Georg Friedrich Händel
Sosarme
Personen
Sosarme, König von Medien
Haliate, König von Lydien
Erenice, Frau des Haliate
Elmira, Tochter des Haliate, Braut des Sosarme
Argone, Sohn des Haliate
Melo, illegitimer Sohn des Haliate
Altomaro, Rathgeber des Haliate, Großvater des Melo
Akt I.
I. Scene
Platz in Sardes, mit Kriegsscharen.
ARGONE.
Meines Vaters Erbitt’rung, seinen Kämpfen,
Seinen Stürmen trotzt noch,
Widersteht noch stets das stolze Sardes:
Doch, wozu frommt mir so ehrenvolle Kühnheit?
Uns entschwindet die Nahrung,
Bald wird der Hunger beginnen seinen Sieg’szug;
Was soll ich thun? gebt Rath und Hilfe, ihr Götter!
Nun, o treue Gefährten, seht ihr vor Augen
Schrecklich das Scheusal des Hungers,
Er naht sich, mit weitgesperrtem Rachen
Uns zu verschlingen. Welcher Ausweg
Soll sich öffnen zu unsrer Rettung?
Doch mit froherem Auge schaut dort nun hin,
Wo vor dem Wall sich breitet ein reich versorgtes Lager.
Ermannt euch, ihr tapfren Helden,
Zum Schwerte greift, es zu erstürmen,
Mit Schrecken es zu füllen,
Mit Grauen, Jammer, Bestürzung,
Verwirrung, und mit Verderb und Grausen!
II. Scene
Zimmer.
Erenice und Elmira.
ELMIRA.
Mutter und Gebiet’rin!
ERENICE.
Elmira!
ELMIRA.
Mit solchem Glauben erfüllt deine Seele ein Traumbild?
ERENICE.
Ach Tochter, spricht der Himmel durch Träume,
So heischt er Glauben.
ELMIRA.
Laß mich wissen, was du träumtest.
ERENICE.
Höre! Das Entbrennen dieses schrecklichen Krieges zwischen Sohn und Vater
Ist Ärgernis dem Himmel wie der Erde.
In letzter Nacht, früh um die Morgendämm’rung,
Als mir vom Weinen müde die Augen sich schlossen,
Fuhr Hekate, die Göttin, plötzlich vom Himmel nieder
Und lenket durchdringend auf mich die schönen Augen,
Und also sprach sie:
Erenice, erheitre dein trauernd Antlitz!
Heute, noch heute endet der Zwist der Deinen;
Doch, nur wenn durch den Sohn königlich Blut fließt,
Wird ein Ende dem Kriege und Friede dem Reiche.
ELMIRA.
Kam der Spruch dir von dem Himmel,
Was denn besorgst du,
Wenn doch der Himmel zur Heiterkeit dich mahnet?
Trockne vom Auge die Thränen, Mutter.
Nicht weine mehr!
Noch jetzt Gefahren wähnen kannst du so sorgenschwer?
Geht ab.
III. Scene
Erenice, dann Elmira.
ERENICE.
Große Götter, gebt Trost mir
In solcher bittren Drangsal!
ELMIRA.
Ach gute Mutter, komme, bitte, vermahne!
ERENICE.
O Himmel, was giebt es?
ELMIRA.
Mir stockt das Wort im Munde:
Argone bewaffnet in entschlossener Rüstung die
Genossen zum Ausfall!
Geht ab.
IV. Scene
Erenice allein.
ERENICE.
Wie ein Wall soll seinem Grimme,
Eh‘ er stürzt auf seinen Vater,
Diese Brust entgegenstehn!
Können seinen Trotz nicht beugen
Meine Thränen, so sei mein Tod
Denn der Beginn der Frevelthat!
V. Scene
Feldlager.
Altomaro und Melo.
ALTOMARO.
Melo, mein Prinz, dulde, daß ich Enkel dich nenne!
Du rühmst in Wahrheit Haliates als Vater,
Doch Anagilda, meine Tochter, war deine Mutter!
MELO.
Altomaro, deine Liebe hat für mich höh’ren Werth,
Wenn sie gerecht ist, wenn sie nie mehr sich abmüht,
Auf den Thron mich zu rufen.
ALTOMARO.
So nur ist’s möglich, deine Geburt durch Rang und Glanz zu adeln.
Haliates hat erklärt dich zu des Thrones
Echtem Erben, mit Ausschluß des Argone;
Du nähre zwischen Sohn und Vater die Zwietracht;
Folge zu deinem Heile meiner Berathung!
