Christoph Willibald Gluck
Iphigenie in Aulis
Lyrische Tragödie in drei Aufzügen
Personen
Agamemnon
Klytemnestra, seine Gemahlin
Iphigenia, Beider Tochter
Achilles
Patroklus
Kalchas, oberster Priester
Arkas, Befehlshaber von Agamemnons Leibwache
Artemis (Diana)
Chöre:
Griechen und Griechinnen
Leibwachen
Thessalische Krieger
Weiber und Jungfrauen aus Argos, Aulis und Lesbos
Die Scene ist in Aulis.
Erster Aufzug.
Das Theater zeigt im Hintergrunde, und auf der Einen Seite, das Lager der Griechen; auf der andern eine Façade von Agamemnons Pallaste.
Erste Scene.
AGAMEMNON allein.
O Artemis, Erzürnte! umsonst gebeutst du mir
Dies grausenvolle Opfer;
Umsonst verheißest du uns deine volle Gnade,
Umsonst uns Wind zur Fahrt nach Phrygiens Gestade.
Nein! ob auch Griechenland beleidigt ist –
Um diesen Preis sey es an Troja nicht gerächt!
Entsagen will ich gern der mir verheißnen Ehre.
Und kost‘ es auch mein Leben:
Nie opfert Kalchas sie, die Tochter meines Herzens!
O Artemis, Erzürnte, umsonst gebeutst du es.
Zu der Sonne gewendet.
O du, von ew’gem Glanz umgeben,
Kannst, ohn‘ Erbleichen, du der Frevel größten sehn?
Wohlthät’ger Gott, beschütze du ihr Leben,
Erhöre du mein heißes Flehn!
Auf den Weg hin nach Mycene
Leite meines Arkas Fuß!
Täuschen mög‘ er Tochter, Gattin,
Daß sie wähnen, der Pelide achte nicht so vieler Reitze,
Wolle andre Fesseln tragen;
Und daß sie zurück dann gehn!
O du, von ew’gem Glanz umgeben,
Kannst, ohn‘ Erbleichen, du der Frevel größten sehn?
Wohlthät’ger Gott, beschütze du ihr Leben,
Erhöre du mein heißes Flehn!
Kommt Iphigenia in Aulis an,
Ja, treibt verhängnißvoll das Schicksal sie hieher:
Nichts schützet sie alsdann vor wilder Blutbegier,
Vor Kalchas, vor den Griechen, vor den Göttern.
Zweite Scene.
Kalchas, Agamemnon, Griechen.
CHOR VON GRIECHEN.
Nein! du darfst nicht länger widerstre ben!
Erfahren müssen wir noch heut
Durch dich, was Artemis gebeut!
Laß in Angst uns länger nicht schweben!
ANFÜHRER DER GRIECHEN.
Sag‘ an, und stille der Tobenden Wuth:
Was fodert Artemis von uns für Blut?
KALCHAS.
Warum mich so gewaltsam zwingen!
CHOR DER GRIECHEN.
Nein! du darfst u. s. w.
KALCHAS.
Die Göttin will, daß ich euch jetzt belehren soll. –
Von heil’gem Schauder fühl‘ ich meine Seel‘ ergriffen.
Erhabne, mächt’ge Göttin Artemis,
Mich dränget mit Gewalt dein Sehergeist,
Und zitternd künd‘ ich an, was dein Befehl uns heißt.
Daß meine schwache Hand mit Beben
Das reinste Blut vergieß‘, ist dein Gebot! ….
Ach! kann sonst nichts uns deine Gnade geben,
Als solch‘ ein blut’ger Opfertod?
O, welche Klagen! welch ein Schmerz,
Du armer Vater, für dein Herz!
Die Ihr im Olympus wohnet,
Zürnet nicht so schwer, und schonet!
AGAMEMNON UND KALCHAS.
Die Ihr im Olympus wohnet,
Zürnet nicht so schwer und schonet.
KALCHAS.
Ihr Griechen! könntet ihr das grause Opfer bringen?
DIE GRIECHEN.
Nenn‘ uns nur seinen Nahmen! und fließen soll noch heut
An Artemis Altar sein Blut, wie sie gebeut! –
O Artemis, erhabne Göttin,
Leit‘ uns zu Troja’s Mauern hin!
Und erst in dem Blut seines letzten Bewohners
Sey unser Durst nach Rache gestillt!
KALCHAS.
Beruhigt euch, und geht! Noch heute wird
Das Opfer am Altar, was Ihr verlangt, erfüllen.
Dritte Scene.
Agamemnon und Kalchas.
KALCHAS.
Du siehst, wie laut das Heer schon wüthet,
Und weißt, was Artemis durch ihren Spruch gebietet.
AGAMEMNON.
O, nenne mir sie nicht, die Göttin, die ich hasse!
KALCHAS.
Verwegener, halt ein, und fürchte ihre Rache!
Wenn ohne Säumen du gehorchest,
Dann hemmest du vielleicht den schon erhobnen Arm!
Erfüll‘ ohn‘ allen Widerstand,
Was sie unwiderruflich dir geboten!
AGAMEMNON.
Kann vom Vater das die Göttin fodern?
Er, mit eigner Hand, soll zum Altar
Führen, die von je ihm theuer war!
Sie, sein Stolz, sein Glück, sollt‘ in Flammen lodern?
Kann die Göttin das auch fodern?
Nein! ich gehorche nicht dem gräßlichen Befehl!
Schon vernehm‘ ich – und die Brust fühl‘ ich zernagt –
Klage der Natur, voll banger Schmerzen;
Und sie spricht viel lauter zu dem Herzen,
Als was dein Orakel sagt.
Nein! ich gehorche nicht dem gräßlichen Befehl!
KALCHAS.
Du wolltest deinen Eid nicht halten?
Den Göttern schworst du ihn!
AGAMEMNON.
Ich weiß, was mir die Pflicht gebeut.
Folgt Iphigenia dem Ruf nach dieser Unglücksküste,
Dann duld‘ ich, sträubend zwar, daß sie geopfert wird.
KALCHAS.
Man täuscht die Götter nicht durch Worte voller Trug;
Selbst in des Herzens Grund lies’t doch ihr scharfer Blick.
Ist Iphigenia dem Tod geweihet,
So suchest du umsonst, ihr Leben zu erhalten.
Die Götter bringen sie, trotz dir, zu dem Altar:
Sie lenken ihren Fuß schon hin.
