ja, die Liebe zu Mario …
In meine Arme treibt sie sie!
Ein allzu großes Lieben
Verwandelt sich gar leicht in Leiden.
Stärker ist der Genuß noch,
Wenn die Spröde bezwungen,
Die Erob’rung gelungen!
In Liebe schmachten,
Bei Mondschein sie betrachten,
Ist mein Geschmack nicht.
Gitarre weiß ich nicht zu schlagen,
Kein Veilchen tröstet mich …
Mit Verachtung.
Wer möchte sich betragen
Wie ein girrender Täuberich!?
Erhebt sich, ohne sich vom Tische zu entfernen.
Will ich, so werd‘ ich vom Wege nicht weichen,
Bald wieder etwas andres dann
Gilt’s zu erreichen.
Schuf Gott doch auf der Welt
So viele köstliche Dinge …
Was mir gefällt,
Will ich genießen, nichts
Acht‘ ich geringe!
Trinkt.
SCIARRONE tritt ein.
Spoletta wartet.
SCARPIA sehr erregt, laut rufend.
Endlich,
Er soll kommen.
Setzt sich.
Sciarrone geht hinaus, um Spoletta zu holen, den er in den Saal begleitet, um dann nahe bei der Tür im Hintergrunde stehn zu bleiben.
SCARPIA befragt Spoletta während des Essens, ohne ihn anzusehen.
Lieber Spoletta, nun, wie fiel die Jagd aus?
SPOLETTA kommt furchtsam näher; für sich.
(O hilf mir, heiliger Joseph!)
Eilig verfolgten wir die Spur der Dame
Bis an ein einsames Landhaus, in Gebüschen
Verloren … Dort trat sie ein …
Allein bald ging sie wieder,
Ich mit den Häschern auf die Gartenmauer
Und flink hinunter dann ins Haus gedrungen …
SCARPIA.
Brav, mein Spoletta!
SPOLETTA zögernd.
Emsig suchen wir
Und stöbern …
SCARPIA bemerkt Spolettas Zögern und erhebt sich kerzengerade, blaß vor Zorn, mit geröteten Augen.
Und Angelotti?
SPOLETTA.
War nicht zu finden.
SCARPIA mit wachsender Wut.
Du Hund du! Feiler Verräter!
Fort mit dem dreisten Schurken an den Galgen!
SPOLETTA sucht zitternd Scarpias Zorn zu besänftigen.
O Gott! … Den Maler da …
SCARPIA unterbricht ihn.
Cavaradossi?
SPOLETTA nickt bejahend und fügt schnell hinzu.
Er weiß es, wo der andere verborgen …
Jede Gebärde, jede Miene verriet so viel
Spott und Verachtung,
Daß ich ihn arretierte …
Atmet erleichtert auf.
SCARPIA.
Nun, das geht noch.
Er geht überlegend auf und ab, dann bleibt er stehen; durch das offene Fenster hört man die im Saale der Königin aufgeführte Chor-Cantate. Tosca ist also zurückgekehrt und befindet sich im unteren Stock.
CHOR hinter der Szene.
Singt vereint im vollen Chor!
Singet alle!
Tönend walle
Unser Dankgebet empor!
Herr des Himmels, nimm den Dank an,
Leih‘ den Bittenden ein willig Ohr!
Du hast Großes wieder getan!
Dank sei Dir von Herzen, ew’ger Vater!
Auf mächtigen Schwingen
Steig‘ hinan zu Dir das Dankgebet,
Zu Dir hinan!
SPOLETTA zu Scarpia.
Er ist da.
SCARPIA hat einen plötzlichen Einfall.
Herein mit deinem edlen Fang!
Spoletta geht.
Zu Sciarrone.
Ich lasse bitten …
Roberti und den Richter!
Sciarrone ab.
Spoletta und drei Häscher bringen Cavaradossi, dann folgen Roberti, der Büttel, und der Prokurator mit einem Schreiber und Sciarrone.
CAVARADOSSI aufgeregt und ungestüm hervor tretend.
Ein Gewaltakt!
SCARPIA mit gesuchter Höflichkeit.
Bitte sehr.
Auf einen Sessel deutend.
Vielleicht ist’s Euch gefällig …
CAVARADOSSI mit Kraft.
Höret an!
SCARPIA.
Nehmt Platz doch …
CAVARADOSSI ablehnend.
Nein, ich stehe.
SCARPIA.
Wohl.
Er blickt Mario vor dem Verhör fest an.
Ihr wißt, daß ein Gefangner …
TOSCA singt hinter der Szene mit Begleitung des Chores.
Du hast Großes an Deinen Kindern getan,
Wir danken Dir und preisen Dich,
O hör uns an! Himmlischer Vater!
CAVARADOSSI hört den Gesang und ruft bewegt.
Ihre Stimme!
SCARPIA unterbricht sich, als er die Stimme der Tosca vernimmt, und fährt dann fort.
Ihr wißt, daß ein Gefangener heut
Entflohen ist der Haft der Engelsburg?
CAVARADOSSI.
Nichts weiß ich.
SCARPIA.
Dennoch wird behauptet, daß
Ihr ihn versteckt in Sant‘ Andrea, ihn
Versorgt mit Speisen auch und Kleidern …
CAVARADOSSI entschieden.
Verleumdung!
SCARPIA unbeirrt weiter verhörend.
Ihn geführt sodann
In Eure Villa vor dem Tore.
CAVARADOSSI.
Niemals.
Wer sagt das?
SCARPIA honigsüß.
Ein untertän’ger Diener …
CAVARADOSSI.
Zur Sache. Wer verklagt mich?
Nichts in der Villa fanden Eure Leute.
SCARPIA.
Weil Ihr ihn gut verstecktet.
CAVARADOSSI.
Verdacht nur von Spionen!
SPOLETTA fährt beleidigt dazwischen.
Als wir voll Eifer suchten, wagt‘ er es
Zu lachen …
CAVARADOSSI.
Ich lache noch.
SCARPIA steht auf, furchtbar.
Am Ort der Tränen hier?!
Drohend.
