Pjotr Iljitsch Tschaikowskij

Pique Dame

Oper in 3 Akten und 7 Bildern

Personen

Hermann,
Graf Tomsky,
Fürst Jeletzky,
Czekalinsky,
Ssurin,
Tschaplitzky,
Narumoff, russische Edelleute und Offiziere

Gräfin

Lisa, ihre Enkeltochter

Pauline, deren Freundin

Gouvernante

Mascha, Kammermädchen

Ein Lestordner

Chor von Spaziergängern, Gästen, Masken, usw. usw.

Personen des Zwischenspiels

Chloe

Daphnis (Pauline)

Plutus (Tomsky)

Die Handlung der Oper spielt in St. Petersburg zu Ende des XVIII. Jahrhunderts.

Erster Akt.

Erstes Bild.

Der »Sommergarten«, eine öffentliche Promenade.

Alleen von Bäumen, blumige Wiesen, Spielplätze, waldiger Hintergrund. Leuchtender Frühlingstag. Wärterinnen, Gouvernanten und Ammen gehen auf und ab oder sitzen auf den Bänken. Kleine Mädchen spielen »Katze und Maus«; andere Kinder schlagen Ball, werfen Reifen, springen über die Schnur, usw. usw.

1. Scene.

Chor.

KLEINE MÄDCHEN die »Katze und Maus« spielen.
Kommt die schlimme Katz gegangen,
Mäuslein, laß Dich ja nicht fangen!
Flink, Mäuslein, flink!

Gelächter, Ausrufungen, Laufen.

ALTE WÄRTERINNEN.
Kinder, spielet nur!
Noch ist grün die Flur;
Hell wie Flötenklang
Feld und Wald entlang
Tönt der Vögel Sang.
Jauchzet, lacht und singt!
Laufet, hüpft und springt!
Schließt den Ringelreihn,
Tanzt im Sonnenschein!
Kommt die böse Zeit
Erst hereingeschneit,
Pfeift der Wind so kalt
Durch den kahlen Wald!
Noch ist grün die Flur,
Kinder, spielet nur!
GOUVERNANTEN.
Alle Tage
Gleiche Plage
Mit der Jugend hier!
Ohne Schelten
Geht es selten,
Ewig keifen wir!
Ob sie lachen oder weinen,
Ob man fleht, ob droht,
Immer hat man mit den Kleinen
Seine liebe Noth!
AMMEN.
Eiapopeia!
Schlaf, mein Kindlein, schlaf, in Ruh‘,
Schließe Deine Aeuglein zu!

Kindertrommeln und Trompeten hinter der Scene.

FRAUEN.
Heut‘ wird wieder exercirt
Und flott marschirt!
Ei, seht doch!
Zur Seite geht doch!
Eins, zwei, eins, zwei …
KNABEN kommen anmarschirt.
Eins, zwei, eins, zwei …
Rechten, Linken,
Speck und Schinken,
Aufgepaßt!
Schritt gefaßt!
EIN KNABE (HAUPTMANN) kommandirt. Rechts um! Eins, zwei, halt! Die Knaben bleiben stehen. Achtung! Schultert’s Gewehr! Präsentirt’s Gewehr! Gewehr ab! Die Commandos werden ausgeführt.
CHOR DER KNABEN.
Dir, theures Vaterland,
Geweiht ist unser Leben!
Dir nur mit Herz und Hand
Sind Alle wir ergeben.
Die tapfre Schaar ist da,
Hurrah!
Nichts hemmet unsern Muth,
Trompeter, gieb das Zeichen!
Vorwärts durch Rauch und Blut,
Die Feinde müssen weichen!
Die tapfre Schaar ist da,
Hurrah!
Bangt Euch, Ihr Schwachen, nicht,
Wohlauf, Ihr holden Frauen!
Stets thun wir unsre Pflicht,
Auf uns dürft Ihr vertrauen!
Die tapfre Schaar ist da,
Hurrah!
KNABE (HAUPTMANN).
Ich dank Euch, Kameraden!
ANDERER KNABE.
Zu Befehl, Herr Hauptmann!
KNABE (HAUPTMANN). Achtung! Gewehr auf! Schultert’s Gewehr! Rechts um! Marsch!

Die Knaben marschiren in derselben Ordnung ab, in der sie gekommen sind.

FRAUEN.
Nicht geht das Vaterland verloren,
Wenn immer sich erneuert seine Kraft.
Sie sind zu Helden geboren
Unzweifelhaft!

Viele Kinder sind den abziehenden Soldaten gefolgt. Auch die Wärterinnen und Bonnen zerstreuen sich, um anderen Spaziergängern Platz zu machen.

2. Scene.

Czekalinski, Ssurin. Später Tomsky und Hermann. Spaziergänger, die auf- und abgehen.

CZEKALINSKY.
Was war denn gestern los beim Spiel?
SSURIN.
Verloren hab ich wie gewöhnlich,
Mein altes Pech!
CZEKALINSKY.
Da bliebt Ihr lange wohl beisammen?
SSURIN.
Ja, die ganze Nacht bis acht Uhr morgens.
Endlich einmal zwingt man doch das Glück!
CZEKALINSKY.
War Hermann da?
SSURIN.
Der pflegt doch nie zu fehlen, wo man Karten mischt!
Wie angenagelt schweigend sitzt der Narr und sieht
Dem Spiel der Andern zu.
CZEKALINSKY.
Noch immer?
SSURIN.
Nur in Gedanken spielt er mit.
CZEKALINSKY.
Er selbst rührt keine Karte an.
SSURIN scherzend.
Vielleicht berechnet er die Chancen
Und weiht uns in’s Geheimniß ein.
CZEKALINSKY.
Man sagt, daß ihm das Beste mangle.
Macht die Geberde des Geldzählens.
SSURIN.
Ja, er ist arm. – Gehn wir, er kommt.
Wie kummervoll und düster ist sein Antlitz!

Sie gehen vorüber.

Hermann finster und in Gedanken, kommt mit dem Grafen Tomsky.

TOMSKY.
Noch immer schweigst Du? Sag, was ist Dir?
HERMANN ausweichend.
Ach, laß mich, es ist nichts!
TOMSKY.
Du leidest?
HERMANN.
Ich bin nicht krank …
TOMSKY.
Du scheinst wie ausgewechselt – was
Ist Dir begegnet? …
Du lebtest still sonst für Dich hin
Und warst kein Freund gesell’ger Possen,
Doch niemals düster war Dein Sinn,
Nie warst Du mürrisch und verschlossen.
Jetzt an den Spieltisch unverwandt
Bist jede Nacht Du festgebannt
Und hast Verlust nicht noch Gewinn!
HERMANN.
Ja, sonderbarer Weise
Ziehn an mich leise jene Kreise,
Ich kann dem Zwang nicht widersteh’n,
Als wär der Name
Einer reizenden Dame
Aus den Karten dort
Und mehr noch zu ersehn,
Denn vor Liebe
Muß ich vergehn!
TOMSKY.
Ah, Du bist verliebt? In wen?
HERMANN.
Ich scheue mich, danach zu fragen,
Sie ist so stolz, so schön!
Vermessen wärs, sich zu wagen
Zu solchen Höh’n ….

Begeistert.

Ein Engel, schwebte sie hernieder …
Woher? Ich ahn es kaum!
Entschwinden könnte sie mir wieder,
Zerstört ich meinen Traum!
Dann aber denk ich, ach, mit Bangen,
Daß ihre Hand nicht frei,
Und daß mein Sehnen und Verlangen
Verloren sei! –
So streiten in mir dunkle Mächte,
Erfüllt sind Tage mir und Nächte
Mit bittrer Lust und süßer Qual
Ich wüßte, was mir Lindrung brächte,
Küßte sie mich ein einzig Mal!
TOMSKY.
Verrückt sind alle Liebesleute!
Nein, rund heraus gesagt und klar:
Bring Deinen Antrag vor noch heute
Und führ sie zum Altar!
HERMANN.
Sie ist von Stand!
Um ihre Hand
Kann ich als Offizier nicht werben,
Hab ich doch Niemand zu beerben.
TOMSKY.
Dann laß Dir rathen, such Dir eine Andre …
HERMANN.
Fühltest Du meine Leiden,
Littest Du meine Pein,
Du würdest anders Dich entscheiden!
Hab ich es selbst doch nicht geglaubt,
Und dacht es nimmer zu erproben:
Dies Herz, so kühl sonst wie mein Haupt,
Begann zu glühen und zu toben!
Es schlägt für sie allein.
Nur Eine hier auf Erden
Soll die Meine werden,
Die einzig Eine, sie allein!
TOMSKY.
Hermann, Du rasest; nimm
Zusammen Deine Kraft,
Daß nicht zum Wahnsinn
Sich steigre Deine Leidenschaft!

Sie gehen vorüber. Spaziergänger füllen die Bühne.

3. Scene.

Chor. Später Tomsky. Hermann. Czekalinsky. Ssurin. Fürst Jeletzky.

CHOR.
Was der März zu früh versprochen,
Hält der liebe Mai,
Nach so vielen Regenwochen
Lacht der Himmel frei.
Länger nicht den Lenz erwarten
Wir im dumpfen Haus,
Zu dem grünen Sommergarten
Eilen wir hinaus.
JUNGE MÄDCHEN.
Bunte Bänder
Und Gewänder
Kleiden uns doch gar zu gut!
Wir spazieren
Und stolziren
Heut im neuen Federhut.
Was für Leute
Giebt es heute!
Das Gezischel! Das Gesumm!
Wie sie staunen,
Wie sie raunen,
Alles dreht nach uns sich um.
Herrn von Adel,
Offiziere,
Cavaliere
Ohne Tadel.
Hier Magnaten,
Da Soldaten!
Literaten!
Candidaten!
AELTERE FRAUEN.
Die moderne Jugend
Hält nicht viel auf Tugend,
Wenig Zucht und Sitte
Herrscht in ihrer Mitte,
Wenig Ehrbarkeit.
Wir als Mädchen waren
Völlig unerfahren …
O du gute Zeit!
Das Flaniren,
Kokettiren
War bei uns nicht Brauch und Art –
Nein, wir spannen
Und wir sannen,
Wie man etwas sich erspart! –
Haubenstöcke
Letzter Güte
Diese Hüte!
Diese Röcke!
Das Getänzel
Und Geschwänzel!
Wie sie gaffen
Nach den Laffen!
JUNGE MÄNNER.
Blumen in den Auen,
Mädchen auf dem Plan,
Wonnig zu beschauen,
Reizend angethan!
Rings in allen Zweigen
Nachtigallenschlag,
Wer mag da noch schweigen?
Liebchen, guten Tag!
Welch ein Segen
Allerwegen,
Welche Pracht und Zier!
Im Gedränge
Durch die Menge
Schreiten wir.
GREISE.
Viel hab ich gesehen
Und zu wenig doch!
Alles könnte gehen,
Wär ich jünger noch!
Mein bescheidnes Leben
Hat mich oft gereut,
Manches mag es geben,
Das mich heut noch freut.
Ohne Lärmen
Laßt uns schwärmen
Sacht im flotten Zug!
Denn am Stabe
Schleicht zu Grabe
Man noch früh genug.
CHOR alle.
Was der März zu früh versprochen etc.