MELO.
O verruchtes Beginnen!
ALTOMARO.
In nächt’gem Dunkel flattert
Der Falter verirret,
Vom Lichte geschieden,
In Angst und in Hast.
So darf deine Seele,
Von Sorgen verwirret,
Nicht hoffen auf Frieden,
Nicht hoffen auf Rast.
VI. Scene
Melo und Sosarme mit Gefolge.
SOSARME.
Warum find‘ ich so ernst dich, o Melo,
Und so bekümmert in Gedanken versunken?
Welch ein Unheil giebt’s wieder?
MELO.
O Herr, könnt‘ auch ein größres
Verhängnisvoll’res Leid noch mich betreffen,
Da Haß und Zwietracht Sohn und Vater zum Kampf gewaffnet?
SOSARME.
Doch, wenn das Glück beschieden
Als deiner Tugend Lohn, Melo, den Thron dir?
MELO.
So ungerecht kann nicht schalten der Himmel!
SOSARME.
Melo, Melo, nur würd’ger macht dich des Throns
Deine Verachtung der Herrschaft. Mir reift ein
Neuer Rathschluß; ich will hinein in die Stadt, den Sohn zu sprechen.
Wenn zu nichts mir es frommt, darf ich doch hoffen,
Zu beglücken mein Herz im Anblick Elmiras!
MELO.
O Fürst, deinem edlen Beginnen sei hold der Himmel.
Ja, ja! beschwör‘ ihn, und kannst du
Freund ihm sein und Berather,
So schling um den Sohn und den Vater
Das Band stets treuer Pflicht!
Tilgst du den Haß und bannst du
Der Zwietracht blut’gen Hader,
So leuchtet neu dem Volke
Des Friedens freundlich‘ Licht!
VII. Scene
Sosarme und Haliate.
HALIATE.
Nichts mehr von Einwurf! ich eile,
Was ich verfügte, in Waffen zu vollstrecken!
Ich will den trotzigen Hochmuth der Rebellen
Bezähmen, ich will mich rächen im Blute der Verräther.
Laß den Lauf meiner Rache! Geschlecht nicht, Geburt nicht,
Und nicht der Unschuld und nicht dem Alter werde Schonung!
SOSARME.
Haliates, deinem Grimme entziehet dieser Arm die treuen Dienste,
Wenn du zu den Verräthern Elmiren, meine Gattin
(Nicht mehr dein Kind), zählst. Zähl‘ dann auch mich zu ihnen,
Der dein Eidam nicht länger, nein, der dein Feind ist!
Deine Macht will ich stützen,
Wenn du verzeihst, doch wenn du Rache sinnst,
Widersetzt diese Brust hier so finstrer Wuth sich.
All meine Mannkraft,
Die diese Brust birgt,
Soll deinem Ingrimm
Damm sein und Wall.
Ein stolz‘ Entzücken
Der edlen Brust ist,
In sich zu beugen
Die blinde Wuth.
Geht ab.
VIII. Scene
Haliate allein.
HALIATE.
So verschwöret denn also zu meinem Unheil
In Söhnen und in Freunden Natur sich und das Verhängnis?
Ha, unselig die Herrscher, wenn wider sie vereint
Und feindlich empört das eigne Blut kämpft und das Schicksal.
Der Schwarm der feigen Schmeichler
Entweich‘ und flieh‘ von hier.
Wenn nur der Grimm der Rachgier
Beharrt allein bei mir –
Ich will mich rächen!
Als Herrscher mißgeachtet,
Wie trüg‘ ich solche Schmach?
Vater vom Sohne befehdet,
Soll seinen Trotz ich nicht
Gewaltsam brechen?
IX. Scene
Argone, bewaffnet, mit einer Abtheilung Soldaten.
ARGONE.
Ihr Freunde, heut‘ aus dem Dunkel streb‘ euer Muth zum Lichte!
Die bittre Noth ja treibt uns fort aus den Mauern,
Im Kampfe zu gewinnen
Dem Elend und unsrem Namen Erlösung und Ehre!
Auf, ihr Tapfren, zu den Waffen!
Will gehen.
X. Scene
Argone, Erenice, Elmira.
ERENICE.
Bleibe! o sage, was du sinnst!
Welchen ruchlosen Mordstahl ergreifst du,
O Himmel, wider des Vaters Haupt?
