Richard Wagner

Lohengrin

Romantische Oper in drei Aufzügen

Libretto von Richard Wagner

Uraufführung: 28.08.1850, Großherzogliches Hofheater, Weimar

Personen

Heinrich der Vogler, deutscher König

Lohengrin

Elsa von Brabant

Herzog Gottfried, ihr Bruder

Friedrich von Telramund, brabantischer Graf

Ortrud, seine Gemahlin

Der Heerrufer des Königs

Sächsische Grafen und Edle

Brabantische Grafen und Edle

Edelfrauen

Edelknaben

Mannen. Frauen. Knechte

Antwerpen: erste Hälfte des zehnten Jahrhunderts
Erster Akt

Eine Aue am Ufer der Schelde bei Antwerpen. Der Fluß macht dem Hintergrunde zu eine Biegung, so daß rechts durch einige Bäume der Blick auf ihn unterbrochen wird und man erst in weiterer Entfernung ihn wieder sehen kann.

Erste Szene

Im Vordergrunde links sitzt König Heinrich unter der Gerichtseiche: zu seiner Seite Grafen und Edle vom sächsischen Heerbann. Gegenüber brabantische Grafen und Edle, Reisige und Volk, an ihrer Spitze Friedrich von Telramund, zu dessen Seite Ortrud. Mannen und Knechte füllen die Räume im Hintergrunde. Die Mitte bildet einen offenen Kreis. – Der Heerrufer ist aus dem Heerbann des Königs in die Mitte geschritten: auf sein Zeichen blasen vier Trompeter des Königs den Aufruf.

DER HEERRUFER.
Hört! Grafen, Edle, Freie von Brabant!
Heinrich, der Deutschen König, kam zur Statt,
mit euch zu dingen nach des Reiches Recht.
Gebt ihr nun Fried‘ und Folge dem Gebot?
DIE BRABANTER.
Wir geben Fried‘ und Folge dem Gebot.

An die Waffen schlagend.

Willkommen, willkommen, König, in Brabant!

Der König erhebt sich.

KÖNIG HEINRICH.
Gott grüß euch, liebe Männer von Brabant!
Nicht müßig tat zu euch ich diese Fahrt;
der Not des Reiches seid von mir gemahnt!

Feierliche Aufmerksamkeit.

Soll ich euch erst der Drangsal Kunde sagen,
die deutsches Land so oft aus Osten traf?
In fernster Mark hieß’t Weib und Kind ihr beten:
»Herr Gott, bewahr uns vor der Ungarn Wut!«
Doch mir, des Reiches Haupt, mußt‘ es geziemen
solch wilder Schmach ein Ende zu ersinnen;
als Kampfes Preis gewann ich Frieden auf
neun Jahr – ihn nützt‘ ich zu des Reiches Wehr:
beschirmte Städt‘ und Burgen ließ ich baun,
den Heerbann übte ich zum Widerstand.
Zu End ist nun die Frist, der Zins versagt, –
mit wildem Drohen rüstet sich der Feind.

Mit großer Wärme.

Nun ist es Zeit, des Reiches Ehr zu wahren;
ob Ost, ob West? Das gelte Allen gleich!
Was deutsches Land heißt, stelle Kampfes Scharen,
dann schmäht wohl Niemand mehr das deutsche Reich.
DIE SACHSEN an die Waffen schlagend.
Wohlauf! Mit Gott für deutschen Reiches Ehr‘!
KÖNIG nachdem er sich wieder gesetzt.
Komm ich zu euch nun, Männer von Brabant,
zur Heeresfolg nach Mainz euch zu entbieten, –
wie muß mit Schmerz und Klagen ich ersehn,
daß ohne Fürsten ihr in Zwietracht lebt!
Verwirrung, wilde Fehde wird mir kund;
drum ruf ich dich, Friedrich von Telramund!
Ich kenne dich als aller Tugend Preis, –
jetzt rede, daß der Drangsal Grund ich weiß.
FRIEDRICH.
Dank, König, dir, daß du zu richten kamst!
Die Wahrheit künd ich, Untreu ist mir fremd.
Zum Sterben kam der Herzog von Brabant,
und meinem Schutz empfahl er seine Kinder,
Elsa die Jungfrau und Gottfried den Knaben;
mit Treue pflag ich seiner großen Jugend,
sein Leben war das Kleinod meiner Ehre.
Ermiß nun, König, meinen grimmen Schmerz,
als meiner Ehre Kleinod mir geraubt!
Lustwandelnd führte Elsa den Knaben einst
zum Wald, doch ohne ihn kehrte sie zurück;
mit falscher Sorge frug sie nach dem Bruder,
da sie, von ungefähr von ihm verirrt,
bald seine Spur, so sprach sie, nicht mehr fand.
Fruchtlos war all Bemühn um den Verlornen;
als ich mit Drohen nun in Elsa drang,
da ließ in bleichem Zagen und Erbeben
der gräßlichen Schuld Bekenntnis sie uns sehn.
Es faßte mich Entsetzen vor der Magd;
dem Recht auf ihre Hand, vom Vater mir
verliehn, entsagt‘ ich willig da und gern,
und nahm ein Weib, das meinem Sinn gefiel:

Er stellt Ortrud vor, diese verneigt sich vor dem König.

Ortrud, Radbods, des Friesenfürsten Sproß.

Er schreitet feierlich einige Schritte vor.

Nun führ ich Klage wider Elsa von
Brabant; des Brudermordes zeih‘ ich sie.
Dies Land doch sprech ich für mich an mit Recht,
da ich der Nächste von des Herzogs Blut,
mein Weib dazu aus dem Geschlecht, das einst
auch diesen Landen seine Fürsten gab.
Du hörst die Klage, König! Richte recht!
ALLE MÄNNER in feierlichem Grauen.
Ha, schwerer Schuld zeiht Telramund!
Mit Grau’n werd ich der Klage kund!
KÖNIG.
Welch fürchterliche Klage sprichst du aus!
Wie wäre möglich solche große Schuld?
FRIEDRICH immer heftiger.
O Herr, traumselig ist die eitle Magd,
die meine Hand voll Hochmut von sich stieß.
Geheimer Buhlschaft klag ich drum sie an:

Immer mehr einen bitter gereizten Zustand verratend.

sie wähnte wohl, wenn sie des Bruders ledig,
dann könnte sie als Herrin von Brabant
mit Recht dem Lehnsmann ihre Hand verwehren,
und offen des geheimen Buhlen pflegen.

Der König unterbricht durch eine ernste Gebärde Friedrichs Eifer.

KÖNIG.
Ruft die Beklagte her!

Sehr feierlich.

Beginnen soll
nun das Gericht! Gott laß mich weise sein!

Der Heerrufer schreitet feierlich in die Mitte.

DER HEERRUFER.
Soll hier nach Recht und Macht Gericht gehalten sein?

Der König hängt mit Feierlichkeit den Schild an der Eiche auf.

KÖNIG.
Nicht eh’r soll bergen mich der Schild,
bis ich gerichtet streng und mild.

Alle Männer entblößen die Schwerter; die Sachsen stoßen sie vor sich in die Erde, die Brabanter strecken sie flach vor sich nieder.

ALLE MÄNNER.
Nicht eh’r zur Scheide kehr das Schwert,
bis ihm durch Urteil Recht gewährt.
DER HEERRUFER.
Wo ihr des Königs Schild gewahrt,
dort Recht und Urteil nun erfahrt!
Drum ruf ich klagend laut und hell:
Elsa, erscheine hier zur Stell!

Zweite Szene

Elsa tritt auf in einem weißen, sehr einfachen Gewande; sie verweilt eine Zeitlang im Hintergrunde; dann schreitet sie sehr langsam und mit großer Verschämtheit der Mitte des Vordergrundes zu: Frauen, sehr einfach weiß gekleidet, folgen ihr -, diese bleiben aber zunächst im Hintergrunde an der äußersten Grenze des Gerichtskreises.

ALLE MÄNNER.
Seht hin! Sie naht, die hart Beklagte.

Elsa gelangt weiter in den Vordergrund.

Ha! wie erscheint sie so licht und rein!
Der sie so schwer zu zeihen wagte, –
wie sicher muß der Schuld er sein!
KÖNIG.
Bist du es, Elsa von Brabant?

Elsa neigt das Haupt bejahend.

Erkennst
du mich als deinen Richter an?

Elsa wendet ihr Haupt nach dem König, blickt ihm ins Auge und bejaht dann mit vertrauensvoller Gebärde.

So frage
ich weiter, ist die Klage dir bekannt,
die schwer hier wider dich erhoben?

Elsa erblickt Friedrich und Ortrud, neigt traurig das Haupt und bejaht.

Was
entgegnest du der Klage?

Elsa durch eine Gebärde: »Nichts!«

KÖNIG lebhaft.
So bekennst
du deine Schuld?

Elsa blickt eine Zeitlang traurig vor sich hin.

ELSA.
Mein armer Bruder! …
DIE MÄNNER flüsternd.
Wie wunderbar! Welch seltsames Gebaren!
KÖNIG ergriffen.
Sag, Elsa! Was hast du mir zu vertraun?

Erwartungsvolles Schweigen.

ELSA ruhig vor sich hinblickend.
Einsam in trüben Tagen
hab ich zu Gott gefleht,
des Herzens tiefstes Klagen
ergoß ich im Gebet: –
da drang aus meinem Stöhnen
ein Laut so klagevoll,
der zu gewalt’gem Tönen
weit in die Lüfte schwoll: –
ich hört ihn fernhin hallen,
bis kaum mein Ohr er traf;
mein Aug‘ ist zugefallen,
ich sank in süßen Schlaf!
DIE MÄNNER.
Wie sonderbar! Träumt sie? Ist sie entrückt?
KÖNIG als wolle er Elsa aus dem Traume wecken.
Elsa, verteid’ge dich vor dem Gericht!

Elsas Mienen gehen von dem Ausdruck träumerischen Entrücktseins zu dem schärmerischer Verklärung über.

ELSA.
In lichter Waffen Scheine
ein Ritter nahte da,
so tugendlicher Reine
ich keinen noch ersah:
ein golden Horn zur Hüften,
gelehnet auf sein Schwert, –
so trat er aus den Lüften
zu mir, der Recke wert;
mit züchtigem Gebaren
gab Tröstung er mir ein; –

Mit erhobener Stimme.

des Ritters will ich wahren,
er soll mein Streiter sein!

Schwärmerisch.

Er soll mein Streiter sein!
ALLE MÄNNER sehr gerührt.
Bewahre uns des Himmels Huld,
daß klar wir sehen, wer hier schuld!
KÖNIG.
Friedrich, du ehrenwerter Mann,
bedenke wohl, wen klagst du an?
FRIEDRICH.
Mich irret nicht ihr träumerischer Mut;

Immer leidenschaftlicher.

ihr hört, sie schwärmt von einem Buhlen!
Wes ich sie zeih, des hab ich sich’ren Grund.
Glaubwürdig ward ihr Frevel mir bezeugt;
doch eurem Zweifel durch ein Zeugnis wehren,
das stünde wahrlich übel meinem Stolz!
Hier steh ich, hier mein Schwert: – wer wagt von euch
zu streiten wider meiner Ehre Preis?
DIE BRABANTER sehr lebhaft.
Keiner von uns! Wir streiten nur für dich!
FRIEDRICH.
Und König, du? Gedenkst du meiner Dienste,
wie ich im Kampf den wilden Dänen schlug?
KÖNIG lebhaft.
Wie schlimm, ließ ich von dir daran mich mahnen!
Gern geb ich dir der höchsten Tugend Preis;
in keiner andren Hut als in der deinen,
möcht ich die Lande wissen …

Mit feierlichem Entschluß.

Gott allein
soll jetzt in dieser Sache noch entscheiden!
ALLE MÄNNER.
Zum Gottesgericht! Zum Gottesgericht! Wohlan!

Der König zieht sein Schwert und stößt es vor sich in die Erde.

