Georg Friedrich Händel
Radamisto
Personen
Rhadamist, Sohn des Pharasmanes
Zenobia, Frau des Rhadamist
Pharasmanes, König von Thracien
Tiridates, König von Armenien
Polyxena, seine Braut, Tochter des Pharasmanes
Tigranes, Fürst von Pontus
Akt I.
Scene 1.
Lager mit Zelten. Blick auf die Stadt, vor welcher der überbrückte Araxes hinfließt.
POLYXENA, allein vor ihrem Zelte an einem Tische sitzend, nachher Tigranes.
All‘ ihr Götter!
Die ihr schaut auf meine Qualen,
O beschirmt dies kranke Herz.
TIGRANES.
Gebieterin, verhaßte Botschaft,
Die mich schmerzt tief im Herzen, bring‘ ich dir heute.
POLYXENA.
Sprich, o Fürst;
Bin ich vertraut doch mit Gram und Elend.
TIGRANES.
Tiridates entbrannte
Für Zenobia in Liebe, für Rhadamist’s
Verehrungswerthe Gattin, und nährt die Hoffnung,
Sie zu gewinnen beim Sturm auf die Feste.
POLYXENA.
O Ungetreuer!
Steht auf.
TIGRANES.
Gebietrin, warum erzürnst du?
Laß‘ ihn, der dich verschmäht! Nicht länger dämpf‘ ich
In mir das heftige Feuer,
Das in Herz mir und Busen dein Reiz entfacht.
POLYXENA.
Schmählicher! woher kam und wie kam
So niedre Sinnesart in deine Seele?
TIGRANES.
Ach, edle Fürstin –
POLYXENA.
Laß mich! rede mir nicht
Von so bethörter Liebe!
Nein, sprich mir nur von Kummer und vom Tode,
Von meinem Unheil und jammervollem Schicksal.
TIGRANES.
O laß von dem Verräther!
Flieh‘ diesen schnöden Gatten,
Der dich beraubt des Friedens
So unbarmherzig!
Neig‘ dies holde Antlitz
Auf ihn, der treu dich liebt,
Der dich zu retten strebt
Aus solcher Drangsal.
Scene 2.
Tiridates mit Wachen.
POLYXENA.
(Siehe da kommt der Falsche!)
TIRIDATES.
Ja wahrlich, Rhadamist soll heute noch sterben!
Und die Stadt und das Volk auch
Sei geweiht der Zerstörung,
Greise, Weiber und Kinder, Altäre und Tempel.
Rufe mir Pharasmanes!
(Mir giebt neue Entwürfe
Liebe in meine Seele.)
POLYXENA.
(Ich ertrag‘ es nicht länger.)
Mein König, mein Gebieter,
Herrscher, geliebter Gatte. –
TIRIDATES.
Laß mich allein hier!
POLYXENA.
Ist Pharasmanes‘ Blut dir,
Das edle, so zum Abscheu,
So triff denn diese Brust, in der sein Blut fliest.
TIRIDATES.
Dein Blut begehr‘ ich nicht; nur dies verlang‘ ich,
Daß mein Wille Gebot sei. Laß mich allein!
POLYXENA.
Du weisest mich von dir? So scheid‘ ich,
Liebling du meiner Brust,
Doch Tod im Herzen!
Ja ich geh‘; doch ach im Scheiden
Schwellt des Wiedersehens Sehnsucht
Mit neuem Schmerz die Seele.
Scene 3.
Pharasmanes gefesselt unter Wachen.
PHARASMANES.
Ah dein grausamer Haß, Eidam, ist befriedigt.
In deinen Händen hältst du
Meine Herrschaft und mein Leben:
Bist du noch nicht begnügt?
Laß meinen Sohn Rhadamist nun,
Laß ihn in Frieden in der jammernden Stadt,
Laß ihn in Frieden mit der gramvollen Gattin.
TIRIDATES.
Hör‘ an, Pharasmanes! ich will hier schalten
Nach meinem Willen. Und Sieg kann ich nicht nennen
Den halbvollbrachten Feldzug.
Ergiebt sich mir die Stadt nicht,
Soll meines Grimmes Ziel nur Rhadamist sein!
PHARASMANES.
So gestatte, daß erst ich
Ihn sehe, mit ihm spreche, und was ihm obliegt
Als Gemahl und als Vater, mit ihm berathe.
TIRIDATES.
Sei es so! Und dich begleite
Mein treuester Tigranes,
Und vor dem Wall der Stadt stell‘ er das Heer auf.
Sprich zu dem Sohn als Vater; und widersteht er,
So stirbt Pharasmanes.
Dann wirf die Wälle und die Bewohner nieder,
Überall sei Schreck und Tod, Grau’n und Verderben!
Geh unverweilt! So ist’s beschlossen, so will ich’s.
Das Verderben meiner Feinde
Krönt den Sieg mir immerdar.
Alle Völker preis‘ ich glücklich.
Die nicht fühlten meine Macht.
Scene 4.
Rhadamist und Zenobia kommen aus der Stadt.
RHADAMIST.
Sprich, wohin folgst du mir, arme Geliebte?
ZENOBIA.
Wohin dich dein Geschick ruft.
RHADAMIST.
Diese furchtbare Rüstung verderbenvollen Kampfes
Wird erfüllen mit Schrecknis das sanfte Herz dir.
ZENOBIA.
Mir ist größer das Schrecknis,
In so schweren Gefahren dir fern zu weilen.
RHADAMIST.
Theure, Allzugetreue!
ZENOBIA.
Theurer, Allzuverfolgter!
Und (was am tiefsten schmerzet)
Allzuverfolgter nur um meinetwillen!
RHADAMIST.
Deine Liebe und Treue heilt jede Wunde.
ZENOBIA.
Des Feindes erster Ansturm
Wirft die Stadt ins Verderben,
Wirft uns in Fesseln und, was mich härmt zu deuten,
In die Macht des Tyrannen.
RHADAMIST.
Theure Gattin, liebstes Wesen,
O vertraue,
Daß nicht stets der Zorn des Himmels
Mich verfolgt in solchem Grimm.
Still‘, o Gott, dem edlen Herzen
Diese Qualen!
