Georg Philipp Telemann
Orpheus oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe
Libretto von Johann Philipp Praetorius
Uraufführung: 09.03.1726, Operhaus am Gänsemarkt, Hamburg
Personen
Orasia, verwittwete Königinn in Thracien
Orpheus, der erst ganz neulich vermählet worden
Eurydice, dessen neu-vermählte Frau
Ismene, eine vertraute Hof-Fräulein der Orasia
Eurimedes, ein Freund vom Orpheus
Chor der Gespielinnen von Eurydice
Chor des Gefolges von Orasia
Cephisa, eine Nymphe von derselben
Pluto
Chor der Bedienten des Pluto
Ascalax, einer von dessen Bedienten
Chor der glückseeligen Geister
Chor der verdammten Geister
Die Priesterinn des Bacchus
Erster Handlung.
Erster Auftritt.
Der Schauplatz zeiget einen angenemen und weitläuftigen Garten unweit der Haupt-Stadt in Thracien.
Orasia, Ismene.
Aria.
ORPHEUS.
Wie hart ist mir das Schicksal doch?
Wie lange hofft mein Herz vergebens?
Wie lange währt mein Seufzen noch?
Wann freu‘ ich mich einst meines Lebens?
Wie hart ist mir das Schicksal doch?
Wie lange hofft mein Herz vergebens?
Ismene, schau, wie sich mein Geist
Mit blossem Kummer speis’t,
Mit Thränen tränket!
ISMENE.
Was ist es, Königinn,
Das dich so heftig kränket?
ORPHEUS.
Ach solltest du nicht wissen,
Daß ein verborg’ner Zug mir selber mich entrissen,
Und daß ich längst nicht mehr mein eigen bin?
Ich habe dir schon oft mein Herz vertraut.
Es ist ein süsser Trost, den mein Gemüth empfindet,
Wann ich dir in geheim mein Leiden klagen kann.
Ich fühle mich in Lieb‘ entzündet,
Und mein entflammter Sinn
Wird bloß auf Orpheus hingelenket;
Ja Orpheus ists allein, auf den mein Auge schaut,
An den mein Herz gedenket.
Jedoch, wie fang‘ ichs an,
Da Eurydice mir bloß mein Vergnügen hemmt,
Daß sie ihm aus den Augen kömmt?
Du weisst, daß sie allein sein Herz bezogen;
Ja ihr allein ist seine Treu gewogen.
Aria.
DER CHOR.
Lieben / und nicht geliebet seyn /
Uebersteiget alle Schmerzen.
Selbst der Tod geht zarten Herzen
Nicht so sauer ein.
ISMENE.
Bist du nicht Königinn von vielen Reichen?
Und was ist wol dem Throne zu vergleichen?
Die Cronen sind nicht jeden Tag zu kauf.
Die Liebe folgt dem Glücke;
Wohin dieß winkt, da geht sie gern zurücke.
ORASIA.
Sprich mir doch von der Liebe nicht,
Die du nicht kennest.
Ich opferte ja gern mein Glück ihr selber auf.
Allein sieht Orpheus wol nach meinem Throne?
Ist seine Lieb‘ ihm nicht viel mehr, als eine Crone?
Doch waffne dich, mein Sinn,
Mit Grausamkeit und List,
An meiner Neben-Buhlerinn,
An Eurydice, mich zu rächen!
Aria.
Sù, mio corg, à lavendetta!
Pace in sen‘ io Più non hò.
Vendicarmi à te s’aspetta!
Euridice ucciderò.
Sù, mio core, à la vendetta!
Pace in sen‘ io Più non hò.
Auf / mein Herz / zur Rache!
Ich weiß nichts mehr von
der Sanftmuth.
Ich warte auf Gelegenheit / mich zu rächen /
Und will Eurydice tödten.
Auf / mein etc.
Noch heute werden hier die Nymphen Bluhmen brechen.
Darum, ihr Furien, schickt eure Nattern her!
Lasst sie in diesem Garten
Auf meine Feindinn heimlich warten.
So bald ihr Fuß dieß Bluhmen-Feld betritt,
Soll eurer Schlangen Gift sie rühren,
Und ein verborg’ner Stich ins Reich der Todtenführen.
Trefft aber ja sie nur allein,
Und nicht die andern Nymphen mit!
Doch, wird durch ihren Tod mein Weh gemindert seyn?
ISMENE.
Ach Königinn, ich trage Leyd mit dir,
Und fühl‘ in meinem Herzen
Den grösten Theil von deinen Schmerzen.
Doch willt du, daß wir hier
Noch länger uns verweilen?
Schau, Orpheus stellet sich mit Eurydicen ein.
ORASIA.
Was hinderts? bleib nur hier!
ISMENE.
Ach! laß uns lieber eilen!
ORASIA.
Nein, nein. Hier bleib‘ ich stehn.
Doch daß sie nur nicht unsern Kummer sehn.
Zweyter Auftritt.
Die Vorigen. Orpheus, Eurimedes, Chor der Nymphen.
Orpheus setzet sich in dem Gartenohne die Königinn zu sehenund singet nebst dem Eurimedes folgende Aria
Aria
ORPHEUS UND EURIMEDES.
Angenemer Aufenthalt
Süsser Stille / schönster Freuden /
Laß uns hier
Unser Herz in Wollust weiden!
Alles finden wir in dir /
Was die Lieb‘ entflammt und nähret;
Alles finden wir in dir /
Was uns Ruh und Lust gewehret.
Angenemer Aufenthalt
Süsser Stille / schönster Freuden /
Laß uns etc.
CHOR DER NYMPHEN hinten im Garten.
Angenemer Aufenthalt
Süsser Stille / schönster Freuden /
Laß uns hier
Unser Herz in Wollust weiden!
ORASIA.
Find‘ ich dich hier in dieser Einsamkeit,
Und willt du ferner nicht an meinem Hofe leben?
ORPHEUS.
Ach Königinn, mein Herz liebt die Zufriedenheit.
Die kann kein Ort mir mehr, als diese Gegend, geben.
Aria.
Einsamkeit ist mein Vergnügen;
Nichts erfreut mich mehr / als sie.
Dieser Bäche sanftes Rauschen
Dieser Winde lispelnden Schall /
Diesen Klang der Nachtigall /
Dieser Bluhmen holde Pracht /
Werd‘ ich nimmermehr vertauschen
Mit der grösten Ehr‘ und Macht.
Einsamkeit ist mein Vergnügen;
Nichts erfreut mich mehr / als sie.
ORASIA.
Erwehnst du denn von Eurydice nicht?
Die kann dich ja weit mehr, als alles dieß, ergetzen,
Und scheinst du diesen Ort um sie nur hoch zu schätzen.
