Wolfgang Amadeus Mozart

So machen sie’s alle oder Die Schule der Liebenden

Komische Oper in zwei Aufzügen

Personen

Fiordiligi (Sopran),
Dorabella (Sopran), Schwestern

Guglielmo (Tenor),
Ferrando (Bariton), ihre Freier

Marchese Don Alfonso (Baß)

Despina, Kammermädchen der Schwestern (Sopran)

Soldaten. Hausdienerschaft. Volk

Ort: Neapel.

Zeit: 1790.

Ouverture

Erster Aufzug

Veranda eines Kaffeehauses

Erster Auftritt

Ferrando. Guglielmo. Don Alfonso.

Nr. 1. Terzett

FERRANDO.
Nein, nein, Dorabella
Vermöchte das nie,
Wie reizend und schön,
So beständig ist sie.
GUGLIELMO.
So ist Fiordiligi
Auch lauter wie Gold,
Sie bleibt ohne Wandel
Getreu mir und hold.
ALFONSO.
Ich hab‘ graue Haare
Und spreche als Fachmann.
Doch sei nun dem Streiten
Ein Ende gemacht.
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Ihr wagtet, zu sagen:
Sie könnten uns täuschen,
Das müßt Ihr beweisen,
Sonst nehmt Euch in Acht!
ALFONSO.
O laßt die Beweise!
FERRANDO UND GUGLIELMO legen die Hand an den Degen.
Doch, doch, wir verlangen’s,
Sonst zieht Euren Degen,
Die Freundschaft ist aus.
ALFONSO.
Welch töricht Begehren
Die Wahrheit zu hören
Ist immer bedenklich,
Erfreulich wohl nie.
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Der rührt mir ans Leben,
Der wagte nur leise
Ein Wörtchen zu sprechen
Beleid’gend für sie.

Rezitativ

GUGLIELMO.
Zieht den Degen!
Wählt unter uns Euern Gegner.
ALFONSO gelassen. Ich bin ein Mann des Friedens und meine Händel gleich‘ ich bei Tische aus.
FERRANDO. Nein, schlagt Euch oder sagt uns, warum Ihr unsren Schönen nicht vertraut, ihre Treue bezweifelt?
ALFONSO. Sancta simplicitas! Wie seid Ihr köstlich!
FERRANDO. Laßt endlich diesen Scherz – ich schwör‘ beim Himmel –
ALFONSO. Und ich schwöre bei der Erde: Ich scherze nicht, meine Freunde. Nur möcht‘ ich gerne wissen, zu welch‘ einer Art von Tierchen Eure Schönen gehören, ob sie, so wie andre, von Fleisch und Bein und Blut sind, ob sie auch essen, ob sie gar trinken, kurz, ob es Engel, ob Weiber sind.
FERRANDO UND GUGLIELMO. Ja, Weiber, doch so treue, so treue!
ALFONSO. Wie, sie sind nichts als Weiber? Und dennoch getreu? Die abgedrosch’ne Fabel glaubt Ihr auf’s neu‘?

Nr. 2. Terzett

ALFONSO.
Die gerühmte Weibertreue
Gleicht dem Phönix aus Arabien,
Jeder weiß davon zu schwatzen;
Doch wo er ist? Das weiß man nicht.
FERRANDO.
Meine Braut ist solch ein Phönix!
GUGLIELMO.
Meine Braut ist solch ein Phönix!
FERRANDO.
Dorabella!
GUGLIELMO.
Fiordiligi!
ALFONSO.
Also zwei sogar auf einmal?
Welche kühne Phantasie!
Die gerühmte Weibertreue usw.

Rezitativ

FERRANDO. Das sind Dummheiten von Philosophen!
GUGLIELMO. Und Albernheiten des Alters.
ALFONSO. Sehr verbunden! Nun hört, doch ohne in Wut zu geraten. Welche Beweise habt Ihr von der Beständigkeit der hochbelobten Schönen? Was gibt Euch diese Sicherheit, daß sie auch niemals wanken werden?
FERRANDO. Lange Vertrautheit!
GUGLIELMO. Edle Erziehung!
FERRANDO. Erhabene Gesinnung!
GUGLIELMO. Weibliche Sittsamkeit!
FERRANDO. Unbestechlichkeit!
GUGLIELMO. Charakterfestigkeit!
FERRANDO. Versprechen!
GUGLIELMO. Gelübde!
FERRANDO. Heilige Eide –
ALFONSO. – und Tränen und Küsse, auch Seufzer, Ohnmachten – o geht, Ihr macht mich lachen.
FERRANDO. Zum Teufel! Hört endlich auf zu lachen!
ALFONSO. Nur ruhig! Und wenn ich’s Euch mit Händen greifen lasse, daß sie wie alle andren sind?
GUGLIELMO. Das kann nicht sein!
FERRANDO. Niemals!
ALFONSO. So wetten wir!
FERRANDO. Wir wetten.
ALFONSO. Hundert Zechinen?
GUGLIELMO. Und tausend, wenn Ihr wollt!
ALFONSO. Auf Wort?
FERRANDO UND GUGLIELMO. Auf Ehrenwort!
ALFONSO. Doch schwört mir, durch kein Wort, kein Zeichen an Eure Vielgetreuen unseren Plan zu verraten.
FERRANDO. Wir schwören’s!
ALFONSO. Als Soldaten von Ehre?
GUGLIELMO. Als Soldaten von Ehre!
ALFONSO. Auch alles zu tun, was ich von Euch verlange?
FERRANDO. Alles!
GUGLIELMO. Ja, alles!
ALFONSO. Bravissimo!
FERRANDO UND GUGLIELMO. Bravissimo! Signor Don Alfonsetto!
FERRANDO. Auf Eure Kosten werden wir zuletzt tüchtig lachen!
GUGLIELMO zu Ferrando. Und wie verwenden wir die hundert Zechinen?

Nr. 3. Terzett

FERRANDO.
Eine schöne Serenade
Will ich meiner Liebsten bringen.
GUGLIELMO.
Ich, zu Ehren meiner Schönen
Geb‘ ein glänzend‘ Freudenmahl.
ALFONSO.
Werd‘ ich auch mit eingeladen?
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Ja, Signor, Ihr seid dabei.
ALLE DREI.
Und mit vollem Gläserklange
Feiern wir den Liebesgott!

Sie gehen ab.

Verwandlung.

Garten am Meeresstrand.

Zweiter Auftritt

Fiordiligi. Dorabella.

Jede ein Medaillon mit Bild betrachtend.

Nr. 4. Duett

FIORDILIGI.
O sieh doch nur, Schwester,
Ob feinere Lippen,
Ob edlere Züge
Wohl jemals man fand.
DORABELLA.
Betrachte dies Bildnis!
Die feurigen Augen,
Sie stecken wie Blitze
Die Herzen in Brand.
FIORDILIGI.
Es blickt aus dem Antlitz
Der Krieger und der Liebende.
DORABELLA.
Wie sind diese Züge
So lieblich und doch voll Feuer!
BEIDE.
Wie bin ich so selig! –
Wenn jemals dies Herz
Von dem Teuren sich wendet,
Dann strafe mich Amor
Mit endloser Pein!

Rezitativ

FIORDILIGI. An diesem schönen Morgen fühl‘ ich neu mich belebt zu allen Scherzen. Durch die Adern quillt heißer und schneller mir das Blut, und kommt mein Guglielmo, hielt ich gerne ein wenig ihn zum Besten.
DORABELLA. Ich muß gestehn, auch in mir regt sich mächtig ein ungewohntes Feuer; ich möchte schwören, daß wir bald vor Hymens Altare stehen.
FIORDILIGI. Laß deine Hand sehen, ich will dir prophezeien. Sieh dieses M hier, und dieses ist ein W. Was heißt das? Bald Mann und Weib sein.
DORABELLA. Ich hätte nichts dagegen.
FIORDILIGI. Auch ich würd‘ mich d’rein finden.
DORABELLA. Doch was ist nur geschehn, daß uns’re Ritter noch immer nicht erscheinen? Es ist schon spät.
FIORDILIGI. Da sind sie!
DORABELLA. Nein, sie sind’s nicht; es ist Alfonso, ihr alter Freund!

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Alfonso.

FIORDILIGI. Willkommen, Signor Alfonso!
ALFONSO. Ganz Ergebener!
DORABELLA. Was gibt’s? Warum allein denn?
FIORDILIGI. Und so bestürzt? So sprecht doch, aus Erbarmen!
DORABELLA. Was ist geschehen? Mein Bräutigam –
FIORDILIGI. Mein Geliebter –
ALFONSO. Grausames Schicksal!

Nr. 5. Arie

ALFONSO.
Sagen will, doch kann ich’s nicht,
Meiner Lippe die Kraft gebricht,
Luft gewinnen kann ich kaum,
Und mir klebt die Zung‘ am Gaum‘.
Was tut Ihr nun? Und was ich?
O die Wahl ist fürchterlich!
Schlimm’res gibt es gar nicht mehr,
Ich bedaur‘ Euch gar zu sehr.

Rezitativ

FIORDILIGI. Himmel! Aus Erbarmen, Don Alfonso, wir vergehen vor Qual!
ALFONSO. Jetzt gilt’s, Ihr Teuren, es standhaft zu tragen.
DORABELLA. O weh mir! Was ist denn nur Schreckliches geschehen? Wen hat’s getroffen? Ist mein Geliebter tot?
FIORDILIGI. Ach, und Guglielmo?
ALFONSO. Tot sind sie nicht, doch wenig besser als tot.
DORABELLA. Verwundet?
ALFONSO. Nein!
FIORDILIGI. Oder krank?
ALFONSO. Auch nicht!
FIORDILIGI. Nun, was denn endlich?
ALFONSO. Zum Feld der Ehre ruft sie des Königs Befehl.
FIORDILIGI UND DORABELLA. Weh mir, was hör ich?
FIORDILIGI. Und ziehn sie fort?
ALFONSO. Noch heute!
DORABELLA. Gibt es kein Mittel, sie zu halten?
ALFONSO. Gibt’s nicht.
FIORDILIGI. Und keinen Abschied?
ALFONSO. Ach, die Armen, sie haben kaum den Mut, Euch zu sehen, doch wenn Ihr selbst es wollt, so sei es.
DORABELLA. Wo sind sie?
ALFONSO. Ihr Freunde, kommt näher!

Vierter Auftritt

Die Vorigen. Guglielmo. Ferrando.

Nr. 6. Quintett

GUGLIELMO.
Schwankend nah‘ ich, die Schritte zagen,
Kaum, daß mich die Füße tragen.
FERRANDO.
Meine Lippen, sie versagen,
Ach, das Wort will nicht hervor!
ALFONSO.
Droht das Schicksal noch so grauenvoll,
Muß der Held den Mut bewahren.
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Nun, da alles wir erfahren,
Bitten wir um eine Gunst noch:
Habt den Mut denn, ergreift dies Eisen
Und durchbohret uns das Herz.
FERRANDO UND GUGLIELMO.
O, Geliebte, beklag das Schicksal,
Das mich grausam trennt von dir.
DORABELLA.
Nein, ach nein! Du darfst nicht gehen!
FIORDILIGI.
Scheiden kann ich dich nicht sehen!
DORABELLA.
Nimmer könnt‘ ich’s überleben!
FIORDILIGI.
Eh’r will ich den Tod mir geben!
FERRANDO leise zu Alfonso.
Nun, was sagt Ihr?
GUGLIELMO ebenso.
Nun, Ihr hört doch?
ALFONSO leise.
Sachte, liebe Freunde! Finem lauda!
ALLE FÜNF.
So zerstört des Schicksals Walten
Alle Freuden, alles Hoffen!
Ach, wem bleibt, so hart betroffen,
Wem bleibt da das Leben wert?

Rezitativ

ALFONSO. Die Komödie ist lustig; sie spielen beide vortrefflich ihre Rollen!

Trommelwirbel hinter der Szene.

FERRANDO. O Himmel, der Trommel trauriger Klang, der von dir, o Geliebte, mich hinwegreißt.
ALFONSO. Dort nahet schon die Barke.
FIORDILIGI. O weh mir!
DORABELLA. Ich sterbe!

Fünfter Auftritt

Die Vorigen, Offiziere, Soldaten, Männer und Frauen.

Man hört von fern einen Marsch; am Ufer legt eine Barke an.