Denn zu seh’n dich jammernd weinen
Macht mir beben Herz und Knie.
Scene 5.
Es tritt auf das Heer des Tiridates, geführt von Tigranes; unter ihnen Pharasmanes gefesselt. Rhadamist und Zenobia.
TIGRANES.
Wie des Feindes Mauern
Rückt an, ihr Genossen, in festem Schritte!
Doch bis auf mein Befehlswort
Enthaltet des Kampfes euch.
ZENOBIA.
Ha, was soll dieser Aufzug?
RHADAMIST.
Mit ihnen naht mein Vater: was mag’s bedeuten?
ZENOBIA.
Mir theilt Hoffnung und Furcht wechselnd die Seele.
PHARASMANES.
O erhaltet, ihr Götter, in solcher Drangsal
Mir meine Stärke und meines Sohnes Ehre.
TIGRANES.
Mein Gebieter, Armeniens mächtiger Beherrscher,
Schickt mich, o Rhadamist, dir zu gebieten,
Die Stadt zu übergeben. Dir selbst verheißt er
Sichern Abzug; doch widerstehst du, so will er,
Daß die Stadt ich erstürme,
Und daß vor deinen Augen
Dein alter Vater sterbe!
RHADAMIST.
Welch‘ entsetzliches Schicksal
Lastet auf mir, ihr Sterne!
Natur und Liebe und Ehre, was soll ich thun?
PHARASMANES.
Kraftvoll und standhaft besteh‘ diesen Kampf,
Daß dich kein falsch‘ Mitleid bewege.
RHADAMIST.
Doch, kann ich dich erretten,
Darf ich es unterlassen?
PHARASMANES.
Rette die Ehre, so acht‘ ich nicht des Lebens.
Ein Kriegsmann schickt sich an, Pharasmanes zu durchbohren.
TIGRANES.
Wohlan, so sterb‘ er!
RHADAMIST.
Ah, laß noch!
ZENOBIA.
O mein Gatte, was sinnst du?
Giebst du preis mich dem Wüthrich?
Mein Vater ist unfehlbar
Dem bittern Tod verfallen.
Höre den einzigen Ausweg,
Der vom Verderben rettet.
RHADAMIST.
Wohin führt dieser Ausweg?
ZENOBIA.
Zu meinem Tode!
Komm folg‘ mir; ich warte deiner
Dort in des Königsschlosses
Verborgensten Gemächern:
Da ich nicht will, daß hier vor deinen Kriegern
Eine That du vollziehest,
Die, im Schein zwar verrucht, nichts ist als Mitleid,
Ich bescheide mich zu sterben,
Hartes Schicksal, grauses Verhängnis,
Zu versöhnen eure Wuth.
Nur gewährt, daß eure Rache
An mir büße ihre Strenge,
Daß mein Tod nun
Stille endlich ihren Grimm.
Scene 6.
Die Vorigen, ohne Zenobia.
PHARASMANES.
Folg‘ ihr, o Sohn!
RHADAMIST.
Und du?
PHARASMANES.
Achte nicht mein! Geh‘ und gehorche und falle!
RHADAMIST.
Und wirst nicht du auch sterben?
PHARASMANES.
Um mich sorge nicht weiter!
TIGRANES.
Welch‘ ein Wettkampf voll Adel!
RHADAMIST.
Und dies glaubst du?
PHARASMANES.
Als Vater und König, also gebiet‘ ich. Gehe.
RHADAMIST.
Götter, und ihr duldet das!
TIGRANES.
Umsonst ist der Aufschub.
Denn so gebeut es der allgewaltige Sieger.
RHADAMIST.
Schändlicher! Sage dem schnöden Tyrannen
Daß starken Seelen die Furcht nicht bekannt
Daß gleich zum Leben und Sterben gefaßt sind
Der edle Sohn und sein großer Erzeuger.
Scene 7.
Die Vorigen, ohne Rhadamist.
PHARASMANES.
Tigranes, nun laß den Mordstahl
Die Brust rasch mir durchbohren!
TIGRANES.
Nein, nicht gestatt‘ ich’s.
Mir fehlt das Herz, das ruhig dulden könnte
Daß schmählich sich mein Ruf
Mit dem Blute befleckt solch‘ eines edlen Königs
Auf und geleitet schnell ihn zu seinen Zelten‘
Geh, Pharasmanes.
PHARASMANES.
Mein widrig Schicksal
Will mich für größ’res Elend heute noch sparen
Es wiegen leicht die Ketten
Dem tapfern Herzen,
Das standhaft Leiden duldet,
Ja ich besteh‘ den Kampf!
Ich fürchte nicht die Sterne,
Und auch den Tod nicht fürcht‘ ich:
Mit Festigkeit gewaffnet
Ist mir die starke Brust.
Scene 8.
Die Vorigen, ohne Pharasmanes.
TIGRANES.
Wohlauf, ihr Freunde, zum Sturme!
Zu dem Kampfspiel ihr Krieger!
Der Sieg ist leicht und sicher, sicher der Ruhm uns.
Zu dem Sturme! Auf die Wälle! Voran zum Siege!
Scene 9.
Symphonie.
Vor dem Palast des Rhadamist. Tiridates mit Kriegern.
TIRIDATES.
Ha, besiegt sind die Feinde.
Und leicht bezwungen ward der stolze Thracier.
Um mich ganz zu beglücken,
Geb‘ nun auch Liebe den Frieden meinem Herzen.
Tigranes mit Bente und Sklaven.
TIGRANES.
König, ich war der Erste,
Der erstürmt die Verschanzung und auf die Wälle
Aufpflanzte deine Fahnen! Und diese Sklaven
Sie geben deß mir siegeprangend Zeugnis!
TIRIDATES.
Doch ich seh‘ nicht Zenobia,
Rhadamist auch nicht seh‘ ich?
TIGRANES.
Zweifle nicht, sie sind dein. Doch mir erbitt‘ ich
Zum Geschenk Pharasmanes.
TIRIDATES.
Pharasmanes sei dein, sobald ich schaue
Rhadamist und Zenobia vor mir in Fesseln.