Vierte Scene.
DIE VORIGEN. GRIECHEN die über den Schauplatz hin laufen.
Klytemnestra! die Tochter! Ihr Götter, welche Freude!
Auf! seht, und bewundert sie Beide!
Fünfte Scene.
AGAMEMNON.
Was hör‘ ich! Götter! welch ein Schmerz! die holde Tochter!
KALCHAS.
Ihr Könige, so hoch und so gebieterisch!
Der Moira Spielwerk seyd Ihr doch nur!
Ihr, denen sich ein Jeder beugt,
Beugt Euch nur selber vor den Göttern!
AGAMEMNON.
Ihr Grausamen! so soll die Unschuld doch erliegen!
Gedrückt von eurer Göttermacht,
Muß ich zum Staube mich vor eurem Willen beugen.
Man hört hinter dem Theater Gesang.
AGAMEMNON zwischen der noch entfernten Musik.
O, meine Tochter! wie ich bebe!
KALCHAS.
Das Opfer nahet sich.
AGAMEMNON.
Ach, Kalchas, laß geheim den Nahmen jetzt noch bleiben;
Die Mutter wird der Schmerz sonst zur Verzweiflung treiben!
Beide gehen ab.
Sechste Scene.
Klytemnestra, Iphigenia, Griechen und Griechinnen in ihrem Gefolge, Einwohner von Aulis beiderlei Geschlechts.
Klytemnestra und Iphigenia kommen in einem antiken Wagen auf das Theater, und sind von einem weiblichen Gefolge begleitet. Vor und hinter dem Wagen eine prächtig gekleidete Leibwache. Ihn umgiebt zahlreiches Volk, singend und tanzend.
ALLGEMEINER CHOR.
Welche Schönheit! welche Majestät!
Welche Anmuth! seht, o seht!
O, wie werth muß sie den edlen Eltern seyn!
Hochbeglückt Atreus großer Sohn!
Glücklich durch die Vaterfreuden,
Glücklich in der Gattin Armen, herrlich auf Mycene’s Thron!
KLYTEMNESTRA nachdem sie von dem Wagen gestiegen ist, sich dem Vordergrunde des Theaters nähernd.
Wie gerne hört mein Ohr dies schmeichelhafte Lob,
Das unser Volk dir froh ertheilet!
Süß ist es ja der Mutterliebe,
O, süßer noch, als das, was einst sie selbst erhob!
Geliebte Tochter, weile hier! Genieß‘ allein
Der Ehre, welche uns gewidmet ist.
Zum König will ich geh’n und meinen Wunsch ihm sagen;
Vielleicht genehmigt er gern unsre Huldigung.
Sie geht mit einem Theile der Leibwache ab.
Tanz.
CHOR DER GRIECHEN.
Nein, Paris selber hat auf seines Ida’s Höh’n,
Als drei Göttinnen ihn erkohren
Zum Richter ihres Streits, sie schöner nicht geseh’n,
War auch sein trunkner Blick in süße Lust verloren.
EINE GRIECHIN.
An edler, hoher Majestät,
Gleicht die Atride, wenn sie geht,
Der Herrlichen so ganz, die der Olympus verehret.
EINE ANDRE.
An Würd‘ ist sie der Göttin gleich,
Die sich mit Helm und Schild bewehret.
EINE DRITTE.
Sie ist, wie Cypria, an süßem Lächeln reich;
An Geist, an Tugend ist sie gleich
Der Tochter Zeus, deß Blitz mit Allgewalt verheeret.
CHOR.
Nein, Paris selber hat auf seines Ida’s Höh’n,
Als drei Göttinnen ihn erkohren
Zum Richter ihres Streits, sie schöner nicht geseh’n,
War auch sein trunkner Blick in süße Lust verloren.
IPHIGENIA.
Die Liebe, mit der das Volk mich ehret,
Hat meine Unruh nur vermehret.
Achill! – so ruft mein Geist ihm zu –
Achill! Achill! was zögerst du?
Tanz.
Siebente Scene.
Iphigenia, Klytemnestra, Volk.
KLYTEMNESTRA zu dem Volke.
Entfernt euch! –
Zu Iphigenien.
Laß die tief gekränkte Ehr‘ uns rächen!
Komm, Tochter! Hier ist nicht für uns noch längres Weilen!
IPHIGENIA.
Nicht seh’n soll ich Achill? O, Götter!
Ihn, dessen heiße Liebe …
KLYTEMNESTRA.
Verhaßt sey dir Achill, so lange du noch lebest!
Denn unwerth ist er ganz der ihm bestimmten Ehre;
In neuen Banden hält ihn andre Liebe fest.
IPHIGENIA.
Was hör‘ ich!
KLYTEMNESTRA.
Dein Vater war besorgt, vor Griechenland
Dich ausgesetzt dem Hohn, Achill’ens Spott, zu seh’n.
Darum befahl er dir, du solltest Aulis meiden,
Nach Argos wieder gehn, vergessen den Verräther.
Er sandte Arkas uns mit dem Geheiß entgegen;
Doch wir verfehlten ihn, und täuschten seine Sorgfalt.
Er kam erst diesen Augenblick,
Gab Rechenschaft von dem, was ihm geboten war.
Nun kann ich länger nicht Achill’s Verrath bezweifeln.
IPHIGENIA.
O Schmerz!
KLYTEMNESTRA.
Auf! durchglühet von zürnenden Flammen,
Dränge muthig die Seufzer des Schmerzes zurück!
Ihm nur Rach‘! er verschmähet sein Glück!
Mög‘ ihn die Nemesis verdammen!
Sey von dem Vater am Frevler gerächt!
Du bist, wie Er, von der Götter Geschlecht!
Schon siehet mein zürnender Geist den Donnerer dort oben!
Schon ist zur Rache sein Arm erhoben.
Ja, ihn ereilt die Nemesis!
Auf! durchglühet von zürnenden Flammen,
Dränge muthig die Seufzer des Schmerzes zurück!
Ihm nur Rach‘! er verschmähet sein Glück!
Mög‘ ihn die Nemesis verdammen!
Geht ab.
Achte Scene.
IPHIGENIA.
Vernahm ich wirklich recht? Ihr Götter! muß ich’s glauben?
Vergessen könnt‘ Achill die Pflicht?
Vergessen, was die Ehre fodert?
Verschmähen dieses Herz, das ihm so ganz gehört?