Tomsky und Hermann kommen wieder.

TOMSKY im Gespräch fortfahrend.
Und konntest niemals Du,
Durch einen Blick vielleicht, erkunden,
Ob vor der Dame Deines Herzens
Du Gnade hast gefunden?
HERMANN.
Wohl manchmal hat es mir geschienen,
Sah ich ihr nach,
Daß mitleidsvoll aus ihren Mienen
Die Liebe sprach.
Doch, sollt ich nicht mein Ziel erreichen,
Müßt ich dem harten Schicksal weichen,
Das, ach, ich fühl es! meiner Liebe droht –
Ein letztes Mittel immer bleibt …
TOMSKY.
Was?
HERMANN entschieden.
Der Tod.

Fürst Jeletzky kommt; Czekalinsky und Ssurin begegnen ihm gleichzeitig.

CZEKALINSKY zum Fürsten.
So darf man Glück Dir wünschen?
SSURIN.
Du hast Dich heut verlobt?
FÜRST.
Ja, meine Herrn, so ist es. Meine Werbung
Ward eben angekommen, und der glücklichste
Der Menschen bin ich nun.
CZEKALINSKY.
Dacht ich es doch!

Drückt ihm die Hand.

SSURIN.
Auch meinen Segenswunsch, Du Glücklichster.

Sie wechseln Händedrücke.

TOMSKY der mit Hermann so nahe gestanden, daß sie Alles hören konnten, geht auf den Fürsten zu.
Wir Alle gratuliren!
FÜRST.
Von Herzen sag ich Dank.

Gefühlvoll.

Du goldner Maientag,
Ich preise Deinen Segen
Und will es Dir gedenken!
Auf diesen Blumenwegen
Kam mir zuerst mein Glück entgegen,
Sei der Erinnerung geweiht!
Was mir Dein Glanz verheißt, entfalte
Sich wie der Rosen Knospenpracht,
Und immer herrlicher gestalte
Die Fülle sich der Liebesmacht.
HERMANN für sich.
Kein Tag der Freude lächelt mir entgegen,
Vereint ist Alles mich zu kränken,
Zum Fluch wird mir der Andern Segen,
Es pocht mein Herz in bangen Schlägen
Und glanzlos schleicht hinweg die Zeit.
Du, Maitag, lockst mich nicht, behalte,
Was Schönes du hervorgebracht.
Du, Frühlingssonne, geh, erkalte!
TOMSKY.
Und wer, mein Fürst, ist Deine Braut?
HERMANN näher hinzutretend.
Ich möchte gern sie sehen.

Die Gräfin und Lisa kommen aus einer der Alleen.

FÜRST auf Lisa deutend.
Seht hier!
HERMANN zuckt zusammen.
Bei Gott! … Sie selbst! … Die Braut des Fürsten!
O Jammer! … Meine Ahnung.

4. Scene.

Lisa. Gräfin. Die Vorigen.

GRÄFIN UND LISA stutzen bei Hermanns Anblick.
Der fremde Mann.
TOMSKY.
So löst sich das Geheimniß auf.
O weh, mein armer Freund!
LISA.
Wie seltsam, daß es mich so tief bewegt,
Erscheint vor mir der Unbekannte wieder,
Ich bin im Innersten erregt,
Ein kalter Schauer läuft durch meine Glieder!
Kündet sein Kommen drohende Gefahr?
Und schlag ich ängstlich auch die Augen nieder,
Vor meinen Blicken steht er immerdar.
Wie seltsam und wie sonderbar!
GRÄFIN.
Wie seltsam, daß sein Anblick mich bewegt,
Erscheint vor mir der Unbekannte wieder!
Ich fühle mich erregt,
Ein kalter Schauer läuft durch meine Glieder.
Kündet sein Kommen drohende Gefahr?
Mir ist, ich sah ihn früher schon,
In seinen Augen Schmerz und Hohn.
Wenn er mich ansieht, steht zu Berge mir das Haar!
Wie seltsam und wie sonderbar!
HERMANN.
Wie seltsam fühl ich doch mich aufgeregt,
Erscheint mit ihr zugleich
Die garst’ge alte Hexe wieder!
Es beben meine Glieder,
Und vor Entsetzen sträubt sich mir das Haar,
Als drohte mir von diesem Weib Gefahr.
Mein Lieb soll ich verlieren auf immerdar
Und denke nebenbei an Andres gar!
Wie seltsam und wie sonderbar!
TOMSKY.
Wie innig fühl ich mich bewegt,
Wie Schweres wird ihm auferlegt!
Jedoch, wenn er als Mann es trägt:
Was ihn darniederschlägt,
Erhebt ihn künftig wieder.
Auch sie scheint mir verwirrt, bestürzt sogar,
Und doch folgt sie dem Fürsten zum Altar.
Wie seltsam und wie sonderbar!
FÜRST.
Wie seltsam! Plötzlich war sie tief bewegt
Und schlug erröthend ihre Augen nieder.
Ihr Wesen scheint im Innersten erregt,
Nun wird sie wieder blaß,
Und Zittern läuft durch ihre Glieder!
Was ihr nur in Gedanken kam!
Ich weiß es nicht zu deuten!
Am Ende war es nur die Scham
Vor all den Leuten!
Sonderbar!

Tomsky geht zur Gräfin, der Fürst zu Lisa, die Gräfin starrt Hermann an.

TOMSKY.
Frau Gräfin,
Man darf doch gratuliren?
GRÄFIN ohne auf ihn zu hören.
Ich bitte Sie, wer ist der Offizier?
TOMSKY auf Hermann deutend.
Sie meinen den da?

Die Gräfin nickt bejahend.

Hermann, ein Freund von mir!
GRÄFIN.
Er kann kein Russe sein …
Woher stammt er?

Tomsky begleitet sie, während er weiterspricht, in den Hintergrund.

FÜRST zu Lisa.
Uns lache schön wie dieser Morgen,
Befreit von Zweifeln und von Sorgen,
Ein Leben voller Lust und Heiterkeit.

Er bietet ihr den Arm.

O komm, wir sind für alle Zeit
Geborgen!

Gehen ab.

HERMANN drohend.
Frohlocke nur, Du Thor! Das Wetter sahst Du nicht.
Es ballt sich schwarz zusammen.
Die Stürme wüthen
In Deinen Blüthen
Mit Blitzesflammen.

Entfernter Donner, Hermann setzt sich in düsteren Gedanken auf eine Bank.

5. Scene.

Czekalinsky. Ssurin. Hermann. Tomsky.

SSURIN.
Was für ein Scheusal, diese Gräfin!
CZEKALINSKY.
Ein Satansweib.
TOMSKY.
Man nennt sie heut noch allgemein Pique-Dame.
Ihr wißt so gut als ich: Verliebt war sie
In den Pique-Buben einst.
SSURIN.
Nein, nein. Erklär uns doch, was heißt das?

Hermann wird aufmerksam und verfolgt später die Erzählung Tomsky’s mit wachsender Theilnahme.

CZEKALINSKY.
Ein Abenteuer wohl am Kartentisch?

Lacht.

TOMSKY.
So hättet wirklich Ihr noch nichts davon gehört?
SSURIN.
Nein, niemals, auf mein Wort!
CZEKALINSKY.
Nichts, auf mein Wort!
TOMSKY.
Dann sag ich Alles Euch! – Als jung sie war,
Verdrehte sie die Köpfe den Männern in Paris,
Graf Saint Germain, in schwarzer Kunst erfahren,
War grade da, als sie ihr Geld verspielte.
Er kauft sich ihrer Liebe Gunst, entdeckt ihr ein Geheimniß,
Durch welches sie gewinnt! Und um das Spiel
Bricht sie die Treue dem Gatten.
Man sagt, daß mit drei Karten
Sie Anderen auch half in Noth.
HERMANN springt von der Bank auf und tritt näher.
Es giebt ein altes Lied darauf, ich sing es Euch.
Es rief in Versailles bei der Königin Spiel
Die Gräfin »Va banque!« doch sie wagte zu viel,
Und als den Verlust sie mit Schmerzen besah,
Zwei finstere Augen gewahrte sie da,
Die glühend entgegen ihr starrten!
»O Jammer, gewänn ich ganz sicher doch jetzt,
Hülf Einer mir aus, der statt meiner besetzt
Drei Karten!«

Schnell hat sich der Fremde zur Gräfin gewandt,
Verneigt sich und bietet den Arm ihr galant;
Er flüstert ihr zu: »Wollet mir Euch vertraun,
Der Graf Saint Germain ist ein Ritter der Fraun!
Kommt, gehn wir hinaus in den Garten!
Frau Gräfin, entfernt von der lästigen Schaar,
Beim Lichte des Vollmonds zeig ich Euch klar
Drei Karten.«

Sie sträubte sich anfangs: »Was fällt Ihnen ein?«
Doch ging sie mit ihm, und beim Vollmondschein
Hat er in der Laube die Kunst sie gelehrt.
»Nun gleich in den Spielsaal zurückegekehrt,
Du findest das Glück Deiner warten!
Verdopple den Einsatz und spiele Dich frei!
Gewinn ein Vermögen, Dir helfen dabei
Drei Karten!« – – –

Ihr Mann ruinirt sich! Sie rettet ihn auch
Und macht von dem Wissen noch einmal Gebrauch;
Doch Nachts, als ihr junger Geliebter gewann,
Erschien ihr der Satan und herrschte sie an:
»Du meinst, wir sind die Genarrten?
Dir bringen vom Dritten, den Liebe durchloht
Und der sie Dir abfragt, den sicheren Tod
Drei Karten!«

Das Gewitter kommt näher.