Nr. 8. Chor

O, wie schön, Soldat zu sein!
Ein Soldat hat nie zu sorgen,
Darbt er heute, schwelgt er morgen,
Bald zu Land, bald auf der See!
Wenn Trompet‘ und Pfeife schallen,
Wenn die Donnerbüchsen knallen,
Kämpft er froh für Ehr‘ und Vaterland,
An den Sieg denkt er allein.
O, wie schön, Soldat zu sein!

Rezitativ

ALFONSO. Sie dürfen nicht mehr säumen, sie müssen eilen, wohin das Schicksal, ja, wo die Pflicht sie hinführt.
FIORDILIGI. Mein Herz!
DORABELLA. Mein süßes Leben!
FERRANDO. Mein Glück!
GUGLIELMO. Mein Alles.
FIORDILIGI. Ach, einen Augenblick nur –
ALFONSO. In See ging schon die Barke ihres Regimentes. Eilen Sie zu den Freunden, die dort warten, um in leichterem Boote auf das Schiff sie zu bringen.
FERRANDO UND GUGLIELMO. Noch einen Kuß, Geliebte!
FIORDILIGI UND DORABELLA. Ach, ich vergehe!

Nr. 9. Quintett

FIORDILIGI.
Du schreibst mir alle Tage,
Willst du, versprichst du mir das?
Sei getreu mir allein!
DORABELLA.
Ach, zweimal schreibe mir,
Schreibe mir, versprich mir’s!
Wahre die Treue mir!
FERRANDO.
Ja, sicher, du Teure!
GUGLIELMO.
O zweifle nicht, du Geliebte!
ALFONSO.
Ich sterbe noch vor Lachen!
DIE ÜBRIGEN.
Addio, addio!
Ach, es zerreißt mein liebend Herz
Der Trennung Schmerz!
CHOR Rep.
O wie schön, Soldat zu sein etc.

Ferrando und Guglielmo besteigen das Boot, das sich langsam entfernt.

Sechster Auftritt

Fiordiligi. Dorabella. Alfonso.

Rezitativ

DORABELLA. Sind sie fort?
ALFONSO. Weit hinweg schon.
FIORDILIGI. O, wie vermag ich diese Trennung zu tragen?
ALFONSO. Sei’n Sie standhaft und bauen Sie auf den Himmel! O seh’n Sie, wie von ferne die Geliebten grüßen und winken.
FIORDILIGI. Sei glücklich, mein Leben!
DORABELLA. Sei glücklich!
FIORDILIGI. O Gott, nur allzueilig zieht die Barke von dannen! Sie verschwindet; schon sehe ich sie nicht mehr. Gebe der Himmel ihnen glückliche Fahrt!
DORABELLA. Und mög‘ er sie im Kampfe vor allem Unheil wahren.
ALFONSO. Ihnen schütz‘ er die Liebsten und mir die Freunde!

Nr. 10. Terzett

FIORDILIGI, DORABELLA, ALFONSO.
Weht leise, ihr Winde,
Sanft schaukle die Welle,
Seid freundlich und linde
Ihr wogenden Fluten,
Seid hold ihrer Fahrt!

Fiordiligi und Dorabella ab.

Siebter Auftritt

Alfonso allein.

Rezitativ

ALFONSO. Ich bin kein schlechter Komiker! Schon gut so! Zum Rendezvous erwarten mich die Freunde, die für Mars und Venus wie die Helden sich schlagen. Jetzt ohne Zaudern eile ich zu ihnen. Welch Gebaren, welch übertriebener Jammer! Desto besser für mich, sie fallen desto eher: Wer wie sie sich gebärdet, pflegt am schnellsten seinen Sinn zu verändern.

Ihr armen Toren!
Schon habt Ihr die Zechinen halb verloren!
Der pflügt im Meere,
Der streut in Sand den Samen aus
Und sucht im Netze
Sturmeshauch zu fangen auf,
Der arglos seine Hoffnung
Auf Weibertreue setzt.

Verwandlung

Vornehmes Zimmer im Hause der Schwestern

Achter Auftritt

Despina, welche die Schokolade bringt.

Rezitativ

DESPINA. Welch schauderhaftes Leben führt man als Kammermädchen. Von Morgen bis Abend läuft man, man plagt sich, man bemüht sich, und dann ist alles, was man tut, doch nur für and’re. Eine Stunde schon wart‘ ich mit dem fertigen Frühstück. Und genieße von ihrer Schokolade nur die Düfte. Schmeckt sie mir nicht so gut, wie meiner Herrschaft? Ja gewiß, schöne Damen, für sie ist das Trinken, für mich das Zusehen. Ei was, ich will sie kosten. Wie vortrefflich! Wischt sich den Mund. Wer kommt? O weh, sie sind es selber.

Neunter Auftritt

Despina, Fiordiligi, Dorabella, die aufgelöst hereinstürzen.

DESPINA. Befehlen Sie, gnädiges Fräulein, jetzt Ihr Frühstück? Dorabella wirft alles auf die Erde. Großer Gott; welch Gebaren!
FIORDILIGI. Ach!
DORABELLA. Ach! Sie reißen sich ihren Schmuck ab.
DESPINA. Was ist geschehen?
FIORDILIGI. Wo ist ein Degen?
DORABELLA. Ist kein Gift hier zur Hand?
DESPINA. Mein Fräulein, bitte …
DORABELLA. Entferne Dich, hüte Dich vor dem Ausbruch rasender Verzweiflung. Schließe schnell den Vorhang. Ich hasse den Tag, hasse die Luft, die ich atme, hasse mich selber. Wer verhöhnt meinen Schmerz? Wer kann mich trösten? Ha! fliehe weit hinweg! Laß mich allein sein!

Nr. 11. Arie

Furchtbare Qualen ihr,
Die mich erfassen,
Nicht sollt dies arme Herz
Ihr je verlassen,
Bis mir die Leiden
Den Tod gebracht.
Wird meine Liebesqual
Dies Auge brechen,
Dann, Eumeniden,
Sollt ihr mich rächen.
Hört meinen Klageruf,
Mein banges Flehn.

Beide Damen werfen sich verzweifelt in ihre Sessel.

Rezitativ

DESPINA. Signora Dorabella, Signora Fiordiligi, sagen Sie, was ist geschehen?
DORABELLA. Ach, ein furchtbares Unglück!
DESPINA. Erzählen Sie geschwinde.
FIORDILIGI. Ach, hinweg von Neapel sind uns’re Heißgeliebten.
DESPINA lacht. Das ist alles? – Sie kommen wieder.
DORABELLA. Wer weiß?
DESPINA. Wieso, wer weiß? Wohin sind sie denn?
DORABELLA. Hinaus zu blutigen Schlachten.
DESPINA. Desto besser für beide, denn mit Lorbeer bekränzt sehn wir sie wieder.
FIORDILIGI. Doch träfe sie der Tod –
DESPINA. Dann würd ich sagen: desto besser für Sie.
FIORDILIGI. Törin, was sagst du?
DESPINA. Die simple Wahrheit nur. Zweie verlieren Sie, so bleiben doch alle anderen.
FIORDILIGI. Ach, verlier‘ ich Guglielmo, scheint alles mir umnachtet.
DORABELLA. Ach, verlier‘ ich Ferrando, scheint mir die Erde nur noch ein Grabgewölbe.
DESPINA. Bravo! So scheint’s, doch ist’s nicht so. Noch niemals hat ein Mädchen Liebesgram getötet. Für einen Mann sich zu opfern, welche Torheit. ’s gibt ja andere genug.
DORABELLA. Wie könnte die glücklich noch sein, die einen Ferrando –
FIORDILIGI. Einen Guglielmo je geliebt?
DESPINA. Sie finden auch bei andern, was Sie bei diesen fanden. Jetzt schwärmt man für den Einen, ihm folget bald der Zweite. Ein Mann taugt wie der andre, denn alle taugen nichts. Doch hat’s noch keine Not, denn beide leben und kehren bald zurück. Jetzt sind sie ferne, drum besser, als mit Tränen die Zeit zu verbringen, denkt daran, Euch zu amüsieren.
FIORDILIGI. Amüsieren?
DESPINA. Versteht sich. Ist es nicht besser, sich gegen Liebesgram zu wehren? Die beiden Herren im Felde werden’s nicht besser machen.
DORABELLA. Wie vermagst du so frech sie zu lä stern, deren Treue für alle Welt ein Beispiel.
DESPINA. Ach, solche alten Märchen macht man selbst kleinen Kindern heutzutage nicht mehr weis.

Nr. 12. Arie

Bei Männern, bei Soldaten
Suchet Ihr ein treues Herz?

Lachend.

Ach, das lasset doch ja niemand hören!
Alle aus gleichem Stoff sind diese Männer;
Flatterndes Espenlaub, wechselnde Winde,
Die sind beständiger, treuer als sie.
Lügende Tränen, gleißende Blicke,
Schmeichelnde Worte, heuchelnde Tücke,
All‘ diese Künste verstehen sie gut.
Sie lieben nichts in uns als ihr Vergnügen,
Und sie verachten uns, weil wir erliegen!
O, den Barbaren ist Mitleiden fern.
Laßt uns mit gleicher Münze bezahlen,
Diesen Abscheulichen all‘ diese Qualen,
Laßt uns auch sie nur lieben zum Spaß!
Ja, nur aus Eitelkeit, ja nur zum Spaß!
Larala, larala, larala, la!

Fiordiligi und Dorabella entfernen sich während der Arie empört. Despina folgt ihnen.

Zehnter Auftritt

Alfonso. Dann Despina.

Rezitativ

ALFONSO. Welch ein Schweigen, welch tiefe Traurigkeit atmen diese Räume! Die armen Mädchen, sie haben nicht ganz Unrecht, drum müssen wir sie trösten. Während die beiden leichtgläubigen Freunde, wie ich ihnen geraten, sich verkleiden, will ich noch überlegen. – Eines fürcht‘ ich: Despina. Diese Schelmin könnte sie erkennen, sie könnte meine Pläne durchkreuzen. Laß sehen. Im Notfall gibt’s ein Mittel, mir die Wege zu ebnen. Ein paar Zechinen haben bei einer Zofe große Wirkung. Doch um sicher zu gehn, wär’s geraten, sie in das Geheimnis einzuweihn. – Der Gedanke ist herrlich! … Dieses hier ist ihr Zimmer. – Klopft an. Despina!
DESPINA erscheint. Wer ruft mich?
ALFONSO. O!
DESPINA. I!
ALFONSO. Mein Despinchen! Ich hab‘ dir was zu sagen.
DESPINA. Ich will nichts von Euch wissen.
ALFONSO. Ich verlange nichts Böses.
DESPINA. Vor einem alten Herrn wie Sie, müssen Mädchen ganz besonders auf der Hut sein.
ALFONSO zeigt ihr ein Goldstück. Sprich nur leise und sieh hier …
DESPINA. Das soll mein sein?
ALFONSO. Ja, wenn du mir gehorchst.
DESPINA. Und was verlangen Sie? Für Geld tu‘ ich gar manches.
ALFONSO. Du sollst es haben, wenn du Treue mir gelobst.
DESPINA. Und nichts weiter? So sei’s!
ALFONSO. Nimm denn und gib Achtung! Du weißt, daß deine beiden Damen ihre Liebsten verloren?
DESPINA. Ich weiß.
ALFONSO. All‘ ihren Jammer, all‘ ihre großen Schmerzen hast du vernommen?
DESPINA. Weiß alles.
ALFONSO. Nun gut! Wenn du, um sie ein wenig zu trösten und um sozusagen ein Übel mit dem andern zu vertreiben, ein Mittel fändest, für zwei charmante junge Leute ihre Gunst zu gewinnen? Jene möchten gar gern … Du verstehst mich schon und verdienst ohne Mühe zwanzig Scudi, wenn du sie protegierst.
DESPINA. Ei, das gefällt mir, da gibt es was zum Lachen. Doch mit diesen Närrinnen … wollen sehn Doch sagen Sie: sind sie jung und manierlich?
ALFONSO. Was verständige Mädchen erfreuen kann, das besitzen sie reichlich. Willst du sie sehen?
DESPINA. Wo sind sie denn?
ALFONSO. Ganz nah, ich lasse sie herein.
DESPINA. Ich sag‘ nicht nein!

Elfter Auftritt

Die Vorigen, Ferrando, Guglielmo verkleidet; später: Fiordiligi und Dorabella.