Forsche nach ihnen und führe beide vor mich.
Wenn sie sich widersetzen,
Soll allein Rhadamist
Fallen, ein blut’ges Opfer meines Grimms.
Mag ihr Geschlecht und Antlitz
Erhalten die Andre fast nannt ich auch die Liebe!
Will gehen.
Scene 10.
Polyxena und die Vorigen.
POLYXENA.
Bleibe! sage, wohin treibt die wilde Wuth dich?
TIRIDATES.
Zum Gefechte, zum Getümmel, zum Siege.
Reißt sich los von ihr.
POLYXENA.
Und dir dünkt es ein Sieg, dünket ein Ruhm dir,
Des eig’nen Anverwandten und meines theuren Bruders
Schuldloses Blut vergießen?
TIRIDATES.
Geh’n wir, o Fürst. Weile du ruhig und schweige.
Geht ab.
Scene 11.
Polyxena und Tigranes.
POLYXENA.
All‘ mein Dank, o Tigranes, ist dir verpflichtet.
Du rettetest den Vater, o rette nun auch
Großmüthig meinen Bruder.
TIGRANES.
Gebiet’rin, was ich thue
Und was ich gethan, dünket nur Pflicht und Glück mir.
POLYXENA.
Zög’re nicht! Laß Rhadamist’s Gefahren
Dich mahnen, ihn zu retten.
TIGRANES.
Den Fuß beflügelt
Mir die Macht deines Winkes, und Lieb‘ und Treue
Zeugnis der Grausamkeit
Wird dir dein Gatte geben;
Nur Liebespflicht verheißt,
Der wahrhaft treu dir.
Was dann der Liebe werth,
Entscheide deine Wahl:
Ob nied’rer Treuebruch,
Ob Treu‘ und Wahrheit.
Geht ab.
POLYXENA allein.
Nur allzuwahr ist’s: unreine Gluth der Liebe
Lodert in Tiridates.
Vor meinen Augen selbst
Schlug empor ihre Flamme; mir aber taugt es.
All‘ dies zu tragen und zu der Schmach zu schweigen
Nach dem Wüthen wilder Stürme
Strahlet hell noch ein heit’rer Tag;
Klarer leuchten alle Sterne
In dem Schoße dunkler Nacht.
Akt II.
Scene 1.
Feld, vom Araxes durchflossen. Rhadamist und Zenobia.
ZENOBIA.
Theurer, mir wankt der Fuß, es stockt mir der Athem:
Hier in einsamer Öde
Gönne mir Ruh‘ für meine müden Glieder.
RHADAMIST.
Theures Weib, sitz‘ nieder.
ZENOBIA.
Hier laß mich rasten.
RHADAMIST.
Ich will indeß umherspäh’n,
Ob in der Nähe kein Feind verborgen weile.
ZENOBIA.
Wann, o wann, grausames Schicksal
Endet einst dies Weh und Leid!
RHADAMIST.
Grausame Götter! schon sehe ich
Dort auf jenem Hügel
Krieger, die uns erspähten!
ZENOBIA.
Weh! sollt‘ es wahr sein, ihr Götter!
Theurer, was soll geschehen?
RHADAMIST.
Nicht weiß ich’s.
ZENOBIA.
So ist verloren unser Beider Leben?
RHADAMIST.
Schon sind sie nahe, die uns bedrohen, die Feinde.
ZENOBIA.
In die Krallen des Tod’s laß eh‘ mich fallen
Als in die Hand des Scheusals.
Ruf empor, Rhadamist,
Die großgesinnte Seele, und gieb den Tod mir!
RHADAMIST.
O nimmermehr!
ZENOBIA.
Was sinnst du?
RHADAMIST.
All‘ ihr Götter des Himmels!
O gewährt meinem Geist raschen Entschluß,
Der die Ehre bewahrt, wenn nicht das Leben.
ZENOBIA.
Warum säumst du? Greif zum Schwerte!
RHADAMIST.
So entsetzliche That schlägt
Alle Kraft des Gemüths, des Geistes, der Sinne
Und alles Blut der Adern mit Grau’n und Beben.
ZENOBIA.
Und deine treue Gattin
Wird die Beute des Wüthrichs?
RHADAMIST.
Hartes Gebot der Noth, gieb du mir Kühnheit,
Gieb du die Kraft mir! Wehe! so stirb denn! ihr Götter!
Er verwundet sie leicht; das Schwert entfällt seiner Hand.
ZENOBIA.
O des Verzagten! ich will mit kühn’rem Muth mich
Entziehen der Schande! Wenn du mich liebst in Wahrheit,
Wenn du mein Angedenken,
Wenn im Herzen du wahrest
Dies letzte Wort, und willst du,
Daß dort unten im Grab Frieden ich finde,
Räche den Tod der Gattin, und lebe, Geliebter!
Sie wirft sich in den Fluß.
Scene 2.
Rhadamist, dann Tigranes mit Kriegsleuten.
RHADAMIST.
Entsetzen! Wehe mir, ihr Götter!
O dahin ist mein Alles,
Fahr‘ dahin auch mein Leben!
Doch eh‘ die Seele schwindet,
Will euer dunkles Blut noch opfern ich, Verruchter,
Ihrem Schatten zur Spende.
TIGRANES.
Ihr Memmen, zurück! Wider den Einen Mann
Kehrt ihr die Waffen Aller?
RHADAMIST.
O hochherz’ger Krieger! solch‘ eine Großthat
Überwindet das Herz mir.
TIGRANES.
Bei Polyxena,
Bei deiner edlen Schwester
Will ich heimlich dich bergen.
RHADAMIST.
Es ist mein Antlitz
Nicht dem Tyrannen bekannt,
So kann ich leicht ihn morden!
TIGRANES.
Was sinnst du? erfaßt dich irgend
Ein Argwohn?
RHADAMIST.
Nein, ich folge,
Wo das Geschick mich hinführt;
Und Rhadamist vertraut auf deine Ehre.
Theurer Schatten meiner Gattin!
Ruh‘ in Frieden, fröhlich harrend
Meiner Rache, die ich schwur.