Weil du ganz neulich erst mit ihr verehlicht bist:
So sollt du zwar dich nicht so fort von ihr gesellen.
Doch säume nicht, nach kurzer Frist
Bey mir dich wieder einzustellen.
Ich fad’re nichts, als bloß, was deine Pflicht.
CHOR DER NYMPHEN.
Angenemer Aufenthalt
Süsser Stille / schönster Freuden /
Laß uns hier
Unser Herz in Wollust weiden!
Dritter Auftritt.
Orpheus. Eurimedes.
EURIMEDES.
Wie bist du so betrübt, mein Freund, mein Herzens-Freund,
Da dir das Glück mit holden Blicken scheint?
Lässt mich dein Mund nur tiefe Seufzer hören?
ORPHEUS.
Wie kann ich fröhlich seyn?
Will mir die Königinn doch alle Freude stören.
Ich soll mich von hier weg, an ihren Hof, verfügen.
EURIMEDES.
Da wird ja dein Vergnügen
Eh grösser, als gemindert, seyn.
ORPHEUS.
Du irrest dich; ach nein!
Weisst du nicht, wie’s bey Hofe gehet?
Aria.
DER CHOR.
Chi stà in corte,
Hore corte
Di contento può goder.
Sol si trovan genti accorte,
Che son scorte
A gl‘ inciampi & al cader.
Wer bey Hofe lebet /
Hat nur kurze Zeit
Ein wahres Vergnügen zu hoffen.
Dort finden sich allein verschlagne Leute /
Welche vorsichtig sind /
Damit sie nicht straucheln oder fallen.
Wer bey Hofe etc.
EURIMEDES.
Bestehst du denn annoch auf deinem Sinn,
Aus Thracien zu ziehen?
ORPHEUS.
Ich leugne nicht, daß ich gewillet bin,
Von hier in Griechenland zu fliehen.
Mein Herz sagt mir es zu, daß hier für mich kein Bleiben.
Wer kann auch mit Gedult die Frevel-Thaten sehn,
Die täglich hier im Schwange gehn?
In diesen Labyrinth
Sollt‘ ich nun Eurydice führen?
Ach, Eurydice, nein. Du bist zu fromm gesinnt.
Jedoch, wo bleibest du? Lässt du dich gar nicht spüren?
Eurydice kömmt.
Vierter Auftritt.
Orpheus, Eurydice, Eurimedes.
ORPHEUS.
Wie lange brenn‘ ich schon vor sehnlichem Verlangen,
Dich hier, mein Leben, zu umfangen!
Du weisst, ich kann nicht ohne Pein
Von dir entfernet seyn.
Aria.
DER CHOR.
Non hò maggior contento,
Che di fissarmi in te;
E all‘ hor morir mi sento,
Se per un sol momento
T‘ involi, o cara, à me.
Ich habe kein grösseres Vergnügen /
Als bey dir mich beständig aufzuhalten;
Und ich bin alsdann dem Tode nahe /
Wann du nur einen Augenblick /
Geliebte / von mir weichest.
Ich habe kein etc.
EURYDICE.
Wie sehr erfreut es mich,
Mein Orpheus, dich allhier zu finden,
Wo Ruh und Anmuth sich
In stiller Einsamkeit verbinden!
Ach wie bequem
Wird dieser Ort nicht uns’rer Liebe seyn!
Doch find‘ ich nichts hieselbst so angenem,
Als dich allein.
Aria.
Ohne dich kann ich nicht leben;
Du bist einzig meine Ruh.
Nichts kann mehr Vergnügung geben;
Nichts ergetzt mich mehr / als du.
ORPHEUS UND EURYDICE.
Nichts kann mehr Vergnügung geben;
Nichts ergetzt mich mehr / als du.
Ohne dich kann ich nicht leben;
Du bist einzig meine Ruh.
EURIMEDES.
Wie lebhaft wird es hier? Die Nymphen stellen sich
Von allen Orten ein.
ORPHEUS zu Eurydice.
So lass‘ ich dich
Mit ihnen denn auf kurze Zeit allein.
Fünfter Auftritt.
Die Nymphen und Earydice.
CHOR DER NYMPHEN.
Les plaisirs sont de tous les âges;
Les plaisirs sont de toutes les saisons.
Pour les rendre permis, on sair, que les plus sages
Ont souvent trouvé des raisons.
Rions, chantons,
Folâtrons, sautons!
Les plaisirs etc.
Die Lustbarkeiten sind für jedes Alter /
Und für jede Jahres-Zeit.
Die allerweisesten haben befunden /
Daß sie erlaubet sind.
Lass’t uns scherzen / lasse uns singen!
Lass’t uns tanzen / lasse uns springen!
Die Lustbarkeiten etc.
EURYDICE.
Tanzt, Nymphen, tanzt und jauchzt! bedienet euch der Zeit,
Und dieser holden Einsamkeit!
Hier will ich mich in diesen Bluhmen setzen,
An eurer Lust mich zu ergetzen.
DIE NYMPHEN tanzen ferner und singen:
Rions, chantons,
Folâtrons, sautons!
Les plaisirs sont de tous les âges;
Les plaisirs sont de toutes les saisons.
Sechster Auftritt.
Die Nymphen Cephisa, Orpheus, Eurimedes.
CEPHISA.
Welch Unfall trägt sich zu?
Ach! seh‘ ich Eurydice sterben?
CEPHISA, ORPHEUS, EURYDICE.
Ihr Götter, rettet doch!
ORPHEUS.
Ist eine Hülfe noch:
So lasst sie nicht durch diesen Fall verderben!
CEPHISA.
Ihr Angesicht erblasst; der Augen Glanz vergehet.
Es ist zu spät, daß man gen Himmel flehet.
ORPHEUS.
Ich Unglückseliger! Ach, ach! was sagest du?
CEPHISA.
Kaum hatte sie sich hier in dieses Laub gestreckt,
Als einer Schlangen Biß, die durch das Kraut verdeckt,
So fort mit ihrem Gift
Sie tödtlich trifft.
Siebender Auftritt.
Die Vorigen.
Eurydice wird als eine Sterbende von 2. Nymphen gehalten.
ORPHEUS.
Ihr Himmel, ach! was muß ich sehen?
Ach, Eurydice, stirbest du?
EURYDICE.
Mein Orpheus, lebe wol! Ich geh zur Ruh.
ORPHEUS.
Ach, Eurydice, stirbest du?
EURYDICE.
Die Götter wollens so; drum gib dich zu!
ORPHEUS.
Ihr Götter, kanns nicht seyn, daß ich für sie erblasse?
