Wolfgang Amadeus Mozart
Titus
Oper in zwey Aufzügen
Personen
Titus
Sestus
Annius, Freund des Sestus, und Geliebter der
Servilia
Vitellia, Tochter des Kaisers Vitellius
Publius, Anführer der Leibwache
Metellus, Feldherr
Senatoren, Prätorianer, Soldaten und Volk
Die Scene spielt in Rom.
Erster Aufzug.
Erster Auftritt.
Das Theater stellt ein prächtiges Zimmer der Vitellia vor. Wie die Cortine aufgeht, sitzt sie auf einem Ruhebett. Während demRitornell tritt sie in Nachdenken versunken hervor. Dann kömmt Sestus.
VITELLIA.
Der Rache Stunde schlägt
Ein Wink, von mir, und Titus
Stürzt vom Thron herab.
Sestus kömmt ganz niedergeschlagen.
VITELLIA.
Sestus! warum so traurig?
Verlischt dein Muth so schnell?
SESTUS für sich.
O Götter! – Laut. Nein,
was du willst, geschehe
Schon harret Lentulus des Winkes –
VITELLIA.
Und dennoch zauderst du so lange?
Soll den Thron, der mir gebührt,
Mit Titus eine Fremde theilen?
Wird Berenice seine Gattinn,
Dann, freyer Römer – bist du Sklave
Du schweigst? – Wo ist der Stolz der Römer,
Der ehmals Nationen beugte?
SESTUS.
Du hast mein Herz, dir schwur ich Rache,
Nur zeige einen Flecken mir,
In Titus großer Heldenseele:
Nur einen Makel, und ich opfre
Ihr heute noch dem schwarzen Orkus.
Rom nennt ihn seinen Vater,
Die Edlen ihren Freund,
Die Unschuld ihren Schützer;
O läugne diese Wahrheit,
Und lächelnd mord‘ ich ihn.
VITELLIA.
Des Vaterlandes Wohl
Verlangt ein solches Opfer.
SESTUS.
Ach; Titus ist mein Freund.
VITELLIA.
Ein Brutus stürzte den Tarquin
Ein Cäsar fiel durch Brutus Dolche,
Willst du kein dritter Brutus seyn?
Feyerlich.
So krieche in den Sklavenkittel,
Und beuge dich vor seiner Größe,
Ich trete weinend auf die Seite
Denn Rom hat keinen Römer mehr.
Will ab.
SESTUS, sie aufhaltend.
Bleib – du folterst meine Seele,
Deine Liebe ist mein Alles,
Und dein Wort sey mir Befehl.
VITELLIA.
Theurer! – so bin ich dein Lohn.
Feurige Umarmung
Duett.
SESTUS.
Fordre nach Gefallen
Lenke meine Schritte,
Jeden meiner Tritte,
Weih ich Theurer dir.
VITELLIA.
Eh noch die Sonne schwindet,
Will ich, daß Titus blute,
Wisse, mit frechem Muthe,
Raubt‘ er den Scepter mir.
SESTUS.
Deine Wuth bringt mich von Sinnen
VITELLIA.
Wann wird die Rach beginnen?
SESTUS.
Ach, einen Blick der Liebe,
Für meine Treue mir.
BEYDE.
Feindselige Begierden
Zerreißen unsre Herzen,
Von dieser Wunden Schmerzen
Befreyt uns nur der Tod.
Sie wollen abgehen.
Zweyter Auftritt.
Annius kömmt ihnen entgegen; die Vorigen.
ANNIUS.
Endlich find‘ ich meinen Freund;
Sestus! folge mir zum Kaiser,
Denn er wünschet dich zu sehn.
VITELLIA.
Eile itzt zu seinem Throne,
Sieh, wie er der Stolzen huldigt –
ANNIUS.
Du irrest dich an Titus Seele,
Er, der die Feinde stets besiegt,
Weiß auch sich selber zu besiegen.
Ich war des schönen Abschieds Zeuge;
Indem ich dieses euch erzähle
Ist Berenice schon von hier.
VITELLIA für sich.
Ach! meiner Rache Hoffnung schwindet
Laut.
Hätt‘ ich sie doch gesehn,
Wie sie mit stolzem Blicke
Dem liebekranken Titus
Das Lebewohl versagt.
ANNIUS.
Noch nie war sie so zärtlich
Sie wußte sich geliebt,
Doch sah sie auch das Opfer,
Das Titus seinem Volk
Und seinem Herzen brachte.
Gebeugt, und weinend standen sie,
Der Held ermannte sich zuerst,
Besiegte seine Leidenschaft,
Und Berenice reis’t aus Roms Gebiethe.
VITELLIA zu Sestus.
Noch fesselt Staunen meine Zunge
Verzögre noch des Aufruhrs Ausbruch.
SESTUS, der während Annius spricht in große Bewegung geräth, leise zur Vitellia.
Vitellia! bin ich der Ball
Mit dem der lose Knabe spielet?
Ist dieß die so gepriesne Liebe
Die mich –
VITELLIA ihn unterbrechend.
Schweig, Unbesonnener!
Willst du des Weibes Herz ergründen?
Ich liebe dich, das schwur ich dir,
Und nun hinweg mit allen Zweifeln.
Arie.
Wenn du mich liebst, so rede
Nicht mehr in diesem Ton,
Laß diese läst’ge Fehde
Schon hab ich sie genug.
Wer ohne Mißtraun wandelt,
Wird redlich auch behandelt
Wer sters Betrug nur fürchtet,
Lockt selbst uns zum Betrug.