Bedenket!
Genug jetzt! Gebt mir Antwort!
Abgelenkt und zerstreut von den Stimmen der Cantate geht er das Fenster zu schließen.
Wo ist Angelotti?
CAVARADOSSI.
Ich weiß es nicht.
SCARPIA.
Ihr leugnet,
Daß Ihr ihm Speise reichtet?
CAVARADOSSI.
Leugn‘ ich.
SCARPIA.
Und Kleider?
CAVARADOSSI.
Leugn‘ ich.
SCARPIA.
Und Ihr habt ihn
Verborgen nicht in Eurer Villa?
CAVARADOSSI.
Alles leugn‘ ich.
SCARPIA in väterlichem Tone
Ihr solltet besser Euch besinnen, klug ist
Es nicht, daß Ihr verstockt und trotzig leugnet;
Wenn Ihr geständet, bliebe manches Unheil Euch
Erspart! Im Guten rat‘ ich, sagt mir, wo
Ist Angelotti? Wo?
CAVARADOSSI.
Ich weiß es nicht.
SCARPIA.
Zum letzten Male frag‘ ich Euch: wo ist er?
CAVARADOSSI.
Ich weiß es nicht.
SPOLETTA beiseite.
(Reif ist er für die Folter!)
Tosca tritt angstvoll ein, sieht Cavaradossi und läuft in seine Arme.
SCARPIA für sich.
(Gerade recht!)
TOSCA.
Du, Mario, hier?
CAVARADOSSI leise zu Tosca, die ihr Einverständnis zu erkennen gibt.
(Verschweige,
Was du gesehen, willst du mich nicht töten!)
SCARPIA.
Mario Cavaradossi, seinen Zeugen
Erwartet dort der Richter.
Er winkt Sciarrone, den Eingang zum Folterkabinett zu öffnen; zu Roberti gewendet.
Die gewöhnlichen Formen …
Später … nach Befehle …
Der Prokurator geht in das Folterkabinett, die andern folgen ihm, Tosca und Scarpia bleiben; Spoletta zieht sich nach der Tür im Hintergrunde zurück.
Sciarrone schließt den Eingang, Tosca macht eine Gebärde großer Überraschung; Scarpia beruhigt sie mit ausgesuchter Höflichkeit.
SCARPIA galant.
Wir plaudern hier als gute Freunde.
Er nötigt Tosca, Platz zu nehmen.
Bannt die Furcht aus Euren Mienen …
TOSCA setzt sich, mit erkünstelter Ruhe.
Ich habe keine Furcht …
SCARPIA tritt hinter das Kanapee, auf welchem Tosca sitzt, und beugt sich über die Lehne.
Was war das mit dem Fächer?
TOSCA mit gespielter Gleichgültigkeit.
Ach, Eifersüchtelei’n …
SCARPIA.
Die Attavanti
War also doch nicht in der Villa?
TOSCA.
Nein.
Er war allein dort.
SCARPIA.
Wirklich?
Boshaft forschend.
Und seid Ihr dessen sicher?
TOSCA.
Nichts entgeht
Dem Argwohn. Er war einsam.
Scarpia nimmt einen Stuhl, trägt ihn zu Tosca hin und setzt sich ihr gegenüber, um sie zu fixieren.
SCARPIA.
Fürwahr?
TOSCA gereizt.
Ja, ganz allein.
SCARPIA.
Warum so heftig?
Ihr fürchtet heimlich, etwas auszuplaudern,
Er dreht sich nach dem Eingang zum Folterkabinett um und ruft.
Sciarrone, he, was sagt der Kavalier?
SCIARRONE erscheint auf der Schwelle.
Noch gar nichts.
SCARPIA mit noch lauterer Stimme.
Also weiter.
Sciarrone geht zurück und schließt den Eingang.
TOSCA lachend.
Ach, wie unnütz!
SCARPIA steht auf, sehr ernst.
Geduld nur, schöne Dame.
TOSCA mit spöttischem Lächeln.
Soll er vielleicht gar lügen, nur aus Rücksicht
Für Euch?
SCARPIA.
O nein; doch kürzt vielleicht die Wahrheit
Ihm ab die peinliche Stunde.
TOSCA überrascht.
Die peinliche Stunde?
Das heißt? … Was machen sie da drinnen?
SCARPIA.
Sie zwingen ihn, die Wahrheit auszusagen.
TOSCA.
O Gott! Womit? Womit? O sagt!
SCARPIA mit wildem Ausdruck.
Das Stacheldiadem um seine Schläfe,
Wird Euer Freund jetzt peinlich dort verhört;
Bei jedem Leugnen tiefer ein ins Fleisch
Dringt ihm der Stahl.
TOSCA springt auf.
Nein, nein, das kann nicht sein!
Ihr wollt mich ängst’gen nur!
Sie horcht angsterfüllt, die Hände nervös um das Spalier des Kanapees geschlungen.
CAVARADOSSI im Kabinett.
Weh mir!
TOSCA.
Ein Klagelaut? … O Gnade! Gnade!
SCARPIA.
Ihr könnt ihn retten!
TOSCA.
Ja … die Folter nur beendet!
SCARPIA nähert sich dem Eingang und öffnet ihn.
Sciarrone, befreit ihn!
SCIARRONE tritt auf die Schwelle.
Gänzlich?
SCARPIA.
Gänzlich.
Sciarrone geht ins Kabinett zurück und verschließt den Eingang.
Die volle Wahrheit jetzt!
TOSCA.
Darf ich zu ihm?
SCARPIA.
Nein.
TOSCA nähert sich allmählich dem Kabinett.
Mario!
CAVARADOSSI von innen.
Tosca!
TOSCA.
Quält man dich noch immer?
CAVARADOSSI.
Nein, nein … sei standhaft, schweig!
Ich halt‘ es aus.
SCARPIA sich Tosca nähernd.
Doch nun, o Tosca, redet!
TOSCA ermutigt.
Nichts, ich weiß nichts!
SCARPIA.
Ihr wollt noch eine Probe?
Will sich dem Eingang nähern.
