André-Ernest-Modeste Grétry
Richard Löwenherz
Komische Oper in drei Akten
Personen
Richard, König von England (Tenor)
Blondel, dessen Dienstmann (Tenor)
Florestan, Gouverneur des Schlosses Lintz (Baß)
Guillot, sein Bote (Tenor)
Williams, ein Landedelmann (Baß)
Mathurin, ein alter Bauer (Bariton oder Tenor)
Ein Seneschal, Haushofmeister,
Urban, Page (Tenor),
Peter, Page (Baß), in Diensten der Gräfin Margarete
Antonio, junger Mann, Blondels Führer und von Colette geliebt (Sopran)
Ein Bauer (Bariton)
Margarete, Gräfin von Flandern (Sopran)
Beatrix, ihre Kammerfrau
Laurette, Williams Tochter (Sopran)
Mathurin’s Frau (Mezzosoprau)
Colette, ein Bauernmädchen (Sopran)
Gefolge Margaretens, Landleute, Offiziere und Wachen
Scene: Vor dem Schlosse Lintz und im Hause Williams
Erster Akt.
Die Bühne stellt die Umgebungen eines durch Türme und Zinnen stark befestigten Schlosses dar. Es erhebt sich in einer unfreundlichen, von kahlen Bergen und dichtem Buschwerk begrenzten Gegend. Links der Eingang zu Williams Haus, einer Art Edelsitz; rechts eine steinerne Bank.
Nr. 1. Ouverture G moll. Allegretto. C dur und Introduktion G dur. Larghetto 6/8.
Es ist Abend. Landleute von der Arbeit heimkehrend, ihre Ackergeräte auf den Schultern, ihre Oberkleider über den Armen tragend, sammeln sich allmählich auf der Bühne an.
Erste Scene.
Bauern, Colette, dann Mathurin und seine Frau.
CHOR.
Gesang, Gesang,
Töne froh zum Preis der Alten!
Gesang, Gesang,
Lenke heimwärts unsern Gang!
Alle wißt ihr wohl schon,
Morgen wird Mathurin
Goldne Hochzeit hier halten?
Gut ist’s ausgedacht
Und man tanzet und lacht,
Wein wird vollauf gebracht.
COLETTE für sich.
Antonio, ich wette,
Daß er zur Frist,
Da gern ich hier ihn hätte,
Weit weg vom Dorfe ist.
CHOR zu Colette.
Hat man dir schon gesagt:
Morgen wird Mathurin
Goldne Hochzeit hier halten?
Ha, schön ist’s erdacht!
Mädchen scheucht alles Leid,
Tanzt und liebt ohne Neid
Und wir trinken erfreut.
Der Chor im Abgehen, mit gedämpfter Stimme.
Ja, wir werden es sehn,
Daß der Greis Mathurin,
Hocherfreut wird das Fest
Goldner Hochzeit begehn.
Und man singt, tanzt und lacht,
Wein wird vollauf gebracht.
Nach und nach ab.
Der alte Mathurin, seine Frau am Arme führend, tritt auf.
MATHURIN.
So soll’s denn geschehn,
Daß der Greis Mathurin,
Mit dir, seinem Weibchen, solch Fest darf begehn?
BEIDE.
Jetzt sind’s fünfzig Jahr, –
O glückliche Zeit! –
Daß Segen des Himmels stets mit uns war.
Andere Landleute sammeln sich wieder auf der Bühne.
MATHURIN UND FRAU.
Gesang,
Möge laute Lust entfalten!
Gesang, Gesang,
Scheuche jeden läst’gen Zwang!
Lieber Mann / Liebes Weib, morgen früh
Wird uns Freude wie nie,
Wenn den Tag goldner Hochzeit
Wir feiern allhie.
Und man tanzt dann und lacht,
Wein wird vollauf gebracht.
CHOR.
Gesang, Gesang etc.
Ab.
Zweite Scene.
Blondel sich blind stellend, von Antonio geführt.
BLONDEL trägt unter seinem großen Mantel eine Fidel. Antonio, hörte ich recht? Wurde hier nicht gesungen?
ANTONIO. Es war weiter nichts, alter Mann. Die Bauern kehrten singend von der Feldarbeit heim; die Sonne ist fast untergegangen.
BLONDEL. Wo sind wir jetzt, mein junger Freund?
ANTONIO. Wir sind nicht weit von einem mit dicken Mauern und festen Türmen umgebenen Schlosse. Ganz oben hält ein mit einer Armbrust bewehrter Soldat Wache.
BLONDEL. Ich bin sehr müde!
ANTONIO. Ei, setzt Euch doch auf diese Bank.
BLONDEL. Gern! Ich danke dir. Er setzt sich.
ANTONIO. Sie ist der Thüre eines Hauses gegenüber, das wie eine Meierei aussieht. Es scheint ein Edelhof zu sein.
BLONDEL. Schon gut, mein Junge. Erkundige dich, ob wir für diese Nacht Herberge hier finden können?
ANTONIO. Wollt Ihr hier bleiben?
BLONDEL. Ich habe keine Lust weiter zu gehen. Wenn man blind ist, bleibt man notgedrungen da, wo man aufgenommen wird. Geh also und kehre bald wieder zurück!
ANTONIO. Gleich bin ich wie er hier! Ihr habt mich ja so gut bezahlt, warum sollte ich Euch nicht gewissenhaft dienen? Doch Vater Blondel, ich habe etwas auf dem Herzen –
BLONDEL. Und das wäre?
ANTONIO. Daß – daß –
BLONDEL. Sprich, mein Sohn was ist’s?
ANTONIO. Daß – ach, ich in sehr ärgerlich darüber! – daß ich Euch morgen nicht werde führen können.
BLONDEL. Und warum denn nicht?
ANTONIO. Weil ich hier bei einer Hochzeit sein werde. Großvater und Großmutter feiern ihre goldene Hochzeit und mein Enkel, der ihr Bruder ist –
BLONDEL. Dein Enkel? Du hast einen Enkel?
ANTONIO. Nein, verzeiht! – Ihr Enkel, der mein Bruder ist, heiratet am selben Tage ein Mädchen aus der Nachbarschaft.
BLONDEL. Aber, mein Junge, wer wird mich dann morgen führen?
ANTONIO. Ich werde Euch einen Kameraden schicken, der allerdings ein wenig leichtfertig ist. Doch vorher werde ich es einzurichten wissen, daß man Euch bittet, uns während der Hochzeit zum Tanze aufzuspielen. Seid ohne Sorge!
BLONDEL. Du tanzest also gern?
Nr. 2. Couplets.
ANTONIO.
1) Der Tanz ist’s nicht, den gern ich übe;
Doch Niclas‘ Tochter macht mir Harm.
Schling um das Mädchen ich den Arm,
Erfüllen wonnevolle Triebe
Mir das Herz, ich glühe in Liebe.
Wie schön ist’s, bei ihr kosend stehn!
Leid thut Ihr mir, daß Ihr sie nicht könnt sehn.
BLONDEL.
Gewiß, mein Sohn, ich bin sehr zu beklagen.
ANTONIO.
2) Erst fünfzehn Jahr zählt sie, ich sechzehn.
Ah, wenn die Mama Nicolas
Bekäme Wind, wie schlimm wär das!
Doch noch kann ich zum Liebchen schleichen,
Lieb und Treu ihm zärtlich erzeigen
Und mit ihm traulich flüsternd stehn.
Leid thut Ihr mir, daß Ihr sie nicht könnt sehn.
BLONDEL.
Fahre fort, ich glaube sie zu erblicken.
ANTONIO.
Wie, Ihr seht sie? Ihr seid ja blind –
3) Wie reizend ist dies Kind der Aue,
Wenn es am Wege Beeren nascht
Und bunte Schmetterlinge hascht.
Ein Vogel kann nicht leichter fliegen,
Sie zu fangen, welch ein Vergnügen,
Und bei ihr, Küsse tauschend, stehn!
Leid thut Ihr mir, daß Ihr sie nicht könnt sehn.
BLONDEL. Geh jetzt, mein Sohn, damit ich endlich erfahre, wo ich die Nacht werde zubringen können.
Antonio ab.
Dritte Scene.
