Georg Anton Benda
Medea
Personen
Medea
Jason
Ihre Söhne
Kreusa
Deren Hofmeisterin
Gefolge
Erster Auftritt.
MEDEA erscheint zu Anfange des Allegro der Intrade auf ihren mit Drachen bespannten Wolkenwagen – steigt ab – und winkt ihm zu verschwinden. Vertrauter Wohnsitz! vormals den Schutzgöttern frommer Eintracht, häuslichen Glücks, der unverbrüchlichen Treue heilig! – – … So wag ichs, dich wieder zu betreten? – … Freystadt unaussprechlicher – – für mich auf ewig verlohrner Freuden! … Haus meines Gatten, der mich von sich stößt! … Meine Kinder! – – – … Ach, die nicht mehr mein sind! – – … Unglückliche Medea! – – – … Unglücklich – – – da du dich rächen kannst? – – … Wo sind sie, die stolzen Entwürfe, mit denen du kamst? – … Wirft dieser Anblick sie schon zu Boden, o was wirds seyn, wann du ihn selbst erblickest, den geliebten Verräther? – – … Wann du sein Bild in jenen Unschuldigen umarmst – … Stähle deine Brust, beleidigtes, verworfenes, ins Elend gebanntes Weib! – … Mutter ohne Kinder – … Mutter ohne Kinder – … Bey folgender Rede, wie bey einigen andern Stellen, fällt die Musik jedesmal mit dem unterlegtem Worte ein. O du! des ehelichen Bundes Beschützerin, des Meyneids Rächerin, verlassener Weysen Mutter, all mächtige Juno! Knieend. Hier lieg ich jetzt, – … Jetzt lieg ich hier – … Und flehe um Rache – … Um Rache auf Jasons Haupt – … Fleh um Rache auf Jasons Haupt. – – … Hier lag ich sonst – … Sonst lag ich hier – … Und flehte Segen – … Flehte Segen auf ihn herab. – … Flehte Segen auf ihn herab. … Hier lieg ich jetzt – … Jetzt lieg ich hier. … Und flehe um Rache – … Um Rache auf Jasons Haupt – … Fleh‘ um Rache auf Jasons Haupt – … Ich verbannt! Sich erhebend. verbannt! … Ich, einer Kreusa nachgesetzt! – … Ha! Treuloser! – … Ist das mein Lohn? – … Hast du vergessen, daß dein Leben mein Werk ist? … Daß ich dir alles aufopferte? – … Daß ich hasse, wie ich liebe? … Wer ich bin? – … Was ich vermag? – … Daß ich auf Stürmen daher fahre – … Daß ich Grundfesten der Erde erschüttere? … Unselige Macht! – … Die Elemente gehorchen meiner Stimme – und das Herz des Mannes den ich liebe, verschließt sich ihr! – … Schatten bring ich von Orkus zurück – und ein Herz kann ich nicht erhalten? – … Paläste wink ich hervor – und habe keinen Winkel zu meiner Ruhe! – … Folgendes unter der Musik, ohne Pause. Wo soll ich hin? – in mein Vaterland zurück? verließ ichs nicht um seinetwillen? Würden unsere Hausgötter nicht vor dem Schalle meiner Tritte fliehen? Die Gebeine meines Vaters nicht er zittern? Meine Brüder nicht die Schmach rächen, die ich über sie gebracht habe? – … Auch der Elendeste der Menschen hat doch irgend eine gute Seele, die an seinem Schicksal Antheil nimmt, – aber wen hab ich? – … Für mich ist jede selige Freude vertilgt! – … Ich bin allein in der Schöpfung! – … Man hört von Ferne die Musik des Aufzugs. Sie schallen, sie schallen die Triumphlieder des glücklichen Verbrechers! – … Er kömmt! er kömmt! – … Er taumelt hin in wollüstigem Rausche, die Majestät der Götter zu verhöhnen! – … Einer andern die Treue zu schwören, die er mir schwur. – … Vor eben den Altären, die von unsern Opfern rauchten – … Ha! kaum halt ich mich zurück! – … Wo verberg ich mich? – … Sie verliert sich im Säulengang.
Zweyter Auftritt.
Jason und Kreusa, in einem von Sklagen gezogenen Wagen mit ihrem Gefolge, der gehet hinten über das Theater. Medea verborgen.