Roberti, frisch begonnen!
TOSCA vertritt ihm den Weg.
Nicht weiter! Nein!
SCARPIA.
So wollt Ihr sprechen?
TOSCA.
Nein, nein! Entsetzlich!
Ach, du quälst ihn,
Quälst ihn zu Tode!
SCARPIA.
Seiner Qualen Schuld
Lacht.
Trägst du allein.
TOSCA.
Du lachst noch?
Bei all‘ dem Jammer?
SCARPIA mit schauerlichem Hohn.
Du kannst im Theater noch tragischer sein!
Tosca entfernt sich entsetzt von Scarpia, der in einem neuen Anfall wilder Wut sich an Spoletta wendet.
Geöffnet die Tür, daß die Klagen man höre!
CAVARADOSSI von innen.
Es schmerzt nicht!
SCARPIA schreiend zu Roberti.
Stärker! Immer stärker!
CAVARADOSSI.
Es schmerzt nicht!
SCARPIA.
Redet nun!
TOSCA.
Ich kann nicht.
SCARPIA.
Nun wird’s?
TOSCA.
Nichts, gar nichts weiß ich, ach!
Was sag‘ ich Euch?
SCARPIA drängend.
Sagt, wo ist Angelotti?
TOSCA.
Nein.
SCARPIA.
So redet doch!
Wo hat er sich versteckt? Wohin entfloh er?
TOSCA.
Ach, nicht weiter mehr! Ach, mein Kopf!
Endet die Qual! Es geht nicht mehr!
Sie macht eine hilfeflehende Gebärde gegen Scarpia, der Spoletta einen Wink gibt, Tosca näher heran zu lassen. Sie erreicht den offenen Eingang, und niedergeschmettert von dem Anblick der furchtbaren Szene, wendet sie sich zu Cavaradossi.
O Mario! du erlaubst zu reden?
CAVARADOSSI wie oben, mit gebrochener Stimme.
Nein!
TOSCA.
O höre, laß mich doch gestehn!
CAVARADOSSI.
Törin, was weißt du? Schweige still!
SCARPIA von Cavaradossis Worten schwer gereizt, und in Furcht, Tosca könne noch mehr ermutigt werden, ruft Spoletta mit schrecklichem Ausdruck zu.
Geh hin und mach‘ ihn schweigen!
Spoletta geht in das Folterkabinett und kommt bald wieder heraus, während Tosca, von der furchtbaren Aufregung überwältigt, auf das Kanapee hinsinkt und mit schluchzender Stimme sich zu Scarpia wendet, der gefühllos dasteht und schweigt.
TOSCA.
Was hab‘ ich Euch getan?
Bricht in Schluchzen aus.
Bin ich’s doch, die Ihr peinigt, foltert!
Die Seele foltert Ihr! Ich bin es, die
Ihr foltert!
SPOLETTA murmelt mit der Gebärde eines Betenden.
Judex ergo cum sedebit,
Quidquid latet apparebit,
Nil inultum remanebit.
Scarpia benutzt die Entkräftigung der Tosca, tritt an die Tür des Kabinetts und gibt ein Zeichen, von neuem mit der Tortur zu beginnen.
CAVARADOSSI stößt einen gräßlichen Schrei aus.
Ah!
TOSCA schnellt bei dem Schrei Cavaradossis in die Höhe und sagt sehr schnell mit erstickter Stimme zu Scarpia.
Im Brunnen … hinterm Hause …
SCARPIA.
Dort
Ist Angelotti?
TOSCA mit erstickter Stimme.
Ja.
SCARPIA laut zum Kabinett hin gesprochen.
Genug, Roberti!
SCIARRONE in der Tür.
Er liegt wie tot da …
TOSCA zu Scarpia.
Feiger Mörder,
Ich will ihn sehn!
SCARPIA zu Sciarrone.
So tragt ihn her!
Der ohnmächtige Cavaradossi wird von den Häschern hereingetragen und aufs Kanapee gelegt; Tosca läuft zu ihm hin, aber entsetzt von dem Anblick des mit Blut besudelten Cavaradossi, bleibt sie stehen und schlägt die Hände vor die Augen.
Sciarrone, der Prokurator, Roberti, der Schreiber, gehen hinten ab. Spoletta und die Häscher bleiben auf einen Wink Scarpias zurück.
TOSCA schämt sich ihrer Schwäche, nähert sich Cavaradossi und bedeckt ihn mit Küssen und Tränen.
O Lieber!
CAVARADOSSI zu sich kommend.
Floria! … Bist du’s?
TOSCA innig.
Was mußt du leiden,
Mein armes Herz! … Bestrafen wird ihn
Der ew’ge Gott!
CAVARADOSSI.
O Tosca, warst du standhaft?
TOSCA.
Ja, ja, mein Lieb.
CAVARADOSSI.
In Wahrheit?
TOSCA.
Ja.
SCARPIA mit Autorität zu Spoletta.
Im Brunnen bei der Villa … geh, Spoletta.
Spoletta ab.
CAVARADOSSI erhebt sich drohend gegen Tosca.
Verraten!
Er läßt sich, wie gebrochen, fallen.
TOSCA fängt ihn in ihren Armen auf.
Mario!
CAVARADOSSI versucht sie abzuschütteln.
Fort, Verworf’ne!
TOSCA.
Mario!
SCIARRONE trübselig dazwischenkommend.
Neuigkeiten, Euer Gnaden!
SCARPIA überrascht.
Was besagt die Trauermiene?
SCIARRONE.
Eine Schlacht ging uns verloren …
SCARPIA.
Wir geschlagen, sagst du? Wo denn?
SCIARRONE.
Bei Marengo.
SCARPIA.
Höll‘ und Teufel!
SCIARRONE.
Bonaparte hat gesiegt.
SCARPIA.
Nicht Melas?
SCIARRONE.
Nein, denn Melas wurde flüchtig.
Cavaradossi hat ängstlich auf die Worte Sciarrones gehorcht, in seiner Begeisterung findet er die Kraft, sich drohend gegen Scarpia zu erheben.