Schafft, daß ich auch mein Leben lasse!
EURYDICE.
Mein Orpheus, lebe wol! Ich geh zur Ruh;
Nimm hin den letzten Hauch von meinem Leben,
Das mir bloß darum angenem,
Weil ich bey dir es aufgegeben.
Nun lebe wol! Mein Auge schliefst sich zu.
Eurydice stirbt und wird weggetragen.
ORPHEUS.
Ihr Himmel / ach! was muß ich sehen?
Ach Eurydice, stirbest du?
Was fühl‘ ich? Wie ist mir geschehen?
Was bringt mich unvermerkt in Ruh?
Er fälle in Ohnmacht.
Achter Auftritt.
Eurimedes. Cephisa und die übrigen Nymphen.
Aria.
DER CHOR UND EURIMEDES.
A`l’incendio d’un occhio amoroso
Più resistere non si può.
Troppo dolce, caro e vezzoso
E` quel volto, che mi piagò!
Der Gluht eines liebreizenden Auges
Kann ich nicht länger wiederstehen.
Gar zu lieblich / angenem und holdselig
Ist dieses Antlitz das mich verwundet.
Der Gluht etc.
EURIMEDES.
Du bists, Cephisa, die ich meyne;
Dein Reizungs-voller Blick hat mich gerührt.
CEPHISA.
Ach Schade! daß ich nichts hievon gespürt.
EURIMEDES.
Trägst du nicht Leid mit mir, und willt mich noch verhönen?
CEPHISA.
Ja freylich trag‘ ich Leid mit dir,
Weil du bey mir
In deinem Zweck verfehlest.
EURIMEDES.
Ist dieß die Ahrt von unsern Schönen?
CEPHISA.
Wir haben all‘ ein Herz von Stein.
EURIMEDES.
Besteht die Schönheit denn in Grausamkeit allein?
Die Liebe pflegt ja sonst ihr beste. Schmuck zu seyn.
CEPHISA.
Ich weiß nicht, was du mir erzählest.
Aria.
DER CHOR.
Ich weiß von keiner Liebe nicht /
Als die mein Herz zur Freyheit träget.
Freyheit soll die Losung seyn;
Freyheit / dich lieb‘ ich allein /
So lange noch mein Blut sich reget.
EURIMEDES.
Ist denn gar nichts für mich zu hoffen?
Verschleusst du ganz dein Herz vor mir?
CEPHISA.
Mein Herz steht keinem andern offen,
Als, Freyheit, dir, als einzig dir.
Ihr Schwestern, stimmt ihr nicht mit ein?
Ihr werdet Zweifelsfrey ja gleicher Meynung seyn.
CHOR DER NYMPHEN nebst Cephisa.
Aria.
DER CHOR.
N’aimons que la liberté;
Rien n‘ a tant de charmes.
L’amour coûte trop de larmes.
Sa plus douce felicité
N’est jamais exemt d’allarmes.
Lasset uns einzig die Freyheit lieben!
Nichts hat so viel Vergnügen.
Die Liebe führet gar zu viele
Verdrießlichkeit mit sich.
Ihre angenemfie Glückselichkeit
Ist niemahls ohne Unruhe.
Lasset uns einzig etc.
Neunter Auftritt.
Orpheus.
ORPHEUS.
Wie ist mir? leb‘ ich noch? wozu soll ich noch leben?
Kann mir der Himmel nicht mein Leben wieder geben,
Das Eurydice war: so acht‘ ich alles nicht.
Was soll mir auch das Leben,
Da mir des Lebens Trost gebricht!
Aria.
DER CHOR.
Tiranna, spietata Fortuna,
Sì, sì morirò.
Mi desti la vita,
Et hor sei pentita.
T’intendo lo sò!
Du Tyrannisches und grausames Geschick /
Ja ja ich will sterben.
Du hast mir mein Leben gegeben /
Und nun gereuet es dich.
Ich merke deine Tücke.
Du Tyrannisches etc.
Drum komm, du höchst-gewünschter Tod,
Du bist allein die Endschaft meiner Noth.
Aria.
Ach Tod / ach süsser Tod!
Ach Tod / wo bleibest du?
Komm / ende meine Noht!
Ach Tod / ach süsser Tod /
Komm / führe mich zur Ruh!
Ach Tod / wo bleibest du?
Zehender Auftritt.
Orasia. Ismene.
ORASIA.
So hat die Rache denn gesieget,
Und meine Hoffnung lebt aufs neu,
Da Eurydice leblos lieget.
Sollt‘ Orpheus nun sich nicht besinnen?
Sollt‘ ich ihn endlich nicht gewinnen,
Da nun das erste Band von seiner Eh‘ entzwey?
Arioso.
Ach fünd‘ ich dich / mein Orpheus, hier!
Wie wollt‘ ich dir
Die Neigung meiner Brust entdecken!
Ach find‘ ich dich / mein Orpheus, hier!
Wie wollten wir
Der Liebe süsse Frucht voll von Vergnügen schmecken!
Aria.
C’est ma plus – chere envie,
De vous aimer toute ma vie;
C’est mon plus doux espoir,
De vous aimer & de vous voir.
Dieß ist mein höchstes Verlangen /
Dich Lebenslang zu lieben;
Dieß ist meine angenemste Hoffnung /
Dich zu lieben u. dich zu sehen.
ISMENE.
Wie marterst du doch, Königinn,
Um einen Knecht, um deinen Unterthan,
Den, zu des Landes Heyl, schon gung geplagten Sinn?
ORPHEUS.
Ach Thörinn, hast du noch die Ahrt der Liebe nicht erkannt?
Die achtet nicht Gebuhrt noch Stand.
Sie kann sich in sich selbst vergnügen und ergetzen,
Und die Person allein
Pflegt alles andre zu ersetzen.
Ja diese Liebe selbst will desto süsser seyn,
Je grössre Schwierigkeit und Pein
Sie mit sich führet,
Und je empfindlicher sie unsre Sele rühret.
Aria.
1.
L’amour plait malgrèses peines;
L’amour plait aux coeurs constants.
On ne peut porter ses chaines
Assez tôt ny trop long tems.
2.
Sans amour toutest sans âme;
L’amourseul nous rend contents.
On ne peut sentir sa flame
Assez tôt ny trop long tems.
Die Liebe gefällt uns / ungeachtet ihrer Mühseligkeiten;
Sie gefällt den beständigen Herzen.
Man kann ihre Fessel
Nicht zu bald und auch nicht zu lange tragen.
Ohne die Liebe ist alles ohne Sele;
Die Liebe allein macht uns vergnügt.