CZEKALINSKY.
Se non è vero, è ben trovato.
SSURIN.
Ein Orakel.

Es donnert.

Der Teufel soll mich selber holen, wenn
Ich ihm in’s Handwerk pfusche! –
Sie ist sicher vor mir.
CZEKALINSKY.
Was meinst Du, Hermann, die Gelegenheit
Wär günstig, unsre Bank zu sprengen!

Alle lachen.

Das Räthsel verstehst Du doch?
»Dir bringen vom Dritten, den Liebe durchloht,
Und der sie Dir abfragt, den sicheren Tod
Drei Karten!«

Ab mit den Anderen; außer Hermann.

6. Scene.

Chor. Hermann.

Heftiger Donner und Sturm. Die Spaziergänger kommen über die Bühne gelaufen und flüchten sich vor dem Gewitter.

CHOR.
Nur fort! Das Gewitter erwischt uns!
Es kommt herauf, gleich wird es regnen!
O schreckliche Blitze! Furchtbarer Donner!
O Windesgebraus!
Kaum kommen wir trocken nach Haus.
Schon fallen die Tropfen!
Nur fort! Nach Haus.

Starker Schlag.

HERMANN allein.
»Du meinst, wir sind die Genarrten?
Dir bringen, vom Dritten, den Liebe durchloht
Und der sie Dir abfragt, den sicheren Tod
Drei Karten!«
Was hülf‘ es mir, wenn ich die ganze Welt gewänne?
Den Andern wählte sie, nicht sprach ihr Herz für mich.
Doch nein, ich halte Stand!
Ihr Unglücksstürme, rast,
Dem Wüthen biet ich Trotz.
Der Stärkere bin ich!
Bald werd‘ ich Euch den Meister zeigen!
Nein, Fürst. So lange ich athme, wird sie nie
Die Deine sein. Ich schwör es mir: Mein ist sie, mein!
Euch, Blitze, Donner, ruf ich an als Zeugen!
Hört meinen Schwur, sie soll mein Eigen sein.
Ja, mein im Leben oder Tod!

Stürzt fort.

Vorhang.

Zweites Bild.

Lisa’s Zimmer mit Veranda.

Durch die Glaswand rechts sieht man in den Garten. Ein Fenster und die Thür zur Veranda sind offen. Lisa sitzt am Clavier. Ihr zur Seite Pauline mit Gespielinnen.

7. Scene.

Lisa. Pauline. Chor.

LISA UND PAULINE singen ein Duett aus Noten.
»Es dämmert. All das Licht, in dem wir uns gesonnt,
Versank, zerrann, erlosch; der Tag geht schon zur Rüste
Ein letzter blasser Streif am Horizont
Ist wie der schmale Saum an weit entfernter Küste.
Wie lange drückte schwül herab Gewitterluft!
Nun weht vom Berge her ein kühler Hauch im Winde.
Zum Fenster dringt herein Jasmin- und Rosenduft,
Und süßen Weihrauch streut im Hof die alte Linde.

So friedlich ruht das Thal, mit Nebel zugedeckt,
Kein Laut mehr unterbricht die wunderbare Stille!
Kaum rührt ein Vogel sich, vom Nestchen aufgeschreckt,
Und nur im Grase zirpt ihr kleines Lied die Grille.«
CHOR.
Wie reizend, zart und schön,
Ein wahres Lustgetön!
Die Stimmen
Verschwimmen
In einem einz’gen Laut.
Wir bitten sehr,
Davon noch mehr,
Mein Fräulein Braut!
LISA.
Ein Solo singt Pauline!
PAULINE.
Ich soll? Was wollt Ihr denn?
CHOR.
Nur zu, nicht lange fragen!
Was Dir gefällig,
Singe, was Du willst!
PAULINE.
Ich hört einmal ein Lied,
Das säng ich gern.

Sie setzt sich an’s Clavier.

Wie wars doch? – Wartet mal.

Sie präludirt.

»Schwestern, klagt mit mir! Auch ich war jung an Jahren,
Auch mir erschien die Welt ein lachend Paradies.
Ich trug den Veilchenkranz der Unschuld in den Haaren,
Kein Tag, der lächelnd nicht ein goldnes Glück verhieß.
Auch ich war jung und unerfahren!

Doch als die Stunde kam, die Alles mir versprochen,
Traf mich der Zorn des Herrn, der grausam mich verstieß,
Mich aus dem Himmel wies.
Vor Schmerz ist da mein Herz gebrochen! –

Allgemeine Rührung und Bewegung.

Warum fiel mir nichts Anderes ein
Als diese Schmachtromanze?
’s ist wahr! Du bist auch gar zu wenig lustig, Lisa,
Für solch ein Fest. Vergiß nicht:
Verlobung feiern wir! Ja, denke dran!

Zu den Freundinnen.

Euch Alle, scheints, verstimmte, was ich sang.
Was Heitres laßt uns singen!
Ein Lied aus dem Volke der heimischen Steppe,
Das Jeder kennt. Den Chor macht Ihr dazu.
CHOR.
Wie lustig! Singen wir das Liedchen von Maschenka.

Die Gespielinnen klatschen zum Takte in die Hände. Lisa betheiligt sich nicht an der Fröhlichkeit, sondern blickt nachdenklich durch die Glaswand der Veranda in den Garten.

PAULINE UND CHOR.
He, Maschenka, komm zur Linde,
Nimm den Kranz,
Auf zum Tanz,
Ei lala, Tralala.
Arm in Arm nur fort geschwinde!
Kreuz und quer,
Hin und her,
Ei lala, Tralala!
»Würde meine Mutter schmälen,
Glaube mir,
Folgt ich Dir!
Ei lala, Tralala.
Einen Andern soll ich wählen,
Stolz und reich,
Der mir gleich!«
Ei lala, Tralala!

Wollt ich für mein Liebchen lassen
Alles Geld
Von der Welt!
Ei lala, Tralala.
So wie wir zusammenpassen,
Frisch und frei,
Giebts nur Zwei.
Ei lala, Tralala!

Achte Scene.

Die Gouvernante. Die Vorigen.

GOUVERNANTE.
Mesdemoiselles, qu’est-ce que vous nous chantez?
Wenn das die Gräfin hört, quel horreur!
Sie tanzen ja wie Bauernmägde!
Fi, quel genre, mesdames!
Töchter von Rang und von Stande
Hüpfen wie Dirnen umher!
Fi donc! Es ist eine Schande
Und es mißfällt mir recht sehr!
Was soll man wohl dazu sagen?
Ist das ein passender Ton?
Haben sich so zu betragen
Damen von Distinction?
Verzeihn will ich noch diesmal … Nun genug für heute!
Man muß sich trennen!

Gouvernante und Chor gehen ab.

9. Scene.

Pauline. Lisa.

PAULINE auf Lisa zugehend.
Du .. warum gar so melancholisch?
LISA.
Melancholisch ich? Gewiß nicht.
Nur ernst stimmt mich die Nacht,
Die nach des Wetters Wüthen
Zeigt ihrer Sterne Pracht.
PAULINE.
Dein Ernst gefällt mir nicht.
Wenn ich dem Fürsten sagte,
Daß am Verlobungstage Du
Nicht einmal lachtest! ….
LISA.
Nein, liebste Freundin, kein Wort davon!
PAULINE.
Dann gleich mußt Du jetzt lächeln, lieb und freundlich!
Ganz gut. Und nun ade!

Sie küssen sich.

LISA Pauline geleitend.
Nur ein paar Schritte noch!

Beide ab.

Mascha kommt und löscht alle Lichter aus, bis auf eines. Während sie zur Veranda geht, um die Thür zu schließen, kommt Lisa zurück.
LISA Mascha zurückhaltend.
Nicht schließen! Offen laß die Thür!
MASCHA.
Ich fürchte, Fräulein erkälten sich.
LISA.
Nein, Mascha, unbesorgt, warm ist die Nacht.
MASCHA.
Begeben Sie sich nicht zur Ruhe?
LISA.
Wohl später erst … Ich brauch Dich nicht.
MASCHA.
Zu Bette darf ich gehn?
LISA.
Ja, laß mich nur und geh!

Mascha geht. Lisa tritt an die Thür und lehnt sich an den Pfosten.

LISA mit tiefer Empfindung.
Ich muß am Fenster lehnen
Voll Sehnsucht hier;
Warum doch dringen Thränen
Heiß in die Augen mir?
Steh ich am Ziele meiner Wünsche nicht?
Vor Andern hat das Schicksal mich begünstigt:
Ich bin die Braut des Fürsten, eines Manns
Von Geist, von Reichthum, Edelsinn und Anmuth!
Kein junges Mädchen wünschte sich ein bessres Loos.
So vornehm, ritterlich, so artig auch dabei ….
Gewiß, er liebt mich! Dennoch aber wird
Mir weh und bang in seiner Nähe ….
Ich muß am Fenster lehnen
Voll Sehnsucht hier;
Warum doch dringen Thränen
Heiß in die Augen mir?

Sie weint.

Wenn er jetzt zu mir käme! … Unerträglich ist
Mir der Gedanke!
Ein andres Bild taucht neben ihm empor …

Mit Leidenschaft.

Nur dir, o Nacht – du wirst verschwiegen sein -!
Will ich mich anvertrauen, dir allein!
Geheimnißvoll wie du,
Und dunkel wie sein Auge ist die Macht,
Die all mein Sinnen hält gefangen.
O heilge Nacht!
Des Sohns gedenke, des gefallnen Engels!
Erlöst zu sein von tiefster Qual,
Das ist auch sein Verlangen!
Nun traur ich hier,
Vereint mit Dir,
Um ihn, der so unsagbar elend mich gemacht!
O Nacht!

Sie tritt in’s Zimmer zurück. In demselben Augenblick erscheint Hermann in der Thür der Veranda, Lisa fährt entsetzt zusammen und steht eine Weile wie gebannt. Dann rafft sie sich mit Gewalt zum Fortgehen auf.

10. Scene.

Hermann. Lisa.

HERMANN.
Ich muß Sie sprechen, ich beschwöre Sie.
LISA.
Zur Nachtzeit dringen Sie hier bei mir ein?
Was wollen Sie?
HERMANN.
Nur Abschied nehmen.