ELMIRA.
Geliebter Bruder, bei diesen meinen Thränen –
ARGONE.
O Mutter! Elmira! Gott mit euch!
ERENICE.
Bleib, o Verruchter! Schrecklicher!
Unmensch voll Undank!
Geh zu trinken des Vaters geheiligt Blut:
Doch mußt zuvor du der schon entseelten Mutter
Mit dem ruchlosen Fuße die Brust zertreten!
ARGONE.
Ha, welch ein Schauder faßt mich!
ELMIRA.
Schon regt sich sein Gewissen!
ARGONE.
Doch, wer ruft mir zum Leben meinen Geist aus
Bestürzung? wer weckt den stolzen Muth mir?
Ihr, meine treuen Tapfren, euch nur gehör‘ ich!
Gott mit dir, o Mutter; mein Schluß ist,
Daß dieser Tag entscheide mein Leben, mein Schicksal!
ERENICE.
O weile, mein Sohn! o Jammer!
Elende Mutter, o unglücksel’ger Gatte!
Getheilt schlägt dies Herz hier
Dem Sohn, ach! und Gatten,
Von Blut und von Liebe
Gleich machtvoll bewegt.
Wem immer die Palme
Des Sieges zu Theil wird,
Das Leben der Seele
Erstirbt in dem Kampf.
XI. Scene
Elmira allein.
ELMIRA.
O Göttin Hekate, gieb, daß unerfüllet
Dein Wahrspruch bleibe! laß nicht das Blut des Vaters
Uns Allen zum Verderben den Frieden stiften!
Sei dir größer der Ruhm, daß du uns täuschtest!
Friede sprachst du und drohst in Donnern,
Grimme Göttin, was denn verhängst du,
Wenn du Kampf einst wirst verkünden?
Was geschieht, wenn ihr erzürnet seid,
Grause Sterne, da versöhnet
In so wildem Groll ihr wüthet?
Akt II.
I. Scene
Saal im Königspalast.
Elmira allein.
ELMIRA.
Vater und Bruder und Gatte,
Wer immer siegte von euch,
Dem Aug‘ entlockt er nur
Die bittren Thränen.
II. Scene
Erenice und Elmira.
ERENICE.
Vom hohen Thurm droben sprich, was gewahrst du, o Tochter?
ELMIRA.
Zuerst bei Argons Ausfall
Stand im Kampfe Sosarmes und seine Krieger;
Dann ward vom Staube und Rauche das Auge mir verdunkelt,
Und welcher Seite der Sieg sich zugeneiget.
War in dem Kampfgewirr nicht zu erkennen.
ERENICE.
O Schmach des schnöden Ruhmes, den der Sieger sich gewinnt!
Doch, ihr Götter, es kehrt der Sohn dort siegreich wieder!
Ach wie empfängst du, Elmira, deinen Bruder,
Der befleckt ist vom Blut des Vaters?
III. Scene
Argone zu den Vorigen mit entblößtem, blutigem Schwert. Gefolge.
ARGONE.
Mutter und Schwester –
ERENICE.
Eh du setzest den Fuß auf diese Schwelle,
Sprich, von wessen Blute besudelt du zurückkehrst?
ARGONE.
Von edlem Königsblut gefärbt siehst diesen Stahl du!
ELMIRA, ERENICE.
Weiche, schreckliches Scheusal, Frevler, Verruchter!
ARGONE.
Ja das Blut ist’s des Sosarmes;
Er, vor dem Thore –
ERENICE.
Nichts mehr! schweige! nichts mehr!
ELMIRA.
Mutter, ich sterbe –
ERENICE.
Tochter! Heut‘ an einem Tag hast,
Verruchter, du gemordet drei Verwandte,
Zwei durch Jammer und Einen durch Eisen!
ARGONE.
Voran trat er dem Ausfall entgegen!
ERENICE.
Und grausam hast du nicht geachtet ein Leben,
Das mit Liebe beseelend lebet in deiner Schwester blutendem Herzen?
ARGONE.
Unsrem Angriff hat er sich zuerst dort –
ERENICE.
Schweige!
ELMIRA.
Ach, Mutter! –
ERENICE.
Schweige! ich erröthe,
Daß mir ein Unmensch zum Sohn ward!
ARGONE.
Willst du hören, – sag‘ ich dir –
ERENICE.
Dich hören, wie?
Ich sag‘: du bist ein Verräther, ein Barbar.