Nr. 13. Sextett

ALFONSO.
Hier, der schönen Despinetta
Will ich bestens Euch empfehlen,
Wenn sie will, könnt Ihr drauf zählen,
Daß sie Euch gut Wetter macht.
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Schönes Kind, sei uns gewogen!
Laß es bald dahin gelangen,
Daß die Damen uns empfangen,
Daß ihr Aug‘ uns freundlich lacht!
DESPINA.
Welch ein Aussehn, was für Kleider!
Brr! – Die Bärte – ’s ist zum Lachen!
Sind’s Husaren, sind’s Polacken,
Sollten’s Dalmatiner sein?
Husaren, Polacken, Türken, Kosaken?
ALFONSO leise zu Despina.
Sag‘, wie dir die Herrn behagen?
DESPINA leise zu Alfonso.
Um die Wahrheit Euch zu sagen:
Diese Fratzen: ganz abscheulich!
Zum Verlieben wahrlich nicht!
FERRANDO.
Welch ein Bart um Mund und Backen,
Sind’s Husaren, sind’s Polacken,
Oder ob es Türken sind,
Das erkennt kein Menschenkind.
Die Verkleidung scheint zu glücken,
GUGLIELMO.
Sie läßt keinen Argwohn blicken,
ALFONSO.
Nein, wir werden nicht erkannt!
Nein, Ihr werdet nicht erkannt!
FIORDILIGI UND DORABELLA hinter der Szene.
He, Despina!
DESPINA.
Ha, die Fräulein!
ALFONSO zu Despina.
Sie mögen kommen!
Nur fein listig, ich will hier lauschen.

Er zieht sich zurück.

FIORDILIGI UND DORABELLA treten auf.
Welche Keckheit ohnegleichen,
Wenn wir rufen, hier zu plaudern,
Augenblicklich, ohne Zaudern
Schaffe jene Fremden fort.
DESPINA knieend.
Gnäd’ge Fräulein, o verzeihet,
FERRANDO UND GUGLIELMO knieend.
Euern Liebreiz zu bewundern,
Sind sie hier und voll Verehrung.
Fleh’n sie um ein freundlich Wort.
Schöne Damen, o verzeihet,
Euern Liebreiz zu bewundern,
Sind wir hier und voll Verehrung
Flehn wir um ein freundlich Wort.
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Gott, was hör‘ ich, welch‘ Betragen?
Wer darf solchen Frevel wagen?
Wer kann so vermessen sein?
DESPINA, FERRANDO, GUGLIELMO.
O, besänftigt dieses Zürnen!
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Nein, nicht länger kann ich’s tragen,
Uns von Huldigung zu sagen,
Unerträglich ist die Schmach.
Ach, verzeih‘, verzeih‘ Geliebter,
Ich verschulde nichts dabei.
Dieses Zürnen, dieses Toben
Das ist Treue, ist nicht Schein!
FERRANDO, GUGLIELMO, DESPINA UND ALFONSO.
Dieses Zürnen, dieses Toben
Ist nicht Treue, ist nur Schein!

Rezitativ

ALFONSO tritt aus seinem Versteck hervor. Welch ein Lärmen! Was toben Sie? Und weshalb die Verwirrung? Sind Sie von Sinnen, meine geliebten Töchter? Sie bringen ja die ganze Nachbarschaft in Aufruhr! Was geschah denn? Was gibt es?
DORABELLA empört.
O Gott! Alfonso!
Männer in unserem Hause!
ALFONSO ohne sich umzusehen. Ist das so schlimm?
FIORDILIGI. Ob’s schlimm ist an diesem Tage nach dem traur’gen Falle?
ALFONSO. Himmel! Träum‘ ich oder wach‘ ich? Ihr meine Freunde, meine teuersten Freunde! Ihr hier? Sagt mir, woher? Wie denn? Und weswegen? Himmel, wie ich mich freue! Leise. Nun, so helft mir doch!
FERRANDO. Mein lieber Freund Alfonso!
GUGLIELMO. Mein teurer Gönner! Welch schöne Überraschung! Sie umarmen sich überschwänglich.
DORABELLA. So kannten Sie sie schon?
ALFONSO. Ob ich sie kenne? Es sind meine besten, meine teuersten Freunde, sie werden auch die Euren sein.
DORABELLA. Doch was wollen sie in unserm Hause?
GUGLIELMO. Zu Ihren Füßen erflehn zwei Verbrecher Ihre Verzeihung. Gott Amor …
FIORDILIGI. Himmel, was hör‘ ich?
FERRANDO. Ja, Amor, der Göttliche, der durch Euch uns beherrscht, hat uns geleitet.
GUGLIELMO. Schon der Strahl Eurer Augen durchzuckte uns mit brünstig-heißen Gluten.
FERRANDO. Gleich dem liebenden Falter –
GUGLIELMO. Der vom Lichte geblendet seinen Tod sucht –
FERRANDO. – suchte ich Eure Nähe.
GUGLIELMO. Flattert‘ ich hin und wider.
FERRANDO UND GUGLIELMO. Und flehe um Mitleid, ach um Erbarmen!
FIORDILIGI. Ha, welche Kühnheit!
DORABELLA. Ach, Schwester, sag‘, was tun wir?
FIORDILIGI. Ihr Verweg’ne! Entfernet schnell Euch aus unsrer Nähe! Despina eilt erschreckt ab. Entweiht nicht länger durch gift’gen Hauch der frevelhaften Zunge unser Herz, uns’re Ohren und alle Sitte. Es ist umsonst, was Ihr versucht, denn niemals findet Ihr hier Gehör. Denn heil’ge Treue haben wir schon geschworen! Wir sind Verlobte und wir wahren die Treue fest bis zum Tode; wir verachten das Leben, trotzen dem Schicksal.

Nr. 14. Arie

Wie der Felsen, der ohne Schwanken
Trotzt den Wellen, des Sturms Gefahren,
So wird stets mein Herz bewahren
Seine Treue, dem heiß es schlägt.
Nimmer wird die Liebe wanken,
Die uns reinste Freuden spendet.
Nur die Todesstunde endet,
Was des Weibes Herz bewegt.
Achtet, undankbare Männer,
Dieses Beispiel fester Treue
Und versucht uns nie auf’s neue,
Ehret unsern heil’gen Eid!

Die Damen wollen sich entfernen.

Rezitativ

FERRANDO. Ach, warum flieht Ihr?
GUGLIELMO.
Ihr Grausamen, verweilt!

Zu Alfonso.

Nun, was meint Ihr?
ALFONSO leise. Wart‘, ich helf‘ Euch! – Laut. Ich bitte, schönste Damen, welche traurige Rolle lassen Sie mich spielen?
DORABELLA empört. Was muten Sie uns zu?
ALFONSO. Ei, gar nichts, doch mir scheint, daß ein klein wenig Güte … Es sind doch Kavaliere und sind doch meine Freunde!
FIORDILIGI. Wie denn? Hören sollen wir länger –
GUGLIELMO. Nur uns’re Klagen und dann mitleidig sein. Diese himmlische Schönheit Eurer Augen hat uns Wunden geschlagen, die nur Heilung finden können durch den Balsam der Liebe. Ach, wenn nur einmal, angebetete Frauen, Euer Herz sich erschlösse, die treuen Freunde würden zu Euren Füßen in Liebesglut vergehen!

Nr. 15. Arie

O seid nicht so spröde,
O blickt nicht so schnöde
Und wendet die Augen
Ein wenig uns zu!
Und lasset ein Stündchen nur
Uns glücklich und froh sein!
Für uns ist es Seligkeit,
Euch Huld’gung zu weihn.
O wendet nur einmal
Auf uns Eure Augen!
O wollt uns betrachten!
Wir sind nicht zu verachten,
Wir sind liebe Narren,
Sind zierlich, manierlich,
Nicht übel gewachsen,
O seht nur die Füße,
Betrachtet die Augen,
Betrachtet die Nasen,
Sind sie zu verachten?
Und hier diese Bärte,
Gewiß bewundernswerte
Triumphe der Männlichkeit
Und Netze der Liebe!

Hier ziehen sich die Damen zurück.

Lachend.

O seht doch die Augen, die Nasen!

Zwölfter Auftritt

Ferrando. Guglielmo. Alfonso.

Nr. 16. Terzett

ALFONSO.
Wie? Ihr könnt lachen?
FERRANDO UND GUGLIELMO.
O ja, wir lachen!
ALFONSO.
Nun, und weswegen?
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Ihr seid verlegen!
ALFONSO.
So lacht doch leiser!
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Ich lach‘ mich heiser!
ALFONSO.
Wenn sie Euch hören,
Zurücke kehren,
So ist verraten
Der ganze Spaß!
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Wer da nicht lachen will,
Da schweig‘ ein and’rer still,
Schon fehlt der Atem mir,
Ich kann nicht mehr.
ALFONSO.
O lacht nur nicht so viel:
Denn ach! das ganze Spiel
Verkehrt in Trauer sich,
Das fürcht‘ ich sehr!

Rezitativ

ALFONSO. Darf man nun endlich wissen, was es hier zu lachen gibt?
GUGLIELMO. Ei, alle Wetter, ich dächte doch, wir hätten alle Ursach‘, mein verehrtester Gönner!
FERRANDO scherzend. Was wollt Ihr uns bezahlen als Abstand von der Wette?
GUGLIELMO scherzend. Bezahlet uns die Hälfte!
FERRANDO. Oder bezahlet wenigstens zwanzig Zechinen.
ALFONSO. O Ihr unschuldigen Kinder! Nur noch Geduld, ich will Euch schon die Augen öffnen.
GUGLIELMO. Und Ihr gebt wirklich die Wette noch nicht auf?
ALFONSO. Noch vor dem Abend sprechen wir uns.
FERRANDO. Wie’s Euch beliebt!
ALFONSO. Indessen Gehorsam und Schweigen nur noch bis morgen.
GUGLIELMO. Wir sind Soldaten und lieben Disziplin.
ALFONSO. Wohlan denn, so geht hinunter und erwartet mich beide auf der Straße! Dort sollt Ihr Weiteres von mir hören!
GUGLIELMO. So speisen wir heute nicht?
FERRANDO. Ei, was tut das? Ist die Schlacht erst geschlagen, wird die Mahlzeit uns besser noch behagen.

Nr. 17. Arie

FERRANDO.
Der Odem der Liebe
Erfrischet die Seele,
Ein Balsam so wonnig,
So schmeichelnd und weich.
Wer Liebe genießet,
Und treu sie erfindet,
Begehret nichts weiter,
Ist selig und reich!

Mit Guglielmo ab.

Dreizehnter Auftritt

Alfonso, später Despina.

Rezitativ

ALFONSO allein. Das wäre doch zum Lachen! Beständige Frauen sind gar selten auf dieser Erde und hier fänd‘ ich gleich zwei? Das ist nicht möglich. Klopft an Despinas Türe. Komm‘ heraus, Despinetta, und laß‘ mich hören: Wo sind sie und was machen Deine Damen?
DESPINA erscheint. Die armen Verlassenen, sie gingen in den Garten, um der frischen Luft und den Mücken ihren Schmerz zu klagen.
ALFONSO. Und was meinst du? Wie wird die Sache enden? Ich will doch hoffen, daß sie vernünftig werden.
DESPINA. Ich macht‘ es anders: wo sie Tränen vergießen, da würd‘ ich, lachen. – Zu verzweifeln, zu rasen, weil ein Liebhaber fortging! Sah man je solche Torheit! Für den einen Verlorenen nimmt man zwei.
ALFONSO. Bravo, das nenn‘ ich Klugheit! Für sich. Ich muß ihr ein bißchen schön tun.
DESPINA. Es ist ein Naturgesetz und nicht nur Klugheit! Was ist Liebe? Genuß, Zeitvertreib, Laune, Torheit, Phantasie, Unterhaltung, Lustbarkeit. ’s ist nicht mehr Liebe, wenn sie uns unbequem wird, wenn sie, statt zu ergötzen, uns Qual bereitet.
ALFONSO. Doch was wird nun mit den Närrinnen?
DESPINA. Was wird werden? Sie werden uns schon folgen. Gut wär’s, wüßten sie schon, daß die Fremden wirklich verliebt sind.
ALFONSO. Sie wissen’s.
DESPINA. Dann werden sie unterliegen. Ich bring‘ ihnen bei, was nottut; der Teufel macht das Übrige.
ALFONSO. Doch wie bringen wir sie wieder her, nachdem sie so entrüstet uns verlassen? Wie stellen wir es an, daß wir sie fangen, deine kleinen Pantherkätzchen?
DESPINA. Das lassen Sie nur meine Sorge sein; ich ziehe selbst die Fäden des Spieles. Wenn Despina eine Sache in die Hand nimmt, kann’s an Erfolg nicht fehlen. Hab‘ ich schon hundert Männer an der Nase herumgeführt, gelingt’s auch bei zwei kleinen Mädchen mir. Sind sie reich, die beiden Monsieurs vom Schnurrbart?
ALFONSO. Außerordentlich!
DESPINA. Wo sind sie?
ALFONSO. Auf der Straße, dort warten sie auf mich.
DESPINA. Gehn Sie! Führen Sie sogleich die Freunde zu mir durch die kleine. Türe. In meinem Zimmer will ich sie erwarten. Und wenn sie nur alles tun, was ich ihnen sage, dann werden die beiden noch heut Viktoria singen. Sie haben dann die Wonne und ich den Spaß davon.