MEDEA hervortretend. Wie er auf diesem Wagen thronte, … Schöner als am ersten Tage unserer Liebe! – … Majestätisch, und sicher wie ein Gott. – … Soll ich nach? – … Fährt ununterbrochen in der Musik fort. Soll ich dieß Getöse der Freude in banges Klagen, in stummes Trauern verwandeln! – .. Soll ich mich in den Tempel wagen, und das schändliche Paar am Fuße der zürnenden Bildsäulen erwürgen – … Oder warten, bis sie beym schwelgerischen Mahle trinken? auf den Untergang ihrer Feinde, auf Medeens Untergang? … Dann diese Säulen niederreißen, daß der stürzende Palast ihr Brautbette werde – … Thörichte! womit schmeichelst du dir! – … Aus Jupiters Blute gezeugt, und von den Schutzgöttern Korinths bewacht, spottet Kreusa deiner machtlosen Wuth! – … Ha! Verwegne, frohlocke nicht zu früh! – … Die Eifersucht ist sinnreich – … Es giebt andere Wege zu deinem Leben, – … Wie? wenn dein Jason, wenn er nun die Beute zu genießen glaubt, heimlichen Giftes voll, und von der Hand des Todes gestreckt, an deinem Busen langsam verschmachtete! – … Sterben? sich krümmen und nicht mehr seyn? … Ist das die ganze Strafe, die er verdient hat? – … Deine ganze Rache Medea? … Leben soll er, aber sich zur. Unter der Musik. Quaal – Göttern und Menschen verhaßt, ein bleiches, zitterndes Gespenst, vom Lande zu Lande fliehen, jeder aufgehende Same, jeder sinkenden Nacht fluchen, sterben wollen und nicht können! – … Ha! solch eine Rache, ihr Eumeniden – helft sie mir ausdenken! – … Daß er schon Kinder von Kreusen hätte! – … Hat er nicht Kinder? – … Entsetzlicher Gedanke! – … Wie Schauder des Todes, durchbebt er mein Gebein! – … Götter! Götter! sie sind auch meine Kinder! – … Aber Jason ist ihr Vater – alles was ihm zugehört ist strafbar! – … Sein Andenken werde von der Erde vertilgt – … Durch dich Unglückliche? – … O! meine Kinder! – … Arme, Verlassene, eines bessern Vaters, einer glücklichern Mutter werth! – … Verachtung wird euer Loos seyn, Neid auf jedem eurer Tritte lauschen, arglistige Bosheit an der Knospe eures Lebens nagen, bis sie fällt. – … Hab ich euch darum mit Schmerzen gebohren? darum für euch gewacht, gesorgt, geweinet? – … O! daß euch nie die Sonne angelächelt hätte! – … Daß ich in der Angst der Gebährerin verschmachtet wäre! – … Und ich ließ euch unter meinen Feinden zurück? – … Nein! Nein! ihr sollt nicht Brüder von Kreusen sehen! – … Es ist Liebe, Wohlthat, die einzige letzte Wohlthat eurer Mutter! – … Sie gab euch, sie nehm es wieder! – … Wandelt in Unschuld, und Friede, wandelt hinab zu den Schatten. – … Wandelt hinab zu den Schatten! – … Verkündigt den Richtern der Hölle, wer euch sendet, und wer euer Vater ist! – … Die folgende Rede mit Pizzicato angefangen. Ha! Jetzt, erblickt er die zerstückten Leichname, das rieselnde Blut – stürzt über sie her in schrecklicher Todesstille – umarmt sie – ruft sie vergebens – springt auf, und rast – … Jetzt wälzt er sich im Staube, und fleht dem Blitz ihn zu zerschmettern, dem Abgrund ihn zu verschlingen – … Jetzt ergreift er mit selbstmörderischer Faust den Dolch – … Und du siehst es Medea – siehst es, und stirbst vor Entzücken! – … Wie geschieht mir so plötzlich? – … Ich höre kommen – … Gute Götter! was seh ich? – … Medea zieht sich zurücke.
Dritter Auftritt.
Die Hofmeisterin mit Medeens Söhnen, Medea verborgen.
HOFMEISTERIN. Kommt meine Geliebten! der Augenblick ist günstig, niemand belauscht uns. Läßt euch in den Hain der wohlthätigen Göttin führen, die auf das Lallen der Unschuld hört. – … Kommt, und bethet für eure Mutter! – …
EIN KNABE. Für unsre neue Mutter! – …
MEDEA hervorstürzend. Ihr Undankbaren, habt ihr mich schon vergessen?
KNABEN. Ach Mutter! Mutter!
HOFMEISTERIN. Medea! – …
MEDEA umarmt ihre Kinder. O! der Wonne! ich habe um nichts gelitten. Ich bin ganz glücklich! – …
HOFMEISTERIN. Soll ich den Göttern danken, die dich wieder bringen, oder muß ich zittern, Medea? – …
MEDEA. Sey ruhig treues Weib, einzige Freundin einer Verbannten. – … Mein Schicksal ändert sich. – … Die Göttin, welche ihr anrufen wolltet, sie hat euch erhört, sie sendet mich euch zu retten, zu rächen. – …
HOFMEISTERIN. Aber dieser mit Wuth und Weh muth kämpfende Blick, diese Stirne voll schwarzer Sorgen – um aller Gotter willen! was beginnest du? – …
MEDEA. Sey ruhig, sag ich, und laß uns! – … Hofmeisterin geht ab.