CAVARADOSSI.
Viktoria! Viktoria!
Tage, du leuchtendes Rot!
Bring‘ den Schergen den Tod!
Hilf uns, Göttin der Freiheit, aus aller Not!
TOSCA umklammert Cavaradossi in Verzweiflung und sucht ihn zu beruhigen.
Mario, schweige,
Du dienst dir schlecht!
CAVARADOSSI.
Sei die Marter nicht fern,
Ich ertrage sie gern,
Zittern sollst du, feiger Henkersknecht!
SCARPIA mit beißendem Lächeln.
Bravo! Ein Denker!
Und nach der neuesten Mode!
Der Narr verurteilt sich selbst zum Tode,
Seiner wartet der Henker.
Zu den Häschern.
Den Narren schafft fort!
TOSCA zu Scarpia.
O Gott! Erbarmt Euch mein!
Mario, ein Wort …
Sciarrone und die Häscher bemächtigen sich Cavaradossis und schleppen ihn zur Tür.
SCARPIA.
Er soll zum Tode!
Fort! Fort!
TOSCA sucht sie mit aller Gewalt zurückzuhalten.
Nein, nein!
Sie klammert sich an Mario und drängt die Häscher immer wieder zurück.
Mario! Mario!
Mit dir! Mit dir!
Sie sucht den von Scarpia versperrten Weg zu gewinnen.
SCARPIA reißt Tosca zurück und schließt die Tür.
Zurück!
TOSCA stöhnend.
O rettet ihn!
SCARPIA.
Ich? … Ihr!
Er tritt an den Tisch, besieht sein unterbrochenes Mahl und kehrt ruhig lächelnd zu ihm zurück.
Es wäre schad‘ um all die guten Sachen!
Blickt nach Tosca, die niedergeschlagen und unbeweglich an der Tür steht.
Ihr seid ermattet? Kommt,
Ihr, meine schöne Herrin, setzt Euch zu mir,
Gefällt’s Euch, überlegen wir uns, wie
Wir ihn befrei’n. Vorerst …
Setzt sich und bedeutet Tosca, dasselbe zu tun.
nehmt Platz hier …
Wir wollen sehn dann,
Reinigt ein Trinkglas mit dem Tafeltuche und hält es prüfend gegen das Licht des Kandelabers.
Jetzt ein Schlückchen
Vom spanischen Weine …
Einschenkend.
Trinket doch
Artig.
Zur Herzensstärkung!
TOSCA sitzt Scarpia gegenüber und sieht ihm fest ins Gesicht; sie stützt die Ellbogen auf den Tisch, hält den Kopf zwischen den Händen und spricht im Tone der tiefsten Verachtung.
Wieviel?
SCARPIA unerschütterlich, indem er sich anschickt zu trinken.
Wieviel?
TOSCA.
Den Kaufpreis! …
SCARPIA lacht.
Sei’s! Man sagt mir nach, daß Geld mich
Besticht; jedoch von einer schönen Dame
Niemals noch ließ ich mich erkaufen, nie!
Mit betonter Anspielung.
Von einer Schönen ließ ich niemals noch brechen,
Mit Gelde mich erkaufen, …
Soll die beschworne Pflicht ich einmal
So weiß ich bessern Lohn mir, jetzt will ich
Ihn fordern! … Wohl berührte manchmal mich
Die Liebe, … doch
Seit heut erst ahn‘ ich voll Entzücken:
Du kannst allein beglücken!
Er springt sehr erregt auf.
Deine Seufzer und Tränen
Erweckten mein Sehnen,
Dein Blick des Hasses, der mich verdammte,
Er war es, der mein Herz zur Glut entflammte!
Seit du den Mann der Wunden
So geschmeidig umwunden,
Bist du auch mir verbunden,
Ja, nun auch bist du mein!
Er nähert sich Tosca mit ausgebreiteten Armen.
TOSCA hat unbewegt zugehört und ist von den zügellosen Worten Scarpias wie versteinert.
Ha!
Sie springt auf und flüchtet hinter das Kanapee.
SCARPIA verfolgt sie.
Du bist mein!
TOSCA läuft entsetzt zum Fenster.
Ich stürze mich hinab da!
SCARPIA kalt.
Als Pfand ist Mario mir geblieben!
TOSCA.
Schämst du dich nicht der niederträcht’gen Handlung?
Es fällt ihr ein, die Königin aufzusuchen, und sie läuft zur Tür.
SCARPIA der sie durchschaut, bleibt ruhig zurück.
Ich brauche nicht Gewalt, nicht halt‘ ich dich,
Geh ruhig …
Tosca will mit einem Freudenschrei davongehn; Scarpia hält sie höhnisch lachend mit einer Gebärde fest.
Doch die Hoffnung trog dich:
Nur einen Leichnam wird die Königin
Begnadigen! …
Tosca weicht erschreckt zurück, starrt Scarpia an und läßt sich auf das Kanapee fallen; dann wendet sie den Blick mit einer Gebärde des höchsten Abscheus und der tiefsten Verachtung von ihm ab.
Überzeugt und wohlgefällig.
Wie du mich hassest!
TOSCA mit vollem Haß.
O Gott!
SCARPIA.
So lieb‘ ich dich gerade.
Er geht auf sie zu.
TOSCA empört.
Nicht berühre mich, du Teufel!
Hörst du, hörst du,
Verruchter Satan!
Flieht entsetzt vor ihm fort.
SCARPIA.
Pah! Was tut das!
Kommt ihr noch näher.
Lodert, ihr Flammen!
Lieb‘ und Haß zusammen!
TOSCA.
Laß mich!
SCARPIA.
Komm doch!
Versucht sie zu packen.
TOSCA retiriert hinter den Tisch.
Laß mich!
SCARPIA hinter ihr her.
Komm doch!
TOSCA.
Zu Hilfe! Zu Hilfe!
SCARPIA heiser.
Mein! Mein!
Ferner Trommelschlag unterbricht die Szene.
Hörst du jene Trommeln?
Zum letzten Wege rufen sie die Hochverräter.
Die Zeit ist kostbar!