BLONDEL allein. Ja, das ist freilich ein starkes Schloß, weit von der Grenze, in einem wilden Lande, mitten in Sümpfen. Es scheint ganz dazu geeignet, Staatsgefangene aufzunehmen. Man sagt, man dürfe sich diesen Gräben und Mauern nicht nähern; dennoch werde ich’s versuchen. Einem alten, blinden Mann wird man weniger mißtrauen. Dem von Liebe beseelten Orpheus erschloß sich einst die Unterwelt, die Fallthore dieser Türme öffnen sich vielleicht den Tönen der Freundschaft.
Nr. 3. Arie.
O Richard, König mein,
Den die Welt haßt und meidet;
Ach! du hast in mir nur allein
Den Freund, der nie von dir sich scheidet.
Nur ich auf weitem Rund,
Ich halte treu den Bund,
Ich bin’s, der mit dir fühlt und leidet.
Auch die edle Dame, der du dein Herz
Geweiht, leidet tödlichen Schmerz.
O Richard, König mein, etc.
Monarchen, sucht doch Freunde euch
Nicht unter Ruhmes Lorbeerkronen,
Nein, wo im blühenden Gesträuch
Sel’ger Erinn’rung Wonnen wohnen.
Der Troubadour
Übt Liebe nur,
Hält Treue bis ans Ende,
Er hofft auf keines Lohnes Spende.
O Richard, König mein,
Den die Welt haßt und meidet,
Blondel nur, dein treuer Freund, er ist’s allein,
Der nimmermehr von dir sich scheidet.
Doch, ich höre Geräusch, es ist Zeit, meine Rolle wieder aufzunehmen. Er nimmt den Bart vor.
Vierte Scene.
Blondel. Williams, Guillot am Ohre ziehend, tritt auf; später Laurette.
GUILLOT schreiend.
Au! Au!
WILLIAMS.
Ich will dich lehren, heimlich Briefe an meine
Tochter zu bestellen.
GUILLOT.
Es geschah auf Befehl des Gouverneurs.
Nr. 4. Ensemble.
WILLIAMS.
Wie, dich schickt her der Gouverneur?
Wenn ich wüßt, daß mein Kind
Ihm schenken könnt Gehör? …
GUILLOT.
Ja, mich schickt her der Gouverneur;
Er hieß mich den Brief besorgen
Noch heute Morgen.
BLONDEL zur Seite.
Ha, wenn es wär der Gouverneur
Von diesem Schloß?
WILLIAMS.
Nie lauscht Laurette,
Nie, ich wette,
Dem Liebeswort des Gouverneur.
Zu Guillot.
Kehrst wieder du, bist du bedroht,
Nimm dich in Acht, von Todesnot.
GUILLOT.
Zankt nur und droht,
Stets merke ich mir Eu’r Gebot.
WILLIAMS.
Nun fort! –
Nie gibt Laurette,
Nie, ich wette,
Willig Gehör, –
Nein, nimmermehr, –
Dem Liebeswort des Gouverneur.
Mein Kind hält zu strenge auf seine Ehr –
Würb auch um sie der Gouverneur.
GUILLOT.
Mich schickte her der Gouverneur.
BLONDEL für sich.
Ihn schickte her der Gouverneur.
GUILLOT.
Kehrt ich zurück, wär es mein Tod,
Wie thöricht wär’s, zu stürzen mich in Angst und Not.
BLONDEL für sich.
Ha, wenn er’s wäre? Ach, welches Glück!
Zu Williams.
Thut ihm kein Leid,
Meidet den Streit!
Hört, lieber Freund, stört nicht den Frieden, haltet Ruh.
WILLIAMS zu Guillot.
Kehrst du zurück, kommst du in Not,
Ja selbst vom Tod wärst du bedroht.
Laurette tritt auf; sie macht Guillot ein Zeichen sich zu entfernen, worauf dieser sich sofort aus dem Staube macht.
Williams zu ihr.
Und siehst du wieder ihn je,
Den Gouverneur,
Fürcht meinen Grimm,
Es geht dir schlimm!
Dann lernt auch er,
Daß meine Streiche treffen schwer.
LAURETTE.
Das mir? So spricht zu mir mein Vater?
Ich sehe nie den Gouverneur.
Glaubet mir, mein Vater,
Nie weiche ich vom Pfad der Ehr.
WILLIAMS.
Ich dankte sehr für solche Ehr,
Drum schenke niemals ihm Gehör.
BLONDEL.
Beruhigt Euch, mein lieber Freund,
In Einigkeit bleibt stets vereint.
Fünfte Scene.
Williams. Blondel.
WILLIAMS zu Laurette. Gehe ins Haus! Laurette ab. Für sich. Sie sagt, daß sie ihn nie gesehen, nie gesprochen habe, und doch schreibt er ihr. Gern möcht ich wissen, was in dem Briefe steht, aber man schreibt jetzt auf eine Art, die ich nicht entziffern kann. Wenn jemand, – dieser Greis ist nicht aus dieser Gegend, – guter Alter, könnt Ihr lesen?
BLONDEL. Mein Gott, ja ich kann lesen.
WILLIAMS. Nun so lest mir diesen Brief.
BLONDEL. Wie gern thät ich’s, aber – ich bin ja blind. Die wilden Sarazenen haben mir mit glühender Klinge die Augen ausgebrannt. Doch, kommt da nicht ein Knabe?
WILLIAMS. Ja.
BLONDEL. Es ist mein Führer; er kann lesen und wird Euch alles sagen, was auf dem Papiere steht. Antonio bist du da?
Sechste Scene.
Vorige. Antonio.
ANTONIO auftretend. Ja, ich bin’s, Vater Blondel.
BLONDEL. Du bist lange ausgeblieben.
ANTONIO heimlich. Ach, ich bin ihr begegnet und habe ein wenig mit ihr geplaudert.
BLONDEL. Schon gut! – Komm, lies den Brief dieses Herrn. Er zeigt auf Williams, aber nach der entgegengesetzten Seite. lies sehr laut und deutlich. Vorwärts, mein kleiner Freund!
ANTONIO liest. »Schöne Laurette« –
WILLIAMS. »Schöne Laurette« – – Aha! so verdreht man jungen Mädchen den Kopf.
ANTONIO. »Schöne Laurette! Mein Herz, von Freude erfüllt, kann sich vor Entzücken nicht fassen über die Versicherung, die du mir gibst, mich immer lieben zu wollen«.
WILLIAMS. O unwürd’ge Tochter! Sie liebt ihn also!
BLONDEL. Stille, stille, beruhigt Euch! Zu Antonio. Fahre fort!
ANTONIO. »Wenn der Gefangene, den ich nicht verlassen kann …
WILLIAMS. Desto besser.
BLONDEL bei Seite. Der Gefangene! – –
ANTONIO. »Wenn der Gefangene, den ich nicht ver lassen kann, mir gestatten würde, während des Tages auszugehen, würde ich mich werfen – –
WILLIAMS. Würfe er sich doch in den Schloßgraben!
BLONDEL bei Seite. Den ich nicht verlassen kann! Zu Antonio. Lies weiter!
ANTONIO. »Würde ich mich zu deinen Füßen werfen; aber heute Nacht,« – Hier sind einige Worte verwischt. –
BLONDEL. Weiter!
ANTONIO. »Laß mir durch jemand sagen, um welche Zeit ich dich sprechen kann? Dein zärtlicher und treuer Geliebter und beharrlicher Ritter Florestan.«
WILLIAMS. Ah, verdammt, goddam!
BLONDEL. Goddam! Seid Ihr ein Engländer?
WILLIAMS. Ja wohl, ich bin einer.
BLONDEL. Kräftiges, prächtiges Volk! Doch wie kommt Ihr, ein geborner, tapfrer Brite, dazu, Euch mitten in Deutschland niederzulassen, in einem Lande, das, wie man sagt, so wild und unwirtlich ist?
WILLIAMS. Es würde Euch ermüden, wollt ich euch das auseinandersetzen. Hängen wir immer von uns selbst ab? Oft bedarf’s nur geringer Veranlassung, uns weit von der Heimat wegzuführen.