Man kann ihr Feuer
Nicht zu bald und auch nicht zu lange empfinden.
Eilfter Auftritt.
Orpheus. Eurimedes.
ORPHEUS.
Was habt ihr doch,
Ihr Himmel, über mich versehn?
Es konnte ja Beständigkeit und Freude
Bey mir nicht einen Tag beysommen stehn.
Soll ich nun auch zu desto grosserm Leyde,
Da Eurydice todt, mich noch lebendig sehn?
Es zeiget sich von ferne der Schatten der Eurydice.
Allein wie ist mir? soll ich nicht
Hier Eurydice sehen?
Betriegliche Gedanken!
Was stellt ihr mir für süsse Schatten vor?
EURIMEDES.
Gewiß, mein Freund, du weichest aus den Schranken
Der Großmuht und Vernunft. Stell itzt dein Trauren ein,
Und, kanns nicht anders seyn,
So sey vielmehr bedacht, den Riß, der dich betroffen,
Anfs allererste zu ersetzen!
ORPHEUS.
Was kann ich ferner hoffen?
Kürzt mir der Tod doch alle Hoffnung ab!
EURIMEDES.
Reisst der dein Eh-Gemal ins Grab:
So geh, und hole sie aus seinen Klauen wieder!
Du kennest ja den Nachdruck deiner Lieder,
Und wie du oft dadurch manch rohes Herz bemannt.
Es kann dein lieblicher Gesang
Und deiner Saiten holder Klang
Vielleicht den Pluto selbst ergetzen.
Drum nimm sie alsofort zur Hand;
Drum geh, und hol nun Eurydice wieder!
ORPHEUS.
Wolan! ich folge diesem Raht,
Mich in die Unter-Welt zu wagen.
Ich thue, was Alcides that,
Um die zum Lohn davon zu tragen,
Die mir aus meinem Arm der Tod entrissen hat.
Zweyter Handlung.
Erster Auftritt.
Der Schauplatz zeiget ein weitläustiges Gefilde in welchem Pluto auf seinem Throne sitzet über die ankommenden Geister zu richten. In der Ferne sind verschiedene Merkmale seines unterirdischen Reiches zu sehen.
Pluto. Chor seiner Bedienten.
PLUTO.
Was hör‘ ich? ist es wahr,
Daß ein verweg’ner Gast aus jener Ober-Welt
In mein Gebiet zu kommen sich erkühne?
Auf! rüste dich, du mir getreue Schar!
Kann ich dem, was mir ahndet, glauben:
So will selbst Jupiter, der längst mir nachgestellt,
Durch ihn mir meinen Scepter rauben.
Vielleicht hat er ihm gar
Auch seinen Donner-Keil geliehen,
Mich desto heftiger zu überziehen.
Allein
Wer wollte furchtsam seyn!
Stellt der Vermessne sich in meinen Grenzen ein:
So soll er gleich zur ärgsten Straf‘ und Pein,
Die nur zu nennen steht, verdammet seyn.
Aria.
DER CHOR.
Zu den Waffen! zu den Waffen!
Lauft zusammen / ihr Scharen / und greifet ihn an!
Lasset nicht ab / bis ihr ihn gefunden /
Und überwunden /
Daß ich ihn selbst bestrafen kann.
CHOR DER BEDIENTEN.
Zu den Waffen! zu den Waffen und greifet ihn an!
Man höret eine sehr angeneme Melodie, als von ferne.
PLUTO.
Was für ein holder Klang lässt sich von weiten hören?
Wie kützelt dieß mein Ohr?
Die Music ist etwas deutlicher zu vernemen.
Es scheint sich die Music zu nähern und zu mehren;
Sie kömmt mir nun ganz hell und deutlich vor.
Ach! welch ein Lust-Getön ist diesem gleich zu schätzen!
Jedoch es ist nicht Zeit, itzund sich zu ergetzen.
Die Rach‘ und Vorsicht will vielmehr,
Daß ich zur Gegenwehr
Mein Volk zusammen bringe,
Und meinen Feind mit starker Hand bezwinge.
CHOR.
Zu den Waffen! zu den Waffen!
Lauft zusammen / ihr Scharen / und greifet ihn an!
Zu den Waffen! / zu den Waffen / und greifet ihn an!
Zweyter Auftritt.
Die Vorigen und Ascalax.
ASCALAX.
Laß dir, Monarch, von deinem Knechte sagen:
Der Fremdling stellt sich ein,
Auf den du so ergrimmt zu schauen;
Doch unbewährt, und ganz allein.
Er kömmt nur bloß, in Demuth und Vertrauen,
Dir etwas bittlich vorzutragen.
Er ist es selbst, von dem der süsse Klang
Und der so künstliche Gesang,
Den du itzt hörtest, rühret.
Selbst Cerberus, der sonst so wütend ist,
Hat gegen ihn sich, als ein Lamm, betragen,
Und Charon, welcher sonst so streng‘, als du nicht bist,
Hat gegen ihn sich freundlichst aufgeführet.
Dritter Auftritt.
Die Vorigen und Orpheus im Hinzugehen.
Die Music so man vorher nur als von weiten hörete lässe sich itzund mehr und mehr ganz deutlich vernemen.
ORPHEUS.
Tràsperanza, e trà timore
Digioir, ò di languire
Vànutrendo il dubbio core
Il contento & il martire.
Cosilasso, e ne l’interno
Sontrà‘ lCielo, e trà l‘ Inferno.
Da diletto, e da tormento
Ciò che spero, e ciò che temo,
O d‘ haver assai contento,
O di dar in duolo estremo.
Così lasso, e ne l’interno
Sontrà’l Cielo ….
Zwischen Hoffnung und Furcht /
Mich zu erfreuen / oder zu betrüben /
Nähret sich mein unruhiges Herz
Mit Vergnügen und Bekümmerniß.
So ermüdet bin ich / und befinde mich
In meinem Gemüte zwischen
Himmel und Hölle.
Ich ergetze mich / und quäle mich
Uber das / was ich hoffe / und was ich befürchte /
Nemlich entweder höchst – vergnügt
Oder auch höchst – betrübt zu werden.
So ermüdet etc.
Wie er den Pluto mit seinem Gefolge sieht stutzet er und bleibt von ferne stehen.
PLUTO.
Ist das der Mensch? warum lässt er sich stören?
Führ ich hieher! ich will ihn hören.
Vierter Auftritt.
Die Vorigen. Orpheus.
ORPHEUS.
Monarch der Unter-Welt, den Erd‘ und Meer verehren,
Hier siehst du Jupiters und Tellus Sohn vor dir,
Den keine schnöde Raub-Begier,
Rein, bloß ein zärtliches und jüngst-gestör’tes Lieben
Hieher getrieben.
