Komponist: Richard Wagner

Götterdämmerung

Libretto von Richard Wagner

Uraufführung: 17.08.1876, Festspielhaus, Bayreuth

Personen

  • Siegfried
  • Gunther
  • Hagen
  • Alberich
  • Brünnhilde
  • Gutrune
  • Waltraute
  • Die drei Nornen
  • Die drei Rheintöchter
  • Mannen
  • Frauen

Schauplatz der Handlung

Vorspiel

Auf dem Walkürenfelsen

Erster Aufzug

Gunthers Hofhalle am Rhein. – Der Walkürenfelsen

Zweiter Aufzug

Vor Gunthers Halle

Dritter Aufzug

Waldige Gegend am Rhein. – Gunthers Halle

Vorspiel

Die Szene ist dieselbe wie am Schlusse des zweiten Tages, auf dem Walkürenfelsen.

Nacht. Aus der Tiefe des Hintergrundes leuchtet Feuerschein. – Die drei Nornen, hohe Frauengestalten in langen dunklen und schleierartigen Faltengewändern. Die erste (älteste) lagert im Vordergrund rechts unter der breitästigen Tanne; die zweite (jüngere) ist an einer Steinbank vor dem Felsengemach hingestreckt; die dritte (jüngste) sitzt in der Mitte des Hintergrundes auf einem Felssteine des Höhensaumes. Düsteres Schweigen und Bewegungslosigkeit.

DIE ERSTE NORN.
Welch Licht leuchtet dort?
DIE ZWEITE NORN.
Dämmert der Tag schon auf?
DIE DRITTE NORN.
Loges Heer
lodert feurig um den Fels.
Noch ist’s Nacht.
Was spinnen und singen wir nicht?
DIE ZWEITE NORN zu der ersten.
Wollen wir spinnen und singen,
woran spannst du das Seil?
DIE ERSTE NORN während sie ein goldenes Seil von sich löst und mit dem einen Ende es an einen Ast der Tanne knüpft.
So gut und schlimm es geh,
schling ich das Seil und singe. –
An der Weltesche
wob ich einst,
da groß und stark
dem Stamm entgrünte
weihlicher Äste Wald.
Im kühlen Schatten
rauscht ein Quell:
Weisheit raunend
rann sein Gewell –
da sang ich heil’gen Sinn.
Ein kühner Gott
trat zum Trunk an den Quell;
seiner Augen eines
zahlt er als ewigen Zoll.
Von der Weltesche
brach da Wotan einen Ast;
eines Speeres Schaft
entschnitt der Starke dem Stamm.
In langer Zeiten Lauf
zehrte die Wunde den Wald;
falb fielen die Blätter,
dürr darbte der Baum;
traurig versiegte
des Quelles Trank –
trüben Sinnes
ward mein Gesang.
Doch web ich heut
an der Weltesche nicht mehr,
muß mir die Tanne
taugen, zu fesseln das Seil, –
singe, Schwester,
dir werf ich’s zu:
weißt du wie das wird?
DIE ZWEITE NORN windet das ihr zugeworfene Seil um einen hervorspringenden Felsstein am Eingang des Gemaches.
Treu berat’ner
Verträge Runen
schnitt Wotan
in des Speeres Schaft:
den hielt er als Haft der Welt.
Ein kühner Held
zerhieb im Kampfe den Speer;
in Trümmer sprang
der Verträge heiliger Haft.
Da hieß Wotan
Walhalls Helden,
der Weltesche
welkes Geäst
mit dem Stamm in Stücke zu fällen:
die Esche sank;
ewig versiegte der Quell.
Feßle ich heut
an dem scharfen Fels das Seil,
singe, Schwester,
dir werf ich’s zu:
weißt du wie das wird?
DIE DRITTE NORN das Seil empfangend und dessen Ende hinter sich werfend.
Es ragt die Burg,
von Riesen gebaut:
mit der Götter und Helden
heiliger Sippe
sitzt dort Wotan im Saal.
Gehau’ner Scheite
hohe Schicht
ragt zu Hauf
rings um die Halle:
die Weltesche war dies einst! –
Brennt das Holz
heilig brünstig und hell,
sengt die Glut
sehrend den glänzenden Saal,
der ewigen Götter Ende
dämmert ewig da auf. –
Wisset ihr noch?
So windet von neuem das Seil;
von Norden wieder
werf ich’s dir nach.

Sie wirft das Seil der zweiten Norn zu; diese schwingt es der ersten hin, welche das Seil vom Zweige löst und es an einen anderen Ast wieder anknüpft.

Spinne, Schwester, und singe!
DIE ERSTE NORN bei ihrer Beschäftigung nach hinten blickend.
Dämmert der Tag?
Oder leuchtet die Lohe?
Getrübt trügt sich mein Blick;
nicht hell eracht ich
das heilig Alte,
da Loge einst
brannte in lichter Glut.
Weißt du, was aus ihm ward?
DIE ZWEITE NORN das zugeworfene Seil wieder um den Stein windend.
Durch des Speeres Zauber
zähmte ihn Wotan;
Räte raunt er dem Gott:
an des Schaftes Runen,
frei sich zu raten,
nagte zehrend sein Zahn:
da mit des Speeres
zwingender Spitze
bannte ihn Wotan,
Brünnhildes Fels zu umbrennen. –

Sie wirft das Seil der dritten Norn zu: diese wirft es wieder hinter sich.

Weißt du was aus ihm wird?
DIE DRITTE NORN.
Des zerschlag’nen Speeres
stechende Splitter
taucht einst Wotan
dem Brünstigen tief in die Brust:
zehrender Brand
zündet da auf;
den wirft der Gott
in der Weltesche
zu Hauf geschichtete Scheite. –

Sie wirft das Seil zurück; die zweite Norn windet es auf und wirft es der ersten wieder zu.

Wollt ihr wissen
wann das wird?
Schwinget, Schwestern, das Seil! –
DIE ZWEITE NORN das Seil von Neuem anknüpfend.
Die Nacht weicht;
nichts mehr gewahr ich:
des Seiles Fäden
find ich nicht mehr;
verflochten ist das Geflecht.
Ein wüstes Gesicht
wirrt mir wütend den Sinn: –
das Rheingold
raubte Alberich einst:
weißt du was aus ihm ward?
DIE ZWEITE NORN windet mit mühevoller Hast das Seil um den zackigen Stein des Gemaches.
Des Steines Schärfe
schnitt in das Seil;
nicht fest spannt mehr
der Fäden Gespinst;
verwirrt ist das Geweb:
aus Not und Neid
ragt mir des Niblungen Ring:
ein rächender Fluch
nagt meiner Fäden Geflecht.

Das Seil der dritten Norn zuwerfend.