Ab.
Dritter Auftritt.
Sestus und Annius.
ANNIUS.
Nun Freund, noch eine Bitte
Schon lang‘ lieb‘ ich Servilien;
Nur aus der Hand des Bruders,
Will sie die Hand des Gatten.
Du selbst versprachst sie mir,
Du eilest jetzt zu Titus.
Wirst du dein Wort erfüllen,
Und dich für mich verwenden?
SESTUS.
Stets war mir Freundschaft heilig,
Ich schätze, liebe dich;
Dies Bündniß ist mein Wunsch
Ich gehe jetzt zu Titus,
Freund, bald bring ich dein Glück.
Duett.
BEYDE.
Nimm diesen Kuß zum Pfande
Der treusten Liebe, Freund!
Wie sehnt mich’s nach dem Bande,
Daß enger uns vereint.
Beyde ab.
Vierter Auftritt.
Die Bühne stellt einen öffentlichen Platz in der Gegend des Capitols vor. Im Hintergrund stehen die Gesandten der zinsbaren Provinzen, im Begriff dem Senat den jährlichen Tribut zu überbringen. Titus kömmt vom Capitol herab. Vor ihm gehen die Lietoren, um ihn herum die Senatoren, dann folgt Publius mit der prätorianischen Leibwache, Metellus mit den Soldaten, endlich das Volk. Marsch. Wenn der Kaiser im Vorgrund des Theaters ist, beginnt der Chor.
CHOR.
O schützt, o schützet lange.
Gerechte gute Götter
In Titus unsern Retter,
Den Stolz der Nation.
Zu Ende des Chors kommen Annius und Sestus zu verschiedenen Seiten.
PUBLIUS.
Vater des Vaterlands! sey uns gegrüßt!
Diesen Nahmen ertheilt dir in Zukunft
Der Senat, das Heer und das Volk.
METELLUS.
Der Senat hat beschlossen, o Herr!
Dir einen eignen Tempel zu bauen;
Von den Ufern der gelben Tiber
Soll unsers Titus geheiligter Nahme
Aus seinem Heiligthume erschallen.
Das ganze Heer schlägt mit den Schilden zusammen.
ALLE.
Heil sey unserm Schutzgott Titus.
Arie.
TITUS.
Mehr als Triumphe beglückt mich die Liebe
Die mein treues Volk mir schenkt,
Dieses Zeichen edler Seelen
Lohnt kein Thron der Welt.
Welche Wonne fühlt die Seele
Sich vom Volk geliebt zu sehn,
Freude giebt mir der Gedanke,
Vater meines Volks zu seyn.
PUBLIUS.
Sieh hier der besiegten Völker Gesandte,
Sie bringen der Unterwürfigkeit Opfer;
Es werde zum Bau deines Tempels verwendet.
TITUS.
Zu viel der Liebe, edle Römer!
Wie kann ich soviel Treue euch lohnen.
Zu weit steht hinter dem Willen die That.
Doch nehm ich den Antrag mit Dankbarkeit an,
Erlaubt mir nur die eigne Verwendung,
Vernehmt in Kurzem meine Wünsche;
Capuas Bürger sind in Verzweiflung,
Des Vesuves schrecklicher Ausbruch
Bedeckte die schönen Gefilde mit Lava;
Traurig, verlassen irrt Capuas Bürger
Unter verschütteten Mauern umher;
Und ihr wollt einen Tempel mir bauen,
Wo tausend Bürgern der Hungertod droht?
METELLUS.
Ha! ich errathe deine Empfindung.
PUBLIUS.
Es geschehe nach deinem Willen
Mehr, wie aus Tempeln, töne dein Ruhm
Aus dem Munde geretteter Bürger.
TITUS.
Und nun genug des schmeichelnden Lobes,
Säumt euch nicht mit dem Werke der Liebe,
Geht, und vollzieht eures Herzens Wünsche.
Du Sestus, – du Annius – nähert euch mir!
Unter dem obigen Marsch gehen alle ab, ausser Titus, Sestus und Annius.
SESTUS.
Ich bewundre deine Großmuth,
Doch erlaube eine Frage,
Wie vermag dein weiches Herz
Von Berenicen sich –
TITUS.
O schweige!
Noch blutet diese Wunde,
Zu neu ist noch mein Schmerz –
Aus meines Landes Töchtern
Wähl‘ ich die Gattinn mir,
Sestus! edel ist dein Stamm,
Er soll mir die Gattinn geben,
Meine Wahl trift deine Schwester.
SESTUS erstaunt.
Meinst du Servilien?
TITUS.
Ja – sie.
ANNIUS für sich.
Mein Leben ist mir Tod!
TITUS zu Sestus.
Du bist zerstreut – verwirrt,
Mißfällt dir meine Wahl?
SESTUS verlegen.
Ach nein – dieß seltne Glück,
Macht schwindeln meinen Kopf.
TITUS.
Entdecke mir dein Herz;
Dich preßt ein heimlich Leiden.
SESTUS für sich.
O unglückselger Schwur!
ANNIUS für sich.
Ich bin gefaßt – die Pflicht
Erheischt ein großes Opfer.
Laut.
Erlaub‘, daß ich nun spreche,
Mein Freund vermag es nicht
Bescheidenheit hat keine Worte.
Servilia ist der Krone würdig,
Und sie wird an deiner Seite,
Mutter ihrem Volke seyn.
TITUS.
Du sprachst aus meiner Seele.