Mein armes Herz, noch nicht belehret,
Entzog sich, sanft und fromm, dem jungen Helden nicht.
Ihn lieben – das gebot mir Ehre ja und Pflicht;
Und hätt‘ ich nun mit Recht der Liebe wohl gewehret?
Verräther! nun täuschest du mich!
Ein andrer Arm soll dich umfassen?
Ich muß, fürwahr! ich muß dich hassen,
Und spräche lauter auch mein Herz für dich!
Ach, immer werd‘ ich doch nach ihm mich sehnen!
Wie ich durch ihn so glücklich war!
Stark wollt‘ ich seyn; und da – da fließen meine Thränen! –
Verdient er Thränen denn? Er ist ja undankbar!
Verräther! nun täuschest du mich!
Ein andrer Arm soll dich umfassen?
Ich muß, fürwahr! ich muß dich hassen,
Und spräche lauter auch mein Herz für dich!
Neunte Scene.
Iphigenia, Achilles.
ACHILLES.
Täuscht mich ein Traum auch nicht? O Himmel! Du
In Aulis, Iphigenia?
IPHIGENIA.
Was auch an diesen Ort mich brachte –
Ich sage dir mit Stolz: mein Herz wirft mir nicht vor,
Daß es Achilles war, den ich zu sehen wünschte.
ACHILLES.
Was hör‘ ich! welch ein Wort! Sprichst du so kalt mit mir?
IPHIGENIA.
Thu nach Gefallen nur, was dir
Die neue Leidenschaft gebietet!
Ob du auch untreu bist, das soll mich wenig kümmern!
Gieb immerhin die Hand der Andern, die du liebst!
ACHILLES.
Der Andern, die ich lieb‘? Ein schändliches Verbrechen –
Wer zeihet dessen mich?
IPHIGENIA.
Ich, ich! die du betrogest!
ACHILLES.
Betriegen könnt‘ Achill?
IPHIGENIA.
So viel du Eid‘ auch schworest –
ACHILLES.
Ich, Iphigenien nicht mehr lieben?
IPHIGENIA.
Du brachst die Ketten, die uns banden!
ACHILL.
Zerbrechen, was so werth mir ist?
IPHIGENIA.
Nun, dich verlanget ja, mich nicht mehr hier zu seh’n.
Sey ruhig nur! Sehr bald werd‘ ich, wie du es wünschest,
Zur väterlichen Burg, nach Argos, wiederkehren,
Auf daß du vollen Raum für neue Liebe hast.
ACHILLES.
Ha! allzu viel! Zwar kann Achill,
Besänftiget von deinem holden Reitz
Wohl Ungerechtigkeit mit Ruh‘ ertragen;
Doch nimmer wird sein Herz Hohn und Verachtung dulden!
IPHIGENIA.
Ach, nur zu hell ließ ich in meine Brust dich sehen,
Zu hell für meine Ruh‘, mein Glück!
Denn Achtung – Lieb‘, um alles zu gestehen,
Sprach ja zu dir mein froher Blick.
ACHILLES.
Wär‘ es also: dein Herz und meine Ehre
Erlaubten dann dir nicht den kränkenden Verdacht.
Achill verriethe dich? Ihr Götter!
O, um dir zu verzeih’n, daß du dies von mir glaubtest,
Muß man so heiß, wie ich, dich lieben!
Tyrannin! niemals ward dein kaltes Herz gerührt,
Erwärmt von meiner glühend-heißen Liebe.
Wenn starr es nicht bei meiner Flamme bliebe,
Dann hätte Argwohn dich zu Zweifeln nicht verführt.
Du kränkst so tief ein Herz, das, Göttern gleich, dich ehret,
Durch harten schimpflichen Verdacht!
Du hast zur Höllenqual ein Feuer angefacht,
Das ewig meine Brust verzehret.
Tyrannin! niemals ward dein kaltes Herz gerührt,
Erwärmt, von meiner glühend-heißen Liebe.
Wenn starr es nicht bei meiner Flamme bliebe,
Dann hätte Argwohn dich zu Zweifeln nicht verführt.
IPHIGENIA.
Mein Bangen, mein Verdacht, selbst mein Verdruß, mein Schmerz,
Dies alles zeigt dir meine Liebe.
Ach! wie so leicht kannst du das schwache Mädchen täuschen!
Nur allzu gern glaubt dir mein liebevolles Herz.
ACHILLES.
Schone mein! Denn solche Schmerzen,
Wie dein Zweifeln gab, vernichten ganz mein Glück.
IPHIGENIA.
Glaub mir, es entschwand dem Herzen,
Und ich fühl‘, es kehret nie zurück.
ACHILLES.
Wie konntest du, mein Stolz, dir ungetreu mich glauben!
Fühlst du nun selbst, wie sehr du mich verkannt?
IPHIGENIA.
Nie wird mir solch ein Wahn die Ruhe wieder rauben;
Gewiß, mich strafte schon der Schmerz, den ich empfand.
Beide.
IPHIGENIA.
Durch Liebe giebst du meinem Herzen Freuden.
ACHILLES.
Dein holdes Wort giebt meinem Herzen Freuden.
Gott Hymen! sichr‘ uns ganz vor Leiden!
O du, der Erde Glück, komm! eine denn noch heut
Ein Paar, das Amor selbst für deinen Tempel weih’t!
Ende des ersten Aufzugs.
Zweiter Aufzug.
Das Theater stellt eine große Säulenhalle in Agamemnons Pallaste vor.
Erste Scene.
Iphigenia, Jungfrauen in ihrem Gefolge.
CHOR DER JUNGFRAUEN.
Laß deine Brust in Freude wallen;
Der junge Held ist bald nun dein.
Entzückt wirst du in seine Arme fallen;
Achill ragt hoch hervor, und von den Griechen allen
Verdient dich Er allein.
IPHIGENIA.
Ihr suchet nur umsonst mein Sorgen zu verbannen.
Achill weiß, daß mein Vater
Von ihm geglaubt, er könne mich verachten
Und seine Treue brechen.
Beleidigt fühlt er seine Ehre;
Der Argwohn scheinet ihm die kränkendste Beschimpfung.
Ich sah in seinem Blick des Zornes Funken sprühen;
Und jetzt – Ihr kennet ja den Stolz des guten Vaters –
Und Beide seh’n sich eben jetzt.
CHOR DER JUNGFRAUEN.
Laß deine Brust in Freude wallen;
Der junge Held ist bald nun dein.