MEDEA. O! meine Kinder! – …
DER JÜNGERE. Wo bist du so lange gewesen? Mutter!
DER ÄLTERE. Ich fürchtete, du kämst niemals wieder. …
MEDEA. Vielleicht besser für euch, ich wäre niemals wieder gekommen! …
DER ÄLTERE. Aber nun bleibst du doch bey uns.
DER JUNGERE. Ja! liebe Mutter, ja! – …
MEDEA. Ihr tödtet mich! … Nein, Söhne meines Herzens, nein! – … Ihr werdet mein einsames Alter nicht trösten. – … Meine letzten Thränen nicht trocknen! – … Fern von euch werd ich sterben. – …
DER ÄLTERE. Wir wollen mit dir sterben liebe Mutter;
DER JÜNGERE. Warum sterben? Er will die Mutter liebkosen.
MEDEA stößt ihn von sich. Zurück! – …
DER JÜNGERE erschrocken. Ach Mutter, liebst du uns nicht mehr? – …
MEDEA ihn wieder holend. Ich dich nicht mehr lieben? – … Große Götter, was soll ich thun? – … Ich kann nicht! ich kann nicht! – … Ich würde mir zwiefach das Herz durchbohren – … Ich will sie mit mir nehmen! – … Ich will sie bey der Hand führen. – … Ich will sie auf meinem Rücken tragen, einen Gegenstand des Erbarmens für Götter, und Menschen! – … Aber wird man uns nicht entdecken? – … Wird man sie nicht aus meinen Armen reißen? – … Ha! bey den rächerischen Gottheiten der Nächte! eh‘ ich das zugebe – … Die Knaben stehen erschrocken mit flehender Geberde. Medea sie wild anblickend. Kein Erbarmen! Es ist die Natterbrut Jasons! – … Sein Blut klopft in ihren Adern! Sein heuchlerisches Lächeln schwebt auf ihren Lippen – Ha! der sieht ihm am ähnlichsten – der sey der erste! – … Sie ergreift den jüngern, zieht den Dolch, läßt ihn fallen, und umarmt den Knaben. Flieht, flieht Unglückliche Beyde Knaben von sich stossend. … Weg mit diesen Blicken! – … Meine Liebe ist euer Tod! – … Haßt mich! verflucht mich! ich bin die abscheulichste der Mütter! – … Die Knaben fliehen. Und das elendeste der erschaffnen Wesen – … Sie wirft sich auf die Schwellen des Eingang. O Jason, Jason, wenn du aus dem Sonnenkreise deines Glücks mich hier erblicken solltest, wenn mein Gewimmer zu den Ohren deiner leichtgläubigen Braut dränge, würde nicht Mitleid in eurem Herzen erwachen? – … Ach! – … Ach! – … Zerreißt den Faden meines Lebens ihr Parzen! – … Nimm mich auf, stilles Gestade! … Land meiner verlohrnen Ruhe, nimm mich auf! – … Gefolge hinter dem Theater. Heil! Heil sey Jason, und Kreusa, Heil! Heil sey den Neuvermählten! – …
MEDEA auffahrend. Verflucht sey Jason, und Kreusa, verflucht die Neuvermählten! – … Fort, sollen sie dich hier finden, und mit andern Sklaven an ihren Wagen fesseln! … Sollen sie dir deine Kinder vor deinen Augen zum Tode schleppen? – … Soll ihr buhlerisches Hohngelächter, dein Grablied werden? – … Noch bist du Medea! – … Räche dich, und stirb dann! – … Umsonst sträubst du dich, arme Mutter! – … Vergiß! vergiß, daß sie dein waren! – … Reiß sie aus deinem Herzen, wie er dich aus dem seinigen riß! – … Will ab, bleibt in dem Eingange stehen. Was bedenkst du dich? – … Wohin? – … Wenn sie dir nun wieder mit kindischem Lächeln entgegen eilen, wieder ihren Arm um deine Kniee schlingen, wieder dir stammlend liebkosen? wie dann? – … O! wag es nicht! … Das Licht des Tages ist zu heiter, die Sonne zu lieblich! – … Solche Thaten wollen Finsterniß. – … Ha! wenn die zürnende Natur umher dich zur Wuth begeisterte! – … Wenn der berstende Himmel über dir, unter dir die erzitternde Erde, deine Seele em pörten? – … Sie geht mit fürchterlicher Geberde umher, und bleibt endlich in der starren Begeisterung einer Beschwörerin stehen. Höre mich! meines Kummers vertraute Hekate! Hekate! – … Höre mich Chaos der ewigen Nacht, und ihr des Orkus fürchterliche Nächte! Ich ruf euch! Ich ruf euch! – … Pforten der Höllen öffnet euch der bekannten Stimme Medeens! – … Holt sie wieder unermeßliche Felsenklüfte, daß das Rad des Ixions stocke, und der Geyer des Prometheus zu martern vergesse! – … Verbirg dich dem Anblick so vieler Greuel, O! Phöbus! verbirg dich am Mittag! – … Mache dich auf heulender Sturm! – … Zerreißt ihr Blitze! zerreißt die nächtlichen Himmel! – … Brülle laut Donner des Rächers! – … Und ihr des Todes Gehülfen, Entsetzen, Raserey, Verzweiflung, stürzt euch unter das Brautgefolge, das siegprangend aus den Thoren des Tempels zieht! – … Das ganze Theater wird Nacht, und ein schreckliches Ungewitter läßt sich hören. Triumph! Triumph! ich bin erhört! Zur Rache! Zur Rache! … Sie stürzt mit gezückten Dolch in den Palast, das Ungewitter dauert einige Zeit fort.