Geh izt zu Sestus Schwester,
Entdeck‘ ihr meine Wünsche.
Annius geht betreten in dem Hintergrund,
Und dir, mein Sestus, dank ich,
Für dein bescheidnes Schweigen
Es bürgt für dein Verdienst.
Du sollst in meinem Reiche
Nach mir der erste seyn.
Duett.
SESTUS.
Großer Fürst! ach wie verdien‘ ich
So viel Gnade, so viel Liebe?
TITUS.
Die Verdienste zu belohnen
Macht das Herrschen angenehm.
BEYDE.
Ach mir pocht das Herz vor Wonne
Endlich fand ich doch am Throne
TITUS.
Einen treuen edlen Freund,
SESTUS.
Einen grossen edlen Freund.
Beyde gehen ab.
Fünfter Auftritt.
Annius, dann Servilia.
ANNIUS.
Den Göttern Dank und Preis!
Sie haben mich gerettet.
Will ab.
Ists möglich? – Trügen meine Augen
Hier nahet sich Servilia.
SERVILIA.
O Dank der Liebesgöttinn
Sie führte mich zu dir,
Wo Wonne meiner harrt.
ANNIUS.
Sprich nicht in diesem Ton,
Du bist nicht, was du warst.
SERVILIA.
Sprichst du im Wahnsinn so?
ANNIUS.
Ich muß es dir entdecken,
Wenn auch mein Herz zerreißt.
Du wirst des Kaisers Gattinn,
Und mich bestimmte er –
Dein Glück dir zu verkünden –
Nun leb auf ewig wohl.
Will ab.
SERVILIA.
Wie, ich des Kaisers Gattinn?
Erkläre näher dich.
ANNIUS.
Erforsche deine Schönheit,
Und frage deine Tugend,
Dann kannst du dir erklären,
Was ihn zur Wahl bestimmt;
Wer dich sieht, muß dich verehren.
Fällt vor ihr auf die Knie, plötzlich springt er auf.
Verzeih dem zu verwegnen Sklaven,
Vergieb Geliebte meiner Thorheit.
Duett.
ANNIUS.
Ach verzeih mir diese Liebe,
Diesen allzu kühnen Nahmen.
O verzeihe, denn sie kamen
Ja aus dem verwöhnten Mund.
SERVILIA.
Schön, o Theurer! sind die Triebe
Fliehe quälende Gedanken,
Nie Geliebter, nie wird wanken
Unsrer Liebe schöner Bund.
ANNIUS.
O, wie linderst du mein Leiden,
SERVILIA.
Nichts auf Erden soll uns scheiden.
BEYDE.
Für dich opfre ich mit Freuden
Alles was mir theuer ist.
Welche Seligkeiten spendet
Reine Liebe treuen Seelen;
Dem muß alle Freude fehlen
Der nicht weiß, was Liebe ist.
Beyde Arm in Arm ab.
Sechster Auftritt.
Verwandlung. Kaiserliches Gemach.
Titus, Publius mit einer Schrift, die er ihm überreicht.
TITUS.
Sey gegrüßet mir mein Publius,
Was bringst du in dieser Schrift?
PUBLIUS.
Eine schändliche Verschwörung
Hat man gegen dich erregt.
Die Allzukühnen wagten es
Der Titus Nahmen zu verlästern,
Hier lies die Nahmen der Verräther.
TITUS.
Und das macht dich so ängstlich?
Noch liebet mich mein Volk,
Dieß ist der stärkste Panzer
Gegen jeden Pfeil des Neides.
Ich will keinen Nahmen wissen,
Hier, nimm dies Blatt zurück.
PUBLIUS.
Bedenke deine Sicherheit,
Kühner wird noch der Verbrecher,
Wenn du ungestraft ihn läßt.
TITUS.
Ich erkenne deinen Eifer;
Lohnen will ich deine Treue,
Den Verführten sey verziehn.
Siebenter Auftritt.
Die Vorigen, dazu Servilia.
Servilia stürzt zu Titus Füssen.
SERVILIA.
Titus! höre deine Sklavinn!
TITUS hebt sie auf.
Dein Geheimniß ist verrathen;
Aus Sestus Munde weiß ich deine Liebe;
Besorge nichts, du treue Seele,
Dein Glück war meines Herzens Wunsch;
Da du es nicht am Throne fandest,
So suche es an Annius Brust. –
Geht ab.
SERVILIA.
Der Mund versagt mir seine Dienste,
Wie dank ich so viel Liebe ihm.
Achter Auftritt.
Wie Titus abgeht, kömmt Vitellia von der andern Seite. Sie verbeugt sich gegen Servilien.
VITELLIA.
Erlaube Fürstinn, daß ich dir
Die Huldigung des Herzens bringe;
Glücklich war die Wahl des Kaisers,
Tugend, Schönheit ziert den Thron,
Wenn du ihn mit Titus theilest.
SERVILIA.
Umsonst bedeckest du, Vitellia,
Mit dem Schleyer falscher Ehrfurcht
Den hämisch kalten Blick des Neides.
Doch so viel wisse im Vertrauen:
Wenn Titus dich zur Gattinn wünschet,
Ich werde nicht im Wege stehn. –
Geht ab.
Neunter Auftritt.
Vitellia, dann Sestus.
VITELLIA.
Mir diesen Spott? Mir die Verachtung?
Ha kleine Seelen jubelt nur;
Noch hat Vitellia die Macht
Euch alle zu zernichten. Zittert,
Zittert vor des Weibes Rache,
Daß ihr zu zertreten wähnt. –
Will ab.
