Heinrich Marschner

Hans Heiling

Romantische Oper in drei Aufzügen und einem Vorspiel

Libretto von Philipp Eduard Devrient

Uraufführung: 24.05.1833, Königliches Opernhaus, Berlin

Personen

Personen des Vorspiels

Die Königin der Erdgeister, (Sopran)
Ihr Sohn, (Bariton)
Gnomen. Erdweibchen. Zwerge

Personen der Oper

Die Königin der Erdgeister, (Sopran)
Hans Heiling, (Bariton)
Anna, seine Braut, (Sopran)
Gertrud, ihre Mutter, (Alt)
Konrad, burggräflicher Leibschütz, (Tenor)
Stephan, Schmied (Baß),
Niklas, Schneider (Tenor), Bauern
Jäger. Schützen. Bauern. Bäuerinnen. Musikanten. Brautjungfern. Erdgeister. Erdweibchen. Gnomen. Zwerge

Ort der Handlung: Das böhmische Erzgebirge.
Zeit: Das vierzehnte Jahrhundert.

Vorspiel.

Weitgewölbte Höhle im tiefsten Grund der Erde, welche Eingänge zu mehreren Seitenhöhlen zeigt, von rötlich-trübem Licht erhellt. Scharfgeklüftete Wände von Bergkrystall starren bis an die Decke der Wölbung; aus ihrem Grunde sprudeln silberne Bergwässer hervor. Im Hintergrunde zieht sich seitlich ein Weg über die zackigen Felsabsätze in bedeutender Höhe bis zu einer Höhlenöffnung hinauf, durch welche ein bleicher Tagesschimmer hereinfällt. Ein erhöhter Felsenthron befindet sich in der Mitte der Höhle.

Magisches Halbdunkel, hie und da von grellen Lichteffekten unterbrochen.

Rechts und links vom Darsteller.

Der Vorhang hebt sich im siebzehnten Takt.

Erster Auftritt.

Die Königin der Erdgeister. Hans Heiling. Gnomen. Erdweibchen. Zwerge.

Heiling ist von bleicher Gesichtsfarbe, dunklem Haar und Bart; er ist schwermütig und verschlossen, von glühend ungestümer Zärtlichkeit, gemessen im Reden und Benehmen, die Äußerung des Zorns bemeisternd, bis die Wut ihn übermannt. Er geht ganz schwarz gekleidet, der Rock reicht bis zum Knie, ein reicher langer Mantel umwallt ihn, eine blitzende Krone schmückt sein Haupt, er hält gedankenvoll ein goldenes Stäbchen in der Hand. Er sitzt auf dem erhöhten Felsenthron.

Königin in schwarzem Gewande sitzt ihm zur Rechten.

Zwerge, Gnomen und Erdweibchen klettern an den zackigen Wänden umher, putzen die Erzadern, tragen geschäftig Stufen und Juwelen herbei, welche sie knieend der Königin und Heiling vorzeigen.

Gnomen wälzen Felsblöcke, tragen Lasten, reinigen kleine Erzstücke, wälzen Erzquadern heraus, holen kleine Wagen, auf welche sie die Erzstufen laden, um sie nach rechts und links vorn abzufahren.

Zwerge sind mit Hämmern am Gestein beschäftigt, trippeln meistenteils und halten bei jedem Erscheinen und beim Abgang den sogenannten Gänsemarsch ein.

Lebhaftes bewegtes Bild.

CHOR DER ERDGEISTER.
Rastlos geschafft,
Mit stetiger Kraft!
Die Wasser der Tiefen,
Gewältigt mit Macht,
Treulich bewacht!
Die Schätze, die schliefen
In ewiger Nacht,
Herauf in den Schacht!
Ohne Ruh,
Immer zu,
Hin und wieder,
Auf und nieder,
Wirken wir munter
Reicher und bunter,
Wonach die Menschen ringen und werben,
Zum Nutzen und Schaden, zum Heil und Verderben! –
HEILING steht auf, legt die Krone und das goldene Stäbchen auf dem Thron nieder und kommt herab.
Genug, beendet euer emsig Treiben! –

Chor der Erdgeister hört auf zu arbeiten.

HEILING.
Es treibt mich fort, ich kann nicht länger bleiben,
Hinauf zur liebeblühnden Erde wieder!
KÖNIGIN folgt ihm.
So willst du heut‘ auf immer von uns scheiden?
Dein goldnes Reich, die Mutter willst du meiden,
Entsagen der Gemeinschaft deiner Brüder?

Chor der Erdgeister tritt näher, sich allmählich von allen Seiten her sammelnd.

HEILING.
Ich muß es ja! Denn will ich eure Krone tragen,
Muß ich der Erdenlieb‘ entsagen,
Der Lieb‘ entsagen!
Und das, das kann ich nicht! (Innig.)
Seitdem ich Anna gefunden,
Seit unsre Seelen verbunden,
Acht‘ ich Kron‘ und Scepter nicht!
CHOR DER ERDGEISTER.
Zu der Menschen falschem Geschlecht
Willst du dich schlagen,
Nimmer unsre Krone tragen?
König, ist das recht?

Sie knieen zu beiden Seiten vor Heiling nieder und halten beide Arme hoch.

Ist das recht? Ist das recht?
KÖNIGIN.
O bleibe hier! O bleibe hier! O bleibe hier!
CHOR DER ERDGEISTER demütig bittend.
O bleibe hier,
Die Geister dienen

Die Hände auf der Brust.

Auf Wink und Mienen
Willig dir!
HEILING.
Fort! Ersparet dies Beteuern!

Chor der Erdgeister zuckt zusammen.

HEILING.
Los will ich mich von euch zählen,
Nicht mehr mich von Anna stehlen,
Euren Sabbath hier zu feiern.
CHOR DER ERDGEISTER erhebt sich schnell und tritt zurück; unter sich.
Oho! – Hohohohohoho wie stutzig!
Oho, wie stutzig!
Seht, wie stolz und trutzig!
Wie stolz und trutzig, wie stutzig!
Wie stolz und trutzig!

Sie gehen näher zu ihm.

Willst dich überheben,
Auf der Erde leben?
Gemach, die Reu‘ kommt nach!
Oho, hoho!
Wie stutzig, seht, wie trutzig!
Oho! Hohohoho!
Willst dich überheben,
Auf der Erde leben, wie?

Drohend.

Nur gemach, nur gemach!
Die Reue folget nach!
Gemach, gemach!
Die Reue folget nach!
Nur gemach, nur gemach,
Die Reu‘ folgt nach! –

Sie wenden sich zurück, wo sie Gruppen bilden, teils kauernd, teils stehend.

Königin und Heiling sind allein im Vordergrund.

KÖNIGIN.
So hat der Mutter Wahn sich dir vererbt,
Der mich noch heut mit bittrer Reue quält.
Du weißt es, daß dir das Leben
Die Liebe eines Menschen hat gegeben,
Daß du darum, ein unglückselig Doppelwesen,
Zu ew’gem Zwiespalt bist erlesen –
HEILING einfallend.
Ich weiß es, weiß es; drum laß mich fort,
Damit ich auf der blühnden Erde,
In Annas Armen ganz zum Menschen werde.
KÖNIGIN tritt ihm näher.
Das wirst du nimmermehr!
Fremd wirst du den Menschen bleiben
Und ihr enges Treiben
Scheint dir widrig bald und leer. –
Bald wird dich die Reue finden
Und du sehnest dich zurück.

Heimlich und hastig.

Darum bewahre die magische Kraft,
Die Geister zu binden,
Bewahre das Pfand deiner Wissenschaft –
HEILING unwillig einfallend.
Was soll mir jenes Buch?
Was soll sein Zauberspruch,
Der mir noch keinen Segen trug? –

Mit tiefem Gefühl.

In Annas Busen wohnt ein selig Leben,
Der Liebe Zauberweben,
Dem, dem hab ich mich allein ergeben!
KÖNIGIN bedeutend.
Und bist du sicher, daß die Oberwelt
Mit ihren Zaubern Treue hält?
HEILING finster.
Still, Mutter, still! Laß meine Zweifel schlafen,
Ich muß vertrauen, wenn ich leben soll. –
Gieb mir den Brautschmuck, denn es drängt die Zeit.
KÖNIGIN.
Der Mutter letzte Gabe ist bereit.

Sie winkt nach rechts.

Vier Zwerge bringen ihr von dort ein schön verziertes Kästchen und gehen wieder ab nach rechts.

Chor der Erdgeister tritt langsam wieder näher.

KÖNIGIN öffnet das Kästchen.
Schimmernde Demanten,
Wie glühend hell ihr scheint!
Ihr seid der Mutter Abschiedszähren,
Die sie dem ungetreuen Kinde weint.
So nimm denn meine heißen Thränen
Zum Brautschmuck, meine Feindin zu verschönen.
Mit meinem Jammer schmückest du dein Glück,
Und ganz verlassen bleibe ich zurück.

Chor der Erdgeister wird lebhafter.

HEILING ist vor der Königin niedergesunken; ihre Hand heftig an Lippen und Augen drückend, nimmt er den Schmuck.
Laß ab, laß ab! Mißgönnst du mir mein Glück?
Warum erschwerst du mir den letzten Augenblick.

Er erhebt sich, will fort.

CHOR DER ERDGEISTER umgiebt ihn in geschlossener Gruppe; trotzig.
Du sollst nicht entweichen,
Gedenk deiner Pflicht!
Du bist unsresgleichen,
Wir lassen dich nicht!
KÖNIGIN.
O laß dich erweichen,
Verlasse uns nicht!
CHOR DER ERDGEISTER.
Du sollst nicht entweichen,
Gedenk deiner Pflicht;
Du bist unsresgleichen,
Wir lassen dich nicht!
HEILING.
Wagt ihr zu drohn?
CHOR DER ERDGEISTER Heiling mit drohender Bewegung enger umkreisend.
Wir lassen dich nicht! Wir lassen dich nicht!
HEILING.
Ihr haltet mich nicht!
CHOR DER ERDGEISTER wie oben.
Wir lassen dich nicht!
Wir lassen dich nicht! Wir lassen dich nicht!

Sie erheben die Hände drohend gegen ihn.

HEILING drängt zurück, eilt hinauf, nimmt das goldene Stäbchen vom Throne, winkt gebietend damit.
Gebt Raum! Euer König befiehlt!
CHOR DER ERDGEISTER zu beiden Seiten zurückweichend, vernichtet niederstürzend.
Weh uns, wehe! Wehe uns!

Königin geht mit einigen Schritten nach links vorn.

HEILING legt das Stäbchen wieder auf den Thron, tritt zu ihrer Rechten vor und beugt sich knieend über ihre Hand.
Leb wohl, du arme kinderlose Mutter!

Er steht auf, im Abgehen zu den Erdgeistern gewandt.

Fahrt wohl! Fahrt wohl –

Er tritt zurück.

Ihr trüben freudenlosen Brüder!
KÖNIGIN ihm die Arme nachstreckend.
Mein Sohn!
HEILING.
Leb wohl!
KÖNIGIN.
Mein Sohn, mein Sohn! Kehrst du mir niemals wieder, nie?
HEILING wendet sich um. Pause. Er tritt ihr wieder ganz nahe.
Wenn mein Kranz verblüht –
Wenn das Herz mir bricht –
Dann, Mutter, dann vielleicht.
O wünsch es nicht! O wünsch es nicht!
Das, Mutter, wünsche nicht!

Er eilt hinweg, man sieht ihn den seitlichen Felsweg hinaufsteigen; er reißt oben den Mantel von der Schulter, wirft ihn hinab und verschwindet durch den Ausgang.

Königin geht ihm bis zum Throne nach.

Zweiter Auftritt.

Die Vorigen ohne Heiling.

CHOR DER ERDGEISTER erhebt sich, unter sich.
Er eilt hinweg, er hört uns nicht.

Sie wiederholen es fünfmal; Heiling nachdrohend.

Wehe dem, der Treue bricht!
KÖNIGIN ist auf des Thrones Stufen hingesunken.
O arme kinderlose Mutter!
CHOR DER ERDGEISTER klagt ihr nach.
O arme kinderlose Mutter!
KÖNIGIN rasch aufstehend und vorkommend.
Nein, nein, nicht umsonst will ich die Macht besitzen,
Ich ruhe nicht, ich will sie rastlos nützen,
Den Sohn auf immer wiederzugewinnen!
CHOR DER ERDGEISTER sie sehr lebhaft umdrängend.
Laß, Herrin, uns dabei dir dienen!
Befiehl! Was sollen wir beginnen? Befiehl!
KÖNIGIN befehlend.
Geduldig harren, bis mein Wort gebeut.
CHOR DER ERDGEISTER wendet sich ab.
KÖNIGIN.
Jetzt eilet, euer Wirken fortzusetzen,
Gehorsam, gehorsam unsren ewigen Gesetzen.

Sie wendet sich wieder zum Thron hinauf.

CHOR DER ERDGEISTER murrend.
Gehorchen und tragen.
Uns tummeln und plagen, das, das,
Das ist unser Los.

Sie beginnen ihr geschäftiges Treiben wieder.

Rastlos geschafft
Mit stetiger Kraft!
Ohne Ruh,
Immerzu
Hin und wieder,
Auf und nieder,
Wirken wir munter!
Ohne Ruh,
Immerzu,
Hin und wieder,
Auf und nieder,
Wirken wir munter,
Reicher und bunter,
Wirken mir munter,
Wonach die Menschen ringen und werben,
Zum Nutzen und Schaden, zum Heil und Verderben.

Königin sitzt traurig sinnend auf dem Throne.

Chor der Erdgeister entwickelt dasselbe Bild der Rührigkeit wie zu Anfang.

Die sieben Minuten dauernde Ouverture schließt sich unmittelbar an, während welcher Zeit die scenische Veränderung geschehen muß, so daß keine Pause zu entstehen braucht.

Ouverture.

Erster Aufzug.

Hans Heilings Studierzimmer. Es ist Tag.

Nr. 1. Introduktion.

Der Vorhang hebt sich im fünften Takte.

Erster Auftritt.

Stimmen der Königin und der Erdgeister. Hans Heiling. Dann Annas und Gertruds Stimmen.

KÖNIGIN aus der Tiefe.
O bleib bei mir, bei mir!
ERDGEISTER ebenso.
O bleib bei uns, die Geister dienen
Auf Wort und Mienen willig dir!
HEILING steigt, eine Kette um den Hals, aus der Fallthür links vorn herauf, ohne Kopfbedeckung, wie er im Vorspiel abgegangen, den Schmuck in der Hand.
Auf ewig schließe dich, du dunkler Gang,
Ich will dich nicht mehr gehen!