BLONDEL. Ihr habt Recht. Ich bin auch aus der Ile de France und doch bin ich jetzt hier. – Und aus welcher Provinz Englands seid Ihr?
WILLIAMS. Aus Wales.
BLONDEL. Ihr seid aus Wales? Ach, könnte ich doch die Freude haben, Euch zu sehen. Und wie kam’s, daß Ihr dies gute Land verließet?
WILLIAMS. Ich nahm am Kreuzzug nach Palästina Teil.
BLONDEL. Am Kreuzzug? Ich auch.
WILLIAMS. Mit unserm König …
BLONDEL. Mit unserm König Richard? Ich ebenfalls.
WILLIAMS. In die Heimat zurückgekehrt fand ich meinen Vater tot.
BLONDEL. Er war wohl sehr alt?
WILLIAMS. Nicht sein Alter war Ursache seines Todes. Ein benachbarter Edelmann hatte ihn getötet, eines Kaninchens wegen, das er auf dessen Felde erlegt hatte. Ich erfuhr dies nach meiner Ankunft, suchte sofort den Ritter auf und habe meines Vaters Tod durch den seinen gerächt.
BLONDEL. So sind also zwei wackre Männer eines Kaninchens wegen umgekommen?
WILLIAMS. Das ist nur zu wahr.
BLONDEL. Dann seid Ihr entflohen?
WILLIAMS. Ich war dazu genötigt. Das Gericht verschlang mein Hab und Gut, mein Schloß und Lehen; ich hatte nur noch ein Todesurteil zu erwarten. Hier aber fürchte ich nichts.
BLONDEL. Mein Herr, ich bitte meine vielen Fragen zu verzeihen.
WILLIAMS. Ich rede nicht ungern über all diese Dinge.
BLONDEL. Und habt Ihr während des Kreuzzugs den tapfern König Richard kennen gelernt, diesen Helden, diesen herrlichen Mann?
WILLIAMS. Freilich! ich habe ja unter ihm gedient.
BLONDEL. Ohne Zweifel habt Ihr .. – –
WILLIAMS. Verzeiht, ich habe jetzt zu thun. Ich glaube, es kommt die hohe Reisende, die ich erwarten muß. Ab.
Siebente Scene.
Blondel. Antonio. Laurette.
Antonio hat während des Gesprächs zwischen Blondel und Williams Brot aus seinem Quersack genommen und neben Blondel, der sich zu ihm auf die Bank gesetzt, zu essen begonnen.
LAURETTE aus dem Hause tretend, schüchtern zu Blondel. Ach, lieber Mann, sagt mir, was mein Vater zu Euch geredet hat.
BLONDEL. Seid Ihr die schöne Laurette?
LAURETTE. Ja, guter Alter!
BLONDEL. Euer Vater ist sehr böse auf Euch. Er weiß, was im Briefe des Ritters Florestan steht.
LAURETTE. Ja, Florestan, so heißt er! Hat man meinem Vater den Brief vorgelesen?
BLONDEL. Ich nicht, denn ich bin ja blind, aber hier, mein kleiner Führer, las ihn.
ANTONIO aufstehend. Ja, ich! Aber Ihr habt mir ja befohlen, daß ich lesen solle?
LAURETTE. Man hätte es nicht thun sollen.
BLONDEL. Er hätte sich ihn dann von jemand anderem vorlesen lassen.
LAURETTE. Das ist wahr. Und was stand in dem Briefe?
BLONDEL. Daß, hielte ihn nicht der Gefangene, den er bewachen muß, zurück … Doch wer ist dieser Gefangene?
LAURETTE. Man weiß nicht, wer er ist.
BLONDEL. Daß, hielte ihn nicht der Gefangene, den er bewachen muß, zurück, er kommen würde, um sich zu Euren Füßen zu werfen.
LAURETTE. Armer Ritter!
BLONDEL. Aber heute Nacht ….
LAURETTE. Heute Nacht? – Ach ja, heute Nacht! – Sie seufzt und versinkt in Nachdenken.
Nr. 5. Arie.
Ich fürchte Nachts zu sprechen ihn,
Denn heiße Glut füllt seinen Sinn.
Er sagt mir: »Dich nur lieb ich!« Und ich, ach, weiß es ja,
Wie sehr, spricht auch das eigne Herz, man hat zu wachen da,
Wenn dann meine Hand leis er drücket,
Wie fühl ich mich beglücket!
Ich möcht ihn fliehn, doch kann ich nicht,
Entzückt lausch dem ich, was er spricht.
BLONDEL. Ihr liebt ihn also sehr, schöne Laurette?
LAURETTE. Ach, mein Gott, ja ich lieb ihn sehr!
BLONDEL. In der That, Euer Geständnis ist so kindlich, daß ich nicht unterlassen kann, Euch einen Rat zu geben.
LAURETTE. Sprecht, sprecht! Ich kenne hier niemand, dem ich vertrauen könnte; aber Eure Miene, Euer Alter, und dann könnt Ihr mich nicht sehen, das alles ermutigt mich, mit Euch zu reden und läßt mich, glaub ich, weniger erröten.
BLONDEL. Nun wohl, schöne Laurette – – –
LAURETTE. Aber, wer hat Euch gesagt, daß ich schön bin?
BLONDEL. Für mich armen Blinden liegt die Schönheit einer Frau im Zauber und milden Klang ihrer Stimme. – Ich will Euch also sagen, daß wenn Herren hohen Rangs sich in ein Mädchen von geringerem Stande verlieben, sie oft weniger von ihrer Schönheit und ihrem Seelenadel bezaubert werden, als von ihrer Abkunft, und da machen sie sich manchmal kein Gewissen daraus, sie zu täuschen.
LAURETTE. Aber meines Vaters Adel ist so alt als der seine.
BLONDEL. Weiß er das?
LAURETTE. Ohne Zweifel. Obgleich mein Vater jetzt nur ein sehr bescheidenes Auskommen hat, haben wir doch immer unserm Stande angemessen gelebt; und hätte ich nicht seine Heftigkeit gefürchtet, eine Heftigkeit, die ihn glücklicherweise zwang, sich in diesem Lande niederzulassen, ich würde ihm des Ritters Absicht längst anvertraut haben.
BLONDEL. Er ist gewiß der Gouverneur dieses Schlosses?
LAURETTE. Ja.
BLONDEL. Und da Ihr kein Vertrauen zu Eurem Vater fassen könnt, werdet Ihr heute Nacht den, welchen Ihr liebt, sehen und sprechen? Hört mir zu, ich sing Euch ein Liedchen:
Nr. 6. Lied.
Stets, wenn eine Binde dicht
Hüllet Amors Augenlicht,
Dann ist zweifellos gemeinet,
Daß des schelmschen Gottes List
Schlimmer und gefährlicher ist,
Sobald er blind erscheinet.
LAURETTE.
O wiederholt, ich bitt Euch,
Diesen Vers sogleich!
Ich heg ihn treu in meinem Sinn
Und singe dann dem Ritter ihn.
BLONDEL.
So merket denn:
BEIDE.
Stets, wenn eine Binde dicht etc.
LAURETTE. Ach, da kommen, Gott weiß, wie viele Leute an, Pferde und Wagen. Es ist gewiß die vor nehme Dame, die hier bei uns für diese Nacht bleiben wird. Ich eile hin!
BLONDEL. Hört doch, schöne Laurette, ich muß Euch etwas sagen.
LAURETTE. Von ihm?
BLONDEL. Nein.
LAURETTE. Dann macht schnell!
BLONDEL. Könnte ich wohl für heute in Eurem Hause Herberge finden?
LAURETTE. Das ist unmöglich! Mein Vater hat auf eines alten Freundes Bitte sein ganzes Haus für heute Nacht einer vornehmen Dame abgetreten und ohne ihre Erlaubnis dürfen wir nicht über den kleinsten Platz verfügen. Aber morgen .. – lebt wohl! Ab.
BLONDEL. Wohlan, gedulden wir uns! …. Antonio!
ANTONIO. Ihr ruft mich?
BLONDEL. Gehe und sieh dich um, ob wir in der Nähe nicht anderswo Unterkommen finden können.
Antonio ab.
Achte Scene.