Ja und dann, wo du auch weilest,
Eil‘ ich zu dir, raschen Flugs,
Innig treu in deinen Arm.
Scene 3.
Tigranes mit Zenobia und Wachen.
TIGRANES.
Lindere nun den Kummer, den dein Gram,
O Schöne, in meinem Busen –
ZENOBIA.
Ich lindern meinen Kummer?
Ich meinen Gram besänftigen?
Ha, dieser Grau’ngedanke,
In die Gewalt des Schrecklichen zu fallen,
Ist ein Jammer, eine Folter,
Die taufend Tode aufwiegt.
O Himmel! o Götter!
TIGRANES.
Die Schmerzen –
ZENOBIA.
Bist du nicht des Tyrannen ruchloser Diener,
Und ich gäb‘ dir Gehör?
TIGRANES.
Auf! laß, o edelste Fürstin,
Uns geh’n. Die zarten Glieder
Bedürfen der Ruhe.
ZENOBIA.
Weh‘ mir, warum doch,
Warum, ihr Götter, ließt ihr
Im Strom mich nicht versinken, warum nicht sterben!
TIGRANES.
Komm‘, überlaß dich so nicht deinem Schmerze.
Auf ein freundliches Los hoff‘ in Vertrauen!
Dulde, daß die Hoffnung freundlich
Dir dein Leiden lindernd stillt.
Tröstend wird dein Herz sie laben
Und begraben deinen Schmerz.
ZENOBIA.
O namenloses, jammervolles Schicksal!
Noch nicht gesättigt an so bitt’rer Pein,
Rufst vom Tod du zurück mich
Und willst nun, daß ich schaue
Das Antlitz meines Todfeinds,
Des Schreckens grauses Bild, eh‘ mich der Tod trifft?
Wenn mir der Tod versagt ist,
Furien des schwarzen Abgrunds,
Geleitet mich in meinem herben Schmerz!
Mit mir in grausem Bunde
Trefft mit den Schlangengeißeln
Den frevlen Räuber all‘ meines Glücks!
Scene 4.
Garten mit dem Blick auf die Königsburg. Tiridates, dann Tigranes.
TIGRANES.
Mein Fürst!
TIRIDATES.
Sag‘ an, was bringst du?
TIGRANES.
Zenobia ist dein eigen.
TIRIDATES.
Theurer Tigranes!
O des glücklichen Tages!
Wo aber griffst du jene?
TIGRANES.
Am Ufer des Araxes, mein Kriegsgefolge –
TIRIDATES.
Sie in den Wellen?
TIGRANES.
Und an dem Arme
Fand ich sie leicht verwundet.
TIRIDATES.
Himmel, welch‘ frevle Hand
Hat das gewagt?
TIGRANES.
Er selber, Rhadamist war’s.
Scene 5.
Zenobia. Tiridates.
ZENOBIA.
Siehe mich denn hier vor dir! Siehe die Beute
Deines trotzigen Sieges, doch sieh‘ zugleich auch
Sie, deine größte Feindin.
TIRIDATES.
Zenobia, die schönste Beute,
Und der liebste der Siege
Strahlt mir aus deinen Augen.
ZENOBIA.
In meinem Aug‘ siehst du nur Schmerz und Thränen.
TIRIDATES.
Dein Reich ist nicht verloren;
Es bleibt das deine: mit ihm vereinigt
Sei Armeniens gewaltige Herrschaft.
ZENOBIA.
Wo mein Gemahl nicht weilet,
Bin ich nicht Fürstin, kann ich nicht herrschen wollen.
TIRIDATES.
Ich darf sie nicht reizen.
Deine Wohlfahrt, meine Liebe
Giebt erwog’neren Rath dir in dein Gemüth ein.
ZENOBIA.
Vergebens –
TIRIDATES.
Für dies Mal nichts mehr.
Wohl kommt die Zeit noch –
ZENOBIA.
Die größ’ren Haß mir aufregt.
TIRIDATES.
Wo Tiridates zu deinen Füßen sein Reich legt.
Ja, du ergiebst dich mir,
Wenn du mein Herz erkennst,
Wie dies so innig treu.
Wohl wirst du das Geschenk auch
Solch‘ eines stolzen Thrones
So schnöde nicht verschmäh’n!
Geht ab.
ZENOBIA.
Nichts mehr bleibt mir zu hoffen
In meiner schweren Pein.
O Rhadamist, o Gatte,
Von dir entfernt zu weilen, und dein zu denken,
Dein Schicksal nicht zu wissen,
Füllt mich mit Qualen, die mir der Tod nicht böte.
O schlagt mit Verderben,
Mächte der Welt,
Den ruchlosen Frevler,
Der martert mit Qual
Dies zagende Herz!
Ihr treffet mit Rache
Den schnöden Verbrecher:
So schützet und schirmet
Die Sache des Rechtes
Vor Wuth und Gewalt.
Scene 6.
Tigranes und Rhadamist in der Tracht eines gewöhnlichen Kriegers. Dann Polyxena.
TIGRANES.
Dieser Garten hier führt zu dem Palast dich,
Wo die stolzen Gemächer
Deine Schwester bewohnt. Und dort ist sie selber,
Siehe, die auf uns zukommt.
Frohe Kunde, o Fürstin! sieh‘ Rhadamist
In trügender Verkleidung vor deinen Augen.
RHADAMIST.
Gütiger, edler Retter!
POLYXENA.
Was ich dir dankbar schulde, ist unaussprechlich.
TIGRANES.
Der Liebe Glück und Gunst
Verheißen deinem Herzen
Freude und Wonne.
Vergiß nun Qual und Noth,
Und ganz der Lust geweiht
Spotte des Kummers!
Scene 7.
Rhadamist und Polyxena.
POLYXENA.
Mein geliebtester Bruder! wie viel beglückter
Würd‘ ich, o Theurer, in meine Arme dich fassen,
Wenn nicht Furcht und Besorgnis
Deiner Entdeckung mein Herz mit Zweifel erfüllte.
RHADAMIST.
Sorge du nur, daß du heimlich mich weisest
Zu der Ruhstatt des Wüthrichs.
POLYXENA.
Ihr Sterne!
RHADAMIST.