Donner.

Die Fallthür schließt sich von selbst.

HEILING tritt zu dem aufgeschlagenen Zauberbuch auf dem Tisch an der Hinterwand.
Ihr mächt’gen Zeichen,
Durch deren Spruch ich alle Geister banne,
Verstummt auf immerdar!

Er schlägt das Buch zu, schließt die Klammern und tritt vor.

Umfange mich
Mit Liebesarmen nun, du reiche Erde,
Und halte Wort mir, ganz bin ich nun dein!

Er legt das Schmuckkästchen in die Truhe zur Linken, schürt die erstorbene Glut des Herdes wieder an.

Anna und Gertrud pochen an die Thür rechts.

GERTRUD.
Meister Heiling!
HEILING stutzt.
Wer ruft?
ANNA.
Meister Heiling, guten Morgen!
HEILING entzückt.
Sie ist es, sie!

Er öffnet eilig die stark verriegelte Thür rechts.

Anna und Gertrud treten von dort ein.

Zweiter Auftritt.

Gertrud rechts. Anna in der Mitte. Heiling links.

HEILING zu Anna, stürmisch zärtlich.
Willkommen mir auf dieser Stelle!
Den Himmel trägst du über meine Schwelle.
Zum erstenmale unter meinem Dach
Darf ich zum Gruße diese Hände, diese Hände fassen.

Er begrüßt nun auch Gertrud.

ANNA kindlich und froh.
Und gestern habt den ganzen Tag,
Den ganzen Tag Ihr wieder Euch nicht sehen lassen.
GERTRUD.
Es hat uns recht um Euch gebangt.
HEILING zu Anna.
So hat dein Herz nach mir verlangt?
ANNA.
Ei ja! – Ei ja, es hat mich recht verdrossen,
Daß Ihr Euch abermals verschlossen.
Was, ja was habt gestern Ihr gemacht?
HEILING.
Nur an dich, ja nur an dich hab ich gedacht. –
Doch nun soll uns nichts mehr scheiden,
Nie will ich dich wieder meiden.
GERTRUD.
Wie an solcher Zärtlichkeit
Sich mein Mutterherz erfreut!
Ja, in solchen Glückes Schein
Wird mein Alter sorglos sein.
ANNA.
Recht so, laßt die Heimlichkeit,
Die ja keinen Menschen freut.
Stellt das düstre Grübeln ein,
Lernet froh und sorglos sein.
HEILING.
Ja, ich thu mit Freudigkeit,
Was dein holder Mund gebeut,
Nenn ich dich erst, Teure, mein,
Werd ich fröhlich, selig sein.
HEILING spricht. So machst du mir denn heut zum erstenmal die Freude, mein Haus zu betreten; in wenig Tagen führe ich dich hier als Herrin ein, und alles soll dann deinem Willen dienen.
ANNA sich scheu im Zimmer umsehend. Doch sagt nur, was habt Ihr denn für wunderliches Gerät? Es schauert mich, sehe ich an den Wänden umher. Was thut Ihr denn mit all dem verwirrten Kram, vor dem man nicht frei Atem holen kann?
HEILING. Du liebes scheues Kind.Auch sollst du ja hier nicht wohnen. Ein trauliches Gemach soll dich empfangen, wo dich nichts stören noch erschrecken wird. Nach links zeigend. Ich zeig es dir.
GERTRUD. Nun schön, Meister. Ich muß sagen, ein wenig neugierig bin ich, Euer Haus zu sehn.
HEILING. So laßt mich voran gehn, damit du alles deiner würdig findest. Bald rufe ich dich ab. Er geht ab nach links.

Dritter Auftritt.

Gertrud, Anna zu ihrer Linken.

GERTRUD. Nun, Annchen, du sagst ja gar nichts. Gefällt dir denn das Haus deines Bräutigams nicht? Von außen ist es doch wohl stattlich genug.
ANNA geht an Gertrud vorüber und setzt sich an den Tisch rechts. Ach ja, Mutter, es gefällt mir schon, aber – ich kann mich doch nicht darauf freuen. Sieht es hier nicht aus, als könnte man niemals hier fröhlich sein? Und wie einsam! Unser Dorf ist wohl eine Stunde entfernt, ringsum hier nichts als wüstes Land, Gestein und Haide. Ach, Mutter, Halblaut. Ihr hättet mir doch nicht zureden sollen: Heiling zu heiraten.
GERTRUD. Kind, was fällt dir ein? So einen reichen gelehrten Mann zu nehmen, um den dich alle Dirnen beneiden, das könnte dich gereun? Was hast du denn sonst zu erwarten? Von den jungen Burschen meint es doch keiner redlich mit einem armen Mädchen.
ANNA vor sich hin. Keiner?
GERTRUD. Nein, sage ich dir, keiner.
ANNA. Hm, Ihr macht es auch ärger als es ist.
GERTRUD. Kann man es denn ärger machen als die Burschen heutzutage? Für sich. Was ihr nur im Kopfe spukt? Wenn doch Heiling käme – ich muß nur nach ihm sehen. Sie geht ab nach links.

Vierter Auftritt.

Anna allein.

ANNA sitzt ein Weilchen, die Hände im Schoße, vor sich hinsehend; dann seufzt sie tief auf. Ach! Was hilft all mein Sinnen, eswird doch nicht anders. Sie steht auf. Ach, Konrad! Warum denke ich nur immer an ihn? Wer weiß, ob er sich um mich bekümmert? Und wenn auch – es ist ja doch nicht mehr zu ändern, in drei Tagen ist meine Hochzeit. – Ach! Sie geht ein paar Schritte, bleibt hinter dem Tisch stehn, auf dem das Zauberbuch liegt. Was das für ein gewaltig großes Buch ist! Und so fest mit Klammern verschlossen. Sie versucht, sie zu öffnen. Sieh da, sie springen auf! Gewiß sind schöne bunte Heil’genbilder drin, die seh‘ ich gar zu gern. Sie schlägt das Buch auf.

Nr. 2. Terzett.

Ha, welche Zeichen!
So glänzend und schön!
Wie sie nahen und weichen,
Wie ich’s nie gesehn!
Wirre Gestalten
Treiben und walten,
Schwellen

Sie blättert.

Wie Wellen.
Wie sie sich verschlingen,
Mächtig auf mich dringen!

Die Blätter schlagen sich von selbst um, schnell und immer schneller, sodaß Anna dabei schwindelnd wird und sich am Stuhl hinter dem Tisch festhält.

Immer mehr! Immer mehr!
Sie schwindeln und drehn,
Die Sinne mir vergehn!
Entsetzlich! Entsetzlich, was hab‘ ich gesehn!

Hans Heiling kommt von links in Barett und Überwurf mit Gertrud, die durchs Zimmer nach rechts vorn eilt.

Fünfter Auftritt.

Gertrud rechts vorn. Anna hinter dem Tisch mit dem Zauberbuch, Heiling zu ihrer Linken.

HEILING heftig.
Unselige! Unselige! Was hast du gethan?
Welch toller Vorwitz trieb dich an?
Hinweg! Vermessene!

Er stößt Annas Hand von sich und schlägt das Buch zu.

Anna sinkt in Gertruds Arme.

GERTRUD.
Was ist dir,
O mein Kind?
ANNA.
Wehe mir!
HEILING eilt sich besinnend zu Anna.
Verzeihe mir!
GERTRUD.
Ach, mein Kind!
HEILING.
Erhole dich, laß deine Angst mich stillen.

Er will sie liebkosend in den Arm nehmen.

ANNA eilt, sich losreißend, an ihm vorüber nach links.
Nein, um aller Heil’gen willen,
Um aller Heil’gen willen,
Vernichtet das Buch, vernichtet das Buch,
Schafft mir Ruh!
HEILING.
Anna, was verlangest du!
ANNA.
Fort das Buch, hört auf mein Flehn,
Wollt Ihr mich je heiter sehn!
HEILING.
Anna, was verlangest du?
ANNA.
Hört auf mein Flehn,
Wollt Ihr mich wieder heiter sehn!
Hat mein Bitten keine Kraft,
Ist Eure Liebe schon dahin?
Aus Erbarmen willigt ein,
Ich vergeh‘ vor Pein!
HEILING vor sich hin.
Meine hohe Wissenschaft,
Meinen Stolz und meine Kraft
Gäb‘ ich dahin?
Soll ich die Geister ganz befrein,
Fürder machtlos sein?
ANNA in Herzensangst seinen Arm umklammernd.
Fort das Buch, hört auf mein Flehn,
Wollt Ihr mich je heiter sehn!
Hat mein Bitten keine Kraft?
Ist Eure Liebe schon dahin?
Aus Erbarmen, willigt ein,
Ich vergeh‘ vor Pein!

Sie schmiegt sich an Heilings Brust.

HEILING sieht tief bewegt auf Anna.
Alles, alles muß ich dir gewähren!

Er faßt das Buch mit beiden Händen.

Mag die Flamme dich verzehren!

Er schleudert das Buch auf den Herd links.

Eine lohe Flamme schlägt auf und verschlingt das Buch.

Blitz und dumpfer Donner.

HEILING tritt zu Anna.
Machtlos, machtlos, arm steh‘ ich nun hier,
All‘ mein Glück, all‘ mein Glück liegt nun in dir!
GERTRUD.
Den Heil’gen Dank!
HEILING zu Anna.
Sei nicht mehr bang!
ANNA.
O tausend, tausend Dank!
GERTRUD.
Den Heil’gen Dank!
HEILING.
Sei nicht mehr bang!
Sei nicht mehr bang!
O mein ganzes Leben
Muß ich dir ja geben,
Nichts ist mir für dich zu teuer.
GERTRUD.
Den Heil’gen Dank!
Er hat nachgegeben,
Kann nicht widerstreben,
Das ist ein gefäll’ger Freier.
ANNA.
O tausend Dank!
Ihr habt neues Leben
Mir zurückgegeben!
O tausend Dank!
Nun atm‘ ich wieder freier!
O tausend, tausend Dank!
HEILING. Nichts! – Nichts!
GERTRUD spricht. Nun, das ist recht, Meister Heiling, daß Ihr Annchens Bitten nachgegeben.
HEILING bedenklich. War es recht von mir? Ich habe viel, viel hingegeben!
ANNA. Ich weiß ja, Heiling, daß Ihr mich lieb habt.
HEILING sie an seine Brust ziehend. Weißt du es! O so vergiß es nie! Du kannst ja reich vergelten.
ANNA bemerkt in seiner Umarmung die Kette, welche er um den Hals trägt. Was habt Ihr denn da, Heiling?
HEILING. Fast hätt‘ ich es vergessen. Es ist eine Kette, die du zum Angedenken dieser Stunde tragen sollst. Er hängt sie ihr um.
GERTRUD. Ach, wie prächtig! Annchen, Annchen! Du siehst ja wie ein Edelfräulein aus!
ANNA. Wie Ihr doch immer bedacht seid, mir Freude zu machen! Gewiß, ich erkenne das recht tief im Herzen und es thut mir weh, daß Ihr mich wohl gar für undankbar haltet, weil ich Euch meine Dankbarkeit nicht zeigen kann. Ich weiß nicht, warum ich es nicht kann, aber undankbar bin ich wahrhaftig nicht.
HEILING. Du bist es nicht, doch nenn‘ es auch nicht so. Wenn du mich liebst, was gilt dann unter uns Dank und Erkenntlichkeit?

Nr. 3. Arie.

HEILING.
An jenem Tag, da du mir Treue versprochen,
Als ich in Wonn‘ und Schmerz zu deinen Füßen rang,
Da, ja da, da ist in meiner Brust der Morgen angebrochen,
Gestillt, gestillt zum erstenmal war meiner Seele Drang.
Aus trüber freudenloser Nacht
Bin ich zum hellen Leben da erwacht,
Du, ja du hast überschwenglich selig mich gemacht.

Innig, doch mit heimlicher Drohung.

O laß die Treue niemals wanken,
Halt fest die Liebe in deinem Herzen,
In dir nur lebe ich.

Heftiger.

Ich liebe dich so ohne Schranken,
Ich liebe dich mit tausend Schmerzen,
Mit Höllenqualen lieb‘ ich dich!

Argwöhnisch und immer heftiger.

Könntest du je von mir lassen,
Könnte je dein Herz erkalten,
Weh uns beiden dann! Weh! –
Schon bei dem Gedanken fassen
Mich die finsteren Gewalten,
Treiben zu gräßlicher Rache mich an. –
Ich liebe dich
Mit blutendem Herzen!
Ich liebe dich
Mit endlosen Schmerzen!
Ich liebe dich
Mit blutendem Herzen,
Mit endlosen Schmerzen,
Mit Argwohn und Bangen,
Mit rasendem Verlangen!
Ich liebe dich
Mit Argwohn und Bangen,
Mit rasendem Verlangen!
Ich liebe dich
Mit blutendem Herzen,
Mit endlosen Schmerzen,
Mit Argwohn und Bangen,
Mit rasendem, mit rasendem Verlangen!
So lieb ich dich!
So, ja, so lieb ich dich!

Er stürzt zu Annas Füßen nieder, das Gesicht in ihren Schoß bergend.

ANNA richtet ihn auf und fängt noch unter der Musik im neunten Takt zu sprechen an. Seid doch nur nicht so wild, Ihr richtet Euch noch zu Grunde. Steht doch auf! Sie hebt ihn auf. Bin ich nicht Eure Braut, und in drei Tagen Eure Hausfrau? Dann aber müßt Ihr auch froh und heiter werden und Euer stetes Studieren und Grübeln lassen.
GERTRUD. Annchen hat wohl recht. Ihr müßt die Menschen nicht scheuen und eine Lustbarkeit gern mitmachen.

Die Musik endet.

GERTRUD. Seht, heut gerade feiern sie im Dorfe das Fest unsres lieben heiligen Florian.
ANNA. Ja, laßt uns zusammen hingehn, gewiß, es wird Euch gefallen.
HEILING. Wohl weniger mir als dir.
GERTRUD. Nun, soll denn Anna an solchem Tage nicht einen Tanz mitmachen?
HEILING heftig. Tanzen? Wie, tanzen wollte sie, und weiß, wie es durchs Herz mir schneidet, wenn ich am Arme eines andern sie erblicke? Ich gab es einmal zu, nie mehr! Der wüsten Burschen Keckheit macht mich wild.
ANNA. Nicht doch, Heiling, ich will ja nicht tanzen, wenn es Euch so zuwider ist. Laßt uns nur hingehn, und unter heitern Menschen heiter sein.
HEILING. Kannst du das nicht bei mir allein?
ANNA. O ja, das wohl. Ihr werdet mich aber doch nicht wie eine Klosterfrau halten wollen? Halblaut, schmollend. Wozu schenkt Ihr mir denn so schöne Sachen, wenn sie kein Mensch sehen soll?
HEILING. So zieht der eitle Hochmut dich dahin?
ANNA. Wie Ihr nun das gleich nehmt!
GERTRUD. Ei, Meister, gönnt dem jungen Blut ein Vergnügen und geht mit hinüber.
ANNA schmeichelnd. Ach, thut es, Heiling, ich bitte Euch gar zu sehr. Thut mir’s zuliebe.
HEILING nach kleiner Pause. Und tanzen willst du nicht?
ANNA sieht nieder, kleinlaut. Wenn Ihr’s nicht wollt –
HEILING schnell. Gewiß nicht?
ANNA ihn offen ansehend. Gewiß nicht!