ARGONE.
Willst du hören, – sag‘ ich dir –
ERENICE.
Ja ich sage: du zerreißest alle Bande
So der Liebe wie des Bluts.
IV. Scene
Im Zelte des Königs.
Altomaro, Haliate.
ALTOMARO.
O Herr, sicher der letzte
Tollkühne Ausfall war dieser deines Sohnes.
HALIATE.
Allein ihm war das Glück so wohl gewogen,
Daß zu neuem Entschluß die Noth uns antreibt.
V. Scene
Melo zu den Vorigen, mit Gefolge.
MELO.
Vater, o Herr –
HALIATE.
Was giebt es?
MELO.
Höre: wie ein Rebelle hält außer dem Gefecht sich
Nach freier Wahl Sosarmes, und er versaget mir
Gehorsam und Folge.
ALTOMARO.
Dies ist dein Werk, o Melo.
HALIATE.
Eine Strafe, keine Gunst war’s,
Daß ihr, erzürnte Sterne, zwei Erben mir gegeben!
Jener, ruchlos und rebellisch, empört sich und spottet meiner,
Und dieser, ihr Götter, will hemmen meine Rache,
Will, voll von Undank,
Daß ich Trotz und Verhöhnung geduldig trage!
MELO.
Deiner Schmach sollt‘ ich freu’n mich?
Und welche Rache, sprich,
Wär‘ großgesinnter doch als zu vergeben?
ALTOMARO.
Trotz und Hohn zu zerbrechen, ist Herrschertugend!
HALIATE.
Schweig! ach, wie die Liebe allen Sinn mir verwandelt.
Ich bin gekränkt, doch der mich kränkt, mein Sohn ist’s.
Altomar, eile nach Sardes (ach, das Wort versagt mir),
Meinem Sohn zu eröffnen den Antrag des Friedens.
Wenn uns Zwietracht feindlich trennte,
Friede söhn‘ uns freundlich aus.
Im entwehrten Feind‘ umarme
Nun der Vater den Sohn voll Undank,
Und wenn Haß mich sein beraubte,
Geb‘ ihn Liebe mir zurück.
Geht ab.
VI. Scene
Altomaro und Melo.
ALTOMARO.
So verschmähst du denn also deine eigne Erhöhung?
MELO.
O entsetzliche Größe, die du gründest,
Nach eines Anderen Sturz trachtend in Arglist!
ALTOMARO.
Herrliche Arglist, wenn zum Thron dich zu heben
Selbst dir zum Trotz ich gestrebt!
MELO.
Bescheidung hemmt mich.
Mehr Gewalt als die Hölle fürwahr hat der Himmel.
Oft gefällt’s den Himmelsmächten,
Daß der Trug des Ungerechten
Schlägt das Haupt, dem er entsteigt;
Wie ein Wettersturm aufbrauset,
Dann sich löst und niedersauset
Auf den Grund, der ihn erzeugt.
Geht ab.
VII. Scene
Altomaro allein.
ALTOMARO.
Und je mehr Melo verschmähet seine eigen Erhebung,
Um so entschloßner will ich zum Thron ihn fördern;
Ja all mein Sinnen ist dem Entwurf verpfändet.
Mir schlägt froh das Herz im Busen,
Das sich freut so schönen Truges,
Wenn auch Er ihn noch verschmäht.
Braust nur auf, furchtbare Wetter
Wilder Stürme, fest im Herzen
Wird bestehn, was ich beschloß.
VIII. Scene
Gemach im Königspalast.
Sosarme auf einem Ruhebett hereingebracht. Elmira seine Wunde pflegend.
ELMIRA.
Dank dem Himmel, Geliebter, leicht war die Wunde;
Schon aber glaubt‘ ich, o Jammer, ach theurer Liebling,
Daß mir dich entrisse ein feindlich Schicksal!
SOSARME.
Dich erblickend, o Geliebte, vergess‘ alles Leid ich!
ELMIRA.
Deines Tod’s versichert wollt‘ ich dir folgen,
Und bei der Schreckenskunde
Sank ich in Ohnmacht nieder, mir brachen die Augen.
SOSARME.
Für so kleine Gefahren
Wird mir zum Lohn so wonniges Entzücken?
ELMIRA UND SOSARME.
Durch das Thor der Höllenqualen
Gehn die Seligen ein zur Lust;
Harrt doch Wonne
Vor des Leidens bittrer Schwelle;
Keine Ros‘ ist ohne Dornen,
Keine Freude ohne Schmerz.