Gehen ab.

Verwandlung

Der Garten des Hauses.

Vierzehnter Auftritt

Fiordiligi. Dorabella.

Nr. 18. Finale

FIORDILIGI UND DORABELLA.
Ach! wie bald ist mir entschwunden
Meines Lebens holder Frieden,
Wie so träg schleichen die Stunden,
Hingewelkt ist jede Lust.
Eh‘ der Teure mußte scheiden,
Wie so rasch entflohn die Tage:
Keinen Kummer, keine Klage,
Kannte da noch diese Brust.

Fünfzehnter Auftritt

Die Vorigen. Ferrando. Guglielmo. Alfonso. Später Despina.

FERRANDO UND GUGLIELMO hinter der Szene.
Ja, sterben will ich, sterben,
Mögen sie dran sich weiden!
ALFONSO ebenso.
Laßt nicht die Hoffnung schwinden,
Es wird sich alles finden!
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Ach, welch‘ ein furchtbar‘ Angstgeschrei!
FERRANDO UND GUGLIELMO.
O lasset mich!

Beide treten auf, jeder mit einem Fläschchen in der Hand.

ALFONSO folgt ihnen.
O, nur sachte!
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Nein, Gift und Tod befreiet mich
Von ihrer Grausamkeit!

Trinken und werfen die Fläschchen weg; indem sie sich umwenden, sehen sie die beiden Damen.

FIORDILIGI UND DORABELLA.
Gift haben sie getrunken?
ALFONSO.
Ja, Gift von schärfster Sorte.
In wenig Augenblicken
Wird sie der Tod befrein.
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Die grause Tat, wie fürchterlich.
Das Blut erstarrt in mir!
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Grausame seht, das tatet Ihr!
Uns hat verschmähtes Lieben
In bittern Tod getrieben,
Habt Mitleid jetzt mit uns.
ALLE FÜNF.
Nacht wird’s vor meinen Blicken,
Vor den umflorten Sinnen.
Schauder durchbebt mich, durchschüttelt mich,
Macht jede Kraft verrinnen,
Das Wort erstickt mir im Munde,
Es ringt die Brust nach Luft.

Ferrando und Guglielmo sinken auf die Rasenbänke nieder.

ALFONSO.
Seht, ihre Wangen bleichen,
Bald sind sie tote Leichen.
Ach, fühlt Eur‘ Herz noch Mitleid,
So nehmt Euch ihrer an.
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Hilfe! Hilfe! Herbei ihr Leute!
Hört uns denn niemand heute?
Despina! Despina!
DESPINA von innen.
Augenblicklich!
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Despina! Despina!
DESPINA kommt.
Ach, was seh‘ ich!
Weh, hier auf ihren Wangen
Seh‘ ich den sichern Tod!
ALFONSO.
Unheil, das Liebe stiftet,
Sie haben sich vergiftet,
O Liebe selt’ner Art!
DESPINA.
Wollen Sie denn so grausam sein,
Das wäre unverzeihlich.
O helfen Sie doch eilig!
FIORDILIGI, DORABELLA, ALFONSO.
Sprich nur, was kann geschehen?
DESPINA.
Noch fühl‘ ich etwas Leben,
Halten Sie mit den Händchen
So ihren Kopf in die Höhe!

Zu Alfonso.

Dann gehen Sie geschwinde
Mit mir zum Doktor Eisenbart,
Der heilt durch Sympathie.

Despina und Alfonso gehen ab.

Sechzehnter Auftritt

Fiordiligi. Dorabella. Ferrando. Guglielmo.

FIORDILIGI UND DORABELLA.
Weh! Was ist hier zu hoffen!
Wie schwer sind wir betroffen!
Kein Mittel rettet sie!
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Das Lachen zu verbeißen,
Macht einem wahrlich Müh‘!
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Ach!
FIORDILIGI UND DORABELLA stehen unschlüssig.
Sie seufzen, ach, die Armen!
FIORDILIGI.
Nun, was tun wir?
DORABELLA.
Nun, was meinst du?
FIORDILIGI.
Sterbend hier sie zu verlassen,
Wäre wahrlich Grausamkeit!
DORABELLA nähert sich ein wenig.
Die Gefahr
Steigt immer höher!
FIORDILIGI nähert sich.
Gehen wir ein wenig näher!
DORABELLA.
Kalt und bleich sind Stirn und Wangen.
FIORDILIGI.
Und der Odem fast vergangen.
DORABELLA.
Schlägt der Puls noch?
FIORDILIGI.
Ich fühl‘ ihn nicht mehr!
DORABELLA.
Dieser schlägt hier immer schwächer!
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Wird nicht schleunig Hilfe kommen,
Ist der Lebensrest verglommen!
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Ei, wie unsre strengen Spröden
Doch in Mitleid schon erwarmen!
Ha! wer weiß, ob dies Erbarmen
Nicht zu Liebe werden kann.
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Jammernswerte, müßt Ihr sterben
Bittre Tränen wein‘ ich dann.

Siebzehnter Auftritt

Die Vorigen. Despina als Arzt verkleidet. Alfonso.

ALFONSO.
Da kommt der Medikus schon anmarschieret.
FERRANDO UND GUGLIELMO für sich.
Das ist Despina gar, als Arzt maskieret.
DESPINA.
Salvete amabiles,
Bones puelles!
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Herr Doktor, reden Sie,
Daß wir’s verstehen!
DESPINA.
Ganz wohl, befehlen Sie,
Wie soll’s geschehen?
Sowohl im Griechischen,
Als im Arabischen
Und im Vandalischen
Bin ich zu Haus.
ALFONSO.
Mit fremden Sprachen
Laßt uns zufrieden!
Hier, untersuchen Sie
Unsre Patienten.
Sie haben Gift im Leib,
Was raten Sie?
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Ach ja, Herr Doktor,
Was raten Sie?
DESPINA fühlt beiden Puls und Stirne.
Sagt pro secundo erst
Die Rationes,
Sodann pro primo mir
Die Portiones.
Ob trocknes, ob flüssiges,
Ob wenig, ob vieles,
Ob schnell sie’s nahmen,
Darauf kommt’s an!
FIORDILIGI, DORABELLA, ALFONSO.
Es war Arsenikum,
Was sie getrunken;
Und kraftlos sind sie hier
Tot hingesunken;
Ach, nur die Liebe
Schafft solche Pein.
DESPINA.
Die Kur ist Kleinigkeit
Für meinesgleichen,
Hier soll in Bälde
Das Übel weichen;
Hier eine Probe
Von meiner Macht.

Zieht einen Magnetstein hervor.

FIORDILIGI, DORABELLA, ALFONSO.
Wie, durch ein Eisen
Will er kurieren?
DESPINA.
Hier, ein Magnetstein,
Den ich empfangen
Aus Doktor Mesmers Hand,
Der rings im deutschen Land
Tote kurierte,
Und dessen Nam‘ sogar
In England strahlt!

Bestreicht Köpfe und Körper der Kranken mit dem Magnete.

FIORDILIGI, DORABELLA, ALFONSO.
O seht, sie regen sich,
Winden sich fürchterlich,
Wie sie der Schmerz verzehrt,
Es ist erbarmenswert!
DESPINA.
Wer hält den Armen den Kopf empor?
FIORDILIGI UND DORABELLA legen den Männern die Hand auf die Stirn.
Ach ja, mit Freuden
Soll es geschehen.
DESPINA.
Nur brav gehalten!
Recht so, recht so!
Nur mutig!
Bald sind sie nun
Wieder lebendig!
FIORDILIGI, DORABELLA, ALFONSO.
Ja, sie erholen sich,
Ach seht, sie regen sich!
O, so ein Doktorchen
Ist Goldes wert.
FERRANDO UND GUGLIELMO indem sie sich langsam erheben.
Ist’s ein Traum! O Gott, wo bin ich?
Wer ist das? Und wer sind diese?
Bin ich schon im Paradiese?
Ist dies Pallas, ist’s Aphrodite?
Nein, du bist es, Heißgeliebte!
Ja, das ist dein reizend‘ Antlitz!
Diese Hand, die ich vergött’re,
Meiner Wünsche einzig Ziel.

Küssen den Damen die Hand.

DESPINA UND ALFONSO.
Das kommt noch vom Magnetismus,
Doch wird’s bald vorüber sein.
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Das mag sein, doch solche Reden
Sie beleid’gen uns’re Treu‘!
DESPINA UND ALFONSO.
Ja, das kommt noch vom Magnetismus,
Doch wirds gleich vorüber sein.

Für sich.

FERRANDO UND GUGLIELMO.
Fast erstick ich noch vor Lachen
Über diese Tändelei’n.

Laut.

Laß, o Schönste, Dich erflehen!
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Kann man teilnahmslos das sehen?
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Kannst Du meine Glut verschmähen?
DESPINA UND ALFONSO.
Das kommt noch vom Magnetismus!
FERRANDO UND GUGLIELMO.
O ein Kuß von deinem Munde
Mache, daß ich ganz gesunde.
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Himmel! Gar küssen!
DESPINA UND ALFONSO.
Nur als Nachkur;
Das befördert die Genesung.
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Welch abscheuliches Verlangen:
Ach, vor Zorn glühn Aug‘ und Wangen!
So der Treue Hohn zu sprechen,
Welcher Schimpf für unser Herz!
DESPINA UND ALFONSO.
Solche Szene kann’s im Leben
Ganz gewiß nicht nochmals geben,
Doch erscheinet mir nur lächerlich
Dieses Zürnen, diese Wut.
FERRANDO UND GUGLIELMO für sich.
Solche Szene kann’s im Leben
Ganz gewiß nicht nochmals geben,
Doch ich weiß nicht, ist es Wahrheit,
Dieses Zürnen, diese Wut,
FIORDILIGI UND DORABELLA.
Da Ihr völlig nun genesen,
Eilet unverweilt von hinnen.
Solch ein frevelhaft Beginnen
Reizet meines Zornes Wut.
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Schlägt der Zorn nicht um in Liebe,
So bestanden beide gut!
DESPINA UND ALFONSO.
Dieser Zorn schlägt um in Liebe,
Mädchen kenn ich gar zu gut!

– Ende des ersten Aufzugs –

Zweiter Aufzug

Zimmer der Damen

Erster Auftritt

Fiordiligi. Dorabella. Despina.