KÖNIG.
Dich frag ich, Friedrich Graf von Telramund!
Willst du durch Kampf auf Leben und auf Tod
im Gottesgericht vertreten deine Klage?
FRIEDRICH.
Ja!
KÖNIG.
Und dich nun frag ich, Elsa von Brabant!
Willst du, daß hier auf Leben und auf Tod
im Gottesgericht ein Kämpe für dich streite?
ELSA ohne die Augen aufzuschlagen.
Ja!
KÖNIG.
Wen wählest du zum Streiter?
FRIEDRICH hastig.
Vernehmet jetzt
den Namen ihres Buhlen!
DIE BRABANTER.
Merket auf!

Elsa hat ihre Stellung und schwärmerische Miene nicht verlassen; alles blickt mit Gespanntheit auf sie.

ELSA fest.
… Des Ritters will ich wahren,
er soll mein Streiter sein!

Ohne sich umzublicken.

Hört, was dem Gottgesandten
ich biete zu Gewähr: –
in meines Vaters Landen
die Krone trage er;
mich glücklich soll ich preisen,
nimmt er mein Gut dahin, –
will er Gemahl mich heißen,
geb ich ihm, was ich bin!
ALLE MÄNNER für sich.
Ein schöner Preis, stünd er in Gottes Hand!

Unter sich.

Wer um ihn stritt‘, wohl setzt‘ er schweres Pfand!
KÖNIG.
Im Mittag hoch steht schon die Sonne:
so ist es Zeit, daß nun der Ruf ergeh!

Der Heerrufer tritt mit den vier Trompetern vor, die er den vier Himmelsgegenden zugewendet an die äußersten Grenzen des Gerichtskreises vorschreiten und so den Ruf blasen läßt.

DER HEERRUFER. Wer hier im Gotteskampf zu streiten kam für Elsa von Brabant, der trete vor! Der trete vor!

Gespanntes Stillschweigen. – Elsa, welche bisher in ununterbrochen ruhiger Haltung verweilt, zeigt entstehende Unruhe der Erwartung.

ALLE MÄNNER.
Ohn Antwort ist der Ruf verhallt.
Um ihre Sache steht es schlecht!
FRIEDRICH auf Elsa deutend.
Gewahrt, ob ich sie fälschlich schalt?
Auf meiner Seite bleibt das Recht!
ELSA etwas näher zum König tretend.
Mein lieber König, laß dich bitten, –
noch einen Ruf an meinen Ritter!

Sehr unschuldig.

Wohl weilt er fern und hört ihn nicht.
KÖNIG zum Heerrufer.
Noch einmal rufe zum Gericht!

Auf das Zeichen des Heerrufers richten die Trompeter sich wieder nach den vier Himmelsgegenden.

DER HEERRUFER. Wer hier im Gotteskampf zu streiten kam für Elsa von Brabant, der trete vor! Der trete vor!
ALLE MÄNNER.
In düstrem Schweigen richtet Gott!

Elsa sinkt zu inbrünstigem Gebet auf die Knie. Die Frauen, in Besorgnis um ihre Herrin, treten etwas näher in den Vordergrund.

ELSA.
Du trugest zu ihm meine Klage,
zu mir trat er auf dein Gebot: –
O Herr! Nun meinem Ritter sage,
daß er mir helf in meiner Not!

In wachsender Begeisterung.

Laß mich ihn sehn, wie ich ihn sah,
wie ich ihn sah,

Mit freudig verklärter Miene.

sei er mir nah!

Die Männer, die dem Ufer des Flusses zunächst stehen, gewahren zuerst die Ankunft Lohengrins, welcher in einem Nachen, von einem Schwan gezogen, auf dem Flusse in der Ferne sichtbar wird. Die dem Ufer entfernter stehenden Männer im Vordergrunde wenden sich, ohne zunächst ihren Platz zu verlassen, mit immer regerer Neugier fragend an die dem Ufer näher Stehenden; sodann verlassen sie in einzelnen Haufen den Vordergrund, um selbst am Ufer nachzusehen.

DIE MÄNNER erst einige, dann immer mehrere, je nachdem sie dem Ufer näher sind oder sich allmählich ihm nähern.
Seht! Seht! Welch ein seltsam Wunder! Wie? Ein Schwan!
Ein Schwan zieht einen Nachen dort heran!
Ein Ritter drin hoch aufgerichtet steht.
Wie glänzt sein Waffenschmuck! Das Aug‘ vergeht
vor solchem Glanz! –

Lohengrin ist in der Biegung des Flusses rechts hinter den Bäumen dem Auge des Publikums entschwunden; die Darstellenden jedoch sehen ihn rechts in der Szene immer näher kommen. – Auch die Letzten eilen noch nach dem Hintergrund; im Vordergrunde bleiben nur der König, Elsa, Friedrich, Ortrud und die Frauen.

Seht, näher kommt er an!
An einer goldnen Kette zieht der Schwan!
Seht hin! Er naht! Seht, er naht!

In höchster Ergriffenheit stürzen alle nach vorn.

Ein Wunder! Ein Wunder! Ein Wunder ist gekommen,
ein unerhörtes, nie geseh’nes Wunder!

Von seinem erhöhten Platz aus übersieht der König alles: Friedrich und Ortrud sind durch Schreck und Staunen gefesselt; Elsa, die mit steigender Entzückung den Ausrufen der Männer gelauscht hat, verbleibt in ihrer Stellung in der Mitte der Bühne; sie wagt gleichsam nicht, sich umzublicken.

DIE FRAUEN auf die Knie sinkend.
Dank, du Herr und Gott, der die Schwache beschirmt!

Der Blick aller wendet sich wieder erwartungsvoll nach dem Hintergrunde.

Dritte Szene

Elsa hat sich umgewandt und schreit bei Lohengrins Anblick laut auf. – Der Nachen, vom Schwan gezogen, erreicht in der Mitte des Hintergrundes das Ufer; Lohengrin, in glänzender Silberrüstung, den Helm auf dem Haupte, den Schild im Rücken, ein kleines goldenes Horn zur Seite, steht, auf sein Schwert gelehnt, darin. – Friedrich blickt in sprachlosem Erstaunen auf Lohengrin hin. – Ortrud, die während des Gerichtes in kalter, stolzer Haltung verblieben, gerät bei dem Anblick des Schwans in tödlichen Schreck. Alles entblößt in höchster Ergriffenheit das Haupt.

DIE MÄNNER UND FRAUEN.
Gegrüßt, du gottgesandter Held!
Sei gegrüßt, du gottgesandter Mann!

Sowie Lohengrin die erste Bewegung macht, den Kahn zu verlassen, tritt bei Allen sogleich des gespannteste Schweigen ein.

LOHENGRIN mit einem Fuß noch im Nachen, neigt sich zum Schwan.
Nun sei bedankt, mein lieber Schwan!
Zieh durch die weite Flut zurück,
dahin, woher mich trug dein Kahn,
kehr wieder nur zu unsrem Glück:
drum sei getreu dein Dienst getan!
Leb wohl! Leb wohl, mein lieber Schwan!

Der Schwan wendet langsam den Nachen und schwimmt den Fluß zurück; Lohengrin sieht ihm eine Weile wehmütig nach.

DIE MÄNNER UND FRAUEN flüsternd.
Wie faßt uns selig süßes Grauen,
welch holde Macht hält uns gebannt!

Lohengrin verläßt das Ufer und schreitet langsam und feierlich in den Vordergrund.

Wie ist er schön und hehr zu schauen,
den solch ein Wunder trug an’s Land!
LOHENGRIN verneigt sich vor dem König.
Heil, König Heinrich! Segenvoll
mög‘ Gott bei deinem Schwerte stehn!
Ruhmreich und groß dein Name soll
von dieser Erde nie vergehn!
KÖNIG.
Hab Dank! Erkenn ich recht die Macht,
die dich in dieses Land gebracht,
so nahst du uns von Gott gesandt?
LOHENGRIN.
Zum Kampf für eine Magd zu stehn,
der schwere Klage angetan,
bin ich gesandt. Nun laßt mich sehn,
ob ich zurecht sie treffe an! –

Er wendet sich etwas näher zu Elsa.

So sprich denn, Elsa von Brabant:
wenn ich zum Streiter dir ernannt,
willst du wohl ohne Bang und Grau’n
dich meinem Schutze anvertraun?
ELSA die, seitdem sie Lohengrin erblickte, wie in Zauber regungslos festgebannt war, sinkt, wie durch seine Ansprache erweckt, in überwältigend wonnigem Gefühle zu seinen Füßen.
Mein Held, mein Retter! Nimm mich hin!
Dir geb ich Alles, was ich bin.
LOHENGRIN mit größerer Wärme.
Wenn ich im Kampfe für dich siege,
willst du, daß ich dein Gatte sei?
ELSA.
Wie ich zu deinen Füßen liege,
geb ich dir Leib und Seele frei.
LOHENGRIN.
Elsa, soll ich dein Gatte heißen,
soll Land und Leut ich schirmen dir, –
soll nichts mich wieder von dir reißen,
mußt Eines du geloben mir: –
Nie sollst du mich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam‘ und Art!
ELSA leise, fast bewußtlos.
Nie, Herr, soll mir die Frage kommen!
LOHENGRIN gesteigert, sehr ernst.
Elsa! Hast du mich wohl vernommen?

Noch bestimmter.

Nie sollst du mich befragen,
noch Wissens Sorge tragen,
woher ich kam der Fahrt,
noch wie mein Nam‘ und Art!
ELSA mit großer Innigkeit zu ihm aufblickend.
Mein Schirm! Mein Engel! Mein Erlöser,
der fest an meine Unschuld glaubt!
Wie gäb es Zweifelschuld, die größer,
als die an dich den Glauben raubt?
Wie du mich schirmst in meiner Not,
so halt in Treu‘ ich dein Gebot!
LOHENGRIN Elsa an seine Brust erhebend.
Elsa! Ich liebe dich.

Beide verweilen eine Zeitlang in dieser Stellung.

DIE MÄNNER UND FRAUEN leise und gerührt.
Welch holde Wunder muß ich sehn?
Ist’s Zauber, der mir angetan?

Lohengrin geleitet Elsa zum König und übergibt sie dessen Hut.

Ich fühl das Herze mir vergehn,
schau ich den wonnevollen Mann!

Lohengrin schreitet feierlich in die Mitte des Kreises.

LOHENGRIN.
Nun hört! Euch, Volk und Edlen, mach ich kund:
frei aller Schuld ist Elsa von Brabant.
Daß falsch dein Klagen, Graf von Telramund,
durch Gottes Urteil werd es dir bekannt!
BRABANTISCHE EDLE leise zu Friedrich.
Steh ab vom Kampf! Wenn du ihn wagst,
zu siegen nimmer du vermagst!
Ist er von höchster Macht beschützt,
sag, was dein tapfres Schwert dir nützt?
Steh ab! Wir mahnen dich in Treu‘!
Dein harret Unsieg, bittre Reu‘!
FRIEDRICH der unverwandt sein Auge forschend auf Lohengrin geheftet hat, heftig.
Viel lieber tot als feig!
Welch Zaubern dich auch hergeführt,
Fremdling, der mir so kühn erscheint;
dein stolzes Drohn mich nimmer rührt,
da ich zu lügen nie vermeint:
den Kampf mit dir drum nehm ich auf,
und hoffe Sieg nach Rechtes Lauf!
LOHENGRIN.
Nun, König, ordne unsren Kampf!

Alles begibt sich in die erste Gerichts-Stellung.

KÖNIG.
So tretet vor zu Drei für jeden Kämpfer,
und messet wohl den Ring zum Streite ab!

Drei sächsische Edle treten für Lohengrin, drei brabantische für Friedrich vor: sie schreiten feierlich aneinander vorüber und messen so den Kampfplatz ab; als die Sechs einen vollständigen Kreis gebildet haben, stoßen sie die Speere in die Erde.