Weißt du, was daraus wird?
DIE DRITTE NORN das zugeworfene Seil hastig fassend.
Zu locker das Seil, –
mir langt es nicht.
Soll ich nach Norden
neigen das Ende,
straffer sei es gestreckt! –

Sie zieht gewaltsam das Seil an; dieses reißt.

Es riß! –
DIE ZWEITE NORN.
Es riß!
DIE ERSTE NORN.
Es riß!

Erschreckt fahren die Nornen auf und treten nach der Mitte der Bühne zusammen: Sie fassen die Stücken des zerrissenen Seiles und binden damit ihre Leiber aneinander.

DIE DREI NORNEN.
Zu End ewiges Wissen!
Der Welt melden
Weise nichts mehr. –
DIE DRITTE NORN.
Hinab!
DIE ZWEITE NORN.
Zur Mutter!
DIE ERSTE NORN.
Hinab!

Sie verschwinden Tagesgrauen. – Wachsende Morgenröte, immer schwächeres Leuchten des Feuerscheines aus der Tiefe. – Sonnenaufgang. Voller Tag. – Siegfried und Brünnhilde treten aus dem Steingemache auf. Er ist in vollen Waffen, sie führt ihr Roß am Zaume.

BRÜNNHILDE.
Zu neuen Taten,
teurer Helde,
wie liebt ich dich,
ließ ich dich nicht?
Ein einzig Sorgen
läßt mich säumen,
daß dir zu wenig
mein Wert gewann.
Was Götter mich wiesen,
gab ich dir:
heiliger Runen
reichen Hort;
doch meiner Stärke
magdlichen Stamm
nahm mir der Held,
dem ich nun mich neige.
Des Wissens bar,
doch des Wunsches voll:
an Liebe reich,
doch ledig der Kraft,
mögst du die Arme
nicht verachten,
die dir nur gönnen,
nicht geben mehr kann!
SIEGFRIED.
Mehr gabst du Wunderfrau,
als ich zu wahren weiß.
Nicht zürne, wenn dein Lehren
mich unbelehret ließ!
Ein Wissen doch wahr ich wohl –

Feurig.

daß mir Brünnhilde lebt;
eine Lehre lernt ich leicht –
Brünnhildes zu gedenken!
BRÜNNHILDE.
Willst du mir Minne schenken,
gedenke deiner nur,
gedenke deiner Taten:
gedenk des wilden Feuers,
das furchtlos du durchschrittest,
da den Fels es rings umbrann!
SIEGFRIED.
Brünnhilde zu gewinnen!
BRÜNNHILDE.
Gedenk der beschildeten Frau,
die in tiefem Schlaf du fandest,
der den festen Helm du erbrachst!
SIEGFRIED.
Brünnhilde zu erwecken!
BRÜNNHILDE.
Gedenk der Eide,
die uns einen;
gedenk der Treue,
die wir tragen;
gedenk der Liebe,
der wir leben:
Brünnhilde brennt dann ewig
heilig dir in der Brust.

Sie umarmt Siegfried.

SIEGFRIED.
Laß ich, Liebste, dich hier
in der Lohe heiliger Hut,

Er hat den Ring Alberichs von seinem Finger gezogen und reicht ihn jetzt Brünnhilde dar.

zum Tausche deiner Runen
reich ich dir diesen Ring.
Was der Taten je ich schuf,
des Tugend schließt er ein.
Ich erschlug einen wilden Wurm,
der grimmig lang ihn bewacht:
nun wahre du seine Kraft
als Weihegruß meiner Treu!
BRÜNNHILDE voll Entzücken den Ring sich ansteckend.
Ihn geiz ich als einziges Gut!
Für den Ring nimm nun auch mein Roß!
Ging sein Lauf mit mir
einst kühn durch die Lüfte, –
mit mir
verlor es die mächt’ge Art;
über Wolken hin
auf blitzenden Wettern
nicht mehr
schwingt es sich mutig des Wegs;
doch wohin du ihn führst,
sei es durchs Feuer,
grauenlos folgt dir Grane:
denn dir, o Helde,
soll es gehorchen.
Du hüt ihn wohl;
er hört dein Wort:
O, bringe Grane
oft Brünnhildes Gruß!
SIEGFRIED.
Durch deine Tugend allein
soll so ich Taten noch wirken?
Meine Kämpfe kiesest du,
meine Siege kehren zu dir:
auf deines Rosses Rücken,
in deines Schildes Schirm, –
nicht Siegfried acht ich mich mehr,
ich bin nur Brünnhildes Arm.
BRÜNNHILDE.
O wäre Brünnhild‘ deine Seele!
SIEGFRIED.
Durch sie entbrennt mir der Mut.
BRÜNNHILDE.
So wärst du Siegfried und Brünnhild‘?
SIEGFRIED zart.
Wo ich bin, bergen sich Beide.
BRÜNNHILDE lebhaft.
So verödet mein Felsensaal?
SIEGFRIED.
Vereint faßt er uns Zwei!
BRÜNNHILDE in großer Ergriffenheit.
Oh! heilige Götter!
Hehre Geschlechter!
Weidet eu’r Aug
an dem weihvollen Paar!
Getrennt – wer will es scheiden?
Geschieden – trennt es sich nie!
SIEGFRIED.
Heil dir, Brünnhilde,
prangender Stern!
Heil, strahlende Liebe!
BRÜNNHILDE.
Heil dir, Siegfried,
siegendes Licht!
Heil, strahlendes Leben!
BEIDE.
Heil! Heil! Heil! Heil!

Siegfried geleitet das Roß schnell dem Felsenabhange zu, wohin ihm Brünnhilde folgt. Siegfried ist mit dem Rosse hinter dem Felsenvorsprung abwärts verschwunden, so daß der Zuschauer ihn nicht mehr sieht; Brünnhilde steht so plötzlich allein am Abhang und blickt Siegfried in die Tiefe nach. – Brünnhilds Gebärde zeigt, daß jetzt Siegfried ihrem Blicke entschwindet. – Man hört Siegfrieds Horn aus der Tiefe.

Brünnhilde lauscht. Sie tritt weiter auf den Abhang hinaus. Jetzt erblickt sie Siegfried nochmals in der Tiefe: sie winkt ihm mit entzückter Gebärde zu. Aus ihrem freudigen Lächeln deutet sich der Anblick des lustig davon ziehenden Helden. Der Vorhang fällt schnell.

Erster Aufzug

Erste Szene

Die Halle der Gibichungen am Rhein.

Diese offen. Den Hintergrund selbst nimmt ein freier Uferraum bis zum Flusse hin ein; felsige Anhöhen umgrenzen das Ufer. – Gunther und Gutrune auf dem Hochsitze zur Seite, vor welchem ein Tisch mit Trinkgeräte steht; davor sitzt Hagen.