Nr. 4. Terzett.

HEILING.
Wohlan! Wohlan! So laß uns gehen!
ANNA geht freudig tanzend in den Hintergrund, kommt wieder vor und tritt zwischen beide.
O herrlich, o prächtig! das ist schön!
GERTRUD.
Seht, Meister Heiling, das ist schön!
ANNA.
O herrlich, das ist schön!
GERTRUD.
Das ist schön!
ANNA.
Daß wir nun doch –
GERTRUD.
Daß Ihr sie laßt –
GERTRUD UND ANNA.
Zum Feste gehn!
ANNA.
O herrlich, prächtig, das ist schön,
Daß wir nun doch zum Feste gehn! –

Mit der Kette spielend, springt sie bald zu Heiling, bald zu Gertrud.

Nun macht das Geschmeide
Mir erst rechte Freude, mir erst rechte Freude!
Denn heimlich und allein
Kann mich nichts erfreun.
Nein, nein, nein, heimlich und allein
Kann mich nichts erfreun!
Die Mädchen und Frauen,
Wie werden sie schauen!
Manche wird freundlicher grüßen,
Manche auch wird es verdrießen,
Haha! hahahaha!
Welchen Spaß, welchen Spaß giebt es da!

Sie geht freudig tanzend wieder nach dem Hintergrund, kommt vor und nimmt die linke Ecke.

GERTRUD zu Heiling.
Seht nur das närrisch junge Blut,
Wie es so kindisch thut!
ANNA.
Ach, Heiling, ach, Heiling, wie bin ich Euch so gut,
Wie bin ich Euch so gut,
Daß Ihr mir den Gefallen thut!
GERTRUD.
Seht nur das närrisch junge Blut,
O seht, seht nur, wie es so kindisch thut!
O seht das närrisch junge Blut,
O seht wie es so kindisch thut!
HEILING im Anschauen Annas.
Auch der thörichte Übermut,
Wie steht er Euch so gut!
GERTRUD zu Heiling.
So laßt uns fort!
ANNA ebenso.
So laßt uns fort!
HEILING.
Mit Widerstreben
Hab ich der Bitte nachgegeben!
ANNA.
So laßt uns gehn!
HEILING.
Doch gilt es dir ein Liebeszeichen,
So muß mein Widerwille weichen!
ANNA kindlich bittend.
O laßt, o laßt das Wort Euch nicht gereun!
GERTRUD.
O laßt das Wort Euch nicht gereun,
Gewiß, das Fest wird Euch erfreun!
ANNA.
Gewiß, gewiß, das Fest wird Euch erfreun!
HEILING.
Wirst du mir stets zur Seite sein,
So soll es nimmer mich gereun!
GERTRUD.
O laßt das Wort Euch nicht gereun,
Gewiß, das Fest wird Euch erfreun!
ANNA.
O laßt, o laßt das Wort Euch nicht gereun!
GERTRUD.
O laßt das Wort Euch nicht gereun,
Gewiß, gewiß, das Fest wird Euch erfreun!
ANNA.
Gewiß, gewiß, gewiß,
Das Fest wird Euch erfreun!
HEILING.
Wirst du mir stets zur Seite sein,
So soll es nimmer mich gereun!
ANNA.
O laßt das Wort Euch nicht gereun,
Gewiß, das Fest wird Euch erfreun,
Gewiß, das Fest –
Gewiß, das Fest, das Fest wird Euch erfreun!
O laßt das Wort Euch nicht gereun,
Das Fest wird Euch erfreun!
GERTRUD.
O laßt das Wort Euch nicht gereun,
Das Fest wird Euch erfreun!
HEILING.
Wirst du mir stets zur Seite sein,
So soll es nimmer mich gereun!

Alle drei gehen ab nach rechts.

Verwandlung.

Freie Gebirgsgegend.

Es ist heller Tag.

Nr. 5. Bauernchor.

Der Vorhang hebt sich im achtundzwanzigsten Takt.

Sechster Auftritt.

Niklas, Stephan, Bauern, Bäuerinnen mit Zweigen und Blumen geschmückt.

Ausgelassenes lustiges Treiben.

Niklas und Stephan sitzen am Tisch rechts vorn; Niklas zur Rechten, Stephan zur Linken.

Bauern und Bäuerinnen teils sitzend, teils an den Tischen stehend und aus Bechern trinkend und damit anstoßend.

Stephan steht bald nach Beginn des Chores auf.

BAUERNCHOR.
Juchheißa! Juchheißa! Heut dürft ihr die Kannen nicht schonen,
Der heilige Festtag gehöret den Bauern.
Denn Zehnten und Steuern und Zinsen und Fronen
Kann schon armen Leuten das Leben versauern. –

Stephan steht während der Pause im Chor in der Mitte.

Ein Mädchen hält ihm von rückwärts die Augen zu.

Stephan wehrt die Hände ab, will sich umsehen, wer es war.

Das Mädchen hinter ihm bückt sich.

EIN BURSCHE tritt schnell vor, schneidet Stephan ein Gesicht.
Bäh!

Alle lachen laut auf.

BAUERNCHOR.
Das Tragen und Hacken,
Das Mühen und Placken,
Hört heut einmal auf.
Drum lustig, Gevattern!
Drum lustig, Gevattern und Nachbarn, stoßt an!

Sie stehen alle auf und stoßen an.

Es lebe der heilige Florian!

Münchener Juchzer.

Niklas und Stephan nehmen wieder wie vorher an dem Tisch rechts vorn Platz.

Zwei Andere setzen sich zu ihnen.

Die Übrigen stehen und besetzen die andern Tische.

NIKLAS spricht. Juchhei! Gott segne es dem heiligen Florian, daß er uns einen Festtag in den Kalender gebracht hat. Juchhe! Ich könnte heut den letzten Pfennig in der Schenke lassen!
STEPHAN. Pfui, Gevatter, pfui! Denkt Ihr nicht an Weib und Kinder?
NIKLAS. Hol’s der Geier! Soll ich auch Festtags an sie denken? Sie liegen mir Werktags genug auf dem Halse. Ich will auch einmal lustig sein, und geht es heut ans Tanzen, so spring‘ ich drunter, daß es eine Art hat.
STEPHAN. Recht, Gevatter, wir haben so schon lange keinen Tanzbären gesehn.
NIKLAS schlägt nach ihm. Geh, du Duckmäuser! Hast du auch einmal das Herz, am Festtag einen dummen Spaß zu machen? Aber sag, kommt dein Vetter heut nicht heraus mit seinen Gesellen? Das sind mir lustige Vögel, die gräflichen Schützen; wo sie sind, geht es noch eins so toll her.
STEPHAN. Ei, freilich kommen sie. Mein Vetter, der Leibschütz, sagte am letzten Sonntage als er hier war: »Vetter,« sagt‘ er, »auf Sankt Florian komme ich zu euch heraus, oder es müßte schlimm gehn. Sorgt nur,« sagte er, »daß wir schmucke Dirnen zum Tanz finden, und daß die Beste nicht fehlt.«
NIKLAS. Schaut den Fuchs! Ach, ich versteh‘ schon, wen er damit meint! Oho, mich macht keiner blind! Ich habe wohl gesehn, wie er um schön Annchen herumstrich.
STEPHAN. Eben darum, Gevatter, eben darum leidet Meister Heiling gewiß nicht, daß seine Braut heut zum Tanz heraufkommt. Er schielte meinen Vetter immer so grimmig von der Seite an, als er mit Annchen tanzte.
NIKLAS. Die Pest über den verdammten Goldmacher! Er hat unsren Burschen den nettsten Backfisch weggeschnappt. Und sag‘ nur einer, was das Mädel an dem spukhaften Kerl hat?
DIE ANDERN. Ja, ’s ist auch wahr!
STEPHAN. Ja, ein wunderliches Aussehn hat er, mir grauselt immer, wenn ich ihn sehe. Aber Annchen wird es doch gut haben, er ist ein steinreicher Mann.
NIKLAS. Hol’s der Geier, wenn er für all sein Geld nicht einmal zum Lachen kommen kann! Wichtig, beide Ellbogen über den Tisch legend. Und sage doch, was es heißen soll, daß er sich alle Freitag in seinem Hause verschließt.
STEPHAN. Ach, Ihr wißt ja, er kocht Arzeneien.
NIKLAS. Schon recht, ich bin froh, daß ich seine Latwergen nicht schlucken muß.

Hörnerklang von links außerhalb.

BAUERN. Ha, die Schützen! Hört ihr? Sie kommen!
STEPHAN springt auf. Ah, da kommen sie, mein Vetter Kunz voran!

Der burggräfliche Leibschütz Konrad kommt mit vier Jägern, die ihre Hörner tragen, von links hinten.

Siebenter Auftritt.

Die Vorigen. Konrad und die vier Jäger.

Alle Andern jubeln den Jägern entgegen.

STEPHAN zu Konrad, ihm die Hände schüttelnd. Grüß dich Gott, Vetter, grüß dich Gott!
KONRAD Stephans Hand schüttelnd. Schön Dank, Vetter! Guten Tag, ihr lieben Freunde!
DIE BAUERN. Großen Dank!
STEPHAN zu Konrad, indem er seinen vorigen Platz einnimmt. Nun komm her zu uns, wir rücken zusammen.

Alle setzen sich wieder wie vorher.

KONRAD. Wenn ihr’s vergönnt? Er setzt sich zu Stephan an den Tisch rechts vorn auf den leergebliebenen Stuhl.

Die vier Jäger mischen sich unter die Bauern.

NIKLAS und die zwei Andern am Tische rechts. Viel Ehre, viel Ehre, Herr Schütz!
STEPHAN schiebt ihm die Kanne hin. Nun, Vetter, versuch‘ unser Bier.
NIKLAS ihm zutrinkend. Ich bring es Euch, seid schön willkommen!
KONRAD thut Bescheid. Schön Dank! Euch einen fröhlichen Tag!
NIKLAS. Ja, Herr, der möchte Euch wohl verdorben werden. Ich wette, Ihr habt Euch auf einen Tanz mit schön Annchen gespitzt, und die werdet Ihr heut nicht finden.
KONRAD. Wirklich nicht?
NIKLAS. Behüte, ihr Liebster leidet’s nicht. Er lacht. Gelt, es verdrießt Euch überhaupt: daß Ihr da zu spät gekommen seid.
KONRAD. Redet nicht so, wenn es mir bei Euch gefallen soll; weiß Gott, Ihr macht mich wild! Er will aufstehen.
STEPHAN drückt ihn nieder. Liebster Junge, sei doch gescheit! Es war ja nicht bös gemeint.
NIKLAS. Ei, bewahre, nicht im geringsten. Kommt her, laßt uns auf schön Annchens Wohl trinken.
KONRAD aufstehend, mit Stephan anstoßend. Von Herzen gern. Mög‘ es ihr wohlergehn, ihr Lebelang! Sie trinken und setzen sich dann wieder.
STEPHAN. So, nun ist’s wieder gut, nun wollen wir von was andrem reden. Erzähle etwas, Vetter.
NIKLAS. Ja, Herr, wie neulich, von Zwergen und Kobolden.
STEPHAN schnell. Ach nein, nein, nicht wieder von so etwas, das kommt einem im Traum vor.

Niklas lacht.

KONRAD. Was fürchtest du denn von den Erdgeistern? Sie sind den Menschen gar nicht abhold, besonders ihre Weibchen, die schon manchen Erdensohn mit ihrer Liebe sollen bethört haben.
NIKLAS. Nicht möglich!
KONRAD. Ja, man sagt es. Die Kinder aus solcher Liebschaft sind dann so halb Geist, halb Mensch.
STEPHAN. Sehn die denn ganz wie unsereins aus?
KONRAD. Nun – etwas dickköpfig und krummbeinig mögen sie wohl sein.
STEPHAN besieht verstohlen seine Beine. Krummbeinig?
NIKLAS. Ja, ja, beguck nur deine Beine, dein dicker Schädel war mir längst verdächtig.
STEPHAN. Ach, Klas, du wirst doch von deinem Gevatter nicht so denken.
NIKLAS. Ei, der Teufel trau‘ seinem Gevatter!
KONRAD lachend. Nun, beruhige dich, Vetter. Aber wahr ist es, man kann sich nicht genug hüten! denkt nur, wie es der Sessa ging.
STEPHAN. Nun, wie denn?
KONRAD. Das wißt ihr nicht?
NIKLAS. So rückt einmal heraus mit der Geschichte.
KONRAD. Nun, hört zu. Er steht auf und nimmt die Mitte.

Die Andern am Tisch rechts bleiben sitzen.

Lärm, Jubeln, Zechen und Sprechen wird lauter.

Nr. 6. Lied mit Chor.

KONRAD. Ein sprödes allerliebstes Kind –

Der Lärm übertönt den singenden Konrad.

KONRAD spricht. Ja, wenn ihr nicht ruhig zuhören wollt –
NIKLAS reckt sich in die Höhe. Seid doch still da hinten, hier giebt’s was zu hören!

Die Jäger, Bauern und Bäuerinnen kommen und versammeln sich um Konrad; es wird ruhig.

KONRAD singt.
Ein sprödes allerliebstes Kind
Schlug jeden Antrag in den Wind,
Lacht‘ ihre Freier aus,
Jajajaja, lacht ihre Freier aus!
Doch als ein schmuckes Gräflein kam,
Sie flugs sich ihn zum Manne nahm!
Juchheißa, hopsasa!
Ihr Bursche, bost euch grün und blau,
Ich werde gnäd’ge Frau,
Jaja, ich werde gnäd’ge Frau!

Die Tische, Bänke und Stühle auf der linken Seite werden unauffällig abgeräumt.