Margarete, Gräfin von Flandern und Artois, von Williams geleitet, mit Gefolge aller Art, Rittern und Dienern. Sie verläßt, auf den Arm einer Kammerfrau gestützt, ihre Sänfte und geht, von ihren Frauen begleitet, denen sie Befehle erteilt, gegen den Vordergrund.
Margarete. Blondel.
BLONDEL für sich. Himmel, was seh ich! Es ist die Gräfin von Flandern, es ist Margarete, der Gegenstand der zärtlichen und trostlosen Liebe des unglücklichen Richard. Das Zusammentreffen mit ihr kann ich nur als gute Vorbedeutung, ja als himmlische Fügung ansehen. Doch, vielleicht täusche ich mich? Aber ich werde sofort erkennen, ob sie es wirklich ist. Margarete wird ihre Seele den schmeichelnden Eindrücken einer Melodie nicht verschließen können, die ihr Geliebter einst in glücklicheren Tagen für sie erdachte. Er spielt auf seiner Geige die ersten Takte der Weise: »Mich brannt ein heißes Fieber«. Margarete steht erstaunt still, lauscht und nähert sich.
MARGARETE. O Himmel, was hör ich! …. Guter Mann, wer hat Euch diese Weise, die Ihr so gut spielt, gelehrt?
BLONDEL. Madame, ich habe sie von einem tapfern Knappen gelernt, der aus dem heiligen Lande zurückkam und sie dort oft von König Richard singen hörte.
MARGARETE. Er hat Euch die Wahrheit gesagt.
BLONDEL. Aber, Madame, die Ihr eines Engels Stimme habt, seid Ihr nicht die vornehme Dame, die, wie man mir sagte, das hier in der Nähe befindliche Haus bewohnen soll?
MARGARETE. Ja, wackrer Mann.
BLONDEL. Habt Mitleid, ich bitte Euch, mit einem armen Blinden und erlaubt ihm diese Nacht an einem Platze zuzubringen, an dem er gewiß niemand belästigen wird.
MARGARETE. Recht gern! Doch müßt Ihr mir die Melodie, die Ihr soeben spieltet, wiederholen.
BLONDEL. O, so oft es Euch gefällt!
MARGARETE zu ihren Leuten. Ich empfehle Euch diesen guten Greis.
Williams gibt Margareten die Hand, um sie zum Hause zu führen; sie stützt sich auf Beatrix‘ Arm. Blondel spielt nochmals. Aufmerksam hörend, geht sie langsam ab. Während Blondel jetzt die Melodie variirt, laden die Leute das Gepäck der Gräfin ab. Dann setzt man einen großen Tisch vor die Thüre und stellt Wein und Gläser darauf.
Neunte Scene.
Blondel. Antonio. Diener.
EIN DIENER zu Blondel. Alloons, Alter, setzt Euch zu uns Ein guter Trunk wird Euch wohl thun.
BLONDEL. Antonio!
ANTONIO. Hier bin ich!
BLONDEL ihm sein Glas reichend. Komm, trinke, mein Sohn, trinke! Man schenkt Blondel ein zweites Glas ein. Nachdem er getrunken. Ich danke euch, meine Freunde! Aber ich will meine Zeche bezahlen.
DIENER. So, womit denn?
BLONDEL. Mit einem Lied und ihr müßt den Chor dazu singen.
DIENER. Wohlan, das ist ein lustiger Mann. Kourage, Alter!
Nr. 7. Lied mit Chor.
BLONDEL spielend und singend.
1) Wenn der Sultan Saladin
Mauern um sein Schloß läßt ziehn,
Daß ihm keine kann entlaufen
Aus dem reizgeschmückten Haufen,
Der da ist allein für ihn,
thu er das, thu er das!
Mir verdirbt es nicht den Spaß;
Denn wie Gregor werd stets ich sagen:
Wein stärkt den Magen!
CHOR.
Ja, mit Gregor wollen wir sagen:
Wein stärkt den Magen!
BLONDEL.
2) Wenn nun gar ein hoher Herr
Läßt sein Schloß, um überm Meer
Bei dem Kreuzzug mitzustreiten,
Doch zuvor seinen treusten Leuten
Anvertraut des Weibchens Hut –
’s ist gut! ’s ist gut!
Mir erregt das nicht das Blut.
Ich, wie Gregor, werde stets sagen:
Wein stärkt den Magen!
CHOR.
Wir, mit Gregor, wollen stets sagen:
Wein stärkt den Magen!
EIN HAUSHOFMEISTER DER GRÄFIN. Macht ein Ende nun! Es kommt die gnädige Frau, die sich in ihre Gemächer zurückzuziehen wünscht.
DIENER. Also der Schluß! Singt noch einen Vers, Vater!
BLONDEL.
3) Mag entfernt von Engeland
Kämpfen für das heilge Land
König Richard voll Gefahren,
Mit der Heiden wilden Scharen,
Schmachtend in der Sonne Brand, –
’s ist gut! ’s ist gut!
Er muß wissen, was er thut.
Ich, wie Gregor, werd immer sagen:
Wein stärkt den Magen!
CHOR.
Wir, mit Gregor, werden stets sagen:
Wein stärkt den Magen!
Alle erheben sich.
BEATRIX kommend. Hört doch endlich auf! Madame hört euch bis in ihr Gemach.
Blondel, sich verstellend, thut, als wäre sie ein junger Mensch, gegen den er sich plumpe Späße gestatten darf. Man bringt Lichter. Antonio geht mit Blondel ab.
Zweiter Akt.
Das stark befestigte Schloß Lintz. Im Vordergrunde der Bühne ist eine mit einem Eisengitter umgebene, so eingerichtete Terrasse, daß Richard, der hier gefangen gehalten wird, den Hintergrund nicht übersehen kann. An der Seite rückwärts befindet sich ein durch eine Brustwehr geschützter Graben. Auf der Terrasse erscheinen später Richard, auf der Brustwehr Blondel. Das in der Tiefe noch dunkle Theater erhellt sich allmählich; die Morgenröte folgt der Dämmerung. Während des Marsches erscheinen Soldaten auf der Terrasse, andere kommen aus dem Thore, um die Runde um die Außenwerke zu machen.
Nr. 8. Zwischenakt.
Nachtrunde. Larghetto. Es dur.
Erste Scene.
Der König und Florestan auf dem abgegrenzten Teile der Terrasse.
FLORESTAN. Die Morgenröte bricht an, benützt sie, Sire, für Eure Gesundheit. In einer Stunde muß ich Euch wieder einschließen.
RICHARD. Florestan!
FLORESTAN. Sire?
RICHARD. Eure Zukunft liegt in Euren Händen.
FLORESTAN. Ich weiß es, Sire, aber meine Ehre ….
RICHARD. Ist einem Treulosen, einem Verräter verpfändet.
FLORESTAN. Einem Verräter? Wär er’s, ich würd ihm nicht dienen. Nein, nein! gewiß nicht, könnte ich ihn für treulos halten. Ab.
RICHARD. Aber Florestan?
Zweite Scene.
RICHARD allein. Großer Gott! Welch unheilvoller Schicksalsschlag! Mit Lorbeern bedeckt, die ich mir in Palästina erkämpfte, auf der Höhe des Ruhms, in vollster Lebenskraft sehe ich mich hier, wie ein Verbrecher, hinter Kerkermauern begraben!
Nr. 9. Arie.
Mag alle Welt mich auch verlassen,
Verkennen mich, mich schmähn und hassen,
Eins lenkt den Blick mir himmelwärts.
Er zieht ein Portrait Margaretens hervor und betrachtet es.
Holdes Bild meiner süßen Freundin,
Gib mir Trost und erfreue mein Herz!
Komm, beruh’ge mild meinen Schmerz!
Läßt man im Unglück mich allein,
O Tod, eile, mich zu erretten!
Mir schwand jeder Hoffnung Schein,
O Tod, komm, löse meine Ketten!
Nimmer werd ich glücklich sein.
Soll einstger Macht ich jetzt gedenken?
Mich ganz in Erinnrung versenken?
Ach, es vermehrt nur meine Pein.
Er setzt sich, stützt den Arm auf einen Stein und versinkt in tiefes Nachdenken.