Tosca, die in schrecklicher Angst gelauscht hat, verläßt das Fenster und lehnt sich kraftlos auf das Kanapee.
Bald ist die letzte Arbeit unten dort
Getan. Dort zimmern sie den Galgen schon.
Nähert sich ihr.
Dein Mario hat, wie du’s gewollt,
Kaum eine Stunde mehr zu leben.
Tosca läßt sich, von Schmerz gebrochen, auf das Kanapee fallen. Scarpia schreitet kalt zu der einen Ecke des Tisches hin und nimmt Kaffee, während er Tosca beobachtet.
TOSCA zart, mit innigem Gefühl.
Nur der Schönheit
Weiht‘ ich mein Leben,
Einzig der Kunst
Und Liebe ergeben.
Offen die Hände
Hatt‘ ich für Arme
Und gab meine Spende,
Gläubig gleich andern Frommen
Bin ich gekommen,
Niemals stand mein Altar von Blumen leer:
Die Jungfrau schien mir gnädig,
Steht auf.
Und erfüllte all‘ mein Begehr.
Nun richtet eine Stunde
Mein armes Herz zu Grunde!
Warum, mein Gott, suchst Du mich heim so schwer?
Meine Juwelen
Wollt‘ ich der Kirche schenken,
Verirrte Seelen
Durch heil’gen Sang zurück zum Himmel lenken,
Warum, mein Gott und Herr,
Suchst Du mich heim so schwer?
Schluchzt laut.
SCARPIA.
Entschließ dich!
TOSCA.
Willst du, daß ich vor dir knie?
Sie wirft sich vor ihm nieder.
Sieh mit gefalteten Händen hier,
Erhebt die gefalteten Hände.
Ja, siehe mich zu Füßen dir,
Ich will bescheiden
Hier knien und leiden.
SCARPIA.
Nur eins willst du nicht leiden,
Und ich soll mich bescheiden!
Höre: wie kannst du noch zaudern?
Ich will dir ja sein ganzes Leben
Für eine süße Stunde geben!
TOSCA steht auf, mit tiefster Verachtung.
Geh! Geh! Du machst mich schaudern!
Es klopft an die Tür.
SCARPIA.
Wer da?
SPOLETTA tritt sehr eilig und erschöpft ein.
Euer Gnaden, Angelotti
Hat eben selber sich getötet.
SCARPIA.
Hängt seinen Leichnam an dem Galgen auf!
Der andere lebt doch noch?
SPOLETTA.
Meint Ihr den Herrn Cavaradossi?
Scarpia nickt bejahend.
Er wird zum Tod bereitet.
TOSCA für sich.
O Gott, erbarme Dich!
SCARPIA zu Spoletta.
Geduld noch!
Leise zu Tosca.
Also?
Sie nickt zustimmend mit dem Kopf und vergräbt ihn dann, vor Scham weinend, in den Kissen des Kanapees.
Zu Spoletta.
So höre!
TOSCA Scarpia jäh unterbrechend.
Frei sein soll er gleich auf der Stelle!
SCARPIA zu Tosca.
Das leider geht nicht an. Begnadigen
Kann ich ihn nicht. Nein, alle müssen glauben,
Daß er gerichtet sei.
Auf Spoletta deutend.
Darauf versteht sich
Dort jener Mann.
TOSCA.
Wer aber bürgt mir?
SCARPIA.
Gleich sollt Ihr hören, was ich ihm befehle.
Zu Spoletta.
Spoletta, schließe!
Spoletta geht eilig die Tür abschließen, dann kehrt er zu Scarpia zurück.
Der Befehl jetzt lautet anders.
Er blickt Spoletta bedeutungsvoll an, der wiederholt mit dem Kopfe nickt, um zu zeigen, daß er Scarpia verstanden hat.
Jener Gefangne wird erschossen … doch merke:
So wie wir’s machten beim Grafen Palmieri …
SPOLETTA.
Eine Erschießung …
SCARPIA schnell mit besonderer Betonung.
Nur zum Scheine! Ganz
Genau wie bei Palmieri! Wohlverstanden?
SPOLETTA.
Ja, Euer Gnaden.
SCARPIA.
Geh!
TOSCA die begierig zugehört hat, tritt dazwischen.
Doch will ich selbst es
Ihm sagen.
SCARPIA zu Spoletta, auf Tosca zeigend.
Wohl, du kennst die Dame. Merke:
Besonders hervorgehoben.
Um vier Uhr morgens …
SPOLETTA aufmerksam.
Ganz wie Palmieri.
Ab.
SCARPIA bleibt bei der Tür stehen und horcht, wie Spoletta sich entfernt; dann, in Mienen und Gebärden verändert, nähert er sich Tosca mit großer Leidenschaft.
Ich löste mein Versprechen …
TOSCA hält ihn an.
Nur noch eines:
Einen Geleitbrief wünsch‘ ich, um zu fliehen aus
Dem Staat mit ihm.
SCARPIA galant.
So wollt Ihr mir entschlüpfen?
TOSCA mit Überzeugung.
Für immer, ja.
SCARPIA.
Ich tu‘ nach Euern Wünschen.
Er geht zum Sekretär, um zu schreiben.
Setzt wieder ab, um Tosca zu fragen.
Und welche Route nehmt Ihr?
TOSCA.
Die kürzeste.
SCARPIA.
Civitavecchia?
TOSCA.
Ja.
Während Scarpia schreibt, hat sich Tosca dem Fenster genähert; mit bebender Hand ergreift sie das von Scarpia gefüllte Weinglas, aber, indem sie es an die Lippen führt, bemerkt sie ein dolchartig zugespitztes Messer, das auf dem Tische liegt. Mit einem raschen Blicke zu Scarpia hin, der gerade mit dem Schreiben beschäftigt ist, und mit aller erdenklichen Vorsicht sucht sie sich das Messer anzueignen und versteckt es dann hinter ihrem Rücken, sich dabei auf den Tisch stützend und immer zu Scarpia hinüberspähend. Dieser hat den Passierschein ausgefertigt, siegelt ihn und faltet das Blatt. Dann öffnet er die Arme und will Tosca an seine Brust ziehen.
