Giuseppe Verdi
La Traviata
Oper in vier Aufzügen
Libretto von Francesco Maria Piave
Uraufführung: 06.03.1853, Teatro La Fenice, Venedig
Personen
Violetta Valery (Sopran)
Flora Bervoix (Sopran)
Alfred Germont (Tenor)
Georg Germont, sein Vater (Bariton)
Gaston, Vicomte von Létorières (Bariton)
Baron Douphal (Bariton)
Marquis von Obigny (Baß)
Doktor Grenvil (Bariton)
Annina, Dienerin Violettas (Mezzosopran)
Joseph, Diener Violettas (Tenor)
Ein Diener bei Flora (Bariton)
Ein Kommissionär (Baß)
Freunde Violettas und Floras. Matadore. Pikadore. Zigeunerinnen. Diener Violettas und Floras. Masken
Ort der Handlung: Paris und seine Umgebung.
Im ersten Aufzug: Saal bei Violetta Valery in Paris. Im zweiten Aufzug: Salon zu ebener Erde auf einem Landgute Violettas in der Nähe von Paris zur Winterszeit. Im dritten Aufzug: Saal bei Flora Bervoix in Paris. Im vierten Aufzug: Schlafzimmer bei Violetta Valery in Paris.
Zeit: Die Gegenwart; der erste Aufzug im Monat August, der zweite und der dritte Aufzug im Januar, der vierte Aufzug im Februar.
Rechts und links vom Darsteller.
Spielzeit: Zweiundeinehalbe Stunde.
Uraufführung: Venedig, Fenice-Theater, Sonntag, den 6. März 1853.
Keine Ouvertüre.
Nr. 1 und 2. Vorspiel und Einleitung.
Adagio: 49 Takte.
Allegro brillantissimo, e molte vivace.
Der Vorhang hebt sich im Allegro nach dem zweiundzwanzigsten Takte.
Erster Aufzug.
Erster Auftritt.
Violetta. Doktor Grenvil. Alfred Germont. Gaston von Létorières. Marquis von Obigny. Flora Bervoix. Baron Douphal. Herren. Damen. Diener Joseph. Diener.
Violetta eine Kamelie an der Brust, sitzt rechts vorn in dem Fauteuil vor dem Spiegel.
Doktor steht vor ihr, sich mit ihr unterhaltend.
Die heiter gestimmte Festversammlung in Fracks, weißen Binden, und eleganten Gesellschaftstoiletten bewegt sich mit Alfred und Gaston nach dem Mittelbogen.
Alfred und Gaston, Herren und Damen, Tenöre und Soprane begrüßen die von rechts Mitte kommenden Herren und Damen, Bässe und Alt, denen der Marquis mit Flora am rechten Arm und dem Baron zur Linken folgt.
Allgemeine Begrüßung.
Der Diener Joseph steht links vom Mittelbogen. Diener rechts und links hinten, halten sich zum Servieren bereit.
GASTON, ALFRED, HERREN UND DAMEN, TENÖRE UND SOPRANE zu den Eintretenden.
Warum kommt ihr so spät zu dem Feste?
Ihr habt gezögert -?
MARQUIS, FLORA, BARON, HERREN UND DAMEN, BÄSSE UND ALT antwortend, sehr höflich und verbindlich.
Wir spielten bei Flora,
Und im Spiele verflog uns die Zeit!
VIOLETTA steht auf und geht Flora mit dem Doktorentgegen, sie begrüßend und nach vorn ziehend.
Flora? Ihr Freunde, die Stunden, die bleiben,
Laßt uns durch andre Freuden vertreiben,
Das Glas in der Hand, würzt das Fest.
FLORA UND MARQUIS.
Könnt ihr mit uns genießen?
VIOLETTA geht mit Flora zum Fauteuil und Stuhl rechts vorn und nimmt mit ihr dort Platz.
Ich will es, ich gebe der Freude mich hin,
Sie allein vertilget jeglichen Schmerz!
FLORA, BARON, DOKTOR, MARQUIS UND CHOR.
Ja, das Leben ladet zur Lust!
Sie wiederholen.
Die Herren und Damen verteilen sich im Gespräch.
Gaston ist mit Alfred und dem Baron vorgekommen und stellt Alfred Violetta vor.
GASTON zu Violetta.
Hier ist Alfred Germont, meine Schöne,
Ein Gemüt, das innig Sie verehret –
Wenig Freunde nur gibt es wie diesen.
VIOLETTA steht auf, verbindlich.
Mein Vicomte, ich erkenne die Ehre!
Sie reicht Alfred die Hand.
Alfred küßt ihre Hand.
Flora erhebt sich ebenfalls.
Joseph tritt zu Violetta.
MARQUIS.
Teurer Alfred!
ALFRED.
Mein Herr Marquis!
Sie drücken sich die Hand.
GASTON zu Alfred.
Ich sagt‘ es, hier nur herrschet die Freude, die Lust!
VIOLETTA zu Joseph.
Ist alles bereitet?
Joseph bejaht, sich verneigend.
VIOLETTA.
Ihr Freunde, zu Tische!
Der Heiterkeit öffne sich jegliches Herz.
Alle setzen sich fröhlich an die Tische.
Doktor führt Flora zu Tisch.
Alfred ebenso Violetta.
Joseph gibt einen Wink nach hinten.
Die Diener gehen eilig ab, kehren mit Speisen, Champagner und Wein zurück und bedienen an den Tischen.
Joseph bedient am Mitteltisch, stellt vor Violetta eine Flasche Champagner.
GASTON, BARON, FLORA, DOKTOR, MARQUIS UND ALFRED zu Violetta, ohne Pause fortfahrend.
Du sprichst Wahrheit, die heimlichen Sorgen entfliehen,
Wenn freundlich die Tafel uns winkt. –
ALLE.
Ja, dem Genusse sich öffne das Herz!
GASTON heimlich zu Violetta.
Stets denkt Alfred an Euch nur.
VIOLETTA ebenso zu Gaston.
Ihr scherzt wohl.
GASTON wie vorher.
Als Ihr krank lagt,
Trieb täglich die Sorge ihn,
Zu fragen nach Euch.
VIOLETTA ebenso.
Was sagt Ihr?
Woher der Anteil mir?
GASTON.
Glaubt dem Freunde!
VIOLETTA zu Alfred.
Ist es Wahrheit? Doch weshalb? Nicht begreif‘ ich’s.
ALFRED seufzend.
Ja, nur zu wahr!
VIOLETTA.
Nun, so nehmt meinen Dank!
Zum Baron.
Und nur Ihr, Ihr tatet kein Gleiches?
BARON.
Kenn‘ ich Euch doch erst seit einem Jahre.
Ein Herr steht auf, tritt zu Alfred und stößt mit ihm an, so daß dieser nicht hört, was von ihm gesprochen wird; dann setzt er sich wieder.
VIOLETTA.
Und er erst seit wenig Minuten.
FLORA leise zum Baron.
Besser wär’s, wenn geschwiegen Ihr hättet.
BARON leise zu Flora.
Mir mißfällt dieser Jüngling.
FLORA.
Weshalb? Er gefällt mir, gefällt mir recht sehr.
GASTON zu Alfred.
Nun, warum wohl verharrst du in Schweigen?
MARQUIS zu Violetta.
Nur Violetta, sie kann ihn ermuntern!
VIOLETTA steht auf und tritt mit der Champagnerflasche zu Alfred.
Darf ich Hebe Euch sein?
Sie schenkt Alfred, dann einigen andern ein und setzt sich dann wieder.
ALFRED artig.
Die unsterblich wie jene ich wünsche!
GASTON, BARON, FLORA, DOKTOR UND MARQUIS.
Auf, trinket!
CHOR.
Auf, trinket!
ALLE stehen auf, stoßen an.
Erhebet das Glas!
Sie trinken.
GASTON zum Baron.
Habt Ihr heute denn nicht einen Trinkspruch,
Diese fröhliche Stunde zu würzen?
Baron verneint.
GASTON.
Alfred, du!
VIOLETTA, FLORA, DOKTOR, MARQUIS UND CHOR.
Ja, ja, ein Trinkspruch!
ALFRED.
Leider bin ich kein Dichter.
GASTON.
Kenn‘ ich dich doch als Meister!
Zu Violetta.
Ist’s auch Euer Wunsch?
VIOLETTA.
Ja!
ALFRED.
Wohl, sei es denn!
Er erhebt sein Glas.
MARQUIS.
Nun, so höret –
ALLE ANDERN.
Ja, wir hören ihm zu!
Sie setzen sich wieder.
Die Diener schenken ein; Tellerwechsel; neue Speisen werden aufgetragen.
Fröhliche Stimmung.
Violetta nimmt großen Anteil an dem folgenden Trinklied.
Nr. 3. Trinklied.
ALFRED tritt mit dem Glase in der Hand vor den Mitteltisch.
Auf, schlürfet, auf, schlürfet in durstigen Zügen
Den Kelch, den die Schönheit kredenzet;
Die flüchtigen, flüchtigen Stunden entfliegen,
Drum fröhlich die Stirne bekränzt.
Empfindet das himmlische Beben
Der liebeerglühenden Brust,
Denn Liebe ist höheres Leben,
Ist himmlisch selige Lust!
Auf, schlürfet, auf, schlürfet in durstigen Zügen
Den Kelch, den die Liebe kredenzt!
ALLE außer Alfred.
Ja! Der Liebe erschalle ein Hoch!
Sie wiederholen.
VIOLETTA steht auf, gesteigert.
Wer fröhlich das Leben, das Leben genießet,
Der ist mir willkommen als lieber Gast,
Denn was nicht dem Frohsinn, dem Frohsinn entsprießet,
Ist Torheit, und drum mir verhaßt.
Einige Herren und Damen an den drei Tischen erheben sich angeregt.
VIOLETTA.
Wir wollen der flüchtigen Wonne,
So lange sie blühet, uns weihn;
Sie sei unser Licht, unsre Sonne
Und strahle dem trauten Verein.
Wer fröhlich das Leben, das Leben genießet,
Der ist mir willkommen als Gast!
ALLE außer Violetta und Alfred.
Ja! Auf, füllet die Becher! Es schalle der Jubel!
Die Freude vertreibe, vertreib‘ die Nacht!
Alle Andern erheben sich in bacchantischem Jubel und treten vor.
ALLE.
Des Liedes Begeisterung sei der Aurora
Entgegen, entgegen gebracht!
Diener räumen hinter der nach vorn getretenen Gesellschaft den Mitteltisch samt Stühlen nach rechts Mitte hinaus und rücken die Seitentische zurück.
Andere Diener nehmen gleichzeitig den Gästen auf silbernen Platten, die auf dem Büfett hinten bereit standen, die Gläser ab und entfernen sich damit nach rechts Mitte.
Rechts vorn bleibt, mehr in den Saal hinein gestellt, Fauteuil und Stuhl stehen; links vorn ebenso Fauteuil und Lehnstuhl.
VIOLETTA.
Nur Heiterkeit würzet das Leben!
Alfred tritt zu Violetta.
Marquis ebenso zu Flora.
ALFRED.
Für den, der Liebe nicht kennt!
VIOLETTA.
O kann es wohl Höheres geben?
ALFRED.
Dem nicht, dem hier es nicht brennt!
ALLE.
Auf, füllet die Becher, füllet die Becher!
Es schalle der Jubel, die Freude,
Die Freude vertreibe die Nacht!
Ja, des Liedes, des Liedes Begeisterung
Sei der Aurora entgegen, entgegen gebracht!
Auf, füllt die Becher, Jubel schalle,
Füllt die Becher, Jubel schalle!
Freude vertreibe die Nacht,
Sie vertreibe die Nacht!
Sie stoßen an und trinken.
Nr. 4. Walzer und Duett.
Tanzmusik rechts außerhalb.
ALLE außer Violetta.
Was ist das?
VIOLETTA.
Nun folgt! Wenn’s euch beliebt, auch noch ein Tänzchen.
ALLE außer Violetta.
O scharmant, fürwahr! Wir nehmen’s alle an!
VIOLETTA.
Nun wohl, so gehn wir!