Lisa will gehen.

Ich bitte, bleiben Sie. Ein Wort nur.
Für immer geh‘ ich dann!
Und niemals sollen Sie mich wiedersehn!
Nur eine Frage … Eine Bitte! …
Ein letzter Wunsch, bevor ich sterbe!
LISA.
Zu lang schon hört ich Sie! O gehn Sie!
HERMANN.
Nein.
LISA.
Ich werde schrein!
HERMANN.
Dann werd ich

Zieht eine Pistole.

Sofort mich tödten! …
Was liegt auch viel daran!
Ob später oder jetzt.

Lisa macht eine abwehrende Bewegung und schweigt.

Wenn ein Atom im Herzen Dir noch blieb
Von Mitleid und Erbarmen,
So geh nicht fort, nein, hör mich an!
LISA fassungslos.
Ihr Heil’gen, helft mir!
HERMANN.
Mich unterwarf der Liebe Machtgebot:
In Deiner Hand lag Leben mir und Tod.
Der Andre hat Dein Lebenswort.
Mich schicktest in den Tod Du fort!
Gieb Deinen Segen mir, bevor ich scheide
Für immerdar.
Und dann im Myrtenkranz und Brautgeschmeide
Tritt zum Altar.
Einmal sei mein, wie Dus gewesen,
Eh mich Dein Auge noch gesehn!
Von allem Weh laß mich genesen,
Im Arme Dir laß mich vergehn!
Im letzten Augenblick
Mein hartes Mißgeschick
Noch preis ich dann: Der Erde höchstes Glück
War nicht im Traum nur mir erlesen
Und gern ins Nichts sink ich zurück.

Lisa blickt ihn ergriffen an.

Weile, Du bist so sanft, so schön!
LISA mit versagender Stimme.
O gehn Sie! Gehen Sie!
HERMANN.
O Königin! O Göttin! Engel!

Er kniet vor ihr nieder.

Dir dient ich gern! Mein Fühlen, Denken,
Beherrschtest Du, sie waren Dein.
Zum Guten konntest Du mit einem Blick mich lenken
Ich folgte Dir allein! –
Das ist vorbei für alle Zeiten,
Mir bleibt kein Ziel mehr, keine Wahl;
Dein Engelsblick, ach, soll mich leiten
Ins dunkle Ruhethal.
Doch laßt mich, Ihr geliebten Sterne,
Noch vor dem Tode glücklich sein einmal!

Lisa weint; Hermann steht auf.

Du weinest, Du? Was deuten diese Zähren.
Versagen, ach, Gewähren?

Er greift ihre Hand, die sie ihm läßt.

Beseligt dank ich Dir!
O Königin! O Göttin! Engel!

Er küßt ihre Hand. Geräusch von Schritten. Es klopft.

GRÄFIN hinter der Scene.
Lisa, öffne!
LISA bestürzt.
Die Gräfin. Gott im Himmel!
Ich bin verloren ..
Entfliehen Sie! … Zu spät! ..

Es klopft stärker. Lisa deutet auf einen Vorhang, hinter dem sich Hermann verbirgt.

Hierher!

Lisa geht zur Thür und öffnet. Die Gräfin im Nachtkleide tritt ein mit Gefolge von Kammerfrauen, die Lichter tragen.

11. Scene.

Gräfin. Lisa. Kammerfrauen.

GRÄFIN.
Noch nicht zu Bett? Was soll das heißen?
Was für ein Lärm?
LISA nach Fassung ringend.
Nichts, Großmama …
Ich sprach mir ein paar Sätze vor
Aus meinem »Werther« …
GRÄFIN macht mit ihrem Stock ein Zeichen, die Thür zur Veranda zu schließen, eine der Zofen thut es.
Wer ließ die Thür dort auf?
Gott, diese Ueberspanntheit unsrer Jugend.
Der »Werther«! – Dummes Zeug.
Sofort zu Bett.

Stößt wiederholt mit dem Stock auf den Boden.

Hörst Du?
LISA.
Verzeih, wenn ich gefehlt.
GRÄFIN.
Sie schläft nicht … es ist kaum zu glauben.
Deklamirt noch aus »Werther« …
Ins Bett mit Dir!
LISA.
Großmütterchen, ich geh schon.
GRÄFIN im Abgehen.
Ich lag im besten Schlaf,
Da weckt mich das Gerede! …
Gute Nacht denn!
Vergiß nicht, was sich schickt für eine Braut.

Ab.

12. Scene.

Hermann. Lisa.

HERMANN hervortretend, in sich gekehrt.
»Vom Dritten, den Liebe durchloht,
Bringen Dir – er befragt Dich! – den Tod
Drei Karten!«
Wie Grabeskälte umweht es meine Stirn.
Ziehst Du Gespenst mich nach?
Was frag ich jetzt nach Dir!

Lisa geht, nachdem sie die Thür hinter der Gräfin abgeschlossen hat, zur Veranda, öffnet die Thür und befiehlt Hermann mit einer Geste, sich zu entfernen.

Du treibst mich weg von hier?
Da draußen ist der Tod, und hier das Leben.
Du wecktest neues Sehnen, neues Streben!
Wie Balsam sind mir Deine Thränen
Ins Herz geflossen.
Zeigst Du den Himmel mir erschlossen,
Laß mich zu seinen Freuden ein mit Dir!
LISA.
Mein Mitleid weint um Sie,
Was kann ich sonst noch für Sie thun?
Was wollen Sie von mir?
HERMANN.
Erfülle mein Begehr!
LISA.
Lassen Sie ab von mir, mein Herr!
Und gehn Sie! In Gefahr
Ist meine Ehre!
HERMANN.
Nicht länger fleh ich mehr,
Du willst es, daß ich sterbe!
LISA.
Ich flehe: sei barmherzig, gieb
Mich frei und geh!
HERMANN.
Sprich deutlicher: »Stirb!«
LISA.
Allerbarmer!
HERMANN.
Leb wohl!

Wendet sich zum Gehen.

LISA nach längerem Seelenkampf mit plötzlichem Entschluß.
Bleib und lebe!
HERMANN umarmt sie; sie lehnt das Haupt an seine Schulter.
O Königin! O Göttin! Engel! …
Nun bist Du mein!
LISA.
Ich bin Dein!

Vorhang.

Zweiter Akt.

Drittes Bild.

Maskenball in einem vornehmen Hause.

Großer Saal mit Colonnen an den Seiten; zwischen den Säulen Logen. Mehrere Ausgänge, die in den Garten führen. Im Mittelgrunde links ein erhöhter Chor mit Sängern. Buntes Gewühl von Masken und Gästen beiderlei Geschlechts in Gesellschaftstoilette

1. Scene.

CHOR der im Mittelgrunde postirten Sänger.
Heiter geschmückt ist die Halle,
Kommt, Ihr Geladenen, Alle,
Spiel und Gesang Euch gefalle,
Mit Jauchzen erfüllet das Haus!
Flöten, Oboen und Geigen
Laden so lieblich zum Reigen;
Hörner und Pauken erklingen,
Wollt Ihr zu Paaren Euch schwingen
Oder nach höfischer Sitte
Wandeln im Grazienschritte?
Jubel und Jauchzen erschalle,
Fülle die festliche Halle!
Willkommen zum Tanz und zum Schmaus,
Und morgen erst ruhet Euch aus!

2. Scene.

Festordner. Czekalinsky. Ssurin. Tomsky. Später der Fürst und Lisa.

FESTORDNER.
Den werthen Gästen giebt
Des Hauses Herr durch mich bekannt:
Ein Feuerwerk wird jetzt im Garten abgebrannt.

Die Gäste gehen in den Garten.

CZEKALINSKY kommt im Gespräch mit Ssurin und Tomsky. Alle sind maskirt.
Mit Hermann ist es hier nicht richtig.

Zeigt auf die Stirne.

Er ist verliebt, ich wette drauf!
Denn gar zu toll sind seine Launen.
SSURIN.
Nein, meine Herrn, er glaubt vielmehr
Dem Räthsel auf der Spur zu sein,
Wie sicher man gewinnt im Spiele.
CZEKALINSKY.
Abgeschmackt!
TOMSKY.
So dumm ist Hermann nicht.
Dächt er im Ernst daran, wär er ein Narr!
SSURIN.
Er selbst sprach mir davon!
TOMSKY.
Ein Spaß!
CZEKALINSKY.
Komm, Freund, wir ziehn ihn damit auf!

Gehen vorüber.

TOMSKY.
Unmöglich wär es nicht!
Phantastisch ist er und hängt Schrullen nach.
Der Aermste! … Schade! …

Folgt ihnen.

Der Saal hat sich allmählich geleert. Bediente kommen und arrangiren die Mitte der Bühne für das Zwischenspiel. – Sie breiten einen grünen Teppich aus, der den Rasen vorstellt, und rollen einige bereits zu dem bestimmten Zweck gefällig gruppirte Treibhauspflanzen herbei, die Hintergrund und Conlissen vertreten. – Der Fürst erscheint, Lisa am Arme, beide ohne Masken.

FÜRST.
Warum so schweigsam und so düster?
Beschwert ein Kummer Dein Gemüth, vertrau ihn mir!
LISA.
Ach, lassen Sie … es ist nichts … eine Laune

Sie will sich ihm entziehen.

FÜRST hält sie zurück.
Vergönne mir ein paar Minuten
Und höre, was ich sagen will.

Als Du zum Gatten mich erkoren,
Dich feierlich mir angelobt,
Da hab ich auf Dein Herz geschworen,
Das makellos und unerprobt.
Ein Engelsbild vor allen Frauen,
Erschienst Du mir, an Tugend reich, –
O gieb Vertrauen für Vertrauen:
Weshalb bist Du so still, so bleich?
Du darfst Dich furchtlos mir entdecken,
Mir klagen, was Dir wehgethan;
Kein böses Wort soll Dich erschrecken,
Sanft heil ich Dich von Leid und Wahn!
Und drohten unserm Bund Gefahren,
Nicht kenn ich Groll noch Eifersucht, –
Mir Deine Liebe zu bewahren,
Kein Mittel ließ ich unversucht.
Sogar das Letzte wollt ich wagen,
Der Opfer schwerstes brächt ich dar:
Mit Lächeln wollt ich Dir entsagen,
Der Freund Dir sein, der stets ich war.
Nur nicht dies kalte, todte Schweigen!
Nur nicht erniedrigt stehn vor Dir!
Daß Du mich achtest, sollst Du zeigen,
Ich bitte Dich, vertraue mir!