GUNTHER.
Nun hör, Hagen;
sage mir, Held:
sitz ich herrlich am Rhein,
Gunther zu Gibichs Ruhm?
HAGEN.
Dich echt genannten
acht ich zu neiden;
die beid uns Brüder gebar,
Frau Grimhild ließ mich’s begreifen.
GUNTHER.
Dich neide ich;
nicht neide mich du.
Erbt ich Erstlings Art,
Weisheit ward dir allein:
Halbbrüder Zwist
bezwang sich nie besser.
Deinem Rat nur red ich Lob,
frag ich dich nach meinem Ruhm.
HAGEN.
So schelt ich den Rat,
da schlecht noch dein Ruhm;
denn hohe Güter weiß ich,
die der Gibichung noch nicht gewann.
GUNTHER.
Verschwiegst du sie,
so schelt auch ich.
HAGEN.
In sommerlich reifer Stärke
seh ich Gibichs Stamm,
dich, Gunther, unbeweibt, –
dich, Gutrun‘, ohne Mann.

Gunther und Gutrune sind in schweigendes Sinnen verloren.

GUNTHER.
Wen rätst du nun zu frein,
daß unsrem Ruhm es frommt?
HAGEN.
Ein Weib weiß ich,
das herrlichste der Welt;
auf Felsen hoch ihr Sitz;
ein Feuer umbrennt ihren Saal:
nur, wer durch das Feuer bricht,
darf Brünnhildes Freier sein.
GUNTHER.
Vermag das mein Mut zu bestehn?
HAGEN.
Einem Stärk’ren noch ist’s nur bestimmt.
GUNTHER.
Wer ist der streitlichste Mann?
HAGEN.
Siegfried, der Wälsungen Sproß,
der ist der stärkste Held. –
Ein Zwillingspaar,
von Liebe bezwungen,
Siegmund und Sieglinde
zeugten den echtesten Sohn.
Der im Walde mächtig erwuchs, –
den wünscht ich Gutrun‘ zum Mann.
GUTRUNE schüchtern beginnend.
Welche Tat schuf er so tapfer,
daß als herrlichster Held er genannt?
HAGEN.
Vor Neidhöhle
den Niblungenhort
bewachte ein riesiger Wurm:
Siegfried schloß ihm
den freislichen Schlund,
erschlug ihn mit siegendem Schwert.
Solch ungeheurer Tat
enttagte des Helden Ruhm.
GUNTHER im Nachsinnen.
Vom Niblungenhort vernahm ich:
er birgt den neidlichsten Schatz?
HAGEN.
Wer wohl ihn zu nützen wüßt,
dem neigte sich wahrlich die Welt.
GUNTHER.
Und Siegfried – hat ihn erkämpft?
HAGEN.
Knecht sind die Niblungen ihm.
GUNTHER.
Und Brünnhild‘ gewänne nur er?
HAGEN.
Keinem andren wiche die Brunst.
GUNTHER erhebt sich unwillig vom Sitz.
Was weckst du Zweifel und Zwist?
Was ich nicht zwingen soll,
darnach zu verlangen
machst du mir Lust?

Er schreitet bewegt in der Halle auf und ab. Hagen, ohne seinen Sitz zu verlassen, hält Gunther, als dieser wieder in seine Nähe kommt, durch einen geheimnisvollen Wink fest.

HAGEN.
Brächte Siegfried
die Braut dir heim,
wär dann nicht Brünnhilde dein?
GUNTHER wendet sich wieder zweifelnd und unmutig ab.
Was zwänge den frohen Mann
für mich die Braut zu frein?
HAGEN wie vorher.
Ihn zwänge bald deine Bitte –
bänd ihn Gutrun‘ zuvor.
GUTRUNE.
Du Spötter, böser Hagen!
Wie sollt ich Siegfried binden?
Ist er der herrlichste
Held der Welt,
der Erde holdeste Frauen
friedeten längst ihn schon.
HAGEN sich vertraulich zu Gutrune hinneigend.
Gedenk des Trankes im Schrein;

Heimlicher.

vertraue mir, der ihn gewann:
den Helden, des du verlangst,
bindet er liebend an dich.

Gunther ist wieder an den Tisch getreten und hört, auf ihn gelehnt, jetzt aufmerksam zu.

Träte nun Siegfried ein,
genöß er des würzigen Tranks –
daß vor dir ein Weib er ersah,
daß je ein Weib ihm genaht,
vergessen müßt er des ganz.
Nun redet:
wie dünkt euch Hagens Rat?
GUNTHER lebhaft auffahrend.
Gepriesen sei Grimhild‘,
die uns den Bruder gab!
GUTRUNE.
Möcht ich Siegfried je ersehn!
GUNTHER.
Wie fänden ihn wir auf?

Ein Horn klingt aus dem Hintergrund von links her. Hagen lauscht.

HAGEN.
Jagt er auf Taten
wonnig umher,
zum engen Tann
wird ihm die Welt:
wohl stürmt er in rastloser Jagd
auch zu Gibichs Strand an den Rhein.
GUNTHER.
Willkommen hieß ich ihn gern.

Horn näher, aber immer noch fern. Beide lauschen. Hagen eilt nach dem Ufer.

Vom Rhein her tönt das Horn.
HAGEN späht den Fluß hinab und ruft zurück.
In einem Nachen Held und Roß! –
Der bläst so munter das Horn!

Gunther bleibt auf halbem Wege lauschend zurück.

Ein gemächlicher Schlag –
wie von müßiger Hand,
treibt jach den Kahn
wider den Strom:
so rüstiger Kraft
in des Ruders Schwung
rühmt sich nur der,
der den Wurm erschlug.
Siegfried ist es, sicher kein Andrer!
GUNTHER.
Jagt er vorbei?
HAGEN ruft durch die hohlen Hände nach dem Flusse zu.
Hoiho! Wohin,
du heit’rer Held?
SIEGFRIEDS STIMME aus der Ferne.
Zu Gibichs starkem Sohne.
HAGEN.
Zu seiner Halle entbiet ich dich. –

Siegfried erscheint im Kahn am Ufer.

Hieher! Hier lege an!

Zweite Szene

Siegfried legt mit dem Kahn an. – Hagen schließt den Kahn mit der Kette am Ufer fest. Siegfried springt mit dem Rosse auf den Strand.

HAGEN.
Heil! Heil Siegfried, teurer Held!

Gunther ist zu Hagen an das Ufer getreten. Gutrune blickt, vom Hochsitz aus, in staunender Bewunderung auf Siegfried. – Gunther will freundlichen Gruß bieten. Alle sind in gegenseitiger stummer Betrachtung gefesselt.