Zu meiner grösten Qual
Hab‘ ich ein wehrtes Eh-Gemahl,
Das doch zu meiner Ruh geboren,
Im Frühling ihrer Zeit und unser Lust verloren.
Ach mögtest du, zum Trost von meinem Leben,
Mir nicht dieselbe wieder geben!
Es wird ja doch dereinst früh oder spät geschehn,
Daß wir uns beyde hier in deiner Herrschaft sehn.
PLUTO.
Was soll ich machen? wider Willen
Muß ich ihm seinen Wunsch erfüllen.
Geh, höchst – beglückter Mensch! dein Leid erweichet mich.
Zwar Eurydice findet sich
Nicht mehr bey mir:
Sie steht in Proserpinen Händen;
Doch denk‘ ich alles anzuwenden,
Damit sie dir
Alsbald zu Theile wird. Orpheus Wie würd‘ ich das erkennen!
Es sollte dein Altar
Zur Dankbarkeit von stetem Weyrauch brennen.
PLUTO.
Wolan denn! weil sich heut,
Bey diesem Zauber-Klang, mein ganzes Reich erfreut:
So will ich auch, daß der Verdammten Schar
Von ihrer Marter ruhig sey.
Drum geht, und macht sie gleich von ihren Banden frey!
Aria.
Ruhet / ihr Foltern gemarterter Seelen!
Reisset / ihr Fessel / die ihr sie drückt!
Alles soll sich heut‘ erfreu’n;
Nichts soll heute traurig seyn;
Keiner soll sich quälen.
Ruhet / ihr Foltern gemarterter Seelen!
Reisset / ihr Fessel / die ihr sie drückt!
Sie gehen alle ab ausser dem Orpheus.
Fünfter Auftritt.
Die verdammten Geister bezeugen die Freudeso sie über ihre Befreyung haben.
IHR CHOR.
Heureux Mortel! quelle est ta gloire!
Celebrons-la par nos Concerts!
Est il de plus grande victoire,
Que d’avoir charmè les Enfers!
Heureux Mortel! quelle est ta gloire!
Celebrons-la par nos Concerts!
Glückseliger Mensch / wie groß ist dein Ruhm!
Unsere Lieder sollen ihn preisen.
Ist wol ein grösserer Sieg /
Als die Hölle selbst zu bezaubern
und zu gewinnen?
Beglückter Mensch etc.
Sie tanzen.
EINER VON DEN VERDAMMTEN GEISTERN.
Verzeuch doch noch alhier,
Beglückter Sterblicher! Wir wünschen dir
Für deine schönen Lieder
Zwar Eurydice wieder;
Doch bitt‘ ich, was ich bitten kann,
Dich nicht so bald von uns zu wenden.
Denn kaum wird deine Qual sich enden:
So fängt die unsrige sich wieder an.
CHOR.
Heureux Mortel! quelle est ta gloire!
Celebrons – la par nos Concerts!
Sechster Auftritt.
Die Vorigen. Ascalax. Eurydice.
ASCALAX.
Schau, welche Botschaft ich dir bringe!
Er führet Eurydice verhüllt her zu.
Aus Hochachtung für deine Lieder
Schenkt Pluto dir die Eurydice wieder.
Jedoch mit dem Bedinge:
Du sollt allein mit ihr von hinnen gehn;
Wirst du dich aber unterstehn,
Bevor du dich in jener Welt befindest,
Sie auch nur einmal anzusehn:
So solls zum letzten mal geschehen,
Und wirst du, weil du lebst, sie niemals wieder sehen.
ORPHEUS zu Eurydice.
Bist du es, liebster Schatz? bist du es, werthe Sele?
Wie ängstlich sehn‘ ich mich nach dir?
EURYDICE.
Doch welch ein harter Zwang verbietet mir,
Dich zu umarmen, dich zu küssen?
EURYDICE.
Lasst uns der Götter Wolthat preisen,
Auf was für Ahrt sie auch uns ihre Huld erweisen!
Mir ists genug, daß ich nur bey dir bin.
Aria.
DER CHOR.
Mit dir mich zu ergetzen /
Ist einzig meine Lust.
Nichts / das dir gleich zu schätzen /
Ist meiner Treu bewust.
ASCALAX.
Folgt diesem Wege nur! der führt euch hin,
Wo ihr des Himmels Licht erblicket.
Doch, daß euch nicht der Königinn
Vergällter Sinn
Itzt wiederum dieß euer Glück verrücket;
So lässt euch Pluto noch zur Nachricht wissen:
Orasia liebt Orpheus inniglich,
Und bloß aus Eyfersucht hat Eurydice müssen
Die kalte Grube küssen.
ORPHEUS.
Ist sie’s, die das verübt? Wolan, ich will es rächen.
EURYDICE.
Laß uns doch nicht itz und, mein Schatz, von Rache sprechen!
Wie gern verzeiht mein Herz es ihr,
Vornemlich, weil sie mir
Hiedurch die Macht von deiner Treu gewiesen.
ASCALAX zu Orpheus.
Beglückter Mensch, dein Leiden endet sich;
ORPHEUS.
Dein Lieben ist vollkommen.
Du hast das Schicksal selbst besieget,
Und wirst nach deinem Wunsch vergnüget.
CHORPHEUS.
Du hast das Schicksal selbst besieget /
Und bist nach deinem Wunsch vergnüget.
ASCALAX.
Geht nun, verdammte Geister, geht,
In eure Fessel euch zu schmiegen!
So bald ihr Orpheus nicht mehr seht,
Soll eure Qual so fort euch wiederum besiegen.
Aria.
DER CHOR.
Was hilfts / von kurzer Freude sagen /
Wenn gröss’re Qual darauf erfolgt?
Viel besser / stets geplagt zu seyn /
Als daß / nach Anstand unser Pein /
Die Last nur schwerer zu ertragen.
Siebender Auftritt.
Orpheus. Eurydice.
ORPHEUS.
Gleich werden wir, mein Schatz, aus dieser Höle gehen,
Des Himmels Licht zu sehen,
Das mir zugleich dein Licht entdecken soll.
EURYDICE.
Ach wie bin ich bereit,
Dir meine Demuht, Lieb‘, Erkenntlichkeit,
Und ganze Pflicht zu zeigen!
Von Orpheus Liebe soll die Nachwelt nimmer schweigen.
Das Licht der schwindet und es wird gantz dunkel.
Jedoch, ihr angeneme Schatten,
Wie wol kommt ihr uns itzt zu statten,
Da selber die Gelegenheit,
Uns beyderseits zu sehn, durch euch verschwindet?