Entzückt wirst du in seine Arme fallen;
Achill ragt hoch hervor, und von den Griechen allen
Verdient dich Er allein.
IPHIGENIA.
Ihr suchet nur umsonst mein Sorgen zu verbannen.
Die Lieb‘ ist länger nicht allmächtig,
Wenn sich gekränkt des Helden Seele fühlt.
Bald von Furcht und bald von Hoffen
Wird so sehr gequält mein armes Herz.
Allen Leiden steht es offen,
Und kaum trägt es länger diesen heißen Schmerz.
Gott Eros sieh mich knieend flehen:
Hauch‘ in des Vaters Brust für Stolz nur Sanftheit ein,
Laß den Geliebten nur sich deinem Dienste weih’n!
Der du der Welt gebeutst, versöhnt laß mich sie sehen!
O, dann ist reine Freude mein!
Bald von Furcht, und bald von Hoffen
Wird so sehr gequält mein armes Herz.
Allen Leiden steht es offen,
Und kaum trägt es länger diesen heißen Schmerz.
Zweite Scene.
Klytemnestra und die Vorigen.
KLYTEMNESTRA.
Bald, Tochter, macht dich Hymen glücklich;
Im Tempel ordnet schon das Fest dein Vater an.
Für dich, welch ein Triumph! und welch ein Ruhm für mich!
Bald höret Griechenland, daß einer Göttin Sohn
Mich seine Mutter nennt, und dir sein Leben weiht.
IPHIGENIA.
O nun, nun leb‘ ich wieder auf!
KLYTEMNESTRA.
Schon kommt Achill, ganz Lieb‘
Und Zärtlichkeit.
Dritte Scene.
Die Vorigen. Achilles und Patroklus, mit einem Gefolge von Thessaliern beiderlei Geschlechts.
ACHILLES.
Sie, deren Stolz du bist,
Sie wollen, daß dich mir Gott Hymen nun vereine.
Bald darf ich Götter nicht beneiden,
Du Holde; denn mein Glück ist groß und dauerhaft.
Die Thessalier kommen in einem kriegerischen Aufzuge; ihnen folgen Sklaven mit der Beute, die Achilles in Lesbos erobert hat.
ACHILLES zu den Thessaliern.
Singt laut, preiset hoch die erhabne Königin!
Der Gott, dem sich mein Leben weihet,
Macht bald auf ewig mein Volk beglückt.
DER CHOR.
Wir singen, wir erheben unsre Königin.
Der Gott, dem sich dein Leben weihet,
Macht nun auf ewig auch uns beglückt.
Tanz.
EINE THESSALIERIN.
Der Nike Hand wird dich, Achill, noch öfter schmücken;
Mit Hymen kränzet dich Gott Eros wechselsweis.
Gar hoch mag freilich wohl der Lorberkranz entzücken;
Doch höher das Myrtenreis.
CHOR.
Der Freunde Freund, doch der Feinde Schrecken,
Wird er, ein Ares, uns schirmend bedecken.
Ha! wagt es nimmer, den Löwen zu wecken;
Denn wer ist wohl, der kühn ihm widersteht!
Ja, ihr Trojaner, vor ihm sollt ihr zittern;
Das Liebste raubt er den Bräuten, den Müttern,
Er drohet fürchterlich euch, gleich Gewittern!
Er schrecket euch schon, wenn ihr ihn auch nur seht.
Fortsetzung des Tanzes.
SKLAVINNEN AUS LESBOS.
Sieh Töchter Lesbos sich, auf sein Geheiß, dir nahen!
Sie beugen sich vor dir; du hörst gewiß ihr Flehn.
EINE SKLAVIN.
Er kämpfte ja für dich; groß war sein Sieg, und schön.
O, daß wir Lesbier als Feind ihn sahen!
DIE SKLAVINNEN.
Huldreich und liebevoll seh’n wir dein Angesicht,
Und klagen weinend länger nicht.
IPHIGENIA.
So kommt, und werdet mir, was die schon sind, Freundinnen.
Ich war des Unglücks Schuld; drum muß durch Wohlthun ich
Den schmerzlichen Verlust mit Recht ersetzen.
Vergessen sollt ihr ganz, was ihr gelitten habt.
Fortsetzung des Tanzes.
ACHILLES, KLYTEMNESTRA, IPHIGENIA, PATROKLUS.
Hat wohl dein Tempel je, am heiligsten Altar,
Du holder Gott der Ehen,
Ein Paar schon beten sehen,
Das liebevoller noch, und noch beglückter war!
Vierte Scene.
Die Vorigen. Arkas der zu Ende des Tanzes gekommen ist.
ACHILLES.
Verzeih, Geliebte, mir die Ungeduld des Herzens.
An dem Altar erwartet uns dein Vater;
So komm, und mache mich zum seligsten der Menschen!
ARKAS stürzet hervor.
Nein, schwieg‘ ich länger noch, so wär‘ ich strafbar.
Wo eilt, getäuscht, ihr hin, ihr Unglückseligen!
Nein, nimmer gehet ihr zu dem Altar des Grauens.
ACHILLES.
Was, Arkas, sagest du?
KLYTEMNESTRA.
Du siehest, wie ich bebe.
ARKAS.
Dein Gatte – denn so will’s der Zorn der großen Göttin –
Harrt am Altare schon; er soll – die Tochter opfern.
KLYTEMNESTRA.
Wie! mein Gemahl?
IPHIGENIA UND ACHILLES.
Mein Vater? / Ihr Vater?
KLYTEMNESTRA.
Entsetzlich! welch Verbrechen!
ALLE MIT DEM CHOR.
Erbebt die Erde nicht bei dem grausen Gedanken?
ARKAS.
Ja, Iphigenia – sie selber ist das Opfer,
Das blutend sterben soll.
DIE THESSALIER in einem Tumulte vordringend.
Nimmer dulden wir das, und wär‘ es unser Verderben!
Nein, unser König wird ihr Gemahl noch heut!
Zu dem Tode für ihn sind wir alle bereit,
Und wollen auch für seine Braut gern sterben!
KLYTEMNESTRA dem Achill zu Füßen fallend.
Achill, sieh mich im Staube knieen!
Erbarme du dich meiner armen Tochter!
In dieses Unglücksland hab‘ ich sie selbst gebracht,
Daß sie die Deine würde.
Ach, ihr eigner Vater kann bis zum Tode sie hassen,
Und die Götter auch wollen sie verlassen!