SESTUS.
Wohin so schnell? du einzig Theure!
VITELLIA.
Ha, kömmst du endlich doch
Vom Brand des Capitols?
Stürzt Numas Burg zusammen?
Hat Lentulus gesiegt?
Wälzt Titus sich im Blute?
SESTUS.
Du befahlst vorhin, zu zögern.
VITELLIA.
O des eifrigen Geliebten!
Meiner spottet jedermann;
Schnelle Rache kann mich retten,
Doch mein Sestus schläft zu gut.
SESTUS.
Ha, um meiner Liebe willen
Mässige den bittern Spott!
Nimm mich zu der Rache Werkzeug,
Nur entdecke einen Scheingrund
Der die Lasterthat verhüllt.
VITELLIA.
Liebe, Ruhm und Rache winken;
Was bedarfst du andrer Gründe?
Bahne über Titus Leiche
Dir den Weg zum Kaiserthron;
Und den Weg zu meinem Herzen. –
Sestus schweigt.
Reizt dich nicht dieß Zauberbild?
Geh Verworfner, meine Liebe
Schenk ich einem kühnern Manne. –
Will ab.
SESTUS.
Ich eile zum Brande des Capitols,
Ich stoße dieß Schwert in Titus Busen –
Götter! weich ein Schauder ergreift mich!
VITELLIA.
Bricht schon wieder das zärtliche Herz?
Arie.
SESTUS.
Theure! ich will ja gehen,
Doch mußt du erst vergeben;
Dir werde ich nur leben,
Nur thun, was dir gefällt.
Glaub mir, wenn ich verspreche,
Daß ich noch heut dich räche;
Ein einz’ger Blick voll Liebe,
Giebt Muth und Kühnheit mir;
O mächtigster der Triebe,
Wer kann dir widerstehn? –
Geht ab.
Zehnter Auftritt.
Vitellia, dann Publius, und Annius.
VITELLIA.
Endlich bin ich am glänzenden Ziele!
Wie süße Rache den Busen mir hebt‘
PUBLIUS.
Folg‘ uns zu Titus, edle Vitellia;
Eben eilt er in deine Wohnung.
ANNIUS kömmt.
Titus harret deiner mit Sehnsucht.
VITELLIA verwirrt.
Was befiehlt er mit seiner Sklavinn?
ANNIUS.
Er selbst will dein Glück dir verkünden.
PUBLIUS.
Er hat dich zu seiner Gattinn erkohren.
VITELLIA für sich.
Ach ihr Götter! raubt mir mein Leben!
ANNIUS.
Nimm unsre erste Huldigung an.
Knieet vor ihr mit Publius.
VITELLIA.
Steht auf meine Freunde! laßt mich besinnen.
PUBLIUS.
Und nun ohne weiters Zögern zu Titus.
Terzett.
VITELLIA.
Schon komm ich. Wartet, wartet!
Sestus! Götter! Sestus ist fort!
Verwünschte Gier der Rache,
Unsel’ger Rausch der Wuth.
Ihr lohnt mit Angst und Schmerzen;
Ihr straft mit Höllenglut.
ANNIUS UND PUBLIUS.
Sieh, was an traurigen Herzen
Freude, für Wunder thut.
Alle ab.
Eilfter Auftritt.
Die Bühne stellt einen Platz vor, wie in der vierten Seene. Sestus kömmt ganz verwirrt, und in sich gekehrt.
Weh mir! mächtig bestürmen
Furcht und Schrecken mein Herz;
Bang ist mir, ach bange
Fliehn möcht‘ ich, und bleiben.
Jedes Lüftchen, jeder Schatten
Füllt mich mit Schauer,
Nie könnt ich ahnden, nie wähnen,
Daß soviel meinem Herzen dieß Verbrechen koste.
Doch! ich muß vollenden, damit nur ruhmvoll
Mein letzter Schritt noch sey. Noch ruhmvoll?
Verdient wohl Verrätherey noch Ruhm?
Unglücklicher Sestus! du ein Verräther? O Schreckensnahme!
Und dennoch eilst du, ihn zu erhalten!
Und wen verräthst du?
Den erhabensten, den gerechtesten,
Den gütigsten der Fürsten dieser Erde.
Ach, was du hast, was du bist, verdankst du ihm;
Ha! schöner Lohn für so viel Güte; In seinen Freund
Liebt also Titus seinen Mörder!
Nehmt Götter mir mein Leben, wenn ich das werde.
Ach! ich kann nicht Vitellia,
Deinen Durst nach Rache stillen,
Ich stürbe vor der That zu seinen Füssen.
Ich muß ihn retten – aber wie,
Schon das Capitol in Flammen?
Alles in Aufruhr, alles schon bewaffnet!
Ach vergebens ist nun die Reue.
Man siebt aus dem Capitol Flammen herausschlagen; in der Folge wird der Brand immer heftiger.
Zwölfter Auftritt.
Finale.
SESTUS.
Erhaltet ihn ihr Götter!
Ach schützt der Menschheit Zier,
Und fällt er ohne Retter,
So schenkt den Tod auch mir.
ANNIUS kömmt.
Ach Sestus! wohin gehst du?
SESTUS.
Ich gehe, ich gehe – du wirst hören,
O Himmel! wirst es sehn zu meiner
Schmach.
Geht ab.
ANNIUS.
Wie soll ich das verstehen?
Doch sieh, da kömmt Serviliai
SERVILIA kömmt.