DER HEERRUFER in der Mitte des Kampfringes.
Nun höret mich, und achtet wohl!
Den Kampf hier Keiner stören soll!
Dem Hage bleibet abgewandt,
denn wer nicht wahrt des Friedens Recht,
der Freie büß es mit der Hand,
mit seinem Haupte büß es der Knecht!
ALLE MÄNNER.
Der Freie büß es mit der Hand,
mit seinem Haupte büß es der Knecht!
DER HEERRUFER.
Hört auch, ihr Streiter vor Gericht!
Gewahrt in Treue Kampfes Pflicht!
Durch bösen Zaubers List und Trug
stört nicht des Urteils Eigenschaft: –
Gott richtet euch nach Recht und Fug, –
so trauet ihm, nicht eurer Kraft!
LOHENGRIN UND FRIEDRICH zu beiden Seiten außerhalb des Kampfkreises stehend.
Gott richte mich nach Recht und Fug!
So trau‘ ich ihm, nicht meiner Kraft!

Der König schreitet mit großer Feierlichkeit in die Mitte vor.

KÖNIG.
Mein Herr und Gott, nun ruf ich dich!

Alle entblößen das Haupt und lassen sich zur feierlichsten Andacht an.

Daß du dem Kampf zugegen seist!
Durch Schwertes Sieg ein Urteil sprich,
das Trug und Wahrheit klar erweist.
Des Reinen Arm gib Heldenkraft,
des Falschen Stärke sei erschlafft:
so hilf uns, Gott, zu dieser Frist,
weil unsre Weisheit Einfalt ist.
ELSA UND LOHENGRIN.
Du kündest nun dein wahr Gericht,
mein Gott und Herr, drum zag ich nicht!
FRIEDRICH.
Ich geh in Treu‘ vor dein Gericht!
Herr Gott, verlaß mein‘ Ehre nicht!
ORTRUD.
Ich baue fest auf seine Kraft,
die, wo er kämpft, ihm Sieg verschafft.
ALLE MÄNNER.
Des Reinen Arm gib Heldenkraft,
des Falschen Stärke sei erschlafft:
so hilf uns, Gott, zu dieser Frist,
weil unsre Weisheit Einfalt ist!
So künde nun dein wahr‘ Gericht,
du Herr und Gott, nun zögre nicht!

Alle treten unter großer, feierlicher Aufregung an ihre Plätze zurück; die sechs Kampfzeugen bleiben bei ihren Speeren dem Ringe zunächst; die übrigen Männer stellen sich in geringer Weite um ihn her. Elsa und die Frauen im Vordergrund unter der Eiche bei dem Könige. – Auf des Heerrufers Zeichen blasen die Trompeter den Kampfruf: Lohengrin und Friedrich vollenden ihre Waffenrüstung. Der König zieht sein Schwert aus der Erde und schlägt damit dreimal auf den an der Eiche aufgehängten Schild. Erster Schlag: Lohengrin und Friedrich treten in den Ring. Zweiter Schlag: sie legen den Schild vor und ziehen das Schwert. Dritter Schlag: sie beginnen den Kampf; Lohengrin greift zuerst an. Nach mehreren ungestümen Gängen streckt Lohengrin mit einem weit ausgeholten Streiche Friedrich nieder. – Friedrich versucht sich wieder zu erheben, taumelt einige Schritte zurück und stürzt zu Boden.

LOHENGRIN das Schwert auf Friedrichs Hals setzend,
Durch Gottes Sieg ist jetzt dein Leben mein: –

Von ihm ablassend.

ich schenk es dir, – mögst du der Reu‘ es weihn!

Alle Männer nehmen ihre Schwerter wieder an sich und stoßen sie in die Scheiden; die Kampfzeugen ziehen die Speere aus der Erde, der König nimmt seinen Schild von der Eiche. Alles stürzt jubelnd nach der Mitte und erfüllt so den vorherigen Kampfkreis. Elsa eilt auf Lohengrin zu.

KÖNIG sein Schwert ebenfalls in die Scheide stoßend.
Sieg!
MÄNNER UND FRAUEN.
Sieg! Sieg! Heil dir, Held!
ELSA.
O fänd ich Jubelweisen,
deinem Ruhme gleich,
dich würdig zu preisen,
an höchstem Lobe reich!
In dir muß ich vergehen,
vor dir schwind ich dahin,
soll ich mich selig sehen,
nimm Alles, was ich bin!

Sie sinkt an Lohengrins Brust.

LOHENGRIN Elsa von seiner Brust erhebend.
Den Sieg hab ich erstritten
durch deine Rein‘ allein;
nun soll, was du gelitten,
dir reich vergolten sein!
FRIEDRICH sich am Boden qualvoll windend.
Weh, mich hat Gott geschlagen,
durch ihn ich sieglos bin!
Am Heil muß ich verzagen!
Mein Ruhm und Ehr‘ ist hin!
ORTRUD den finstren Blick unverwandt auf Lohengrin geheftet.
Wer ist’s, der ihn geschlagen?
Durch den ich machtlos bin?
Sollt ich vor ihm verzagen,
wär all mein Hoffen hin?
DER KÖNIG, ALLE MÄNNER UND FRAUEN.
Ertöne, Sieges Weise,
dem Helden laut zum Preise!
Ruhm deiner Fahrt,
Preis deinem Kommen!
Heil deiner Art,
Schützer der Frommen!
Dich nur besingen wir,
dir schallen unsre Lieder!
Nie kehrt ein Held gleich dir
in diese Lande wieder!
Heil dir! Preis dir!
Heil deiner Fahrt!

Junge Männer erheben Lohengrin auf seinen Schild und Elsa auf den Schild des Königs, auf welchen zuvor mehrere ihre Mäntel gebreitet haben: so werden beide unter Jauchzen davongetragen. – Friedrich sinkt zu Ortruds Füßen ohnmächtig zusammen.

Zweiter Akt

Erste Szene

In der Burg von Antwerpen.

Im Hintergrunde der Palas (Ritterwohnung), links im Vordergrunde die Kemenate (Frauenwohnung); rechts das Münster. Es ist Nacht.

Ortrud und Friedrich, beide in dunkler knechtischer Tracht, sitzen auf den Stufen des Münsters: Friedrich finster in sich gekehrt, Ortrud die Augen unverwandt auf die hell erleuchteten Fenster des Palas gerichtet. – Aus dem Palas hört man jubelnde Musik.

FRIEDRICH erhebt sich rasch.
Erhebe dich, Genossin meiner Schmach!
Der junge Tag darf hier uns nicht mehr sehn.
ORTRUD ohne ihre Stellung zu ändern.
Ich kann nicht fort, hieher bin ich gebannt;
aus diesem Glanz des Festes unsres Feindes
laß saugen mich ein furchtbar tödlich Gift,
das unsre Schmach und ihre Freuden ende!
FRIEDRICH finster vor Ortrud hintretend.
Du fürchterliches Weib, was bannt mich noch in deine Nähe?

Mit schnell wachsender Heftigkeit.

Warum laß ich dich nicht
allein, – und fliehe fort, dahin, dahin,

Schmerzlich.

wo mein Gewissen Ruhe wieder fänd!

Im heftigsten Ausbruch schmerzlicher Leidenschaft und Wut.

Durch dich mußt ich verlieren
mein Ehr‘, all meinen Ruhm;
nie soll mich Lob mehr zieren,
Schmach ist mein Heldentum!
Die Acht ist mir gesprochen,
zertrümmert liegt mein Schwert;
mein Wappen ward zerbrochen,
verflucht mein Vaterherd! –
Wohin ich nun mich wende,
gebannt, gefemt bin ich;
daß ihn mein Blick nicht schände,
flieht selbst der Räuber mich.
O, hätt ich Tod erkoren,

Fast weinend.

da ich so elend bin!

In höchster Verzweiflung.

Mein Ehr‘ hab ich verloren,
mein Ehr‘, mein Ehr‘ ist hin!

Er stürzt, von wütendem Schmerz überwältigt, zu Boden. – Musik aus dem Palas.

ORTRUD immer in ihrer ersten Stellung, während Friedrich sich erhebt.
Was macht dich in so wilder Klage doch vergehn?
FRIEDRICH.
Daß mir die Waffe selbst geraubt,

Mit einer heftigen Bewegung.

mit der ich dich erschlüg! …
ORTRUD mit ruhigem Hohn.
Friedreicher Graf
von Telramund, weshalb mißtraust du mir?
FRIEDRICH.
Du fragst? War’s nicht dein Zeugnis, deine Kunde,
die mich bestrickt, die Reine zu verklagen?
Die du im düstren Wald zu Haus, logst du
mir nicht, von deinem wilden Schlosse aus
die Untat habest du verüben sehn? –
Mit eignem Aug‘, wie Elsa selbst den Bruder
im Weiher dort ertränkt? Umstricktest du
mein stolzes Herz durch die Weissagung nicht,
bald würde Radbods alter Fürstenstamm
von neuem grünen und herrschen in Brabant?
Bewogst du so mich nicht, von Elsas Hand,
der reinen, abzustehn, und dich zum Weib
zu nehmen, weil du Radbods letzter Sproß?
ORTRUD leise, doch grimmig.
Ha, wie tödlich du mich kränkst!

Laut.

Dies alles, ja, ich sagt und zeugt es dir!
FRIEDRICH sehr lebhaft.
Und machtest mich, des Name hochgeehrt,
des Leben aller höchsten Tugend Preis,
zu deiner Lüge schändlichem Genossen?
ORTRUD trotzig.
Wer log?
FRIEDRICH.
Du! Hat nicht durch sein Gericht
Gott mich dafür geschlagen?
ORTRUD mit fürchterlichem Hohne.
Gott?
FRIEDRICH.
Entsetzlich!
Wie tönt aus deinem Munde furchtbar der Name!
ORTRUD.
Ha, nennst du deine Feigheit Gott?
FRIEDRICH.
Ortrud!
ORTRUD.
Willst du mir drohn? Mir, einem Weibe, drohn?
O Feiger, – hättest du so grimmig ihm
gedroht, der jetzt dich in das Elend schickt, –
wohl hättest Sieg für Schande du erkauft!
Ha, wer ihm zu entgegnen wüßt, der fänd
ihn schwächer als ein Kind!
FRIEDRICH.
Je schwächer er,
desto gewalt’ger kämpfte Gottes Kraft!
ORTRUD.
Gottes Kraft? Haha!
Gib mir die Macht, – und sicher zeig ich dir,
welch schwacher Gott es ist, der ihn beschützt.
FRIEDRICH von Schauer ergriffen, mit leiser, bebender Stimme.
Du wilde Seherin, wie willst du doch
geheimnisvoll den Geist mir neu berücken!
ORTRUD auf den Palas deutend, in dem das Licht verlöscht ist.
Die Schwelger streckten sich zur üpp’gen Ruh; –
setz dich zur Seite mir! Die Stund ist da,
wo dir mein Seherauge leuchten soll.

Friedrich nähert sich Ortrud immer mehr und neigt sein Ohr aufmerksam zu ihr herab.

Weißt du, wer dieser Held, den hier
ein Schwan gezogen an das Land?
FRIEDRICH.
Nein!
ORTRUD.
Was gäbst du doch, es zu erfahren,
wenn ich dir sag, ist er gezwungen
zu nennen wie sein Nam‘ und Art,
all seine Macht zu Ende ist,
die mühvoll ihm ein Zauber leiht.
FRIEDRICH.
Ha! Dann begriff ich sein Verbot.
ORTRUD.
Nun hör! Niemand hier hat Gewalt
ihm das Geheimnis zu entreißen,
als die, der er so streng verbot,
die Frage je an ihn zu tun.
FRIEDRICH.
So gält‘ es Elsa zu verleiten,
daß sie die Frag ihm nicht erließ?
ORTRUD.
Ha, wie begreifst du schnell und wohl!
FRIEDRICH.
Doch wie soll das gelingen?
ORTRUD.
Hör! –
Vor Allem gilt’s, von hinnen nicht
zu fliehn; drum schärfe deinen Witz!
Gerechten Argwohn ihr zu wecken,
tritt vor, klag ihn des Zaubers an,
mit dem er das Gericht getäuscht!
FRIEDRICH mit fürchterlich wachsender innerer Wut.
Ha! Trug und Zaubers List! –
ORTRUD.
Mißglückt’s,
so bleibt ein Mittel der Gewalt!
FRIEDRICH.
Gewalt?
ORTRUD.
Umsonst nicht bin ich in
geheimsten Künsten tief erfahren;
drum achte wohl, was ich dir sage!
Jed‘ Wesen, das durch Zauber stark, –
wird ihm des Leibes kleinstes Glied
entrissen nur, muß sich alsbald
ohnmächtig zeigen, wie es ist!
FRIEDRICH sehr rasch.
Ha, sprächst du wahr!
ORTRUD lebhaft.
O hättest du
im Kampf nur einen Finger ihm,
ja, eines Fingers Glied entschlagen,
der Held – er war in deiner Macht!
FRIEDRICH.
Entsetzlich! Ha, was lässest du mich hören!
Durch Gott geschlagen wähnt‘ ich mich: –

Mit furchtbarer Bitterkeit.