Alfred reicht Violetta den Arm zum Gehen.
Marquis ebenso Flora.
VIOLETTA wendet sich mit Alfred nach hinten, bleibt plötzlich stehen, wankt und greift nach dem Herzen.
O Gott!
ALLE ANDERN erschrocken um Violetta.
Was ist Euch?
VIOLETTA.
’s ist nichts, gar nichts!
Sie macht zögernd und mühsam wieder einige Schritte.
ALLE ANDERN.
Weshalb dies Zögern!
VIOLETTA.
So folgt mir!
Sie macht wieder einige Schritte, wankt, wendet sich zurück nach rechts und sinkt in den Fauteuil rechts vorn.
O Himmel!
Flora, Alfred und der Doktor bemühen sich um sie.
ALLE außer Violetta und Alfred.
Schon wieder!
ALFRED.
Sprecht, Ihr leidet?
FLORA, DOKTOR, GASTON, MARQUIS UND BARON.
Redet! Was ist Euch?
VIOLETTA für sich.
Ha! welch ein Zittern ergreift mich!
Sie zeigt nach rechts Mitte; laut.
O geht hinein,
Und bald werd‘ ich auch bei euch sein.
ALLE außer Alfred und Violetta.
Sei’s, wie Ihr wünschet!
Sie entfernen sich, einige teilnahmsvoll zurückblickend, nach rechts Mitte.
Gaston und Alfred besprechen sich noch, worauf Gaston sich zuletzt entfernt und Alfred bleibt.
Die große Portiere am Mittelbogen wird geschlossen.
Zweiter Auftritt.
Violetta rechts sitzend, Alfred zu ihrer Linken.
VIOLETTA sieht in den Spiegel zu ihrer Rechten, für sich.
Ha, welche Blässe!
Alfred tritt einige Schritte vor.
VIOLETTA bemerkt Alfred.
Ihr hier?
ALFRED.
Hat Euch verlassen jeglicher Schmerz?
VIOLETTA.
’s ist besser!
Sie steht auf.
ALFRED.
O teure Freundin, denkt an Euch selbst doch,
O schonet, o schonet Euer so teures Leben.
VIOLETTA indem sie an ihm vorüber nach links geht.
Wär‘ ich’s imstande?
ALFRED.
O wär’t Ihr mein, wie wollt‘ ich wachen,
Wie wollt‘ ich wachen in treuer Sorge für Euch.
VIOLETTA.
Was sagt Ihr?
Niemand auf Erden wacht über mich.
ALFRED verwirrt.
Weil auf der Welt Euch niemand liebet.
VIOLETTA.
Niemand?
ALFRED.
Ich ausgenommen!
VIOLETTA.
Ach, freilich!
Lachend.
Wie konnt‘ ich Eure Liebe nur vergessen?
ALFRED.
Ihr lachet? Habt auch ein Herz Ihr?
VIOLETTA setzt sich in den Fauteuil links.
Ein Herz? Doch, vielleicht.
Warum fragt Ihr danach?
ALFRED tritt zu ihr.
O wenn das wäre,
Scherzen könntet Ihr dann wohl nicht!
VIOLETTA.
Und sprecht Ihr wahr auch?
ALFRED.
Nicht trüg‘ ich Euch.
VIOLETTA.
Wie lang‘ ist’s, daß Ihr mich liebet?
ALFRED an Violettas Fauteuil gelehnt.
Seid einem Jahre.
So hold, so reizend und engelsmild
Standst du vor meinen Blicken;
Nie füllte so mich ein Frauenbild
Mit himmlischer Wonn‘ und Entzücken.
Liebe, ach, Liebe, allmächtiges Gottesherz,
Das die ganze Welt beweget,
Liebe, die mit Wonne und sel’gem Schmerz
Jede Brust erreget,
Mit hoher Wonne und sel’gem Schmerz!
VIOLETTA steht auf und geht an Alfred vorüber nach rechts.
Redet Ihr wahr, so fliehet mich,
Freundschaft nur kann ich geben.
Denn gegen Liebe, gegen Liebe sträubet sich,
Ja, sträubet sich mein heitres Leben!
Offen und frei muß bitten ich,
Anderen Euch zu weihen,
Und zu vergessen mich, zu meiden,
Es wird nicht schwer, es wird nicht schwer Euch sein.
ALFRED.
O Liebe, ja, du erregest
Mit sel’gem Schmerz die Brust!
Jede Brust bewegest du
Mit Wonne und sel’gem Schmerz!
Die Liebe bewegt das Herz
Mit Wonne und sel’gem Schmerz!
Mit hoher Wonn‘ und sel’gem Schmerz,
Ach – ach -! mit Wonn‘ und sel’gem Schmerz!
VIOLETTA.
Nicht schwer wird es Euch sein,
Zu meiden mich, zu vergessen!
Mich zu vergessen, mich zu vergessen
Wird Euch nicht schwer, nicht schwer, nicht schwer,
Ja, das wird Euch nicht schwer, nicht schwer, nicht schwer,
Ja, das wird Euch nicht schwer!
Mich zu vergessen, zu meiden mich,
Ach – ach -! es wird nicht schwer Euch sein!
Vicomte Gaston von Létorières erscheint in der Mittelportiere.
Dritter Auftritt.
Violetta, Alfred zu ihrer Linken. Gaston in der Mittelportiere.
Tanzmusik rechts außerhalb.
GASTON scherzhaft hereinrufend.
Sagt an – wo bleibt ihr so lange?
VIOLETTA wendet sich zu Gaston.
Wir neckten uns.
Sie geht an Alfred vorüber nach links.
GASTON.
Haha! ganz gut! Bleibt nur!
Er verschwindet.
Vierter Auftritt.
Alfred, Violetta zu seiner Linken.
VIOLETTA reicht ihm ihre Hand zum Einschlagen hin.
Die Hand -!
Nichts mehr von Liebe!
Wollt Ihr’s versprechen?
ALFRED reicht ihr seine Hand.
Ich muß gehorchen!
Lebt wohl denn!
Er wendet sich zum Abgang.
VIOLETTA.
Ihr wollt schon gehen?
Sie nimmt die Kamelie von ihrer Brust und reicht sie ihm hin.
Nehmt hier. Nehmt diese Blume!
ALFRED.
Wozu?
VIOLETTA im Vorübergehen nach rechts.
Bringt mir sie wieder!
ALFRED kehrt zurück.
Und wann?
VIOLETTA.
Wenn ihre Blätter welken.
ALFRED freudig.
O Gott! Schon morgen?
VIOLETTA.
So ist’s! Schon morgen!
ALFRED die Kamelie küssend.
Ach, wie so glücklich bin ich!
VIOLETTA.
Mich liebt Ihr, sagt’s noch einmal!
ALFRED.
O unaussprechlich lieb‘ ich dich, Teure!
VIOLETTA.
Ihr liebet nur mich?
ALFRED.
Dich einzig liebe ich!
O Gott, wie glücklich bin ich!
VIOLETTA.
Mich liebt Ihr, sagt’s noch einmal!
ALFRED.
O unaussprechlich lieb‘ ich dich, Teure!
VIOLETTA.
Ihr liebet nur mich?
ALFRED.
Dich einzig liebe ich!
Er will gehen.
VIOLETTA.
Ihr gehet?
ALFRED.
Ich scheide!
Er wendet sich zurück und küßt ihr die Hand.
VIOLETTA.
Lebt wohl denn!
ALFRED schon an der Mittelportiere.
Auf Wiedersehen!
BEIDE verhallend.
Lebt wohl! Lebt wohl!
Alfred ist in der Mittelportiere verschwunden.
Pause.
Flora, Gaston, Baron, Doktor, Marquis und die Herren und Damen der Gesellschaft kommen lebhaft durch die Mittelportiere zurück.
Fünfter Auftritt.
Violetta. Die Eingetretenen.
Nr. 5. Chor.
ALLE sich verabschiedend.
Schon erstrahlt die Morgenröte,
Und die Zeit ruft uns nach Haus.
Dank Euch, holdeste der Frauen,
Für den festlich schönen Schmaus.
Sie wiederholen.
Voll von Festen ist die Stadt,
Und im Rausch verfliegt die Zeit;
Nur durch Ruhe stählen wir
Uns zu fernrer Lustbarkeit!
Sie wiederholen.
Ja, um mit Ruhe uns zu stahlen
Zu der neuen Lustbarkeit,
Enteilen wir sofort nach Haus,
Ja, eilen wir!
Sie gehen, unter verabschiedenden Bewegungen, ab durch die Mittelportiere.
Sechster Auftritt.
Violetta allein. Dann Alfreds Stimme.
Nr. 6. Szene und Arie.
VIOLETTA.
’s ist seltsam! sehr seltsam!
Im Herzen tönt stets mir seine Stimme!
Könnt‘ ich’s ein Unglück nennen,
Wahrhaft zu lieben?
Was ergreift dich, o sturmbewegte Seele?
Für niemand noch erglü test du,
Noch nie, ach, kannt‘ ich die Freude,
Wahrhaft geliebt zu werden!
Ich verkannte den Himmel im Taumel des Genusses,
Der mich umfangen!
Er ist es, dessen wonnig Bild
Mir wie aus weiten Fernen,
Mitten im Taumel lauter Lust
Leuchtete gleich den Sternen.
Er, der an meiner Schwelle stand,
Sorgenvoll für mein Leben;
Er, der mich fiebernd beben jetzt macht
Aufs neu‘ vor Lieb‘!
Liebe, ach, Liebe, allmächtiges Gottesherz,
Das die ganze, die ganze Welt beweget,
Liebe, die mit Wonne und sel’gem Schmerz
Jede Brust erreget,
Mit hoher Wonne und sel’gem Schmerz?
Ich steh‘ verlassen und allein
Mitten im Weltenleben!
O könnt‘ an seines Bildes Schein
Ich wieder mich erheben!
Ja, seiner Schönheit Zauber hat
Mein ganzes Sein umflossen,
Er hat mir aufgeschlossen
Das Paradies der Lieb‘!
Liebe, ach, Liebe, allmächt’ges Gottesherz,
Das die ganze, die ganze Welt beweget,
Liebe, die mit Wonne und sel’gem Schmerz
Jede Brust erreget,
Mit hoher Wonne und sel’gem Schmerz!
Sie wiederholt.
O Torheit! O Torheit! Ach, des eitlen Wahnes!
Törichtes Mädchen,
Allein und so verlassen
In dieser rauschenden Wüste,
Die Paris man nennet,
Was kann ich hoffen,
Was, ach, beginnen?
Berauschen darf ich mich nur im Taumel
Voll Lust und Fröhlichkeit,
In lärmender Fröhlichkeit,
In Fröhlichkeit, in Fröhlichkeit, in Fröhlichkeit, ach!
Von der Freude Blumenkränzen
Sei mein Leben heiter durchzogen;
Auf des Jubels lust’gen Wogen
Rauschen schnell die Tage dahin.
Jeder Morgen soll mir als Bote
Neue Feste fröhlich verkünden,
Jeder Abend soll mich finden,
Wo die Lust sich frei ergießt!
Sie wiederholt.
ALFRED unter dem Fenster links vorn.
Liebe, ach, Liebe, allmächt’ges Gottesherz!
VIOLETTA.
Ach!
ALFRED.
Das die ganze, die ganze Welt beweget!
VIOLETTA.
Ach, Liebe!
ALFRED.
Liebe, die mit Wonne und sel’gem Schmerz
Jede Brust erreget,
Mit hoher Wonne,
Und sel’gem Schmerz!
VIOLETTA.
’s ist Torheit!
Ja, Torheit und Wahnsinn!
Fröhlichkeit, Fröhlichkeit,
Ja, Fröhlichkeit, ja, Fröhlichkeit, ach!
Von der Freude Blumenkränzen
Sei mein Leben heiter durchzogen;
Auf des Jubels lust’gen Wogen
Rauschen schnell die Tage dahin.
Jeder Morgen soll mir als Bote
Neue Feste fröhlich verkünden,
Jeder Abend soll mich finden,
Wo die Lust mich taumelnd umfaßt!
Sie wiederholt.