Sie gehen vorüber.

3. Scene.

Hermann. Später Czekalinsky und Ssurin. Gäste und Festordner.

HERMANN im Costüm ohne Maske, er liest ein Billet.
»Erwarten Sie mich nach der Vorstellung im Saal.
Ich muß Sie sprechen.«
Von diesen bohrenden Gedanken
Befreit sie mich vielleicht.

Setzt sich auf einen Stuhl.

Drei Karten! …
Erführ ich sie, dann wär ich reich!
Entfliehen könnt ich dann von hier,
Entfliehen mit ihr! … Zum Wahnsinn wird
Mich treiben der Gedanke noch!

Mehrere Masken, von Czekalinsky und Ssurin geführt, erscheinen, deuten auf Hermann, schleichen unbemerkt näher, beugen sich über ihn und flüstern.

CZEKALINSKY UND SSURIN.
Bist Du jener Dritte, den Liebe durchloht,
Und bringen durch Dich ihr den Tod
Drei Karten?

Sie entfernen sich schnell und leise, wie sie gekommen waren.

Hermann steht entsetzt auf, als ob er das Geschehene nicht fassen könne. Als er sich umsieht, sind die Masken in der Menge, die vom Garten zurückkehrt, verschwunden.

CZEKALINSKY, SSURIN UND EINIGE MASKEN hinter der Scene.
Drei Karten!

Gelächter.

HERMANN.
Fürchterlich! Sprach das mein Schicksal?
Ha! Wär es so? …

Schlägt die Hände vor’s Gesicht.

Verfolgen
Dämonen mich?

Er versinkt in Brüten.

FESTORDNER.
Die hochgeehrten Gäste ladet ein der Herr
Zum Pastoral, betitelt: »Die aufrichtige Schäferin«.

Die Gäste lassen sich zwischen den Säulen und an den Seiten auf den dazu aufgestellten Stühlen und Bänken nieder. Eine Quadrille der vornehmsten und schönsten Frauen, Jungfrauen und Jünglinge in arkadischer Hirtentracht zieht auf und begleitet das Spiel mit Tänzen und Gesängen.

4. Scene.

Das Zwischenspiel: »Die aufrichtige Schäferin«.

CHOR DER SCHÄFER UND SCHÄFERINNEN.
Der Tag ist im Verscheiden,
Die Heerden sind getränkt,
Wir haben von den Weiden
Zur Hürde sie gelenkt.
Schon färbt die Abendröthe
Die Flur mit sanftem Glanz,
Nun locke, liebe Flöte,
Die Schönen her zum Tanz!

Nach einer Sarabande zieht sich der Chor in den Hintergrund der idealen Bühne zurück und gruppirt sich malerisch zwischen Orangen-, Lorbeer- und Oleanderbäumen. Chloe und Daphnis treten von verschiedenen Seiten auf.

CHLOE.
Ich habe Daphnis gern,
Er aber bleibt mir fern.
Wär er nicht gar so blöde,
Säh er, ich bin die Spröde
Nur bei gewissen Herrn!
DAPHNIS kommt von der entgegengesetzten Seite, sieht Chloe und bleibt verlegen stehen.
Der Liebe heißes Flehen –
Dem Echo seis geklagt!
Es Chloe zu gestehen,
Das wär zu viel gewagt!
Wie gern der Schönen dort
Vertraut ich an ein Wort
Mit Schmeicheln und mit Bitten,
Was ich um sie gelitten!
Und dennoch bleib ich stumm –
Der Kuckuck weiß, warum!
CHLOE.
Er kommt und sagt kein Wort,
Dann läuft er wieder fort!
Ich kann ihn doch nicht bitten,
Das spräche Hohn den Sitten!
Da steht er stumm und dumm –
Der Kuckuck weiß, warum!

Plutus wird in einem goldenen Wagen von geflügelten Genien hereingezogen. Fortuna steht hinter ihm. Sie führen ihn herab und umtanzen ihn.

PLUTUS der siegesgewiß auftritt und Daphnis mit einem gnädigen Handwink heranzieht.
Schönste, da sind wir beide,
Von Liebe gleich gequält,
Und wen Dein Herz erwählt,
Ob ihn, ob mich – entscheide!
DAPHNIS faßt plötzlich Muth und nähert sich Chloe.
Ich würd‘ es nimmer wagen,
Dir meine Noth zu klagen,
Doch zwingt mich der Rival –
Ich stelle mich zur Wahl!
Mein Lieben braucht kein Zeichen
Von Schmelz und buntem Glast;
Was könnt ich Dir auch reichen,
Das Du nicht besser hast?
Ja, Du beschämst an Zier
Die Blumen im Revier!
So schön die Welt nicht malen
Auroren’s Purpurstrahlen,
Wie von den Wangen Dein
Mir lacht der Rosen Schein!
PLUTUS.
Von Schätzen ohne Gleichen
Aus aller Herren Reichen
Besitz ich eine Last;
Vor ihnen sollst Du prahlen
Als Perl, in Gold gefaßt!
Ein Schloß liegt in Bengalen
Mit vielen Länderein,
Das soll Dein Eigen sein!

Beide knien vor Chloe hin.

CHLOE.
Ich freue mich am Kranze
Von Blumen, lind und licht,
Der zart von Liebe spricht!

Sie hebt Daphnis auf.

Mein Daphnis, komm zum Tanze!

Knixt spöttisch vor Plutus.

Dich, Plutus, mag ich nicht!

Zu Daphnis.

Erwählt hat Dich mein Herz.
Bist Du nicht länger blöde,
Bin ich nicht länger spröde –
Ich wars auch nur zum Scherz!
Sei mein in Lust und Schmerz!

Plutus besteigt zornig seinen Wagen und vergißt in der Eile Fortuna mitzunehmen, die das junge Paar segnet.

CHLOE UND DAPHNIS.
Wir haben uns gefunden
Und bleiben treu verbunden
In sel’ger Einigkeit,
Wie heut, so alle Zeit!

Segen Fortuna’s.

CHOR.
Sie haben sich gefunden etc. etc.

Amor und Hymen erscheinen und krönen das Paar mit Lorbeeren und Myrten. Allgemeiner Tanz. Zum Schluß ziehen Alle paarweise unter Vorantritt der drei Gottheiten ab.

CHOR.
Herab die Götter schreiten,
Zu segnen unser Paar.
Auf! Laßt uns sie begleiten
Im Reigen zum Altar!

Paarweise ab.

Chor nach Schluß des Zwischenspiels allgemeiner Beifall.

5. Scene.

Hermann. Ssurin. Gräfin. Lisa. Festordner.

Einige Gäste stehen auf, andere unterhalten sich lebhaft auf ihren Plätzen. Hermann tritt in den Vordergrund.

HERMANN sinnend.
»Der Dritte, den Liebe durchloht!« –
Wie? Brenn ich nicht von Liebe?
Wahrhaftig, ja!

Er wendet sich um und sieht die Gräfin vor sich. Beide schaudern, indem sie sich gegenseitig starr anblicken.

SSURIN maskirt, tritt zu Hermann hin.
Nun, wie gefällt Dein Liebchen Dir?

Lacht und verbirgt sich.

HERMANN verstört.
Bei Gott, das war – mir graut es! – dieselbe Stimme!
Höhnen mich Menschen oder Geister?
Und welcher Macht verfallen ist mein Haupt!?
Entsetzlich! – Von Sinnen komm ich und Verstand!
LISA maskirt, geht auf Hermann zu.
Da bin ich endlich!
HERMANN.
Ha, das ist Lisa!
Mein guter Engel kommt mit Dir!
Ich danke Dir!
LISA.
Wie aufgeregt!
Nimm Dich in Acht, denn man belauscht uns! Höre:
Der Schlüssel hier erschließt die Gartenpforte,
Die Stiege links führt Dich in’s Schlafgemach der Gräfin.
HERMANN exaltirt.
Der Gräfin! Ha!
LISA.
Du kommst vor Zwölf schon …
Da legt sie sich die Karten noch
Drunten im Saal. – Von ihrem Bildniß dort
Die Wendeltreppe läuft zu mir.
Und nun gedulde Dich bis morgen! Dann
Bin ich Dein!
HERMANN.
Nein! Nicht morgen Dein!
Noch heute, diese Nacht!
LISA erschreckt.
Bedenke!
HERMANN sieht auf die Uhr.
Elf vorbei!
LISA demüthig.
Es ist Dein Wille, gehorchen muß ich Dir!
Ich geh!

Ab.

HERMANN überzeugt.
Mein Wille nicht, des Schicksals Willen ist es:
Ich erfahre heut drei Karten!

Läuft fort.

FESTORDNER aufgeregt und athemlos.
Ihre Majestät geruhten soeben vorzufahren!

Große Bewegung unter den Gästen. Der Ordner theilt die Menge, um einen Durchgang für die Zarin zu schaffen.

CHOR.
Die Zarin!
Die große Kaiserin erscheint persönlich!
Wie schön, daß sie sich sehen läßt!
O welche Ehre, hoch und ungewöhnlich!
Die Ueberraschung krönt das Fest!
FESTORDNER zu den Sängern auf dem Chor.
Ihr singt, sobald sie kommt, die Hymne!
CHOR.
Wir Alle wollen singen! Bringt ein Vivat ihr!
Vivat die Mutter! Vivat die Zarin!

Alles wendet sich zur Mittelthür. Der Festordner giebt dem Sängerchor ein Zeichen zum Beginnen.

ALLE.
Heil sei Dir, Jekaterina!
Deines Volkes Dank nimm hin!
Daß er Dir zum Segen diene,
Landesmutter, Kaiserin!

Die Damen knixen tief. Pagen erscheinen paarweise durch die Mittelthür.

Vorhang.

Viertes Bild.

Schlafzimmer der Gräfin.