Nun ließ durch Trug sich das Gericht betören, –
durch Zaubers List verlor mein‘ Ehre ich!
Doch meine Schande könnt ich rächen,
bezeugen könnt ich meine Treu‘?
Des Buhlen Trug, ich könnt ihn brechen,
und meine Ehr‘ gewänn ich neu!
O Weib, das in der Nacht ich vor mir seh, –
betrügst du jetzt mich noch, dann weh dir! Weh!
ORTRUD.
Ha, wie du rasest! Ruhig und besonnen!
So lehr ich dich der Rache süße Wonnen!

Friedrich setzt sich langsam an Ortruds Seite nieder.

ORTRUD UND FRIEDRICH.
Der Rache Werk sei nun beschworen
aus meines Busens wilder Nacht!
Die ihr in süßem Schlaf verloren
wißt, daß für euch das Unheil wacht!

Die Tür zum Söller in der Kemenate öffnet sich.

Zweite Szene

Elsa, in weißem Gewande, erscheint auf dem Söller, sie tritt an die Brüstung und lehnt den Kopf auf die Hand; Friedrich und Ortrud ihr gegenüber auf den Stufen des Münsters sitzend.

ELSA.
Euch Lüften, die mein Klagen
so traurig oft erfüllt, –
euch muß ich dankend sagen,
wie sich mein Glück enthüllt.
ORTRUD.
Sie ist es!
FRIEDRICH.
Elsa!
ELSA.
Durch euch kam er gezogen,
ihr lächeltet der Fahrt, –
auf wilden Meereswogen
habt ihr ihn treu bewahrt.
ORTRUD.
Der Stunde soll sie fluchen,
in der sie jetzt mein Blick gewahrt!
ELSA.
Zu trocknen meine Zähren
hab ich euch oft gemüht;
wollt Kühlung nun gewähren
der Wang‘, in Lieb‘ erglüht!
ORTRUD.
Hinweg!
Entfern ein Kleines dich von hier!
FRIEDRICH.
Warum?
ORTRUD.
Sie ist für mich – ihr Held gehöre dir!

Friedrich entfernt sich und verschwindet im Hintergrunde.

ELSA.
Wollt Kühlung nun gewähren
der Wang‘ in Lieb‘ erglüht! In Liebe!
ORTRUD laut, mit klagendem Ausdruck.
Elsa!
ELSA.
Wer ruft? – Wie schauerlich und klagend
ertönt mein Name durch die Nacht?
ORTRUD.
Elsa!
Ist meine Stimme dir so fremd?
Willst du die Ärmste ganz verleugnen,
die du ins fernste Elend schickst?
ELSA.
Ortrud – bist du’s? Was machst du hier,
unglücklich Weib?
ORTRUD.
»Unglücklich Weib!« –
wohl hast du recht, so mich zu nennen!
In ferner Einsamkeit des Waldes,
wo still und friedsam ich gelebt, –
was tat ich dir, was tat ich dir?
Freudlos, das Unglück nur beweinend,
das lang belastet meinen Stamm, –
was tat ich dir, was tat ich dir?
ELSA.
Um Gott, was klagest du mich an?
War ich es, die dir Leid gebracht?
ORTRUD.
Wie könntest du fürwahr mir neiden
das Glück, daß mich zum Weib erwählt
der Mann, den du so gern verschmäht?
ELSA.
Allgüt’ger Gott! Was soll mir das?
ORTRUD.
Mußt ihn unsel’ger Wahn betören,
dich Reine einer Schuld zu zeihn, –
von Reu‘ ist nun sein Herz zerrissen,
zu grimmer Buß ist er verdammt.
ELSA.
Gerechter Gott!
ORTRUD.
O, du bist glücklich! –
Nach kurzem, unschuldsüßem Leiden
siehst lächeln du das Leben nur;
von mir darfst selig du dich scheiden,
mich schickst du auf des Todes Spur, –
daß meines Jammers trüber Schein
nie kehr‘ in deine Feste ein!
ELSA sehr bewegt.
Wie schlecht ich deine Güte priese,
Allmächt’ger, der mich so beglückt,
wenn ich das Unglück von mir stieße,
das sich im Staube vor mir bückt!
O nimmer! Ortrud! Harre mein!
Ich selber laß dich zu mir ein!

Sie eilt in die Kemenate zurück. – Ortrud springt in wilder Begeisterung von den Stufen auf.

ORTRUD.
Entweihte Götter! Helft jetzt meiner Rache!
Bestraft die Schmach, die hier euch angetan!
Stärkt mich im Dienste eurer heil’gen Sache!
Vernichtet der Abtrünn’gen schnöden Wahn!
Wodan! Dich Starken rufe ich!
Freia! Erhabne, höre mich!
Segnet mir Trug und Heuchelei,
daß glücklich meine Rache sei!
ELSA noch außerhalb.
Ortrud, wo bist du?

Elsa und zwei Mägde mit Lichten treten aus der unteren Tür auf.

ORTRUD sich demütig vor Elsa niederwerfend.
Hier – zu deinen Füßen.
ELSA bei Ortruds Anblick erschreckt zurücktretend.
Hilf Gott! So muß ich dich erblicken,
die ich in Stolz und Pracht nur sah! –
Es will das Herze mir ersticken,
seh ich so niedrig dich mir nah!
Steh auf! O, spare mir dein Bitten!
Trugst du mir Haß, – verzieh ich dir;
was du schon jetzt durch mich gelitten,
das, bitte ich, verzeih auch mir!
ORTRUD.
O habe Dank für so viel Güte!
ELSA.
Der morgen nun mein Gatte heißt,
anfleh‘ ich sein liebreich Gemüte,
daß Friedrich auch er Gnad erweist.
ORTRUD.
Du fesselst mich in Dankes Banden!
ELSA mit immer gesteigerter heiterer Erregtheit.
In Frühn laß mich bereit dich sehn, –
geschmückt mit prächtigen Gewanden,
sollst du mit mir zum Münster gehn: –
dort harre ich des Helden mein,

Freudig stolz.

Vor Gott sein Ehgemahl zu sein!

Selig entzückt.

Sein Ehgemahl!
ORTRUD.
Wie kann ich solche Huld dir lohnen,
da machtlos ich und elend bin?
Soll ich in Gnaden bei dir wohnen,
stets bleibe ich die Bettlerin!

Immer näher zu Elsa tretend.

Nur eine Macht ist mir geblieben,
sie raubte mir kein Machtgebot; –
durch sie vielleicht schütz ich dein Leben,
bewahr es vor der Reue Not.
ELSA unbefangen und freundlich.
Wie meinst du?
ORTRUD heftig.
Wohl daß ich dich warne,

Sich mäßigend.

zu blind nicht deinem Glück zu traun;
daß nicht ein Unheil dich umgarne,
laß mich für dich zur Zukunft schaun.
ELSA mit heimlichem Grauen.
Welch Unheil?
ORTRUD sehr geheimnisvoll.
Könntest du erfassen,
wie dessen Art so wundersam,
der nie dich möge so verlassen,
wie er durch Zauber zu dir kam!
ELSA von Grausen erfaßt, wendet sich unwillig ab; voll Trauer und Mitleid wendet sie sich dann wieder zu Ortrud.
Du Ärmste kannst wohl nie ermessen,
wie zweifellos mein Herze liebt?
Du hast wohl nie das Glück besessen,
das sich uns nur durch Glauben gibt? –

Freundlich.

Kehr bei mir ein! Laß mich dich lehren,
wie süß die Wonne reinster Treu‘!
Laß zu dem Glauben dich bekehren:
es gibt ein Glück, das ohne Reu‘.
ORTRUD für sich.
Ha! Dieser Stolz, – er soll mich lehren,
wie ich bekämpfe ihre Treu‘!
Gen ihn will ich die Waffen kehren,
durch ihren Hochmut werd‘ ihr Reu‘!

Ortrud, von Elsa geleitet, tritt mit heuchlerischem Zögern durch die kleine Pforte ein; die Mägde leuchten voran und schließen, nachdem Alle eingetreten. – Erstes Tagesgrauen. – Friedrich tritt aus dem Hintergrunde vor.

FRIEDRICH.
So zieht das Unheil in dies Haus! –
Vollführe, Weib, was deine List ersonnen;
dein Werk zu hemmen fühl ich keine Macht.
Das Unheil hat mit meinem Fall begonnen, –
nun stürzet nach, die mich dahin gebracht!
Nur Eines seh ich mahnend vor mir stehn:
der Räuber meiner Ehre soll vergehn!

Dritte Szene

Allmählicher Tagesanbruch. Zwei Wächter blasen vom Turm das Morgenlied, von einem entfernteren Turme hört man antworten. – Friedrich, nachdem er den Ort erspäht, der ihn vor dem Zulaufe des Volkes am günstigsten verbergen könnte, tritt hinter einen Mauervorsprung des Münsters. – Während die Türmer herabsteigen und das Tor erschließen, treten aus verschiedenen Richtungen der Burg Dienstmannen auf, begrüßen sich, gehen ruhig an ihre Verrichtungen usw. Einige schöpfen am Brunnen in metallenen Gefäßen Wasser, klopfen an der Pforte des Palas und werden damit eingelassen. – Die Pforte des Palas öffnet sich von Neuem, die vier Trompeter des Königs schreiten heraus und blasen den Ruf. Sie treten in den Palas zurück. – Die Dienstmannen haben die Bühne verlassen. – Die Edlen und Burgbewohner treten, teils vom Stadtweg, teils aus den verschiedenen Gegenden der Burg herkommend, nach und nach immer zahlreicher auf.

DIE EDLEN UND MANNEN.
In Früh’n versammelt uns der Ruf,
gar viel verheißet wohl der Tag.
Der hier so hehre Wunder schuf,
manch neue Tat vollbringen mag.

Der Heerrufer schreitet aus dem Palas, die vier Trompeter ihm voran. – Alle wenden sich in lebhafter Erwartung dem Hintergrunde zu.

DER HEERRUFER auf der Höhe vor der Pforte des Palas.
Des Königs Wort und Will‘ tu ich euch kund;
drum achtet wohl, was euch durch mich er sagt!
In Bann und Acht ist Friedrich Telramund,
weil untreu er den Gotteskampf gewagt: –
wer sein noch pflegt, wer sich zu ihm gesellt,
nach Reiches Recht derselben Acht verfällt.
DIE MÄNNER.
Fluch ihm, dem Ungetreuen,
den Gottes Urteil traf!
Ihn soll der Reine scheuen,
es flieh‘ in Ruh und Schlaf!

Beim Rufe der Trompeten sammelt sich das Volk schnell wieder zur Aufmerksamkeit.