IX. Scene
Erenice zu den Vorigen.
ERENICE.
O Fürst, dein edles Blut
Hat Bellonen entrafft die grause Fackel!
SOSARME.
Wie, o Gebieterin?
ERENICE.
Es nahen mit der Fahne des Friedens
Gesandte von Haliate.
ELMIRA.
O glückliche Botschaft!
SOSARME.
So hab‘ ich diese Wunde
Immer mehr denn zu segnen!
ERENICE.
Wenn du gestillt den Eifer, wenn du mit Gefahr des Lebens
Schon zum Frieden gestimmt hast den heft’gen Vater,
So treib‘ ihn abzuschließen nun auch den Sohn an.
ELMIRA.
Theurer, bei jener Liebe –
SOSARME.
Ach schweige, Elmira!
Die Pflicht, das Recht, die Liebe sind meine Führer.
Ein Gefangner freien Willens
Kam ich nach Sardes, allein zu diesem Zwecke.
Ich war es, der Argones Ausfall zuerst begegnet,
Und mir gelang die Absicht. Ich versuche bei ihm nun
Bitten, Vernunft, milde Bedrohung;
Der Himmel fördert gerechte Thaten!
ELMIRA, ERENICE.
Sei die Hilfe der Götter bei deinem Werke!
SOSARME.
Zu den Sphären hohen Ruhmes
Schwingt sich empor ein edles Herz:
Ihm zum Kampfe, ihm zeigt zum Siege
Ehr‘ allein die stolze Bahn.
X. Scene
Audienzzimmer mit Thron.
Argone und Sosarme.
SOSARME.
Den Frieden schlägst du aus?
ARGONE.
Entzieht er nicht mir,
Was mir verliehen von Natur ward und Himmel,
So schlag‘ ich nicht aus den Frieden und bin entschlossen,
Zu flehen den Vater um Nachsicht und Vergebung.
XI. Scene
Erenice und Elmira, dann Altomaro zu den Vorigen.
ERENICE.
An diesen Worten erkenn‘ den Sohn ich wieder.
ELMIRA.
In diesem Tone find‘ ich den Bruder wieder.
SOSARME.
Aus dieser Denkart spricht Freundesliebe wie ehemals.
ARGONE.
Mutter, Bruder und Schwester, von Herzen Dank euch.
Zu Altomaro.
Und nun, sage, was bringst du,
Frieden oder Krieg uns?
ALTOMARO.
Den Frieden und Krieg gemeinsam.
ERENICE.
Wie das?
ARGONE.
Laß hören!
ALTOMARO.
Haliate schaudert, seiner Unterthanen Blut zu vergießen;
Drum läßt er heute seinen theuren Vasallen
Den Frieden bieten, doch mit dir, seinem Sohne,
Will den häuslichen Hader er beenden im Zweikampf,
Mit Einem der Eine!
SOSARME.
Was hör‘ ich?
ELMIRA.
O welch‘ ein Gräuel!
ERENICE.
Und dies ist Friede?
ARGONE.
Nicht gestattet der Muth mir, mich zu bedenken,
Zu folgen dieser Forderung! Geh, bereite den Kampfplatz,
Wo er gerüstet schleunig mich trifft,
Und da in ihm getilgt sind alle Vatergefühle,
Will auch ich vertilgen die Kindespflicht und Empfindung.
Argone und Altomaro gehn ab.
XII. Scene
Erenice, Elmira, Sosarme.
ERENICE.
O Götter, eh‘ sich vollziehe so entsetzliche Unthat,
Soll mein König und Herr mich sehen und hören.
Sei dir, mein tapfrer Sosarmes,
Weil im Lager ich weile, mein edler Sohn empfohlen!
SOSARME.
Gehe und zögre nicht! Eile, ich vertraue,
Es hilft dir der Himmel, o Fürstin.
ELMIRA, SOSARME.
Mutter, Gott mit dir!
ERENICE.
Eilend stürz‘ hinaus ich, zu bekämpfen
Mit Thränen dieses Vaters verderbliche Wuth.
Du verweil‘, um in Milde zu dämpfen,
Und zu bänd’gen des Sohnes rauhen Muth.
Geht ab.
XIII. Scene
Sosarme und Elmira.
ELMIRA.
Geliebter, ach, welch ein Grau’n durchrinnt mir alle Adern!