SCARPIA flüsternd.
O Tosca, endlich bist du mein!
Sein Liebesgeflüster geht in einen furchtbaren Schrei über. Tosca hat ihm das Messer in die Brust gestoßen.
Du Schlange!
TOSCA schreit.
Ja, diesen Kuß gab Tosca dir!
SCARPIA mit gebrochener Stimme.
Zu Hilfe!
Ich sterbe!
Taumelnd will er sich an Tosca anklammern, die schaudernd vor ihm zurückweicht.
Ah!
TOSCA voll Haß.
Erstickst du nun im Blute?
SCARPIA.
Zu Hilfe!
Er gerät unnütz in Wut und sucht sich an der Lehne des Kanapees aufzurichten.
Hört mich niemand?
TOSCA.
Ein Weib hat ihn getötet!
SCARPIA.
Ich sterbe!
TOSCA.
Du wirst keinen wieder foltern!
SCARPIA schwach werdend.
Hilfe! Ach, ich sterbe!
Fällt nach einer letzten Anstrengung auf den Rücken.
TOSCA.
Kannst du noch hören? Rede! Sieh mich an,
Mich, deine Tosca! Du, mein Scarpia!
Da hast du nun dein Stündchen!
SCARPIA röchelnd.
Hilfe! Hilfe!
Ich sterbe.
TOSCA neigt sich über ihn.
Stirb in Verdammnis! Stirb!
Stirb! Stirb!
SCARPIA ohne Stimme.
Ah!
Stirbt.
TOSCA.
Er ist tot!
Ich will verzeihen!
Ohne den Blick von Scarpias Leiche abzuwenden, geht sie zum Tische, nimmt eine Flasche Wasser, befeuchtet eine Serviette und wäscht sich die Finger; dann tritt sie vor den Spiegel und ordnet ihr Haar. – Sie erinnert sich des Passierscheines, sucht ihn auf dem Schreibtisch, ohne ihn zu finden, und sieht endlich das Papier zusammengeballt in Scarpias Hand. Sie hebt den Arm des Toten in die Höhe und läßt ihn wieder fallen, nachdem sie ihm das Papier abgenommen hat, das sie in ihrem Busen verbirgt.
Vor dem da zitterte das ganze Rom einst!
Sie will fortgehen, hält aber wieder an, nimmt die beiden Kerzen von dem kleinen Tische links und entzündet sie an dem großen Armleuchter des Tisches; dann löscht sie diesen aus und stellt den einen Handleuchter zur Rechten, den andern zur Linken von Scarpias Haupte. Im Zimmer umhersuchend, erblickt sie ein Kruzifix, nimmt es von der Wand herab, verneigt sich andächtig und legt es auf die Brust des Toten. – Ferne Trommeln. – Mit großer Vorsicht richtet sich Tosca auf, geht und schließt die Tür hinter sich ab.
Der Vorhang fällt schnell.
Dritter Akt
Auf der Plattform der Engelsburg
Links eine Kasematte, darinnen steht ein Tisch, auf dem sich eine Lampe, ein dickes Protokoll und Schreibmaterialien befinden, nebst Bank und Sessel. An der einen Wand der Kasematte ein Kruzifix mit einer Leuchte. Rechts die Öffnung für eine kleine Treppe, über die man auf die (sichtbare) Plattform gelangt. Im Hintergrunde St. Peter mit dem Vatikan.
Nacht. Reiner Himmel mit glitzernden Sternen. Man hört in der Ferne Herdenglocken und die Stimme eines singenden Hirten.
STIMME DES HIRTEN hinter der Szene.
Ach, meine Seufzer!
Ihr wollt mir treu verbleiben,
Schwirret ums Haupt mir!
Kein Sturm kann euch vertreiben!
Daß sie, um die mein Herz verschmachtet,
Mich so verachtet,
Das ist mein Tod.
Unbestimmtes graues Dämmerlicht, das dem Anbruch des Tages vorausgeht. Morgenglocken.
Ein Schließer steigt mit einer Laterne die Treppe herab, geht in die Kasematte, entzündet zuerst die Leuchte vor dem Kreuz, dann die Lampe auf dem Tische. Später tritt er auf die Plattform im Hintergrunde und blickt in den Hof hinab, um zu sehen, ob das Soldatenpikett mit dem Verurteilten schon da ist. Er stößt mit einer Wache zusammen, welche die Plattform durchschreitet, und wechselt einige Worte mit ihr, kehrt dann in die Kasematte zurück, setzt sich und wartet schlummertrunken. – Ein von einem Sergeanten der Wache geführtes Pikett macht Halt, und der Sergeant führt Cavaradossi in die Kasematte. – Beim Anblick des Sergeanten steht der Schließer auf und salutiert; der Sergeant reicht dem Schließer ein Blatt; dieser prüft es, setzt sich an den Tisch, schlägt das Protokoll auf und fragt unterm Schreiben.
SCHLIEßER.
Mario Cavaradossi?
Cavaradossi nickt mit dem Kopfe. Der Schließer gibt die Feder dem Sergeanten, der das Protokoll unterschreibt. Dann steigt dieser, gefolgt von dem Pikett, die Treppe hinab.
Noch eine Stunde.
Ein Priester wartet, wenn zu beichten Ihr
Verlanget.
CAVARADOSSI.
Nein. Um einen Gefallen noch
Möcht‘ ich Euch bitten …
SCHLIEßER.
Wenn ich es vermag …
CAVARADOSSI.
Zurück hier laß ich eine Person noch, die
Mir teuer. Gern schrieb ich eine Zeile noch
An sie.
Er streift einen Ring vom Finger.
Übrig allein von meinen Schätzen
Blieb dieser Ring. Versprecht Ihr mir,
Die letzten Grüße pünktlich zu bestellen,
Ist er der Eure.
SCHLIEßER zaudert eine Weile, dann bedeutet er Cavaradossi, sich an den Tisch zu setzen.
Schreibt!
Setzt sich auf die Bank.