Was bleibt nun ihr übrig? Du, Achill, allein:
Du mußt ihr, Vater denn, Asyl und Schutzgott seyn.
Man wird zum Tode sie nicht verdammen:
Das hoff‘ ich fest; denn sie gehöret dir!
Das glaub‘ ich, das weiß ich, das sagen sie mir,
Die Augen, die schon flammen!
Ach, ihr eigner Vater kann bis zum Tode sie hassen,
Und die Götter auch wollen sie verlassen!
Was bleibt nun ihr übrig? Du, Achill, allein:
Du mußt ihr, Vater denn, Asyl und Schutzgott seyn.
ACHILLES.
Sey ruhig, Königin, und gänzlich unbesorgt,
Daß sie des Vaters Haß der Mutterlieb‘ entreiße!
Du gehst; ich will ihn hier erwarten.
IPHIGENIA.
Ich weiche nicht von dir, Achill; du sollst mich hören!
ACHILLES.
Tyrann! … Er giebt den Tod in meinem Nahmen dir!
Vor meinem Zorne kann ihn jetzt nichts mehr beschützen.
IPHIGENIA.
Er ist – in aller Götter Nahmen! – ist mein Vater!
ACHILLES.
Dein Vater, dieser Unmensch?
IPHIGENIA.
Er ist mein Vater doch, und theuer meinem Herzen.
KLYTEMNESTRA.
Dein Vater? und er höhnt die Rechte der Natur?
IPHIGENIA.
Sein Unglück will es so; groß sind auch seine Schmerzen.
ACHILLES.
Ich seh‘ in ihm sonst nichts, als einen Mörder nur!
KLYTEMNESTRA.
Göttin, laß mich nicht erliegen;
Ich hoffe nur auf dich!
IPHIGENIA.
Götter, laßt die Nacht verschwinden;
Von Angst befreiet mich!
ACHILLES.
Götter, laßt mein Schwert ihn finden;
Dann Lohn dem Wütherich!
ALLE DREI.
O, Ihr! erhöret mich!
Fünfte Scene.
Achilles. Patroklus.
ACHILLES.
Mir nach, Patroklus!
PATROKLUS.
Und was willst du thun?
Hörst du allein den Ruf der wilden Leidenschaft?
Du kannst sie, grausam wie ihr harter Vater,
Mit eigner Hand dem Tode weihn?
ACHILLES.
Wie! ich? Geh sag‘ ihr denn: »sie dürfe nichts besorgen.
Zwar gekränkt, und empört, doch von Liebe gerührt,
Hab‘ ich tief meinen Zorn in dem Herzen verborgen,
Und schone willig Deß, dem Dank von ihr gebührt.«
Sechste Scene.
Agamemnon, mit seiner Leibwache, Arkas, Achilles.
ACHILLES.
Er kommt! … Ihr Götter, dämpft den Zorn, der mich entflammet!
Verweil‘!
AGAMEMNON bei Seite.
Es ist Achill! Wär‘ er schon unterrichtet?
ACHILLES.
Ich weiß, du denkst auf ein Verbrechen.
Ja, treulos und unmenschlich
Willst eine Unthat du in meinem Nahmen thun,
Die ich nur schaudernd denke.
Trotz dir, werd‘ ich die Gräuelthat verhindern!
O du, der du so schwer, so schrecklich mich beleidigst,
Der Liebe dank‘ es nur, wenn ich, von dir empört,
Nicht mit dem Schwert mich räche!
AGAMEMNON.
Voll Dünkels, und mit Trotz, wagst du,
Verwegner Jüngling, es, mich zu beleidigen?
Vergißt du ganz, daß ich der Griechen Fürst hier bin?
Daß ich die Götter nur als Richter anerkenne?
Daß zwanzig Könige mir unterworfen sind?
Daß ohne Murren sie, und daß auch du, Achilles,
Mit Ehrfurcht harren mußt, was mein Befehl gebeut?
ACHILLES.
Wie! sollt‘ ich länger noch die stolze Sprache dulden?
Mein, mein ist sie; dein Eid versprach sie mir.
Du schworst ihn mir zum Pfande meines Glückes,
Und mußt nun thun, was du versprachst!
AGAMEMNON.
Hör‘ auf, noch länger mich zu reitzen!
Was für ein Schicksal auch bestimmt ihr sey,
Mit Ehrfurcht, schweigend, mußt du harren,
Was mein, und was der Götter Wort befiehlt.
ACHILLES.
So redest du mit mir? Wer hielt‘ es nur für möglich!
Du wähnst, ich fühlte nicht, was Lieb‘ und Ehre fodern?
Ich liesse ruhig dich die edle Tochter opfern,
Und sähe kalt die größte Unthat an?
AGAMEMNON.
Verwegner, meinest du, ich könne ganz vergessen,
Was meine Würde heischt? dein Schmähen länger dulden?
Gerechte Ahndung dir, dem Frechen,
So wahr ich König bin!
ACHILLES.
Den frevelnden Mordsinn zu brechen,
Geb‘ ich mein Leben dahin!
AGAMEMNON.
Frecher Empörer!
ACHILLES.
Grausamster der Väter!
AGAMEMNON UND ACHILLES.
Erbebe, deines Königs Verräther!
Erbebe, du, der Menschheit Verräther!
Mein ganzes Herz ist tief durch dich empört.
AGAMEMNON.
Mein Schwert soll dich zerspalten!
ACHILLES.
Was du versprachst, zu halten,
Das werde dir durch mich gelehrt!
AGAMEMNON.
Durch Blut sey Ehrfurcht dir gelehrt!
BEIDE.
Erbebe, deines Königs Verräther!
Erbebe, du, der Menschheit Verräther!
Mein ganzes Herz ist tief durch dich empört.
ACHILLES.
Ich hab‘ ein Wort nur noch zu sagen,
Und wenn du mich verstehest, reicht schon das Eine hin.
Dem Opfertode sie zu weih’n,
Die ich so heiß verehre –
Eh‘ ich das deiner Wuth nicht wehre,
Muß erst mein Herz durchbohret seyn!
Geht ab.
Siebente Scene.
Agamemnon, Arkas, Leibwache.
AGAMEMNON.
Es soll geschehn, was ich gebot.
Von Frechheit aufgefodert,
Heiß‘ ich, daß gleich die Flamme lodert,
Und weihe sie dem Opfertod.