Rezitativ

DESPINA. O gehn Sie doch; wozu nur diese vielen Bedenken?
FIORDILIGI. Ei, du Versucherin, was kannst du noch verlangen?
DESPINA. Für mich gar nichts.
FIORDILIGI. Nun, für wen denn?
DESPINA. Für Sie!
DORABELLA. Für uns?
DESPINA. Für Sie! Sind Sie nicht Frauen und schön?
FIORDILIGI. Nun, und wenn das?
DESPINA. Ei, so müssen Sie als Frauen handeln.
DORABELLA. Wie denn?
DESPINA. Die Liebe nicht so wichtig nehmen, schöne Gelegenheiten nicht versäumen; zu Zeiten treu sein, zu Zeiten wieder untreu; mit Grazie kokettieren, den Unmut meiden, der nicht ausbleibt, wenn wir Männerschwüren trauen, die Feigen essen und den Apfel nicht verschmähen.
FIORDILIGI. Du Teufelin, du magst so etwas tun, wenn du Lust hast.
DESPINA. Ich tu’s freilich. Doch ich möchte, daß Sie zu Ehren uns’res Geschlechtes nun auch dasselbe täten. Zum Exempel: Da beide Ganymede auf das Schlachtfeld gezogen, so sollten Sie auch echt militärisch handeln: Rekrutieren!
DORABELLA. Bewahre uns der Himmel!
DESPINA. Ei, wir sind noch auf Erden, nicht im Himmel. Vertrau’n Sie meinem Eifer. Da die fremden Kavaliere Sie anbeten, so lassen Sie’s geschehn. Sie sind edel, stattlich, ritterlich und sehr reich, wie Don Alfonso bezeugt. Sie würden beide für Sie in den Tod gehen. Solche Verdienste darf man ja nicht unterschätzen. Schöne Frauen, wie Sie, können wohl leben ohne Liebe, doch nicht ohne Liebhaber. Für sich. Es scheint, sie fangen Feuer.
FIORDILIGI. Potz tausend, du gibst uns ja schöne Lehren! Wie kannst du von uns glauben, daß wir unsern Ruf so gefährden und daß wir unsern Freunden so viel Kummer und Enttäuschung bereiten?
DESPINA. Ei, wer spricht denn von Kummer und Enttäuschung?
DORABELLA. Wär’s nicht Kränkung, wenn die Freunde erführen, daß wir in unserm Hause mit den Fremden verkehrt?
DESPINA. Auch dafür weiß ich ein ganz vortreffliches Mittelchen: ich verbreite das Gerücht, daß ihr Besuch mir gilt.
DORABELLA. Wer wird das glauben?
DESPINA. O herrlich! Ist es so unwahrscheinlich, daß eine Zofe zwei Verehrer hat? Lassen Sie mich nur machen!
FIORDILIGI. Nein, nein, sie sind zu dreist, diese bärtigen Herren; sie hätten wohl die Frechheit, wieder Küsse zu begehren.
DESPINA. Welch‘ ein Unglück! Ich schwöre hoch und heilig, was sie sagten und taten, war nur Wirkung des schrecklichen Giftes. Konvulsionen, Delirien, Ohnmachten, wahnsinnige Reden! Doch jetzt sind sie wieder vernünftig, ganz manierlich, bescheiden, sanft wie Lämmer! … O lassen Sie sie nur kommen!
DORABELLA. Und dann?
DESPINA. Und dann? Das Übrige gibt sich von selbst. Für sich. Schon seh‘ ich die Felsen wanken.
FIORDILIGI. Was sollen wir also tun?
DESPINA. Ei, was Sie wollen. Sind Sie vom Stamme Evas oder von Stein?

Nr. 19. Arie

DESPINA.
Schon ein Mädchen von fünfzehn Jahren
Muß die große Kunst verstehen,
Wie am besten wir Nasen drehen,
Wie man Männer gängelt am Band.
Lernen all‘ die Schelmereien,
Die ins Netz die Herrchen jagen,
Falsches Lachen, falsches Klagen,
Und die Tränen stets bei der Hand.
Tut man mit zwanzig auch spröde und verwundert,
Wechselt man Blicke feurig mit hundert.
Hier Hoffnung machen,
Dort sie verlachen,
Mit jenem necken sich,
Vor dem verstecken sich,
Ohne zu zagen
Unwahrheit sagen.
So ist man Fürstin auf hohem Throne,
Und in Gehorsam beugt man sich uns.
Wünschen vielleicht Sie weit’re Belehrung,
Stehet Despina gern zu Gebot.

Geht ab.

Zweiter Auftritt

Fiordiligi. Dorabella.

Rezitativ

FIORDILIGI. Was soll man dazu sagen?
DORABELLA. Ich bin betroffen über diesen kleinen Satan von einem Mädchen.
FIORDILIGI. Ach, glaube mir, das ist Tollheit. Meinst du, wir wären im Stande, solchen Lehren zu folgen?
DORABELLA. Ja, wer weiß – wenn du die Sache von der leichten Seite nimmst …
FIORDILIGI. Nein, nimmermehr, ich nehme sie sehr ernst. Wär‘ es nicht ein Verbrechen, wenn zwei Mädchen, und gar Verlobte, dergleichen Dinge täten?
DORABELLA. Sagte sie nicht, daß wir nichts Schlimmes tun?
FIORDILIGI. ’s ist schlimm genug, wenn die Leute von uns reden.
DORABELLA. Man wird ja glauben, sie kämen zu Despina.
FIORDILIGI. O, allzuleicht beruhigst du dein Gewissen. Was würden die Verlobten zu uns sagen?
DORABELLA. Gar nichts: was man nicht weiß, macht einem nicht heiß. Und wenn sie doch etwas merkten, werden wir sagen, daß sie Despinas wegen kamen.
FIORDILIGI. Doch unsre Herzen?
DORABELLA. Die bleiben, wie sie waren; man sucht sich Unterhaltung, um nicht vor langer Weile zu sterben: das heißt wahrlich noch nicht die Treue brechen.
FIORDILIGI. Das ist wahr.
DORABELLA. Also …
FIORDILIGI. Nun, so tu‘, was du willst, doch ich mag nicht schuld sein, wenn ein Unglück entsteht.
DORABELLA. Welch ein Unglück könnt‘ es geben, wenn wir nur vorsichtig sind? … Doch unter Anderem, hör‘, daß wir uns recht verstehn: welchen von diesen Narzissen – wählst du für dich?
FIORDILIGI. Nein, Schwesterchen, wähle du erst!
DORABELLA. Ist schon geschehen.

Nr. 20. Duett

DORABELLA.
Ich erwähle mir den Braunen,
Der mir recht possierlich scheint.
FIORDILIGI.
Nun, so nenne ich den Blonden
Zu dem Scherze meinen Freund.
DORABELLA.
Klagt er mir sein heißes Sehnen,
Geh‘ ich scherzend darauf ein.
FIORDILIGI.
Seufzet er, so seufz‘ ich wieder,
Will zum Spaß sein Echo sein.
DORABELLA.
»Ach, ich sterbe!« werd‘ ich klagen!
FIORDILIGI.
»O mein Engel!« wird er sagen!
BEIDE.
O was wird das für Vergnügen,
Welch‘ ein Späßchen wird das sein!

Dritter Auftritt

Die Vorigen. Alfonso.

Rezitativ

ALFONSO. Meine gnäd’gen Damen, kommen Sie geschwind in den Garten! Welche Lustbarkeit mit Musikern und Sängern; es ist ein entzückendes Schauspiel; lassen Sie uns nicht warten.
DORABELLA. Was mag es denn wohl sein?
ALFONSO. Sie werden schon sehen.

Sie gehen ab.

Verwandlung

Garten am Strande des Meeres

Vierter Auftritt

Ferrando und Guglielmo mit Sängern und Musikern im Boote. Despina im Garten. Fiordiligi und Dorabella, von Alfonso geführt, treten während des Gesanges von der Seite auf.

Nr. 21. Duett mit Chor

FERRANDO UND GUGLIELMO.
Trage sanft leisem Wehen,
Zephyr, hin mein heißes Flehen,
Spiele schmeichelnd um ihre Schläfe
Und erweiche ihr Felsenherz.
Dir vertrau‘ ich, deinen Schwingen,
Meine Seufzer, meine Klagen,
O mögst du der Teuren sagen,
All mein Sehnen, meinen Schmerz.
CHOR.
Trage hin auf deinen Schwingen,
Ihre Klage, ihren Schmerz.

Während des Chores steigen Ferrando und Guglielmo aus dem Boote. Alfonso und Despina führen sie zu den beiden Damen, die stumm und erstaunt stehen.

Rezitativ

FIORDILIGI. Was soll die Serenade?
DESPINA zu den Männern. Wohlan, nur mutig! Sind Sie denn beide auf den Mund gefallen?
FERRANDO. Ich bebe, ich zitt’re von dem Kopf bis zur Sohle.
GUGLIELMO. Dem innig Liebenden lähmt Amor die Glieder.
ALFONSO zu den Damen. Sie müssen sie ermutigen.
FIORDILIGI zu den Liebhabern. So sprechen Sie!
DORABELLA. Sagen Sie nur offen, was Sie wünschen.
FERRANDO. Mein Fräulein.
GUGLIELMO. Nein, meine Damen …
FERRANDO. So rede du!
GUGLIELMO. Nein, nein, sprich du nur selber!
ALFONSO. Ei potz Blitz und alle Wetter, das sind ja Zierereien aus dem vorigen Jahrhundert. Despinetta, machen wir dem Ding ein Ende: Was ich mit Dorabella, tu du mit Fiordiligi!

Nr. 22. Quartett

ALFONSO nimmt Dorabella bei der Hand.
Ich bitt‘ um Ihr Händchen, o schlagen Sie ein!

Zu den Liebhabern.

Fehlt’s Euch an der Rede, tret‘ ich für Euch ein!

Zu Dorabella.

Es flehet ein Sklave, daß mild Sie verzeihn,
Ich habe gesündigt, doch will ich bereun –
Ich hoffe bescheiden
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Bescheiden –
ALFONSO.
Nicht länger zu leiden.
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Zu leiden.
ALFONSO.
Was Sie nur verlangen, sie werden es tun.
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Was Sie nur verlangen,
Wir werden es tun.
ALFONSO.
Nun denn, gebet Antwort,
Schaut an Euch und lächelt.
DESPINA stellt sich vor die beiden Damen.
So laß‘ ich statt ihrer die Antwort ergehn.
Nichts von vergang’nen Dingen,
Geschehen ist geschehen,
Laßt denn den Riegel springen,
Macht Eure Zunge frei.
Wollt Euren Arm mir reichen,
Das Seufzen sei vorbei.
DESPINA UND ALFONSO.
Nun gehn wir lels‘ von hinnen;
Laß‘ sehn, was sie beginnen.
Es gibt ’ne kleine Teufelei,
Wir bleiben nahebei.

Beide gehen ab.

Fünfter Auftritt

Guglielmo am Arme Dorabellas. Ferrando und Fiordiligi ohne sich den Arm zu reichen.

Rezitativ

FIORDILIGI nach einer Pause. Heut‘ ist recht schönes Wetter.
FERRANDO. Ich find‘ es etwas zu warm.
DORABELLA. Was für herrliche Bäume!
GUGLIELMO. Sehr richtig, doch haben sie mehr Blätter als Früchte.
FIORDILIGI. Diese Allee, von wie anmutigem Dunkel. Beliebt’s, darin zu wandeln?
FERRANDO. Ich bin zu Diensten auf jeden Ihrer Winke.
FIORDILIGI. Zu viel Güte!
FERRANDO leise zu Guglielmo. Jetzt kommt die gefährliche Krisis!
FIORDILIGI. Was sagten Sie da zu ihm?
FERRANDO. Ich hab‘ ihm nur empfohlen, sie gut zu unterhalten. Ferrando und Fiordiligi gehen ab.

Sechster Auftritt

Dorabella. Guglielmo.

DORABELLA. Gehn wir beide nicht auch?
GUGLIELMO. Ganz wie Sie wünschen. Gehen auf und ab.
GUGLIELMO bleibt plötzlich stehen. Weh mir!
DORABELLA. Was ist geschehen?
GUGLIELMO. Ach, ich fühle mich leidend, so leidend, teuerstes Wesen, daß ich glaube, ich sterbe.
DORABELLA für sich. Ich werd‘ ihm nichts gewähren. Laut. Das sind noch kleine Folgen von dem Gift, das Sie tranken.
GUGLIELMO. Ach, noch ein stärk’res Gift trank ich aus diesen schönen, feuersprühenden Augen.
DORABELLA. Das wäre ja ein heißes Gift; nehmen Sie etwas zur Kühlung.
GUGLIELMO. Wie können Sie noch spotten, während ich vor Schmerz vergehe!
DORABELLA. Tun Sie das ja nicht!
GUGLIELMO. Wo ich leide, o Grausame, können Sie scherzen?
DORABELLA. Ich scherzen, ich scherzen?
GUGLIELMO. Nun, so geben Sie mir ein Zeichen, Schönste der Frauen, daß Sie Mitleid empfinden.
DORABELLA. Zwei, wenn Sie wollen; sagen Sie nur, was ich tun soll und Sie werden sehen …
GUGLIELMO für sich. Scherzt sie oder ist es Wahrheit? Laut. Dies kleine Angedenken bitt‘ ich Sie, gütigst anzunehmen.
DORABELLA. Ein Herzchen?
GUGLIELMO. Ein Herzchen, das Sinnbild von jenem, das hier schlägt und für Sie sich verblutet.
DORABELLA. Welch kostbare Gabe!
GUGLIELMO. Ja, Sie nehmen’s!
DORABELLA. Wie grausam, mein treues Herz auf solche Probe zu stellen!
GUGLIELMO für sich. Der Fels beginnt zu wanken, das betrübt mich; doch hab‘ ich mein Soldatenwort verpfändet. Laut. Geliebte!
DORABELLA. O laßt ab!
GUGLIELMO. Ewig der Deine!
DORABELLA. O Himmel!
GUGLIELMO. Erhören Sie mich!
DORABELLA. Ach, ich werde noch sterben!
GUGLIELMO. O willkommen, so sterben wir zusammen. Nehmen Sie es an?
DORABELLA. Ich nehm‘ es!
GUGLIELMO für sich. O du armer Ferrando! Laut. O, welche Wonne!