ORPHEUS.
Gleichwol hält noch der Kummer an,
Den mein Gemüht empfindet,
So lang‘ ich dich nicht sehen darf noch kann.
Es wird alles wieder hell und hinten ist der Schauplatz verändert wo sich ein Theil des Berges Rhodope und in demselben eine Höle zeiget durch welche Orpheus hervor gegangen.
Ach Eurydice, hör‘ ich dich
Nicht mehr hier bey mir gehn?
Sprich doch!
Sprich nur ein Wort! folgst du mir noch?
Ich höre dich nicht mehr. Ach wie ist mir geschehn?
Ich muß –
Orpheus siehet Eurydice, welche den Augenblick aus der Höle hervor zu gehen scheinet; aber von des Pluto Bedienten mit Gewalt zurück genommen wird.
EURYDICE.
Nun wirst du mich,
Mein Orpheus, weil du lebst, nicht lebend wieder sehn.
Achter Auftritt.
ORPHEUS allein.
Ihr Götter ach! kaum hab‘ ich sie erblickt.
Wird sie mir gleich davor auf Lebenslang entrückt?
Das heifst ja nicht des Pluto Macht verletzen,
Und sein Verbot
Im Frevel aus den Augen setzen.
Welch Anblick! welche Qual!
Jedoch ich wag‘ es abermal.
Ich gehe schleunig wieder hin
Durch diesen offnen Weg, woher ich kommen bin.
Aria.
DER CHOR.
Vezzo si lumi
A vagheggiarvi,
Ritornerò.
Siete miei numi!
Voglio adorarui,
Sin che potrò.
Um euch / ihr holden Augen/
Vergnüglich anzuschauen /
Will ich wieder umkehren.
Ihr seyd meine Götter!
Ich will euch anbeten /
So lange ich kann.
Um euch / etc.
Neunter Auftritt.
Orpheus, des Pluto Bediente.
Ein Theil von des Pluto Bedienten spärret dem Orpheus den Weg.
ORPHEUS.
Verstattet doch –
CHOR.
Nein, nein!
Selbst Hercules kommt nicht zum zweyten mal‘ herein.
ORPHEUS.
Vielleicht lässt Pluto sich noch einst bewegen.
Verstattet doch – Chor: Nein, nein!
Es kann durchaus nicht seyn!
Wir müssen uns mit Macht zuwider legen.
Sie stossen den Orpheus gänzlich aus dem Schauplatze zurück.
Der dritten Handlung.
Erster Auftritt.
Der Schauplatz verändert sich nunmehr gänzlich und stellet den Berg Rhodope vor.
Orasia. Ismene.
ORASIA.
Nun wird mein Orpheus bald aus dieser Höle gehen.
Ich warte schon auf ihn
Mit mehr, als schmerzlichem Verlangen;
In Hoffnung, daß sein eifriges Bemühn,
Dazu ein übermäßigs Lieben
In einzig angetrieben,
Ganz Fruchtlos abgegangen.
Und o wie werd‘ ich mich erfren’n,
Kann ich nur ihn allein,
Ohn Eurydice, wieder sehen!
Jedoch ich weiß nicht, was mir fehlt.
Ich fühle was, das meine Sele quäl’t;
Ich merke, daß der Haß in meiner Brust sich reget,
Da eine neue Furcht der Adern Lauf beweget.
Und doch spür‘ ich zugleich in diesem Leiden
Den Vorschmack gröster Freuden.
Aria.
DER CHOR.
Furcht und Hoffnung / Haß und Liebe
Bestreiten mein verwirrtes Herz.
Sagt ihr Sterne: soll ich hoffen?
Soll ich hassen? soll ich lieben?
Mich erfreuen? mich betrüben?
Lieb‘ und Freud‘ hat mich betroffen;
Doch empfind‘ ich Haß und Schmerz.
Mein Haß, der bloß auf Eurydice fällt,
Rührt her von meiner Furcht, sie wiederum zu sehen.
Doch sollte dieß geschehen:
So weiß ich schon die Mittel anzuwenden,
Die stark genug, sie in die Unter-Welt
Aufs neu zu senden;
Und sollt‘ ich auch mit diesen meinen Händen
In Orpheus Beyseyn selbst sie tödten.
ISMENE.
Laß, Königinn,
Falls du dich selber liebst, von diesem Vorsatz ab!
Willt du, daß deine Rache
Den Orpheus dir zum Feinde mache?
Doch solltest du auf deinem Sinn
Bestehen:
So wirds nicht anders gehen.
ORASIA.
Du redest mir mit guten Gründen ein;
Ich hab‘ auch schon das Werk ganz anders eingesehen.
Du weisst, daß wir des Bacchus Fest
Noch heute feyerlich begehen.
Wann Eurydice nun hiebey sich sehen lässt:
So soll mein Weiber-Volk, das dann von Weine voll,
Vor Raserey erhitzt und toll,
Sie alsofort in hundert Stücke reissen.
ISMENE.
Kann man sich aber auch verheissen,
Daß Orpheus wird verschonet seyn?
ORASIA.
Laß du mich sorgen! Ismene. Ist die Rache
Nicht eine wunderbare Sache!
Sie kützelt uns, und wirkt doch lauter Pein;
Sie nimmt des Menschen Herz mit steter Unruh‘ ein.
Aria.
DER CHOR.
Bitter und süß sind Rachgier und Liebe;
Beydes vergnügt / und quälet zugleich.
Die Begierden zu zwingen / mich selbst zu besiegen /
Ist bloß mein Vergnügen /
Und bleibt mein Himmelreich.
Orpheus kömmt.
Zweyter Auftritt.
Orasia, Orpheus, Ismene, Eurimedes.
ORASIA.
Kömmst du, mein Orpheus, ganz allein?
Ich suchte schon, mit dir mich zu erfreun;
So aber laß mich itzt nur traurig seyn,
Und dein Geschick mit dir beklagen.
Dein Schmerz erlaubt wol nicht, mit wenigem zu sagen,
Wie dirs auf deiner Fahrt gegangen.
ORPHEUS.
Du siehst es, Königinn; und hier hab‘ ich erfahren,
Daß leider deine Wut und List,
Was selbst den Sythen und Barbaren
Erschrecklich ist,
An mir begangen;
Ja kurz, daß du allein
Von Eurydicen Tod und aller meiner Pein
Der Ursprung bist.
ORASIA.
Ich leugne nicht mein Unterfangen;
Doch kennst du meine Liebe nicht,
Die ich schon längst zu dir getragen?
ORPHEUS.
Was Liebe! liebtest du, und nahmst mir doch mein Leben?
Nein, nein!