CHOR.
Juchheißa, hopsasa!
Ihr Bursche, bost euch grün und blau,
Ich werde gnäd’ge Frau!
Ich werde gnäd’ge Frau,
Ja, gnäd’ge Frau!
Hahahahahahahaha!
KONRAD.
Ihr Bursche, bost euch grün und blau,
Ich werde gnäd’ge, gnäd’ge Frau!
Hahahahahahahaha!
Da leckt sie denn und scharmutziert,
Und brüstet sich und kurtesiert
Und putzt sich, wie ein Pfau,
Sie kurtesiert und putzt sich wie ein Pfau!
Doch Freitags schließt das Gräfelein
Sich fest in seiner Kammer ein!
Oho, oho! ei, ei!
Sie denkt: ei, das ist doch kurios,
Hier ist der Teufel los,
Ei, ei, hier ist der Teufel los!
CHOR.
Oho, oho! ei, ei!
Sie denkt: ei, das ist doch kurios,
Hier ist der Teufel los!
Hier ist der Teufel los,
Der Teufel los!
Hahahahahahahaha!
KONRAD.
Oho, sie denkt, ei, das ist doch kurios
Hier ist der Teufel los!
Hahahahahahahaha!
Da guckt sie einst durchs Schlüsselloch,
Sieht, wie ihr Mann, zwei Spannen hoch,
Mit andren Zwergen tanzt,
Zwei Spannen hoch mit andren Zwergen tanzt.
Mit kurzen Beinen, dickem Kopf
Springt der Herr Graf, der arme Tropf,
Hophop, heißa, hophop!
Schlägt Purzelbäume flink voran,
Ein Kobold war ihr Mann,
Jaja, ein Kobold war ihr Mann!
CHOR.
Hophop, heißa, hophop!
Schlägt Purzelbäume flink voran,
Ein Kobold war ihr Mann!
Ein Kobold war ihr Mann,
Ja, war ihr Mann!
Hahahahahahahaha!
KONRAD.
Hophop, schlägt Purzelbäume flink voran,
Ein Kobold war ihr Mann!
Hahahahahahahaha!

Alle lachen.

Konrad setzt sich an den Tisch rechts auf seinen vorigen Platz.

Abendröte.

Der ganze Chor geht nach dem Liede dem Hintergrunde und der Schenke zu, so daß die linke Seite frei wird.

Hans Heiling, Anna und Gertrud kommen unauffällig und unbemerkt von links hinten, bleiben etwas zurück und unterhalten sich.

Achter Auftritt.

Die Vorigen. Heiling. Anna. Gertrud. Dann die Musikanten.

NIKLAS. Hört, das ist eine prächtige Geschichte. Das hochnasige Ding wird schön angeführt.
HEILING für sich. Verspottet denn das elende Geschlecht ohne Unterlaß die Geister, die es fürchten soll?
STEPHAN. Nein, darüber lache wer will. Am Ende ist man vor seinen besten Freunden nicht mehr sicher.
NIKLAS. Ja, ja, traue uns nicht, eh‘ du dich umsiehst, verwandeln wir uns alle in Riesen und Kobolde und fressen dich auf! Er reckt sich plötzlich gegen ihn über den Tisch, den Mund weit aufsperrend. Bäh!!

Alle lachen.

STEPHAN springt auf. Klas, Klas, ich sage dir, jage einem Familienvater keinen Schrecken in den Leib. Ich fange schon an, mich vor mir selbst zu fürchten. So ein Beest ist wohl gar –

Heiling tritt in diesem Augenblick nach vorn.

NIKLAS Heiling bemerkend, aufstehend, ohne Pause fortfahrend. Meister Heiling! Er grüßt ihn.
STEPHAN entsetzt. Meister Heiling?
ALLE die bis jetzt Heiling nicht bemerkt haben, starren ihn überrascht an, grüßen. Meister Heiling!? Sie treten zurück.

Konrad steht auf und tritt zwischen Heiling und Anna, diese begrüßend und sich leise mit ihr unterhaltend.

HEILING nach einer kleinen Pause. Habt guten Tag! Es scheint euch zu befremden, mich hier zu sehn.
STEPHAN. O nein, gar nicht, wir freuen uns darüber.
KONRAD. Ja, wahrlich, Meister, wir freuen uns, daß Ihr Euch Eurer Einsamkeit entzieht und Eurer schönen Braut eine unschuldige Freude nicht mißgönnt.
HEILING argwöhnisch auf Konrad und Anna sehend. Unschuld’gen Freuden war ich niemals feind.
STEPHAN. Nun, Meister Heiling, dürft Ihr auch einen Trunk nicht verschmähn. Er geht zum Tisch rechts, zu Kanne und Becher.
KONRAD in eifrigem Gespräch mit Anna fortfahrend. Darum könnt Ihr nicht denken, was ich für eine Freude hatte, Euch zu sehn.
ANNA scherzend. Ja, wer’s Euch glaubte! Das habt Ihr wohl schon mancher vorgeredet.
STEPHAN. Nun, Herr, thut mir die Ehre an. Er reicht Heiling den Becher.

Heiling blickt unverwandt nach der linken Seite auf Anna und Konrad.

Die Bauern und Jäger im Hintergrunde stecken die Köpfe zusammen und flüstern über Heiling.

KONRAD fortfahrend. Wollte Gott, ich dürfte Euch beweisen, wie unrecht Ihr mir thut!
ANNA sieht nieder. Was meint Ihr?
STEPHAN. Ei, Meister Heiling, wollt Ihr mir nicht Bescheid thun?

Heiling nimmt mechanisch und abgewandt den Becher.

GERTRUD leise zu Anna. Annchen, Annchen, sieh doch Heiling an!
KONRAD im Feuer der Rede Annas Hand ergreifend. Wahrhaftig, ich meine es von Herzen.
HEILING schleudert den Becher hinweg. Verflucht!
STEPHAN erschrocken. Heiliger Schutzpatron! Was ficht ihn an?

Nr. 7. Finale.

Walzermusik.

Der Walzer beginnt links außerhalb.

Anna läuft zurück und beobachtet nach links.

Die Musikanten kommen nach den ersten acht Takten von links hinten und ziehen, den Walzer spielend, über den Platz in die Schenke rechts.

DIE JÄGER, BAUERN UND BÄUERINNEN, ZULETZT NIKLAS UND STEPHAN drängen jubelnd, lachend und tanzend nach. Heisa, da sind die Spielleute! Hinein zum Tanz!
ANNA kommt Heiling zur Rechten vor. Ach, herrlich! Sie hüpft und klatscht vor Freuden in die Hände. Ach, prächtig! Die Spielleute sind da, nun wird es munter hergehen! Ihr Blick fällt auf Heiling, sie wird kleinlaut. Ach, ich dummes Ding, was freue ich mich denn? Für mich wird ja nicht aufgespielt.

Die Jäger und Bauern sind in die Schenke rechts abgegangen.

Neunter Auftritt.

Anna und Heiling rechts. Konrad und Gertrud links.

KONRAD. Nun, Meister, Ihr vergönnt doch, daß ich den Reigen mit Eurer schönen Braut –
HEILING scharf. Nein, Herr, das vergönne ich nicht.

Konrad weicht nach links zurück.

GERTRUD tritt an Konrad vorüber zu Heiling. Ei, Ihr solltet Annchen doch die kleine Freude lassen.
HEILING. Ich habe ihr Versprechen.
ANNA. Nun ja, wenn Ihr’s durchaus nicht wollt, so tanze ich nicht; aber Ihr solltet, mir zuliebe, doch nachgeben.

Es wird dunkel.

Die Fenster der Schenke erhellen sich.

Finale.

ANNA.
Wie hüpft mir vor Freuden das Herz in der Brust
Das Tanzen, das Tanzen, das ist meine Lust!

Sie bewegt sich wie im Tanz.

Zu schweben und drehen im wogenden Kranz,
O laßt Euch erbitten, gewähret mir den Tanz!

Sie tritt zu Heiling heran.

HEILING.
Nein! Ich kann sie nicht gewähren,
Die verführend wilde Lust!
GERTRUD UND KONRAD.
Wollt, o wollt die Bitte ihr gewähren,
Gönnet ihr die kleine Lust.

Man sieht durch die erleuchteten Fenster der Schenke die Tanzenden.

ANNA gereizt.
Soll ich ganz, soll ich ganz der Freud‘ entbehren?
Wollt‘ Ihr jede Lust mir wehren?
HEILING.
Meine Wünsche sollst du ehren,
Nicht, was mir verhaßt, begehren!
KONRAD für sich.
Kaum kann ich dem Zorne wehren.
GERTRUD für sich.
Könnt‘ ich doch dem Zwiste wehren!

Sie tritt hinter Heiling weg, Anna zur Rechten.

HEILING.
Nicht, was mir verhaßt, begehren!
KONRAD für sich.
Kaum kann ich dem Zorne wehren!
ANNA heftiger.
Zeigt Ihr Euch schon als Tyrann,
Und seid doch noch nicht mein Mann?
Sei es frei Euch denn gesagt,
Nimmer werd‘ ich Eure Magd!
HEILING schmerzlich, mit einer Bewegung nach Anna.
Anna! Anna!
GERTRUD zu Anna.
Kind, ich bitte!
KONRAD Heilings Bewegung mißverstehend, tritt zwischen ihn und Anna.
Halt! Verletzet nicht die Sitte!
HEILING zornig und drohend.
Wagt Ihr?
GERTRUD.
Anna, ich bitte!
ANNA durch Gertrud bewogen, tritt an Konrad vorüber, begütigend zu Heiling.
Nicht doch! Nicht doch, lieber Freund,
Es war ja nicht so bös gemeint.
Ihr wißt, ich kann das Befehlen nicht leiden,
Es bringt mich zur Wut,
Ja, es bringt mich zur Wut!
Seid freundlich, seid sanft und bescheiden,
Dann, dann, ja, dann bin ich Euch gut.
HEILING.
So willst du –
ANNA hält ihm die Hand auf den Mund.
Nein, laßt es vergessen sein;
Nicht wahr, nicht wahr, Ihr kommt mit hinein?

Konrad zieht Anna rasch mit sich fort in die Schenke.

Gertrud folgt ihnen.

Zehnter Auftritt.

Heiling allein.

HEILING ruft ihr nach.
Anna! Anna!
Sie hört mich nicht? – Sie geht? – Sie geht!
Sie hat mich nie geliebt!

Er steht starr in sich versunken.

Die Musik aus der Schenke, Jubel und Lust werden gehört.

Man sieht drinnen Konrad mit Anna tanzen.

HEILING schreckt empor.
Ha, jubelt, jubelt, jubelt! Rast in toller Lust,
Ihr weckt den finstren Geist in meiner Brust! –
Mir diesen Trotz – mir diesen Hohn –
Dies meiner grenzenlose Liebe Lohn!
Ach! – Ach – sie! –

Vor sich hinstarrend.

Sie hat mich nie geliebt!

Er eilt, bei den wiedereinsetzenden Walzertönen erwachend, links vorn hinweg.

Zweiter Aufzug.

Wilde Wald- und Felsengegend.

Gebüsche, hinter welchen Gnomen versteckt sind. Rechts im Vordergrunde ein Baumstumpf.

Das Abendrot leuchtet durch die Bäume.

Nr. 8. Scene und Arie.

Der Vorhang hebt sich im dreiundzwanzigsten Takt.

Erster Auftritt.

Anna allein. Dann Geisterchor von unten.

Anna kommt sinnend von links hinten durch das Dickicht, ein Körbchen am Arme.

Recitativ.

ANNA.
Wehe mir, wohin, wohin ist es mit mir gekommen? –
Wie schlägt mein Herz so ängstlich und beklommen!
Mein froher Mut, mein froher Mut beginnt zu wanken,
Und miteinander streiten die Gedanken‘ –

Arie.

Einst war so tiefer Friede mir im Herzen,
Ich kannte keine Sehnsucht, keine Schmerzen,
War so harmlos, war so fröhlich.
Seit ich geliebt bin,
Ist mein Friede hin,
Und nun ich liebe, bin ich unglückselig!

Sie verliert sich in Gedanken.

Wehe mir! Wohin, wohin mich wenden,
Wie soll es enden?
Wer wird mein Retter sein
Von dieser Pein?
Dem Bräutigam hab ich mein Wort,

Traurig und leise.

mein Wort gegeben,
Es hängt sein ganzes Leben
An meinem Treuversprechen,
Kann ich das brechen?
Kann ich das je brechen?
Und dennoch hab ich jetzt es erst verstanden,
Was so, was so mit mächt’gen Banden
Die Herzen aneinander zieht,
Daß Seel‘ an Seel‘ erglüht!
An Konrads Liebe denk‘ ich mit Entzücken,

Bebend.

Da schreckt mich Heilings Bild mit Vorwurfsblicken
Und doch bin ich in meiner Brust
Mir keiner Schuld bewußt.
Wohin mich wenden,
Wie soll das enden?
Wer wird mein Retter sein
Von dieser Pein?
Wer? Wer? Wer? Wer?

Sie sinkt erschöpft auf den Baumstumpf rechts vorn; nach einer kleinen Pause richtet sie sich ergeben auf.

Die Abendröte schwindet.

So gehe es denn, wie Gott will, ich kann ja nichts thun, als mich drein ergeben. Doch sieh, die Sonne ist schon tief hinunter; mein Gott, wie habe ich mich verspätet. Wäre ich nur lieber heut‘ nicht zur Base gegangen. Ach, hätte ich’s nur zu Haus aushalten können, aber das Herz war mir gar zu schwer, ich mußte hinaus. Sie sieht gedankenvoll vor sich hin. Wer hätte das gedacht, daß der gestrige Tanz mich so traurig machen würde? Und was wird Heiling sagen? Aber da stehe ich schon wie der, ich bin doch auch ganz verwirrt. Nun werde ich mich dazu halten müssen. Von welcher Seite binich denn gekommen? Sich umsehend. Wo bin ich denn? Die Gegend ist mir ganz fremd; ich habe mich wohl gar verirrt? Mein armes Mütterchen, wie wird die sich ängstigen! Und wenn die Nacht mich überfällt! Hier soll es nicht geheuer sein; man sagt, daß Kobolde und böse Geister hier ihr nächtig Wesen treiben.

Nr. 9. Ensemble mit Arie und Chor.

Man vernimmt die leisen Klänge des immer näher kommenden unterirdischen Geisterchors.

ANNA. Flüstert es nicht dort? – Nein, da! – Es murmelt, rauscht, es ist unter mir. Immer näher! Der Boden wankt, wohin entfliehe ich?

Die Erdgeister werden sichtbar.

ANNA.Ihr Heiligen, steht mir bei!

Sie sinkt wieder auf den Baumstumpf rechts vorn.