Ach, welch ein schrecklich Aufruhr.
ANNIUS.
Flieh von hier, o Theure!
SERVILIA.
Ich fürchte, jene Flammen
Sind nicht des Zufalls Werk;
Nein, der Verdacht vermehrt sich,
Daß Bosheit sie erregt.
CHOR in der Entfernung.
Ach!
PUBLIUS kömmt.
Ganz Rom ist schon in Gährung,
Mir bangt für Titus Leben.
O wer mag des Verrathes
Verwegnes Haupt wohl seyn.
CHOR in der Entfernung.
Ach!
SERVILIA, ANNIUS, PUBLIUS.
Ihr Götter, sendet Rettung,
Ach hört des Volkes Schreyn.
CHOR etwas näher.
Ach!
VITELLIA kömmt.
O Freunde! habt Erbarmen!
Sagt, wo ich Sestus finde;
Mein Schmerz gränzt an Verzweiflung,
Ich leide Höllenpein.
SERVILIA, ANNIUS UND PUBLIUS.
O wer mag des Verrathes
Verwegnes Haupt wohl seyn?
Ihr Götter, sendet Rettung,
Ach hört des Volkes Schreyn.
CHOR wie oben.
Ach!
Indessen versammelt sich immer mehr Volk auf dem Platze; alle ringen die Hände, und blicken mit Gebärden der Verzweiflung gegen das brennende Capitol.
SESTUS kömmt wie ein Wahnsinniger mit bloßem Haupte, zerrütteten Haaren, und entblößtem Schwerte.
Wohin, ach wohin entflieh‘ ich?
Berste o Erde, und öffne dich!
Verschling in deine Tiefen,
Verbirg der Menschheit Fluch.
VITELLIA.
Sestus!
SESTUS.
Was willst du von mir?
VITELLIA.
O Götter! welche Blicke!
SESTUS.
O grausames Geschicke!
VITELLIA.
Titus. –
SESTUS.
Ach dieser Edle
Schwimmt schon in seinem Blute.
SERVILIA. ANNIUS. PUBLIUS.
Wer that mit frechem Muthe,
Dieß schwarze Werk der Hölle?
SESTUS.
Ach dieses Ungeheuer,
Ein Greuel der Natur.
War – war –
VITELLIA.
Schweige, Unglücksel’ger!
Noch hat man keine Spur.
VITELLIA, SESTUS, SERVILIA, ANNIUS, PUBLIUS.
Der Stern ach! ist verschwunden,
Der friedlich uns gestralt.
CHOR.
O Greuel der Verschwörung,
O schreckensvoller Tag.
Alle gehen in Verwirrung ab.
Der Vorhang fällt langsam.
Zweyter Aufzug.
Erster Auftritt.
Sestus, dann Vitellia.
SESTUS.
Mich reizt nicht mehr des Lebens Stimme,
Ich suche Ruhe nur im Grab.
VITELLIA kömmt eilig.
Fliehe, trauter Gestus, eile,
Meine Ehre und dein Leben
Rettet nur die schnellste Flucht.
SESTUS.
Deine Ehre ist gerettet,
Meinen Mund verschließt der Tod.
VITELLIA.
Immer liebtest du den Kaiser
Wirst du widerstehen können,
Wenn er zärtlich in dich dringt.
SESTUS.
Titus fiel durch meine Hände
VITELLIA.
Du irrest, Titus lebt,
Ich komme von ihm her.
SESTUS.
Er lebt? Er lebt? Wie dank ich dir
Für diese Nachricht! O wie wohl ist mir
Der Tod hat keine Schrecken mehr für mich;
Dein Geheimniß bleibt in deinem Busen,
Keine Folter öffnet meine Zunge,
Ueberzeuge dich nach meinem Tode,
Ob dich Sestus treu geliebt.
Zweyter Auftritt.
Metellus mit Wachen. Die Vorigen.
METELLUS.
Sestus!
SESTUS.
Was forderst du in diesem Ton?
METELLUS.
Dein Schwert! – Dein Staunen ist Verstellung,
Dein Verbrechen ist enthüllt,
Lentulus zeugt wider dich.
Er stahl den kaiserlichen Purpur,
Du hieltest irrig ihn für Titus,
Und stachst den Mordstahl ihm ins Herz.
Wisse nun, noch lebet Titus,
Noch lebet Lentulus, um vor dem Volk,
Und dem Senat die Schandthat zu bezeugen.
VITELLIA für sich.
Mein Sestus ist verlohren!
Mit einem Schrey.
Ach!
Terzett.
SESTUS.
Wenn schauerliche Lüfte,
Dein Antlitz einst umschweben,
So fühl das letzte Seufzen,
Den letzten Hauch von mir.
VITELLIA.
Um mich muß Sestus sterben.
Für sich.
Wo Götter, soll ich mich verbergen?
Ach mein Vergehen bleibet
Nicht unbekannt der Welt.
METELLUS.
Folge mir!
SESTUS zu Metellus.
Schon komm ich
Zu Vitellia.
O lebe wohl!
VITELLIA.
Nirgends mehr Rettung, o Himmel!
METELLUS.
Folg mir!
SESTUS.
Schon komm‘ ich.
VITELLIA.
Welch Mißgeschick!
SESTUS.
Gedenk, gedenk des Armen,
Der dich auch itzt noch liebet,
Dein Mitleid, dein Erbarmen,
Sey deiner Schmerzen Lohn.
VITELLIA.