DER HEERRUFER.
Und weiter kündet euch der König an,
daß er den fremden, gottgesandten Mann,
den Elsa zum Gemahle sich ersehnt,
mit Land und Krone von Brabant belehnt;
doch will der Held nicht Herzog sein genannt –
ihr sollt ihn heißen: Schützer von Brabant!
DIE MÄNNER.
Hoch, der ersehnte Mann!
Heil ihm, den Gott gesandt!
Treu sind wir untertan
dem Schützer von Brabant!
DER HEERRUFER.
Nun hört, was Er durch mich euch sagen läßt:
heut feiert er mit euch sein Hochzeitsfest –
doch morgen sollt ihr kampfgerüstet nahn,
zur Heeresfolg‘ dem König untertan;
er selbst verschmäht, der süßen Ruh zu pflegen,
er führt euch an zu hehren Ruhmes Segen!
DIE MÄNNER mit Begeisterung.
Zum Streite säumet nicht,
führt euch der Hehre an!
Wer mutig mit ihm ficht,
dem lacht des Ruhmes Bahn!
Von Gott ist er gesandt
zur Größe von Brabant!

Der Heerrufer geht nach einiger Zeit mit den vier Trompetern in den Palas zurück. – Während das Volk freudig durcheinanderwogt, treten im Vordergrunde vier Edle, Friedrichs sonstige Lehnsmannen, zusammen.

DER DRITTE EDLE.
Nun hört, dem Lande will er uns entführen!
DER ZWEITE.
Gen einen Feind, der uns noch nie bedroht?
DER VIERTE.
Solch kühn Beginnen sollt ihm nicht gebühren.

Friedrich ist unbemerkt unter sie getreten.

DER ERSTE.
Wer wehret ihm, wenn er die Fahrt gebot?
FRIEDRICH.
Ich!

Er enthüllt sein Haupt; sie fahren entsetzt zurück.

DIE VIER EDLEN.
Ha! Wer bist du? – Friedrich! Seh ich recht?
Du wagst dich her, zur Beute jedem Knecht!
FRIEDRICH.
Gar bald will ich wohl weiter noch mich wagen,
vor euren Augen soll es leuchtend tagen!
Der euch so kühn die Heerfahrt angesagt,
der sei von mir des Gottestrugs beklagt!
DIE VIER EDLEN.
Was hör ich! Rasender! Was hast du vor?
Verlor’ner du, hört dich des Volkes Ohr!

Sie drängen Friedrich nach dem Münster, wo sie ihn vor dem Blicke des Volkes zu verbergen suchen. – Vier Edelknaben treten aus der Tür der Kemenate auf den Söller, laufen munter den Hauptweg hinab und stellen sich vor dem Palas auf der Höhe auf. Das Volk, das die Knaben gewahrt, drängt sich mehr nach dem Vordergrund.

VIER EDELKNABEN auf der Höhe vor dem Palas.
Macht Platz! Macht Platz für Elsa, unsre Frau:
die will in Gott zum Münster gehn!

Sie schreiten nach vorn, indem sie durch die willig zurückweichenden Edlen eine breite Gasse bis zu den Stufen des Münsters bilden, wo sie dann sich selbst aufstellen. – Vier andere Edelknaben treten gemessen und feierlich aus der Türe der Kemenate auf den Söller und stellen sich daselbst auf, um den Zug der Frauen, den sie erwarten, zu geleiten.

Vierte Szene

Ein langer Zug von Frauen in prächtigen Gewändern schreitet langsam aus der Pforte der Kemenate auf den Söller; er wendet sich links auf dem Hauptwege am Palas vorbei und von da wieder nach vorn dem Münster zu, auf dessen Stufen die zuerst gekommenen sich aufstellen. – Elsa tritt im Zuge auf: die Edlen entblößen ehrfurchtsvoll die Häupter.

DIE EDLEN UND MANNEN.
Gesegnet soll sie schreiten,
die lang in Demut litt;
Gott möge sie geleiten,
Gott hüte ihren Schritt!

Die Edlen, die unwillkürlich die Gasse wieder vertreten hatten, weichen hier vor den Edelknaben aufs Neue zurück, welche dem Zuge, der bereits vor dem Palas angekommen ist, Bahn machen. – Elsa ist auf der Erhöhung vor dem Palas angelangt; die Gasse ist wieder offen, Alle können Elsa sehen, welche eine Zeitlang verweilt.

Sie naht, die Engelgleiche,
von keuscher Glut entbrannt!
Heil dir, o Tugendreiche!

Von hier an schreitet Elsa aus dem Hintergrunde langsam nach vorn durch die Gasse der Männer.

Heil Elsa von Brabant!

Außer den Edelknaben sind auch die vordersten Frauen bereits auf der Treppe des Münsters angelangt, wo sie sich aufstellen, um Elsa den Vortritt in die Kirche zu lassen. – Als Elsa den Fuß auf die zweite Stufe des Münsters setzt, tritt Ortrud, welche bisher unter den letzten Frauen des Zuges gegangen, heftig hervor, schreitet auf dieselbe Stufe und stellt sich so Elsa entgegen.

ORTRUD.
Zurück, Elsa! Nicht länger will ich dulden,
daß ich gleich einer Magd dir folgen soll!
Den Vortritt sollst du überall mir schulden,
vor mir dich beugen sollst du demutvoll!
DIE EDELKNABEN UND DIE MÄNNER.
Was will das Weib?

Ortrud wird von den Edelknaben nach der Mitte der Bühne zurückgedrängt.

ELSA heftig erschrocken.
Um Gott! Was muß ich sehn!
Welch jäher Wechsel ist mit dir geschehn?
ORTRUD.
Weil eine Stund ich meines Werts vergessen,
glaubest du, ich müßte dir nur kriechend nahn?
Mein Leid zu rächen, will ich mich vermessen,

Mit großer Kraft.

was mir gebührt, das will ich nun empfahn!

Lebhaftes Staunen und Bewegung Aller.

ELSA.
Weh, ließ ich durch dein Heucheln mich verleiten!
Die diese Nacht sich jammernd zu mir stahl:
wie willst du nun in Hochmut vor mir schreiten, –
du eines Gottgerichteten Gemahl?
ORTRUD mit dem Anschein tiefer Gekränktheit und stolz.
Wenn falsch Gericht mir den Gemahl verbannte,
war doch sein Nam‘ im Lande hochgeehrt;
als aller Tugend Preis man ihn nur nannte,
gekannt, gefürchtet war sein tapfres Schwert.
Der Deine, sag! wer sollte hier ihn kennen,
vermagst du selbst den Namen nicht zu nennen!
MÄNNER UND FRAUEN in großer Bewegung.
Was sagt sie? Ha, was tut sie kund?
Sie lästert! Wehret ihrem Mund!
ORTRUD.
Kannst du ihn nennen, kannst du uns es sagen,
ob sein Geschlecht, sein Adel wohl bewährt?
Woher die Fluten ihn zu dir getragen,
wann und wohin er wieder von dir fährt?
Ha, nein! Wohl brächte ihm es schlimme Not –
der kluge Held die Frage drob verbot.
MÄNNER UND FRAUEN.
Ha, spricht sie wahr? Welch schwere Klagen!
Sie schmähet ihn; darf sie es wagen?
ELSA nach großer Betroffenheit sich ermannend.
Du Lästerin! Ruchlose Frau!
Hör, ob ich Antwort mir getrau!

Mit großer Wärme.

So rein und edel ist sein Wesen,
so tugendreich der hehre Mann,
daß nie des Unheils soll genesen,
wer seiner Sendung zweifeln kann!
DIE MÄNNER.
Gewiß! Gewiß!
ELSA.
Hat nicht durch Gott im Kampf geschlagen
mein teurer Held den Gatten dein?

Zum Volke.

Nun sollt nach Recht ihr Alle sagen,
wer kann da nur der Reine sein?
MÄNNER UND FRAUEN.
Nur er! Nur er! Dein Held allein!
ORTRUD Elsa verspottend.
Ha, diese Reine deines Helden,
wie wäre sie so bald getrübt,
müßt er des Zaubers Wesen melden,
durch den hier solche Macht er übt;
wagst du ihn nicht darum zu fragen,
so glauben Alle wir mit Recht,
du müssest selbst in Sorge zagen,
um seine Reine steh es schlecht!
DIE FRAUEN Elsa unterstützend.
Helft ihr vor der Verruchten Haß!

Der Palas wird geöffnet; die vier Trompeter des Königs schreiten heraus und blasen.

DIE MÄNNER dem Hintergrund zu blickend.
Macht Platz! Macht Platz! Der König naht!

Fünfte Szene

Der König, Lohengrin und die sächsischen Grafen und Edlen sind in feierlichem Zuge aus dem Palas getreten; durch die Verwirrung im Vordergrunde wird der Zug unterbrochen. Der König und Lohengrin schreiten lebhaft vor.

DIE MÄNNER.
Heil! Heil dem König!
Heil dem Schützer von Brabant!
KÖNIG.
Was für ein Streit?
ELSA sehr aufgeregt an Lohengrins Brust stürzend.
Mein Herr! O mein Geliebter!
LOHENGRIN.
Was ist?
KÖNIG.
Wer wagt es hier den Kirchengang zu stören?
DES KÖNIGS GEFOLGE.
Welcher Streit, den wir vernahmen?
LOHENGRIN Ortrud erblickend.
Was seh ich! Das unsel’ge Weib bei dir?
ELSA.
Mein Retter! Schütze mich vor dieser Frau!
Schilt mich, wenn ich dir ungehorsam war!
In Jammer sah ich sie vor dieser Pforte,
aus ihrer Not nahm ich sie bei mir auf: –
nun sieh, wie furchtbar sie mir lohnt die Güte,
sie schilt mich, daß ich dir zu sehr vertrau!
LOHENGRIN den Blick fest und bannend auf Ortrud heftend, welche vor ihm sich nicht zu regen vermag.
Du fürchterliches Weib, steh ab von ihr!
Hier wird dir nimmer Sieg.

Er wendet sich freundlich zu Elsa.

Sag, Elsa, mir,
vermocht ihr Gift sie in dein Herz zu gießen?

Elsa birgt ihr Gesicht weinend an seiner Brust. Lohengrin, sie aufrichtend und nach dem Münster deutend.

Komm, laß in Freude dort die Tränen fließen!

Er wendet sich mit Elsa und dem König dem Zuge voran nach dem Münster; Alle lassen sich an, wohlgeordnet zu folgen. – Friedrich tritt auf der Treppe des Münsters hervor; die Frauen und Edelknaben weichen entsetzt aus seiner Nähe.

FRIEDRICH.
O König! Trugbetörte Fürsten! Haltet ein!
DER KÖNIG UND ALLE MÄNNER.
Was will der hier? Verfluchter!
Weich von dannen!
FRIEDRICH.
O hört mich an!
DIE MÄNNER.
Hinweg! Du bist des Todes, Mann!
FRIEDRICH.
Hört mich, dem grimmes Unrecht ihr getan!
DIE MÄNNER.
Hinweg! Weich von dannen!
FRIEDRICH.
Gottes Gericht, es ward entehrt, betrogen!
Durch eines Zaubrers List seid ihr belogen!
DIE MÄNNER.
Greift den Verruchten! Hört! Er lästert Gott!

Sie dringen von allen Seiten auf ihn ein.

FRIEDRICH mit der fürchterlichsten Anstrengung, um gehört zu werden, seinen Blick nur auf Lohengrin geheftet und der Andringenden nicht achtend.
Den dort im Glanz ich vor mir sehe,
den klage ich des Zaubers an!

Die Andringenden schrecken vor Friedrich zurück und hören endlich aufmerksam zu.

Wie Staub vor Gottes Hauch verwehe
die Macht, die er durch List gewann!
Wie schlecht ihr des Gerichtes wahrtet,
das doch die Ehre mir benahm, –
da eine Frag‘ ihr ihm erspartet,
als er zum Gotteskampfe kam!
Die Frage nun sollt ihr nicht wehren,
daß sie ihm jetzt von mir gestellt!

In gebieterischer Stellung.

Nach Namen, Stand und Ehren
frag ich ihn laut vor aller Welt!

Bewegung großer Betroffenheit unter Allen.

Wer ist er, der an’s Land geschwommen,
gezogen von einem wilden Schwan?
Wem solche Zaubertiere frommen,
des Reinheit achte ich für Wahn.
Nun soll der Klag‘ er Rede stehn;
vermag er’s, so geschah mir Recht, –
wo nicht, so sollet ihr ersehn,
um seine Reine steh es schlecht!
DER KÖNIG, ALLE MÄNNER UND FRAUEN.