Nr. 23. Duett

GUGLIELMO.
Empfange, Geliebte,
Das Herzchen zu eigen,
Doch schenke desgleichen
Das deine dafür.
DORABELLA.
Ich kann nicht vergelten
Die liebliche Gabe,
Denn wisse, ich habe
Mein Herz nicht mehr hier.
GUGLIELMO.
Hast du’s nicht mehr eigen,
Was pocht denn so hier?
DORABELLA.
Gabst du mir das deine,
Was klopft so bei dir?
GUGLIELMO.
Sprich, was pochet, pochet, pochet hier?
DORABELLA.
Sprich, was klopfet, klopfet, klopfet hier?
BEIDE.
Ich kenne die Schläge,
Dies Herz war das meine,
Nun ist es das deine,
Nun schlägt es in dir!
GUGLIELMO will das Herz an die Stelle von Ferrandos Porträt bringen.
Hier sei seine Stelle!
DORABELLA.
Sie ist nicht mehr frei!
GUGLIELMO.
Ich merke, du Lose!
DORABELLA.
Was machst du?
GUGLIELMO wendet ihr sanft das Gesicht ab, nimmt ihr das Porträt und steckt das Herz an seine Stelle.
Sieh nicht her!
DORABELLA.
Wie glüht mir die Wange,
Wie bebt mir das Herz!
GUGLIELMO für sich.
Du armer Ferrando,
Das ist mehr als Scherz!
GUGLIELMO.
Nun wende die Augen.
DORABELLA.
Wohin denn?
GUGLIELMO.
Sieh her denn:
Wie steht uns der Tausch?
BEIDE.
Welch‘ Glück ohnegleichen,
Die Herzen zu tauschen,
In Lieb‘ uns berauschen,
In Wonne vergehen!

Beide gehen Arm in Arm ab.

Siebter Auftritt

Fiordiligi tritt heftig erregt auf, Ferrando folgt ihr.

Rezitativ

FERRANDO. Grausame! Warum fliehst du?
FIORDILIGI. Ich seh‘ den Schlangenblick, die Hydra, den Basilisken!
FERRANDO. Ha, genug, ich verstehe. Schlangenblick, Hydra und Basilisken, alle wilden Tiere der lybischen Wüste willst in mir du erkennen.
FIORDILIGI. So ist es, so ist es, denn du raubst mir den Frieden!
FERRANDO. Um dich glücklich zu machen!
FIORDILIGI. Endige dieses Drängen!
FERRANDO. Einen Blick nur erfleh‘ ich.
FIORDILIGI. Lasse mich!
FERRANDO. Nein, ich bleibe, bis freundlicher dein Auge auf mich blicket. O Gott, wie deut‘ ich dein Schweigen, wie deine Seufzer?

Nr. 24. Arie

FERRANDO.
Ja, ich sehe, die Schönste der Frauen,
Sie kann länger mir nicht widerstehn,
Nimmer kann sie mein Werben verschmähen,
Nicht verspotten mein inniges Flehn.
Diese Augen, diese sehnsücht’gen Seufzer,
Dringen tröstend ins Herz mir hinein;
Laß‘ mich länger nicht leiden und schmachten,
Lasse selig in Liebe uns sein.
Doch du schweigest, willst grausam mich fliehen,
Und vergebens ersehnt‘ ich das Glück!
Wohl, so schwinde auf ewig die Hoffnung,
Und mir bleibt nur Verzweiflung zurück!

Geht ab.

Achter Auftritt

Fiordiligi allein.

Rezitativ

FIORDILIGI. Er fliehet … höre … doch nein! Mag er nur gehen, aus meiner Nähe fliehen, dem meine Schwäche zu erliegen Gefahr läuft. Welch herbe Qualen hat er mir nicht bereitet! Für meine Schwäche leid‘ ich nun gerechte Strafe. Wär’s nicht Verbrechen, mit ihm hier zu verweilen, sein Geständnis zu hören? Tat ich nicht besser, seiner Seufzer zu spotten? Ach, diesem Herzen drohen furchtbare Leiden, Leiden der Liebe. Ich glühe, doch ist dies Feuer nicht die Regung eines wahren Gefühls. ’s ist Wahnsinn, ist Torheit, Verzweiflung, bitt’re Reue, schnöder Leichtsinn, ist Meineid, schändlicher Treubruch!

Nr. 25. Arie

O verzeih‘, verzeih‘, Geliebter,
Dies Vergehen dem schwachen Weibe;
Daß es ewig verborgen bleibe,
Darum fleh‘ ich Gott dich an!
Daß ich ganz und gar gesunde,
Will in Reu‘ den Fehl ich büßen;
Nie gedenk‘ ich mehr der Stunde,
Die an Grauen und Schmach mich mahnt.
Ach, und wem brachst du die Treue,
Wem schufst du so bitt’res Leid?
Sieh‘, ich schwöre dir aufs neue,
Treu zu sein in Ewigkeit!

Geht ab.

Neunter Auftritt

Ferrando und Guglielmo.

Rezitativ

FERRANDO sehr vergnügt. He Freund, wir haben gewonnen!
GUGLIELMO. Eine Ambo oder Terno?
FERRANDO. Nein, unsere ganze Wette. Fiordiligi, sie ist die Tugend selber.
GUGLIELMO. Nichts Geringeres?
FERRANDO. Nicht das Geringste. Gib Acht und hör‘ mich ruhig an.
GUGLIELMO. Nur zu, ich bin ganz Ohr.
FERRANDO. Wie es besprochen, ging ich an ihrer Seite im Garten auf und nieder; ich gab ihr meinen Arm, wir sprachen von tausend gleichgültigen Dingen und endlich auch von der Liebe.
GUGLIELMO. Nur weiter.
FERRANDO. Ich heuchle Zittern, ich heuchle Tränen, tu‘, als müßt‘ ich gleich zu ihren Füßen sterben.
GUGLIELMO. Ganz vortrefflich! Bei meiner Treu‘. Und sie?
FERRANDO. Zuerst nahm sie die Sache scherzhaft und lachte.
GUGLIELMO. Und dann?
FERRANDO. Schien sie Mitleid mit mir zu fühlen.
GUGLIELMO. O alle Wetter!
FERRANDO. Doch bald platzte die Bombe. Rein wie eine Taube wird sie ihrem teuren Guglielmo die Treue bewahren. Zornig hieß sie mich gehen, schalt mich heftig, verließ mich und gab mir so den untrüglichen Beweis, daß sie ein Weib ist ganz ohnegleichen.
GUGLIELMO. Dank Dir! Heil mir! Ehre meiner Penelope! Lieber Freund, ich muß dich umarmen für diese freudige Botschaft! Du mein treuer Mercurius!
FERRANDO. Und wie war Dorabella? Sag‘, wie hat sie bestanden? Doch ich kann gar nicht zweifeln; nur allzugut kenne ich ihre erhabene Seele.
GUGLIELMO. Unter vier Augen möcht‘ ich dir doch sagen; so ’nen kleinen Zweifel könntest du immerhin hegen.
FERRANDO. Wie denn?
GUGLIELMO. Das ist nur sozusagen … Für sich. Wie fang‘ ich’s nur an, ihm die Pille zu versüßen?
FERRANDO. Himmel, gab sie Gehör dir auf deine Schmeicheleien? … Ach, könnt‘ ich glauben … müßt‘ ich solchen Argwohn fassen?
GUGLIELMO. In dieser Welt, Freund, ist es immer gut, etwas Argwohn zu hegen.
FERRANDO. Gerechter Himmel! Erkläre dich! Bei so langsamem Feuer marterst du mich zu Tode. Doch nein, ich sehe, du scherzest nur mit mir! Sie liebt nur mich, ewig bleibt sie mir treu!
GUGLIELMO. So ist es! Und zum Beweis ihrer Liebe und Treue gab sie mir hier dieses allerliebste Herzchen.
FERRANDO. wütend. Wie? Mein Bildnis? Ha, Schändliche! Will forteilen.
GUGLIELMO. Wohin eilst du?
FERRANDO. Ich will zu ihr, den schnöden Verrat zu rächen, das falsche Herz ihr aus der Brust zu reißen!
GUGLIELMO. Bleibe doch!
FERRANDO entschlossen. Nein, laß‘ mich!
GUGLIELMO. Bist du rasend? Um eines Weibes willen, das dein nicht wert ist, willst du dich verderben? Für sich. Ich muß nur verhüten, daß er eine Torheit begeht!
FERRANDO. Himmel! So viel Versprechen, die Tränenflut, all die Seufzer, die heiligen Eide in so wenig Augenblicken ganz und gar zu vergessen!
GUGLIELMO. Beim Styx! Ich fass‘ es nicht!
FERRANDO. Was nun beginnen? Welchen Entschluß soll ich Betrog’ner fassen? O, habe Mitleid, Freund! Rat‘, was ich tun soll.
GUGLIELMO. Ach, Freund, ich weiß jetzt selbst nicht, was ich dir raten soll.
FERRANDO. Schändliche Verräterin! In einem Tage, in wenig Stunden!
GUGLIELMO. Du hast recht, meiner Treu‘, ’s ist zum verwundern!

Nr. 26. Arie

GUGLIELMO.
Mädchen, so treibt ihr’s mit allen!
Soll ich euch die Wahrheit sagen:
Wenn die Männer euch verklagen,
Stimm‘ ich ihnen völlig bei.
Daß ich hoch die Frauen preise,
Hab‘ ich oft schon dargetan:
Immer nahm auf meine Weise
Eurer Unschuld ich mich an.
Doch, daß ihr’s so treibt mit allen,
Das macht ganz bedenklich mich.
Zwanzigmal trat mit dem Degen
Ich für eure Ehre ein.
Trat dem Feinde kühn entgegen,
Blut und Leben euch zu weih’n.
Doch daß ihr’s so treibt mit allen,
Das verdrießt mich endlich doch!
Mit so liebenswerten Reizen
Hat Natur euch reich verseh’n,
Hat mit Anmut euch umgeben,
Von dem Kopf bis zu den Zeh’n.
Doch daß ihr’s so treibt mit allen,
Das ist wahrlich gar zu schlecht!
Wenn darob die Männer schreien,
Haben sie wahrhaftig recht!

Geht ab.

Zehnter Auftritt

Ferrando allein.

Rezitativ

FERRANDO. Ha, welch‘ schrecklichen Aufruhr und welche Qualen getäuschter Liebe und Hoffnung fühl‘ ich im Herzen! Unerhört, unbegreiflich ist dies Ereignis, das wohl niemand, ich selbst nicht, je wird ergründen können! Alfonso, Alfonso! Ja, ich hör‘ deinen Spott, sehe dich triumphieren! Doch sie soll es bereuen! Aus meinem Busen will ich ihr Bild verbannen, das Bild der Verräterin – es verbannen? Ach, noch schlägt dieses Herz heiß für die Teure!

Nr. 27. Kavatine

FERRANDO.
Verraten, verspottet,
Welch‘ furchtbarer Schmerz!
Und doch schlägt voll heißer,
Unendlicher Liebe
Der Teuren noch immer
Mein zärtliches Herz!

Elfter Auftritt

Ferrando. Guglielmo. Alfonso.

Rezitativ

ALFONSO. Bravo! Das nenn‘ ich Treue!
FERRANDO. Grausamer, gehen Sie, Ihnen dank‘ ich mein Unglück!
ALFONSO. Sei’n Sie nur hübsch gelassen, dann wird sich alles wieder machen. Fiordiligi war ihrem Guglielmo treu, doch Dorabella unterlag der Versuchung.
FERRANDO. Zu meiner Schande!
GUGLIELMO. Lieber Freund, in allen Dingen muß man fein unterscheiden: Scheint es dir möglich, daß man eines Guglielmo je vergäße? Ich will mich nicht loben, doch wenn wir beide einander vergleichen, mußt du gestehen, daß ich weit eher verdiene …
ALFONSO. Ganz meine Ansicht.
GUGLIELMO. So zahlen Sie auf Abschlag fünfzig Zechinen.
ALFONSO. Mit Vergnügen. Doch bevor ich bezahle, möcht‘ ich gern eins noch versuchen.
GUGLIELMO. Wieso?
ALFONSO. Habt nur noch Geduld! Bis morgen früh seid ihr Gehorsam mir schuldig. Euer Soldatenwort habt Ihr verpfändet, alles zu tun, was ich verlange. Jetzt gehn wir, und bald werd‘ ich Euch beweisen, daß der nicht recht bei Trost ist, der den Vogel verkauft auf dem Baume. Sie gehen ab.