Ach, das Gefühl des Schreckens
Zerreisset mir die Seele,
Angst und Verzweiflung martert,
Mein Herz mit Todesqual.
METELLUS.
Ihr herbes, bittres Leiden,
Die Thräne ihres Auges
Gehn nahe meinem Herzen,
Mein Mitleid schenk ich ihr.
Alle drey ab.
Dritter Auftritt.
Saal mit einem Thron, und Nebensitzen.
Titus, Metellus, Patrizier, Wache.
CHOR.
Auf bringet Preis, und Dank
Dem ewigen Geschick,
In Titus erhielt es
Die Ehre des Throns.
TITUS.
Nein, nimmer nenn‘ ich
Unglücklich mein Schicksal,
Denn schlagen nicht Herzen
Für mich noch voll Mitleid!
O schützet noch ferner
Ihr Götter! mein Volk.
CHOR.
Auf, bringet Preis und Dank
Dem ewigen Geschick,
In Titus erhielt es
Die Ehre des Throns.
METELLUS.
Schon ist das Volk auf dem Platze versammelt,
Entziehe ihnen nichtlänger die Wonne,
Den geliebten Beherrscher gerettet zu sehn.
TITUS.
Ich eile, mein treues Volk zu begrüssen,
Nur wünsch‘ ich Gewißheit von Sestus Schicksal,
Noch ist sein Verbrechen nicht erwiesen.
METELLUS.
Lentulus hat gegen ihn gezeugt.
TITUS.
Der Verbrecher sucht sich Gefährten,
Sestus ist als mein Freund bekannt;
Der Freund des Kaisers hat immer Neider,
Noch kehrt vom Senate niemand zurück;
Eile Metellus, und bringe eine Nachricht.
Geht ab.
METELLUS.
Ich gehorche deinen Befehlen,
Mögen dich deine Gefühle nicht täuschen!
Arie.
Urtheilt bedächtig
Von der Verschwörung,
Noch kann ich nicht trauen,
Dem bösen Gerücht.
Ein Herz voll Treue,
Ein Herz voll Ehre,
Fröhnt nie dem Laster,
Wenn jedes andere
Gern sich verirret,
Und Wort und Treue bricht.
Geht ab, ihm folgen Patrizier und Wache.
Vierter Auftritt.
Titus kommt, dann Annius.
TITUS.
Sestus! wenn du zum Verräther mir wurdest,
Dann, Glaube an Menschheit, dann bist du dahin.
ANNIUS kömmt eilig.
Herr! ich flehe um Gnade für ihn.
TITUS.
Auch Annius glaubt an Sestus Verbrechen!
Fünfter Auftritt.
Publius mit dem Urtheil. Metellus, Vorige.
PUBLIUS.
Meine Ahndung ward zur Gewißheit,
Sieh hier des Senates Beschluß.
TITUS.
Götter! ists möglich? Sestus ist schuldig?
PUBLIUS.
Er war selbst des Verbrechens geständig,
Schrecklich, doch billig ist seine Strafe.
Er werde vor allen im Amphitheater
Den reißenden Thieren zur leckeren Speise;
Hier leg‘ ich das Urtheil zur Unterschrift vor.
TITUS nimmt das Urtheil.
Ihr Mächte des Himmels! stärkt izt meinen Arm!
Er setzt sich an einen Tisch, worauf sich Schreibgeräthe befindet.
Die Bande der Freundschaft sind zerrissen,
Das Urtheil ist billig. – Sestus sterbe –
– – Warum ergreift ein Zittern die Rechte
Wenn sie sich anschickt zum tödtenden Zuge?
Soll ich ungehört ihn verdammen,
Steht auf.
Nein, noch einmal muß ich ihn sehen
Ruft.
Wache, man führe den Sestus zu mir!
Arie und Scene.
TITUS für sich.
Er sterbe!
Zu den übrigen.
Entfernt euch alle!
Er muß izt sterben
Ihn retten vom Verderben
Kann keine Menschenmacht.
DIE ÜBRIGEN DREY.
Ist dieß des Titus Milde,
Tod verkündet uns sein Blick.
TITUS.
Freundschaft war ihm nicht zu heilig,
Mit zärtlichen Gefühlen
Triber nur Kinderspiel;
Ha, schändlich hat er den Freund betrogen
Der nur sein Bestes wollte,
Strafe fodert sein Vergehn.
Gerecht ist meine Rache
Gerecht ist meine Wuth.
Zu Ende der Arie tritt Titus in den Vordergrund der Bühne. Annius, Metellus und Publius gehen ab. Publius kehrt wieder zurück.
Sechster Auftritt.
PUBLIUS.
Sestus erwartet deine Befehle.
TITUS.
Führt ihn herein, und bewacht ihn genau.
PUBLIUS führt Sestus herein.
Näh’re dich Sestus, den Blicken des Kaisers.
Terzett.
SESTUS.
Ha! welch ein Blick von Titus!
O Himmel! wie verschwunden
Ist seine vor’ge Güte,
Izt zittre ich vor ihm.
TITUS.
O ew’ge Götter! daß ist Sestus!
Kaum sieht er sich mehr ähnlich.
Wie mächtig ein Verbrechen
Des Menschen Stirn entstellt.
PUBLIUS.
Tausend verschiedne Triebe
Durchkreuzen Titus Seele
Durch sie vielleicht gedrungen
Giebt er der Großmuth Raum.
TITUS.
Sestus? nahe dich!
SESTUS.
O Worte, die mir das Herz durchschneiden!
Bleibt in der Entfernung stehen.