Dritte Scene.
Richard, Blondel, Antonio.
BLONDEL außerhalb der Brustwehr. Guter Junge, laß uns hier Halt machen. Ich atme so gern diese frische und reine Luft, die den Sonnenaufgang verkündet. Wo sind wir jetzt?
ANTONIO. Vor der Brustwehr der Festung, wohin ich Euch führen sollte.
BLONDEL. Es ist gut. Er versucht, sich auf die Brustwehr zu schwingen.
ANTONIO. O wagt nicht, sie zu ersteigen. Wie leicht könntet Ihr in den großen mit Wasser gefüllten Graben fallen und ertrinken.
BLONDEL. Danach gelüstet mich nicht. – Hier, mein Sohn, hast du Geld; hole uns etwas zum Frühstück.
ANTONIO. Aber Ihr gebt mir zu viel.
BLONDEL. Was übrig bleibt, gehört dir.
ANTONIO. Ich danke Euch. Ab.
BLONDEL. Wenn du zurückkehrst, werden wir unsern Spaziergang fortsetzen. Ohne Zweifel sind die Felder immer noch so schön, wie ich sie einst sah. Seit mein Augenlicht erlosch, hab ich immer noch meine Freude dran, sie mir vorzustellen. Du antwortest nicht? Ach, er ist fort!
Vierte Scene.
Richard, Blondel.
RICHARD auf der Terrasse. Ein Jahr, ein ganzes Jahr ging vorüber, ohne daß ich Trost empfing und noch vermag ich das Ende des Unglücks, das mich so sehr niederbeugt, nicht abzusehen.
BLONDEL auf der Brustwehr. Wenn er hier wäre? …. Die Ruhe des Morgens, die Stille dieses Ortes könnten es möglich machen, daß meine Stimme bis zu ihm dringt. Und ist er hier, wie kann er anders als freudig überrascht sein, wenn er die Romanze hört, zu der ihn einst die Liebe begeisterte. Dichter, Liebender, Unglücklicher! Wie viele Ursachen seiner stets zu gedenken!
RICHARD. Der Thron, die Größe, die höchste Macht, sie vermögen also nichts gegen ein solches Unglück? Und Margarete! Margarete! Blondel stimmt seine Geige und beginnt die ersten Takte der Melodie zu singen und zu spielen. Welche Töne! O Himmel! Wär’s möglich, daß ein Lied, das ich für sie erdachte, bis hierher dringen könnte? Wir wollen lauschen!
Nr. 10. Romanze.
BLONDEL.
Mich brannt ein heißes Fieber,
Die Hoffnung war entflohn, ….
RICHARD.
Welche Töne! Welche Stimme! Ich kenne sie –
BLONDEL.
Ich ging, so schien mirs, schon
Ins Reich der Schatten über.
Da nahte sich mein Liebchen mir,
Und neues Glück kehrte mit ihr;
Während des Gesanges drückt Richard alle Grade der Überraschung, Freude und Hoffnung aus und setzt das Lied dann also fort.
RICHARD.
Ins Meer der Wonne tauchen
Mich ihre Blicke gleich,
Ein Strahl aus ihren Augen
Ist mir das Himmelreich.
Blondel ist lauschend näher getreten. Während des Gesanges bezeugt er lebhafteste Freude, nun endlich den lange Gesuchten gefunden zu haben.
BLONDEL.
In finstern Kerkermauern
Gefesselt liegt der Leu,
Und jeden Tag aufs neu
Muß fern von ihm ich trauern.
RICHARD.
Himmel, es ist Blondel!
Von Margarete einen Blick,
Ich wünschte mir kein süßres Glück.
BEIDE.
Ins Meer der Wonne tauchen,
Mich / Ihn ihre Blicke gleich,
Ein Strahl aus ihren Augen,
Ist mir / ihm das Himmelreich.
Blondel spielt den Refrain. Er tanzt und hüpft und äußert seine Freude auf jede Art. Plötzlich treten Soldaten, die seine Geige gehört, aus einem Ausfallthor und ergreifen ihn. Der Tambour im Fort schlägt an. Der Gouverneur, zu Richard tretend, veranlaßt denselben sich zurückzuziehen. Das Thor der Terrasse wird geschlossen. Blondel über die Zugbrücke in die Festung geführt, erscheint nun vorn auf der Scene.
Fünfte Scene.
Blondel, Soldaten.
Nr. 11. Ensemble.
SOLDATEN.
Sag an, kennest du
Den, der das Lied dir sang zu?
Wirst du Antwort schnell uns geben?
Sprich, es geht dir sonst ans Leben!
BLONDEL sich erschrocken stellend.
Ohne Zweifel, ein Wandrer sang,
Der da kam des Wegs entlang.
SOLDATEN.
Schnell ins Gefängnis führt ihn fort!
Er besinnet sich wohl dort.
BLONDEL.
Ihr Herrn, seid zornig nicht;
Bedenkt, mir fehlt der Augen Licht.
Krieger Saladins, wutbethört,
Sie haben einst, hört, o hört!
Mir die Sehkraft ganz zerstört.
SOLDATEN.
Zu gute kommt dir dies fürwahr.
Sähen deine Augen klar,
Stünd dein Leben in Gefahr.
Schnell ins Gefängnis, fort von hier,
Dort sing deine Lieder dir.
BLONDEL.
Ach, ihr Herrn, so höret doch!
Mit Nachdruck.
Ich kam deswegen nur hierher,
Zu sprechen den Herrn Gouverneur,
Wichtige Kunde aus dem Reich,
Muß er wissen alsogleich.
SOLDATEN zu einem herbeikommenden Offizier.
Hört doch, er sagt, er kam hierher,
Zu sprechen den Herrn Gouverneur.
Wicht’ge Kunde aus dem Reich,
Müßt erfahren er sogleich.
Der Offizier geht den Gouverneur zu benachrichtigen, nachdem er zuvor den Soldaten Befehl gegeben, Blondel zu bewachen.
Hier kommt unser Herr.
Blondel äußert heimlich seine Freude darüber.
Leise zu Blondel.
Doch sei’s dir gesagt,
Nimm dich in Acht:
Es spaßt nicht viel,
Ist Trug dein Ziel,
Der Gouverneur.
Sechste Scene.
Vorige, Florestan mit dem Offizier.
EIN SOLDAT. Hier ist der Herr Gouverneur.
BLONDEL. Wo ist der Herr Gouverneur?
FLORESTAN. Hier bin ich.
BLONDEL. Auf welcher Seite? Wo?
FLORESTAN ihn am Arme fassend. Hier!
BLONDEL. Ich habe Euch eine wichtige Mitteilung zu machen.
FLORESTAN. Nun wohl, um was handelt sich’s? Aber versuche nicht, mich zu belügen oder hinzuhalten. Dein Leben wäre augenblicklich verwirkt.
BLONDEL. Ach, gnädger Herr, wenn man blind ist, ist’s so schlimm, als wenn man schon halb tot wäre. Wie dürfte ein armer Blinder es wagen, Euch zu täuschen?
FLORESTAN. Wohlan, sprich!
BLONDEL. Sind wir allein?
FLORESTAN. Ja! Zu den Soldaten. Zieht euch zurück!
BLONDEL. Gnädger Herr, die schöne Laurette ….
FLORESTAN. Sprich leise!
BLONDEL. Die schöne Laurette hat mir den Brief vorgelesen, den Ihr derselben geschrieben habt. Ihr erseht daraus, daß ich von ihr geschickt bin. Ihr sagt, daß Ihr Euch zu ihren Füßen werfen wollt und bittet sie um eine Zusammenkunft für heute Nacht.
FLORESTAN. Weiter, mein Freund!
BLONDEL. Nun, gnädger Herr, hat sie mir aufgetragen, Euch zu sagen, daß Ihr, wenn Ihr wirklich wollt, kommen könntet.
FLORESTAN. Wie, ich dürfte kommen?
BLONDEL. Bei ihrem Vater weilt heute eine Dame hohen Ranges, die, aus Freude über eine empfangene wichtige Nachricht, den Leuten auf ihre Kosten die ganze Nacht zu essen, zu trinken, zu tanzen und zu lachen geben wird. Ihr könntet nun unter irgend einem Vorwande auch hinkommen, sie wird dann schon Gelegenheit finden, Euch zu sprechen.