Alle blicken bestürzt und erwartungsvoll auf Lohengrin.

Welch harte Klagen! Was wird er ihm entgegnen?
LOHENGRIN.
Nicht dir, der so vergaß der Ehren,
hab Not ich Rede hier zu stehn;
des Bösen Zweifel darf ich wehren,
vor ihm wird Reine nie vergehn!
FRIEDRICH.
Darf ich ihm nicht als würdig gelten,
dich ruf ich, König hoch geehrt;
wird er auch dich unadlig schelten,
daß er die Frage dir verwehrt?
LOHENGRIN.
Ja, selbst dem König darf ich wehren,
und aller Fürsten höchstem Rat!
Nicht darf sie Zweifels Last beschweren,
sie sahen meine gute Tat!
Nur Eine ist’s, der muß ich Antwort geben:
Elsa …

Lohengrin hält betroffen an, als er, sich zu Elsa wendend, diese mit heftig wogender Brust in wildem innerem Kampfe vor sich hinstarren sieht.

Elsa, – wie seh ich sie erbeben!
In wildem Brüten muß ich sie gewahren!
Hat sie betört des Hasses Lügenmund?
O Himmel, schirm ihr Herz vor den Gefahren!
Nie werde Zweifel dieser Reinen kund!
FRIEDRICH UND ORTRUD.
In wildem Brüten darf ich sie gewahren,
der Zweifel keimt in ihres Herzens Grund.
Der mir zur Not in dieses Land gefahren,
er ist besiegt, wird ihm die Frage kund!
DER KÖNIG, DIE FRAUEN UND MÄNNER.
Welch ein Geheimnis muß der Held bewahren?
Bringt es ihm Not, so wahr‘ es treu sein Mund!
Wir schirmen ihn, den Edlen, vor Gefahren;
durch seine Tat ward uns sein Adel kund!
ELSA der Umgebung entrückt, vor sich hinblickend.
Was er verbirgt, wohl brächt es ihm Gefahren,
vor aller Welt spräch es hier aus sein Mund;
die er errettet, weh mir Undankbaren!
Verriet ich ihn, daß hier es werde kund!
Wüßt ich sein Los, ich wollt es treu bewahren!
Im Zweifel doch erbebt des Herzens Grund!
KÖNIG.
Mein Held, entgegne kühn dem Ungetreuen!
Du bist zu hehr, um, was er klagt, zu scheuen!
DIE MÄNNER sich an Lohengrin drängend.
Wir stehn zu dir, es soll uns nicht gereuen,
daß wir der Helden Preis in dir erkannt!
Reich uns die Hand! Wir glauben dir in Treuen,
daß hehr dein Nam‘, auch wenn er nicht genannt!
LOHENGRIN.
Euch Helden soll der Glaube nicht gereuen,
werd euch mein Nam‘ und Art auch nie genannt.

Die Männer schließen einen Ring um Lohengrin; er empfängt von jedem der Reihe nach den Handschlag. – Friedrich drängt sich an Elsa, welche vor sich hin brütend, einsam im Vordergrunde zur Seite steht.

FRIEDRICH leise, mit leidenschaftlicher Unterbrechung.
Vertraue mir! Laß dir ein Mittel heißen,
das dir Gewißheit schafft!
ELSA erschrocken, doch leise.
Hinweg von mir!
FRIEDRICH.
Laß mich das kleinste Glied ihm nur entreißen,
des Fingers Spitze, und ich schwöre dir,
was er dir hehlt, sollst frei du vor dir sehn, –
dir treu, soll nie er dir von hinnen gehn!
ELSA.
Ha! Nimmermehr!
FRIEDRICH.
Ich bin dir nah zur Nacht, –
rufst du, ohn Schaden ist es schnell vollbracht!
LOHENGRIN schnell in den Vordergrund tretend.
Elsa, mit wem verkehrst du da?

Mit fürchterlicher Stimme zu Ortrud und Friedrich.

Zurück von ihr, Verfluchte!
Daß nie mein Auge je
euch wieder bei ihr seh!

Friedrich macht eine Gebärde der schmerzlichsten Wut. – Lohengrin wendet sich zu Elsa, welche bei seinem ersten Zuruf wie vernichtet ihm zu Füßen gesunken ist.

Elsa, erhebe dich! In deiner Hand,
in deiner Treu‘ liegt alles Glückes Pfand!
Läßt nicht des Zweifels Macht dich ruhn?
Willst du die Frage an mich tun?
ELSA in heftigster innerer Aufregung und in schamvoller Verwirrung.
Mein Retter, der mir Heil gebracht!
Mein Held, in dem ich muß vergehn, –

Mit Bedeutung und Entschluß.

hoch über alles Zweifels Macht
soll meine Liebe stehn!

Sie sinkt an seine Brust. – Orgel und Glockengeläute.

LOHENGRIN.
Heil dir, Elsa! Nun laß vor Gott uns gehn!
DIE MÄNNER UND FRAUEN in begeisterter Rührung.
Seht, seht! Er ist von Gott gesandt! –

Lohengrin führt Elsa feierlich an den Edlen vorüber zum König. Wo Lohengrin mit Elsa vorbeikommt, machen die Männer ehrerbietig Platz.

Heil euch! Heil Elsa von Brabant!

Von dem König geleitet, schreiten Lohengrin und Elsa dem Münster zu.

Gesegnet sollst du schreiten!
Gott möge dich geleiten!
Heil dir, Tugendreiche!
Heil! Heil Elsa von Brabant!

Der König hat mit dem Brautpaar die höchste Stufe zum Münster erreicht; Elsa wendet sich in großer Ergriffenheit zu Lohengrin, dieser empfängt sie in seinen Armen. Aus dieser Umarmung blickt sie mit scheuer Besorgnis rechts von der Treppe hinab und gewahrt Ortrud, welche den Arm gegen sie erhebt, als halte sie sich des Sieges gewiß; Elsa wendet erschreckt ihr Gesicht ab. – Sowie Elsa und Lohengrin, wieder vom König geführt, dem Eingang des Münsters weiter zuschreiten, fällt der Vorhang.

Dritter Akt

Eine einleitende Musik schildert das prächtige Rauschen des Hochzeitsfestes.

Erste Szene

Das Brautgemach

In der Mitte des Hintergrundes das reichgeschmückte Brautbett; rechts ein Erkerturm mit offenem Fenster. – Musik hinter der Bühne; der Gesang ist erst entfernt, dann näher kommend. In der Mitte des Liedes werden rechts und links im Hintergrunde Türen geöffnet: rechts treten die Frauen auf, welche Elsa – links die Männer mit dem König, welche Lohengrin geleiten; Edelknaben mit Lichtern voraus.

ALLE MÄNNER UND FRAUEN der Szene sich nähernd.
Treulich geführt ziehet dahin,
wo euch in Frieden die Liebe bewahr!
Siegreicher Mut, Minnegewinn
eint euch in Treue zum seligsten Paar.
Streiter der Tugend, schreite voran!
Zierde der Jugend, schreite voran!
Rauschen des Festes seid nun entronnen,
Wonne des Herzens sei euch gewonnen!

Die Türen werden geöffnet.

Duftender Raum, zur Liebe geschmückt,
nehm euch nun auf, dem Glanze entrückt.
Treulich geführt ziehet nun ein,
wo euch in Segen die Liebe bewahr!
Siegreicher Mut, Minne so rein
eint euch in Treue zum seligsten Paar!

Als die beiden Züge in der Mitte der Bühne sich begegneten, ist Elsa von den Frauen Lohengrin zugeführt worden; sie umfassen sich und bleiben in der Mitte stehen. – Acht Frauen umschreiten feierlich Lohengrin und Elsa, während diese von den Edelknaben ihrer schweren Obergewänder entkleidet werden.

ACHT FRAUEN nach dem Umschreiten.
Wie Gott euch selig weihte,
zu Freuden weihn euch wir.

Sie halten einen zweiten Umzug.

In Liebesglücks Geleite
denkt lang der Stunde hier!

Der König umarmt und segnet Lohengrin und Elsa. – Die Edelknaben mahnen zum Aufbruch: die Züge ordnen sich wieder, und während des Folgenden schreiten sie an den Neuvermählten vorüber, so daß die Männer rechts, die Frauen links das Gemach verlassen.

ALLE MÄNNER UND FRAUEN.
Treulich bewacht bleibet zurück,
wo euch in Segen die Liebe bewahr.
Siegreicher Mut, Minne und Glück
eint euch in Treue zum seligsten Paar.
Streiter der Tugend, bleibe daheim!
Zierde der Jugend, bleibe daheim!
Rauschen des Festes seid nun entronnen,
Wonne des Herzens sei euch gewonnen!
Duftender Raum, zur Liebe geschmückt,
nahm euch nun auf, dem Glanze entrückt.

Die Züge haben die Bühne gänzlich verlassen; die Türen werden von den letzten Knaben geschlossen. – Allmählich immer entfernter.

Treulich bewacht bleibet zurück,
wo euch in Segen die Liebe bewahr!
Siegreicher Mut, Minne und Glück,
eint euch in Treue zum seligsten Paar.

Ganz verhallend.

Zum seligsten Paar.

Zweite Szene

Elsa ist, als die Züge das Gemach verlassen haben, wie überselig Lohengrin an die Brust gesunken. – Lohengrin setzt sich, während der Gesang verhallt, auf einem Ruhebett am Erkerfenster nieder, indem er Elsa sanft nach sich zieht.

LOHENGRIN.
Das süße Lied verhallt; wir sind allein,
zum ersten Mal allein, seit wir uns sahn.
Nun sollen wir der Welt entronnen sein,
kein Lauscher darf des Herzens Grüßen nahn!
Elsa, mein Weib! Du süße, reine Braut!
Ob glücklich du, das sei mir jetzt vertraut!
ELSA.
Wie wär ich kalt, mich glücklich nur zu nennen,
besitz ich aller Himmel Seligkeit!
Fühl ich zu dir so süß mein Herz entbrennen,
atme ich Wonnen, die nur Gott verleiht.
LOHENGRIN feurig.
Vermagst du, Holde, glücklich dich zu nennen,
gibst du auch mir des Himmels Seligkeit!

Zärtlich.

Fühl ich zu dir, so süß mein Herz entbrennen,
atme ich Wonnen, die nur Gott verleiht.
BEIDE.
Fühl ich so süß, so süß mich entbrennen,
atme ich Wonnen, die nur Gott verleiht.
LOHENGRIN.
Wie hehr erkenn ich unsrer Liebe Wesen!
Die nie sich sahn, wir hatten uns geahnt;
war ich zu deinem Streiter auserlesen,
hat Liebe mir zu dir den Weg gebahnt:
dein Auge sagte mir dich rein von Schuld, –
mich zwang dein Blick zu dienen deiner Huld.
ELSA.
Doch ich zuvor schon hatte dich gesehen,
in sel’gem Traume warst du mir genaht;
als ich nun wachend dich sah vor mir stehen,
erkannt ich, daß du kamst auf Gottes Rat.
Da wollte ich vor deinem Blick zerfließen,
gleich einem Bach umwinden deinen Schritt,
gleich einer Blume, duftend auf der Wiesen,
wollt ich entzückt mich beugen deinem Tritt!
Ist dies nur Liebe? – Wie soll ich es nennen,
dies Wort, so unaussprechlich wonnevoll,
wie, ach! dein Name, – den ich nie soll kennen,
bei dem ich nie mein Höchstes nennen soll!
LOHENGRIN schmeichelnd.
Elsa!
ELSA.
Wie süß mein Name deinem Mund entgleitet!
Gönnst du des deinen holden Klang mir nicht?
Nur wenn zur Liebesstille wir geleitet,
sollst du gestatten, daß mein Mund ihn spricht.
LOHENGRIN.
Mein süßes Weib!
ELSA.
Einsam, wenn niemand wacht: –
nie sei der Welt er zu Gehör gebracht.
LOHENGRIN umfaßt Elsa freundlich und deutet durch das offene Fenster auf den Blumengarten.
Atmest du nicht mit mir die süßen Düfte?
O, wie so hold berauschen sie den Sinn!
Geheimnisvoll sie nahen durch die Lüfte,
fraglos geb ihrem Zauber ich mich hin. –

Mit erhobener Stimme.