TITUS.
Du hörst nicht?
SESTUS.
Ach wie wird mir
Ich glühe, ich bebe vor Angst
TITUS UND PUBLIUS.
Angst ergreifet den Verräther
Sein Aug schließt sich vor Schaam
SESTUS.
Wie groß ist meine Pein
O Götter, welch ein Schmerz!
Titus giebt dem Publius einen Wink, der sich dann mit der Wache entfernet.
Siebenter Auftritt.
Titus und Sestus.
TITUS tritt nahe, und feyerlich zu Sestus.
Du also wolltest meinen Tod?
Was reizte dich zu dieser That?
Sprich frey mit mir, noch ist’s der Freund,
Und nicht den Kaiser, der dich hört.
SESTUS fällt vor ihm auf die Knie.
O diese Milde, grosser Kaiser,
Sie schlägt noch mehr mein Herz zu Boden
Ich habe eine Bitte nur;
Gieb mir den Tod, und laß mein Blut
Die große Lasierthat versöhnen.
TITUS hebt ihn gerührt auf.
Erheit’re deinen Blick, mein Sestus!
Verblendeter! du wolltest herrschen,
Sieh an die Früchte, die ich sammle,
Sie heißen Undank, und Verrath;
Ist wohl mein Loos beneidenswerth?
SESTUS.
Nicht Herrschsucht reitzte mich zur That.
Nur Schwachheit – Leichtsinn. – Edler Fürst,
O laß mich schweigen, laß mich sterben!
TITUS.
Ein Geheimniß martert dich,
Lege es in Freundes Busen.
SESTUS.
Meine That verdient den Tod.
TITUS.
Nicht dieß hofnungslose Schweigen,
Warst du nicht stets mein Vertrauter?
SESTUS für sich.
Welch ein Kampf in meiner Seele?
TITUS.
Sestus! bin ich nicht dein Freund?
SESTUS.
Nein, ich kann nicht länger schweigen,
Wisse also –
Sich plötzlich besinnend.
Was beginn‘ ich?
TITUS.
Rede frey, was willst du sagen?
SESTUS.
Daß ich selber mich verachte,
Daß die Götter auf mich zürnen,
Daß ich mir den Tod nur wünsche.
TITUS beleidigt.
Der dir werden soll Verruchter.
Wache
Die Wache kömmt.
Wache! führt ihn fort!
SESTUS.
Laß mich diese Hand noch küssen.
TITUS.
Fort! izt bin ich dein Gebiether.
SESTUS.
Gewähre diese lezte Bitte.
Arie.
Da ich einsam vor dir stehe,
Denk‘ an deine erste Huld;
Denn was mir den Tod verbittert,
Ist Verachtung, Haß von dir.
Unwerth bin ich deines Mitleids,
Jeder Lebenshauch sagt mirs,
Dennoch zürntest du gelinder,
Könntest du mein Leiden sehn.
Voll Verzweiflung werd‘ ich sterben,
Aber ohne Furcht und Schrecken;
Das Gefühl nur ist mir quälend,
Daß ich dir Verräther war.
O wie ist mein Herz beklommen
Das sein Leid nicht klagen kann.
Geht ab.
Achter Auftritt.
TITUS allein.
Das Loos ist geworfen! – Sestus sterbe!
Noch fehlet mein Nahme – ich will unterschreiben.
Er unterschreibt das Urtheil.
Stimme der Freundschaft! ich darf dich nicht hören,
Sestus ist schuldig – ich kann ihn nicht retten.
Geht ab.
Neunter Auftritt
Kurzes Zimmer. Vitellia, und Publius kommen von entgegengesetzten Seiten.
VITELLIA.
Publius!
PUBLIUS.
Mich rufen Geschäfte zum Kaiser.
VITELLIA.
Und Sestus –
PUBLIUS.
Erscheinet im Amphitheater.
VITELLIA.
So stirbt er? Hat er mit dem Kaiser gesprochen?
PUBLIUS.
Sie waren geraume Weile allein.
Die Pflicht geboth mir, mich zu entfernen.
Geht schnell ab.
Zehnter Auftritt.
Vitellia, dann Annius und Servilla von verschiedenen Seiten.
VITELLIA.
So kalt spricht Publius mit mir?
Er eilte weg, als scheut‘ er sich
Mit der Verbrecherinn zu sprechen.
Gewiß hat Sestus mich verrathen.
Nun fort zu Titus, er soll wissen,
Was zur Verschwörung mich bewog.
SERVILIA kömmt.
Vitellia, rette meinen Bruder!
ANNIUS kommt.
O Fürstin, rette meinen Freund!
Er wird den grimmigen Löwen zur Beute.
VITELLIA.
Was kann ich Arme für ihn thun?
SERVILIA.
Du wirst des Kaisers Gattinn,
Dir versagt er keine Bitte.
VITELLIA.
Ist es Wahrheit was ihr sagt?
ANNIUS.
Noch vor Untergang der Sonne,
Schließt er dich in seinen Arm,
Eben gab er mir den Auftrag
Feste aller Art zu ordnen.
VITELLIA.
Geht, ihr Lieben! Sestus Rettung,
Nehme ich allein auf mich.
Servilia, und Annius verbeugen sich gegen sie, und gehen ab.
Eilfter Auftritt.
Vitellia allein.
Sieh die Stunde, o Vitellia,
Die deine Treue prüft, ist nahe,
Hast du wohl Muth, zu bleiben,
Und deinen treuen Sestus
Für dich sterben zu sehn?