Und rett‘ ich dann nicht
Euch gesammt von dem Scheusal,
Mag der Grimm aller Götter mich strafend schlagen.
POLYXENA.
Für dich zu sterben wag‘ ich,
Wenn mein Gemahl das Leben dir bedroht.
Doch wenn du nach dem seinen verwegen trachtest,
Setz‘ ich willig für ihn das Leben ein.
RHADAMIST.
Das Leben für den Wüthrich?
Der da höhnt, der da spottet
Der Natur wie der Liebe?
Der den Greis Pharasmanes in schwerer Haft hält?
Der die Ehre mir schändet?
Der mir Tod und Verderben sinnt?
Besorgt um ihn? ihn liebst du,
Den Schrecklichen! den Frevler?
POLYXENA.
So will es meine Treue,
So heischt von mir mein Name und meine Ehre.
RHADAMIST.
Gehe, du Undankbare,
Geh‘ und entzieh‘ dem Tode
Den frevelhaften Gatten,
Der schmachvoll dich verräth!
Du wirst mich sterben sehen,
Und an dem Anblick weiden
Dein unerbarmend Herz.
Scene 8.
Polyxena allein.
Zwischen Bruder und Gatten
Was beschließ‘ ich? was thu‘ ich?
Ja, ich will thun, was die Pflicht heischt. Und mein Entschluß
Stehe fest: ihn zu erretten, dem mehr Gefahr droht.
Nie wird diese Seele kränken
Irgend wen durch Grausamkeit.
Eher Tod, als daß ich lebte,
Meinem Gatten ungetreu.
Scene 9.
Königlicher Saal. Zenobia, Tiridates dann Tigranes.
TIRIDATES.
Zwei Sessel, hierher!
ZENOBIA.
Gönne mir Ruh‘ und Frieden.
TIRIDATES.
Gieb mir wieder den Frieden,
Den du mir raubtest.
ZENOBIA.
Nur ihm,
Rhadamist nur getreu, leb‘ ich und sterb‘ ich.
TIRIDATES.
Wer wäre so treu wie ich? Sitz nieder, o Theure.
TIGRANES kommt.
Mein Fürst! Gebiet’rin! Wißt, todt ist Rhadamist.
TIRIDATES.
Wie, Rhadamist ist todt?
ZENOBIA.
Ist todt mein theurer Gatte?
TIGRANES.
Deines Gemahles Rüstung
Mag sein Los und Verhängnis euch verkünden.
ZENOBIA.
Was seh ich! dies ist sein Mantel,
Dies ist sein Helm, sein dieses Schwert hier; weh, weh mir!
TIGRANES.
Ein treu ergeb’ner Diener,
Der seine letzten Klagelaute hörte,
Wird den Tod seines Herrn treu euch berichten.
ZENOBIA.
Kann ich fortan noch leben!
TIRIDATES.
Geh, bring’den Diener. Nur dir gebührt, Tigranes,
Die Ehre meines Sieges, und all‘ mein Dank dir.
TIGRANES.
Wer treu der Freundschaft dient, dienet der Pflicht nur.
Scene 10.
Rhadamist verkleidet, Zenobia und Tiridates.
RHADAMIST.
(Unschuldigem Betrug lacht selbst der Himmel!)
TIRIDATES.
Du bringst von Rhadamist
Uns Kunde und Botschaft?
RHADAMIST.
Isman ist mein Name, o großer
Fürst und Herr von Armenien.
ZENOBIA.
(Ihr Götter! welche Stimme
Entreißt mich meinem Schmerze?)
RHADAMIST.
Lange Jahre des Dienstes
Dem Könige zu widmen war mir beschieden.
Und nun auch, da er hinstarb,
Lebt fort in der Brust mir sein Gedächtnis.
TIRIDATES.
Diener voll Treue!
ZENOBIA.
(Ja er ist’s selber, mein Gatte!)
TIRIDATES.
Sprich zu der Fürstin; hier laß mich hören die Botschaft.
RHADAMIST.
Hier ist, o edle Fürstin,
Das Herz des Rhadamist.
Dir sich zu Füßen wirft er,
Aus dem Munde Isman’s dir dies zu künden:
»Edle, geliebte Gattin!
Wenn diese Hand grausam den scharfen Mordstahl
Auf die Brust dir gewandt, wenn dieser Seele
Kühnheit gebrach und Vertrauen,
In die Fluthen dir folgend mit dir zu sterben,
Vergieb es mir, ich flehe.«
ZENOBIA.
Richte empor dich, und rede.
Wenn denn mein Gatte todt ist,
O Herr, steht auf Isman mein ganzer Trost nun.
RHADAMIST.
Mit dem Reste des Athems,
Den die Liebe ihm verlieh, beschloß er also:
»Bist du nun Sklavin zwar,
In den Händen meines größten ruchlosen Feindes,
Wahre mir deine Liebe und reine Treue,
Hasse, flieh‘ und verachte
Den Tyrannen und Mörder,
Und -«
TIRIDATES.
Schweig‘; zu verwegen
Erfrecht sich die Zunge.
RHADAMIST.
Er sprach es und er verschied.
ZENOBIA.
Verschied mein Gatte!
Nicht länger mehr erstick‘ ich meine Thränen.
TIRIDATES.
(Die Todeskunde besänftigt mir das Gemüth.)
ZENOBIA zu Tiridates.
Gottlos, verruchtes Herz!
Zu Rhadamist.
Theurer, getreuer Isman!
Zu Tiridates.
Lab‘ dich an meinem Schmerz!
Zu Rhadamist.
Sieh‘ ob ich bis zum Tod
Dir treu geblieben.
Zu Tiridates.
Hoffe du nichts von mir!
Zu Rhadamist.
Du sollst, o Theurer, sehen –
Zu Tiridates.
Laß, o laß weinen mich!
Zu Rhadamist.
Daß nur der Liebe Sehnsucht
Einzig in mir gelebt.
TIRIDATES.
Hör‘, o Isman. Nun Rhadamist todt ist,
Lieb‘ ich Zenobia, die mich verwirft und fliehet.