FLORESTAN. Und um mir all dies sagen zu können, hast du hier gesungen?
BLONDEL. Ja, um zu Euch geführt zu werden, hab ich auf meiner Geige gespielt.
FLORESTAN. Gut, sag ihr, daß ich kommen werde. Aber sich eines Blinden zu bedienen, um einen Auftrag auszuführen, das ist zu reizend. Geh jetzt!
BLONDEL. Aber Herr Gouverneur! Herr Gouverneur!
FLORESTAN. Nun?
BLONDEL. Ach, Ihr seid jetzt auf dieser Seite. Damit man keinen Argwohn schöpfe über meine Sendung, scheltet mich tüchtig und jagt mich mit harten Worten fort.
FLORESTAN. Du hast Recht! Bei Seite. Der Schlingel hat Verstand.
Siebente Scene.
Die Vorigen, dann Antonio der einen Laib Brot an seinen Stock ange spießt hat.
Nr. 12. Finale.
BLONDEL.
Ach, gnädger Herr!
FLORESTAN.
Nur gemach!
Was von dir ich hab gehört,
Es war des Lärmens nicht wert.
BLONDEL auf die Soldaten zeigend.
Diese haben Euch gestört.
Laßt Euer Herz mein Flehn erweichen!
FLORESTAN UND DIE SOLDATEN.
Welche Frechheit! Wirst du schweigen!
Nur Geduld und man wird dir zeigen,
Daß wer, wie du, die Garnison
Setzt in Allarm, findet nicht Pardon.
BLONDEL.
Pardon! Pardon!
Nie dacht ich dran, zu insultieren
Die Garnison.
ANTONIO kommt und fleht kniefällig.
Ach, ihr Herrn,
Laßt Mitleid euer Herz erweichen!
Das Heidenvolk, – wißt ihr nicht? –
Hat grausam diesem armen Wicht,
Einst zerstört der Augen Licht.
SOLDATEN.
Zwar schlimm ist’s, was der Junge spricht,
Aber kümmern kann’s uns nicht.
Hätt er noch sein Augenlicht,
Stürb er sofort, der arge Wicht.
Uns bewegt nicht seine Qual,
Und all dein Jammern rührt uns nicht.
ANTONIO weinend.
Laßt Mitleid euch das Herz erweichen!
BLONDEL zu Antonio.
Komm, weine nicht, wir ziehen fort.
Zu den Soldaten.
Nehmt, ihr Herrn, mein Wort:
Nimmer lenk ich mehr,
Zög’s mich auch sehr,
Die Schritte her
An diesen Ort.
SOLDATEN.
Geh und mach dich fort!
Doch von Süd noch Nord
Lenke nimmermehr
Die Schritte her
Und hüt dich sehr, –
Merk unser Wort! –
Vor diesem Ort.
Blondel und sein Führer werden über die Zugbrücke aus dem Schlosse geleitet. Florestan und die Soldaten kehren durch das Thor in dasselbe zurück.
Dritter Akt.
Großer Saal im Hause Williams.
Erste Scene.
Blondel und Urban und Peter, zwei Pagen der Gräfin.
Nr. 13. Trio.
BLONDEL.
Ich muß sie sehn,
Ihr Wichtges sagen,
Wollt mir rasche Botschaft tragen.
Geh, Freund Urban! Geh, lieber Peter!
DIE PAGEN spottend.
Er muß, er muß! –
Es kann nicht sein, auch nicht ein Wort,
Denn wir müssen fort.
Beide reisen wir im Moment.
BLONDEL.
Gott! Wie, im Moment?
DIE PAGEN.
Ja, im Moment.
BLONDEL in seiner Tasche suchend.
Hier habt ihr Gold!
Helft, sie mir sehn nur einen Moment.
DIE PAGEN sich beratend, bei Seite.
Wie, Gold?
Wartet doch! Aber wie?
Wie, wenn der Dame, die sie begleitet,
Man seine Bitte unterbreitet?
Zu Blondel.
Im Augenblick?
BLONDEL.
Im Augenblick!
Geh, Freund Urban! Geh, lieber Peter!
Den gleichen Teil bekommt ein jeder.
O helfet mir,
Daß nur ein Wort,
Ich sprech mit ihr,
Jedoch sofort.
DIE PAGEN.
Er muß mit ihr sprechen –
Wie fangen wir’s an, daß er spricht mit ihr sofort?
Glücklich wird er sein,
Kann er sagen ihr ein Wort.
Gehen wir hinein,
Ehe sie verläßt diesen Ort,
Sie gönnt ihm vielleicht ein Wort.
BLONDEL.
Ich bin schon dankbar für ein einzges Wort,
Nur sorgt, daß ich die Dame sprechen kann sofort.
Ab.
Zweite Scene.
Die Gräfin. Beatrix. Williams. Der Seneschal. Ritter.
Beatrix tritt vor der Gräfin und ihren Kavalieren auf. Urban und Peter sprechen leise mit ihr und gehen dann mit ihr fort. Eine andere Kammerfrau bleibt bei der Gräfin.
MARGARETE. Sir Williams, ich sage Euch für den mir zu Teil gewordenen freundlichen Empfang verbindlichsten Dank.
WILLIAMS. Ach, beliebte es Euch doch, länger hier zu verweilen.
MARGARETE. Es kann nicht sein.
SENESCHAL. Madame, alles ist zu Eurer Abreise bereit.
MARGARETE. Ritter, diesen Abend wird meine Reise beendet sein. Es fällt mir schwer, euch zu sagen, was sie beendet.
SENESCHAL. Sprecht doch, was ist’s, Madame?
MARGARETE. Ich werde fortan mein Leben in klösterlicher Zurückgezogenheit verbringen.
SENESCHAL. Wie, Madame?
MARGARETE. Ein tiefer Kummer, der mich lange schon unfähig macht, mich ganz dem Glücke meiner Unterthanen zu widmen, veranlaßt mich dazu. Ich will, Ritter, diesem Schreiben noch einige Worte beifügen. Ihr werdet es alsdann den versammelten Landständen vorlegen. Es enthält meinen letzten Willen.
Dritte Scene.
Die Vorigen, Beatrix.
BEATRIX. Madame …..
MARGARETE. Was willst du?
BEATRIX. Der alte Mann, dem Ihr erlaubtet die Nacht hier zuzubringen und der wunderbarer Weise plötzlich nicht mehr blind ist…..
MARGARETE. Nun und …
BEATRIX. Er bittet um die Ehre, Euch eine wichtige Mitteilung machen zu dürfen.
MARGARETE. Was will er? O Himmel! –
BEATRIX. Ich sagte ihm, daß Ihr sehr traurig wäret; er antwortete mir: Ich werde sie aufheitern, wenn ich mit ihr sprechen darf. Blondel singt hinter der Scene die bekannte Melodie. Hört Ihr seine Stimme, Madame? Er weiß sehr schön zu singen.
MARGARETE. Er mag kommen! Vielleicht hat er dies Lied aus dem Munde Richards selbst vernommen. Zu den Rittern. Ihr werdet den Zusatz so schreiben, wie ich ihn euch diktiren werde.
Vierte Scene.
Die Vorigen, Blondel.
MARGARETE. Nun wohl, guter Mann, man meldet mir, daß Ihr mich zu sprechen wünscht.
BLONDEL. Ja, Madame! Ach, es ist so schwer den Vornehmen nahe zu kommen, selbst wenn man ihnen einen Dienst erweisen will.
BEATRIX. Wer lehrte Euch das Lied, das Ihr soeben sangt?
BLONDEL zu Margarete. Das kann ich nur Euch sagen. Beatrix tritt zurück.
MARGARETE. Gestern waret Ihr blind?
BLONDEL. Ja, Madame, aber der Himmel hat mir das Augenlicht zurückgegeben und wie kann ich ihm genug für die Gnade danken, daß er mich das Glück genießen läßt, Euch Madame, Margarete, Gräfin von Flandern und Artois, meine Verehrung darzubringen.
MARGARETE. Wie, Ihr kennt mich?