Wo die Lust mich umfaßt
Ach! ach! ach! ach!
Lust mich taumelnd umfaßt,
Mich umfaßt, mich umfaßt,
Ja! ja! ja! ja!
Lust mich umfaßt,
Wo nur die Lust mich taumelnd faßt,
Die Lust mich faßt!
ALFRED draußen.
Liebe, ach, Liebe, allmächtiges Gottesherz! –
Das jede Brust erregt mit sel’gen Schmerzen!
Violetta eilt ab nach rechts.
Umzüge:
Alfred, Jagdanzug.
Violetta, geschlossenes Hauskleid.
Chor, zum Maskenball im dritten Aufzug als Zigeunerinnen, Stierfechter u.s.w.
Zweiter Aufzug.
Nr. 7. Szene und Arie.
Der Vorhang hebt sich nach dem sechsten Takte.
Erster Auftritt.
Alfred Germont allein.
Alfred tritt im Jagdanzug von rechts Mitte durch die Mitteltür ein und legt sein Gewehr auf einen Fauteuil hinten ab.
ALFRED.
Entfernt von ihr ist kein Glück für mich!
Drei Monden schon entschwanden, daß meine Violetta
Für mich entsagte den Reizen des Lebens,
Den Huldigungen, die von einem Sklavenschwarme
Ihrer Schönheit geweihet wurden.
Und nun zufrieden an diesem stillen Orte
Vergaß alles sie für mich.
An ihrer Seite fühl‘ ich mich neu erstehen
Und vom Liebeshauche neu geboren,
In ihrem stillen Glück
Vergesse ich die Vergangenheit!
Ach, ihres Auges Zauberblick
Strahlte mir in die Brust,
Und rief mein wildes Herz zurück,
Mein Herz zurück vom Taumel trunkner Lust.
Selige Worte zu mir sie sprach:
Mein Leben, mein Leben weih‘ ich dir!
Das tönt mir ewig im Herzen nach,
Und öffnet den Himmel mir.
Er wiederholt.
Die Dienerin Annina kommt bekümmert, in Hut und Mantel, durch den allgemeinen Eingang von links hinten.
Zweiter Auftritt.
Alfred, Annina zu seiner Linken.
ALFRED.
Annina, woher kommst du?
ANNINA.
Aus der Hauptstadt.
ALFRED.
Wer sandte dich dahin?
ANNINA.
Meine gute Herrin.
ALFRED.
Weshalb?
ANNINA.
Um zu verkaufen all die Sachen, die wir noch besitzen.
ALFRED.
Wie? Was hör‘ ich!
ANNINA.
Wir müssen doch den Aufwand hier bestreiten.
ALFRED.
Und mir verschwiegst du’s?
ANNINA.
Weil Schweigen mir anbefohlen.
ALFRED.
Befohlen? – Sag‘, was bedürft Ihr?
ANNINA.
Tausend Dukaten.
ALFRED.
Ich will nach Paris jetzt eilen,
Doch sei verschwiegen, nichts sage deiner Herrin.
Das Ganze muß sogleich geordnet werden! Geh! geh!
Annina geht ab nach rechts.
Dritter Auftritt.
Alfred allein.
ALFRED.
Weh mir, im Traume tief und schwer
War, Ärmster, ich befangen!
Vergessen war die Welt umher,
Nur Liebe mein Verlangen.
Ein Blitz führt mich zur Gegenwart
Aus diesem Traum hernieder,
Die Ehre ist’s, die meiner harrt,
Ja, sie gewinn‘ ich wieder.
Er wiederholt, nimmt dann sein Gewehr von dem Fauteuil hinten und geht ab durch die Mitteltür nach links Mitte.
Violetta kommt, Papiere in der Hand, mit ihrer Dienerin Annina von rechts.
Vierter Auftritt.
Violetta, Annina zu ihrer Linken.
Nr. 8. Szene und Duett.
VIOLETTA legt die Papiere auf den Schreibtisch rechts.
Wo ist Alfred?
ANNINA.
Nach Paris fuhr er soeben.
VIOLETTA.
Und kehrt zurück?
ANNINA.
Noch eh‘ der Tag sich neiget.
Euch sollt‘ ich’s verschweigen!
VIOLETTA.
Sehr seltsam!
Sie gibt Annina einen Wink.
Annina geht ab nach rechts.
Diener Joseph kommt mit einem Brief auf einem Tablett von links durch den allgemeinen Eingang.
Fünfter Auftritt.
Violetta, Joseph zu ihrer Linken.
JOSEPH überreicht den Brief.
Ein Brief.
VIOLETTA ihn nehmend.
Ganz gut.
Sie öffnet den Brief.
Wenn ein Geschäftsmann nach mir fragen sollte,
Laßt ihn herein!
Sie hat dabei in den Brief gesehen.
Joseph geht ab woher er kam.
Sechster Auftritt.
Violetta allein.
VIOLETTA.
Ha, ha! Entdeckte Flora meinen Wohnsitz?
Denn sie ladet mich zum Tanz für heute abend.
Vergebens wartet sie!
Sie legt den Brief auf den Schreibtisch, wo ihn später Alfred findet.
Diener Joseph kommt von links durch den allgemeinen Eingang.
Siebenter Auftritt.
Violetta. Joseph an der Tür.
JOSEPH.
Ein Herr ist draußen.
VIOLETTA für sich.
Er ist’s, den ich erwarte.
Sie gibt, mit einigen Schritten nach rechts vorn, Joseph einen Wink.
Joseph läßt eintreten.
Georg Germont kommt im hohen Hute und schwarzen Rock von links durch den allgemeinen Eingang.
Joseph nimmt Germont den Hut ab und geht ab woher er kam.
Achter Auftritt.
Violetta, Germont zu ihrer Linken.
GERMONT erast, mit Begrüßung.
Fräulein Valery?
VIOLETTA erwartungsvoll erwidernd und zum Sitzen einladend.
Die bin ich.
Beide nehmen auf den beiden Fauteuils am Schreibtisch rechts vorn Platz.
GERMONT.
In mir sehn Sie Alfreds Vater.
VIOLETTA.
Wie?
GERMONT.
Ja, des Verblendeten, der ins Verderben eilet,
Von Euch bezaubert.
VIOLETTA unwillig.
Das sagt Ihr einer Dame
Und im eignen Hause?
Sie steht verletzt auf und will sich entfernen.
Germont steht auf und hält sie mit einer Gebärde zurück.
VIOLETTA.
Erlaubt, daß ich Euch verlasse,
Mehr für Euch, als für mich.
GERMONT für sich.
Welch ein Anstand! Und doch –
VIOLETTA.
Ihr wurdet hintergangen!
GERMONT.
Die Schenkung seiner Güter
Will er Euch machen.
VIOLETTA.
Bis jetzt wagt‘ er’s nicht,
Nie nähm‘ ich sie!
GERMONT sieht umher.
Doch soviel Aufwand?
VIOLETTA, nimmt ein Papier vom Schreibtisch und überreicht es Germont.
Für alle ist dies noch Geheimnis,
Euch sei es keines.
GERMONT nachdem er gelesen.
Gott! Was entdeck‘ ich?
Eure ganze Habe wollet Ihr jetzt hinopfern?
Ach, warum müßt Ihr
Die Vergangenheit beklagen?
VIOLETTA.
Sie ist entschwunden.
Jetzt lieb‘ ich Alfred,
Und Gott hat sie vernichtet
Durch meine Reue.
GERMONT gibt Violetta das Papier zurück.
Gott hat dich nun erleuchtet!
VIOLETTA legt es wieder auf den Schreibtisch.
Wie diese Worte
Zu meinem Herzen dringen!
GERMONT.
Darf ich von dir nun ein großes Opfer fordern?
VIOLETTA mit einigen Schritten nach rechts.
O nein! Ach, schweiget!
Gewiß, Entsetzliches würdet Ihr
Verlangen, ha, ich ahn‘ es,
Ich fühl‘ es, ich war ja jetzt so glücklich!
GERMONT.
Der Vater Alfreds verlangt es,
Es verlangt’s das Heil
Der Zukunft meiner beiden Kinder.
VIOLETTA setzt sich am Schreibtisch wie vorhin und gibt Germont ein Zeichen, wieder Platz zu nehmen.
Beiden Kinder?
GERMONT lehnt freundlich ab, tritt hinter seinen Fauteuil.
Ja! – Gott schenkte eine Tochter mir,
Mein Stolz und meine Liebe;
Ein Jüngling weiht‘ in Sehnsucht ihr
Sein Herz voll süßer Triebe.
Doch kehret Alfred nicht zurück,
Dann wird er sie verlassen,
Und all ihr kaum gehofftes Glück
Wird unerfüllt erblassen.
Drum wandle, ach, zu Dornen nicht
Der Liebe Rosenketten;
Erkenne deine hohe Pflicht,
Der Tochter Glück zu retten,
Erkenne deine hohe Pflicht,
Der Tochter Glück zu sein!
VIOLETTA.
Ha! Ich verstehe! Auf kurze Zeit nur
Soll ich von Alfred mich jetzt trennen.
Ach, sehr schmerzlich wird es mir sein,
Doch –
GERMONT.
Das ist’s nicht allein.
VIOLETTA aufstehend.
Himmel! Was mehr verlangt Ihr?
Ist’s nicht genug schon?
GERMONT.
Mehr verlang‘ ich!
VIOLETTA.
Soll ich etwa auf ewig ihm entsagen?
GERMONT.
Es muß sein.
VIOLETTA.
Ach, nein! Ach, nein! Niemals!
Sie eilt an ihm vorüber nach links.
Lange Pause.
VIOLETTA.
Ach, Ihr kennet nicht mein Lieben,
Wie es glühend mich beseelet;
Wißt nicht, daß mir nichts geblieben,
Als nur er, der mich erwählet.
Alfred hat mir zugeschworen,
Mir zu sein, was ich verlor.
Meine Tage sind gezählet,
Und schon fühl‘ ich Todesschmerzen.
O laßt mir ihn, der mich erwählet,
Reißt ihn nicht von meinem Herzen,
Diese Qual erspart mir Armen,
Laßt mir Alfred, habt Erbarmen!
Sterben viel lieber,
Als getrennt von ihm zu sein!
Ach ja! viel lieber sterben ohne ihn!
Ja, ach! viel lieber sterben ohne ihn!
Ach – ja, gebt lieber mir den Tod!
Sie sinkt in die Kniee.
GERMONT.
Ich heisch‘ ein schweres Opfer!
Er hebt sie auf und führt sie zum Sofa links.
Doch hört mich ruhig an.
Jugend und Schönheit besitzest du,
Doch wie bald –
VIOLETTA erschüttert auf dem Sofa.
Genug! Nicht weiter!
Ich versteh‘ Euch, doch unmöglich ist’s!
Ihn einzig nur kann ich lieben!
GERMONT vor ihr stehend.
Ich glaub‘ es!
Doch des Menschen Sinn ist wandelbar.
VIOLETTA erschüttert.
O Himmel!
GERMONT.
Wenn einst die Zeit den flücht’gen Traum
Der Gegenwart zerstöret,
Zerfließt dein Glück zu eitlem Schaum,
Das Herz ist wahnbetöret.
Da wird kein lebend Trostgebild
Dem Herzen Balsam sein,
Denn Gottes Segen, hehr und mild,
Ward niemals dem Verein.
VIOLETTA.
O Gott! ’s ist wahr!
GERMONT.
Entsag‘ dem leeren Wahne,
Bekämpfe deine Brust!
VIOLETTA.
’s ist wahr! O Gott!
GERMONT.
Ich zeige dir der Tugend Bahn,
Die du betreten mußt.
Ein Schutzgeist sei von dieser Stund‘
Den Meinen du fortan!
Bedenk‘, aus eines Vaters Mund
Der Himmel zu dir spricht,
Ja, zu dir spricht!
VIOLETTA noch auf dem Sofa; im größten Schmerz, für sich.
Weh, für mich Arme ist alles verloren,
Ich bin zu ewiger Buße erkoren!
GERMONT.