So ist der Zauber, der mich dir verbunden,
da ich zuerst, du Süße, dich ersah;
nicht deine Art ich brauchte zu erkunden,
dich sah mein Aug‘, mein Herz begriff dich da.
Wie mir die Düfte hold den Sinn berücken,
nahn sie mir gleich aus rätselvoller Nacht –

Feurig.

so deine Reine mußte mich entzücken,
traf ich dich auch in schwerer Schuld Verdacht.

Elsa birgt ihre Beschämung, indem sie sich demütig an ihn schmiegt.

ELSA.
Ach, könnt ich deiner wert erscheinen,
müßt ich vor dir nicht bloß vergehn;
könnt ein Verdienst mich dir vereinen,
dürft ich in Pein für dich mich sehn!
Wie du mich trafst vor schwerer Klage,
o wüßte ich auch dich in Not;
daß mutvoll ich ein Mühen trage,
kennt ich ein Sorgen, das dir droht!
Wär das Geheimnis so geartet,
das aller Welt verschweigt dein Mund?

Immer geheimnisvoller.

Vielleicht, daß Unheil dich erwartet,
würd aller Welt es offen kund?
Wär es so, und dürft ich’s wissen,
dürft ich in meiner Macht es sehn, –
durch Keines Drohn sei mir’s entrissen,
für dich wollt‘ ich zum Tode gehn.
LOHENGRIN.
Geliebte!
ELSA immer leidenschaftlicher.
O, mach mich stolz durch dein Vertrauen,
daß ich in Unwert nicht vergeh!
Laß dein Geheimnis mich durchschauen,
daß, wer du bist, ich offen seh!
LOHENGRIN.
Ach, schweige, Elsa!
ELSA immer drängender.
Meiner Treue
enthülle deines Adels Wert!
Woher du kamst, sag ohne Reue –
durch mich sei Schweigens Kraft bewährt.
LOHENGRIN streng und ernst, einige Schritte zurücktretend.
Höchstes Vertraun hast du mir schon zu danken,
da deinem Schwur ich Glauben gern gewährt;
wirst nimmer du vor dem Gebote wanken,
hoch über alle Fraun dünkst du mich wert. –

Er wendet schnell sich wieder liebevoll zu Elsa.

An meine Brust, du Süße, Reine!
Sei meines Herzens Glühen nah,
daß mich dein Auge sanft bescheine,
in dem ich all mein Glück ersah!

Feurig.

O gönne mir, daß mit Entzücken
ich deinen Atem sauge ein;
laß fest, ach, fest an mich dich drücken,
daß ich in dir mög glücklich sein!
Dein Lieben muß mir hoch entgelten
für das, was ich um dich verließ;
kein Los in Gottes weiten Welten
wohl edler als das meine hieß!
Böt mir der König seine Krone,
ich dürfte sie mit Recht verschmähn.
Das Einz’ge, was mein Opfer lohne,
muß ich in deiner Lieb‘ ersehn.
Drum wolle stets den Zweifel meiden,
dein Lieben sei mein stolz Gewähr!
Denn nicht komm ich aus Nacht und Leiden,
aus Glanz und Wonne komm ich her!
ELSA.
Hilf Gott, was muß ich hören!
Welch Zeugnis gab dein Mund!
Du wolltest mich betören,
nun wird mir Jammer kund!
Das Los, dem du entronnen,
es war dein höchstes Glück;
du kamst zu mir aus Wonnen,
und sehnest dich zurück!
Wie soll ich Ärmste glauben,
dir g’nüge meine Treu‘?
Ein Tag wird dich mir rauben
durch deiner Liebe Reu‘!
LOHENGRIN.
Halt ein, dich so zu quälen!
ELSA.
Was quälest du mich doch!
Soll ich die Tage zählen,
die du mir bleibest noch?
In Sorg‘ um dein Verweilen
verblüht die Wange mir, –
dann wirst du mir enteilen,
im Elend bleib ich hier!
LOHENGRIN.
Nie soll dein Reiz entschwinden,
bleibst du von Zweifel rein!
ELSA.
Ach, dich an mich zu binden,
wie sollt ich mächtig sein!
Voll Zauber ist dein Wesen,
durch Wunder kamst du her; –
wie sollt ich da genesen,
wo fänd ich dein‘ Gewähr?

Sie schreckt in heftigster Aufregung zusammen und hält an, wie um zu lauschen.

Hörtest du nichts? Vernahmest du kein Kommen?
LOHENGRIN.
Elsa!
ELSA vor sich hinstarrend.
Ach nein! … Doch dort – der Schwan – der Schwan!
Dort kommt er auf der Wasserflut geschwommen, –
du rufest ihm, – er zieht herbei den Kahn! –
LOHENGRIN.
Elsa! Halt ein! Beruh’ge deinen Wahn!
ELSA.
Nichts kann mir Ruhe geben,
dem Wahn mich nichts entreißt,
als – gelt es auch mein Leben –
zu wissen, wer du seist!
LOHENGRIN.
Elsa, was willst du wagen?
ELSA.
Unselig holder Mann,
hör, was ich dich muß fragen!
Den Namen sag mir an!
LOHENGRIN.
Halt ein!
ELSA.
Woher die Fahrt?
LOHENGRIN.
Weh dir!
ELSA.
Wie deine Art?
LOHENGRIN.
Weh uns! Was tatest du?

Elsa gewahrt Friedrich und seine vier Genossen, welche mit gezückten Schwertern durch eine hintere Tür hereinbrechen.

ELSA nach einem Schrei.
Rette dich! Dein Schwert, dein Schwert!

Sie reicht das am Ruhebett angelehnte Schwert hastig Lohengrin, so daß dieser schnell es aus der Scheide, welche sie hält, ziehen kann; Lohengrin streckt Friedrich, welcher nach ihm ausholt, mit einem Streiche tot zu Boden; den entsetzten Edlen entfallen die Schwerter, sie stürzen zu Lohengrins Füßen auf die Knie. – Elsa, die sich an Lohengrins Brust geworfen hatte, sinkt ohnmächtig langsam an ihm zu Boden. Langes Stillschweigen. Lohengrin, tief erschüttert, steht allein aufrecht.

LOHENGRIN.
Weh, nun ist all unser Glück dahin!

Er neigt sich zu Elsa hinab, erhebt sie sanft und lehnt sie auf das Ruhebett.

ELSA matt die Augen aufschlagend.
Allewiger, erbarm dich mein!

Auf Lohengrins Zeichen erheben sich die vier Edlen.

LOHENGRIN.
Tragt den Erschlag’nen vor des Königs Gericht!

Die Edlen nehmen die Leiche Friedrichs auf und entfernen sich mit ihr durch die Türe rechts. – Lohengrin läutet an einem Glockenzuge; zwei Frauen treten von links ein.

Sie vor den König zu geleiten,
schmückt Elsa, meine süße Frau! –
Dort will ich Antwort ihr bereiten,
daß sie des Gatten Art erschau‘!

Er geht mit traurig feierlicher Haltung ab. – Die Frauen geleiten Elsa, die keines Wortes mächtig ist, nach links von dannen. – Der Tag hat langsam begonnen zu grauen; die Kerzen sind verloschen. – Wie aus dem Burghof vernimmt man den kriegerischen Ruf zum Aufbruch. – Ein großer Vorhang fällt im Vordergrunde zusammen und schließt die Bühne gänzlich.

Dritte Szene

Als der vordere Vorhang wieder aufgezogen wird, stellt die Bühne die Aue am Ufer der Schelde dar, wie im ersten Akt; glühende Morgenröte, allmählicher Anbruch des vollen Tages.

Ein Graf mit seinem Heergefolge zieht im Vordergrunde rechts auf, steigt vom Pferd und übergibt dies einem Knechte; zwei Edelknaben tragen ihm Schild und Speer. Er pflanzt sein Banner auf, sein Heergefolge sammelt sich um dasselbe. – Während ein zweiter Graf auf die Weise, wie der erste, einzieht, hört man bereits die Trompeten eines dritten sich nähern. – Ein dritter Graf zieht mit seinem Heergefolge ebenso ein. Die neuen Scharen sammeln sich um ihre Banner; die Grafen und Edlen begrüßen sich, prüfen und loben ihre Waffen usw. – Ein vierter Graf zieht mit seinem Heergefolge von rechts her ein und stellt sich bis in die Mitte des Hintergrundes auf. – Als die Trompeten des Königs vernommen werden, eilt Alles, sich um die Banner zu ordnen. – Der König mit seinem sächsischen Heerbann zieht von links ein.

ALLE MÄNNER an die Schilde schlagend, als der König unter der Eiche angelangt ist.
Heil, König Heinrich!
König Heinrich Heil!
KÖNIG HEINRICH.
Habt Dank, ihr Lieben von Brabant!
Wie fühl‘ ich froh mein Herz entbrannt,
find ich in jedem deutschen Land
so kräftig reichen Heerverband!
Nun soll des Reiches Feind sich nahn,
wir wollen tapfer ihn empfahn:
aus seinem öden Ost daher
soll er sich nimmer wagen mehr!
Für deutsches Land das deutsche Schwert!
So sei des Reiches Kraft bewährt!
ALLE MÄNNER.
Für deutsches Land das deutsche Schwert!
So sei des Reiches Kraft bewährt!
KÖNIG.
Wo weilt nun der, den Gott gesandt
zum Ruhm, zur Größe von Brabant?

Ein scheues Gedränge ist entstanden: die vier Edlen bringen auf einer Bahre Friedrichs verhüllte Leiche und setzen sie in der Mitte des Kreises nieder.

DIE MÄNNER.
Was bringen die? Was tun sie kund?
Die Mannen sind’s des Telramund.
KÖNIG.
Was führt ihr her? Was soll ich schau’n?
Mich faßt bei eurem Anblick Grau’n!
DIE VIER EDLEN.
So will’s der Schützer von Brabant;
wer dieser ist, macht er bekannt.

Elsa, mit einem großen Gefolge von Frauen, tritt auf und schreitet langsam, wankenden Schrittes vor.

DIE MÄNNER.
Seht, Elsa naht, die Tugendreiche!

Der König geht Elsa entgegen und geleitet sie zu einem Sitze der Eiche gegenüber.

Wie ist ihr Antlitz trüb und bleiche!
KÖNIG.
Wie muß ich dich so traurig sehn!
Will dir so nah die Trennung gehn?

Elsa versucht vor ihm aufzublicken, vermag es aber nicht. – Großes Gedränge im Hintergrunde.

EIN TEIL DER MÄNNER im Hintergrunde.
Macht Platz dem Helden von Brabant!
ALLE MÄNNER.
Heil! Heil dem Helden von Brabant!

Der König hat seinen Platz unter der Eiche wieder eingenommen. – Lohengrin, ganz so gewaffnet wie im ersten Akte, tritt auf und schreitet feierlich und ernst in den Vordergrund.

KÖNIG.
Heil deinem Kommen, teurer Held!
Die du so treulich riefst ins Feld,
die harren dein in Streites Lust,
von dir geführt des Siegs bewußt.
DIE BRABANTER.
Wir harren dein in Streites Lust,
von dir geführt des Siegs bewußt!
LOHENGRIN.
Mein Herr und König, laß dir melden:
die ich berief, die kühnen Helden,
zum Streit sie führen darf ich nicht!

Alle drücken höchste Betroffenheit aus.

DER KÖNIG, ALLE MÄNNER UND FRAUEN.
Hilf Gott! Welch hartes Wort er spricht!
LOHENGRIN.
Als Streitgenoß bin nicht ich euch gekommen; –
als Kläger sei ich jetzt von euch vernommen!

Er enthüllt Friedrichs Leiche, vor deren Anblick sich Alle mit Abscheu abwenden. Lohengrin feierlich vor der Leiche.