Sestus, der dich liebt,
Mehr, als sein eignes Leben;
Der deinetwegen Verbrecher wurde,
Der dir Grausamen folgte,
Dir Ungerechten huldigte?
Der nah im Tode sich
So treu dir beweiset?
Ha, und du könntest
Deiner Schuld nicht unkundig,
Zufriednen Muthes
Den Thron mit Titus theilen?
Stets würd‘ ich ahnden,
Daß mir Sestus erschiene
Mich fürchten, und ängsten, daß vielleicht
Jedes Lüftchen mich verrathe an Titus.
Zu seinen Füssen eile ich,
Alles zu entdecken
Dieß mindert vielleicht Sestus Verbrechen,
Ob ich gleich meine That
Nicht kann entschuldigen.
Der Herrschsucht und der Liebe,
Entsag ich auf immer.
Arie.
Nie wird des Lenzes
Blume mich schmücken,
Nie wehn mir Hymens
Festlicher Kranz.
Doch nehmt Barbaren
Ja alles auch hin,
So bleibt der Tod mir
Immer Gewinn.
Unglücksel’ge, ach ich scheide,
Und nur Fluch folgt mir von hier.
Ach, wer meine Leiden kannte,
Schenkte gern sein Mitleid mir.
Geht ab.
Zwölfter Auftritt.
Ein offener Platz vor dem Amphitheater, mit Säulen geziert. Titus, Publius, Metellus, das Volk. Im Hintergrunde sieht man Sestus, und die Verurtheilten in Ketten, dann Annius und Servilia.
CHOR.
Daß des Himmels mächt’ge Wesen,
Dich zum Liebling auserlesen,
Hat der Zeitlauf eines Tages
Zur Genüge uns gezeigt.
Doch, wem kann es Wunder nehmen,
Wenn die ewig heil’gen Götter
Den in ihren Schutz aufnehmen,
Der so sichtbar ihnen gleicht.
TITUS.
Noch ehe die festlichen Spiele beginnen,
Führe man die Verurtheilten vor.
Sestus in Ketten tritt schweigend gegen Titus.
ANNIUS, SERVILIA, PUBLIUS, METELLUS.
Gnade für Sestus, Gnade o Herr!
TITUS zu diesen vier Personen.
Auch die Gerechtigkeit fordert ihr Opfer,
Die Strafe des Aufruhrs ist schmählicher Tod,
Ich darf des Gesetzes Strenge nicht mildern.
Letzter Auftritt.
Vitellia stürzt herein. Die Vorigen.
VITELLIA stürzt zu den Füssen des Kaisers.
Mein Kaiser! mich treffe deine Rache,
Und Sestus werde frey.
TITUS.
Vitellia, was soll das?
VITELLIA.
Die Seele der Verschwörung –
Verführerin des Sestus –
SESTUS erschüttert.
Vitellia! was beginnst du?
VITELLIA.
O Herr! kaum wirst du’s glauben
Des Aufruhrs Haupt – bin ich
ALLE.
O Götter!
TITUS.
Wollt ihr mich alle morden?
VITELLIA.
Ich ganz allein bin schuldig
Mich reizte Herrschbegier,
Ich wünschte deine Liebe
Und sah mich nachgesetzt.
Da flammt‘ in meinem Busen
Die Furie Eifersucht,
Das schwarze Laster an.
TITUS.
Steh auf – ermanne dich.
Vitellia steht auf.
Welch ein Tag ist der heutge!
Kaum entdeck‘ ich einen Verbrecher,
So naht sich ein zweyter.
Ach, wann find‘ ich, gerechte Götter,
Ein treues Menschenherz?
Ach, wie verschworen scheint alles,
Mich wider mein Gefühl zu zwingen,
Daß ich grausam sey!
Nein! dieser Sieg soll nimmer euch werden!
Männlich im Streit zu stehen
Heißt mir Tugend, heißt mir Pflicht.
Sehen will ich, ob andrer Untreue
Mächtiger seyn wird, als meines Herzens Güte.
Herbey, entfesselt Sestus, und geschenkt
Sey ihm, und seinem Anhang
Das Leben, und die Freyheit;
Rom seys bekannt, daß ich es bin,
Der längst um alles weiß,
Es vergißt, und gern verzeiht.
Finale.
Vitellia. Servilia. Annius. Sestus. Titus. Publius. Metellus.
Chor.
SESTUS.
Du vergibst mir, o Großmüthiger,
Doch ach, mein Herz vergiebt mir nicht.
Stets will ich weinen, und mein Vergehen bereun,
Bis mich das Grab umschließt.
TITUS.
Dein Herz voll wahrer Reue,
Das laut aus dir itzt spricht,
Ist vielmehr werth, als ew’ge
Stets unverletzte Treu.
VITELLIA, SERVILIA, ANNIUS.
O welche Großmuth, o welche Huld!
Wer kann so groß sich wähnen?
Ach, bis zu Freudenthränen
Rührt so viel Güte mich.
Vitellia. Servilia. Annius. Sestus. Publius. Metellus.
CHOR.
O ew’ge Götter, erhaltet lange
Roms Glanz, und Glück durch ihn!
TITUS.
Nehmt Götter, nehmt mein Leben,
Ich geb‘ es freudig hin,
Wenn ich was heißer wünsche,
Als Rom beglückt zu sehn.
CHOR.
O ew’ge Götter, erhaltet lange
Roms Glanz und Glück durch ihn.
Wolfgang Amadeus Mozart