SIEGFRIED auf sein Roß gelehnt, bleibt ruhig am Kahne stehen.
Wer ist Gibichs Sohn?
GUNTHER.
Gunther, ich, den du suchst.
SIEGFRIED.
Dich hört ich rühmen
weit am Rhein:
nun ficht mit mir, –
oder sei mein Freund!
GUNTHER.
Laß den Kampf!
Sei willkommen!
SIEGFRIED sieht sich ruhig um.
Wo berg ich mein Roß?
HAGEN.
Ich biet ihm Rast.
SIEGFRIED zu Hagen gewendet.
Du riefst mich Siegfried:
sahst du mich schon?
HAGEN.
Ich kannte dich nur
an deiner Kraft.
SIEGFRIED indem er an Hagen das Roß übergibt.
Wohl hüte mir Grane:
du hieltest nie
von edlerer Zucht
am Zaume ein Roß.

Hagen führt das Roß. Während Siegfried ihm gedankenvoll nachblickt, entfernt sich auch Gutrune, durch einen Wink Hagens bedeutet, von Siegfried unbemerkt, nach links durch eine Tür in ihr Gemach. Gunther schreitet mit Siegfried, den er dazu einlädt, in die Halle vor.

GUNTHER.
Begrüße froh, o Held,
die Halle meines Vaters:
wohin du schreitest,
was du ersiehst,
das achte nun dein Eigen;
dein ist mein Erbe,
Land und Leut:
hilf, mein Leib, meinem Eide!
Mich selbst geb ich zum Mann. –
SIEGFRIED.
Nicht Land noch Leute biete ich,
noch Vaters Haus und Hof:
einzig erbt ich
den eig’nen Leib –
lebend zehrt ich den auf.
Nur ein Schwert hab ich,
selbst geschmiedet:
hilf, mein Schwert, meinem Eide! –
Das biet ich mit mir zum Bund.
HAGEN der zurückgekommen ist und jetzt hinter Siegfried steht.
Doch des Niblungenhortes
nennt die Märe dich Herrn?
SIEGFRIED sich zu Hagen umwendend.
Des Schatzes vergaß ich fast;
so schätz ich sein müß’ges Gut!
In einer Höhle ließ ich’s liegen,
wo ein Wurm es einst bewacht.
HAGEN.
Und nichts entnahmst du ihm?
SIEGFRIED.
Dies Gewirk, unkund seiner Kraft.
HAGEN.
Den Tarnhelm kenn ich,
der Niblungen künstliches Werk:
er taugt, bedeckt er dein Haupt,
dir zu tauschen jede Gestalt;
verlangt dich’s an fernsten Ort,
er entführt flugs dich dahin. –
Sonst nichts entnahmst du dem Hort?
SIEGFRIED.
Einen Ring.
HAGEN.
Den hütest du wohl?
SIEGFRIED zart.
Den hütet ein hehres Weib.
HAGEN für sich.
Brünnhild‘! –
GUNTHER.
Nicht, Siegfried, sollst du mir tauschen.
Tand gäb ich für dein Geschmeid,
nähmst all mein Gut du dafür:
ohn Entgelt dien ich dir gern.

Hagen ist zu Gutrunes Türe gegangen und öffnet sie jetzt. Gutrune tritt heraus; sie trägt ein gefülltes Trinkhorn und nähert sich damit Siegfried.

GUTRUNE.
Willkommen, Gast,
in Gibichs Haus!
Seine Tochter reicht dir den Trank.
SIEGFRIED neigt sich ihr freundlich und ergreift das Horn. – Er hält es gedankenvoll vor sich hin. Leise, doch sehr bestimmt.
Vergäß ich Alles,
was du mir gabst,
von einer Lehre
laß ich doch nie:
den ersten Trunk
zu treuer Minne,
Brünnhilde, bring ich dir!

Er setzt das Trinkhorn an und trinkt in einem langen Zuge. Er reicht das Horn an Gutrune zurück, welche, verschämt und verwirrt, die Augen vor ihm niederschlägt. Siegfried heftet den Blick mit schnell entbrannter Leidenschaft auf sie.

Die so mit dem Blitz
den Blick du mir sengst,
was senkst du dein Auge vor mir?

Gutrune schlägt errötend das Auge zu ihm auf. – Heftig.

Ha, schönstes Weib!
Schließe den Blick;
das Herz in der Brust
brennt mir sein Strahl,
zu feurigen Strömen fühl ich
ihn zehrend zünden mein Blut! –

Mit bebender Stimme.

Gunther, wie heißt deine Schwester?
GUNTHER.
Gutrune.
SIEGFRIED leise.
Sind’s gute Runen,
die ihrem Aug‘ ich entrate?

Er faßt Gutrune feurig bei der Hand.

Deinem Bruder bot ich mich zum Mann:
der Stolze schlug mich aus;
trügst du wie er mir Übermut,
böt ich mich dir zum Bund?

Gutrune trifft unwillkürlich auf Hagens Blick; sie neigt demütig das Haupt, und mit einer Gebärde, als fühle sie sich seiner nicht wert, verläßt sie wankenden Schrittes wieder die Halle. Siegfried, von Hagen und Gunther aufmerksam beobachtet, blickt wie festgezaubert Gutrune nach; ohne sich umzuwenden.

Hast du, Gunther, ein Weib?
GUNTHER.
Nicht freit ich noch,
und einer Frau
soll ich mich schwerlich freun:
auf Eine setzt ich den Sinn,
die kein Rat mir je gewinnt.
SIEGFRIED wendet sich lebhaft zu Gunther.
Was wär dir versagt,
steh ich zu dir?
GUNTHER.
Auf Felsen hoch ihr Sitz –
SIEGFRIED mit verwunderungsvoller Hast einfallend.
– auf Felsen hoch ihr Sitz?
GUNTHER.
ein Feuer umbrennt den Saal –
SIEGFRIED.
– ein Feuer umbrennt den Saal?
GUNTHER.
Nur wer durch das Feuer bricht –
SIEGFRIED mit der heftigsten Anstrengung, um eine Erinnerung festzuhalten.
Nur wer durch das Feuer bricht? –
GUNTHER.
– darf Brünnhildes Freier sein.

Siegfried verrät durch eine Gebärde, daß bei der Nennung von Brünnhildes Namen die Erinnerung ihm vollends gänzlich schwindet.

Nun darf ich den Fels nicht erklimmen,
das Feuer verglimmt mir nie!
SIEGFRIED kommt aus einem traumartigen Zustande zu sich und wendet sich mit übermütiger Lebhaftigkeit zu Gunther.
Ich fürchte kein Feuer,
für dich frei ich die Frau:
denn dein Mann bin ich,
und mein Mut ist dein, –
gewinn ich mir Gutrun‘ zum Weib.
GUNTHER.
Gutrune gönn ich dir gerne.
SIEGFRIED.
Brünnhilde bring ich dir!
GUNTHER.
Wie willst du sie täuschen?
SIEGFRIED.
Durch des Tarnhelms Trug
tausch ich mir deine Gestalt.
GUNTHER.
So stelle Eide zum Schwur!
SIEGFRIED.
Blutbrüderschaft
schwöre ein Eid!