Nur Eurydice soll mein Schatz, mein Trost, mein Licht,
Mein einzigs Labsal seyn;
Und ihr allein
Bleibt stets mein Herz, auch in der Gruft, ergeben.
Du aber, wollt‘ ich, müstest mich,
Zu deiner Qual,
Noch tausendmal
So heftig; als bishero, lieben,
Um dadurch meine Rach‘ an dir zu üben.
ORASIA.
Was unterstehst du dich?
Verwegner! gnug, ich liebe dich nicht mehr.
Ich fühle schon mein Blut zum Eifer sich entzünden.
Geh, halt dich nur bereit! Du sollt ihn gleich empfinden.
Aria.
Vieni, o sdegno, e fuggi, Amor!
E tu core
Più l‘ ardore
Non nutrir del traditor.
Vieni, o sdegno, e fuggi, Amor!
Se t‘ amai,
Hor m‘ haurai
Per nemica, o mentitor.
Vieni, o sdegno, e fuggi, Amor!
Komm Rache! Entweiche von mir / o Liebe!
Und du mein Herz
Sollt keine Neigung mehr
Zu diesem Verräther hegen.
Komm / Rache! etc.
Habe ich dich geliebet;
So sollt du mich nun zur
Feindinn haben.
Komm / Rache! etc.
Dritter Auftritt.
Der Schauplatz stellet einen Theil vor von einem Gartenunweit dem Berge Rhodope in einem lustigen Gefilde und Walde.
Eurimedes. Orpheus.
EURYDICE.
Ist hier Cephisa nicht? Ist hier mein Orpheus nicht?
Mein Freund, wo find‘ ich dich? Wo find‘ ich dich, mein Leben?
Cephisa, gönne mir dein holdes Augen-Licht!
Dein Antlitz kann allein in dieser Einsamkeit,
Da Orpheus Gegenwart mich nicht erfreut,
Mir allen Trost und alle Freude gehen.
Jedoch wo find‘ ich dich? wo find‘ ich dich, mein Leben?
Aria.
Augeletti, che cantate,
Zeffiretti, che spirate,
Aure dolce, intorno a me;
Il mio ben dite dov‘ é:
Ihr Vögelchen die ihr singet
Ihr Zephirsdie ihr lispelt
Ihr angenemen Lüffte die ihr
um mich herum spielet
Saget: wo hält sich mein Leben auf?
Er bekömmt den Orpheus ins Gesicht welcher für sich ganz traurig sitzet.
Wie freu‘ ich mich, mein Freund, dich wiederum zu sehen?
Doch warum so betrübt? Orpheus. Ach laß mich itzt allein,
Um meinen Jammer-Stand mit Seufzen zu beklagen.
EURYDICE.
Allein? Ich will mit dir dein Glück und Unglück tragen.
ORPHEUS.
Dadurch wird meine Qual ja nur vergrössert seyn.
EURYDICE.
Sieht Orpheus mich nicht gern bey sich?
ORPHEUS.
Geh, laß mich doch allein! dein Hierseyn quälet mich.
EURYDICE.
Wo bleibt das Frenndschafts-Band, das mich und dich
So fest umstrickt? Orpheus Verzweiflung bey dem Lieben
Lässt sich durch nichts mehr trösten.
Was vormals mich vergnügt, macht itzo meine Pein
Am allergrösten.
Nichts soll hier anders um mich seyn,
Als meine Leyer, mein Betrüben,
Und dann ein sehnlichs Angedenken.
EURYDICE.
So willt du nie dein Herz auf deinen Freund mehr lenken?
Jedoch ich liebe dich gleichwol,
Und wenn ich auch dich niemals sehen soll.
Aria.
DER CHOR.
Wanket / ihr leichten und flüchtigen Sinne!
Hier ist ein beständigs Herz.
Meine Treue weiß nicht zu wanken;
Glück und Unglück; Freud‘ und Schmerz
Aendern niemals meine Gedanken.
Vierter Auftritt.
Orpheus allein.
Hier sitz‘ ich in der Einsamkeit,
Und werde bloß durch meine Qual vergnüget,
Da alle Lust von meiner Lebens – Zeit,
Da Eurydice, todt und ohne Leben lieget.
Sie war zu meinem Glück geboren;
Doch zweymal, zweymal hab‘ ich sie verloren.
Das Echo aus dem benachbarten Walde wiederholet einen Theil seiner Klage
Vergebens suchst du, Echo, mir
Dein zärtlichs Beyleyd anzubringen.
Ach könntest du dafür
Durch jenes Felsen off’ne Thür,
Durch jenen Schlund, zu Plutos Ohren dringen:
So mögtest du vielleicht mir Eurydice wieder bringen.
Die wildesten Thiere finden sich ein dem Orpheus zuzuhören.
Was führt euch für ein Trieb, ihr Bestien, hieher?
Wollt ihr mehr Leid mit mir, als Pluto selber, tragen?
Ach Eurydice war mein Trost und mein Behagen.
Sie war zu meinem Glück geboren;
Doch zweymal, zweymal hab‘ ich sie verloren.
Er wirft seinen Lorbeer-Cranz nebst der Leyer weg und die Symphonie höret auf.
Verhasster Zeit-Vertreib, dich brauch‘ ich nun nicht mehr.
Geh, oder bring durch deine Lieder
Mir eiligst Eurydice wieder!
Doch ich beschwere mich
Ohn‘ Ursach‘ über dich.
Ich hab‘ es selbst versehn, und meine Augen müssen
Dieß ihr Versehn in Blut und Thränen büssen.
Aria.
DER CHOR.
Fliesst / ihr Zeugen meiner Schmerzen!
Fliesst ihr Zähren! tröpfelt Blut!
Quillt hervor aus meinem Herzen!
Badet mich in eurer Flut!
Nun, alle Hoffnun ist vorbey!
Ach was verharrt ihr noch, ihr Tyger, Bär-und Löuen,
Von meiner Qual mich zu befreyen?
Zerreisset mich: so werd‘ ich frey!
Doch ach ihr wollt, zu meiner Pein,
Bey eurem Mitleyd selbst noch grausam seyn.
Komm doch, gewünschter Tod! wie sehn‘ ich mich nach dir?
Durch deine Gunst werd‘ ich der Qual entnommen.
Durch dich kann ich allein
Zu Eurydice wieder kommen.
Fünfter Auftritt.
Orasia, Chor ihres Gefolges. Ismene.
ORASIA.
Weisst du, Ismene, daß ich frey,
Daß meine Fessel nun zerrissen,
Die ich so lange tragen müssen?
Schan, itzt bin ich allein bedacht,
Mit List und Macht
Durch meiner Frauen Schar an Orpheus mich zu rächen.