Wie seh‘ den Bruder ich von Gefahren umgeben und den Vater!
SOSARME.
Sei getrost, o Geliebte;
Ich versöhne den Sohn, den ergrimmten,
Und zweifle nicht, ich stimme ihn zum Frieden.
Dann wirst in süßer Ruhe an dieser Brust du weilen,
Und beim Vollzug des Friedens
Wird im Glanz seiner Fackel uns Hymen leuchten.
In tausend süßen Freuden
Hält dich mein Arm umfaßt;
Ich schlinge neu die Bande,
Die Liebe um uns wand,
Und deines Herzens Treue
Fortan sei all mein Preis.
Geht ab.
XIV. Scene
Elmira allein.
ELMIRA.
Lieblich beginnt ein Schimmer von neuer Hoffnung
Mir zu erfreu’n die Seele: Daß zuletzt doch den Sieg noch
Über beide Ergrimmte erringen mag die Mutter,
Und Er, mein Geliebter, und daß der Bruder,
Empört jetzt in zorn’gem Eifer,
Folgend dem Zuge der Sohnespflicht und Liebe,
Uns wiederkehrt, gleich wie das Vöglein zum Neste.
Fern schwingt der Vogel
Vom theuren Nest sich,
Doch treulich immer
Kehret er wieder,
Der trauten Seinen
Zu Lust und Trost.
Selbst ja die Löwin,
Bangt je das Herz ihr,
Läßt von dem Blutdurst,
Wenn zu der Brut hin
Sie Sehnsucht treibt.
Akt III.
I. Scene
Vorstädte von Sardes mit Kriegszelten in der Ferne.
Haliate, Melo, Altomaro mit Gefolge.
ALTOMARO.
Es folget mir die Fürstin, so hilf mir, o List nun!
HALIATE.
Hinweg stößt der Unsel’ge Frieden und Gnade?
ALTOMARO.
Nicht nur den Frieden stößt er von sich,
Nein, ihr Götter, mir stockt das Wort – grausames Schicksal!
HALIATE.
Wonach trachtet er noch?
ALTOMARO.
Dir nach dem Leben!
Er will den Zwist um die Krone
Mit dir entscheiden im einzelnen Gefechte!
MELO.
Entsetzen faßt mich!
HALIATE.
Ungeheuer! Vergießen will er das Blut,
Das ihm das Leben gab!
ALTOMARO.
Die Königin und Mutter
Trieb selbst den Sohn an, zum Kampfe dich zu fordern!
MELO.
O Schreckliche!
HALIATE.
Falsche Gattin!
ALTOMARO.
Selbst will sie kommen,
Mit eitlem Vorwand Gehör sich zu ertrotzen.
HALIATE.
Richter soll sie mich finden und nicht mehr Gatten!
II. Scene
Erenice zu den Vorigen.
ALTOMARO.
Sie erscheint –
ERENICE.
O König –
HALIATE.
Zurück! nicht näher!
ERENICE.
Schrecklicher! und welchen Rathschluß –
HALIATE.
Dir sei die Sorge, Melo, sie zu bewachen!
ERENICE.
Wie doch? Vernimm mich –
HALIATE.
Du sollst im Kampfe fallen mich oder jenen,
Sohn oder Gatten schauen!
Fall‘ ich selbst durch deinen Rathschluß,
Bleibt dein Sohn dann
Dir zur Reue, dir zum Grauen!
Und fällt Er, wirst den Besieger,
Wirst den Gatten
Nur mit Leid und Qual du schauen!
III. Scene
Erenice, Melo mit Wachen.
ERENICE.
Melo, Wo ist dein Eifer, wo ist dein Muth,
Dem Übermaß zu steuern der Gräuelthat?
MELO.
Und mit dem Blute also
Willst du vertilgen des Vaters und des Bruders
Verruchte Wuth? Und doch war es dein Rathschluß,
Der Gattin dieses, der Mutter jenes Gegners.
Daß sich im Einzelkampfe der Sohn und der Vater –
ERENICE.
Mein Rathschluß war dies? Schmach es zu denken!
Da sich Argon des Friedens nur versah,
Bringt die Forderung ihm Altomaro!
MELO.
Ah! schändlicher Verräther! Nichts mehr, o Mutter.
Sei ruhig! Zu meinen Zelten
Soll dies treue Gefolge dich hingeleiten;
Vertrau‘ auf mich, vertraue fest dem Himmel!
ERENICE.