Hagen füllt ein Trinkhorn mit frischem Wein; dieses hält er dann Siegfried und Gunther hin, welche sich mit ihren Schwertern die Arme ritzen und diese kurze Zeit über die Öffnung des Trinkhornes halten. Beide legen zwei ihrer Finger auf das Horn, welches Hagen fortwährend in ihrer Mitte hält.

Blühenden Lebens
labendes Blut
träufelt ich in den Trank.
GUNTHER.
Bruder-brünstig
mutig gemischt
blüh im Trank unser Blut!
BEIDE.
Treue trink ich dem Freund!
Froh und frei
entblühe dem Bund
Blutbrüderschaft heut.
GUNTHER.
Bricht ein Bruder den Bund:
SIEGFRIED.
Trügt den Treuen der Freund:
BEIDE.
Was in Tropfen heut
hold wir tranken,
in Strahlen ström‘ es dahin, –
fromme Sühne dem Freund!
GUNTHER trinkt und reicht das Horn Siegfried.
So biet ich den Bund!
SIEGFRIED.
So –

Er trinkt und hält das geleerte Trinkhorn Hagen hin.

trink ich dir Treu.

Hagen zerschlägt mit seinem Schwerte das Horn in zwei Stücken. Gunther und Siegfried reichen sich die Hände. Siegfried betrachtet Hagen, welcher während des Schwures hinter ihm gestanden.

Was nahmst du am Eide nicht teil?
HAGEN.
Mein Blut verdürb euch den Trank;
nicht fließt mir’s echt
und edel wie euch:
störrisch und kalt
stockt’s in mir,
nicht will’s die Wange mir röten.
Drum bleib ich fern
vom feurigen Bund.
GUNTHER zu Siegfried.
Laß den unfrohen Mann!
SIEGFRIED hängt sich den Schild wieder über.
Frisch auf die Fahrt!
Dort liegt mein Schiff: –
schnell führt es zum Felsen.

Er tritt näher zu Gunther und bedeutet diesen.

Eine Nacht am Ufer
harrst du im Nachen;
die Frau fährst du dann heim.

Er wendet sich zum Fortgehen und winkt Gunther, ihm zu folgen.

GUNTHER.
Rastest du nicht zuvor?
SIEGFRIED.
Um die Rückkehr ist’s mir jach.

Er geht zum Ufer, um das Schiff los zu binden.

GUNTHER.
Du, Hagen! Bewache die Halle!

Er folgt Siegfried zum Ufer. – Während Siegfried und Gunther, nachdem sie ihre Waffen darin niedergelegt, im Schiff das Segel aufstecken und alles zur Abfahrt bereitmachen, nimmt Hagen seinen Speer und Schild. Gutrune erscheint an der Tür ihres Gemaches, als soeben Siegfried das Schiff abstößt, welches sogleich der Mitte des Stromes zutreibt.

GUTRUNE.
Wohin eilen die Schnellen?
HAGEN während er sich gemächlich mit Schild und Speer vor der Halle niedersetzt.
Zu Schiff – Brünnhild‘ zu frei’n.
GUTRUNE.
Siegfried?
HAGEN.
Sieh, wie’s ihn treibt,
zum Weib dich zu gewinnen.
GUTRUNE.
Siegfried – mein!

Sie geht lebhaft erregt in ihr Gemach zurück.-Siegfried hat das Ruder erfaßt und treibt jetzt mit dessen Schlägen den Nachen stromabwärts, so daß dieser bald gänzlich außer Gesicht kommt.

HAGEN sitzt, mit dem Rücken an den Pfosten der Halle gelehnt, bewegungslos.
Hier sitz ich zur Wacht,
wahre den Hof,
wehre die Halle dem Feind, –
Gibichs Sohne
wehet der Wind,
auf Werben fährt er dahin. –
Ihm führt das Steuer
ein starker Held,
Gefahr ihm will er bestehn:
die eig’ne Braut
ihm bringt er zum Rhein;
mir aber bringt er den Ring! –
Ihr freien Söhne,
frohe Gesellen,
segelt nur lustig dahin: –
dünkt er euch niedrig,
ihr dient ihm doch,
des Niblungen Sohn.

Ein Teppich, welcher dem Vordergrunde zu die Halle einfaßte, schlägt zusammen und schließt die Bühne vor dem Zuschauer ab.

Dritte Szene

Der Vorhang wird wieder aufgezogen. –

Die Felsenhöhe, wie im Vorspiel. –

Brünnhilde sitzt am Eingang des Steingemaches, in stummem Sinnen Siegfrieds Ring betrachtend. Von wonnigen Erinnerungen ergriffen, bedeckt sie den Ring mit ihren Küssen. Ferner Donner läßt sich vernehmen; sie blickt auf und lauscht. – Sie wendet sich wieder zu dem Ringe. Ein feuriger Blitz. Brünnhilde lauscht von neuem und späht nach der Ferne, von woher eine finstere Gewitterwolke dem Felsensaume zuzieht.

BRÜNNHILDE.
Altgewohntes Geräusch
raunt meinem Ohr die Ferne.
Ein Luftroß jagt
im Laufe daher;
auf der Wolke fährt es
wetternd zum Fels –
Wer fand mich Einsame auf?
WALTRAUTES STIMME aus der Ferne.
Brünnhilde! Schwester!
Schläfst oder wachst du?
BRÜNNHILDE fährt vom Sitze auf.
Waltrautes Ruf,
so wonnig mir kund! –

In die Szene rufend.

Kommst du Schwester?
Schwingst dich kühn zu mir her?

Sie eilt nach dem Felsrande.

Dort im Tann –
– dir noch vertraut –
steige vom Roß
und stell den Renner zur Rast!

Sie stürmt in den Tann, von wo ein starkes Geräusch, gleich einem Gewitterschlage, sich vernehmen läßt. Brünnhilde kommt in heftiger Bewegung mit Waltraute zurück; sie bleibt freudig erregt, ohne Waltrautes ängstliche Scheu zu beachten.

Kommst du zu mir?
Bist du so kühn,
magst ohne Grauen
Brünnhild bieten den Gruß?
WALTRAUTE.
Einzig dir nur
galt meine Eil.
BRÜNNHILDE in höchster freudiger Aufgeregtheit.
So wagtest du, Brünnhild‘ zulieb,
Walvaters Bann zu brechen? –
Oder wie – o sag! –
wär wider mich
Wotans Sinn erweicht? –
Als dem Gott entgegen
Siegmund ich schützte,
fehlend – ich weiß es –
erfüllt ich doch seinen Wunsch.
Daß sein Zorn sich verzogen,
weiß ich auch.
Denn verschloß er mich gleich in Schlaf,
fesselt‘ er mich auf dem Fels,
wies er dem Mann mich zur Magd,
der am Weg mich fänd und erweckt –
meiner bangen Bitte
doch gab er Gunst:
mit zehrendem Feuer
umzog er den Fels,
dem Zagen zu wehren den Weg.
So zur Seligsten
schuf mich die Strafe:
der herrlichste Held
gewann mich zum Weib!
In seiner Liebe
leucht und lach ich heut auf!