Der Raum ist nur erhellt von einigen, vor den Heiligenbildern brennenden Lämpchen. Thür im Hintergrunde. Links ein großes, weiß verhängtes Fenster, durch welches ein matter Schein des Mondes fällt. Im Hintergrunde neben der Thür das Himmelbett. – Vor dem Fenster ein breiter Lehnsessel, mit dem Sitz nach dem Zuschauer zu. Rechts ein großes, der Pique-Dame ähnelndes schönes jugendliches Portrait in ganzer Figur. Das Bild ist mit einem zur Hälfte aufgezogenen Vorhange drapirt und läßt sich nach außen wie eine Tapetenthür öffnen. Neben dem Bild ein Toilettentisch mit Armleuchtern. Links eine zweite Thür, die ins Boudoir führt.

6. Scene.

Hermann allein.

HERMANN kommt durch die Thür im Hintergrunde.
Ich bin im Schlafgemach der Gräfin ….
Und nun? … Entfliehen wieder!? … Nein!
Bald ist sie da, und bald hab ich erfahren
Ihr Geheimniß!

Er sinnt nach.

Doch wenn es nur ein Wahn, wärs besser nicht,
Die Wendeltreppe stieg ich dort hinauf?

Er geht auf die geheime Thür zu und bleibt vor dem Bilde stehen. – Es schlägt zwölf Uhr.

Mich bannt das Bild … ich kann nicht weiter!
Wie diese Augen winken,
Der Lippen Lust zu trinken!
Hätt ich, o Weib, Dich damals doch gekannt! ….
Zu früh, zu spät!
Du stehst am Grabesrand,
Den Reizen nach zu sinken!
O lächle mich nicht an, ich muß Dich hassen!
Noch fühl ich Kraft, von dannen frei zu gehn!
Doch, ach, Du willst es nicht, willst mich nicht lassen!
Vermag ich auch den Zauber nicht zu fassen,
Mein Schicksal ists, ich kann nicht widerstehn!
Ja, was die dunklen Mächte fordern, wird geschehn!

Man hört Geräusch im Vorzimmer.

Doch horch! Man kommt hierher!
Entschieden ist es!

Er verbirgt sich hinter dem Vorhange des Himmelbettes.

7. Scene.

Gräfin. Chor von Zofen und Gesellschafterinnen. Lisa. Mascha.

Eine Kammerzofe läuft herein und zündet eiligst die Kerzen in den Armleuchtern an. Nach ihr kommen andere Gesellschafterinnen und Zofen, bis die Gräfin auftritt, von diensteifrigen und geschäftigen Mädchen umgeben.

CHOR mit der Person der Gräfin beschäftigt.
Von dem großen Galafeste
Kehrten zeitig Sie nach Haus;
Doch es ist für Sie das Beste,
Denn Sie ruhen sonst nicht aus.
Sie sind abgespannt, ermattet,
Daß man gleich sich Sorgen macht!
Was der Tag geraubt, erstattet
Wieder nur die Nacht!

Sie begleiten die Gräfin in’s Boudoir.

LISA tritt ein, gefolgt von Mascha.
Geh, Mascha, ich bitte Dich!
MASCHA errathend.
Fräulein entlassen mich … und das bedeutet?
LISA.
Ahnst Du es nicht?
MASCHA errathend.
Gerechter Gott!
Wie neulich wohl?
LISA.
Ja … Reinen Mund!
Er kommt! Vielleicht ist er schon da und wartet!
Doch, hörst Du, still geschwiegen, und sei wachsam!
MASCHA.
Ach, wenn es nur zum Besten dient!
LISA.
Er wollt es so; er wird mein Gatte,
Ich bin ihm unterthan, und freie Wahl
Erkor ihn zum Gebieter; was er wünscht,
Ist mir Gesetz!

Ab durch die geheime Thür. Mascha ab durch die Thür im Hintergrunde. – Die Zofen und Gesellschafterinnen führen die Gräfin wieder herein. Sie ist im Nachtgewande und trägt eine Haube.

CHOR.
Die Gebieterin nun
Geht zu Bett, um zu ruhn!
Wenn sie früh sich erhebt,
Ist sie frisch und belebt!
Die Gebieterin nun
Geht zu Bett, um zu ruhn;
Legt sich nieder
Und erstehet wieder,
Um ihr Werk zu thun.
Wohlzuruhn, Frau Gräfin,
Wohlzu ….
GRÄFIN ungeduldig.
Schweigt doch endlich, wenn ich ruhn soll!
Das Gewinsel ärgert mich!

Sie wollen sie zu Bett geleiten. Sie deutet mit dem Krückstock auf den Lehnstuhl.

Dort im Lehnstuhl will ich schlafen!

Man setzt sie in den Stuhl und umgiebt sie mit Kissen.

GRÄFIN.
Sie bringen mich noch um. Langweil’ge Welt!
Ein solches Fest! Sich dort zu amüsiren!
Und was für Menschen! Welcher Ton!
Das halt ein Andrer aus!
Weder zu singen noch zu tanzen versteht man!
Wer auch sind sie? Kennt man sie?
Der Pöbel!
Wer vor Zeiten tanzte mit mir? … Damals?
Le duc d’Orléans, le duc d’Ayen,
Duc de Coigny, la comtesse d’Estrades,
La duchesse de Brancas!
Das lohnte sich doch noch! Bei Hofe
War man galant,
Den Ton gab an die Pompadour. Im Cercle
Sang ich Romanzen, der Adel von Geblüt
War Publikum …. Einst,
Es war in Chantilly beim Prinzen von Condé,
Trug ich dem König vor ….
Ich kenne jeden Takt noch:
Je crains de lui parler la nuit,
J’écoute trop tout ce qu’il dit.
Il me dit: je vous aime et je sens malgré moi,
Je sens mon coeur qui bat, qui bat,
Je ne sais pas pourquoi!

Sieht, wie erwachend um sich.

Was wollt Ihr denn noch immer?
Packt Euch endlich!

Der Chor entfernt sich, leise auftretend. Die Gräfin schläft ein und singt wie im Traum.

Je crains de lui parler la nuit,
J’écoute trop tout ce qu’il dit ….
Il me dit: je vous aime et je sens malgré moi,
Je sens mon coeur qui bat, quit bat …
Je ne sais pas pourquoi ….

8. Scene.

Hermann. Gräfin.

HERMANN tritt vor und stellt sich der Gräfin gegenüber. Sie erwacht und bewegt in starrem Schrecken lautlos die Lippen.
Gräfin, hören Sie, nicht erschrecken Sie, ich bitte!
Hören ruhig Sie mich an!
Eine Gnade zu erflehn von Ihnen
Komm ich her!

Die Gräfin stiert ihn stumm an wie zuvor.

Mein Schicksal hat in Ihre Hände mich
Gegeben, und es kostet Sie nicht mehr
Als ein paar Worte! …. Sie nennen mir drei Karten!

Die Gräfin erhebt sich.

Drei Karten, die gewinnen!

Er kniet vor ihr nieder.

Haben Sie jemals die Liebe gekannt und ihr Glück,
Blieb ihrer göttlichen Wonnen ein Hauch in Ihnen zurück,
Haben Sie je ein geliebtes Kind in den Armen getragen,
Macht ein hohes Gefühl Ihr Herz einmal freudiger schlagen,
Bei Allem beschwör ich Sie, was Sie empfunden
Als Mutter, Gattin, Geliebte zu heiligen Stunden,
Das Geheimniß zu sagen, die Folge jener drei Karten!
Was liegt Ihnen dran?
Oder sind davon Schrecken der ewigen Pein zu erwarten?
Führt herbei das Glück den Verlust der höchsten Himmelshuld?
Dann gut für Sie: Dem Ende neigt sich Ihr Leben zu,
Und gern auf mich dann nehm ich alle Schuld.
Nun reden Sie! … Die Karten! …

Die Gräfin richtet sich stolz auf und blickt Hermann drohend an, der durch das hartnäckige Schweigen in Wuth geräth.

Warte, Du Hexe, denn jetzt bin ich fertig
Mit meiner Geduld!

Er zieht eine Pistole und richtet sie auf die Gräfin. Diese nickt mit dem Kopfe, sucht mit emporgehobenen Armen Deckung vor dem Schuß und fällt dann todt in den Lehnsessel zurück.

HERMANN beugt sich zu der Leiche hinab und ergreift deren Hand.
Ein Scherz nur war es diesesmal.
Ich frage: wollen nennen Sie die Karten?
Ja oder nein? … Sie ist todt!
Vorbei ists, verloren das Geheimniß!

Er steht wie versteinert.

Sie ist todt! Verloren das Geheimniß!
Sie ist todt! Sie ist todt!

Lisa kommt mit Licht durch die geheime Thür.

9. Scene.

Lisa. Hermann.

LISA.
Was ist das?

Bemerkt Hermann.

Du? Du hier?
HERMANN stürzt auf sie zu, mit allen Zeichen des Entsetzens.
Vorbei! Vorbei! Denn sie ist todt!
Verloren das Geheimniß!
LISA.
Wer ist todt?
O sage, was geschah!?
HERMANN auf die Leiche weisend.
Vorbei ists! Sie ist todt!
Verloren das Geheimniß!
LISA sinkt vor der Leiche der Gräfin nieder und befühlt sie.
Ja, sie ist todt! Wie schrecklich!
Und Du hast es gethan!

Schluchzt.

HERMANN.
Ihr Tod nicht wars, was ich gewollt.
Sie sollte nennen mir drei Karten!
LISA.
Und deshalb kamst Du her und drängtest mich,
Heut Nacht Dich zu erwarten?
Statt meiner Liebe lockten Dich die Karten!
Ach, hab ich das verdient für meinen frommen Glauben?
Die Ehre mir zu rauben!
Arglistiger Betrüger!

Hermann will sprechen, doch sie weist mit befehlender Geberde auf die Thür.

Erbärmlicher! Fort, fort!
HERMANN.
Es ist vorbei!

Läuft weg.

Lisa bricht schluchzend vor der Leiche der Gräfin zusammen.

Vorhang.

Dritter Akt.

Fünftes Bild.

Hermanns Zimmer in der Kaserne.

Später Abend. Hin und wieder fällt Mondschein durch das Zimmerfenster und verschwindet wieder. – Der Wind heult. Hermann sitzt am Tisch und liest bei Licht einen Brief.

1. Scene.

Hermann. Chor hinter der Scene.