Herz der Mutter, o was entzieht dir,
Herz der Gattin, was entreißt dir
Deinen Frieden, deine Hoffnung?
Zwei Verbrecher, der Sohn und Gatte,
Eine Liebe, die zu stark ist,
Eine Liebe, die zu zaghaft.
Geht ab.
IV. Scene
Melo allein.
MELO.
Zu vereiteln die Arglist
Muß ich bedacht sein des Frevlers Altomaro.
Wenn Haliates gestattet,
Daß statt seiner meinen Bruder ich bekämpfe,
Werf‘ ich hin den grausen Mordstahl,
Und will den Bruder,
Ihn umschlingend mit den liebsten und stärksten Banden,
Statt ihm Wunden zu schlagen, mit Küssen bekämpfen!
Mit laut’rer Liebe, mit süßer Bitte
Will ich versöhnen sein Herz voll Wuth.
Mir stählt der Himmel das Herz im Busen
Mit Kraft und Stärke, mit Siegesmuth.
V. Scene
Argone und ein Offizier mit zwei Schwertern.
ARGONE.
Durch die geheime Pforte
Dieses Parks laß uns gehen hinaus zum Lager.
Stark macht das Herz mir, der Ford’rung mich zu stellen,
Die Begierde nach Rache und nach der Herrschaft.
VI. Scene
Elmira, Sosarme, Argone.
ELMIRA.
Die Kindesliebe –
ARGONE.
Vertilgt hat sie mein Vater!
SOSARME.
Und die Ehrfurcht –
ARGONE.
Zerstört hat seine Wuth und sein Grimm sie.
Gott mit euch!
SOSARME.
Bleibe!
ELMIRA.
Verweile!
Argone geht ab.
VII. Scene
Sosarme und Elmira.
ELMIRA.
Höre mich, Verweg’ner!
SOSARME.
Unsel’ger!
ELMIRA.
Was zu thun nun, Geliebter?
SOSARME.
Elmira, zum Lager durch jene selbe Pforte
Eil‘ ich nach, seine Blutgier und Wuth zu dämpfen!
ELMIRA.
So geh‘, Theurer, und schleunig
Folg‘ ich dir nach, um dir zur Seite zu stehen.
SOSARME.
Abwehr beut gleich starkem Damme
Dieser Arm dem sinnlosen Wüthen,
Ihres Grimms entbrannte Flamme
Lösch‘ ich aus mit meinem Blut.
Du, mein Herz, gieb dich zufrieden,
Sei voll Muth und blicke freundlich,
Oft erscheint ein Gott uns feindlich,
Der uns schirmend hält in Hut.
Geht ab.
VIII. Scene
Elmira allein.
ELMIRA.
Ergießt euch nur in Strömen,
Ihr bittren Thränen, in so schwerem Verderben!
Doch nein! im starken Herzen will den Muth ich erwecken;
Ich werfe kühn entgegen meine Brust ihrer Wuth!
Die Liebe soll siegen!
Wie schön,
Könnt‘ es gescheh’n,
Daß mein Herz von Muth getragen,
Sich erhöb‘ aus Furcht und Zagen.
Beglückt,
Wenn’s so sich schickt:
Auf den Kummer folgen Freuden,
Nicht giebt’s Wonne ohne Leiden.
Die Brust
Voll Weh und Lust,
Mischt zum Heil uns die Geschicke,
Giebt die Würze allem Glücke.
IX. Scene
Lager.
Altomaro, Haliate.
HALIATE.
Altomaro, laß überall hin die Schranken räumen,
Und daß von meinen Kriegern es keiner wage,
Sich der Wuth dieses Sohnes
Widersetzen zu wollen, noch meinem Grimme.
ALTOMARO.
Was du befiehlst, geschieht. Wenn du dein Leben
Gegen das deines Sohnes in Kühnheit gewagt,
Wird der Ruf des Gerechten, wird der Name des Tapfren
Als den Kämpfer des Ruhmes
Mit Preis dich erhöhn!
In der Hand hält Zeus seinen Blitzesstrahl,
Und die Frevler trifft sein Schlag.
Auch dir liegt das Königsscepter
In der Faust: Es sei dein Donner,
Der den Sohn, den Frevler, stürzt in Schmach.
Geht ab.
X. Scene
Haliate und Melo.
MELO.
O Vater, sieh dir zu Füßen
Den Sohn, der zu dir flehet –
HALIATE.