Sie umarmt Waltraute unter stürmischen Freudenbezeigungen, welche diese mit scheuer Ungeduld abzuwehren sucht.

Lockte dich Schwester mein Los?
An meiner Wonne
willst du dich weiden,
teilen, was mich betraf?
WALTRAUTE heftig.
Teilen den Taumel,
der dich Törin erfaßt? –
Ein Andres bewog mich in Angst,
zu brechen Wotans Gebot.

Brünnhilde gewahrt hier erst mit Befremdung die wild aufgeregte Stimmung Waltrautes.

BRÜNNHILDE.
Angst und Furcht
fesseln dich Arme?
So verzieh der Strenge noch nicht?
Du zagst vor des Strafenden Zorn?
WALTRAUTE düster.
Dürft ich ihn fürchten,
meiner Angst fänd ich ein End!
BRÜNNHILDE.
Staunend versteh ich dich nicht.
WALTRAUTE.
Wehre der Wallung,
achtsam höre mich an!
Nach Walhall wieder
treibt mich die Angst,
die von Walhall hierher mich trieb.
BRÜNNHILDE erschreckt.
Was ist’s mit den ewigen Göttern?
WALTRAUTE.
Höre mit Sinn, was ich dir sage!
Seit er von dir geschieden,
zur Schlacht nicht mehr
schickte uns Wotan:
irr und ratlos
ritten wir ängstlich zu Heer;
Walhalls mutige Helden
mied Walvater.
Einsam zu Roß,
ohne Ruh noch Rast,
durchschweift er als Wandrer die Welt. –
Jüngst kehrte er heim;
in der Hand hielt er
seines Speeres Splitter, –
die hatte ein Held ihm geschlagen,
Mit stummem Wink
Walhalls Edle
wies er zum Forst,
die Weltesche zu fällen.
Des Stammes Scheite
hieß er sie schichten
zu ragendem Hauf
rings um der Seligen Saal.
Der Götter Rat
ließ er berufen;
den Hochsitz nahm
heilig er ein:
ihm zu Seiten
hieß er die Bangen sich setzen,
in Ring und Reih
die Hall erfüllen die Helden. –
So sitzt er,
sagt kein Wort,
auf hehrem Sitze
stumm und ernst,
des Speeres Splitter
fest in der Faust;
Holdas Äpfel
rührt er nicht an.
Staunen und Bangen
binden starr die Götter.
Seine Raben beide
sandt er auf Reise;
kehrten die einst
mit guter Kunde zurück, –
dann noch einmal,
– zum letzten Mal! –
lächelte ewig der Gott.
Seine Knie umwindend
liegen wir Walküren, –
blind bleibt er
den flehenden Blicken:
uns alle verzehrt
Zagen und endlose Angst.
An seine Brust
preßt ich mich weinend;

Zögernd.

da brach sich sein Blick,
er gedachte, Brünnhilde, dein.
Tief seufzt er auf, –
schloß das Auge, –
und wie im Traume
raunt er das Wort:
»Des tiefen Rheines Töchtern
gäbe den Ring sie wieder zurück, –
von des Fluches Last
erlöst wär Gott und die Welt!« –
Da sann ich nach: –
von seiner Seite,
durch stumme Reihen
stahl ich mich fort;
in heimlicher Hast
bestieg ich mein Roß,
und ritt im Sturme zu dir.
Dich, o Schwester,
beschwör ich nun:
was du vermagst,
vollend es dein Mut;
ende der Ewigen Qual!

Sie hat sich vor Brünnhilde niedergeworfen.

BRÜNNHILDE ruhig.
Welch banger Träume Mären
meldest du Traurige mir!
Der Götter heiligem
Himmelsnebel
bin ich Törin enttaucht;
nicht faß ich, was ich erfahre.
Wirr und wüst
scheint mir dein Sinn:
in deinem Aug,
so übermüde,
glänzt flackernde Glut.
Mit blasser Wange,
du bleiche Schwester,
was willst du Wilde von mir?
WALTRAUTE heftig.
An deiner Hand, der Ring –
er ist’s; hör meinen Rat:
für Wotan wirf ihn von dir!
BRÜNNHILDE.
Den Ring – von mir?
WALTRAUTE.
Den Rheintöchtern gib ihn zurück!
BRÜNNHILDE.
Den Rheintöchtern – ich – den Ring?
Siegfrieds Liebespfand?
Bist du von Sinnen?
WALTRAUTE.
Hör mich, hör meine Angst!
Der Welt Unheil
haftet sicher an ihm.
Wirf ihn von dir,
fort in die Welle,
Walhalls Elend zu enden,
den verfluchten wirf in die Flut!
BRÜNNHILDE.
Ha! weißt du, was er mir ist?
Wie kannst du’s fassen,
fühllose Maid! –
Mehr als Walhalls Wonne,
mehr als der Ewigen Ruhm
ist mir der Ring:
ein Blick auf sein helles Gold,
ein Blitz aus dem hehren Glanz
gilt mir werter,
als aller Götter
ewig währendes Glück.
Denn selig aus ihm
leuchtet mir Siegfrieds Liebe, –
Siegfrieds Liebe! –
O, ließ sich die Wonne dir sagen! –
Sie wahrt mir den Reif. –
Geh hin zu der Götter
heiligem Rat!
Von meinem Ringe
raune ihnen zu:
Die Liebe ließe ich nie,
mir nähmen nie sie die Liebe,
stürzt auch in Trümmern
Walhalls strahlende Pracht!
WALTRAUTE.
Dies deine Treue?
So in Trauer
entlässest du lieblos die Schwester?
BRÜNNHILDE.
Schwinge dich fort,
fliehe zu Roß!
Den Reif entführst du mir nie!
WALTRAUTE.
Wehe! Wehe!
Weh dir, Schwester!
Walhalls Göttern weh!

Sie stürzt fort. – Bald erhebt sich unter Sturm eine Gewitterwolke aus dem Tann.

BRÜNNHILDE während sie der davonziehenden hell erleuchteten Gewitterwolke, die sich bald gänzlich in der Ferne verliert, nachblickt.
Blitzend Gewölk,
vom Wind getragen,
stürme dahin:
zu mir nie steure mehr her!

Es ist Abend geworden. Aus der Tiefe leuchtet der Feuerschein allmählich heller auf. Brünnhilde blickt ruhig in die Landschaft hinaus.

Abendlich, Dämmern
deckt den Himmel;
heller leuchtet
die hütende Lohe herauf.

Der Feuerschein nähert sich aus der Tiefe. Immer glühendere Flammenzungen lecken über den Felsensaum auf.

Was leckt so wütend
die lodernde Welle zum Wall?
Zur Felsenspitze
wälzt sich der feurige Schwall.