Verwandlung

Zimmer der Damen

Zwölfter Auftritt

Dorabella. Despina. Später Fiordiligi.

Rezitativ

DESPINA zu Dorabella. Jetzt erkenn‘ ich Sie wieder als eine Dame von Welt.
DORABELLA. Umsonst, Despina, hab‘ ich mit mir gekämpft; der dämonische Fremde ist so bezaubernd, so beredsam, so artig, daß auch ein Felsen ihm nicht widerstehen kann.
DESPINA. Ei potz Blitz, das ist vernünftig gesprochen. Nur gar zu selten gibt’s für uns arme Mädchen etwas zu naschen, d’rum ist’s klug, die Gelegenheit beim Schopf zu fassen. Doch sehn Sie! … Ihre Schwester … Welch‘ finst’re Miene!
FIORDILIGI kommt. Unglückselige! In welche Lage bin ich durch Eure Schuld geraten!
DESPINA. Was geschah denn, gnädiges, teures Fräulein?
DORABELLA. Was hast du denn, liebe Schwester?
FIORDILIGI. Ich verwünsche mich selbst, dich, sie, Don Alfonso, die beiden Fremden und die ganze Narrenwelt.
DORABELLA. Bist du denn ganz von Sinnen?
FIORDILIGI. Schlimmer als das: Ich schaud’re vor Entsetzen! Ich liebe, doch meine Liebe gilt nicht mehr bloß Guglielmo.
DESPINA. Desto besser!
DORABELLA. Also bist auch du verliebt in jenen reizenden Blonden!
FIORDILIGI. Ach, mehr als sich geziemt.
DESPINA. Vortrefflich!
DORABELLA. Herrlich! O laß‘ dich dafür umarmen! Du den Blonden, ich den Braunen, so sind wir beide Bräute!
FIORDILIGI. Gott, was sagst du? Denkst du nicht mehr der Armen, die erst heut‘ uns verlassen, nicht ihrer Tränen, noch der ew’gen Treue, die wir geschworen? Wie kannst du so grausam, so wandelbar sein! Wo lerntest du diese Listen?
DORABELLA. Höre mich. Bist du sicher, daß unsere alten Liebsten nicht auf dem Schlachtfelde fallen? Geschah‘ dies, so blieben wir beide aufs allerschönste sitzen: ein Sperling in der Hand ist besser, als eine Taube auf dem Dach.
FIORDILIGI. Doch kehrten sie zurück?
DORABELLA. Desto schlimmer für sie; dann sind wir schon vermählt und hundert Meilen entfernt von hier.
FIORDILIGI. Sag‘, wie ist es nur möglich, in einem Tag seinen Sinn so zu ändern?
DORABELLA. Die Frage macht mich lachen! Ich bin ein Mädchen! Und machst du’s etwa anders?
FIORDILIGI. Ich weiß mich zu bezwingen.
DESPINA. Das wird schwerlich gelingen.
FIORDILIGI. Gewiß, du sollst es sehen.
DORABELLA. Glaub‘ mir, Schwester, auch du wirst noch erliegen.

Nr. 28. Arie

DORABELLA.
Ein loser Dieb ist Amor,
Ein Schlänglein voller List.
Er raubt und gibt den Frieden,
Wie’s ihm gefällig ist.
Er schlüpfet durch die Augen
In’s off’ne Herz hinein
Und schlägt den Geist in Ketten,
Will herrschen ganz allein.
Sitzt er dann fest im Busen,
Fühlst du ihn klopfen hier,
So laß‘ ihn frei gewähren
Und spiel‘ mit ihm gleich mir!

Sie verläßt mit Despina das Zimmer.

Dreizehnter Auftritt

Fiordiligi allein; dann Guglielmo, Ferrando und Alfonso, die ungesehen von ihr eintreten. Zuletzt Despina.

Rezitativ

FIORDILIGI. Alles hat sich verschworen, mein Herz zu verführen. Doch nein; eher sterben, als unterliegen. Ich fehlte, als ich der Schwester und Despina mein Gefühl enthüllte. Sie berichten ihm alles, er wird noch kühner, wird zum Äußersten fähig. Nie soll er wieder vor die Augen mir kommen. All‘ meine Leute bedroh‘ ich mit Entlassung, öffnen sie ihm die Türe. Der Verführer bleibe mir fern.
GUGLIELMO leise zu Ferrando und Alfonso. Bravissima! Meine keusche Artemis! Habt Ihr’s gehört?
FIORDILIGI. Doch wenn Dorabella ohne mein Wissen … Halt, welcher Gedanke fährt mir plötzlich durch den Sinn? In unser’m Hause sind einige Uniformen von Guglielmo und Ferrando. Nur Mut! – Despina!
DESPINA kommt. Nun, Ihr Wunsch?
FIORDILIGI. Hier nimm diesen Schlüssel und ohne Widerspruch, ohne irgend welchen Widerspruch geh‘ in die Garderobe und hole mir zwei Degen, zwei Hüte und zwei Uniformen uns’rer Verlobten!
DESPINA. Was soll damit geschehen?
FIORDILIGI. Eile ohne zu fragen.
DESPINA. Wie kurz ist die Dame Hochmut angebunden. Ab.
FIORDILIGI. Anders geht’s nicht. Ich darf hoffen, daß auch Dorabella meinem Beispiel folgt. Zum Schlachtfeld – es gibt keinen andern Weg, uns’re Ehre zu retten.
ALFONSO leise zu Despina, die mit dem Gewünschten zurückkehrt. Ich hab‘ alles verstanden; tue nur, was sie befiehlt.
DESPINA. Da bin ich!
FIORDILIGI. Eile. Gehe sogleich zur Post, bestelle einen Diener und Pferde. Sag‘ Dorabella, ich wünsche sie zu sprechen.
DESPINA. Wie Sie befehlen. Für sich. Mir scheint wahrhaftig, sie ist verrückt! Geht ab.
FIORDILIGI. In diesen Kleidern suchen wir die Freunde auf dem Schlachtfeld auf, an ihrer Seite zu kämpfen und, wenn es sein muß, zu sterben.
GUGLIELMO zu Ferrando und Alfonso. Sah man je solche Liebe, solche Treue?

Vierzehnter Auftritt

Fiordiligi, dann Ferrando. Alfonso und Guglielmo an der Tür.

Nr. 29. Duett

FIORDILIGI.
Seinen Armen eil‘ ich entgegen,
Bald bin ich in seiner Nähe,
Unerkennbar durch diese Kleider,
Schreit‘ ich durch der Krieger Reih’n.
Wie wird freudig sein Herz erbeben,
Wenn ich ihn so überrasche …
FERRANDO der sich ihr inzwischen genähert.
Und indessen werd ich Ärmster,
Bald des Todes Beute sein.
FIORDILIGI.
Welche Kühnheit!
Ha, Verweg’ner, fort von hinnen!
FERRANDO.
Nein, du Teure!
Dieses Schwert in deinen Händen
Möge meine Leiden enden.
Wenn die Kraft zur Tat dir fehlt,
Führ‘ ich selber dir die Hand.
FIORDILIGI.
Laß‘ mich!
FERRANDO.
Erhör‘ mein Flehen!
FIORDILIGI.
Erbarmen, ach, was soll geschehen?
FERRANDO.
Sei mein Weib, sonst laß‘ mich sterben!
FIORDILIGI.
Kaum noch kann ich widerstehen.
FERRANDO.
O Geliebte, hör‘ mein Flehen!
FIORDILIGI.
Weh‘ mir Armen!
FERRANDO.
Wende auf mich dein holdes Auge
Und laß‘ ab von allem Bangen.
Holde, Geliebte, erhör‘ mein Verlangen,
Laß, o laß uns glücklich sein!
FIORDILIGI.
Großer Gott – Barbar – Du besiegst mich –
Ja, auf ewig bin ich dein!
BEIDE.
Welche Wonne, welch‘ Entzücken,
Dich an meine Brust zu drücken,
Ist der Lohn für Schmerz und Leiden,
Ist die höchste Seligkeit!

Gehen ab.

Fünfzehnter Auftritt

Guglielmo. Alfonso. Dann Ferrando.

GUGLIELMO. O ich geschlag’ner Mann, was mußt‘ ich sehn und was mußt‘ ich hören!
ALFONSO. Um Gotteswillen, ruhig!
GUGLIELMO. Den Bart möcht‘ ich zerraufen, die Haut mir zerfleischen, an der Wand mir die Stirne zerschellen! War das meine Fiordiligi, die Penelope, die Artemis ihres Jahrhunderts? Die Falsche, Ungetreue, Verräterin, Diebin, Mörderin!
ALFONSO. Ich laß‘ ihn erst verschnaufen.
FERRANDO kommt zurück. Wie steht’s?
GUGLIELMO. Wo ist sie?
FERRANDO. Wer? Dein zärtliches Bräutchen?
GUGLIELMO. Mein Bräutchen sei des Teufels Braut; er mag sie nur holen und mich dazu!
FERRANDO. Du siehst nun selber: »In allen Dingen muß man fein unterscheiden; da ich weit eher verdiene …«
GUGLIELMO. O schweige, quäle mich nicht länger. Laß‘ uns auf Mittel sinnen, sie beide recht empfindlich zu bestrafen.
ALFONSO. Das Beste ist: sie heiraten.
GUGLIELMO. Da wählt‘ ich lieber noch eine Eumenide.
FERRANDO. Oder eine Phorkyade!
GUGLIELMO. Oder des Teufels Großmutter!
ALFONSO. Dann steiget Ihr als Junggesellen in das Grab!
FERRANDO. Für Männer wie wir gibt’s noch Frauen genug.
ALFONSO. An Frauen fehlt es niemals. Doch wenn diese Euch betrogen, was werden die andern tun? Im Grunde liebt Ihr beide diese schändlichen, ungetreuen Wesen.
GUGLIELMO. Ach, nur zu sehr!
ALFONSO. Ihr müßt sie eben nehmen wie sie sind. Warum sollte die Natur sich selber verleugnen und ausnahmsweise zwei Frauen von besonderer Gattung erschaffen, bloß für Eure schönen Schnäbel? In allen Lagen muß man Philosoph sein! Jetzt laßt uns gehen und sorglich überlegen, wie man die Sache anfaßt. Am besten ist’s, Ihr feiert noch heut‘ abend die Doppelhochzeit. Inzwischen hört noch ein Sprüchlein von mir an, und wohl wird’s Euch ergehn, wenn Ihr’s beherzigt.

Nr. 30. Arie

ALFONSO.
Alles schilt auf die Weiber, doch ich verzeihe,
Wenn sie auch zehnmal täglich sich verlieben;
Und man nenn‘ es nicht Laster, auch nicht Gewohnheit,
Nein, sie folgen nur dem Zwang ihres Herzens.
Und darum, wer am Ende sich betrogen sieht,
Geb‘ andern nicht schuld, nein, nur sich selber,
Sei’s bei Häßlichen, Schönen, Jungen und Alten:
Darum stimmt mit uns ein: Cosi fan tutte!
ALLE DREI.
Cosi fan tutte!

Sechzehnter Auftritt

Die Vorigen. Despina.

Rezitativ

DESPINA. Victoria, meine Herren, unsere Damen sind geneigt, sich mit Ihnen zu vermählen; sie versprechen, in ungefähr drei Tagen Neapel mit Ihnen zu verlassen. Ich soll nun eiligst den Notar bestellen, um den Kontrakt zu stipulieren. Im großen Saale werden Sie sehnlichst erwartet. Sind Sie nun auch zufrieden?
FERRANDO, GUGLIELMO, ALFONSO. Außerordentlich!
DESPINA.
Hat Despina die Hände im Spiel,
dann erreicht man sicher das Ziel!

Verwandlung

Festlich erleuchteter Saal. – Eine für vier Personen gedeckte Tafel.

Siebzehnter Auftritt

Despina. Musiker. Dienerschaft. Blumenmädchen.

Alfonso.