Ich gab Bescheid dir; auf denn, es kann nicht sein,
Daß du mich hemmen wolltest in gerechter Vergeltung;
Gehe; mir sei die Sorge einzig der Rache.
XI. Scene
Altomaro mit zwei Schwertern, Erenice, Argone, die Vorigen.
ALTOMARO.
O Herr, es nahet Argon.
ARGONE.
Haliates, du siehst nun, daß ich –
HALIATE.
Schmählicher, schlage nieder in Scham die Augen;
Wenn nicht du nennen willst den Vaternamen.
Sollst du denn schau’n –
ALTOMARO.
Lasse du den schwachen Weibern
Das Gefecht mit der Zunge, König und Herrscher.
Greife rasch nun zum Stahl! nimm hin, Argone –
MELO.
O Vater!
ERENICE.
Ach theurer Argone!
HALIATE.
O Melo!
ARGONE.
O Mutter!
ALLE VIER.
Ihr Götter!
ALTOMARO.
(Ha entdeckt ist die Arglist! ich bin verloren!)
Geht ab.
ERENICE.
Siehe, dein eigenes Blut ist’s, nach dem du dürstest.
MELO.
Dies Blut gab dir das Leben, du willst’s vergießen?
HALIATE.
Unsel’ge Hände!
ARGONE.
Wie mir graut vor dem Schwert nun!
HALIATE.
Doch warum gabst dem Sohn du so schreckenvollen Rathschlag?
ERENICE.
Wie das?
HALIATE.
Als ich Vergebung
Und Friede bot dem Sohn, reiztest du noch ihn?
MELO.
Vater, o Bruder, ihr waret beide verrathen!
ERENICE.
Altomaro brachte Argon
Die Forderung zum Kampfe, und nicht Vergebung.
HALIATE.
Brachte die Ford’rung? Wie?
Letzte Scene
Elmira und Sosarme zu den Vorigen.
ELMIRA.
Ich war zugegen.
SOSARME.
Ich auch bin dessen Zeuge;
Doch zu stärk’rem Beweise: jetzt eben traf ich
Auf dem Weg Altomaro, wie bei dem Fluß er,
Finster von Aussehn, außer sich rief:
Ihr siegtet, feindliche Sterne, so spüle rein vom Truge
Hier diese Welle oder mein Blut mich.
Mit nacktem Schwerte durchbohrt er die Brust sich,
Und voll selbsträchender Begierde
Stürzet er sterbend sich in den Fluß und verschwand dort.
ARGONE.
O Herr, Vater, noch kaum wag‘ ich zu reden –
Sieh vor dir knien den Schuld’gen,
Triff mich mit harter Strafe; der Muth verließ mich,
Noch länger dem Erzeuger als Feind zu leben.
HALIATE.
Argon, ganz schwand der Zorn mir vor deinen Thränen.
Heil uns! stehe auf und empfange
Mit diesem meinem Handschlag Fried‘ und Vergebung,
Mit diesem Kusse Anspruch und Recht auf die Krone.
ELMIRA.
Es bricht mir das Herz.
SOSARME.
Thränen entlockt mir die Freude.
ERENICE.
O Hecate, o Melo, o theurer Sohn, und Gatte.
ELMIRA.
Du Theurer, bist allein
Mein Glück und mein Entzücken,
Du weißt den Grund?
Ja, Theurer, ja,
Weil dich mein Leiden lehrte
Der Treue Bund.
So ewig junge, ewig neue
Liebe und Treue
Ward niemals kund.
SOSARME.
Laß an mein Herz dich drücken!
Dir ganz ergeben
Will ich mein Leben
Mit Herz und Mund.
Ja, Theure, ja,
Weil ich als Gott dich ehrte
Zu aller Stund‘!
Dir folgen ohne Wanken
Empfindung und Gedanken,
Du weißt den Grund?
So ewig junge, ewig neu‘
Liebe und Treue
Ward niemals kund.
Mir schwindelt vor Entzücken!
Dir ganz ergeben
Will ich mein Leben
Mit Herz und Mund.
SOSARME.
Fliehe von diesem Grund für immer die Zwietracht,
Und wohne Frieden und Lieb‘ in Herzen und Seelen.
ALLE.
Nun wir Groll und Haß verscheuchten,
Soll die Liebe strahlend uns leuchten.
Daß selbst unheilvolle Sterne
Aus der Nacht tiefdunkler Ferne
Freud‘ uns nun und Frieden leuchten.