Vermagst du zu erweichen ihre Seele,
Wartet würdiger Lohn dein. –
Lebe, Geliebte, wohl; und glaube mir,
Daß unreine Liebe mein Herz nicht kennt.
Geht ab.
Scene 11.
Rhadamist und Zenobia.
ZENOBIA.
O Tag endlosen Glückes mir,
Die ich niemals dich wieder zu sehen hoffte.
RHADAMIST.
Theure Geliebte, wie groß ist,
Wie innig diese Wonne des Wiedersehens.
ZENOBIA.
Furcht faßt mich an, daß dich der Fremden Einer –
O Himmel – erkenne, und dich zum Opfer bringe
Der Wuth des Tyrannen.
RHADAMIST.
Nicht wird der Himmel die Unschuld so verlassen.
ZENOBIA.
Zum Trotz der neid’schen Tücke des Mißgeschicks
Laß mich ruh’n dir im Arme.
RHADAMIST.
Laß ruh’n bei dir mich.
DUO.
Wenn noch dein Herz mir schlägt,
Theurer – Theure –
Wenn deine Treue nicht
Von mir wankt und weicht;
Mag der feste Weltbau beben,
Mag der Sonne Licht erbleichen,
Doch nie wanket dann mein Fuß!
Akt III.
Scene 1.
Hof vor dem königlichen Palaste. Polyxena. Dann Tigranes.
POLYXENA.
Weh‘ mir! Zu viel trug
Schon mein bedrängter Busen,
Götter des Himmels, in so schwerem Schmerz.
O gebt zurück mir den süßen Geliebten,
Sonst stillt im Tode dies qualvolle Herz.
TIGRANES.
Gebiet’rin! Tiridates
Löst auf das Band der Ehe,
Dir die Scheidung verkündend; und er befiehlt dir,
Aus dem Palast, eh noch der Tag sich endet,
In Eile zu scheiden.
POLYXENA.
Ich von dem Gatten
In Schmach verlassen, verstoßen und verhöhnt!
Elendes Wesen! Ich von so nied’rem Werthe?
O undankbarer Gatte! ist der Lohn dies der Treue?
Du mich verwerfen! du mich verbannen?
O Götter, für nichts geachtet
Meine Liebe noch mein Blut, für nichts meine Unschuld!
O schmähliche Scheidung! unbarmherz’ger Rathschluß!
TIGRANES.
Mein tapf’rer Arm verpfändet dir all sein Blut,
Dich zu beschützen. Und freudig
Geb‘ ich mein Leben hin zu deiner Rettung.
POLYXENA.
Retter, in Rath und That, leih‘ deinen Arm mir.
Doch scheid‘ ich nicht von hier, eh‘ mir gewährt ist,
An Tiridates zu richten wenige Worte.
TIGRANES.
Hast du den Muth, zu begegnen deinem Feinde?
POLYXENA.
Vielleicht, wenn er mich sieht,
Daß er sich mein erbarmt, oder mir den Tod giebt.
TIGRANES.
Ich will thun, was ich kann,
Dir Hilf‘ und Trost zu bringen.
POLYXENA.
Doch thue nichts, was ihn gefährden könnte,
Meinen geliebten Gatten:
Denn so will ich ihn nennen, so lang‘ ich lebe.
Gönnt mir, ihr Götter, nur
Zu schau’n sein Angesicht,
Geduldig will ich dann
Mein Schicksal tragen.
Rettet mir ihn, und nicht
Hört ihr aus meinem Mund
Um mein Geschick fortan
Ein Weheklagen.
Scene 2.
TIGRANES allein.
Müde, zu tragen noch solch‘ einen König.
Und die edelsten Häupter bedroht zu sehen,
Reift die Entschließung zu seltsam eigner That nur.
Es ist nicht meine Absicht, daß Tiridates
Sein Leben verliere, noch seine Krone.
Doch verlier‘ die Gewalt er, grausam zu schalten.
Geht meine Liebe dann ihres Ziels verlustig,
Zeig‘ ich doch mich gerecht in meinem Unglück.
Ja umsonst ist all mein Hoffen,
Doch beharr‘ ich treu in Liebe
Solchem Reiz und solcher Huld.
Ernt‘ ich doch des Lohnes Fülle,
Wenn mein treuer Dienst und Wille
Mir nur den Dank der Theuren,
Mir ihre Gunst gewinnt.
Scene 3.
Königliches Gemach und Kammer. Rhadamist und Zenobia.
RHADAMIST.
Nicht sorg‘ ich, theuerste Seele, um deine Treue,
Nur seine Liebe fürcht‘ ich.
Diese Furcht ist, die mich treibt zu verweilen,
Unzertrennlich gefesselt, an deiner Seite.
ZENOBIA.
Doch wenn er dich erkennt,
Wehe mir dann!
RHADAMIST.
Wer sollte mich entdecken?
ZENOBIA.
Daß dich nur Tiridates nicht zu oft bei mir finde!
RHADAMIST.
Birg‘ hier mich im Versteck. Zu meinem Troste
Laß‘ mich als Zeugen hier von deiner Treue.
ZENOBIA.
O Götter! auch deiner Liebe heft’ge Gluthen fürcht‘ ich.
RHADAMIST.
Nein! streng behutsam bemeist’r ich diese Gluthen.
Holder Liebling meiner Seele,
Nie fürwahr laß ich von dir:
Und mir reicht dein Herz die Palme,
Deine Liebe mir den Kranz.
Scene 4.
Zenobia und Tiridates.
TIRIDATES.
Die du in Thracien und in Armenien, und mehr noch
In Tiridates‘ Herzen
Gebiet’rin und Fürstin,
Nimm dies Scepter, nimm den Thron hin, nimm diese Krone,
Nimm mich dahin, mich selber zum treuen Gatten.
ZENOBIA.
Welch höllischer Versucher
Gab in die Seele dir so frevelhaften,
So verworfenen Anschlag?
TIRIDATES.
Auf! sei versöhnlich und wirf
Die Blicke auf diese stolzen
Dir verheiß’nen und dir geweihten Gaben.
ZENOBIA.
O Gaben schnöder Schmach, Gaben des Raubes!