CHOR DER ERDGEISTER.
Aus der Klüfte Schlund,
Durch der Erde Grund,
Drängt hinauf, empor!
An das Licht hervor!

Die Versenkungen öffnen sich.

Die Königin der Erdgeister erscheint, von hellem Licht überflutet, auf der letzten rückwärts belegenen Versenkung auf einer Erhöhung, von weiblichen Erdgeistern und Gnomen umgeben.

Der Chor der Erdgeister erscheint auf den übrigen Versenkungen.

Gnomen schlüpfen aus allen Gebüschen.

Die Einteilung der Versenkungen muß sich natürlich nach den Verhältnissen der Bühnen richten; wenn die Versenkungen nicht ausreichen, kann ein Teil des Chores von beiden Seiten kommen.

Zweiter Auftritt.

Anna rechts vorn. Die Königin der Erdgeister in der Mitte. Chor der Erdgeister zurückstehend. Dann Konrad außerhalb.

Königin tritt von ihrer Erhöhung herab und schreitet auf Anna zu.

Chor der Erdgeister versammelt sich, lichtvoll gruppiert, um seine Königin.

KÖNIGIN.
Hör‘ auf mein Wort, bethörtes Menschenkind!

Chor der Erdgeister erhebt drohend die rechte Hand gegen Anna.

KÖNIGIN.
Ich bin gekommen, dich zu warnen.
Das Unheil droht dich zu umgarnen,
Und ins Verderben stürzest du dich blind.
ANNA sehr bewegt.
O hohe Frau, was hab ich denn begangen?
CHOR DER ERDGEISTER.
Menschenkind, gieb dich gefangen!
ANNA.
Was könnt ihr doch von mir verlangen?
CHOR DER ERDGEISTER.
Menschenkind, gieb dich gefangen?
Gleich erfülle ihr Verlangen!
KÖNIGIN.
Meinen Sohn, meinen Sohn gieb mir zurück!
(Imponierend.) Laß ihn frei –
CHOR DER ERDGEISTER.
Laß ihn frei!
KÖNIGIN.
Aus dem Netz der Liebeszauberei!
Denn auf Erden blühet ihm kein Glück!
CHOR DER ERDGEISTER mit drohender Bewegung.
Wehe dir, gehorchst du nicht!
ANNA.
Wehe mir!
CHOR DER ERDGEISTER.
Wehe dir, gehorchst du nicht!
Wehe dir, gehorchst du nicht!
ANNA.
Wehe mir! Ich versteh‘ euch nicht!
KÖNIGIN.
Wisse denn!
CHOR DER ERDGEISTER.
Wisse denn!
KÖNIGIN.
Dein Bräutigam
Ist Geisterfürst der Berge!
CHOR DER ERDGEISTER.
Geisterfürst der Berge!
KÖNIGIN.
Er gehört dem Stamm der Gnomen,
Dem Stamm der Gnomen und der Zwerge.
CHOR DER ERDGEISTER.
Er gehört dem Stamm der Gnomen,
Der Gnomen und der Zwerge!
ANNA sinkt vernichtet nieder.
Allmächt’ger Gott!
KÖNIGIN.
Öffne dein Ohr für die warnende Stimme,
Gieb ihn mir wieder, den einzigen Sohn,
Gieb ihn zurück dem verlassenen Thron!
CHOR DER ERDGEISTER.
Gieb ihn zurück dem verlassenen Thron!
KÖNIGIN.
Sonst bist du verfallen dem rächenden Grimme.
Dem rächenden Grimme der mächtigen Geister,
Sie fordern den Meister,
Sie sinnen
Und spinnen
Graun und Entsetzen!
Sie schrecken und hetzen
Bei Tag und bei Nacht,
Sie schrecken und hetzen dich mit endloser Pein!
CHOR DER ERDGEISTER.
Wehe dir! Wehe dir!
KÖNIGIN.
Gieb ihn mir wieder, den einzigen Sohn,
Gieb ihn zurück dem verlassenen Thron!
Sonst bist du verfallen dem rächenden Grimme,
Der mächtigen Geister,
Sie fordern den Meister,
Sie sinnen
Und spinnen
Graun und Entsetzen!
Sie schrecken und hetzen
Bei Tag und bei Nacht,
Sie schrecken und hetzen dich mit endloser Pein!
Sie schrecken und hetzen bei Tag und bei Nacht,
Bei Tag und bei Nacht dich mit endloser Pein!

Sie besteigt mit ihren weiblichen Erdgeistern und Gnomen wieder die Erhöhung auf der Versenkung und versinkt.

CHOR DER ERDGEISTER verschwindend.
Wehe dir! Wehe dir! Wehe dir!
Wirst du nicht gehorsam sein!
Wehe dir, wirst du nicht gehorsam sein!
Wehe dir! Wehe dir!

Alle versinken und verschwinden woher sie gekommen, und machen dabei mit der rechten Hand eine drohende Bewegung.

Der letzte Accord im Orchester muß so lange anhalten, bis alle verschwunden sind.

ANNA richtet sich langsam auf, spricht. Ihr Heiligen! Was hab ich hören müssen! Hinweg! Hinweg! Sie hat sich aufgerafft, wankt einige Schritte, sinkt rechts vorn nieder. Weh mir, ich kann nicht mehr!

Die gesperrten Worte werden vom ganzen Chor, durch energische Bewegungen unterstützt, so stark wie möglich gesungen.

Nr. 10. Scene.

Man hört Hörnerschall links außerhalb.

KONRAD links außerhalb.
Wohl durch den grünen Wald
Mein Jägerhorn erschallt.

Er kommt von links hinten und will über den Platz gehen.

Dritter Auftritt.

Anna rechts vorn auf dem Boden liegend, Konrad zu ihrer Linken.

KONRAD Anna bemerkend.
Wer weilt so spät und einsam noch im Walde?
Ist es ein Mensch, ein Spuk der bösen Geister?
Nur frisch heran, es soll sich bald mir zeigen!

Er tritt näher.

Was seh ich? Anna! Um Sankt Huberts Willen,
Was thut Ihr hier?

Er will sie aufheben.

ANNA entsetzt, Konrad nicht erkennend.
Laßt ab! Laßt ab! Laßt ab von mir!
KONRAD sanft zuredend.
Kennt Ihr mich nicht? Anna, seht mich doch an.
ANNA sieht ihn an, erkennt ihn und reicht ihm weinend die Hand.
Ach, Konrad! Konrad! Euch hat Gott gesandt.
KONRAD hebt sie auf.
O faßt Euch, sagt, was ist Euch hier begegnet?

Unwillig.

Wo ist Euer Bräutigam, daß er Euch nicht beschützt?
ANNA heftig.
O schweigt von ihm, Entsetzen faßt mich an.
KONRAD drängend.
Ihr liebt ihn nicht?
ANNA.
Nie hab ich ihn geliebt.
KONRAD.
Und wollt sein Weib doch werden?
ANNA.
Nimmermehr!
Eh‘ will ich in den tiefsten Strom mich betten.

Nr. 11. Duett.

KONRAD freudig ausbrechend.
Ha, dieses Wort giebt erneuertes Leben,
Schwellet mir mächtig den Mut.
Trauet auf mich, Ihr sollt nicht mehr beben,
Nein, nein, Ihr sollt nicht mehr beben! –
Trauet auf mich, Ihr sollt nicht mehr beben!
Schutz will ich gegen die Hölle Euch geben,
Trauet auf mich, Ihr sollt nicht mehr beben!
Schutz will ich gegen die Hölle Euch geben,
Euch weih‘ ich all mein Leben,
Euch weih‘ ich all mein Blut.
ANNA für sich.
Ja, ihm vertraue ich freudig mein Leben,
Wie stärkt mich sein männlicher Mut.
KONRAD.
Doch rasch nun fort von diesem Ort
Auf immerdar!
ANNA.
Doch rasch nun fort von diesem Ort
Auf immerdar!
KONRAD.
Doch rasch nun fort von diesem Ort
Auf immerdar!
ANNA.
Ja, rasch nun fort von diesem Ort
Auf immerdar!
KONRAD.
Doch rasch nun fort –
ANNA.
Von diesem Ort –
KONRAD.
Auf immerdar!
ANNA.
Ja, fort auf immerdar!
KONRAD.
Laßt, o laßt Euern Weg mich beschützen!
ANNA für sich.
Er will mich mutig beschützen!
KONRAD.
Euch meinen Arm, meinen Arm unterstützen!
ANNA.
Mich soll sein Arm unterstützen!
KONRAD.
Laßt Euern Weg, Euern Weg mich beschützen,
Dann seid Ihr sicher vor jeder Gefahr!
ANNA.
Ja, ich vertrau‘ Euch in jeder Gefahr,
Ja, ich vertrau‘ Euch in aller Gefahr!

Konrad ohne sie in diesem Duett zu umarmen, führt sie ab nach rechts.

Verwandlung.

Das Innere von Gertruds Hütte.

Es ist dunkel.

Nr. 12. Melodram und Lied.

Der Vorhang hebt sich im dritten Takt.

Während des ganzen Melodrams hört man außerhalb heftige Windstöße, die genau nach der Partitur gerichtet werden müssen, so daß sie immer in die Pausen während der einzelnen Sätze fallen.

Vierter Auftritt.

Gertrud kommt von rechts mit einer brennenden Lampe, welche sie auf den Tisch rechts stellt.

Es wird heller.

GERTRUD spricht mit dem elften Takt. Wo nur Annchen bleibt? Es ist finstre Nacht und der Wind heult kalt über die Haide. Das arme Kind! Wüßte ich nicht, daß sie die Wege kennt,mir wäre bange um sie. Sie geht zum Fenster hinten. Es ist auch kein Sternchen am Himmel. Heftiger Windstoß; ein Fensterflügel fliegt auf, man hört das Klirren der Scheiben.

Sie schließt das Fenster. Hei, hei! Das stürmt ja, als wäre das wilde Heer los. Wäre nur Anna erst da. Sie setzt sich in den Lehnstuhl links vorn und spinnt. Ich sagte es ihr gleich, es wäre heut schon zu spät zur Base zu gehn, der Weg ist zu weit. Sie fängt an, das Lied zu summen. Es hätte ja morgen sein können. Sie summt das Lied weiter, nach und nach fügt sie halblaut Worte hinzu.
Des Nachts wohl auf der Haide,
Da brennt ein Flämmchen blau.
Sie spricht. Wenn sie nur ohne Anfechtung durch den Wald gekommen ist.

Sie singt.

Ein geiziger hartherziger Mann,
Den Schatz zu heben kommt er an.
Des Nachts wohl auf der Haide,
Da brennt ein Flämmchen blau.

Sie spricht.

Wie die Hunde in den Sturm heulen! ’s ist schaurig kalt.

Sie schüttelt sich, singt weiter.

Und wie er gräbt, da steigt empor
Ein bleiches Totengeripp!

Sie spricht.

Still! Raschelt es nicht an der Thür? Sie horcht. Sie ist es noch nicht.

Sie singt.

Auf der Haide,
Da brennt ein Flämmchen blau.
Du hörst nicht auf der Armen Not,
Drum würge ich dich jetzt zu Tod!
Des Nachts wohl auf der Haide,
Da brennt ein Flämmchen –

Sie spricht.

Wer kommt da? Sie springt auf, wendet sich zur Thür Mitte rechts.

Konrad tritt dort mit Anna, die halb Ohnmächtige in seinen Armen haltend, ein und führt sie auf den Stuhl am Tisch rechts.

Fünfter Auftritt.

Anna auf dem Stuhl, Konrad und Gertrud zu ihrer Linken. Dann Hans Heiling.

Der Wind wird immer schwächer und hört bis zum Beginn des Finale ganz auf.

GERTRUD erschreckt. All ihr Heiligen, was ist denn geschehn?
KONRAD. Erschreckt nicht, Mutter Gertrud, es ist ihr kein Leid geschehn.
GERTRUD tritt an Konrad vorüber zu Anna. So sprich doch, Kind, was ist dir widerfahren? Wie kalt du bist, komm her zum Feuer, wärme dich, der Wind geht gar zu kalt. Sie eilt nach dem Kamin links vorn und schürt das Feuer. Nun, sage doch, was ist dir denn begegnet?
ANNA. Fragt mich nicht, erinnert mich nicht dran, ich komme noch von Sinnen!
KONRAD halblaut zu Gertrud. Gönnt ihr Ruhe, Mutter Gertrud, und höret freundlich auf mein Wort. Um Euretwillen komme ich heut schon wieder heraus. Ich wollte Euch noch einmal recht ins Gewissen reden, daß Ihr doch Euer wunderholdes Kind dem Heiling nicht geben möchtet, denn ich habe es gestern beim Feste wohl abgemerkt, daß Anna ihn nicht liebt und auch nimmermehr mit ihm glücklich sein kann.
GERTRUD empfindlich. Wie meint Ihr das, Herr Leibschütz?
KONRAD. O hört mich gütig an! Mir hat es heute Anna selbst gesagt, daß sie eher sterben, als sein Weib werden will.
GERTRUD. Wie, Anna, übermorgen soll deine Hochzeit sein und nun –
ANNA heftig, springt auf und nimmt die Mitte. Nein! nein! um Gottes willen, sprecht nicht mehr von ihm.

Nr. 13. Finale.

KONRAD zu Gertrud.
Ihr hört es! Schon sein Nam‘ ist ihr ein Abscheu
Und Ihr wollt sie zu solchem Bündnis zwingen?

Zärtlich zu Anna.

O sagt mir, Anna, wird in Eurem Herzen
Für keinen andern eine Stimme laut?
Und könntet Ihr, und könntet Ihr ein Herz,
Ein Herz voll unbegrenzter Treu und Zärtlichkeit
Verwerfen?
ANNA.
Konrad, ach, schonet mein!
Ich bin ein armes unglücksel’ges Mädchen!

Sie wankt an Konrad vorüber nach dem Stuhl am Tisch rechts und sinkt dort zusammen.

KONRAD tritt ihr näher.
Gönne mir ein Wort der Liebe,
Ein einzig Wort der Liebe,
Und ewig, ewig bin ich dein,
Ja, ewig, ewig bin ich dein!
Dann soll dir kein Tag mehr trübe,
Keiner, keiner leidvoll sein;
Dann soll dir kein Tag mehr trübe,
Keiner, ja, keiner leidvoll sein!
Sorgsam will ich alle Freuden
Dir auf deinen Pfad vereinen
Und in Leiden
Für dich kämpfen, mit dir weinen!
Nur die Lieb in deinen Blicken
Sei mein Leben, mein Entzücken!
Nur die Freud, die Freud in deinen Blicken
Sei mein Leben, mein Entzücken!