Zum ersten klage laut ich vor euch Allen,
und frag um Spruch nach Recht und Fug:
da dieser Mann zur Nacht mich überfallen,
sagt, ob ich ihn mit Recht erschlug?
DER KÖNIG UND ALLE MÄNNER die Hand feierlich nach der Leiche ausstreckend.
Wie deine Hand ihn schlug auf Erden,
soll dort ihm Gottes Strafe werden!
LOHENGRIN.
Zum andren aber sollt ihr Klage hören,
denn aller Welt nun klag ich laut:
daß zum Verrat an mir sich ließ betören
das Weib, das Gott mir angetraut!
DER KÖNIG UND ALLE MÄNNER heftig erschrocken und betrübt.
Elsa! Wie mochte das geschehn?
Wie konntest so du dich vergehn?
DIE FRAUEN mit klagenden Gebärden auf Elsa blickend.
Wehe dir, Elsa!
LOHENGRIN immer streng.
Ihr hörtet Alle, wie sie mir versprochen,
daß nie sie woll‘ erfragen, wer ich bin?
Nun hat sie ihren teuren Schwur gebrochen,
treulosem Rat gab sie ihr Herz dahin!

Alle drücken die heftigste Erschütterung aus.

Zu lohnen ihres Zweifels wildem Fragen,
sei nun die Antwort länger nicht gespart;
des Feindes Drängen dürft ich sie versagen, –
nun muß ich künden, wie mein Nam‘ und Art.

Mit immer steigender Verklärung seiner Mienen.

Nun merket wohl, ob ich den Tag muß scheuen!
Vor aller Welt, vor König und vor Reich
enthülle mein Geheimnis ich in Treuen.

Sich hoch aufrichtend.

Nun hört, ob ich an Adel euch nicht gleich.
DER KÖNIG, ALLE MÄNNER UND FRAUEN.
Welch Unerhörtes muß ich nun erfahren?
O, könnt‘ er die erzwung’ne Kunde sich ersparen!
LOHENGRIN.
In fernem Land, unnahbar euren Schritten,
liegt eine Burg, die Monsalvat genannt;
ein lichter Tempel stehet dort inmitten,
so kostbar als auf Erden nichts bekannt;
drin ein Gefäß von wundertät’gem Segen
wird dort als höchstes Heiligtum bewacht:
es ward, daß sein der Menschen Reinste pflegen,
herab von einer Engelschar gebracht;
alljährlich naht vom Himmel eine Taube,
um neu zu stärken seine Wunderkraft:
es heißt der Gral, und selig reinster Glaube
erteilt durch ihn sich seiner Ritterschaft.
Wer nun dem Gral zu dienen ist erkoren,
den rüstet er mit überirdischer Macht, –
an dem ist jedes Bösen Trug verloren,
wenn ihn er ersieht, weicht dem des Todes Nacht;
selbst wer von ihm in ferne Land‘ entsendet,
zum Streiter für der Tugend Recht ernannt,
dem wird nicht seine heil’ge Kraft entwendet,
bleibt als sein Ritter dort er unerkannt;
so hehrer Art doch ist des Grales Segen,
enthüllt muß er des Laien Auge fliehn: –
des Ritters drum sollt Zweifel ihr nicht hegen,
erkennt ihr ihn – dann muß er von euch ziehn. –
Nun hört, wie ich verbot’ner Frage lohne: –
vom Gral ward ich zu euch daher gesandt;
mein Vater Parzival trägt seine Krone, –
sein Ritter ich – bin Lohengrin genannt.
ALLE MÄNNER UND FRAUEN voll Staunen und in größter Rührung.
Hör ich so seine höchste Art bewähren,
entbrennt mein Aug‘ in heil’gen Wonnezähren!
ELSA.
Mir schwankt der Boden! – Welche Nacht! –
O Luft – Luft der Unglücksel’gen!

Sie droht umzusinken – Lohengrin faßt sie in seine Arme.

LOHENGRIN.
O, Elsa! Was hast du mir angetan?
Als meine Augen dich zuerst ersahn,
zu dir fühlt ich in Liebe mich entbrannt,
und schnell hatt ich ein neues Glück erkannt:
die hehre Macht, die Wunder meiner Art,
die Kraft, die mein Geheimnis mir bewahrt,
wollt ich dem Dienst des reinsten Herzens weihn; –
was rissest du nun mein Geheimnis ein?
Jetzt muß ich – ach! von dir geschieden sein!
ELSA in höchster Verzweiflung aufschreckend.
Mein Gatte! Nein! ich laß dich nicht von hinnen!
Als Zeuge meiner Buße bleibe hier!
LOHENGRIN.
Ich muß, ich muß, mein süßes Weib!
ELSA.
Nicht darfst du meiner bittren Reu‘ entrinnen,
daß du mich strafest, liege ich vor dir!
DER KÖNIG, ALLE MÄNNER UND FRAUEN.
Weh! Wehe! Mußt du von uns ziehn?
Du hehrer, gottgesandter Mann!
Soll uns des Himmels Segen fliehn,
wo fänden dein wir Tröstung dann?
LOHENGRIN.
Ich muß, ich muß, mein süßes Weib!
Schon zürnt der Gral, daß ich ihm ferne bleib!
ELSA.
Bist du so göttlich, als ich dich erkannt,
sei Gottes Gnade nicht aus dir verbannt!
Büßt sie in Jammer ihre schwere Schuld,
nicht flieh‘ die Ärmste deiner Nähe Huld!
Verstoß mich nicht, wie groß auch mein Verbrechen!
Verlaß mich nicht! Verlaß die Arme nicht!
LOHENGRIN.
Nur eine Strafe gibt’s für dein Vergehen, –
ach! mich wie dich trifft ihre herbe Pein!
Getrennt, geschieden sollen wir uns sehen:
dies muß die Strafe, dies die Sühne sein!

Elsa sinkt mit einem Schrei zurück.

DER KÖNIG UND ALLE MÄNNER ungestüm Lohengrin umdrängend.
O bleib, und zieh uns nicht von dannen!
Des Führers harren deine Mannen!
LOHENGRIN.
O König! hör! Ich darf dich nicht geleiten!
Des Grales Ritter, – habt ihr ihn erkannt, –
wollt er in Ungehorsam mit euch streiten,
ihm wäre alle Manneskraft entwandt! –
Doch, großer König, laß mich dir weissagen:
Dir Reinem ist ein großer Sieg verliehn!
Nach Deutschland sollen noch in fernsten Tagen –
des Ostens Horden siegreich nimmer ziehn!

Während sämtliche Gruppen des Vordergrundes von dem Eindruck der Weissagung lebhaft erregt sind, gewahren die im Hintergrunde die Annäherung des Schwanes.

EIN TEIL DER MÄNNER im Hintergrunde.
Der Schwan! Der Schwan!
DIE MÄNNER im Vordergrunde, nach hinten gewandt.
Der Schwan! Der Schwan!
Seht dort ihn wieder nahn!
DIE FRAUEN im nächsten Vordergrunde um Elsa.
Der Schwan! Der Schwan!
Weh, er naht!

Der Schwan kommt um die vordere Flußbiegung herum. Er zieht den leeren Nachen.

ELSA aus ihrer Betäubung erweckt, erhebt sich, auf den Sitz gestützt, und blickt nach dem Ufer.
Entsetzlich! Ha! Der Schwan!

Sie verbleibt lange Zeit wie erstarrt in ihrer Stellung.

LOHENGRIN erschüttert.
Schon sendet nach dem Säumigen der Gral!

Unter der gespanntesten Erwartung der Übrigen tritt Lohengrin dem Ufer näher und neigt sich zu dem Schwan, ihn wehmütig betrachtend.

Mein lieber Schwan!
Ach, diese letzte traurige Fahrt,
wie gern hätt ich sie dir erspart!
In einem Jahr, wenn deine Zeit
im Dienst zu Ende sollte gehn,
dann, durch des Grales Macht befreit,
wollt ich dich anders wiedersehn!

Er wendet sich im Ausbruch heftigen Schmerzes in den Vordergrund zu Elsa zurück.

O Elsa! Nur ein Jahr an deiner Seite
hätt ich als Zeuge deines Glücks ersehnt!
Dann kehrte, selig in des Grals Geleite,
dein Bruder wieder, den du tot gewähnt.

Alle drücken ihre lebhafte Überraschung aus. Lohengrin, während er sein Horn, sein Schwert und seinen Ring Elsa überreicht.

Kommt er dann heim, wenn ich ihm fern im Leben, –
dies Horn, dies Schwert, den Ring sollst du ihm geben:
dies Horn soll in Gefahr ihm Hülfe schenken, –
in wildem Kampf dies Schwert ihm Sieg verleiht; –
doch bei dem Ringe soll er mein gedenken,
der einst auch dich aus Schmach und Not befreit!

Während er Elsa, die keines Ausdruckes mächtig ist, wiederholt küßt.

Leb wohl! Leb wohl! Leb wohl, mein süßes Weib!
Leb wohl! Mein zürnt der Gral, wenn ich noch bleib!
Leb wohl! Leb wohl!

Elsa hat sich krampfhaft an ihm festgehalten: endlich verläßt sie die Kraft, sie sinkt ihren Frauen in die Arme, denen sie Lohengrin übergibt. Er eilt schnell dem Ufer zu.

DER KÖNIG, ALLE MÄNNER UND FRAUEN.
Weh, Weh! Du edler, holder Mann!
Welch harte Not tust du uns an!
ORTRUD im Vordergrund auftretend.
Fahr heim! Fahr heim, du stolzer Helde,
daß jubelnd ich der Törin melde,
wer dich gezogen in dem Kahn;
am Kettlein, das ich um ihn wand,
ersah ich wohl, wer dieser Schwan:
es ist der Erbe von Brabant!
ALLE.
Ha!
ORTRUD zu Elsa.
Dank, daß den Ritter du vertrieben!
Nun gibt der Schwan ihm Heimgeleit!
Der Held, wär länger er geblieben,
den Bruder hätt er auch befreit!
ALLE in äußerster Entrüstung.
Abscheulich Weib! Ha, welch Verbrechen
hast du in frechem Hohn bekannt!
ORTRUD.
Erfahrt, wie sich die Götter rächen,
von deren Huld ihr euch gewandt!

Sie bleibt in wilder Verzückung hoch aufgerichtet stehen. -Lohengrin, bereits am Ufer angelangt, hat Ortrud genau vernommen und sinkt jetzt zu einem stummen Gebet feierlich auf die Knie. Aller Blicke richten sich mit gespanntester Erwartung auf ihn. – Die weiße Gralstaube schwebt über den Nachen herab. Lohengrin erblickt sie; mit einem dankenden Blicke springt er auf und löst dem Schwan die Kette, worauf dieser sogleich untertaucht; an seiner Stelle hebt Lohengrin einen schönen Knaben in glänzendem Silbergewande – Gottfried – aus dem Flusse an das Ufer.

LOHENGRIN.
Seht da den Herzog von Brabant, –
zum Führer sei er euch ernannt.

Lohengrin springt schnell in den Kahn, den die Taube an der Kette gefaßt hat und sogleich fortzieht. – Ortrud sinkt bei Gottfrieds Anblick mit einem Schrei zusammen. – Elsa blickt mit letzter freudiger Verklärung auf Gottfried, welcher nach vorn schreitet und sich vor dem König verneigt; Alle betrachten ihn mit seligem Erstaunen, die Brabanter senken sich huldigend vor ihm auf die Knie. – Gottfried eilt in Elsas Arme; diese, nach einer kurzen freudigen Entrückung, wendet hastig den Blick nach dem Ufer, wo sie Lohengrin nicht mehr erblickt.

ELSA.
Mein Gatte! Mein Gatte!

In der Ferne wird Lohengrin wieder sichtbar. Er steht mit gesenktem Haupte, traurig auf seinen Schild gelehnt, im Nachen; bei diesem Anblick bricht Alles in einen lauten Wehruf aus. – Elsa sinkt entseelt in Gottfrieds Armen zu Boden. – Während Lohengrin immer ferner gesehen wird, sinkt langsam der Vorhang.