Ich hass‘ euch und ich veracht‘ euch,
Und schleudr‘ euch auf den Boden mit Füßen tretend!
TIRIDATES.
Solche Wuth?
ZENOBIA.
Solchen Frevel?
TIRIDATES.
Gieb Acht, daß nicht den Bewerber der König wegbannt.
ZENOBIA.
Ich seh‘ in Tiridates
Nicht Bewerber noch König, nur den Tyrannen.
TIRIDATES.
So gebeut der Tyrann denn!
ZENOBIA.
Eh‘ –
TIRIDATES.
Keine Zög’rung!
ZENOBIA.
O Himmel! Gatte! rächender Gott!
Scene 5.
Rhadamist bewaffnet, von einer Seite Polyxena, von der andern Pharasmanes.
RHADAMIST.
Sieh hier mich selber! Und du, stirb o Verräther!
POLYXENA hält ihn auf.
Eh‘ an ihn du dich wagst,
Mußt du den Stahl durch diesen Busen bohren.
PHARASMANES.
Warum, warum versagst du Rhadamist
So gerechte Vergeltung, unwürd’ge Tochter!
TIRIDATES.
Was hör‘ ich?
POLYXENA.
O Vater! O Rhadamist! o Gatte!
PHARASMANES.
Was sagt‘ ich, o Gott!
TIRIDATES.
So ganz verrathen bin ich? Und du bist Rhadamist?
RHADAMIST.
Ja, ich bin Rhadamist; und bin gekommen,
Um zu vergelten dir die Frevelthaten
Und um zu rächen mich für meine Schmach.
ZENOBIA.
Den theuren Gatten schützet und schirmet, ihr Götter!
TIRIDATES.
Ergreift! fällt den Verruchten! vor meinem Aug‘
Verhauch‘ er die Seele! Er sterbe!
PHARASMANES.
Steh‘ mir zur Seite!
TIRIDATES.
Zurück!
Sonst möge mit ihm Pharasmanes sterben!
RHADAMIST.
Vater, was thust du? Du mehrest die Gefahren!
ZENOBIA.
O Herr, wenn meine Thränen –
TIRIDATES.
Tod ist sein Los nun!
RHADAMIST.
Komm denn, aller Schmach schreckliches Urbild!
Öffne die Brust mir und schwelge unbarmherzig
In dem Blut meines Herzens.
Ja überheb‘ im Trotz dich,
Der du niedrig und schamlos
Nicht des Sieges gewöhnt bist:
Mißbrauche deines Glückes!
Hier ist entblößt mein Busen!
Deiner werth ist die That! mit eig’nem Arme
Gieb du selber den Tod mir.
Nicht ja kann Tod mich schrecken in meiner Seele!
Mit tapf’rem Muthe trat ich oft ihm entgegen,
Und ich sah‘ ihn für mich ehren- und ruhmvoll.
Frevler, ob du mir Leben,
Frevler, ob du mir Tod giebst,
Doch trotzt dies starke Herz dir
Ewig in stolzem Hohn.
Feigling, gebricht die Kühnheit
Der ehrelosen Rechten?
Vollende deine Siege
Durch diese That der Schmach!
POLYXENA.
O Herr, mein Tiridates, hör‘ an mich und siehe,
Wer die Rechte dir küsset, wer zu dir flehet.
Es ist Polyxena; nicht sag‘ ich Gattin,
Nein aber die, die dir ein Schild war, die rettend
Dem Tode dich entrissen.
Laß‘ mir den Bruder und Vater, und wenn du Blut willst,
Nimm denn, o nimm das meine.
TIRIDATES.
Nicht mehr hiervon. Du hast den Vater. Den Vater
Laß‘ ich dir noch; damit begnüg‘ dich und geh‘ nun.
POLYXENA.
Wohl denn, ich geh‘. Doch tödtest du den Vater,
Und durchbohrst mir den Bruder,
Ha dann in deiner Gattin
Fürchte fortan die Feindin, und fürchte dann auch –
TIRIDATES.
Geh‘, geh‘ und gehorche. Und Rhadamist muß sterben!
POLYXENA.
Wüthender! Ja, ich geh‘,
Doch grimmvoll sollst du schau’n,
Wie Liebe weicht der Wuth
Unbänd’gen Hasses.
Wenn du mich wiedersiehst,
Trifft rächend das Gericht
Den blinden Treuverrath,
Der mich in Schmach warf!
Geht ab.
Scene 6.
Vorige ohne Polyxena.
TIRIDATES.
Folg‘ ihr nach, Pharasmanes!
PHARASMANES.
Mir willkommen ist der Tod mit meinem Sohne.
RHADAMIST.
Gieb dem Tode mich nur, geliebter Vater.
ZENOBIA.
Nicht ohne mich sollt ihr verderben.
Zu diesen edlen unschuldvollen Opfern
Geselle mich, die ganz die Schuld
Trägt alles deines Zorns und auch deiner Liebe.
TIRIDATES.
Wohlan! sieh mich denn mild, sieh mich denn gütig.
Begnadigt sei dein Gatte,
Wenn Gattin mir du sein willst.
Zu des Tempels Altar geleitet hin sie!
Zenobia! Dort gieb die Hand mir,
Sonst nimmt des Gatten Haupt dir Tiridates.
Auf zum Fluge meines Ruhmes
Schwebt die Hoffnung meiner Brust.
Wirst du stillen mein Verlangen,
Stillt sich meiner Strenge Wuth.
Scene 7.
Vorige ohne Tiridates.
ZENOBIA.
Das Haupt des Gatten begehrst du?
Nimm es denn, nimm auch das meine,
Unbarmherziges Scheusal!
RHADAMIST.
O Theure, Geliebte! Leb‘ wohl, Zenobia.
Zu scheiden ach von dir, mehr als von diesem
rmlichen Leben, schmerzt die Seele.
BEIDE.
Fahr wohl denn!
Dort vereint uns Elysium, theure Geliebte / theurer Geliebter!
ZENOBIA.
Und so soll ich doch dich lassen,
Süße Hoffnung meiner Seele?
Götter, erbarmt euch meiner Qual!
Wie doch kann ich von dir scheiden,
Der du meiner Seele Labsal,
Meiner Liebe Leben bist!