BLONDEL. Ja, Madame! Erkennet nun aber auch Ihr Euern Diener Blondel.
MARGARETE. Wie, Ihr seid es, Blondel? Ihr waret mit dem Könige? Wo habt Ihr ihn verlassen?
BLONDEL. Der König, der König, den ich seit einem Jahre suche, der König, Madame, lebt nur hundert Schritte von hier entfernt.
MARGARETE. Der König ….
BLONDEL. Schmachtet in dem Schlosse gefangen, das Ihr von diesem Fenster aus sehen könnt. Ich sprach heute Morgen mit ihm, ohne ihn aber sehen zu können.
MARGARETE. Großer Gott! Ach Blondel! Ritter!
BLONDEL. Madame, bedenkt, was Ihr thut!
MARGARETE. Was hätte ich zu befürchten? Dies sind meine mir ergebenen Ritter und Sir Williams ist ein Engländer. Das Gefolge nähert sich.
Nr. 14. Ensemble.
BLONDEL.
Ja, Ritter, hier, hemmt eure Fahrt,
In diesem Schlosse schmachtet Richard.
ALLE.
Was saget Ihr? Der König Richard?
BLONDEL.
In diesem Schlosse wird er verwahrt.
ALLE.
Wie ward Euch dies geoffenbart?
Wer sagt es Euch?
MARGARETE.
Woher wisset Ihr, daß er hier lebt?
BLONDEL.
Durch mich! In diesem schlechten Kleid
Naht dem Thurme ich zur Morgenzeit.
Sein Lied drang tief in meine Seele,
Ich hörte es, glaubt, was ich erzähle.
MARGARETE.
Ach, wär es wahr, daß er hier lebet?
Großer Gott, mein Herz erbebet
Vor Freude und Ergriffenheit!
ALLE.
Güt’ger Gott! Nun endet alles Leid.
Vorwärts denn, endet, was begonnen!
Voran!
BLONDEL.
O seid besonnen!
MARGARETE.
Was thun nun? Noch ist nichts gewonnen.
Blondel nimmt seinen Bart ab.
Ha, Blondel hier!
ALLE.
Blondel hier!
CHOR.
Ja Blondel ist’s, der treue Mann,
Zu Kampf und Sieg führ er uns an.
MARGARETE.
Vorwärts denn, endet, was begonnen!
Blondel ists, der treue Mann.
BLONDEL.
Sprecht nicht von dem, was ich gethan.
Blondel ist unter euch, geht euch voran!
MARGARETE. Ritter, Sir Williams und Ihr, lieber Blondel, beratet, was zu thun ist, um den König zu befreien. Die Freude, die Überraschung …. alles hat mich so aufgeregt, daß ich nicht ruhig überlegen kann. Verfügt über meine ganze Macht und beschäftigt euch nur mit mir und meinem Glücke. Auf den Arm ihrer Frauen gestützt, ab.
Fünfte Scene.
Alle, ohne Margarete.
SENESCHAL. Das Unglück Richards war Ursache all ihres Kummers.
BLONDEL. Ritter! Sir Williams! die Zeit ist kostbar, laßt uns überlegen, welche Mittel uns zu Gebote stehen, Richard zu befreien. Zuerst gilt’s zu erfahren, wer der Mann ist, der ihn bewacht. Williams, kennt Ihr ihn?
WILLIAMS. Nur zu gut.
BLONDEL. Vermag Bestechung etwas über ihn?
WILLIAMS. Nein!
BLONDEL. Oder die Furcht?
WILLIAMS. Noch weniger.
BLONDEL. Das ist ein seltener Mann. Hört, was ich Euch vertraue. Der Gouverneur wird hierher kommen, um mit Eurer Tochter zu sprechen.
WILLIAMS. Mit meiner Tochter?
BLONDEL. Ja, er weiß, daß Ihr heute Abend ein Fest gebt.
WILLIAMS. Ich?
BLONDEL. Ja, Ihr! Laßt augenblicklich alles herrichten, um die Hochzeitsleute, die sich in der Nachbarschaft vergnügen, fröhlich empfangen zu können. Ich habe sie in Eurem Namen bereits ein geladen.
WILLIAMS. Hochzeitsleute? Ein Fest? Er weiß, daß ich nie Feste gebe und von wem hätte er das alles erfahren?
BLONDEL. Von mir.
WILLIAMS. Von Euch? Und wie war das möglich?
BLONDEL. Kurz und gut, er weiß es; ich erzähl’s Euch später. Verlieren wir jetzt keinen Augenblick mehr. Er wird hieher kommen in der Hoffnung, Gelegenheit zu finden, die schöne Laurette zu sehen.
WILLIAMS. Er soll es nur wagen, mit ihr zu sprechen!
BLONDEL. Ja, er wird mit ihr sprechen! Aber im selben Moment wird er sich von den Leuten der Gräfin umringt sehen und aufgefordert werden, den König auszuliefern. Weigert er sich dann, so brauchen wir Gewalt.
SENESCHAL. Ja, Gewalt! Waffnen wir uns, stürmen wir das Schloß!
WILLIAMS. Das Schloß erstürmen? Was vermögen zwanzig bis dreißig nur mit Lanzen oder Schwertern bewaffnete Männer gegen hundert Mann Besatzung in einem starken Schloß?
SENESCHAL. Zwanzig oder dreißig Mann? Und die Soldaten, die der Gräfin bis hierher zum Geleite dienten und die im nahgelegenen Walde unsre Rückkehr erwarten? Ich werde sie vorrücken las sen. Und dann, was vermag nicht die Tapferkeit, unser Beispiel und der Wunsch, unsern König befreit zu sehen?
BLONDEL. Mein lieber Seneschal, Ihr gebt mir das Leben wieder! Wäre einer unter uns, der sich nicht willig für eine so schöne Sache opferte? Williams, König Richard ist im Gefängnis und Ihr seid ein Engländer!
WILLIAMS. Entweder ihn befreien oder sterben!
BLONDEL. Seneschal, laßt rasch Eure Bedeckung vorrücken, bewaffnet Eure Ritter, damit wir Florestan festnehmen können; und sobald unsere Leute am Fuß der Mauer stehen werden, wird das Zeichen zum Angriff gegeben. Ich habe eine schwache Stelle entdeckt, wo mit Hilfe der Schanzgräber leicht eine Bresche zu legen ist und ich unsern Freunden den Weg des Ruhmes bahnen werde. Unterdes, Williams, laßt hier alles für das Fest bereiten. Alle bis auf Blondel ab.
Sechste Scene.
BLONDEL. Wenn die aufopferndste Freundschaft, der lebhafteste Eifer ein fühlendes und empfindsames Herz entflammen können, was darf ich nicht von der Begeisterung erwarten, die uns alle beseelt? Ab.
Siebente Scene.
Williams, Laurette, Diener.
WILLIAMS zu den Dienern. Kommt! Vorwärts! und ihr andern ordnet diesen Saal! Richtet alles her, man wird hier tanzen.
LAURETTE eintretend. Man wird hier tanzen?
WILLIAMS. Ja, meine Tochter, meine liebe Tochter!
LAURETTE bei Seite. Meine liebe Tochter! – Ach! mein Vater zürnt nicht mehr. Wenn das der Ritter wüßte, vielleicht könnte er ….
Achte Scene.
Vorige, Blondel.
Nr. 15. Trio.
Blondel macht Laurette ein Zeichen, sich ihm zu nähern; sie drückt ihr Erstaunen aus, ihn nicht mehr blind zu sehen. Er spricht heimlich zu ihr.
BLONDEL.
Der Gouverneur wird zu dem Tanze
Sich finden ein an diesem Ort.
LAURETTE.
Ach, welches Glück! Mit schönrem Glanze
Erfüllt die Halle sich sofort.
BLONDEL zu Williams, der hinzutritt.
Kein Geheimnis soll mehr walten,
Allen werd es offenbar,
Daß ich wieder sehend war.
LAURETTE.
Kein Geheimnis soll mehr walten,
Nein, nein, nein, mein Vater!
Von der Stirne bannt die Falten.
Seine Freundschaft zu erhalten,
Lasset stets Vertrauen walten.