Man hört aus der Tiefe Siegfrieds Hornruf nahen. Brünnhilde fährt entzückt auf.

Siegfried!
Siegfried zurück!
Seinen Ruf sendet er her!
Auf! Auf! Ihm entgegen!
In meines Gottes Arm!

Sie eilt in höchstem Entzücken dem Felsrande zu. Feuerflammen schlagen herauf: aus ihnen springt Siegfried auf einen hoch ragenden Felsenstein empor, worauf die Flammen sogleich wieder zurückweichen und abermals nur aus der Tiefe heraufleuchten. Siegfried, auf dem Haupte den Tarnhelm, der ihm bis zur Hälfte das Gesicht verdeckt und nur die Augen frei läßt, erscheint in Gunthers Gestalt.

Verrat! –

Brünnhilde weicht voll Entsetzen zurück, flieht bis in den Vordergrund und heftet von da aus, in sprachlosem Erstaunen, ihren Blick auf Siegfried.

Wer drang zu mir?

Siegfried, im Hintergrunde auf dem Steine verweilend, betrachtet Brünnhilde, regungslos auf seinen Schild gelehnt. Langes Schweigen.

SIEGFRIED mit verstellter (rauherer) Stimme.
Brünnhild! Ein Freier kam, –
den dein Feuer nicht geschreckt.
Dich werb ich nun zum Weib:
Du folge willig mir!
BRÜNNHILDE heftig zitternd.
Wer ist der Mann,
der das vermochte,
was dem Stärksten nur bestimmt?
SIEGFRIED unverändert wie zuvor.
Ein Held, der dich zähmt,
bezwingt Gewalt dich nur.
BRÜNNHILDE von Grausen erfaßt.
Ein Unhold schwang sich
auf jenen Stein!
Ein Aar kam geflogen,
mich zu zerfleischen! –
Wer bist du, Schrecklicher!

Langes Schweigen.

Stammst du von Menschen?
Kommst du von Hellas
nächtlichem Heer?
SIEGFRIED wie zuvor, mit etwas bebender Stimme beginnend, alsbald aber wieder sicherer fortfahrend.
Ein Gibichung bin ich, –
und Gunther heißt der Held,
dem, Frau, du folgen sollst!
BRÜNNHILDE in Verzweiflung ausbrechend.
Wotan! Ergrimmter,
grausamer Gott!
Weh! Nun erseh ich!
der Strafe Sinn!
Zu Hohn und Jammer
jagst du mich hin!
SIEGFRIED springt vom Steine herab und tritt näher heran.
Die Nacht bricht an:
in deinem Gemach
mußt du dich mir vermählen!
BRÜNNHILDE indem sie den Finger, an welchem sie Siegfrieds Ring trägt, drohend ausstreckt.
Bleib fern! Fürchte dies Zeichen!
Zur Schande zwingst du mich nicht,
so lang der Ring mich beschützt.
SIEGFRIED.
Mannesrecht gebe er Gunther:
durch den Ring sei ihm vermählt!
BRÜNNHILDE.
Zurück, du Räuber!
Frevelnder Dieb!
Erfreche dich nicht mir zu nah’n!
Stärker als Stahl
macht mich der Ring:
nie raubst du ihn mir!
SIEGFRIED.
Von dir ihn zu lösen,
lehrst du mich nun.

Er dringt auf sie ein. Sie ringen miteinander. Brünnhilde windet sich los, flieht und wendet sich um, wie zur Wehr. Siegfried greift sie von neuem an. Sie flieht; er erreicht sie. Beide ringen mit einander. Er faßt sie bei der Hand und entzieht ihrem Finger den Ring. Brünnhilde schreit heftig auf. Als sie, wie zerbrochen, in seinen Armen niedersinkt, streift ihr Blick bewußtlos die Augen Siegfrieds. – Siegfried läßt die Machtlose auf die Steinbank vor dem Felsengemache niedergleiten.

Jetzt bist du mein.
Brünnhilde, Gunthers Braut, –
gönne mir nun dein Gemach!
BRÜNNHILDE starrt ohnmächtig vor sich hin, matt.
Was könntest du wehren,
elendes Weib!

Siegfried treibt sie mit einer gebietenden Gebärde an. Zitternd und wankenden Schrittes geht sie in das Gemach. – Siegfried zieht sein Schwert.

SIEGFRIED mit seiner natürlichen Stimme.
Nun, Nothung, zeuge du,
daß ich in Züchten warb.
Die Treue wahrend dem Bruder,
trenne mich von seiner Braut!

Er folgt Brünnhilde nach.

Zweiter Aufzug

Uferraum vor der Halle der Gibichungen.

Rechts der offene Eingang zur Halle; links das Rheinufer: von diesem aus erhebt sich eine durch verschiedene Bergpfade gespaltene, felsige Anhöhe, quer über die Bühne, nach rechts dem Hintergrunde zu aufsteigend. Dort sieht man einen der Fricka errichteten Weihstein, welchem, höher hinauf, ein größerer für Wotan sowie seitwärts ein gleicher dem Donner geweihter entspricht. – Es ist Nacht. – Hagen, den Speer im Arme, den Schild zur Seite, sitzt schlafend an einen Pfosten der Halle angelehnt.

Der Mond tritt plötzlich hervor und wirft ein grelles Licht auf Hagen und seine nächste Umgebung. Man gewahrt Alberich vor Hagen kauernd, die Arme auf dessen Knie gelehnt.

Erste Szene

ALBERICH leise.
Schläfst du, Hagen, mein Sohn? –
Du schläfst und hörst mich nicht,
den Ruh und Schlaf verriet?
HAGEN leise, ohne sich zu rühren, so daß er immerfort zu schlafen scheint, obwohl er die Augen starr offen hat.
Ich höre dich, schlimmer Albe:
was hast du meinem Schlaf zu sagen?
ALBERICH.
Gemahnt sei der Macht,
der du gebietest,
bist du so mutig,
wie die Mutter dich mir gebar!
HAGEN immer wie zuvor.
Gab mir die Mutter Mut,
nicht mag ich dir doch danken,
daß deiner List sie erlag: –
frühalt – fahl und bleich,
haß ich die Frohen,
freue mich nie! –
ALBERICH wie zuvor.
Hagen, mein Sohn!
Hasse die Frohen!
Mich Lustfreien,
Leidbelasteten,
liebst du so wie du sollst.
Bist du kräftig,
kühn und klug,
die wir bekämpfen
mit nächtigem Krieg,
schon gibt ihnen Not unser Neid.
Der einst den Ring mir entriß,
Wotan, der wütende Räuber, –
vom eig’nen Geschlechte
ward er geschlagen:
an den Wälsung verlor er
Macht und Gewalt;
mit der Götter ganzer Sippe
in Angst ersieht er sein Ende.
Nicht ihn fürcht ich mehr:
fallen muß er mit Allen! –
Schläfst du, Hagen, mein Sohn?
HAGEN bleibt unverändert wie zuvor.
Der Ewigen Macht, –
wer erbte sie?
ALBERICH.
Ich – und du!
Wir erben die Welt, –
trüg ich mich nicht
in deiner Treu,
teilst du meinen Gram und Grimm.
Wotans Speer
zerspellte der Wälsung,
der Fafner, den Wurm,
im Kampfe gefällt,
und kindisch den Reif sich errang;
jede Gewalt
hat er gewonnen:
Walhall und Nibelheim
neigen sich ihm.