Zu Gertrud.

Lasset Gewährung mich hoffen!

Zu Anna.

Willst du die meine sein?
Anna! Willst du die meine sein?
Willst du die meine sein?

Anna und Gertrud schweigen.

KONRAD dringender.
Lasset Gewährung mich hoffen!
Willst du die meine sein?
Dann ist der Himmel mir offen,
Wonne der Seligen mein!
GERTRUD.
Ei, Kunz, wo denkt Ihr hin!
Was kommt Euch in den Sinn?
Wollt‘ ich auf Eure Worte hören,
Was würde Meister Heiling sagen?
KONRAD.
O wollt Eurer Kinder Glück gewähren,
Ihr sollt es nimmermehr beklagen!
ANNA aufstehend, schüchtern.
Darf ich wohl freud’ge Hoffnung nähren?
Ich muß an allem Glück verzagen.
KONRAD zu Gertrud.
Wollt Eurer Kinder Glück gewähren!
ANNA.
Ich muß an allem Glück verzagen!
GERTRUD.
Was würde Meister Heiling sagen?
ANNA.
Darf ich wohl freud’ge Hoffnung nähren?
Ich muß an allem Glück verzagen!
KONRAD.
Wollt Eurer Kinder Glück gewähren,
Ihr sollt es nimmermehr bereuen!
GERTRUD.
Wollt ich auf Eure Worte hören,
Was würde Meister Heiling sagen! Was?
Ei, Kunz, wo denkt Ihr hin!
Was kommt Euch in den Sinn?

Heiling wird, das Schmuckkästchen aus dem Vorspiel in der Hand, von linksher am Fenster hinten, durch welches er beobachtend blickt, sichtbar.

GERTRUD.
Wollt ich auf Eure Worte hören,
Was würde Meister Heiling sagen?

Heiling tritt unbemerkt Mitte rechts ein und bleibt aufhorchend im Hintergrunde stehen.

GERTRUD.
Ei, Kunz, was fällt Euch ein!
Was würde Meister Heiling sagen?

Heiling tritt einen Schritt vor.

Lange Pause.

Sechster Auftritt.

Anna rechts, Konrad und Gertrud zu ihrer Linken. Heiling zurückstehend.

ANNA Heiling bemerkend.
Da ist er!

Sie eilt entsetzt an Konrad vorüber zu ihrer Mutter.

Lange Pause.

Heiling kommt schweigend vor, Konrad auf seiner rechten, Anna und Gertrud auf seiner linken Seite; gemessen zu Anna, kalt und düster.

Nimmermehr hatt‘ ich geglaubt,
Daß du so mich kränken könntest,
Mir so ungehorsam sein!
Doch ich will es dir verzeihn.

Etwas heftiger.

Bald bist du mein Weib,

Mit flammendem Blick auf Konrad.

und wehe
Dem, der zwischen uns sich stellt!

Zu Anna, wieder gemäßigt.

Schön geschmückt sind Haus und Hof,
Ihre Herrin zu empfangen.

Er öffnet das Schmuckkästchen, läßt Ketten und Juwelen hervorblitzen.

Nimm demnach als Leibgedinge
Diesen Schmuck, den ich dir bringe.

Anna schaudert zusammen.

Konrad blickt mit verschränkten Armen, finsteren Blicks auf den Vorgang.

Heiling reicht Anna den Schmuck hin.

Anna steht mit gesenktem Blick, die gefalteten Hände angstvoll windend.

GERTRUD kommt neugierig näher.
Heil’ge Jungfrau, welch ein Glanz,
Er verblendet mich noch ganz!
HEILING etwas heftiger.
Willst du mein Geschenk verschmähn,
Deinen Brautschmuck gar nicht sehn?
ANNA heftig abwehrend.
Fort, hinweg mit dem Geschenk!
HEILING naht sich mit dem Schmuck.
Willst du mein Geschenk verschmähn!
ANNA.
Nichts, o nichts will ich von Euch!

Sie steht stumm und in Todesangst da.

GERTRUD.
Ei, Kind, bedenk!
KONRAD für sich.
Gelüstet es dem Frechen,
Ein hartes Wort zu sprechen,
Soll dieser Arm es rächen!
HEILING für sich, mit wütendem Blick auf Konrad.
Welch trotziges Erfrechen!
Nur er lehrt so sie sprechen,
Sein Verderben soll es rächen!
KONRAD für sich.
Gelüstet es dem Frechen,
Ein hartes Wort zu sprechen,
Soll dieser Arm es rächen!
GERTRUD zu Anna.
Mein Kind, du mußt zur Sühne sprechen,
Sonst wird der Friede brechen.
HEILING mühsam gemäßigt zu Anna.
Nicht bedacht hast du dein Wort,
Fremder Eifer riß dich fort.
’s ist dein Leibgedinge,
Was ich bringe.
Ich, der Bräut’gam deiner Wahl!

Heftig ihre Hand fassend.

Bald dein Herr und dein Gemahl!

Anna reißt sich los, flieht an Heiling vorüber zu Konrad hinüber.

Gertrud eilt, Schutz suchend, nach hinten.

ANNA zu Konrad.
Wenn du mich liebst, so schütze mich!

Auf Heiling weisend.

Er ist ein Erdgeist!
HEILING stürzt zusammen.
Ha!
KONRAD.
Was höre ich?
ANNA schnell.
Glaubt mir doch, das war es ja,
Was ich vorhin im Walde sah.
Er stammt aus dem Reich der Zwerge,
Ist ein Geisterfürst der Berge!

Konrad setzt Anna auf den Stuhl am Tisch rechts und tritt entschlossen an Anna vorüber vor Heiling hin.

Gertrud tritt erbebend Anna zur Rechten.

KONRAD.
Beim heil’gen Hubert beschwör‘ ich dich,
Hebe dich hinweg von hier!
Sonst, bei Gott, versuche ich

Die Hand am Fangmesser, aber ohne es zu ziehen.

Den blanken Stahl an dir!
HEILING noch am Boden, sich mühsam halb aufrichtend, mit starrer Kälte.
Alles dahin!
KONRAD wendet sich zu Anna, die er in seine Arme zieht.
Frei bist du, frei!
Trotz seinem tück’schen Drohn!
GERTRUD.
Gott steh uns bei!
KONRAD.
Frei bist du, frei!
Ich lach‘ des Kobolds Wut!
GERTRUD.
Gott steh uns bei und still das feindliche Drohn!
ANNA.
Gott steh uns bei! Stille das feindliche Drohn!
KONRAD.
Frei bist du, frei, trotz seinem tück’schen Drohn!
Ich lach‘ des Kobolds Wut, ich lach‘ des Kobolds Wut!
HEILING für sich.
Hei, hei! Wie sie drohn, welch lustiger Hohn!
GERTRUD UND ANNA.
Gott steh uns bei, stille das feindliche Drohn,
Der Rache flammende Wut!
KONRAD wendet sich zu Anna.
Frei bist du, frei! Ich lach‘ des Kobolds Wut!
Frei bist du, frei! –
HEILING rafft sich auf, zieht einen Dolch aus seinem Gürtel, schleicht sich hinter den abgewandten Konrad und führt von rückwärts blitzschnell einen Stoß auf ihn.
Hei, hei, hei, hei!

Konrad strauchelt von der Gewalt des Stoßes und sinkt zusammen.

Heiling stürzt hohnlachend Mitte rechts hinaus; man sieht ihn draußen am Fenster vorüber nach links entfliehen.

ANNA wirft sich über Konrad.
Konrad, Geliebter!

Die beiden Frauen beschäftigen sich mit dem zu Boden gefallenen Konrad.

Im zweiten Takte nach Schluß des Gesanges fällt der Vorhang.

Dritter Aufzug.

Ödes, rings geschlossenes Felsenthal. Links ein Felssitz.

Es ist Nacht.

Nr. 14. Melodram und Arie mit Chor.

Der Vorhang hebt sich im sechzehnten Takt.

Erster Auftritt.

Hans Heiling allein.

HEILING kommt mühsam, verstört, von links über die Felsen herab; spricht.
Ich bin am Ziel, hier ruht, ihr müden Glieder,
Zu Ende ist nun eure Erdenfahrt!

Er wirft sich ermüdet auf den Felssitz links.

O rasende Verblendung, die mich trieb,
Das Glück der Erde neidenswert zu finden!
Der Mensch allein kann Erdenglück genießen,
Weil dem beschränkten Stumpfsinn es genügt.
Des höhren Geistes mächtiges Verlangen
Kann nur getäuscht an seinem Schimmer hangen.
Und was ist diese mächt’ge Weibesliebe?
Der Lebenspuls von allem Menschentreiben?

Er lacht.

Haha! Haha!
O Unsinn, darauf zu bauen!
Ein einz’ger Blick, ein buhlerisches Wort,
Ein einz’ger Tanz und Lieb‘ und Treu sind fort,
Um die wir alles hingeopfert. – Still! –
Der Erde Täuschung liegt weit hinter mir.

Er erhebt sich.

Ich habe mich gerächt, ihr Buhl‘ ist tot,

Ingrimmig.

Mag sie verderben nun in Gram und Not!

Die Rede wird Gesang.

O Mutter, hätt‘ ich dir geglaubt! Uns beiden
Erspart ich dann das herbe Leiden.
Doch kehr‘ ich wieder, Mutter, und auf immer!
Weit von mir stoß ich die unwürd’ge Schwäche,
Weit von mir jedes menschliche Gefühl!
Zum Geisterkönig wurde ich geboren,
Und meiner Abkunft Stolz ist nicht verloren!
Herauf ihr Geister
Aus Höhl‘ und Kluft!
Herauf, der Meister,
Der König ruft!

Die Erdgeister erscheinen aus den Versenkungen, aus den Gebüschen und aus den Felsspalten wie im zweiten Aufzug.

Zweiter Auftritt.

Heiling. Chor der Erdgeister.

CHOR DER ERDGEISTER.
Wer rief uns?
Wer beschwört der Tiefe Geister,
Wer ist so kühn und nennt sich ihren Meister?
HEILING.
Ich bin’s! Erkennet mich, meine Brüder!
Der Erde müde, kehr‘ ich wieder,
Ich hab auf ewig ihr entsagt.
CHOR DER ERDGEISTER.
Hast du nun an uns gedacht,

Sie treten nahe an Heiling heran, sehen ihm ins Gesicht.

Da dein Mädchen dich verlacht?
HEILING höhnisch.
Das Lachen hat sich schnell gewandt,
Ihr Buhle fiel von meiner Hand!
CHOR DER ERDGEISTER unter sich.
Hahaha! Seht doch an!
Wie Meister Heiling prahlen kann!

Zu Heiling.

Der Jäger ist frisch,
Gesund wie ein Fisch.
HEILING.
Er lebt, sagt ihr?
CHOR DER ERDGEISTER.
Du trafst ihn schecht,
Er lebt und sitzet warm
In seines Liebchens Arm.
HEILING bebend.
So wär ich nicht gerächt? Nicht?
CHOR DER ERDGEISTER klar und deutlich.
Dein Schätzchen ist des Jägers Braut
Und morgen wird’s ihm angetraut.
HEILING.
So rächet ihr denn eures Königs Schmach,
Zur Hochzeit gehen wir, mir nach!
CHOR DER ERDGEISTER wendet sich von ihm.
Hast dich ja von uns losgesagt,
Geh hin und prüfe deine Macht!
HEILING.
Sprecht ihr eurem König Hohn?

Herrisch.

Nieder, mir zu Füßen,
Euren Trotz zu büßen!
CHOR DER ERDGEISTER sich wieder nähernd und ihm ins Gesicht höhnend.
Wo ist deine Krone,
Wo dein Herrscherstab?
Sag, wo ist dein Buch,
Dessen Zauberspruch
Uns in Fesseln schlug?
HEILING hilflos.
Mein Buch, mein Hort,
Meine Krone fort!
CHOR DER ERDGEISTER.
Hihihihihihi!
Wolltst dich überheben,
Auf der Erde leben,
Nur gemach,
Die Reu‘ folgt nach!

Sie wenden sich wieder zurück.

Die Zwerge kichern.

HEILING verzweifelnd.
Ha! Das Geisterreich stößt mich zurück,
Und hin ist auch mein Erdenglück!
Alles, alles ist verloren,
O des Thoren, des Thoren!

Er schlägt sich mit beiden Fäusten gegen die Stirn und stürzt zusammen.

CHOR DER ERDGEISTER umgiebt ihn.
Jetzt ist er unser auf immerdar!

Diejenigen, welche rechts stehen, strecken die rechte Hand, diejenigen, welche links stehen, die linke Hand über Heiling aus.

Zu den Zwergen.

Jetzt eilig hin,
Eilig hin zur Königin!
SECHS ZWERGE huschen nach rechts hinten fort.
CHOR DER ERDGEISTER zu Heiling.
Hör uns an, verzweifle nicht.
Ob auch der Menschen Treue bricht,
Die Geister halten streng an Pflicht.

Die sechs Zwerge kehren von rechts hinten zurück; der eine trägt das Scepter auf einem Kissen.

CHOR DER ERDGEISTER.
Willst du wieder uns gehören,
Dich uns ganz zu eigen schwören –

Die sechs Zwerge knieen im Halbkreis neben Heiling.

CHOR DER ERDGEISTER nach dem Scepter hinzeigend, das die Zwerge gebracht.
Soll dieses Scepter wieder dein
Und unsre Macht dir dienstbar sein!
HEILING.
Alles, alles will ich euch versprechen,
Laßt mich meine Schmach nur rächen,
Rache! Rache nur will ich!
CHOR DER ERDGEISTER sich um ihn drängend, ihm knieend das Scepter reichend.
So nimm es hin! Wir rächen dich! Wir rächen dich!

Sie erheben die Hände.

HEILING.
Habt Dank, habt Dank, ihr Brüder!

Er nimmt das Scepter, sich aufrichtend.

Jetzt, jetzt bin ich König wieder.

Chor der Erdgeister steht auf.

HEILING vorschreitend, drohende beschwörende Bewegung bei den gesperrten Worten.
Es nahet die Rache,
Wehe euch beiden,
Ihr triumphieret nicht!
Wenn ihr beim Feste
Im Taumel der Freuden,
Beim Feste im Taumel der Freuden,
Dann halte ich Gericht.
CHOR DER ERDGEISTER.
Es nahet die Rache,
Wehe euch beiden,
Ihr triumphieret nicht!
Wenn ihr beim Feste
Im Taumel der Freuden –
HEILING.
Wenn ihr beim Feste
Im Taumel der Freuden,
Dann halte ich Gericht!
CHOR DER ERDGEISTER.
Wenn ihr beim Feste
Im Taumel der Freuden,
Dann halten wir Gericht!