Sei du den Meinen Schutzgeist;
Aus eines Vaters Mund
Spricht Gott zu dir,
Ja, spricht Gott zu dir!
VIOLETTA.
Mag mir der gnädige Gott auch verzeihen,
Werden stets Richter die Menschen mir sein,
Ja, werden stets Richter
Mir die Menschen, die Menschen sein!
GERMONT.
Den Meinen sei Schutzgeist von dieser Stunde,
Bringe das Opfer nun jetzt für sie!
VIOLETTA.
Hin ist die Hoffnung! – Hin ist das Glück! –
Ach!
Sie steht auf.
Saget der Jungfrau, es wird gelingen,
Daß ihrem Glücke ich das Opfer will bringen.
Hab‘ ich den Trost dann doch,
Den Trost, ja, den Trost mir erworben,
Daß ich als Opfer für sie, ja,
Als Opfer gestorben für sie!
GERMONT.
Weine, weine, weine, o armes Kind!
Weine, weine, weine, ach, armes Mädchen!
Ein schweres Opfer sollst du mir bringen,
O ich erkenne, was ich verlange,
Tief in der Seele fühl‘ ich dein Leiden!
Dein edles Herz wird Sieger sein,
Ja, wird Sieger sein!
VIOLETTA.
Saget der Jungfrau, es wird gelingen,
Daß ihrem Glücke ich das Opfer bringen will;
Hab‘ ich den Trost dann doch,
Den Trost, ja, den Trost mir erworben,
Daß ich als Opfer für sie,
Ja, als Opfer gestorben für sie!
Sie wiederholt.
Als Opfer nur sterb‘ ich für sie,
Ja, als Opfer, als Opfer nur sterbe ich!
GERMONT.
Ja, das Opfer ist schwer,
Das ich von dir verlange!
Ja, das Opfer ist groß,
Ist unendlich, ich weiß es wohl!
Tief in der Seele fühl‘ ich dein Leiden,
Doch stets wird dein Herz,
Ja, dein Herz Sieger sein!
Weine, weine, weine, armes Kind!
Ach ja, dein edles Herz wird Sieger sein!
Er wiederholt.
Du Arme, dein edles Herz,
Ja, dein edles Herz wird Sieger sein,
Sieger sein!
VIOLETTA.
Doch wie soll ich -?
GERMONT.
Gebt vor, ihn nicht zu lieben mehr!
VIOLETTA.
Er glaubt es nicht!
GERMONT.
So fliehet!
VIOLETTA.
Er wird mir folgen!
GERMONT.
Was dann?
VIOLETTA legt sich ihm an die Brust.
O Vater, ach, laßt an Eurem Herzen
Stärke gewinnen mich!
Er soll der Eure werden,
Doch wenn er wankt und zittert,
Dann seid sein Tröster,
Verlaßt ihn nicht, den Armen!
Mit schnellem Entschluß eilt sie an ihm vorüber zum Schreibtisch rechts, setzt sich und beginnt zu schreiben.
GERMONT.
Was beginnst du?
VIOLETTA.
O dringet nicht in mich,
Jetzt nicht dürft Ihr’s wissen!
GERMONT.
Edles Mädchen!
Könnt‘ ich deine Schmerzen lindern!
Dein traurig Los, könnt‘ ich es wenden!
VIOLETTA in edler Entsagung.
Ich sterbe!
Sie erhebt sich.
Doch lasset nicht im Zorngefühl
Ihn fluchend mein gedenken;
Er möge der Erinnerung
Des Mitleids Tränen schenken.
GERMONT.
Nicht sterben wirst du, edles Herz,
Dir winkt ein fröhlich Leben;
Die Zeit heilt ja den tiefsten Schmerz,
Und wird dir auch Ruhe geben!
VIOLETTA.
Der treusten Liebe mir bewußt,
Wird er mich einst erkennen;
Der letzte Seufzer meiner Brust,
Sein Name wird es sein!
GERMONT.
Nicht sterben wirst du, edles Herz,
Froh winkt dir noch das Leben;
Die Zeit heilt ja den tiefsten Schmerz,
Sie wird dir Ruhe geben, ja, ja!
VIOLETTA.
Der treusten Liebe mir bewußt,
Wird er mich einst erkennen.
Der letzte Seufzer meiner Brust
Sein Name wird es sein!
GERMONT.
Dir winkt jetzt Ruhe! Denn gewiß:
Die Zeit heilt ja den tiefsten Schmerz,
Noch glücklich wirst du sein!
Für das, was du entbehrest,
Wird dich die Zukunft krönen!
Die Zukunft wird dich krönen,
Es wird des Opfers Wert
Dich mit deinem Schmerz versöhnen!
Er wiederholt.
VIOLETTA.
Ach, Alfred – dein Name –
Dein Name wird es sein!
Mein letzter Gedanke
Wirst, Alfred, du nur sein,
Ja, du nur sein, ja, du nur sein!
Mein letzter Seufzer, ja,
Wird deinen Namen nennen nur,
Ach ja, nur ihn allein! –
Nach außen horchend.
Doch hört – man kommt! Entfernt Euch!
GERMONT.
Mein Herz ist tief beklommen!
VIOLETTA mit einigen Schritten nach rechts.
Verlaßt mich!
Wir sehn uns niemals wieder!
BEIDE.
Denkt dieser Stunde!
VIOLETTA.
Lebt wohl!
Sie wendet sich nach hinten.
GERMONT.
Lebt wohl!
Er wendet sich nach dem allgemeinen Eingang links.
Lange Pause.
VIOLETTA weinend, sich Germont wieder nähernd.
Der höchsten Liebe mir bewußt –
GERMONT mit Empfindung, ebenfalls wieder näher tretend.
Ja!
VIOLETTA wie vorher.
Wird er mich einst erkennen!
GERMONT ebenso.
Ja!
VIOLETTA.
Der letzte Seufzer meiner Brust –
Tränen ersticken ihre Stimme; Pause.
Lebt wohl –
GERMONT.
Ich scheide!
Er ergreift ihre Hände.
BEIDE.
Lebet in Frieden, es schütz‘ Euch Gott!
Germont geht schmerzbewegt ab nach links durch die allgemeine Eingangstür.
Neunter Auftritt.
Violetta allein.
Violetta eilt gebrochen nach rechts an den Schreibtisch und schreibt.
Nr. 9. Szene und Duett.
VIOLETTA.
O Himmel, sei mir gnädig!
Sie couvertiert und läutet.
Die Dienerin Annina kommt von rechts.
Zehnter Auftritt.
Violetta am Schreibtisch rechts, Annina zu ihrer Linken stehend.
ANNINA.
Nach mir verlangt Ihr?
VIOLETTA.
Ja! – Dies Blatt sollst selbst du überbringen!
Sie überreicht den Brief.
ANNINA nimmt ihn und liest die Adresse; erstaunt.
Ha!
VIOLETTA.
Sei schnell nur und verschwiegen!
Annina eilt ab nach links durch die allgemeine Eingangstür.
Elfter Auftritt.
Violetta allein.
VIOLETTA mit bebender Stimme.
Und nun an ihn geschrieben!
Was sag‘ ich ihm?
Die Kraft, woher sie nehmen?
Sie schreibt an Alfred und schließt den Brief, dabei ihrer Trostlosigkeit und Verzweiflung vollen Ausdruck gebend.
Alfred Germont wird am Schlusse des Nachspiels von links Mitte her in der Mitteltür sichtbar.
Zwölfter Auftritt.
Violetta noch am Schreibtisch sitzend, Alfred zu ihrer Linken.
ALFRED tritt leise vor und hinter Violetta.
Was machst du?
VIOLETTA schnell den Brief versteckend.
Gar nichts.
ALFRED.
Du schriebst ja!
VIOLETTA verwirrt.
Ja – nein!
ALFRED.
Und dieses Beben?
An wen wohl schriebst du?
VIOLETTA.
An dich.
ALFRED.
Dann gib das Blatt mir.
VIOLETTA.
Nein, nur jetzt nicht.
ALFRED.
Ach, vergib mir, verzeihe meinen Unmut!
VIOLETTA aufstehend und den Brief zu sich steckend.
Was hast du?
ALFRED.
Mein Vater ist hier!
VIOLETTA.
Warst du bei ihm?
ALFRED.
O nein! Strenge Worte künden mir ihn an.
Doch ich erwart‘ ihn!
Wenn er dich sieht, wird er dich lieben!
VIOLETTA bewegt, noch am Schreibtisch.
Er darf mich hier nicht finden.
Laß mich von hier entfliehen!
Besänftige ihn!
Sie nähert sich Alfred.
Dann ihm zu Füßen werd‘ ich mich werfen!
Nicht trennen mehr wird er uns dann!
Sie umarmt ihn.
Ach ja, wir werden noch glücklich sein,
Denn nicht wahr, du liebst mich,
Du liebst mich, mein Alfred?
Weinend.
Nicht wahr, ja, du liebst mich,
Du liebst mich, mein Alfred, nicht wahr?
Du liebst mich, o so rede!
ALFRED.
Unendlich! – Warum in Tränen?
VIOLETTA.
Der Tränen war ich sehr bedürftig –
Jetzt bin ich ruhig – du siehst es –
Denn ich lächle – du siehst es –
Jetzt bin ich ruhig – denn ich lächle!
Dort werd‘ ich sein – unter den Blumen –
Dir stets zur Seite, immer, immer nah‘ bei dir!
In seinen Armen.
Ach! Du, mein Alfred,
Lieb‘ mich aus ganzer Seele!
Ach! liebe mich, wie ich dich liebe,
Dich liebe in Ewigkeit!
Tief empfundene, sehr langsame Verabschiedung nach der hier nochmals eingefügten Stelle: »Liebe, ach, Liebe, allmächt’ges Gottesherz;« sie fällt Alfred an die Brust, sinkt halb an ihm nieder, ihn so drehend, daß er auf die rechte Seite kommt; dann sieht sie ihn innig liebend an; die Hände auf seinen Schultern wendet sie sich mit ihm, so daß sie hinter ihm steht und nun seine Schultern losläßt.
Alfred tritt ergriffen einen Schritt auf sie zu.
VIOLETTA wehrt ihm liebend-schmerzdurchzuckten Antlitzes mit vorgehaltenen Händen und entfernt sich langsam, rück wärts schauend, nach links durch den allgemeinen Eingang; gesprochen.
Alfred! – Lebewohl!
Dreizehnter Auftritt.
Alfred allein.
Nr. 10. Szene und Arie.
ALFRED leise nachrufend.
Lebewohl! –
Mir allein schlägt dies Herz
Nur in treuer Liebe! –
Er sieht nach der Uhr.
Schon spät ist’s!
Werd‘ ich den Vater heute wohl noch sehen!
Der Diener Joseph tritt bestürzt von links durch den allgemeinen Eingang ein.
Vierzehnter Auftritt.
Alfred, Joseph zu seiner Linken.
JOSEPH.
Die Herrin ist entflohen;
Ein Wagen harrte ihrer
Und schon eilt sie auf der Straße nach Paris hin!
Annina früher schon als sie war verschwunden!
ALFRED.
Ich weiß das alles!
JOSEPH für sich.
Was sagt Er da?
Er entfernt sich woher er kam.
Fünfzehnter Auftritt.
Alfred allein.
ALFRED.
Ihr Letztes mir zu opfern,
Ist sie vielleicht dahin geeilt.
Annina doch gibt’s nicht zu! –
Er wird aufmerksam und wendet sich nach der Glasmitteltür.
Hör‘ ich nicht Schritte nahen? Wer kommt?
Ein Kommissionär kommt mit einem Brief von links Mitte durch den Garten und durch die Mitteltür.
Sechszehnter Auftritt.
Alfred, Kommissionär zu seiner Linken.
KOMMISSIONÄR.
Bin ich bei Herrn Germont?
ALFRED.
Der bin ich.
KOMMISSIONÄR.
Eine Dame zu Wagen gab,
Gar nicht weit von hier,
Für Euch mir dieses Schreiben,
Er übergibt den Brief und geht ab woher er kam.
ALFRED nach einer Pause, den Brief in seiner Hand anstarrend.
Von Violetta? – Jedoch woher dies Bangen?