HERMANN liest. »Ich bin überzeugt, daß Du den Tod der Gräfin nicht beabsichtigt hast. Mich quält das Bewußtsein, Dich ohne Grund verdächtigt und gekränkt zu haben. Beruhige mich. Bei der gestrigen Leichenfeier suchte ich vergebens Dir nahe zu kommen. – Ich erwarte Dich heute am Quai, wenn uns dort Niemand mehr begegnen kann. Wenn Du bis Mitternacht nicht da bist, so muß ich den furchtbaren Gedanken Raum geben, die ich von mir weise. Verzeihe vielmals; doch ich leide unsäglich!«
Die Aermste!
Und meinem Wahnsinn mußt ich sie zum Opfer bringen!
O könnt ich doch Vergessen mir erzwingen!

Er legt den Kopf auf den Tisch und scheint einzuschlummern Aus weiter Ferne erklingt traumartiger Chorgesang.

CHOR hinter der Scene; von oben.
Steh uns bei, Gott Zebaoth,
Wenn das höllische Feuer uns droht!
Unsre Seelen rette vor des Bösen Macht,
Führ zum Lichte sie durch dunkle Grabesnacht!
Laß uns eingehn, Deinen Engeln gleich,
In Dein Himmelreich!
HERMANN der bei den ersten Klängen erschreckt aufgesprungen ist.
Schon wieder hör ich jenen düstren Chor,
Den sie bei ihrer Leiche sangen!
Warum bin ich zur Feier in die Kirche mitgegangen?

Er horcht.

Schauerlich! Ein Lied,
Wie es die Windsbraut heult am jüngsten Tag …

Immer horchend.

Ganz recht, so wars! – Ja, ja, so wars!

Visionär.

Das Volksgewimmel in der Kirche …
Die Kerzen und der Weihrauch!. Lautes Schluchzen ..
Der Katafalk, der Sarg … im Sarge liegt
Im Sterbehemd die Alte bleich und wächsern auf den Kissen …
Wie bei den Haaren zieht es mich hinan …
Nichts hilft mein Sträuben … Gräßlich!
Die dürre Hand … muß ich ihr küssen! …
Ich seh ihr starr ins Angesicht … Da plötzlich
Verzieht das eine Auge sie und blinzelt schief
Mich an! … Weg, fürchterliches Schreckbild, weg! …

Er bedeckt das Gesicht mit den Händen.

2. Scene.

Hermann. Geist der Gräfin.

Es klopft ans Fenster. Hermann hebt den Kopf und horcht. Der Sturm heult. – Zum Fenster sieht Jemand herein und verschwindet. Es klopft wieder an den Scheiben. Ein Windstoß reißt das Fenster auf; ein Schatten wird wieder im Rahmen sichtbar. Das Licht verlöscht.

HERMANN der sich mühsam vom Sessel erhoben hat, steht wie versteinert vor Grausen.
Was sah ich! Schrecklich! … Da. …
Es schleicht … nun tappt es an der Thür. …
Fort! Das ertrag ich nicht!

Er läuft zur Thür und will hinaus. Der Geist der Gräfin steht in der Thür und hält ihn auf; er weicht zurück; die Erscheinung verfolgt ihn und kommt näher.

GEIST DER GRÄFIN.
Ruh im Grab nicht kann ich finden,
Muß Dir wider Willen, was ich weiß, verkünden!
Errette Lisa! Vermähl Dich ihr,
Und drei Karten werden helfen Dir!
Nun merke: Drei! Sieben! Aß!

Verschwindet.

HERMANN wie irrsinnig.
Drei! Sieben! Aß!

Er tanzt mit schauerlicher Freude im Zimmer umher, wirft seine Sachen durcheinander, zieht seinen Uniformrock an und macht sich zum Gehen fertig.

Vorhang.

Sechstes Bild.

Canalufer am Winterpalais.

Im Hintergrunde der Newa-Quai und die Peter-Pauls-Festung, vom Monde beleuchtet. Unter einem Thorbogen in einer dunklen Ecke steht Lisa schwarz gekleidet. Der Sturm hat nachgelassen.

3. Scene.

Lisa allein.

LISA.
Es geht auf Mitternacht. Mein Warten ist umsonst!
Doch hoff‘ ich, daß er kommt und vom Verdacht sich reinigt!
Nur Spiel des Zufalls wars!
Und hätt er Manches auch verbrochen,
Ein Mörder ist er nicht!
Zu Boden drückt mich meiner Sorgen Last!
Alles ist schlafen gegangen,
Dich nur von Haus
Jagt es hinaus! …
Heim wirst Du nimmer gelangen!
Suchst Du die Straße zu Deinem Glück?
Vorwärts! Es führt Dich kein Weg zurück!
Nirgends ein freundliches Zeichen!
Sendet der Fluß
Dir einen Gruß?
Nebel das Wasser beschleichen.
Rauschendes Leben, so frisch und so frei!
Laß es nur rauschen – es rauscht vorbei!
Täuschender Wahn
Hat es gethan,
Wettergeleucht und ein Irrlicht fern
Logen Dir vor einen goldenen Stern!
Was Du erstrebt und erstritten so gern,
Siehst du zerrinnen, entweichen!
Nirgends ein freundliches Zeichen!
Bald hebt zum Glockenschlag der Hammer aus. …
Ich bin betrogen!
Ein Verführer, ein Mörder täuschte mich!

Die Uhr des Festungsthurmes schlägt.

Da schlägt es! Jeder Schlag fällt auf mein Herz herab

Verzweifelt.

Geliebter, noch ists Zeit, o komm doch, komm!
Verzeihe mir den Kleinmuth meines Zweifels! …
Die Geisterstunde hat gerichtet,
Es endet schlecht, wie es begann.
Verrathen bin ich, bin vernichtet,
Mein kurzer Liebestraum zerrann!
Der bösen Lust verfallen,
Die Herz und Sinne mir entflammt,
Dem Dämon lief ich in die Krallen;
Verloren bin ich und verdammt!

4. Scene.

Hermann. Lisa.

LISA sieht Hermann kommen.
Du kommst, mein Heil, von Gott gesandt!
Vergieb, mich drückten Zweifel nieder!
Von Sünde rein ist Deine Hand!
Du brachtest mir den Glauben wieder;
Mein Alles Du, für immer mein!

Sinkt in seine Arme.

HERMANN küßt sie.
Ja, bald auf ewig bin ich Dein!
HERMANN UND LISA.
Vorüber das Zweifeln und Bangen,
Vergessen ist, was uns entzweit!
Von liebenden Armen umfangen,
Was frag ich nach Jammer und Leid?
Fahrt hin, ihr quälenden Sorgen,
Entweicht, ihr Schatten der Nacht!
Ich glaub an den kommenden Morgen,
Den Tag, der entgegen uns lacht!
HERMANN.
Doch jetzt, mein Lieb, nicht länger zaudern!
Wohin ich will, gehst Du mit mir – nicht wahr?
LISA.
Ich folge Dir!
Wohin denn werden fliehen wir?
HERMANN.
Das findet sich. Vorerst … komm mit zum Spiel!
LISA befremdet.
Mein Gott, was willst Du damit sagen?
HERMANN von seiner fixen Idee beherrscht.
Im Spielsaal liegt mein Capital.
Und gleich heb ich den Schatz, noch eh der Morgen graut!
LISA.
Du träumst wohl, Hermann? Weißt Du, was
Du sprichst? … Komm zu Dir!
HERMANN heiter.
Ich vergaß,
Den Spaß Dir zu erzählen!
Drei Karten, weißt Du, sollte damals mir
Verrathen doch die Hex in Deinem Hause …
LISA.
Entsetzlich! Das ist Wahnsinn!
HERMANN unbeirrt.
Aus Eigensinn nur hat sie
Sie mir verheimlicht!
Denn heute trat die Gräfin bei mir ein
Und hat die Karten willig mir genannt!
LISA.
So starb sie nicht durch Deine Hand?
HERMANN.
O nein! Wieso? Als die Pistole ich
Erhob, fiel sie vor Schrecken todt in ihren Sessel!

Lacht.

LISA.
So ist es Wahrheit!
Die Geisterstunde hat gerichtet;
Es endet schlecht, wie es begann.
Verrathen bin ich, bin vernichtet,
Mein kurzer Liebestraum zerrann!
Der bösen Lust war ich verfallen,
Die Herz und Sinne mir entflammt;
Dem Dämon lief ich in die Krallen,
Verloren bin ich und verdammt!
HERMANN.
Und wär es so, weiß ich drei Karten doch!
Starb wirklich sie durch meine Hand,
Drei Karten hat sie doch genannt!
Wer kann dem Schicksal widerstehn?
Wir bleiben immer die Genarrten!
Wer trägt die Schuld an dem Vergehn?
Drei Karten!
LISA.
Doch nein, es kann nicht sein, Geliebter, höre!
HERMANN in Extase.
Ich bin der Dritte, den Liebe durchloht,
Es brachten durch mich ihr den sicheren Tod
Die Drei, die Sieben, das Aß!
LISA.
Vertraue mir, ich heile Deinen Wahn!
O komm, entflieh mit mir, ich rette Dich!
HERMANN.
Ja, ich erfuhr das Geheimniß von ihr:
Die Drei, die Sieben, das Aß!

Er lacht und stößt Lisa von sich.

Was thust Du hier? Was willst Du?
Dir rath ich: Laß von mir! Laß! Laß!

Läuft davon.

LISA in Verzweiflung.
O Jammer! O Noth!
Mir hilft allein der Tod!

Sie läuft zum Quai und stürzt sich in den Fluß.

Vorhang.

Siebentes Bild.

Im Spielhause.

Glänzend erleuchteter Saal. Man spricht an verschiedenen Tischen. – Einige Gäste spielen Karten.

5. Scene.

Chor. Ssurin. Tschaplitzky. Narumoff. Czekalinsky Tomsky. Der Fürst.

CHOR.
Freunde, schlürft mit vollen Zügen,
Was die Stunde lächelnd beut!
Nur das Heute macht Vergnügen,
Denn kein Morgen kommt wie heut!
Mag das Alter sorgen, sparen!
Dazu bleibt noch Zeit genung!
Weisheit kommt mit grauen Haaren,
Und nur einmal ist man jung!
SSURIN beim Pharaospiel.
Gewinnt!
TSCHAPLITZKY.
Hier ein Paroli!

Biegt eine Karte ein.