Sie bleiben in dieser drohenden Stellung bis zum Fallen des Vorhangs, versinken nicht wieder.

Heiling eilt ab nach rechts.

Verwandlung.

Felsenhöhlenreich der Königin.

Wald- und Felsengegend.

Zur Rechten auf Stufen eine Kapelle.

Es ist heller Tag.

Nr. 15. Bauernhochzeitsmarsch auf der Bühne links außerhalb.

Der Vorhang hebt sich mit dem vierten Takte.

Dritter Auftritt.

Stephan. Vier Schützen mit ihren Hörnern.

STEPHAN tritt bei der Wiederholung der ersten acht Takte des Hochzeitsmarsches mit den vier Schützen von rechts hinter der Kapelle auf und spricht in großen Pansen während des Marsches, der von links außerhalb näher kommt. Jetzt kommt die Hochzeit, ihr Herren, jetzt kommt sie, haltet euch bereit! Pause. Seht, da biegt der Zug um die Felsecke! Pause. Heißa, wie die Fahnen wehen! Pause. Ach, schaut, da ist das Brautpaar!

Während der Wiederholung des zweiten Teils des Hochzeitsmarsches kommt der Zug von links vorn: Zwei Bauern mit Stangen, worauf Blumensträuße und Bänder; sechs Bergknappen-Musikanten; der Schulmeister; drei Bauern mit Fahnen; vier Brautjungfern; Konrad den Arm in der Binde, Anna, Gertrud; vier Brautjungfern; Bauern und Bäuerinnen.

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Der Hochzeitszug.

STEPHAN zu seinen vier Schützen. Nun blast einmal drauf los, daß sie sich wundern! Er schreit, wenn der Zug, der sich nach der Kirche wendet, in der Mitte des Platzes angekommen ist. Haaalt!

Die vier Schützen blasen eine Fanfare.

ALLE schreien. Hoch! Hoch!

Stephan, Konrad, Anna und Gertrud stehen sich gegenüber.

STEPHAN. Halt da, halt! Nun merkst du doch, Vetter, daß ich dich überrascht habe?
KONRAD. Gewiß, Vetter, und das recht freudig. Er schüttelt den vier Schützen die Hände. Seid mir tausendmal willkommen auf meinem fröhlichen Kirchgange. Wahrhaftig, wie hätte ich mir sollen träumen lassen, daß ich an dem Tage, wo ich mein Annchen auf immer zu verlieren dachte, sie nun selbst heimführen würde, meinem Todfeinde zum Trotz.
GERTRUD. Ja, ihr Herren, er wollte den Hochzeitstag nicht aufschieben, trotz seiner Wunde am Arm.
KONRAD. Ei, Mutter, sollte ich um eines verfehlten Dolchstoßes halber mein Glück vertagen und meinem Feinde das Feld räumen? Nimmermehr! Kommt, Gesellen, führt meine Braut und laßt uns zur Kapelle hinauf.
STEPHAN. Halt da! Meinst du, wir hätten um nichts und wieder nichts hier gewartet? Ich will dich ja überraschen, Vetter. Ich habe zwanzig neue Verse zu deinem alten Jagdliede, die sing ich dir.
GERTRUD. Nachher, lieber Nachbar, drüben auf der Tanzwiese.
STEPHAN. Nein, hier, wir warten ja deshalb schon eine Stunde.
KONRAD. Du hältst ja den Zug auf.
STEPHAN. Schad’t nichts, es macht allen Spaß und sie singen gern mit. Ein paar Verse wenigstens! es kommen so hübsche Anspielungen drin vor. Zu den Schützen. Nun frisch!

Die Schützen blasen.

Nr. 16. Lied mit Chor.

STEPHAN.
Es wollte vor Zeiten ein Jäger frein,
Er zog in den grünen Wald hinein.
Baubau! Baubau! Hallo! Trara!
Baubau! Hetzhetz! Hallo! Trara!
Baubaubaubaubau!
Er lockte das hohe und niedere Wild,
Die Männchen und Weibchen im grünen Gefild,
»Ihr lieben Gesellen, ach, ratet mir fein:
Wie muß mein Betragen im Ehestand sein?«
Baubau! Hetzhetz! Hussa! Hallo! Trara!
Baubau! Hallo! Trara! Hallo! Baubau!
Hussa! Hallo! Trara! Baubau! Hussa! Hallo!
Hussa! Baubaubaubaubaubaubau!
Hallo! Trara! Baubaubaubaubau!
CHOR.
Baubau! Hussa! Hallo! Trara! Hussa!
Hussa! Hussa! Hussa, sa, sa, sa, sa, sa!
Baubaubaubaubau!
STEPHAN.
Der Jäger zuerst zu dem Bären trat:
»Du zottiger Petz, gieb mir guten Rat!«
Baubau! Baubau! Hallo! Trara!
Baubau! Hetzhetz! Hallo! Trara!
Baubaubaubaubau!
Da brummte der Bär: »Sieh mich nur an,
Bin ich nicht ein Muster als Ehemann?
Denn dickfellig muß man bei Weibern sein,
Und brummen und brummen, jahraus, jahrein.«
Baubau! Hetzhetz! Hussa! Hallo! Trara!
Baubau! Hallo! Trara! Hallo! Baubau!
Hussa! Hallo! Trara! Baubau! Hussa! Hallo!
Hussa! Baubaubaubaubaubaubau!
Hallo! Trara! Baubaubaubaubau!
CHOR.
Baubau! Hussa! Hallo! Trara! Hussa!
Hussa! Hussa! Hussa, sa, sa, sa, sa, sa!
Baubaubaubaubau!

Die sechs Bergknappen-Musikanten nehmen hinten zur Linken der Kapelle Aufstellung.

GERTRUD.
Nun, das sind mir saubre Lehren am Hochzeittage.
STEPHAN.
O im neunzehnten Verse kommt’s noch dicker!
KONRAD.
Nun denn, nachher.
STEPHAN.
Warum nicht gar!

Er fährt rasch ohne Vorspiel im Liede fort.

Der Jäger trieb auch einen Dachs aus dem Bau:
»Wie leb‘ ich zufrieden mit meiner Frau?«
Baubau! Baubau! Hallo! Trara!
Baubau! Hetzhetz! Hallo! Trara!
Baubaubaubaubau!
Da gähnte der Dachs und strich sich den Wanst:
»Ach, schlafe so lang und so fest du kannst.
Denn nur wenn man weder hört noch sieht,
Hat man vor Weibern Ruh und Fried‘.«
Baubau! Hetzhetz! Hussa! Hallo! Trara!
Baubau! Hallo! Trara! Hallo! Baubau!
Hussa! Hallo! Trara! Baubau! Hussa! Hallo!
Hussa! Baubaubaubaubaubaubau!
Hallo! Trara! Baubaubaubaubau!
CHOR.
Baubau! Hussa! Hallo! Trara! Hussa!
Hussa! Hussa! Hussa, sa, sa, sa, sa, sa!
Baubaubaubaubau!
KONRAD.
Nun laß es gut sein, Vetter. Halte uns nicht länger auf!
STEPHAN.
Nur noch einen –
GERTRUD.
Ei, Nachbar, wie können wir denn den Pater Martin so lange warten lassen.
ANNA zu Konrad.
Ja, laß uns fort, ich bin nicht ruhig, bis unser Bündnis eingesegnet ist.
KONRAD.
Du süßes Kind, was ängstigt dich?
GERTRUD zu den Schützen.
Nun, ihr Herren, wollt ihr die Braut führen?
STEPHAN.
Nur vom Fuchs müßt ihr noch hören.
CHOR.
Vorwärts, vorwärts!
STEPHAN.
Hört doch nur!

Die sechs Bergknappen-Musikanten beginnen wieder den Bauernhochzeitsmarsch Nr. 15. zu spielen.

Der Zug setzt sich unter Jubelgeschrei in der früheren Ordnung gegen die Kirche hin in Bewegung.

Stephan und die vier Schützen folgen dem Zuge in die Kirche.

Wenn die Ersten kurz vor der Kapelle angekommen sind, bricht der Hochzeitsmarsch ab.

Das Glöcklein der Kapelle beginnt zu läuten.

Alle nehmen vor der Thür die Kopfbedeckung ab.

Die sechs Bergknappen-Musikanten bleiben außerhalb stehen und richten ihre Aufmerksamkeit auf das Innere der Kapelle.

Wenn Alle in der Kapelle sind, endet das Läuten.

Hans Heiling kommt mit dem Scepter, wie er im zweiten Auftritt abgegangen ist, von rechts vorn.

Fünfter Auftritt.

Heiling allein. Stimmen aus der Kapelle.

HEILING spricht.
Hier ist der Platz, hier will ich ihrer warten,
Ein unwillkommner finstrer Hochzeitsgast,
Ein schlimmer Führer in das Brautgemach.
Du schmucker, feiner, lust’ger Bräutigam,
Die Brautnacht bricht herein, nimm dich in acht,
Sie wird mit tiefem Schatten dich bedecken.

Nr. 17. Gesang unter Harmoniumbegleitung in der Kapelle.

Während diesem ertönt das Glöcklein in sparsamen Schlägen.

CHOR.
Segne, Allmächtiger, segne dies Paar,
Schütze ihr Haupt in jeder Gefahr!
Du bist der starke Gott, auf den wir bauen,
Du der Allmächtige, dem wir vertrauen,
CHOR, ANNA UND KONRAD.
Du bist der starke Gott, dem wir vertrauen,
Du der Allgütige, auf den wir bauen!

Arie.

HEILING.
Ha! Ihr glaubt euch schon am Ziel,
Ihr seid vereint? – Vergessen habt ihr mich,
Vergessen mich und meine Rache!

Weich.

O Anna, sieh, dies Auge hat geweint!
Doch hab ich mich ermannt,
Ja, ich habe mich ermannt,
Gerechter Zorn erwache. –
So heiß ich dich geliebet,
So heiß brennt meine Wut;
Was mir das Leben trübet,
Das brech auch euren Mut.
Der Liebe bittre Schmerzen, weh, weh!
Leert ich in einem Zug, in einem Zug!
Nun werd‘ auch meinem Herzen
Der Rache Lust genug.
Mein wildbewegtes Herz,
Bei dir fand es, was es entbehrte;
Im milden Glanze strahlte mir
Der Himmel und die Erde.
Dein liebes Bild allein
Erfüllte meine Seele;
Mein Leben dir zu weihn,
War mir das höchste Glück;
Im Wachen und im Traum
Sah ich die holden Züge.
Im weiten Erdenraum
Gab es ein Wesen nur für mich.
Ich lebte nur für dich,
Nur du fülltest meine Seele.
Doch wie ich dich geliebet,
So heiß brennt meine Wut,
Was meine Seele trübet,
Das brech‘ auch euren Mut!
Der Liebe bittre Schmerzen
Leert ich in einem Zug,
Drum werd‘ auch meinem Herzen
Der Rache Lust genug!
ANNA UND KONRAD.
Du bist der starke Gott, auf den wir bauen,
Auf den wir bauen!
CHOR.
O du Allgütiger, dem wir vertrauen,
Du, der Allmächtige, auf den wir bauen!

Der Schulmeister ist durch das Thor der Kapelle sichtbar, wie er zu dem Gesang den Takt schlägt.

HEILING nach dem ersten Takte vor sich hinsprechend.
Vergebens flehet ihr, der ew’ge Rächer ist mit mir.
Wende dein Angesicht, richtender Gott!
Laß meine Rache frei, hemme sie nicht!

Pause.

Er spricht weiter, wenn Konrad und Anna im Chore hörbar werden.

Willst du mich bethören, süßer Friedensklang,
Will ich dich nicht hören, frei sei der Rache Drang!

Er eilt nach links ab.

Nach Beendigung des Gesanges große Pause; dann Glockengeläute.

Die sechs Bergknappen-Musikanten beginnen hierauf wieder den Bauernhochzeitsmarsch Nr. 15.

Der Zug kommt in der vorigen Ordnung aus der Kirche und geht unter Vorantritt der Musikanten links vorn ab.

Konrad und Anna haben sich von dem Zuge getrennt und bleiben.

Der Hochzeitsmarsch wird schwächer und schwächer und verklingt.

Marschner hat diese Arie für den großen Bassisten Josef Staudigl am k.k. Hofoperntheater in Wien nachkomponiert. Die gedruckte Partitur von Kogel enthält sie nicht. Sie ist mit den gedruckten Orchesterstimmen bei Friedrich Hofmeister in Leipzig erschienen.

Sechster Auftritt.

Anna, Konrad zu ihrer Linken.

Konrad und Anna kommen umschlungen nach vorn.

Nr. 18. Duett.

KONRAD.
Nun bist du mein!
ANNA.
Ich ewig dein!
KONRAD UND ANNA.
Ich halte dich umfangen
Und alles Fürchten –
KONRAD.
Alles Bangen, vergessen ist’s –
ANNA.
Vergessen ist’s, vergessen ist’s –
KONRAD UND ANNA.
Auf immer und vergangen!
ANNA.
Was mir gelobt dein treuer Mund,
Der Liebe heil’gen Eid –
KONRAD.
Den hat zum ew’gen Treuebund
Der Himmel nun geweiht.
ANNA UND KONRAD.
Was mir gelobt dein süßer Mund,
Der Liebe heil’gen Eid,
Den hat zum ew’gen Treuebund
Der Himmel nun geweiht. –
ANNA.
Nun bist du mein!
KONRAD.
Ich ewig dein!
ANNA UND KONRAD.
Ich halte dich umfangen,
Und alles Fürchten –
KONRAD.
Alles Bangen –
ANNA.
Vergessen ist’s auf immer –
KONRAD.
Auf immer und vergangen!
ANNA UND KONRAD.
Vergessen ist’s auf immer und vergangen!
Ja, alles Fürchten, alles Bangen,
Vergessen ist’s auf immer und vergangen!
KONRAD.
Die Stürme, die uns drohten, schweigen,
Ein neues Morgenrot erwacht;
Ich halte dich als mein eigen,
Gebrochen ist des Dämons Macht!
Was ich gelitten nie ermessen,
Wie qualvoll mir das Leben war,
Es ist vorüber, ist vergessen,
Ein freudig Herz bring ich dir dar. –
ANNA.
O laß uns niemals mehr gedenken
Der düsteren Vergangenheit,
Nicht mehr die Blicke rückwärts wenden,
Uns lächelt eine ros’ge Zeit!
An deiner Brust, an deinem Herzen
Geb ich der süßen Hoffnung Raum,
In Lust gewandelt sind die Schmerzen,
Mein früher Leben war ein Traum! –
Wenn ich ins Aug‘ dir schaue,
Trau so gern ich dir;
Mein Glück ich auf dich baue,
Mein Friede blühet hier!