Vielleicht wünscht sie,
Daß ich ihr gleich soll folgen!
Pause.
Georg Germont kommt unauffällig und leise von links Mitte durch den Garten und durch die Mitteltür, seinen Sohn mit ernsten Blicken beobachtend.
Siebzehnter Auftritt.
Alfred. Germont.
ALFRED.
Ich zittre! – O Gott!
Sich aufraffend.
Nur Mut!
Er öffnet den Brief.
Germont tritt ihm leise ganz nahe.
ALFRED liest.
»Mein Alfred, beim Empfange dieser Zeilen –
Er stößt einen Schrei aus:
»Ha!«
Dreht sich und befindet sich in den Armen seines Vaters.
Ach, mein Vater!
GERMONT.
Mein Alfred! O wie du leidest!
Trockne die Tränen,
Und sei der Meine wieder,
Mein Stolz, meine Freude!
Alfred entwindet sich ihm und wirft sich vernichtet und im tiefsten Schmerz auf den Fauteuil am Schreibtisch rechts, sein Gesicht mit den Händen bedeckend.
GERMONT näher tretend.
Hat dein heimatliches Land
Keinen Reiz für deinen Sinn?
Er wiederholt.
Wer zerriß das schöne Band,
Das dich zog zur Heimat hin?
Er wiederholt.
Schwebt nicht deiner Jugend Bild
Durch den Traum in stiller Nacht?
Hast du niemals dankerfüllt
An das Vaterhaus gedacht?
Er wiederholt.
Hör‘ Gottes Ruf! Hör‘ Gottes Ruf! O folge mir! –
Ach, du weißt nicht, wie mein Herz
Voller Qualen, seit du fort.
Er wiederholt.
Meine Nahrung war der Schmerz,
Trüb‘ erschien mir jeder Ort.
Er wiederholt.
Doch kehrst du jetzt mir zurück
An die treue Vaterbrust,
Ja, dann wird uns allen Glück,
Neues Leben, neue Lust.
Er wiederholt.
Dann hast du, Gott, mein Flehn erhört,
Ja, ja, alsdann bin ich erhört!
Ach! Kehrst nur du zurück an meine treue Brust,
Dann hast du, Gott, mein Flehn erhört!
Er sucht Alfred aufzurichten.
Und kein Wort deinem Vater
Für soviel Liebe?
ALFRED.
Schlangenbisse zerrissen mir die Brust!
Den Vater zurückdrängend.
Lasset mich!
GERMONT.
Dich lassen?
ALFRED entschlossen.
Auf, zur Rache!
GERMONT.
Nicht mehr zögre, eile hinweg nun!
ALFRED.
Es war Douphal –
GERMONT.
O folge mir!
ALFRED.
Nein!
GERMONT.
Soll ich trostlos von hinnen gehn? –
Ich mache keinen Vorwurf dir,
Vergangnes sei vergeben;
Verlass‘ dein jetz’ges Leben,
O hör‘ mein bittend Wort!
Ein Vater, eine Schwester hat
Soviel um dich gelitten,
O lasse dich erbitten,
Erhör‘ mein flehend Wort!
Des Wiedersehens Jubel tönt
Von ferne dir entgegen,
Dir winket Gottes Segen,
Drum komm und eile fort!
Beide wiederholen.
ALFREDS blicke fallen unwillkürlich auf den von Violetta auf dem Schreibtisch liegen gelassenen Brief Floras; daraufhin zeigend.
Sie ist auf dem Feste!
Er schnellt empor.
Auf und hin, zu rächen diese Schmach!
Er eilt ab durch die Mitteltür nach links hin.
GERMONT.
Was sagst du? O hör‘ mich!
Er eilt ihm nach.
Umzug: Violetta, Flora und Gaston.
Dritter Aufzug.
Nr. 11. Zweites Finale.
Der Vorhang hebt sich im neunten Takte.
Erster Auftritt.
Flora Bervoix. Marquis von Obigny. Doktor Grenvil. Gäste. Diener.
Alle Teilnehmer sind einem modernen Maskenball entsprechend gekleidet und verlarvt bis zur Demaskierung.
Tanz.
Bewegung der Masken, so daß der Tanz halbverdeckt erscheint.
Gäste promenieren und verweilen in Gruppen.
Diener reichen Erfrischungen und bedienen.
Doktor, Flora und Marquis stehen einige Schritte zurück und kommen vor.
FLORA.
Maskenscherz soll uns froh die Nacht vertreiben!
Wir danken’s dem Vicomte!
Violetta und Alfred sind auch geladen!
MARQUIS.
Und wisset Ihr’s noch nicht,
Daß Germont entzweit mit Violetta?
DOKTOR UND FLORA.
Ist’s Wahrheit?
MARQUIS.
Mit dem Baron wird sie gleich hier erscheinen.
DOKTOR.
Ich sah sie gestern noch;
Sie schienen mir so glücklich.
Lärm rechts Mitte.
FLORA.
Doch stille! Denn hört ihr?
DOKTOR, FLORA UND MARQUIS.
Es nahen schon die Freunde!
Flora tritt nach rechts zum Sofa und nimmt dort Platz.
Marquis setzt sich auf den Fauteuil zu ihrer Linken.
Doktor nimmt hinter dem Sofa Aufstellung. Flora unterhält sich mit dem Doktor.
Gäste als Zigeunerinnen mit Tamburins eilen von rechts Mitte herbei und nehmen die Mitte.
Zweiter Auftritt.
Die Vorigen. Zigeunerinnen.
Nr. 12. Chor der Zigeunerinnen und Ensemble.
ZIGEUNERINNEN-CHOR und Tanz mit Schlägen des Tamburins.
Wir sind Zigeunermädchen
Aus fernem heißen Land;
Wir lesen aus der Hand
Der Zukunft dunkles Wort.
Die Sterne, unsre Zeichen,
Ja, die Stern‘ auf ihrer Bahn
Vertraun uns alles an,
Ja, sie vertraun uns alles an!
Wir sprechen unsern Bann,
Husch, sind, wir wieder fort.
Sie wiederholen.
Marquis steht bei der Wiederholung unauffällig auf und zieht sich auf die linke Ecke hinüber.
Einige Zigeunerinnen treten nach rechts zu Flora, um aus deren Hand zu weissagen.
Flora steht auf.
Andere Zigeunerinnen ebenso nach links zu dem Marquis.
DIE EINEN Floras Hand prüfend.
Laßt sehen! –
Ihr, Signora, von Rivalinnen
Seid Ihr umgeben.
Sie lassen die Hand los.
DIE ANDERN die Hand des Marquis prüfend.
Und Ihr, Marchese,
Seid wahrhaftig das Muster von Treue nicht!
Sie lassen die Hand los.
FLORA zum Marquis.
Ei, was muß ich erfahren?
Das fordert heiße Rache!
MARQUIS tritt wieder nach rechts zu Flora.
Verzeiht nur, daß ich lache,
Wenn Ihr auf Torheit hört!
FLORA zum Marquis.
Der Fuchs läßt nicht vom Stehlen,
Viel eher von der Haut;
Wer Euren Worten traut,
Der wahrlich ist betört,
Wer Eure Worte hört,
Der wahrlich ist betört!
Sie wiederholt.
DOKTOR UND CHOR.
So decket das Vergangne
Mit mildem Schleier zu,
Geschehnes laßt in Ruh‘;
Und die Zukunft haltet wert.
Flora, Doktor, Marquis und Chor wiederholen.
Flora und Marquis drücken dann einander die Hand.
Die Zigeunerinnen mischen sich unter die Gäste.
Gäste als spanische Stierfechter, unter ihnen Gaston von Letorières eilen mit kurzen Lanzen von links Mitte herbei.
Dritter Auftritt.
Die Vorigen. Gaston. Spanische Stierfechter.
Doktor, Flora und Marquis nehmen rechts ihre frühere Stellung ein.
Nr. 13. Chor der Stierfechter und Ensemble.
DIE STIERFECHTER stoßen während des Chores mit ihren Lanzen auf.
Aus dem Zirkus von Madrid sind wir gekommen,
In Paris das weltberühmte Fest zu feiern,
Das dem Stiere heut‘ zu Ehren wird gegeben.
Mit der Liebe sind wir auch vertraut, wie keiner;
Ja, mit Liebe sind wir wohl vertraut
Und wollt ihr Proben? Wir stehen zu Diensten!
FLORA, DOKTOR, MARQUIS, GASTON UND CHOR DER FRAUEN.
Ja, ihr Helden, erzählet, erzählet,
Mit Vergnügen wir euch hören!
GASTON UND CHOR DER STIERFECHTER.
Nun, so höret!
War Piquill ein muntrer Fechter
Von Biscaya, vielbekannt:
Stark sein Arm, sein Mut nicht schlechter,
Meister war er überall.
Liebt‘ ein andalusisch Mädchen,
Schön wie Sonne, stolz gesinnt;
Allbegehrt in ihrem Städtchen.
Sprach zu ihm das holde Kind:
Kannst fünf Stiere du erlegen
Mir in einem einz’gen Tag,
Komm‘ ich willig dir entgegen,
Wie es dir gefallen mag.
»Wohl, ich bringe dir die Stiere!«
Und zum Kampfplatz zog er fort;
Fünf der allerstärksten Tiere
Fällte seine Lanze dort.
Sie wiederholen.
FLORA, DOKTOR, MARQUIS UND CHOR DER FRAUEN.
Bravo, bravo,
mut’ger Fechter,
Solche Tat ziemt Helden nur;
Sie beweist die Liebe echter,
Als des Wortes leerer Schwur.
GASTON UND CHOR DER STIERFECHTER.
Mit des Siegers Lorbeerkrone
Hoch geschmückt zog er zurück,
Und empfing von ihr zum Lohne
Der ersehnten Minne Glück.
FLORA, DOKTOR, MARQUIS UND CHOR DER FRAUEN.
Leicht ist’s
so, nach Fechter Weise
Um die stolzen Herzen frein.
GASTON UND CHOR DER STIERFECHTER.
Hier sind Herzen weicher; leise
Zieht die Schmeichelei hier ein.
Die Zigeunerinnen schlagen das Tamburin.
Die Stierfechter stoßen die Lanzen auf.
ALLE.
Laßt uns auch den Kampf beginnen,
Fröhlich winket uns die Bahn;
Laßt uns auch als Fechter minnen
Auf des Spieles glattem Plan.
Sie wiederholen.
Allgemeine Demaskierung.
Erkennen, Händeschütteln, Promenieren.
Alfred Germont kommt von rechts Mitte.
Vierter Auftritt.
Die Vorigen. Alfred.
Die Sitzenden stehen auf.
Begrüßung.
Nr. 14. Septett und Chor.
ALLE.
Alfred, Ihr hier?
ALFRED.
Ja, meine Freunde!
FLORA zu Alfred.
Violetta?
ALFRED kurz.
Weiß es nicht!
ALLE.
Sehr unbefangen! Bravo! –
Auf, auf, zum Spiele jetzt!
Gaston, Alfred und ein Herr nehmen Platz an dem Spieltisch links und beginnen sofort das Spiel.
Gaston hält die Bank.
Doktor und Marquis ziehen sich hinüber und sehen dem Spiele zu.
Violetta kommt am Arme Baron Douphals von rechts Mitte.
Allgemeines Staunen über Violettas Erscheinen.
Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Violetta. Baron.
Flora geht Violetta entgegen und begrüßt die beiden Eingetretenen.
FLORA zu Violetta.
Sehr erfreut mich dein Kommen.
VIOLETTA.
Du hast mich so freundlich geladen.
FLORA zum Baron.
Herzlichen Dank, Baron Euch, daß Ihr das Glück mir vergönnt.
BARON leise zu Violetta.
Germont ist hier, Ihr seht es?
VIOLETTA für sich.
Gott, es ist wahr!
Leise zum Baron.
Ich seh‘ es.
BARON leise zu ihr.
Auch nicht ein einz’ges Wörtchen dürft ihr an Alfred richten,
Nicht ein Wörtchen – keine Silbe!
Er wendet sich zum Marquis.
VIOLETTA für sich.