BLONDEL.
Ja, ich macht ihr offenbar,
Daß ich wieder sehend war.
Kein Geheimnis soll mehr walten,
Stets werd treu ich zu Euch halten.
WILLIAMS.
O sprecht! Kein Geheimnis, –
Ach! wird er treu stets zu uns halten?
Sprechet ehrlich zu mir Alten.
Er tritt in die Koulisse.
LAURETTE.
Weiß er, daß zärtlich ich ihn liebe?
Und wird er immer gut mir sein?
BLONDEL.
Gewiß, er heget gleiche Triebe,
Lauretten schlägt sein treues Herz allein.
LAURETTE.
Liebt er mich, mein edler Freund,
Und wird er immer gut mir sein?
Sein Herz schlüg einzig nur für mich allein?
WILLIAMS tritt zwischen Beide, Laurette ist bestürzt.
Kein Geheimnis soll mehr walten,
Sprechet ehrlich mit mir Alten.
LAURETTE.
Nein, nein, nein, mein Vater!
Kein Geheimnis soll mehr walten.
Wie er wieder sehend war,
Machte er mir offenbar.
Argwohn lasset nicht mehr walten.
WILLIAMS zu Laurette.
Wie er wieder sehend war,
Machte er dir offenbar?
Zu Blondel.
Sprechet ehrlich zu mir Alten.
BLONDEL.
Wie ich wieder sehend war,
Das machte ich ihr offenbar.
LAURETTE.
Kein Geheimnis etc.
BLONDEL.
Ja, ich macht ihr etc.
WILLIAMS.
Kein Geheimnis etc.
LAURETTE nachdem sich Williams etwas entfernt hat.
Eines wollt ich Euch noch sagen ….
BLONDEL.
Sprechet zu mir voll Vertrauen.
LAURETTE.
Wüßt er alles, müßt ich zagen ….
BLONDEL.
Auf uns Beide könnt Ihr bauen.
LAURETTE.
Nein, mein Vater, kein Geheimnis etc.
BLONDEL.
Vor dem Vater soll Geheimnis etc.
WILLIAMS.
Sprechet ehrlich etc.
Neunte Scene.
Vorige, ohne Blondel. Bäuerinnen und Bauern; später Florestan und Antonio.
Der Tanz beginnt.
Nr. 16. Ronde und Chor.
EIN BAUER.
Und zic und zac und zic und zoc
Und fric und frac und froc.
Wenn die Ochsen ziehn zu zwei’n,
Kommt die Ernte leicht herein.
CHOR.
Wenn die Ochsen etc.
EIN BAUER.
1) Trifft der Schäfer mit dem Schätzchen
Sich an einem stillen Plätzchen,
Dann begibt sich mancherlei.
Und wenn Sylvia und Sylvander
Traulich kosen mit einander,
Schwören sie sich ewge Treu.
Und zic und zac etc.
Zu einem alten Ehepaar.
Hört Gevattrin, was meinet Ihr?
Und Ihr Gevatter, saget mir:
Nichts geht gut, bleibt man allein?
Diese Erd wär längst verdorben,
Die Bewohner ausgestorben,
Träfe man sich nicht zu zwei’n.
Und zic und zac etc.
Tanz 6/8.
Während des Tanzes erscheint der Gouverneur. Er grüßt Williams und sucht sich Lauretten zu nähern.
Kontre-Tanz 2/4. Dann Air très vif pour Valser 3/8.
Plötzlich hört man Trommelwirbel. Florestan will hinausstürzen. Williams und die Ritter Margaretens treten ihm mit entblößtem Degen entgegen.
FLORESTAN.
Himmel, was hör ich?
WILLIAMS.
Ich verhafte Euch!
FLORESTAN.
Ihr?
WILLIAMS.
Ja.
FLORESTAN.
Gott, welcher Verrat!
Nr. 17. Finale.
CHOR.
Richard sei länger nicht,
Seiner Freiheit beraubt.
Hütet Euch, daß nicht schwer,
Rache trifft Euer Haupt.
FLORESTAN.
Nein, irrig wär’s, wenn ihr glaubt,
Ich lüd Schmach auf mein Haupt.
Die Ritter führen Florestan weg; die Übrigen entfernen sich nach der andern Seite. Die Bühne verwandelt sich und stellt nun das von den Soldaten der Gräfin gestürmte Schloß dar. Blondel und Williams ermutigen die Angreifer.
Combat Gefechtsscene. Allegro C.
Die Belagerten schlagen den Angriff siegreich zurück. Blondel wirft seine Verkleidung ab und stellt sich an die Spitze der Pioniere. Er führt sie an die schwache Stelle der Feste. Der Kampf dauert fort. Auf der Terrasse erscheint Richard. Selbst ohne Wehr, macht er größte Anstrengungen sich dreier bewaffneter Männer, die ihn festzuhalten suchen, zu entledigen. In diesem Augenblicke stürzt unter großem Lärm die Mauer zusammen. Blondel stürmt in die Bresche, dringt zum König vor, tötet einen Soldaten und entreißt ihm sein Schwert. Der König ergreift es und treibt nun mit Blondel die sich ihnen widersetzenden Soldaten in die Flucht. Dieser wirft sich nun Richard zu Füßen, der ihn zu sich emporzieht und umarmt.
CHOR.
Hoch leb Richard!
Marche Noblement. C. Ursprünglich für die Oper »Les Mariage Samnites« componirt.
Die Sieger pflanzen die Fahne Margaretes auf. Margarete erscheint mit ihren Frauen und allem Volk. Als sie Richard befreit und mit Blondel herankommen sieht, sinkt sie ohnmächtig in die Arme Beatricens. Florestan, vom Seneschal und Williams geleitet, beugt vor dem Könige das Knie. Richard nimmt des Gouverneurs Degen, der ihm vom Seneschal dargereicht wird, und gibt ihm diesen wieder zurück.
RICHARD zu Margarete.
Endlich hab ich gefunden,
Geliebte, dich, nach bangen Schmerzensstunden.
MARGARETE sich zu ihm wendend, in höchster Erregung.
Ach, Richard, edler Fürst! O Gott!
RICHARD.
Nach bangen Stunden
Endet glücklich alle Not.
MARGARETE.
Sieh, Blondel war’s, nur seiner Treu
Danken wir’s, daß uns Glück lacht aufs neu!
RICHARD Blondel umarmend.
Nur seiner Treu etc.
BEIDE.
Ja der seltnen Lieb und Freundschaft Mut
Brachte Glück uns aufs neu
Und der Freiheit Segen.
BLONDEL.
’s war der Liebe und der Freundschaft Kampfesmut
Und Rittertreu.
SOLI.
O schönster Tag!
Ja, höchstes Glück ward uns nun zum Lohne,
Laßt uns preisen diesen Tag!
CHOR.
Ja, höchstes Glück ward euch nun zum Lohne,
Es ernen sich jeden Tag!
SOLI.
Schöner als der Glanz der Krone
Strahlet dieser frohe Tag!
MARGARETE.
Richard, nun endet Leid und Schmach.
RICHARD.
Richard begrüßt befreit den Tag.
CHOR.
Möge das Glück nie von euch mehr sich wenden,
In Freuden ihr alle Tage vollenden!
’s ist ein König, der zum Throne
Kehrt, befreit vom Ungemach.
MARGARETE zu Laurette und Florestan.
Bleibt stets in Liebe treu verbunden,
Beglücktes Paar, durch mich vereint.
CHOR.
Beglücktes Paar!
MARGARETE UND RICHARD.
Die treuste Freundschaft wandte
Der Schmerzen düstre Nacht,
Der uns von Gott Gesandte,
Hat Freiheit uns gebracht.
BLONDEL.
Mich lohnet, der ich bannte
Eu’r Leid, wenn einst man sagt,
Daß ich aus fernem Lande
Den König heimgebracht.
SOLI UND CHOR.
Ja, höchstes Glück ward uns / euch nun zum Lohne!
Möge es niemals von uns / euch mehr sich wenden,
Freudenreich wir / ihr alle Tage vollenden!
’s ist mein / der König, der zum Throne
Kehrt, befreit von Ungemach.
Welches Glück, welch schöner Tag!