Itzt must du mir von nichts, als Blut und Rache, sprechen.
Aria.
CHOR.
Waffne dich / mein Geist / mit Nache!
Rache! Rache!
ORASIA.
Heute noch soll Orpheus fülen /
Wann wir unsern Eifer külen
Was die Wut der Frauen mache.
CHOR.
Heute noch soll Orpheus fühlen /
Wann wir unsern Eifer külen
Was die Wut der Frauen mache.
ORASIA.
Waffne dich / mein Geist / mit Rache!
CHOR.
Rache! Rache!
Sechster Auftritt.
EURIMEDES.
Wie pflegt nicht oft die Leidenschaft
Sich mit dem angenomm’nen Schein
Des heil’gen Eifers auszuschmücken?
Lebt Orpheus gleich so fromm als tugendhaft,
Und will sich nur in unser Joch nicht bücken:
So muß er doch verkezzert seyn.
Er schilt auf Bacchus Fest, und die es feyren, nicht.
Er tadelt bloß das Greuelhafte Leben,
Da man der Völlerey, wie noch itzund geschicht,
Und allen Lastern sich ergeben.
Dieß heisst nun Bacchus Ruhm verspotten,
Und muß, statt eigner Rach‘, allein,
Der Vorwand seyn,
Mit Strumpf und Stiel ihn auszurotten.
Und ach wo treff‘ ich dich, mein Freund, doch an!
Man stehet dir, mein Orpheus, nach dem Leben.
Wie gerne mögt‘ ich dir hievon die Nachricht geben!
Wie gerne wär‘ ich auch bereit
Zu deiner Hülf‘ und Sicherheit!
Doch ach ich seh‘ hiezu ganz keine Möglichkeit.
Siebender Auftritt.
Orasia. Ismene. Die Priesterinn des Bacchus.
Ein Haufen besoffener und rasender Weiber davon jede einen mit Epheu umwundenen Stab in der Hand führet.
Aria.
Esprits de haine & de rage,
Demons, obeissez nous!
Livrez à nôtre couroux
L’ennemi, qui nous outrage.
Esprits de haine etc.
Ihr Plage-Geister /
Ihr Furien / gehorchet mir!
Ubergebet meiner Rache den Feind /
Der mich beleidiget hat.
Ihr Plage – etc.
ORASIA.
Geht, sucht den Läst’rer auf, der unser Thun verhönet!
Er soll noch heut des Bacchus Opfer seyn.
DIE PRIESTERINN.
Komm, Bacchus, grosser Sohn des grossen Jupiters,
Komm, räche dich und uns! Stellst du dich selber ein:
So werden wir durch deinen Beystand siegen,
Und soll er bald, zu deinem Ruhm‘, erliegen.
Arioso.
CHOR.
Evohe! wir wollen siegen.
Unser Feind soll bald erliegen, Evohe!
DIE PRIESTRINN.
In welcher Höle mag er stecken,
Daß wir ihn nicht entdecken?
Sie suchen ihn allenthalben und Orpheus wird von weitem gesehen,
Jedoch ich seh‘ ihn schon,
Und Bacchus hat ihn uns, zum wolverdienten Lohn
Gerechter Strafen, übergeben.
ORASIA.
Ihr Götter! Orpheus lässt sein Leben
Ganz ohne Furcht und unverzagt.
Ich aber fühl‘ ein Schrecken, Zittern, Beben,
Und weiß nicht, was mir dieses sagt!
Orasia siehet wie es mit Orpheus abgehet. Die Weiber werfen indeß ihre Stäbe hurtig auf ihn loßund kommen mit einigen Stücken von seinem Lorbeer-Krantze und der Leyer als den Zeichen ihres Sieges zurück.
PRIESTERINN.
So stirbt er denn, der Feind von Bacchus Heiligthum;
Durch diese Stäb‘ ist er erleget.
Die Strafen sind gerecht, die er itzt träget.
Nun wird sein Läster-Maul nicht mehr, an Bacchus statt,
Von Eurydicen Lobe singen,
Und diese Leyer soll nicht mehr zu ihrem Ruhm,
Wie vor, erklingen.
Arioso.
CHOR.
Evohe! Evohe! Orpheus erliegt.
Uns’re Faust hat ihn besiegt.
Evohe! Evohe!
DIE PRIESTERINN.
Geht nun! zerreisset ihn, und streuet seine Glieder
In diesen nah-geleg’nen Fluß!
Von Bacchus, den die Welt gebückt verehren muß,
Soll jedermann erkennen,
Daß er der mächtigste, der gröste Gott zu nennen.
Sie gehen ab den Besehl der Priesterinn auszurichten.
Achter und letzter Auftritt.
ORASIA mit ihrem Gefolge.
So ist nun Orpheus todt!
Ich Unglückselige! was hab‘ ich doch gethan?
Was greift mich itzt für neue Marter an?
Durch seinen Tod gedacht‘ ich Ruhe zu erlangen;
Doch scheinet meine Qual nun erst recht anzufangen.
In diesem Augenblick
Fühl‘ ich all meinen Zorn verschwinden.
Dagegen kehrt die Lieb‘ aufs neu zurück
Mich unweit heftiger als vormals zu entzünden.
Wobey mich noch in gröste Qual versetzt
Daß Orpheus nun was einzig sein Verlangen
Mit Eurydice sich vergnügt ergetzt.
Die Gespenster des Orpheus und der Eurydice erscheinen ihr von weiten und man höret ein starkes Seufzen aus dem Gehölze.
Aria.
Helas quels soûpirs me repondent?
Helas! quels soûpirs, quel regrets
Avec mes plaintes se confondent?
Helas! quels soûpirs, quels regrets
Me repondent dans ces forêts?
Ach was für Seufzer antworten mir?
Ach was für Seufzer / was für ängstliches Flehen
Vermischet sich mit meine Klagen?
Ach was für Seufzen / was für
ein ängstliches Stehnen
Antwortet mir aus diese Walde?
Ihr Himmel / ach! was nun für Raht?
Verzweiflung stürzt mich in die Gruft /
Die Haß und Liebe mir bereitet hat!
Ich sterb‘ / um meine Qual dadurch zu enden /
Und Orpheus Liebe noch dort in der Höllen-Kluft
Von Eurydicen abzuwenden.
Schluß – Aria.
GEFOLGE DER ORASIA.
Ach lebe / Königinn / ach lebe!
Wir sterben alle gern für dich.
Daß dein Geschick sich zu den Sternen hebe:
So leben wir geruhiglich!
Ach lebe / Königinn / ach lebe!
Da Capo.