Herbei, Gefährten! … Ihr Götter! was will ich thun?
Es ist die Tochter ja, die blutend sterben soll!
Die Tochter, die so oft an deinem Herzen lag!
Zerrissen fühl‘ ich meine Brust.
Nein! sie muß leben! … O, wie schwach das Herz mich macht!
Darf ich, da Artemis ihr Daseyn enden will,
Die Wohlfahrt meines Volks der Vaterliebe opfern?
Und soll Achill mich unbestraft verhöhnen?
Nein, lieber reiß‘ ich sie gewaltsam zum Altare!
Das Blut der Tochter muß … Der Tochter? Ach, ich bebe!
Des Vaters Liebling … sie, im Opferkranze, soll
Dem mörderischen Stahl den keuschen Busen öffnen?
Ihr Blut soll ich in Strömen fließen seh’n?
O, welch ein Vater! … hörst du nicht die Furien nahen?
Die Luft ertönet von grausem Gezisch!
Es sind der Eumeniden Schlangen;
Sie rächen fürchterlich der Tochter Mord!
Ach, schon beginnet meine Qual!
O, schrecklich! Haltet ein! Die Götter zwangen mich!
Sie führten meine Hand; sie zückten selbst den Stahl.
Ja sie ermordeten das Opfer! –
Kann nichts denn euren Zorn, ihr Grausamen, versöhnen?
Nichts! – Doch umsonst verfolgt mich euer Wüthen!
Mich nagt mit scharfem Zahn der Reue Schlang‘, und quält mich!
O, sie zerreißt mein Herz noch gräßlicher, als Ihr. –
Zu Arkas.
So geht, ihr Alle, denn; begleitet die Gemahlin.
Sie muß, so schnell sie kann, nach Argos wiederkehren.
Mit meiner Tochter fliehe sie dies Land,
Und sey vor jedem Blick verborgen!
Nun geht!
Arkas und die Leibwache gehen ab.
O du, die ich so innig liebe,
Die immer mich so sanft erfreut:
Verzeih‘! – des Vaters Aug‘ ist trübe –
Verzeih‘ ihm gern; denn er bereut!
Du hast ja mit den süßen Tönen:
»Mein Vater!« mich zuerst genannt.
Und durch dein Blut die Götter zu versöhnen,
War schon bereit des Vaters Hand!
Nein, ich mag frevelnd nicht das Recht der Natur verhöhnen;
Mit Abscheu würd‘ ich sonst genannt!
O du, die ich so innig liebe,
Die immer mich so sanft erfreut:
Verzeih‘! des Vaters Aug‘ ist trübe –
Verzeih‘ ihm gern; denn er bereut!
Und du, durch Fleh’n nicht zu erweichen,
Befriedige an mir des Zornes Grimm!
Wie sie, kann mich dein Pfeil erreichen;
Und willst du Blut: das meine nimm!
Ende des zweiten Aufzuges.
Dritter Aufzug.
Das Theater stellt das Innere eines prächtigen Zeltes vor, durch dessen Oeffnung man eine Menge von Volk in Tumult sieht.
Erste Scene.
Iphigenia, mit weiblichem Gefolge; Arkas, Leibwache. Griechen, hinter dem Schauplatze und an dem Eingange des Zeltes.
CHOR VON GRIECHEN.
Nein, nein! kein Verschonen mehr hier!
Man soll den Göttern ihr Opfer nicht nehmen!
Was ihr Spruch streng gebot, leisten wir!
Nein, du darfst uns den Arm nicht lähmen!
IPHIGENIA tritt außer sich herein, umringt von ihrem Gefolge und der Leibwache.
Was, Arkas, widerstrebst du länger noch
Der Wuth, die sie entflammet?
ARKAS zu dem Gefolge.
Laßt nicht aus dem Gezelt sie gehen!
Ich will indeß, getreu der Pflicht,
Dem ungestümen Schwarm mit Kühnheit widerstehen.
Zweite Scene.
Die Vorigen ohne Arkas.
IPHIGENIA zu Arkas, der abgeht.
Versuche nicht Unmöglichkeit!
Zu ihrem Gefolge.
Eilt hin, zum Beistand meiner Mutter!
Entfernet ihren Blick von meiner letzten Stunde!
Laßt mich der Götter Zorn durch meinen Tod versöhnen!
Ich sterb‘, und sterbe gern.
Dritte Scene.
Iphigenia, Achilles.
ACHILLES.
Geliebte, folge mir!
Dich schrecke nicht das Schrei’n, das blinde, leere Wüthen
Des Volks, das schon ein Blick von mir in Angst versetzt.
Beschützet von Achill, kannst du ganz sicher gehen.
Komm mit!
IPHIGENIA.
O Schmerz! die Pflicht ist allzu schwer!
ACHILLES.
Auf, auf! versäume nicht den günst’gen Augenblick.
IPHIGENIA.
Du kämpfest nur umsonst für mich, des Unglücks Tochter,
Achill; sie, deren Tod …
ACHILLES.
O, nicht dies grause Wort!
Vergißt du, daß mein ganzes Wesen,
Mein Daseyn und mein Glück, an deinem Leben hängt?
IPHIGENIA.
Ich liebt‘ es selbst – ja, muß noch jetzt es lieben,
Ein Leben, wider das die Götter sich verschworen.
Nur dir gehört es ja, und reine Seelenliebe
Hatt‘ es, Achill, auf ewig dir geweih’t.
Mein Abend schreckt mich nicht, und sey er noch so trübe;
Bis in das Grab biet‘ ich dem Schicksal Hohn.
Ja, wenn ich auch verschonet bliebe,
Ich sagte doch, daß ich dich liebe.
Mein letzter Seufzer noch sey deiner Treue Lohn!
ACHILLES.
Mich liebtest du? darf ich es länger glauben?
Ich bete dich, wie eine Göttin, an,
Du Undankbare! und du wolltest sterben?
IPHIGENIA.
Brich auf, Achill! Dich rufet laut die Ehre:
Sie zeiget deinem Blick den Tempel ew’gen Nachruhms,
Den du betreten mußt;
Und nur mein Tod kann dir ihn öffnen!
ACHILLES.
So willst du, Grausame, daß ich
Den sonst mir theuren Ruhm
Von nun an hassen soll?
IPHIGENIA.
Leb wohl! Laß stets in deiner Seele
Das Bild der reinsten Liebe seyn!