Geht ab.
RHADAMIST allein.
Ihr Götter, scheidet Zenobia? und ohne sie
Bleib‘ ich gleich einem Schiffer in wildem Sturme
Ohne die Führung eines treuen Leitsterns.
Dem Schiff gleich, verschlagen
In Meersturm und Brandung,
Dem Leuchtthurm noch Hafen
Nicht austilgt die Furcht,
So ich, hilf- und trostlos
In Drangsal und Elend,
Nicht find‘ ich den Frieden
Der qualvollen Brust.
Scene 8.
Tiridates und Pharasmanes.
TIRIDATES.
In diesem Tempel soll sich
An dem prangenden Altare
Zenobia mir verbinden.
PHARASMANES.
Pomp und Gepränge
Hat keine Macht, ein edles Herz zu beugen.
TIRIDATES.
Schlägt sie mich aus: das Blut des Rhadamist
Fließt dann zu meiner Rach‘ und ihrem Schrecken.
Scene 9.
Zenobia zu den Vorigen.
ZENOBIA.
Zu meinem Schrecken? Deiner Schande,
Deiner Reue vielmehr!
TIRIDATES.
Und meine Güte
Belohnst du so? so kommst du, –
ZENOBIA.
Wie ich zuvor war! die Feindin Tiridates‘,
Die Gattin Rhadamist’s.
TIRIDATES.
Dein Rhadamist muß sterben!
ZENOBIA.
Und sterben mit ihm wird dann auch Zenobia
Scene 10.
Rhadamist zu den Vorigen. Dann Polyxena.
RHADAMIST.
So stirbt Zenobia auch?
ZENOBIA.
Wie? soll deinen Tod ich?
Überleben, o Theurer?
POLYXENA.
Noch ist es Zeit! Tiridates!
TIRIDATES.
Und kommst du
Trotziges Weib, schon wieder?
POLYXENA.
Hör‘ auch, als welche
Dein trotzig Weib dir wiederkommt, und erbebe!
Müde des blut’gen Herrschers,
Griff zu den Waffen dein Kriegsgefolge, zu ihnen
Stehet Tigranes. Die Bürger selber
Eröffneten die Thore deinen Kriegern.
TIRIDATES.
O Götter!
POLYXENA.
Und ringsumher schon
Ist dieser Bau umzingelt.
ZENOBIA.
Was hör‘ ich!
PHARASMANES.
Ah meine Tochter!
TIRIDATES.
Genossen, zum Kampfe hinaus! zu kühner Abwehr!
Die Wachen fliehen.
Ha wohin flieht ihr? Verlaßt ihr so, Verräther,
In der Noth euren Herrn? Ich bin Tiridates,
Der hier auf diesem Throne,
Den sein Muth ihm verlieh mehr als das Schicksal,
Zu herrschen weiß und tapfer weiß zu sterben!
Quatuor.
ZENOBIA, POLYXENA, RHADAMIST.
Ergebe dich, oder stirb! Ergebe dich.
TIRIDATES.
Den Tod! ja gebt den Tod!
POLYXENA.
Höre die Liebe!
ZENOBIA.
Höre die Ehre!
RHADAMIST.
Hör‘ auf dein edles Herz!
TIRIDATES.
Nicht hör‘ ich die Liebe,
Nicht hör‘ ich die Ehre,
Nicht hör‘ ich auf mein Herz!
POLYXENA.
Liebe von Neuem!
RHADAMIST.
Herrsche von Neuem!
ZENOBIA.
Nicht frevle mehr!
TIRIDATES.
Mich schreckt kein Tod!
Scene 11.
Tigranes zu den Vorigen.
TIGRANES.
Bleibt zurück, ihr Getreuen!
Zähmet die Wuth, o Freunde.
TIRIDATES.
Ha, ungetreuer Freund du, schnöder Tigranes!
Was wollt ihr? Auf! Heran denn!
Ihr raubtet mir die Krone, nehmet dies Schwert auf
Und raubt mir auch das Leben!
TIGRANES zu Pharasmanes.
O Herr, dein ist der Thron nun.
PHARASMANES.
Soll ich entscheiden, o Sohn, dann
Geb‘ ich in deine Hand nunmehr die Rache!
RHADAMIST.
Wie du gebeutst, so sei es.
Es verzeihe dem Gatten Polyxena.
POLYXENA.
Nicht werd‘ ich widerstreben;
TIRIDATES.
O welche Tugend kränkt‘ ich!
Meine Feinde voll Großmuth,
Mir gebührt nicht diese Gnade!
Ja, meine Schmach bekenn‘ ich, –
Theure, die Scham verwirrt mich,
Du giebst mir selber mich wieder.
RHADAMIST.
So beherrsche Tiridates mit der Gattin
Armenien wie früher.
TIRIDATES.
Durch deine Thaten belehrst du mich zu herrschen.
Tigranes, all‘ ihr Edlen, wie dankt mein Herz euch!
RHADAMIST.
Und du, theure Zenobia!
ZENOBIA.
Geliebter Rhadamist!
BEIDE.
Ferne entweicht das Leid, hab dich ich wieder!
ZENOBIA.
O mind’re mein Entzücken,
Daß nicht mein Herz zerreiße,
Beschwingter Gott der Liebe!
Es quillt in süßen Thränen,
Entrinnend meinen Augen,
Die Wonne meiner Brust.
RHADAMIST.
In Freude nun begehet
Des frohen Tages Feier.
Und ende so das Leid ein gütiges Schicksal.
CHOR.
Ein Tag so voll Wonne
Wird nimmer uns leuchten,
Wird nimmer uns glüh’n.
ZENOBIA, RHADAMIST.
Auf ihn blickt der schönste
Der Sterne herab.
CHOR.
Ein Tag u.s.w.
POLYXENA, TIRIDATES.
Aurora schlug lächelnd
Die Pforten ihm auf.
CHOR.
Ein Tag u.s.w.
TIGRANES, RHADAMIST.
Die Sonne hat leuchtend
Mit Glanz ihn umstrahlt.
CHOR.
Ein Tag u.s.w.
Ende.