Sie zeigt auf seine Brust.

Vereint mit dir, o welche Freude!
Die Liebe krönet heute,
Ach, ein unaussprechlich selig Paar!
KONRAD.
Wenn ich ins Aug‘ dir schaue,
Traue so gern ich dir;
Mein Glück auf dich ich baue,
Mein Friede blühet hier!

Er zeigt auf ihre Brust.

ANNA.
Was mir im Herzen glühet,
Ist Liebe, treu und wahr!
KONRAD.
Und was mich zu dir ziehet,
Was dir im Aug‘, was dir im Auge glühet,
Ist Liebe, treu und wahr!
ANNA UND KONRAD.
Ist Liebe, treu und wahr,
Ja, treu und wahr.
Wenn ich ins Aug‘ dir schaue,
Traue so gern ich dir,
Mein Glück auf dich ich baue,
Mein Friede blühet hier!
ANNA.
Was mir im Herzen glühet –
KONRAD.
Ist Liebe, treu und wahr –
ANNA UND KONRAD.
Was mich zu dir ziehet,
Ist Liebe treu und wahr!
Ja, was dir im Auge glühet,
Ist Liebe, Liebe treu und wahr!
ANNA.
Wenn ich ins Aug‘ dir schaue –
KONRAD.
Traue –
ANNA.
So gern ich dir!
KONRAD.
Mein Glück auf dich ich baue,
Mein Friede blühet hier!
ANNA.
Vereint mit dir, o welche Freude!
Die Liebe krönet heute,
Ach, ein unaussprechlich selig Paar!
KONRAD.
Wenn ich ins Aug‘ dir schaue –
ANNA.
Traue –
KONRAD.
So gern ich dir!
Mein Glück auf dich ich baue,
Mein Friede blühet hier!
ANNA.
Wie schlug vor wenig Tagen
Mein Herz mir, ach, so bange!
KONRAD.
Ich durft es dir nicht sagen,
Ich liebte dich schon lange!
ANNA UND KONRAD.
So treu und wahr! –
Wenn ich ins Aug‘ dir schaue,
Traue so gern ich dir;
Mein Glück auf dich ich baue,
Mein Friede blühet hier!
KONRAD.
Mein Friede blühet hier!
ANNA.
Mein Friede blühet hier!
KONRAD.
Dein Blick –
ANNA.
Dein Blick –
KONRAD.
Verheißt –
ANNA.
Mir Glück –
KONRAD.
Du gabst mir Ruh und Freud zurück!
ANNA.
Mein Herz –
KONRAD.
Klopft laut –
ANNA.
Vor Lieb‘ –
KONRAD.
Und Lust –
ANNA.
Mein Herz klopft laut vor Lieb‘ und Lust.
Es klopft laut –
KONRAD.
Vor Lieb und Lust –
ANNA.
Ja, es klopft laut –
KONRAD.
Vor Lieb‘ und Lust –
ANNA UND KONRAD.
Dein Blick verheißt mir Himmelslust,
Mir Himmelslust!

Sie wollen ab nach links vorn.

Stephan und die acht Brautjungfern treten ihnen entgegen.

Siebenter Auftritt.

Anna rechts. Konrad in der Mitte. Stephan links. Die acht Brautjungfern zurückstehend.

STEPHAN spricht. Nun, das gefällt mir nicht übel. Da stehn sie und schnäbeln sich wie die Turteltäubchen und auf dem Tanzplatze geht schon alles drüber und drunter. Ist denn das so wichtig, was ihr euch zu sagen habt, daß ihr euch deshalb vom Hochzeitszuge wegstehlen mußtet? Zum Brautsuchen sollt ihr kommen, alles steht und wartet auf euch.
ANNA. Ach, laßt das doch, wie kann denn Konrad mit dem wunden Arme –
KONRAD. Doch, doch, mein süßes Kind, ich muß dich finden.
STEPHAN. Ei, das wäre mir auch eine schöne Hochzeit ohne Brautsuchen. Nichts da! Euch beiden werden die Augen verbunden, Konrad wird unter die Männer, Anna unter die Weiber versteckt und so müßt ihr euch zu einander hintappen und wir wollen’s euch schon sauer machen. Kommt, kommt, alte Sitte hat altes Recht. Ihr werdet keine ehrlichen Eheleute, wenn ihr euch nicht blindlings gefunden habt. Angefaßt, ihr Dirnen, zuerst nehmt den Bräutigam mit euch, ich komme dann mit der Braut nach!

Nr. 19. Finale.

Eine Brautjungfer läßt sich vor Konrad auf ein Knie nieder, faltet auf dem andern ein weißes Tuch zusammen, womit sie dann Konrad die Augen verbindet.

DIE BRAUTJUNGFERN.
So wollen wir auf kurze Zeit
Die Augen dir verbinden,
Hast du nach Herzenslust gefreit,
Wirst du dein Weibchen finden.

Sie wiederholen diesen Sang.

KONRAD.
Und wär’st du tausend Meilen weit,
Ich wollte dich schon finden.

Zwei Brautjungfern führen ihn rasch ab nach rechts vorn.

Achter Auftritt.

Die Vorigen ohne Konrad und die beiden Brautjungfern. Dann Haus Heiling.

STEPHAN.
Nun lauft mit ihm, was ihr könnt, versteckt ihn,
Ich komme gleich mit der Braut nach.

Eine Brautjungfer verbindet Anna ebenso die Augen.

DIE BRAUTJUNGFERN.
Wir wollen nur auf kurze Zeit
Die Augen dir verbinden,
Wenn du ein treues Weibchen bist,
Wirst du den Liebsten finden.

Sie wiederholen diesen Sang.

ANNA.
Ach, wer dem herzen teuer ist,
Den weiß man schon zu finden.

Zwei Brautjungfern drehen und führen sie einmal in einem kleinen Kreis herum und lassen sie dann stehen.

Alle stehen ruhig und sehen beobachtend auf Anna.

Heiling tritt von links hinten heran.

ANNA.
Nun führt mich!

Sie reicht Stephan die linke Hand; ehe Stephan sie nimmt, tritt Heiling dazwischen und ergreift sie.

DIE BRAUTJUNGFERN aufschreiend.
Ha!

Sie laufen nach allen Seiten davon.

Stephan stürzt erschreckt ab nach rechts vorn.

Neunter Auftritt.

Anna, Heiling zu ihrer Linken.

ANNA.
Was soll das Schrein? –
Ihr tollen Mädchen, laßt die Possen sein!
So kommt doch! – Wollt ihr nicht? So sprecht! So sprecht!
Ihr ängstigt mich! Ihr ängstigt mich!
Ach, das ist gar nicht recht!

Unwillig reißt sie mit dem letzten Wort das Tuch von den Augen, erblickt Heiling, der unbeweglich ihre Hand hält; sie sinkt in die Kniee, wendet entsetzt das Gesicht.

Barmherz’ger Gott!
HEILING mit starrer Kälte.
Was wendest du dein Angesicht?
Süß Liebchen, kennst du deinen Bräut’gam nicht?
ANNA.
Entsetzlicher! Hinweg! – Was willst du hier?
HEILING reißt sie empor; fürchterlich.
Als Rächer komm‘ ich her!
ANNA scheu und bang.
Weh mir!
HEILING von ihrem Anblick entwaffnet und tief be wegt, schlägt die Hände zusammen.
Anna! Warum hast du mir das gethan?
ANNA gerührt, ganz kindlich.
O rechnet mir nicht Euern Jammer an!
HEILING.
Gedenkst du nicht des Tags, da du mir Treu‘
versprochen,
Als ich in Wonn‘ und Schmerz zu deinen Füßen rang?
Warum, warum hast du mir deine Treue gebrochen?
ANNA kindlich.
Warum habt Ihr zum Menschen Euch gelogen,
In Eure grause Nähe mich gezogen,
Mit Eitelkeit mein Herz versucht?
Ich wußte nicht, was ich versprochen,
Als Ihr mich Braut genannt.
HEILING.
Verflucht!
So hast du keine Treue mir gebrochen?
Vor meiner Liebe konnte dir schon grauen?
Wohlan, wohlan, so sollst du meine Rache schauen!
ANNA.
So räche dich, so räche dich, Entsetzlicher!
Doch nur an mir, an mir allein
Erschöpfe alle Pein!
Doch an mir allein
Erschöpfe alle Pein

Sie fällt ihm zu Füßen.

Und schone, schone meines Gatten nur!
HEILING rasend.
Ha, Schändliche! So wagst du, ihn zu heißen?
Aus deinem Herzen will ich diesen Namen reißen.
ANNA flieht wankenden Schrittes vor ihm nach rechts vorn.
Ihr Heil’gen alle, schützet, rettet mich!

Sie stürzt in die Kniee, mit ausgebreiteten Armen wie verzückt gen Himmel rufend.

In deine Hände, o Gott, befehl‘ ich mich!

Heiling läßt von ihr ab, steht erschüttert und unschlüssig.

Stephan und Konrad eilen von rechts vorn herbei.

Gertrud, die vier Schützen, Bauern und Bäuerinnen kommen von links.

Die acht Brautjungfern treten von allen Seiten heran.

Zehnter Auftritt.

Gertrud und Anna rechts vorn. Stephan hinter ihnen. Konrad in der Mitte. Heiling links. Die Schützen, Brautjungfern, Bauern und Bäuerinnen zurückstehend.

Alle drohend gegen Heiling.

KONRAD zu Heiling.
Weiche, Verfluchter,
Ihr Retter ist da!
KONRAD UND CHOR.
Weh dir, Veruchter,
Die Rache ist nah!

Heiling blickt ihn mit starrer Kälte an.

KONRAD.
Rufe deine Geister,
Schwarzer Hexenmeister,
Rolle nur wütend den Blick,
Hier nimm deinen Dolchstoß zurück!

Er führt mit dem Jagdmesser einen heftigen Stoß auf Heilings Brust, die Klinge bricht.

Heiling steht unbeweglich, lacht gellend auf.

Alle weichen entsetzt nach allen Seiten hin zurück, so daß die Mitte frei wird.

GERTRUD, STEPHAN UND CHOR.
Wehe, entsetzlich!
Er ist unverletzlich!
HEILING schwingt sein Scepter.
Geister, herbei,
Die Rache ist frei!
STEPHAN UND CHOR.
Die Höll ist frei,
Gott steh‘ uns bei!

Heftiger Donnerschlag.

Es wird Nacht.

CHOR DER HOCHZEITSLEUTE.
Weh uns!
In des Verderbens Nacht
Sind wir gefallen!
HEILING UND DIE GEISTER.
Wehe euch allen!
In des Verderbens Nacht
Seid ihr gefallen!

Die Kapelle rechts verwandelt sich in einen nackten Felsen.

Die Wald- und Felsengegend verschwindet nach oben.

Das diamantenschimmernde Felsenhöhlenreich erscheint.

Die Königin der Erdgeister sitzt auf einem erhabenen Throne unter einem juwelenblitzenden Baldachin.

Gnomen und Erdgeister die auf leuchtenden Gesteingrotten gruppiert sind, umgeben sie.

Helles Licht fällt auf die Gruppe.

Während des Trompetensolo fährt die Erhöhung mit der Gruppe um die Königin langsam nach vorn.

Elfter Auftritt.

Die Vorigen. Die Königin der Erdgeister. Gnomen. Erdgeister.

KÖNIGIN aufstehend.
Halt ein, mein Sohn, die Rache darf nicht richten,
Laß mich den Streit in Liebe schlichten!
CHOR DER HOCHZEITSLEUTE.
Ha! Welch Wunder ist geschehen,
Welch ein Glanz läßt dort sich sehen!
KÖNIGIN.
Du hast der Erde Lust und Pein erfahren,
Hast deine Leidenschaft gebüßt,
Erhebe dich nun über sie.
Das Geisterreich beut dir die Krone
Und treue Liebe ihrem Sohne
Verheißt der Mutter Herz.

Sie breitet die Arme aus.

Hierher, mein Sohn!
Hierher, mein Sohn, hier endet aller Schmerz!
GEISTER halblaut.
Ihn bewegt, ihn bewegt der Mutter Rede,
Wird er sich, ja, wird er sich zur Milde kehren?
HOCHZEITSLEUTE halblaut, noch immer starr vor Staunen.
Welche, welche wunderbare Rede!
Wird er, wird er auf die Mahnung hören?
HEILING der die ganze Zeit in sich gekehrt und ohne Bewegung stand.
Wenn mein Kranz verblüht,
Wenn mein Herz gebrochen,
Dann, ja, dann hatt‘ ich Wiederkehr versprochen!
Ich komme, Mutter, alles ist erfüllt!

Er eilt nach dem Thron, seiner Mutter zu Füßen.

Königin beugt sich liebend über ihn und zieht ihn zu sich empor.

Die Erdgeister bekleiden ihn mit Krone und Mantel und gruppieren sich huldigend um beide.

Königin und Heiling halten sich in inniger Umarmung umschlungen.

GEISTER.
Heil, Heil, die Herrin hat gesiegt,
Heil uns, Heil, Heil, er ist gewonnen!
HOCHZEITSLEUTE.
Wohl uns! wohl uns! er ist besiegt!
Die Gefahren, die Gefahren sind zerronnen.
HEILING.
Fahr hin, der Erde Lust und Leid!
Es war beschieden,
Was geschehn.
Kein sterblich Auge soll mich wiedersehn.

Die Erhöhung mit der Gruppe der Königin fährt langsam zurück.

Der nackte Felsen rechts verwandelt sich wieder in die Kapelle.

Die Wald- und Felsengegend sinkt wieder von oben herunter und schließt das Felsenhöhlenreich.

Es wird wieder heller Tag.

KONRAD UND ANNA nachrufend.
Fahr wohl! Fahr wohl! und unter uns sei Friede!

Alle gehen, wenn sich das Felsenreich geschlossen, nach vorn.

Gertrud und Chor der Hochzeitsleute mit erhobenen Händen.

Gottes Allmacht hat entschieden,
Allen Recht und allen Frieden.
KONRAD UND ANNA.
Gottes Allmacht hat entschieden,
Allen Recht und allen Frieden!
Nun endlich mein, und alles Bangen,
Vergessen sei’s auf immer und vergangen.
ALLE.
Gottes Allmacht hat entschieden,
Allen Recht und allen Frieden.

Ende.