Und ob man auch uns nicht vermähle –
Ich bleibe doch auf ewig dein.
Dir hatt‘ ich ganz mein Herz gegeben,
Und bracht‘ es dir so gerne dar.
Gedenke mein, mein, deren Leben
Nur dir allein geweihet war!
Leb wohl! Laß stets in deiner Seele
Das Bild der reinsten Liebe seyn!
Und ob man auch uns nicht vermähle –
Ich bleibe doch auf ewig dein.
ACHILLES.
Achill könnt‘ ohne dich noch athmen?
Nein, nein! Ihr Götter zeugt es mir! –
Du mußt, und weigerst du dich auch, von hier entfliehen.
Geliebte, komm! ich will dich leiten.
IPHIGENIA.
Halt ein! Was kannst du länger hoffen?
Wähnst du, daß Agamemnons Tochter
Vergessen kann, was Ehr‘ und Pflicht gebieten?
Sie. sind ihr theurer, als das Leben.
ACHILLES.
Nun wohl! – Nun, so gehorch, Unmenschliche!
Geh! such‘ ihn selbst, den schrecklichsten der Tode!
Zum gräßlichen Altar folgt dir mein Fuß sogleich;
Ich lähme dort den Arm, der dich bedrohet.
Er ist bald meines Zornes Raub!
Ich werde mein Schwert auf ihn zücken;
Den Altar, den, frevelnd, sie schmücken –
Ihn wirft mein drohender Arm in den Staub.
Sieh her, wie Zorn die Wange mir röthet!
Wenn nun dein Vater wieder mir droh’t –
Gewiß, er fällt, von diesem Schwert getödtet:
Du bist dann Schuld an seinem Tod!
Geht ab.
Vierte Scene.
Iphigenia und ihr Gefolge.
IPHIGENIA.
Barbar! … Er geht! … Befriedigt euren Zorn!
Mein Tod, ihr Götter, mög‘ an blut’ger That ihn hindern!
Fünfte Scene.
Klytemnestra, Griechen hinter dem Schauplatze. Die Vorigen.
CHOR DER GRIECHEN.
Nein, nein! kein Verschonen mehr hier!
Man soll den Göttern ihr Opfer nicht nehmen!
Was ihr Spruch streng gebot, leisten wir!
Nein, Du darfst uns den Arm nicht lähmen!
KLYTEMNESTRA.
So wagt’s, ihr Frevler, denn, die Unthat zu vollenden!
Barbaren! mordet sie in meinen Armen!
Sie nimmt Iphigenien in ihre Arme.
O, meine Tochter!
IPHIGENIA.
Gute Mutter!
KLYTEMNESTRA.
Tochter meines Herzens,
Dich schützt die Mutterliebe bis zum letzten Athem.
IPHIGENIA.
Nichts kann mein Leben noch erretten;
Die Götter setzten mir ein Ziel in ihrem Zorne.
Entflieh‘ und laß das Volk an meinem Blut sich letzen!
Ach, wenn ich werth dir jemals war,
So geh‘, und meide ganz das wild empörte Heer!
Setz nicht, um mich der hand der Blutgier zu entreißen,
Die hohe Majestät des Thrones in Gefahr!
KLYTEMNESTRA.
Was kümmert Ehre mich! was Majestät! was Leben!
Nein, wird die Tochter mir entrissen,
Dann mag ich länger nicht der Sonne Glanz mehr sehen!
IPHIGENIA.
Ein Kind bleibt ja dir noch auf Erden.
Auf den geliebten Sohn häuf‘ deine Lieb‘ allein!
O, mög‘ er einst beglückter seyn,
Und nicht, wie ich, die Qual der besten Mutter werden!
Mich traf ein hartes Loos; gieb nicht die Schuld dem Vater!
KLYTEMNESTRA.
Ihm, der mit eigner Hand dein Herz dem Priester beut?
IPHIGENIA.
Was er für mich vermocht, das that er;
Doch – kann er widersteh’n, wenn die
Gen Himmel zeigend.
mein Tod erfreut!
CHOR.
Nein, nein! Kein Verschonen mehr hier!
Man soll den Göttern ihr Opfer nicht nehmen!
Was ihr Spruch streng gebot, leisten wir!
Nein, du darfst unsern Arm nicht lähmen!
IPHIGENIA.
Du hörst das laute Schrei’n des aufgebrachten Volkes.
O, Mutter! ruf zurück den festen, hohen Muth!
Du stammst von Göttern ja, und sie verlieh’n ihn dir. –
Es wird nun Zeit, daß ihnen wir gehorchen;
O, lass‘ es so uns thun, daß sie bereuen müssen!
Und nun mein letztes Lebewohl.
KLYTEMNESTRA.
O, Tochter! soll ich denn vor deinen Augen sterben?
Ich selbst, ich gäbe zu …? Vom Zorne jener Götter …
Die Mutter …? O, schrecklich!
Sie sinkt in die Arme ihrer Jungfrauen.
IPHIGENIA zu den Jungfrauen.
O Schmerz! Sorgt treulich für ihr Leben!
Laßt sie nicht zum Altar, zu dem ich eilen muß.
Sie geht ab.
Sechste Scene.
KLYTEMNESTRA will Iphigenien nacheilen.
Ich nehm‘, ihr Götter, euch zu Zeugen!
Nein, nimmer duld‘ ich es ….
Zu den Jungfrauen, die ihr den Weg versperren.
Wie! Ihr wollet meine Schritte hemmen?
Verwegne! nehmet mir das Leben, dem ich fluche!
Stoßt in das Mutterherz den blut’gen Opferstahl,
Und laßt am gräßlichen Altare
Mein Grab doch mindestens mich finden! –
Ach, ich ertrage länger nicht die Schmerzen! …
Die Tochter … sie ist dort … gezückt auf sie der Stahl –
Ihr harter Vater selbst hat ihn für sie geschärft!
Ein Priester, rund umringt von einem wilden Schwarme –
Er waget es, an sie die Mörderhand zu legen!
O, er zerreißt die Brust … die freche Wißgier sieht
Das Herz – o, das noch schlägt! … er fraget dann die Götter.
Halt ein, blutgier’ges Ungeheuer!
Erbeb‘! Es ist das reinste Blut des Götterkönigs,
Womit du frech den Boden tränkest!
Schleudre, Zeus, furchtbar die Flammen
Auf das so wild empörte Heer!
Zum Hades mußt du sie verdammen!