Nr. 31. Finale

DESPINA.
Hurtig, hurtig, laßt uns eilen,
Alles schön zu arrangieren,
Und die Tafel zu servieren,
Mit Geschmack und Zierlichkeit.
Bei dem frohen Hochzeitsfeste,
Das die Damen heute feiern,
Sorge jeder auf das beste,
Zu erhöh’n die Lustbarkeit.
DIENER UND MUSIKER.
Hurtig, hurtig, laßt uns eilen,
Alles schön zu arrangieren,
Und die Tafel zu servieren
Mit Geschmack und Zierlichkeit.
ALFONSO.
Bravo, ganz ausgezeichnet:
Welch ein Reichtum, wie geschmackvoll,
Euch wird sicher für den Eifer
Von den Gästen hoher Lohn.
Wenn die jungen Paare nahen,
Jubiliert zu ihrer Ehre,
Daß die hellen Freudenchöre
Widerhallen weit und breit.
DESPINA UND ALFONSO.
Eine tollere Komödie
Sah man noch zu keiner Zeit!

Achtzehnter Auftritt

Die Vorigen. Fiordiligi. Dorabella. Ferrando. Guglielmo.

CHOR.
Glück und Heil den edlen Herrn,
Und den liebenswerten Bräuten.
Mög‘ Euch stets der Himmel gnädig sein!
Heil und Segen Eurem Bunde
Werde bis in späte Zeiten
Fried‘ und Freude Euch zu teil!

Despina, Alfonso und der Chor gehen ab, es bleiben nur vier Diener, um die Verlobten, welche an der Tafel Platz nehmen, zu bedienen.

Neunzehnter Auftritt

Fiordiligi. Dorabella. Ferrando. Guglielmo.

FERRANDO, GUGLIELMO.
Ja, es wird aus unserm Bunde
Neues Leben uns erblühen!
FIORDILIGI, DORABELLA.
Ja, ich fühl‘ in dieser Stunde
Höher, höher mich erglühen!
FERRANDO, GUGLIELMO.
Tu‘ Bescheid mir!
FIORDILIGI, DORABELLA.
Auf dein Wohl denn!
FERRANDO, GUGLIELMO.
Welche Anmut!
FIORDILIGI, DORABELLA.
Welch‘ stolze Miene!
FERRANDO, GUGLIELMO.
Nehmt die Gläser!
FIORDILIGI, DORABELLA.
Laßt sie klingen!
FIORDILIGI.
In dein Glas und in das meine
DORABELLA.
Sei versenket alles Gedächtnis,
FERRANDO.
Kein Erinnern an Vergang’nes
Soll uns trüben die Gegenwart!
GUGLIELMO.
Ach, möchte doch der Wein vergiftet sein
Für das gleißende Otterngezücht!

Zwanzigster Auftritt

Die Vorigen. Alfonso. Dann Despina als Notar.

ALFONSO.
Meine Freunde! Nun ist’s richtig,
Fertig sind die Ehepakten,
Der Notar mit den Kontrakten
Wird sogleich zu Diensten sein!
FIORDILIGI, DORABELLA, FERRANDO UND GUGLIELMO.
Herrlich, herrlich! Laßt ihn kommen!
ALFONSO.
Ja, ich ruf‘ ihn – schon ist er da!
DESPINA erscheint als Notar verkleidet.
Untertänig aufzuwarten,
Komm‘ ich Pflicht und Amtes wegen,
Wünsche Heil und Ehesegen,
Freude, Glück und Gloria!
Pakta sind schön stilisieret,
Nach dem Jus verklausulieret,
Alle Regeln observieret;
Wird mein Husten sich nur legen,
Les‘ ich die Sponsalia!
FIORDILIGI, DORABELLA, FERRANDO UND GUGLIELMO.
Bravo! Die Sponsalia!
DESPINA durch die Nase.
Kund sei, wem daran gelegen,
Daß persönlich hier zugegen
Coram subscripto notare,
Endesunterschrieb’ne Paare
Fiordiligi mit Sempronio,
Dorabella mit Antonio,
Beide Damen aus Ferrara,
Kavaliere sie aus Zara.
FIORDILIGI, DORABELLA, FERRANDO UND GUGLIELMO.
Kurz und bündig,
So mag’s bleiben!
Hurtig! Hurtig!
Unterschreiben!
Gebet her!
So ist’s geschehn.

Nur die beiden Damen unterschreiben.

DESPINA, ALFONSO.
Bravi! Bravi! So ist’s schön!

Alfonso nimmt die Kontrakte an sich. – Trommelwirbel hinter der Szene.

CHOR hinter der Szene.
O, wie schön, Soldat zu sein!
Ein Soldat hat nie zu sorgen,
Darbt er heute, schwelgt er morgen,
Bald zu Land, bald auf der See!
FIORDILIGI, DORABELLA, FERRANDO UND GUGLIELMO.
Welch‘ ein Sang, was mag geschehen?
ALFONSO.
Still nur, still! Gleich will ich sehen.

Geht zum Fenster.

Misericordia!
Himmel! Erbarmen!
Unsel’ges Mißgeschick!
O weh Euch Armen:
Die alten Liebsten!
FIORDILIGI, DORABELLA.
Die alten Liebsten!
ALFONSO.
Ich seh‘ die Barken dem Ufer nah’n,
Und an der Brücke legen sie an.
FIORDILIGI, DORABELLA, FERRANDO UND GUGLIELMO.
Was muß ich hören? Grausames Schicksal!
Wie soll das enden? Was ist zu tun?
FIORDILIGI, DORABELLA.
Entflieht geschwinde!
FERRANDO, GUGLIELMO.
Wenn sie uns finden, sind wir verloren!
DESPINA, ALFONSO.
Wenn sie Euch finden, seid Ihr verloren!
FIORDILIGI, DORABELLA.
Nur schnell, verberget
Euch, laßt Euch nicht sehn!

Führen die beiden Liebhaber ins Nebenzimmer. – Don Alfonso führt Despina hinaus.

Einundzwanzigster Auftritt

Fiordiligi. Dorabella. Alfonso.

FIORDILIGI, DORABELLA in höchster Angst.
Hilfe! Erbarmen!
ALFONSO.
Nur nicht viel Lärm gemacht!
FIORDILIGI, DORABELLA.
Wehe uns Armen!
ALFONSO.
Verliert die Fassung nicht!
FIORDILIGI, DORABELLA.
Ach, wer rettet uns aus der Not?
ALFONSO.
Habet nur Zuversicht, ich helfe Euch!
FIORDILIGI, DORABELLA.
Vor Verzweiflung, Angst und Schrecken
Fühl ich alle Pulse beben.
Wenn sie den Verrat entdecken,
Ach, was fangen wir dann an?

Zweiundzwanzigster Auftritt

Die Vorigen. Ferrando und Guglielmo in Uniform wie zu Beginn des Stückes. Später Despina.

FERRANDO, GUGLIELMO in Uniformmänteln und Hüten.
Wohlbehalten
In deine Umarmung
Kehr ich wieder, du treue Geliebte,
Alles schwand, was so tief uns betrübte,
Nun empfängt Eure Treu‘ ihren Lohn!
ALFONSO.
Ist es möglich, Guglielmo, Ferrando!
Welch ein Wiedersehn – saget, erzählet …
FERRANDO, GUGLIELMO.
Der Befehl unsers gnädigsten
Königs und Herrn
Hat uns heimgeführt,
Und die Herzen voll freudiger Hoffnung
Kehren nun zu den liebenden Bräuten,
Zu dem Freunde wir wieder zurück!
GUGLIELMO zu Fiordiligi.
Doch, was soll dein Erblassen,
Dein Schweigen?
FERRANDO zu Dorabella.
Sag‘, Geliebte, was quälet dein Herz?
ALFONSO.
Ach, die Freude, sie kam gar zu unverhofft,
Macht sie stumm und beklemmet ihr Herz.
FIORDILIGI.
Ach, die Sprache, die Kräfte verlassen mich
DORABELLA.
Möchte sterben vor Scham und vor Schmerz!
GUGLIELMO.
Sie erlauben, hier daneben
Unsre Sachen abzulegen?
Ha, was seh‘ ich? Ein Mann verborgen,
Ein Notarius? Was ist das?
DESPINA kommt in Notarskleidung, aber ohne Hut heraus.
Nein, Signor, ’s ist kein Notarius,
In der Kutte steckt Despina,
Auf dem Maskenballe habe
Als Notar ich figuriert.
FIORDILIGI.
Wie, Despina?
DORABELLA.
Nein, das kann ich nicht verstehn!
DESPINA.
Eine Schelmin meinesgleichen
Hat man schwerlich je gesehn!
FERRANDO.
Eine Schelmin ihresgleichen
GUGLIELMO.
Hat man schwerlich je gesehn!
ALFONSO läßt vorsichtig den von den Damen unterschriebenen Kontrakt fallen; leise zu den Liebhabern.
Die Papiere lass‘ ich fallen,
Hebt sie auf geschickter Weise.
FERRANDO.
Doch was sind das für Papiere?
GUGLIELMO.
Laß‘ mich sehen!
Ei, das sind ja Ehepakten!
FERRANDO UND GUGLIELMO.
Höll‘ und Tod! Hier
Eure Namen!
Nimmermehr könnt Ihr es leugnen!
Schändlich hat man uns verraten!
Das Verbrechen werd‘ ich rächen,
Ha, in Blut die Hände baden!
Ja, in Strömen fließe Blut!

Wollen in das andere Zimmer; die Damen halten sie zurück.

FIORDILIGI, DORABELLA.
Ja, den Tod hab‘ ich verdienet,
Nur den Tod kann ich erflehen,
Ich bekenne mein Vergehen;
Dieses Eisen soll mich durchbohren,
Dein Erbarmen verdien‘ ich Ärmste nicht!
FERRANDO, GUGLIELMO.
Nun, so sprecht!
FIORDILIGI zeigt auf Alfonso und Despina.
Für uns mag sprechen
Der Verräter, diese Schlange!
ALFONSO.
Nur zu wahr ist, was sie sagten!

Zeigt auf das Zimmer, in das die Liebhaber geflüchtet waren.

Der Beweis ist dort im Zimmer!

Ferrando und Guglielmo gehen einen Augenblick in das Zimmer, dann kommen sie nicht mehr in Uniformhut, Mantel und Bart, aber in ihrer verstellten Kleidung wieder heraus.

FIORDILIGI, DORABELLA.
Ach, mein Herz erbebt in Todesangst!
Warum nur verriet er uns?
FERRANDO zu Fiordiligi.
Euch, edle Dame, Stolz von Ferrara,
Neigt sich in Demut der Ritter aus Zara.
GUGLIELMO zu Dorabella.
Hier, dieses Bildnis geb‘ ich dir wieder
Gib mir zum Tausche das Herzchen zurück.
BEIDE zu Despina.
Und dem magnetischen, pfiffigen Doktor
Sei Preis und Ehre und Dank gesagt.
FIORDILIGI, DORABELLA, DESPINA.
Himmel, was seh‘ ich? Ach, ich vergehe!
GUGLIELMO, FERRANDO, ALFONSO.
Ha! Das erstaunt Euch? Wie sie erbleichen!
FIORDILIGI, DORABELLA zeigen auf Alfonso.
Hier dieser Bösewicht hat uns verführt!
ALFONSO.
Ja, ich hab‘ Euch hintergangen,
Doch zum Vorteil Eurer Freunde,
Weisheit sollten sie erlangen,
Und Ihr habt sie klug gemacht.
Gebt die Hände, seid versöhnet,
Schnell umarmt Euch, seid vernünftig!
Lachen werdet Ihr dann künftig
Und ich selber lache mit!
FIORDILIGI.
Kannst du, Teurer, mir verzeihen!
DORABELLA.
Sieh‘, so schwör‘ ich dir aufs neue
Wahre Liebe, heil’ge Treue,
Bis mein Aug‘ im Tode bricht.
DESPINA.
Heut erfuhr ich schlimme Sachen,
Da vergehet mir das Lachen.
Diesmal konnten’s and’re besser,
Führten schlau mich hinters Licht.
FERRANDO.
Glauben will ich dir’s, Geliebte,
GUGLIELMO.
Und Beweise fordr‘ ich nicht!
ALLE.
Glücklich preis‘ ich, wer erfasset
Alles von der rechten Seite,
Der bei Stürmen niemals erblasset,
Wählt Vernunft als Führerin.
Was im Leben and’re weinen macht,
Ist für ihn ein Grund zum Lachen.
Drohn Gefahren noch so fürchterlich,
Wahrt er seinen heitern Sinn!

Indem die Paare mit Alfonso wieder an der Tafel Platz nehmen, fällt der Vorhang.