NARUMOFF.
Verloren!
TSCHAPLITZKY setzt.
Six – et – le – va!
CZEKALINSKY schlägt Karten auf.
Die neue Taille!
NARUMOFF.
Ich setze!
SSURIN.
Die Mirandole!
TOMSKY zu dem eintretenden Fürsten.
Ein seltner Gast fürwahr! Seit Jahren sah
Ich Dich in diesem Hause nicht!
FÜRST.
On revient toujours.
Das Sprichwort kehr ich um:
Ein Unglück in der Lieb ist Glück im Spiele!
TOMSKY.
Du sprichst in Räthseln, Freund!
FÜRST.
Verlobt bin ich nicht mehr.
Erlaß das Weitre mir, es geht mir allzunah.
Doch rächen werd ich mich! Dann gilt:
Wer Glück hat in der Liebe, hat
Im Spiele Unglück!
TOMSKY.
Du gefällst Dir heut in Räthseln!
CHOR.
Freunde, schlürft in vollen Zügen, etc.!

Die Spieler machen eine Pause und treten zu den Speisenden.

CZEKALINSKY.
Acht gegeben!
Freund Tomsky wird uns etwas singen!
CHOR zu Tomsky.
Ah, bravo, Freund!
Du hast ein dankbar Publikum!
Ja, singe!
TOMSKY.
Ich bin nicht in der Stimmung!
CZEKALINSKY.
Vorwärts, und zier Dich nicht!
Trink eins und dann singe!
Es lebe Tomsky, meine Herrn, Hurrah!
CHOR.
Ein Lebehoch erschallt: Hurrah!
TOMSKY singt.
Hätten doch die Mädchen Flügel,
Flögen über meinen Hügel,
Droben ständ ich dann als Baum;
Streckte weit die grünen Aeste:
Kommt, ihr losen Flattergäste,
Alle habt ihr bei mir Raum!
CHOR.
Bravo! Das Lied ist noch nicht aus!
TOMSKY singt weiter.
O wie reizend, o wie eigen,
Säßen sie auf meinen Zweigen,
Zwitschern dort wohlgemuth:
»Laßt uns schnäbeln, Nester bauen!« –
So ein Baum erweckt Vertrauen, –
So ein Baum, der hätt‘ es gut!
CHOR.
Bravo! Bravo!
Doch vor Tomsky, seid, Ihr Frauen –
Hört Ihr? – auf der Hut!
»Laßt uns schnäbeln, Nester bauen!«
So ein Baum erweckt Vertrauen,
So ein Baum, der hat es gut!
CZEKALINSKY.
Nun aber singet alle im Verein
Den Bundespsalm!
CZEKALINSKY, TSCHAPLITZKY, NARUMOFF, SSURIN UND CHOR.
Schuf der Herrgott die Welt,
Macht sie rund wie das Geld – Sela! –
Und es kugelt und rollt
So die Welt wie das Gold – Sela!
War ich gestern ein Thor,
Weil ich Hundert verlor – Sela –
Macht mich klug heut das Glück,
Hol ich tausend zurück – Sela!

Darum morgen wie heut
Wird das Spielchen erneut – Sela!

Letzte Scene.

Hermann. Die Vorigen. Später der Geist der Gräfin.

CZEKALINSKY zu den Genossen.
An die Arbeit, meine Herren! Ich mische!

Zu den Dienern.

Champagner her!
CHOR.
Das Spiel beginnt!

Mehrere Spieltische werden besetzt.

TSCHAPLITZKY.
Der Bube!
NARUMOFF.
Paroli!
TSCHAPLITZKY.
Auf Contra!
SSURIN.
Ich bleibe bei dem Aß!
TSCHAPLITZKY.
Gewinnt!
NARUMOFF.
Verzehnfacht den Transport!

Hermann tritt auf, bleich und verstört.

FÜRST der ihn bemerkt.
Er kommt, ich wußt es ja. Nicht trog mich meine Ahnung!

Zu Tomsky.

Wenn eines Sekundanten später ich bedürfte,
Willst Du mein Zeuge sein?
TOMSKY.
Verlaß Dich ganz auf mich!
CHOR.
Seht, Hermann kommt! So spät erst?
CZEKALINSKY zu Hermann.
Nimm hier doch Platz! Du bringst mir Glück vielleicht.
SSURIN.
Woher des Weges kommst Du?
Aus Deinem Grab? Gespenstisch siehst Du aus!
CZEKALINSKY.
Du scheinst nicht wohl zu sein, willst Du nicht trinken?
HERMANN.
Ich danke Dir, erst will ich spielen.

Czekalinsky verbeugt sich stumm zum Zeichen der Einwilligung.

SSURIN.
Die Welt geht unter: Hermann spielt!
CHOR.
Das muß ich sehn! Ein blaues Wunder!
Er will spielen!
NARUMOFF.
Nun endlich fing er Feuer!

Hermann nimmt eine Karte, bedeckt sie mit einem Blatt, auf das er eine Zahl geschrieben hat.

Lang genug hast Du Dirs überlegt!
CZEKALINSKY deutet auf das Blatt.
Dein Einsatz?
HERMANN.
Vierzigtausend!
CHOR.
Vierzigtausend!
Sagt doch – hab ich recht gehört?
SSURIN.
Ich glaube gar, er weiß die Karten von der Gräfin!
HERMANN gereizt.
Nun, gilt es oder nicht!?
CZEKALINSKY.
Es gilt! Auf welche Karte?
HERMANN.
Drei!

Czekalinsky schlägt die Karte auf.

Ich gewann!
CHOR.
Gewonnen! Gratulire!
HERMANN.
Die Gräfin sagte wahr;
Die Karten bringen Segen.
Ja, ich gewinne baar
Ein fürstliches Vermögen!
DIE SPIELER UND CHOR.
Das ist wohl sonderbar!
Er hazardirt verwegen;
Sonst scheut er die Gefahr
Und wagt nun ein Vermögen!
FÜRST.
Das ist wohl sonderbar,
Doch kommt es mir nicht ungelegen.
Daß er ein Schuft, ist klar.
Ich tret ihm schroff entgegen!
CZEKALINSKY.
Hier hast Du den Gewinn!
HERMANN.
Nein! Double oder Quitt.
CHOR.
Habt Ihrs vernommen?
Das ist Wahnsinn!
Nein, so hoch darf das Spiel nicht kommen!
Im Fieber glüht sein Blick!
HERMANN.
Es gilt?
CZEKALINSKY.
Es gilt. Die Karte?
HERMANN.
Hier. – Die Sieben!

Schlägt die Karte auf.

Gewinnt!
CHOR.
Die Sieben traf!
Ihn scheint es weiter nicht zu wundern.
HERMANN.
Sagt doch, weshalb das Entsetzen?
Ich darf doch gewinnen?

Lacht hysterisch.

Nun schenkt mir ein!

Ein Diener bringt Champagner.

CHOR.
Hermann, frevle nicht!
HERMANN mit dem Champagnerglase in der Hand.
Das Leben gleicht dem Spiel!
Die Karten fallen rechts und links;
Fortuna kommt, harr ihres Winks!
Sie fragt nicht lange, wer Du seist,
Und hast Du Glück, so hast Du Geist!
Steh in Fortunas Gunst,
So bist Du wohl geborgen;
Sonst mach Dir keine Sorgen,
’s ist Alles eitel Dunst!

Gewiß ist Eins: das Ziel!
Es scheint Dir fern und ist Dir nah‘!
Ob Liebe Dir, ob Leid geschah,
Der Tod kommt doch und holt Dich ab!
Die Welt, so weit, hat Raum im Grab!
Steh in Fortunas Gunst,
So bist Du wohl geborgen;
Sonst mach Dir keine Sorgen,
’s ist Alles eitel Dunst!

Zu Czekalinsky.

Noch eine Tour?
CZEKALINSKY steht vom Tisch auf und läßt den Platz des Banquiers leer.
Nein, nimm Dein Geld!
Der Satan, scheints, verräth die Karten Dir!

Er zahlt seinen Verlust auf den Tisch.

HERMANN.
Und wär es wirklich so, was läge dran?
Wer will es wagen?
Das Geld auf eine Karte! Wer?
FÜRST tritt an den Tisch und nimmt ein Spiel Karten, ohne sich zu setzen.
Ich!
CHOR.
Nicht weiter mehr! Hört auf!
’s ist wider Recht und Fug!
Hört auf! Ein Wahnsinn wärs! Genug!
FÜRST.
Gewähren laßt, Ihr Freunde, mich!

Zu Hermann.

Wir rechnen auf einmal ab!
HERMANN verlegen.
Fürst … Sie mein Gegner?
FÜRST.
Ja! Die Taille, Czekalinsky!

Er giebt Czekalinsky das Kartenspiel, der es stehend aufschlägt.

HERMANN deckt seine Karte auf.
Mein Aß!
FÜRST.
Nein! Ihre Dame schlag‘ ich!
HERMANN überrascht.
Und welche Dame?
FÜRST.
Die dort in Ihrer Hand. Pique-Dame!

In diesem Augenblick steigt der Geist der Gräfin im Costüm ihres Bildes, der Pique-Dame, hinter dem leeren Stuhl des Bankhalters aus der Versenkung empor und blickt Hermann lächelnd an.

HERMANN zeigt auf den leeren Stuhl.
Die Hexe! Ha, sie selbst! … Seht Ihr sie lachen?
Sie hat mir diesen Streich gespielt!
Verdammte Du! Du stahlst mir das Herz-Aß!
Was willst Du noch? Ich trotze Dir!
Ja! Frei bin ich!

Er ersticht sich. Die Erscheinung versinkt. Mehrere stürzen sich auf den zusammenbrechenden Hermann.

CHOR.
Der Aermste ist verfallen
Dem unglücksel’gen Wahn!
Er lebt! Er atmet noch!
HERMANN sucht sich, von den Kameraden gestützt, noch einmal zu erheben.
Fürst! Verzeihe mir … Das Schicksal wollt es!
Ich sterbe …

In Entzückung.

Wunderbar: Lisa!
Sie schwebt engelgleich herab zu mir!
Heißgeliebte, ach, Du vergiebst? Ja?
O Königin! O Göttin! Engel!

Sinkt zurück und stirbt!

CHOR.
O Herr, Dein Angesicht
Erheb auf ihn und laß es leuchten! Gieb
Der Seele Deinen Frieden!

Der Vorhang fällt langsam.

Ende der Oper.