CAVARADOSSI verharrt eine Zeitlang in Nachdenken, dann schickt er sich zum Schreiben an. Nachdem er einige Zeilen geschrieben hat, legt er, von Erinnerungen übermannt, die Feder ihn.
… Und es blitzten die Sterne,
Und es dampfte die Erde,
Die Tür des Gartens knarrte,
Es nahten sich eilige Schritte …
Sie kam wie eine Gottheit …
Und sie sank an die Brust mir …
O süßer Küsse schwelgerisches Kosen,
Wenn ich entschleiert ihrer Formen Reize!
Für immer ist der Liebesrausch verflogen!
Die Stund‘ enteilt, nun sterb‘ ich in Verzweiflung!
Und liebte niemals noch so sehr das Leben!
Er bricht in Tränen aus und bedeckt das Gesicht mit den Händen.
Über die Treppe kommt Spoletta, begleitet von dem Sergeanten und gefolgt von Tosca; der Sergeant trägt eine Laterne. Spoletta zeigt Tosca, wo sie Cavaradossi findet, ruft den Schließer; mit ihm und dem Sergeant steigt er wieder hinab, nicht ohne vorher einer im Hintergrunde stehenden Schildwache den Gefangenen empfohlen zu haben. – Tosca, die unterdessen tief bewegt zurückblieb, sieht Cavaradossi weinen, läuft zu ihm und richtet, da sie vor Aufregung nicht reden kann, seinen Kopf empor, indem sie ihm gleichzeitig den Passierschein zeigt. Cavaradossi springt, sobald er Tosca sieht, überrascht auf, dann liest er das Blatt.
CAVARADOSSI liest.
Ha! »Geleit für Floria Tosca« …
TOSCA mit ihm zusammen.
»Und für den Herrn, der sie begleitet.«
Frei bist du!
CAVARADOSSI betrachtet das Blatt und sieht die Unterschrift.
Scarpia befreit mich?
Blickt Tosca forschend an.
Das ist seine erste Gnade …
TOSCA nimmt das Papier wieder an sich und steckt es in einen Beutel.
Die letzte auch!
CAVARADOSSI.
Was sagst du?
TOSCA heftig.
Meine Liebe verlangt‘ er als Preis …
Umsonst, daß ich fleht‘ und weinte!
Umsonst, daß ich ihn bat bei der Madonna,
Bei Gott und allen Heil’gen.
Der Verworfne sagte:
»Zum Himmel reckt der Galgen schon die dürren Arme! …«
Man rührte schon die Trommeln …
Da lachte dieses Scheusal, ja, es lachte!
Der sichern Beute schon gewiß:
»Bist mein du? …«
Ihm zu gehören, ich versprach es …
Von seinem Tisch glänzt‘ eine Klinge,
Er schrieb das Blatt hier, das ich von ihm begehrt,
Dann wollt‘ er mich umarmen …
Da mit dem Messer traf ich ihn ins Herz.
CAVARADOSSI.
Du? Du hast ihn ermordet?
Du Fromme, Gütige, für mich!
TOSCA.
Mit Blut besudelt hab‘ ich meine Hände!
CAVARADOSSI nimmt liebevoll ihre Hände zwischen die seinigen.
Die zarten Hände, ach, die weißen, kleinen,
Geschaffen nur zum Tändeln und zum Kosen,
Gewohnt, sich kindlich betend zu vereinen,
Zu pflücken blaue Veilchen, rote Rosen!
Sie, die kaum eine Kinderfaust umspannen,
Sie brachten, stark genug, Tod dem Tyrannen!
Ja, Blut befleckt sie, die makellosen, reinen,
Die zarten Hände, ach, die weißen, kleinen.
TOSCA macht ihre Hände los.
Wisse: Die Stund‘ ist nah. Gold und Juwelen
Trag‘ ich im Beutel hier, ein Wagen wartet …
Doch ehe dir die Freiheit winkt,
Wirst du zuvor gerichtet, nur zum Schein,
Sie schießen blind auf dich,
Die Strafe simulierend.
Du tust, als fielst du, die Soldaten
Verziehen sich, wir sind gerettet! Schnell
Nach Civitavecchia, dann zu Schiff
Aufs hohe Meer!
CAVARADOSSI.
Dann hinaus! Auf das Meer!
TOSCA.
Und der Abschied ist nicht schwer.
Trinke die frischen Düfte,
Liebe sprengt die finstern Grüfte,
Freiheitshauch durchweht die Morgenlüfte!
CAVARADOSSI.
Nur deinetwegen wollt‘ ich noch nicht sterben,
Von dir den Glanz allein erhielt mein Leben,
Um deine Liebe möcht‘ ich ewig werben,
Alles empfangen, alles dafür geben!
Ich seh‘ den Himmel leuchten und sich färben,
Und auf und nieder seh‘ ich Engel schweben,
Doch wenn du ferne wärst, würd‘ ich verderben,
Mit dir nur will der Tag sein Antlitz heben!
TOSCA.
Gott Amor, der uns beistand in Gefahren,
Soll auf dem Meer uns wie dem Festland leiten,
Soll uns vor Sturm und Klippennot bewahren;
Bis wir zu andern, schönren Ufern gleiten.
Da wird sich neu die Welt uns offenbaren,
Und still sehn wir verwehn die alten Zeiten!
Sie verharren entrückt in gerührtem Schweigen.
TOSCA wendet sich, in die Wirklichkeit zurückgekehrt, unruhig um.
Sie kommen noch nicht … Merke:
Mit dringender Zärtlichkeit.
Bei der Salve
Vergiß nicht, gleich zu wanken und zu fallen …
CAVARADOSSI.
Nur keine Sorge! Im Moment gleich
Will ich fallen, und zwar sehr natürlich!
TOSCA besorgt.
Und gib nur Achtung, daß du dir nicht wehtust!
Wir vom Theater machten’s freilich besser …
CAVARADOSSI unterbricht sie, indem er sie an sich zieht.
Sprich noch einmal vom künft’gen Schönen
In deiner Stimme holden Tönen!