Warum kam ich Unglücksel’ge!
Ach, Gnade, Gnade, mein Gott, mit mir!
FLORA zu Violetta.
Setz‘ dich zu mir und erzähle,
Was ihr Neues erfahren?
Sie zieht Violetta nach dem Sofa rechts, mit ihr dort Platz nehmend und sich leise mit ihr unterhaltend.
Doktor geht unauffällig nach rechts hinüber auf die äußerste rechte Ecke.
Baron und Marquis unterhalten sich.
ALFRED.
Ein Vierer!
Er zieht Geld ein.
GASTON.
Wieder gewonnen!
ALFRED.
Ja, Unglück in der Liebe
Bringt immer Glück im Spiele!
Er setzt und gewinnt.
Flora und Violetta erheben sich und plaudern mit einer hinter ihnen stehenden Gruppe.
Doktor zieht sich wieder hinten weg zum Spieltisch nach links hinüber und beobachtet das Spiel.
GASTON, MARQUIS UND HERRENCHOR.
Immer bleibt er Gewinner!
ALFRED.
Ich werde stets gewinnen
Und ganz mit Gold beladen
Zum seligen Genusse nach Hause
Heim dann kehren.
FLORA tritt in die Mitte dem Spieltisch näher; zu Alfred.
Allein?
ALFRED sehr deutlich nach rechts hin.
Nein, nein! Mit jener, die früher mit mir war,
Doch dann mir entflohen!
VIOLETTA.
O Himmel!
Sie droht umzusinken.
Flora eilt, sie stützend, zu ihr.
GASTON leise zu Alfred.
Habt Mitleid doch.
BARON tritt vor, zornig zu Alfred.
Mein Herr!
VIOLETTA leise zum Baron.
O mäßigt Euch, sonst geh‘ ich.
Sie geht mit Flora zum Sofa rechts; beide ohne sich zu setzen.
ALFRED unbefangen sich erhebend und dem Baron nähertretend.
Baron, Ihr habt gerufen.
BARON ironisch zu Alfred.
Ihr seid so sehr im Glücke,
Daß Ihr mich zum Spiel verleitet.
ALFRED ironisch erwidernd.
Gut, ja, der Kampf beginne.
Baron und Alfred treten nach links zum Spieltisch und spielen stehend.
VIOLETTA für sich.
Barmherz’ger Himmel, laß mich sterben!
O Gott, hab‘ Mitleid mit mir Armen!
Sie sinkt aufs Sofa.
Flora beschäftigt sich mitleidsvoll mit ihr.
BARON setzt.
Ich setze hundert auf diese.
ALFRED setzt.
Und ich auf diese hundert.
GASTON zieht eine Karte ab, zu Alfred.
Ein Aß – ein Bube – Gewonnen!
BARON.
Ich verdopple.
ALFRED.
Wohlan, ich halte!
GASTON zieht ab, zu Alfred.
Ein Vierer. Ein Siebener!
MARQUIS, DOKTOR UND CHOR in der Nähe des Spieltisches.
Schon wieder?
ALFRED.
Ja, wieder bin ich Sieger!
Er zieht die Banknoten ein und steckt sie in die Brusttasche.
MARQUIS, DOKTOR, GASTON UND CHOR in der Nähe des Spieltisches.
Bravo, Alfred, das Schicksal begünstigt
Euch allein nur!
FLORA die Mitte nehmend.
Ja, mein Baron, schon seh‘ ich’s,
Ihr müßt die Kosten tragen!
ALFRED zum Baron.
Nun fahrt nur fort!
Ein Diener kommt von rechts Mitte.
Sechster Auftritt.
Die Vorigen. Diener.
DIENER.
Das Mahl ist bereit!
Er geht ab woher er kam.
FLORA.
So gehn wir.
Sie tritt zu Violetta und ladet sie zum Gehen ein.
MARQUIS, DOKTOR, GASTON UND CHOR.
So gehn wir.
FLORA.
So gehn wir!
MARQUIS, DOKTOR, GASTON UND CHOR.
Zu Tisch!
Die Sitzenden erheben sich.
Marquis reicht Flora den Arm und geleitet sie ab nach rechts Mitte.
Gaston und die Gäste folgen nach dorthin.
VIOLETTA für sich.
Barmherziger Himmel, laß mich sterben!
O Gott, hab‘ Mitleid mit mir Armen!
Doktor reicht Violetta den Arm und geleitet sie ab nach rechts Mitte.
Siebenter Auftritt.
Baron, Alfred zu seiner Linken.
ALFRED zum Baron, gemessen und auf der Lauer.
Wollt Ihr nun weiterspielen?
BARON gemessen, vorsichtig abwehrend.
Für jetzt sind wir verhindert,
Doch später bin ich bereit, jetzt nicht.
ALFRED wie vorher.
In welchem Spiel Ihr wollet.
BARON wie vorher.
Die Freunde warten – später.
ALFRED wie vorher.
Zu Diensten steh‘ ich immer!
Sich entfernend.
So kommt!
BARON schon nicht mehr sichtbar.
So kommt!
Violetta kehrt nach einer längeren Pause von rechts Mitte zurück.
Achter Auftritt.
Violetta allein.
VIOLETTA.
Mir zu folgen gab ich ihm ein Zeichen.
Mit einigen Schritten nach links.
Wird er kommen? Wird er mich hören? Gewiß, er kommt!
O daß sein schrecklicher Haß meine Stimme übertöne!
Alfred kommt von rechts Mitte und tritt Violetta zur Linken.
Neunter Auftritt.
Violetta, Alfred zu ihrer Linken. Dann Douphal, Marquis, Flora, einige Masken.
ALFRED gemessen.
Ihr befahlt mir? Was verlangt Ihr?
VIOLETTA drängend.
Diesen Ort sogleich verlasset,
Denn Gefahren Euch umgeben!
ALFRED.
Ich verstehe! Spart die Sorge!
Für so feig könnt Ihr mich halten?
VIOLETTA.
Nein, nein, das nicht!
ALFRED.
Nun wohl, was ist Euch?
VIOLETTA.
Vor dem Barone banget mir.
ALFRED.
Wir hassen uns auf Tod und Leben.
Und wenn er fällt durch meine Hand,
Ein einz’ger Streich möcht‘ Euch dann rauben,
Ja, ein einz’ger Streich Euch rauben
Mit dem Geliebten den Beschützer.
Ha, nicht wahr, daß macht Euch zittern?
VIOLETTA.
Nur daß Ihr im Streite fallet,
Ist das Unglück, was ich fürchte
Und vor dem allein ich zittre.
ALFRED.
Ob ich sterbe, kann’s Euch kümmern?
VIOLETTA drängend.
Fliehet, fliehet, o flieht von hinnen.
ALFRED.
Ja, ich fliehe, doch zuvor noch schwöre mir,
Daß du mir folgen wirst,
Wohin den Schritt ich wende!
VIOLETTA.
Ach, nein! nein! niemals!
ALFRED.
Wie? Du willst nicht?
VIOLETTA.
Geh‘, Unglücksel’ger, vergiß den Namen,
Der geschändet, geh‘, verlaß mich!
Zögre nicht, ach! Dich zu fliehen
Tat ich einen heil’gen Schwur!
ALFRED.
Und wem? Sage – sage, wem?
VIOLETTA.
Dem, ders Recht zu fordern hatte!
Einige Masken gehen hinten vorüber.
ALFRED.
War’s Douphal?
VIOLETTA sich gewaltsam bekämpfend.
Ja.
ALFRED mit gesteigerter Empörung.
Also liebst – du ihn?
VIOLETTA wie vorher, entschlossen.
Wohlan – ich lieb‘ ihn!
Douphal, Flora, Marquis und einige Herren zeigen sich hinten von rechts her.
ALFRED außer sich vor Zorn, eilt zur Tür rechts Mitte und ruft die ganze Gesellschaft zusammen.
Ihr Freunde, hört!
Flora, Gaston, Doktor, Marquis, Baron, alle Herren und Damen der Gesellschaft, die Dienerschaft, die Zigeunerinnen ohne Tamburins und die Stierfechter ohne Lanzen kommen von rechts Mitte und treten in banger Erwartung vor.
Zehnter Auftritt.
Violetta. Flora. Gaston. Doktor. Marquis. Baron. Alfred. Herren und Damen.
Violetta stützt sich ganz erschöpft krampfhaft auf den Tisch rechts vorn.
ALLE außer Violetta und Alfred.
Ihr habt gerufen?
Sagt, was habt ihr?
ALFRED auf Violetta zeigend.
Seht das Mädchen! Kennt ihr sie?
ALLE ANDERN wie vorher, erstaunt und erwartungsvoll, wo das hinaus soll.
Wie? Violetta?
ALFRED.
Was sie tat,
Wißt ihr noch nicht?
VIOLETTA zu Alfred.
O schweige!
ALLE ANDERN wie vorher.
Nein!
ALFRED.
Was sie besaß, sie gab es hin,
Gab es in meinen Willen!
Ich Feiger, Blinder, nahm es an,
Mein tobend Herz zu stillen.
Noch ist es Zeit, mich frei zu sehn
Von solchen schnöden Banden,
Zeugen drum seid ihr alle mir,
Ja, Zeugen seid ihr alle mir,
Daß ich sie nun auch bezahlte hier,
Daß ich sie auch bezahlt!
Er nimmt aus seiner Brusttasche die Banknoten, tritt an Violetta heran, wirft sie ihr verächtlich vor die Füße und kehrt dann auf seinen Platz zurück.
Violetta sinkt, von Flora und den Umstehenden unterstützt, zu Tode getroffen auf das Sofa rechts.
Georg Germont war schon vorher von links Mitte sichtbar geworden.
Elfter Auftritt.
Die Vorigen. Germont.
Germont drängt sich schmerzlich ergriffen, in ernster würdevoller Haltung durch die Menge zwischen den Baron und Alfred.
ALLE außer Violetta und Alfred.
Schändliche Tat, die du Frecher begehst,
Diese Arme so zu Grunde zu richten;
Frecher Beleid’ger der Frauen, entferne dich eilends,
Schrecken erregst du uns hier! Fort, fort, fort, fort!
Schrecken erregst du hier!
Sie wiederholen.
Alfred sinkt links vorn in einen Sessel.
Nr. 15. Oktett mit Chor.
GERMONT schwer, würdig und gemessen zu Alfred.
Verachtung trifft den, der sich vergißt,
Den, der im Zorne ein Weib beleidigt!
Mein Sohn, wo bist du, ich kenn‘ dich nimmer.
Du bist nicht mehr mein Alfred,
Du bist nicht mehr mein Sohn!
Mein Sohn, wo bist du? Ich kenn‘ dich nimmer,
Ich kenn‘ dich nicht, denn in dir
Kann ich nicht finden meinen Alfred!
ALFRED für sich.
O Gott, was tat ich? Entsetzen faßt mich!
Wut und Verzweiflung verschmähter Liebe
Zerriß das Herz mir. Ach, kann Verzeihung
Mir wohl noch werden? Nein, nimmermehr!
Sie wollt‘ ich fliehen, doch nicht vermocht ich’s,
Von Wut getrieben bin ich gekommen.
Nun da ich fühle, was ich verbrochen,
Faßt mich der Reue, der Reue Schmerz!
FLORA, DOKTOR, MARQUIS UND GÄSTE zu Violetta.
O wie du leidest! O fass‘ ein Herz!
Hier leidet jeder mit dir den Schmerz.
Einzig von Freunden bist du umgeben,
Laß nicht verbittern dein Leben dir!
BARON.
Ha, diese tiefe Kränkung, die sie erduldet,
Ihr armes Herz hat dies nicht verschuldet!
Leise zu Alfred.
Wahrlich, ich werde die Arme rächen,
Für immer brechen den Stolz in Euch!
GERMONT für sich.
Ich unter allen allein nur, ich weiß,
Wie sie ihn liebet, so treu und so heiß;
Welch edler Tugend ist ihr Herz fähig,
Doch ach, das Schicksal will, daß ich schweig‘!
ALFRED von schneller Reue erfaßt.
Was tat ich? – Weh mir! weh mir, was tat ich!