Vierter Auftritt.
MEDEA erscheint athemlos, bleich, und mit zerrissenen Haaren am Eingang. Es ist geschehen! geschehen! – … Schlummert sanft ihr Lieben! – … Euch ist wohl! – … Zerbrochen ist euer Kerker! – … Wer auch frey ware wie ihr. Sinkt auf die Schwelle nieder und spricht mit der Musik. Warum schlägt mir jede Nerve, verläßt mich jede Kraft? – O du, wenn ich diese Hände voll Bluts, noch gegen dich ausstrecken darf – erbarme dich der reinen schuldlosen Seelen, O! Juno! – … Ich war einen Augenblick ihre Mutter! – sey du es nun ewig! – … Ha! rauschen eure Fittige, rasseln eure Ketten noch um mich! – … Habt Dank, daß ihr meinen Arm regiertet, daß ihr mein Ohr ihrem Angstgeschrey verschlosset. – … Habt Dank Heiligste der Göttinnen! – … Vollendet, was ihr begannt! – … Vollendet das Strafamt! – … Sich erhebend. Treibt ihn her! – … Reißt ihn her den Verbrecher! – … Daß er sehe. … Daß er höre. … Daß noch Götter, Götter leben! … Peitscht ihn her! … Peitscht ihn her! … Treibt ihn her! – … Reißt ihn her den Verbrecher! – … Daß er sehe! … Daß er höre! … Daß noch Götter, Götter leben! – … Peitscht ihn her! … Peitscht ihn her! … Sie ver schwindet.
Letzter Auftritt.
Jason rasend. Hernach Medea, gleichsam unsichtbar auf ihren Wagen.
JASON. Wo bin ich? … Soll Korinth untergehen? – … Wer verfolgt mich? – … Kreusa, wo bist du? – … Wer riß dich aus meinen Armen? – … Wo find ich dich? – … Was für Schlangen zischen um mich her? – … Feuer! Feuer! – … Jetzt leckt es am Saume meines Mantels! – … Jetzt ergreift es meine Haare! … Wer steht mir bey? – … Hört kein Ohr auf das Geschrey Jasons? – … Erbarmen – Erbarmen! ihr zürnenden Mächte! – …
MEDEA. Jason!
JASON. Wer ruft Jason?
MEDEA. Jason! – …
JASON. Ich bin verlohren – das ist Medea! – …
MEDEA. Ja Treuloser ich bins! – …
JASON. Verwegene, du noch im Korinth! – …
MEDEA. Um Zeugin deines Glücks zu seyn! ..
JASON mit bloßem Schwert auf sie zu. Ha! dein Leben für diesen Hohn! …
MEDEA indem sie und ihr Wagen erleuchtet wird. Ohnmächtiger! …
JASON zurückprallend. Entsetzen! – … Was verlangst du noch von mir? sind nicht alle Bande unter uns zerrissen? …
MEDEA. Eins war noch übrig, und das zerriß ich!
JASON. Götter! – …
MEDEA. Siehst du diesen blutigen Dolch?
JASON unter der Musik. Grauen volle Ahndung! – Meine Kinder! …
MEDEA. Geh‘, und begrabe sie! – … Fährt triumphirend von dannen.
JASON. Halt! Halt! tödte mich auch, eh‘ du entfliehest! – … Der Eingang des Palastes öffnet sich von selbst, er erblickt die Leichname, will über sie herstürzen, bebt zurück. Ach ihr! – deren kalte Gebeine ich nicht zu umarmen wage, – Unschuldige Schlachtopfer! – Verzeiht, verzeiht eurem Vater! – … Der Arm des allmächtigen Vergelters mag euch rächen! – Ich folg euch! – Stürzt in sein Schwert, und sinkt. Der Tempel fällt und Feuerregen.
Ende