Versenke sie tief in das Meer!
O Helios, Du, du könntest, ergriffen von Grauen,
In Aulis den Sohn, den Erben des Atreus schauen?
Du nahmst dem gräßlichen Mahle des Vaters dein Licht;
Entflieh‘, und ertheile, du Herrlicher, auch dem Sohn‘ es nicht.
Schleudre, Zeus, furchtbar die Flammen
Auf das so wild empörte Heer!
Zum Hades mußt du sie verdammen!
Versenke sie tief in das Meer!
Man hört in der Ferne einen Trauergesang: Lohn‘ uns das Blut, das wir nun bald dir bringen! Sey, Artemis uns hold! nicht länger halt‘ uns hier!
Ha! welch ein Trauerlied vernehm‘ ich!
Ihr Götter! itzt will man sie tödten!
Vergebens wollt ihr mich aus falschem Mitleid hindern!
Euch, Sklavinnen, zum Trotz, bring‘ ich ihr Schutz und Rettung;
Sonst will ich gern mit meiner Tochter sterben!
Siebente Scene.
Das Theater stellt das Gestade des Meeres vor, an dem man einen Altar sieht. Iphigenia wird, von Priesterinnen der Diana umgeben, zu dem Altare geführt, Hinter den Altar tritt Kalchas, die Hände zum Himmel erhebend, und das heilige Opfermesser haltend. Eine Menge Griechen stehen auf beiden Seiten des Theaters.
KALCHAS, MIT DEM CHOR DER GRIECHEN.
Lohn‘ uns das Blut, das wir nun bald dir bringen!
Sey, Artemis, uns hold; nicht länger halt‘ uns hier!
Nur deiner Gnade vertrauen wir;
Laß uns vor Ilion bald des Dankes Lied dir singen!
Achte Scene.
Achilles und die Vorigen. Griechen, die, voll Schreckens, von der linken Seite des Schauplatzes nach der rechten stürzen.
GRIECHEN.
Entflieht! Fliehet weit!
Zur Rach‘ ist Achill schon bereit!
Achilles kommt. Ihm folgen Thessalier in guter Ordnung, welche die linke Seite des Schauplatzes einnehmen. Er geht zu Iphigenien, hebt sie auf, hält sie mit der linken Hand, und drohet mit der bewaffneten rechten dem Oberpriester Kalchas und den Griechen.
KALCHAS, UND DIE GRIECHEN.
Sie zu retten, wird nicht dir gelingen;
Die Götter wollen ihren Tod.
ACHILLES.
Wer trotzt von euch dem Schwert, das schon gezückt ihm droht?
IPHIGENIA.
Nehmt, Götter, mich! Bereit bin ich zu sterben.
CHOR DER GRIECHEN.
Was ihr Spruch streng gebot, leisten wir!
Nein, du darfst uns den Arm nicht lähmen!
Letzte Scene.
Klytemuestra, Agamemnon. Die Vorigen.
KLYTEMNESTRA.
Ach, Tochter! o, Achill!
ACHILLES.
Sey ruhig, Königin!
KALCHAS, UND DIE GRIECHEN.
Nur umsonst wollet ihr sie beschützen.
Bald fließt ihr Blut am Altar!
ACHILLES.
Ihr sollt es nicht verspritzen!
Nehmt eher, Wüthriche, das meine hin!
DIE GRIECHEN.
Man soll sie den Görtern nicht nehmen!
IPHIGENIA, UND KLYTEMNESTRA sich umarmend.
Beschützt, ihr Götter, uns!
Es donnert.
ACHILLES UND DIE THESSALIER.
Streckt die Frechen nieder zur Erde!
DIE GRIECHEN.
Nein, unsern Arm darfst du nicht lähmen!
Hinan! hinan!
Lauter Donner. Ein dichtes Gewölk, das den Hintergrund des Schauplatzes allmählich angefüllt hat, erhellt sich, und läßt die Göttin Artemis in allem ihrem Glanze sehen.
KALCHAS vortretend.
O, haltet ein!
Laßt schweigen euer wildes Toben! Seht!
Die Göttin! sie nahet selber,
Den heil’gen Willen zu verkünden.
ARTEMIS.
Ihr, durch Gehorsam, habt der Götter Zorn versöhnet.
Der Tochter hoher Werth, der Mutter lautes Jammern
Hat Huld von ihnen euch erworben.
Ich halte länger nicht in Aulis euch zurück.
Eilt nun, wohin der Ruhm euch ladet;
Der Erdkreis staune tief bei euren großen Thaten!
Und Ihr, einander werth, lebt Ihr durch Liebe froh!
Das Gewölk verhüllt die Göttin wieder, und sie steigt zum Himmel auf.
KALCHAS.
Betet tief die erhabne, huldreiche Göttin an!
CHOR.
Ja, wir beten die große, huldreiche Göttin an.
AGAMEMNON.
O, meine Tochter!
IPHIGENIA.
O, mein Vater!
ACHILLES.
O, Iphigenia!
IPHIGENIA.
Achill!
KLYTEMNESTRA.
Geliebte Tochter!
AGAMEMNON UND KLYTEMNESTRA.
Noch einmal bist du uns geschenkt;
Sey nun das Glück des jungen Helden!
IPHIGENIA.
O, wie so schwer, doch auch wie süß, wie schön,
So unverhofft, so auf einmal,
Von Angst und wilder Qual
Zu hohen Götterfreuden übergehn!
ALLE VIER ZUSAMMEN.
Mein Herz klopft so froh in der Brust;
Nur Wonn‘ ist jetzt mein ganzes Leben!
Ja, ich soll zu der Götter hohem Sitz mich erheben;
Ach, mich durchströmet Himmelslust!
Kaum athm‘ ich! welch Entzücken!
Wonne glänzt in meinen Blicken;
Kaum bin ich länger mein bewußt.
ACHILLES UND IPHIGENIA.
Die Götter wurden doch von unsrem Schmerz gerührt!
ALLE, MIT DEM CHOR.
Bis zu des Aethers fernsten Kreisen
Steig‘ unser lauter Dank empor!
Laßt auch dies Paar, dies edle Paar, uns preisen,
Das, sein so würdig, sich erkohr!
Daß Gott Hymen mit Rosen es bindet,
Sagt uns: der Himmlischen Zorn verrann!
Und diese Hochzeitfeier kündet
Uns Sieg und ew’gen Nachruhm an.
Tanz.