Mich faßt Entsetzen! Find‘ ich Verzeihung? Nein, nimmermehr!
VIOLETTA die sich allmählich erholt und erhoben hat.
Alfred, du weißt nicht, wie ich dich liebe!
Kennst nicht des Herzens allmächt’ge Triebe;
Ob du mir fluchest, nicht um Gewinn
Gab‘ ich deine Liebe, ach, Liebe hin!
FLORA UND GASTON zu Violetta.
Wie du leidest, o Gott! Violetta, getrost!
Nur Freunde hast du hier!
Trockne die Tränen, o trockne sie!
Verbittre so nicht dein Leben,
Hier, ja, leidet jeder mit dir den Schmerz,
Mit dir den Schmerz!
Sie wiederholen.
DOKTOR, MARQUIS UND CHOR zu Violetta.
Wie du leidest, o Gott! Violetta, getrost!
Nur Freunde hast du hier!
Trockne die Tränen, o trockne sie!
O wie du leidest! Fass‘ dir doch ein Herz,
Denn hier leidet ein jeder mit dir diesen Schmerz!
Du bist hier ja von Freunden, von Freunden umgeben,
Laß nicht von den Tränen verbittern dein Leben!
O trockne die Tränen, ja, trockne die Tränen!
O wie du so leidest! fass‘ dir doch ein Herz,
Denn hier leidet ein jeder mit dir diesen Schmerz!
O trockne die Tränen, o stille den Schmerz!
Sie wiederholen.
BARON leise zu Alfred.
Bei Gott, ich werde die Arme rächen
Und solchen Stolz Euch gewiß noch brechen!
Die schändliche Kränkung, die sie hier erduldet,
Hat nimmer ihr armes Herz an Euch verschuldet!
Dieser elende Stolz, er muß brechen noch heut‘!
Er wiederholt.
ALFRED steht auf, für sich.
O Gott, was tat ich! Entsetzlich ist’s!
Er wiederholt.
Verzweiflung, ach, ergreift mein Herz!
O Gott, was tat ich! Entsetzen faßt mich!
Wut und Verzweiflung verschmähter Liebe
Zerriß das Herz mir! Ach, kann Verzeihung
Ich wohl noch finden! Nein, nimmermehr!
Sie wollt‘ ich fliehen, doch nicht vermocht‘ ich’s,
Voll Wut bin ich gekommen,
Und da der Zorn jetzt mich wieder verlassen,
Fühl‘ ich der Reue bittern Schmerz!
O Gott, was tat ich, Entsetzen faßt mich!
Verzeihung kann ich nicht finden mehr!
Er wiederholt.
VIOLETTA schmerzerfüllt, mit bebender Stimme zu Alfred.
Doch weh, die Stunde wird einst erscheinen,
Wo du um mich wirst noch Tränen weinen,
Wo du erkennen wirst, was ich dir war!
Dann vor Verzweiflung huldreich dich ein Gott bewahr!
Erkennen wirst du es noch einst, was ich dir war!
Sie wiederholt.
GERMONT für sich.
Ich unter allen, ich weiß allein nur,
Und doch muß ich schweigen hier,
Das herbe Schicksal verlangt’s von mir.
Sie liebet ihn ja so treu und so heiß, ja, so treu!
Welch edler Tugend ist fähig ihr Herz!
Schweigen muß ich, ja, schweigen hier!
Er wiederholt.
Violettas letzte Kraft ist gewichen, sie fällt in Floras Arme.
Germont zieht Alfred nach links Mitte hinaus.
Baron folgt beiden.
Die Übrigen teilnehmend um Violetta gruppiert.
Umzug: Violetta, Alfred, Germont, Doktor.
Vierter Aufzug.
Nr. 16. Introduktion, Szene und Arie.
Der Vorhang hebt sich langsam nach dem vierunddreißigten Takte.
Erster Auftritt.
Violetta. Ihre Dienerin Annina.
Violetta liegt schlummernd im Bett in der Nische hinten.
Annina sitzt schlafend auf dem Stuhl links vom Bett.
VIOLETTA erwachend.
Annina!
ANNINA ebenso.
Was befehlt Ihr?
Sie springt auf.
VIOLETTA.
Du Arme, hast geschlummert?
ANNINA.
Ja. O verzeiht mir!
VIOLETTA.
Einen Tropfen Wasser. –
Annina bringt ihr ein Glas mit Wasser vom Tischchen rechts vom Bett.
VIOLETTA trinkt.
O sag‘ mir, wie spät mag’s sein?
ANNINA stellt das Glas auf das Tischchen zurück.
Es schlug Sieben.
VIOLETTA.
Etwas Licht laß nun herein.
Annina öffnet die Vorhänge am Fenster links vorn.
Das Tageslicht dringt ein, es wird heller.
ANNINA sieht den Arzt unten auf der Straße.
Eben kommt Herr Grenvil.
VIOLETTA.
Der wahrste Freund mir!
O laß mich ihn empfangen.
Sie steht auf.
Annina unterstützt sie.
Doktor Grenvil kommt mit Hut und Stock von links, legt beide auf das Tischchen links vom Bett und ist sofort Violetta behilflich.
Zweiter Auftritt.
Die Vorigen. Doktor.
VIOLETTA.
Wie seid Ihr gut, so früh an mich zu denken!
DOKTOR fühlt ihr den Puls.
Freundin, wie geht’s Euch heute?
VIOLETTA.
Mein Körper leidet, doch mein Geist ist ruhig.
Es stärkte gestern mich ein frommer Priester;
Ach, Religion ist Labsal
Für ein leidend Wesen!
DOKTOR geleitet mit Annina die Kranke zum Lehnstuhl rechts vorn.
Und diese Nacht?
Annina rückt Kissen und Fußbank zurecht.
VIOLETTA.
Hatte ich ruh’gen Schlummer.
DOKTOR.
Drum fasset Mut nur, nicht mehr
Fern von Euch ist die Genesung.
VIOLETTA.
O schonendes Betrügen, dem Arzte ist’s verziehen.
DOKTOR ihr die Hand drückend.
Lebt wohl denn! Ich komme später!
Er nimmt Hut und Stock vom Tischchen links vom Bett und wendet sich zur Tür links.
VIOLETTA.
Ich seh‘ Euch wieder? –
Doktor bejaht durch eine zustimmende Gebärde.
ANNINA begleitet den Doktor, fragt ihn leise und schnell.
Wie steht’s um die Herrin?
DOKTOR leise.
Nur kurze Stunden noch
Wird ihr Leben dauern.
Er geht ab nach links.
Dritter Auftritt.
Violetta auf dem Lehnstuhl rechts sitzend. Annina sie bedienend.
ANNINA löscht die Nachtlampe auf dem Tischchen rechts vom Bett und kehrt zu Violetta zurück.
Nun faßt ein Herz!
VIOLETTA.
Haben wir einen Festtag?
ANNINA tritt ans Fenster links vorn.
’s ist ganz Paris in Jubel,
Da Karneval heut‘!
VIOLETTA.
In diesem wilden Toben,
Ach, wie viele Arme vergießen Tränen!
Hinweisend.
Welche Summe enthält dies Kästchen?
Annina ist zu Violetta zurückgekommen und öffnet die Schatulle auf dem Toilettentisch, an dem Violetta sitzt.
Zwanzig Dukaten.
VIOLETTA.
Zehne davon reich‘ alsogleich den Armen.
ANNINA entnimmt abzählend der Schatulle diesen Betrag.
Wenig dann bleibt für Euch noch.
VIOLETTA schmerzlich.
Ja. Doch für mich genügt es.
Dann frage nach Briefen für mich.
ANNINA.
Doch Ihr?
VIOLETTA.
Sei unbesorgt! Beeil‘ dich,
Wenn du kannst!
Annina geht mit dem Gelde ab nach links.
Vierter Auftritt.
Violetta allein. Dann Chorstimmen außerhalb.
VIOLETTA zieht einen Brief hervor, den sie bei sich hatte und liest mit tonloser Stimme unter der Musik. »Das Versprechen habt Ihr gehalten. Das Duell fand statt: der Baron ward verwundet, doch nicht gefährlich. Alfred ist auf fremdem Boden: Euer Opfer hab‘ ich selbst ihm enthüllt. Er kehrt zu Euch zurück, um Vergebung zu erflehen; ich folg‘ ihm. Schont Euch, daß Euch die Zukunft heiter lächle. Georg Germont.«
Sie steht auf; mit Grabesstimme.
Zu spät!
Ich harre vergebens, nie seh‘ ich ihn wieder!
Sie sieht in den Spiegel des Toilettentisches.
Gott, wie verändert bin ich!
Doch der Doktor, er ermutigt mich, zu hoffen.
Nein, bei meinen Leiden ist fruchtlos alles Hoffen.
Sie legt einige Schmucksachen: Ringe, Ohrringe, ein Armband u.s.w. ab, die sie noch trug und legt sie auf den Toilettentisch.
Lebt wohl jetzt, ihr Gebilde, die ihr einst mich umfangen,
Ach, verblüht sind die lieblichen Rosen der Wangen.
O wär‘ nur der eine, wär‘ Alfred nur nahe,
Daß Trost meine sterbende Seele empfahe,
Daß Trost ich empfahe!
O gnädiger Himmel, sei du mit mir Armen,
Und schenke dem schmachtenden Herzen Erbarmen.
Ach, alles, alles schwand dahin,
Ach, alles, alles schwand ja dahin!
Die Freuden und Leiden sind bald überwunden;
Dann im Grabe verschlaf‘ ich die bleiernen Stunden.
Mein Hügel empfängt weder Blumen noch Tränen,
Kein Kreuz wird der Welt meinen Namen erwähnen,
Keine Blume, kein Kreuz, ach!
Gnädiger Himmel, sei du mit mir Armen,
Und schenke dem schmachtenden Herzen Erbarmen.
Ach, alles, alles schwand dahin,
Ach, alles, alles schwand ja dahin!
Sie sinkt wieder in ihren Lehnstuhl rechts vorn nieder.
Nr. 17. Bacchanal.
KARNEVAL-CHOR außerhalb.
Auf, gebet Raum dem gewaltigen Stiere,
Dem wir die Hörner bekränzet mit Reben;
Platz gebet unserm Herrn, dem mächt’gen Tiere!
Pauken und Pfeifen laßt ihn Willkommen heißen.
Es erschallen lust’ge Weisen,
Den gekrönten Herrn zu preisen.
Wiederholt.
Auf jetzt und bringet ihm festliche Gaben,
Heut‘ muß allein sich um ihn alles drängen;
Lustige Masken, leichtfert’ge Knaben,
Preiset ihn jubelnd mit Spiel und Gesängen.
Es erschallen lust’ge Weisen,
Den gekrönten Herrn zu preisen.
Wiederholt.
Auf, gebet Raum dem gewaltigen Stiere,
Dem wir die Hörner bekränzet mit Reben.
Preiset ihn jubelnd mit Spiel und Gesängen,
Ja, mit Spiel und mit Gesang.
Annina kommt sehr aufgeregt eilig von links zurück.
Fünfter Auftritt.
Violetta rechts sitzend, Annina zu ihrer Linken.
Nr. 18. Szene und Duett.
ANNINA.
O Herrin!
VIOLETTA ängstlich erwartungsvoll.
Was ist geschehen?
ANNINA.
Doch heute – nicht wahr?
Fühlet Ihr Euch stärker?
VIOLETTA gesteigert.
Ja! – Warum?
ANNINA.
O versprecht mir, Euch zu fassen.
VIOLETTA ungeduldig.
Ja! – Doch was ist dir?
ANNINA.
Eine große Freude harret
Eurer binnen kurzem!
VIOLETTA zitternd.
Eine Freude? O rede!
ANNINA mit Bedeutung.
Ja, teure Herrin!
VIOLETTA in höchster Erregung.
Mein Alfred? O sprich, du sahst ihn?
Er kommt, er kommt, mein Alfred!
Annina ist schon vorher nach links abgeeilt.
Alfred Germont tritt hastig und aufgeregt von links ein.
Sechster Auftritt.