TOSCA überläßt sich ihrer Eingebung und wird immer wärmer.
Hinaus zur Fremde ziehen wir zumal,
Verherrlichen die Liebe um die Wette:
Von Leier und Palette
Leuchtet ihr Strahl!
Über die Treppe steigt eine Abteilung Soldaten herauf, ein Offizier befehligt sie und läßt sie im Hintergrunde aufmarschieren; ihnen folgen Spoletta, der Sergeant, der Schließer. Spoletta gibt die erforderlichen Weisungen.
TOSCA UND CAVARADOSSI begeistert.
Komm, o Tag!
Hoffend entgegen
All deinem Segen
Pocht unser Herz mit vollem Schlag!
Du nahst in flammendem Rot,
Dir gilt unser Sang:
Liebe bezwang
Den Tod!
Die Morgenröte beleuchtet die Szene.
TOSCA mit leidenschaftlicher Zartheit.
Und geht der Tag zur Ruh,
Mit tausend Küssen
Dann schließ‘ ich die Augen dir zu!
Es schlägt vier Uhr.
SCHLIEßER geht zu Cavaradossi, zieht die Mütze, zeigt auf den Offizier.
Die Stunde!
Nimmt das Protokoll und steigt die Treppe hinauf.
CAVARADOSSI.
Ich komme.
TOSCA leise zu Cavaradossi mit heimlichem Lachen.
(Vergiß nur nicht: beim ersten Schusse: Plauz).
CAVARADOSSI wiederholt heimlich lachend.
(Plauz).
TOSCA.
(Nicht eher stehst du auf, als bis ich rufe!)
CAVARADOSSI.
(Nein, nein, du Liebe!)
TOSCA scherzend.
(Nun wohl zu fallen!)
CAVARADOSSI lacht.
(So wie du fällst auf deiner Bühne!)
TOSCA.
(Nicht lachen mehr!)
CAVARADOSSI ernst.
(So recht.)
TOSCA.
(So recht.)
Cavaradossi folgt dem Offizier, nachdem er Tosca gegrüßt hat; diese stellt sich links in der Kasematte auf, und zwar so, daß sie alles sehen kann, was auf der Plattform vorgeht. Sie sieht den Offizier und den Sergeanten, die Cavaradossi ihr gegenüber an die Mauer stellen. Der Sergeant will Cavaradossi die Augenbinde anlegen, er wehrt es lächelnd ab. Die traurigen Vorbereitungen ermüden Toscas Geduld.
TOSCA.
Welche Umständlichkeiten!
Worauf warten sie noch?
Es wird Tag.
Schon kommt die Sonne …
Dieses ewige Zögern!
Wohl nur ein Schauspiel, gewiß …
Doch will die Angst nicht von mir weichen.
Der Offizier und der Sergeant stellen das Peloton Soldaten auf und verteilen die bezüglichen Ordres.
Endlich! Sie heben die Waffen …
Sie sieht, wie der Offizier den Säbel senken will, und hält sich die Ohren zu, um die Detonation nicht zu hören; dann winkt sie Mario mit dem Kopfe, er möge fallen, und sagt.
Wie schön er ist, mein Mario!
Der Offizier senkt den Säbel. – Gewehrsalve.
Nun, stirb doch!
Sie sieht Mario am Boden liegen und wirft ihm eine Kußhand zu.
Das ist ein Künstler!
Der Sergeant geht zu dem Gefallenen hin und betrachtet ihn aufmerksam; Spoletta tritt dazu, verhindert den Sergeanten, ihm den Gnadenschuß zu geben, und bedeckt Cavaradossi mit einem Mantel. Der Offizier ordnet die Reihen, der Sergeant zieht den Posten zurück, der hinten steht. Dann steigen alle unter Führung Spolettas die Treppen hinab.
TOSCA hat alle diese Manöver überwacht, immer in der Furcht, Cavaradossi könnte sich zu früh bewegen oder sprechen.
Geduld, bewege dich noch nicht …
Sie gehen schon … nur ruhig! …
Langsam gehn sie …
Da sie fürchtet, die Soldaten könnten noch einmal auf die Plattform zurückkehren, spricht sie von neuem leise auf Cavaradossi ein.
Du, warte nur … noch immer ist Gefahr im Spiel …
Sie läuft zu der Brüstung, lehnt sich vorsichtig hinaus und blickt nach unten.
Aber jetzt, Mario! Mario!
Sie läuft zu ihm hin.
Jetzt rühr‘ dich! Auf! Steh auf!
Sie stößt ihn an.
Steh auf!
Enthüllt ihn und schreit.
Ah! Tot! Tot! Mario!
Geliebter … Tot? Warum?
Sie wirft sich auf den Körper Cavaradossis.
So endete das Spiel?
Sie umarmt die Leiche.
Du, tot! … Tot?
Ein langer Schrei in der Ferne. Verworrene Stimmen von Soldaten, Spoletta, Sciarrone, die allmählich näher kommen: »Erdolcht mit einem Messer! …« »Scarpia?« »Die Tosca war es …« »Haltet sie fest! …« »Bewacht jeden Zugang zu der Treppe!« Großer Lärm.
TOSCA bei der Leiche weinend.
Ach, deine arme Floria! Mario! Mario!
Spoletta und Sciarrone kommen die Treppe herauf.
SCIARRONE zeigt auf Tosca, zu Spoletta.
Sie ist’s!
SPOLETTA.
Ha! Tosca! Teuer wirst
Sein Leben du bezahlen!
Er will sich auf Tosca stürzen; aber sie springt auf und stößt ihn so heftig zurück, daß er beinahe hinfällt und in die Falltür der Treppe taumelt.
TOSCA.
Mit dem meinen!
Sie schwingt sich auf die Brüstung … schreit.
O Scarpia! Uns richte Gott!
Sie stürzt sich in die Tiefe. Sciarrone und einige Soldaten, die wirr durcheinanderlaufen, sehen ihr von der Brüstung nach. – Spoletta steht wie vom Donner gerührt.
Der Vorhang fällt schnell.
Ende der Oper