Violetta, Alfred zu ihrer Linken.
VIOLETTA erhebt sich und eilt ihm wankend, jedoch in höchster Freude entgegen.
Mein Alfred!
Beide zärtlichste Umarmung.
VIOLETTA.
Geliebter Alfred, mein geliebter Alfred!
Du mein Vielgeliebter!
ALFRED.
Ach, Violetta! Du mein Alles!
Du mein Alles! Du mein Lebensglück!
Wie schuldig bin ich, o Violetta!
VIOLETTA.
Du bist mir endlich zurückgegeben!
ALFRED.
Fühl‘ hier am Herzen, ach, ob ich dich liebe.
An deiner Seite nur noch kann ich leben.
VIOLETTA.
Wenn du auch lebend mich noch gefunden,
Den Keim des Todes, ach! trag‘ ich in mir!
ALFRED.
Vergiß, o Engel, die Leidensstunden,
Verzeih‘ dem Vater und auch mir.
VIOLETTA.
Ich dir verzeihen! Verzeihung werde
Der, die gefehlt, Verzeihung mir.
ALFRED.
O Teure, nichts mehr auf der Erde
Soll mich trennen noch hinfort von dir!
VIOLETTA.
O Teurer, nichts mehr auf der Erde
Soll mich trennen noch –
ALFRED.
O Teure!
VIOLETTA.
Hinfort von dir!
ALFRED.
Nein, nichts mehr!
VIOLETTA.
Nein, nein, nichts trennen soll mich von dir!
ALFRED.
Nein, nichts trennen soll mich von dir!
Er geleitet Violetta zu dem Diwan links.
Violetta nimmt dort Platz.
ALFRED setzt sich ihr zu Füßen auf das Sitzkissen.
O laß uns fliehen aus diesen Mauern
O laß in schönre Auen uns ziehen;
Dort wird verschwinden dein banges Trauern
Und neues Leben wird dir erblühn!
Lichtstrahl und Odem wirst du mir sein,
Uns ladet freundlich die Zukunft ein!
VIOLETTA.
O laß uns fliehen aus diesen Mauern,
O laß in schönre Auen uns ziehen!
ALFRED.
Ja!
VIOLETTA.
Dort wird verschwinden mein banges Trauern,
Und neues Leben wird mir erblühn!
Lichtstrahl und Odem wirst du mir sein;
Uns ladet freundlich die Zukunft ein.
Sie erhebt sich.
ALFRED steht ebenfalls auf.
Lichtstrahl, Odem wirst du mir sein!
Sie wiederholen.
BEIDE.
Es wird entschwinden dein / mein banges Trauern,
Und neues Leben wird wieder dir / mir erblühn!
Sie wiederholen.
Annina kommt von links zurück.
Siebenter Auftritt.
Die Vorigen. Annina zurückstehend.
VIOLETTA.
Jetzt, mein Alfred, gehn wir an heil’ge Stätte,
Für deine Rückkehr laß Gott uns danken.
Sie will gehen, wankt, wendet sich an Alfred vorüber zu dem Lehnstuhl rechts, sinkt dort nieder.
ALFRED erschrocken, stützt sie.
Ha, du erbleichest!
VIOLETTA.
’s ist nichts, du weißt es!
So große Freude muß jedes Herz,
Sie will aufstehen, fällt in den Lehnstuhl zurück.
Das viel gelitten, so tief erschüttern!
ALFRED erschrocken, stützt sie.
O Himmel, Violetta!
VIOLETTA.
Es ist mein Übel, es war nur Schwäche,
Doch nun werd‘ ich stärker!
Sich zwingend.
Ich lächle! Du siehst es!
ALFRED trostlos.
Grausames Schicksal!
VIOLETTA.
’s war nichts.
Zu Annina.
Annina!
Reich‘ mir ein Kleid her!
Annina nimmt aus dem Kleiderschrank rechts vom Bett einen Umhang und legt ihn ihr um die Schultern.
ALFRED.
Du willst jetzt? O warte!
VIOLETTA sie will mühsam aufstehen.
Nein, ich muß mit dir gehen. – –
Verzweiflungsvoll.
O Gott! ’s ist unmöglich!
Sie wirft den Umhang fort und sinkt in den Lehnstuhl zurück.
ALFRED für sich.
Himmel! was seh‘ ich?
Zu Annina.
Den Arzt zu Hilfe!
VIOLETTA ebenso zu Annina.
Ach! Sag‘ ihm, sag‘ ihm,
Daß Alfred zurück nun wieder gegeben mir
Und meiner Liebe, o sag‘ ihm,
Daß ich leben muß, ja, wieder leben muß für ihn!
Annina eilt ab nach links.
Achter Auftritt.
Violetta im Lehnstuhl, Alfred zu ihrer Linken.
VIOLETTA zu Alfred.
Doch wenn auch du nicht mich retten konntest,
Dann auf der Welt rettet niemand mich mehr. –
Sich rasch erhebend.
Ach! – Mein Gott, so bald soll sterben ich,
So jung von hinnen scheiden,
Da ich dem Ziel so nahe mich
Jetzt seh‘ nach so viel Leiden.
Der Hoffnung leeres Traumgebild
Hielt freudig ich umfangen,
Mich fasset neues Bangen,
Ach, dahin ist all mein Mut!
ALFRED.
O teures Mädchen, darf ich denn
Mit dir nur seufzen, klagen?
Mit dir nur weinen bitterlich,
Und kleinlich hier verzagen?
O fasse dich, ermanne dich,
Und laß den Mut nicht sinken;
Ich seh‘ die Hoffnung winken,
Ach! Verschließ ihr nicht dein Herz.
VIOLETTA.
Alfred, mein schrecklich Ende nahet sich!
ALFRED.
Ach! Violetta, ach, beruh’ge dich!
VIOLETTA.
Alfred, es naht mein Ende sich –
ALFRED.
Violetta, ach, beruh’ge dich!
VIOLETTA.
Und unsrer Liebe Ziel!
ALFRED.
Es tötet mich dein Schmerz!
VIOLETTA.
O Alfred, das Schreckensziel ist da,
Ich hab‘ es bald erreicht! –
Ach! mein Gott, so bald soll sterben ich,
So jung von hinnen scheiden,
Da ich dem Ziel so nahe mich
Jetzt seh‘ nach soviel Leiden!
Der Hoffnung leeres Traumgebild
Hielt freudig ich umfangen,
Mich fasset neues Bangen,
Ach, dahin ist all mein Mut! –
ALFRED.
Violetta, ach, beruh’ge dich,
Es tötet mich dein Schmerz, es tötet
Mich dein Schmerz, beruh’ge dich, beruh’ge dich! –
Ruhig, meine Violetta! – O Violetta,
Beruhige dich, es tötet mich dein Schmerz,
Es tötet mich dein Schmerz!
Beruh’ge dich, o Teure!
VIOLETTA.
Mein guter Alfred!
ALFRED.
Es tötet mich dein Schmerz!
VIOLETTA.
Das Schreckensziel, das unsre Liebe trennt,
Das unsre Liebe trennet, ich hab’s erreicht!
Ach, Alfred! ja, ich hab’s erreicht!
Das Ziel, ein furchtbar schrecklich Ende nahet sich,
Es nahet furchtbar sich!
Sie sinkt in den Lehnstuhl zurück.
ALFRED.
Ach, es tötet, es tötet mich dein Schmerz!
Dein Schmerz, ach, er tötet mich!
Ach, Violetta, beruh’ge dich, denn ach!
Es tötet mich dein großer Schmerz!
Es tötet mich dein Schmerz!
Er wirft sich in seiner Verzweiflung auf den Diwan links.
Annina, Doktor Grenvil und Georg Germont kommen eilig und besorgt von links und eilen auf Violetta zu.
Neunter Auftritt.
Annina. Violetta. Doktor. Germont. Alfred.
Nr. 19. Schluß-Szene.
GERMONT schmerzbewegt.
Ach, Violetta!
VIOLETTA matt zu Germont.
Wie? Seid Ihr’s?
ALFRED sich erhebend.
Mein Vater!
VIOLETTA wie vorher.
Denkt Ihr noch meiner?
GERMONT.
Was ich versprochen, halt‘ ich.
O laß ans Herz dich schließen,
Edles Mädchen, nun als Tochter!
VIOLETTA wie vorher.
Weh‘ mir, zu spät, ach, kommt Ihr!
Ihn umarmend.
Doch dankbar bin ich Euch.
Grenvil, o sehet, so sterb‘ ich denn,
Umgeben von allen meinen Lieben.
GERMONT.
Gott, was sagt Ihr?
Für sich, Violetta beobachtend.
O Himmel! ’s ist wahr!
ALFRED zieht Germont beiseite, leise.
O siehst du sie, mein Vater?
GERMONT leise zu Alfred.
Zerreiße mir das Herz nicht,
Mir foltert Reue, ach! die Seele schon!
Ihre Worte wie ein Blitzstrahl
Schmettern mich zu Boden!
Violetta macht ein Medaillon von ihrem Halse ab.
GERMONT wie vorher.
Ich törichter Alter! O was ich verbrochen,
Jetzt erst erkenn‘ ich’s!
VIOLETTA.
O komme näher und höre, geliebter Alfred!
Alfred tritt an Germont vorüber zu ihr.
Doktor zieht sich hinter den Lehnstuhl zu Annina zurück.
VIOLETTA düster.
Teurer, hier nimm dies Bild von mir
Aus längst vergangnen Tagen;
Wie ich dich hier getragen,
Auf ihr Herz zeigend.
Sei es Erinnrung dir!
Sie reicht ihm das Medaillon.
ALFRED nimmt es knieend in Empfang.
Nicht wirst du sterben, holdes Lieb,
Dir winket neues Leben.
Es macht mein Herz erbeben,
Denk‘ ich den Tod dir nah!
Er wiederholt und steht auf.
GERMONT.
Erhabnes Wesen, das sich
Dem Opfertod geweiht,
Und mir die Leiden,
Die Leiden gern verzeiht,
Die durch mich ihr zugefügt!
VIOLETTA.
O weiht dir eine Jungfrau rein
Des Herzens heiße Triebe,
Laß sie dir Gattin sein;
Mir zuliebe, versprich es mir – zuliebe! –
Gib ihr dies Bild von mir,
Gib meinen Wunsch ihr kund;
An Gottes Thron erfleh‘ ich dann
Segen für euern Bund!
DOKTOR, ANNINA UND GERMONT tief schmerzlich.
So lang‘ mein Auge Tränen weint,
So fließen sie für dich.
Mit Engeln bin ich bald vereint,
Gott rufet dich zu sich!
Sie wiederholen.
ALFRED.
Es ist der Tod nicht, nein,
Er ruft dich jetzt noch nicht!
Ach! der Tod ist kalt, ist kalt und bleich!
O lebe, oder eine Gruft
Deckt mich mit dir zugleich.
Er wiederholt.
VIOLETTA zu Alfred, matt und mild.
Gib ihr dies Bild von mir –
Gib meinen Wunsch ihr kund –
An Gottes Throne –
Fleh‘ ich für euch, für euch!
Plötzlich wie neu belebt sich ohne Stütze erhebend.
Wie seltsam!
ALLE ANDERN.
Wie?
VIOLETTA visionär sprechend.
Die Schmerzenswut, die mich durchwühlt,
Läßt nach in mir! Das Leben kehrt wieder,
Erfüllt mich mit wunderbarer Kraft! –
Ja! – Gewiß! – Ja! – Gewiß, ich werde leben!
O Wonne!
Sie fällt in den Lehnstuhl zurück.
DOKTOR, ANNINA UND GERMONT.
O Himmel! – Tot!
ALFRED im tiefsten Schmerz.
Violetta?
ANNINA UND GERMONT.
O Gott, verlass‘ sie nicht!
DOKTOR nachdem er ihr den Puls gefühlt.
Sie hat vollendet!
ANNINA UND GERMONT.
O welch ein Schmerz!
ALFRED stürzt Violetta zu Füßen.
Ich sterb‘ mit dir!
Germont Gebärden der Verzweiflung.
Annina verhüllt das Gesicht.
Ende.