Immer heimlich.

An dem furchtlosen Helden
erlahmt selbst mein Fluch;
denn nicht kennt er
des Ringes Wert,
zu nichts nützt er
die neidliche Macht.
Lachend, in liebender Brunst,
brennt er lebend dahin.
Ihn zu verderben,
taugt uns nun einzig! –
Schläfst du, Hagen, mein Sohn?
HAGEN wie zuvor.
Zu seinem Verderben
dient er mir schon.
ALBERICH.
Den gold’nen Ring,
den Reif – gilt’s zu erringen!
Ein weises Weib
lebt dem Wälsung zulieb:
riet es ihm je,
des Rheines Töchtern, –
die in Wassers Tiefen
einst mich betört, –
zurückzugeben den Ring:
verloren ging mir das Gold, –
keine List erlangte es je.
Drum, ohne Zögern
ziel auf den Reif!
Dich Zaglosen
zeugt ich mir ja,
daß wider Helden
hart du mir hieltest.
Zwar – stark nicht genug,
den Wurm zu bestehn,
was allein dem Wälsung bestimmt, –
zu zähem Haß doch
erzog ich Hagen;
der soll mich nun rächen,
den Ring gewinnen,
dem Wälsung und Wotan zum Hohn! –
Schwörst du mir’s, Hagen, mein Sohn?

Von hier an bedeckt ein immer finsterer werdender Schatten wieder Alberich. Zugleich beginnt das erste Tagesgrauen.

HAGEN immer wie zuvor.
Den Ring soll ich haben; –
harre in Ruh!
ALBERICH.
Schwörst du mir’s, Hagen, mein Held?
HAGEN.
Mir selbst schwör‘ ich’s; –
schweige die Sorge!

Wie mit dem Folgenden Alberichs Gestalt immer mehr dem Blicke entschwindet, wird auch seine Stimme immer unvernehmbarer.

ALBERICH.
Sei treu, Hagen, mein Sohn!
Trauter Helde – sei treu!
Sei treu! – Treu! –

Alberich ist gänzlich verschwunden. Hagen, der unverändert in seiner Stellung verblieben, blickt regungslos und starren Auges nach dem Rhein hin, auf welchem sich die Morgendämmerung ausbreitet.

Zweite Szene

Der Rhein färbt sich vom immer stärker erglühenden Morgenrot. – Hagen macht eine zuckende Bewegung. – Siegfried tritt plötzlich, dicht am Ufer, hinter einem Busche hervor.

SIEGFRIED.
Hoiho! Hagen!
Müder Mann!
Siehst du mich kommen?

Siegfried ist in seiner eigenen Gestalt; nur den Tarnhelm hat er noch auf dem Haupte; diesen zieht er jetzt ab und hängt ihn, während er hervorschreitet, in den Gürtel.

HAGEN erhebt sich gemächlich.
Hei! Siegfried!
Geschwinder Helde!
Wo brausest du her?
SIEGFRIED.
Vom Brünnhildenstein:
dort sog ich den Atem ein,
mit dem ich dich rief, –
so schnell war meine Fahrt.
Langsamer folgt mir ein Paar;
zu Schiff gelangt das her!
HAGEN.
So zwangst du Brünnhild?
SIEGFRIED.
Wacht Gutrune?
HAGEN in die Halle rufend.
Hoiho! Gutrune!
Komm heraus!
Siegfried ist da:
was säumst du drin?
SIEGFRIED sich zur Halle wendend.
Euch beiden meld ich,
wie ich Brünnhild band.

Gutrune tritt ihm aus der Halle entgegen.

Heiß mich willkommen,
Gibichskind!
Ein guter Bote bin ich dir.
GUTRUNE.
Freia grüße dich
zu aller Frauen Ehre!
SIEGFRIED.
Frei und hold
sei nun mir Frohem!
Zum Weib gewann ich dich heut.
GUTRUNE.
So folgt Brünnhild meinem Bruder?
SIEGFRIED.
Leicht ward die Frau ihm gefreit.
GUTRUNE.
Sengte das Feuer ihn nicht?
SIEGFRIED.
Ihn hätt es auch nicht versehrt;
doch ich durchschritt es für ihn, –
da dich ich wollt‘ erwerben.
GUTRUNE.
Doch dich hat es verschont?
SIEGFRIED.
Mich freute die schwelende Brunst.
GUTRUNE.
Hielt Brünnhild dich für Gunther?
SIEGFRIED.
Ihm glich ich auf ein Haar:
der Tarnhelm wirkte das,
wie Hagen tüchtig es wies.
HAGEN.
Dir gab ich guten Rat.
GUTRUNE.
So zwangst du das kühne Weib?
SIEGFRIED.
Sie wich – Gunthers Kraft.
GUTRUNE.
Und – vermählte sie sich dir?
SIEGFRIED.
Ihrem Mann gehorchte Brünnhild
eine volle bräutliche Nacht.
GUTRUNE.
Als ihr Mann doch galtest du?
SIEGFRIED.
Bei Gutrune weilte Siegfried.
GUTRUNE.
Doch zur Seite war ihm Brünnhild?
SIEGFRIED auf sein Schwert deutend.
Zwischen Ost und West der Nord:
so nah – war Brünnhild ihm fern.
GUTRUNE.
Wie empfing Gunther sie nun von dir?
SIEGFRIED.
Durch des Feuers verlöschende Lohe.
im Frühnebel vom Felsen
folgte sie mir zu Tal;
dem Strande nah,
flugs die Stelle
tauschte Gunther mit mir:
durch des Geschmeides Tugend
wünscht ich mich schnell hierher.
Ein starker Wind nun treibt
die Trauten den Rhein herauf.
Drum rüstet jetzt den Empfang!
GUTRUNE.
Siegfried! Mächtigster Mann! –
Wie faßt mich Furcht vor dir!
HAGEN vom Ufer her rufend.
In der Ferne seh ich ein Segel!
SIEGFRIED.
So sagt dem Boten Dank!
GUTRUNE.
Lasset uns sie hold empfangen,
daß heiter sie gern hier weile! –
Du, Hagen, minnig
rufe die Männer
nach Gibichs Hof zur Hochzeit!
Frohe Frauen
ruf ich zum Fest,
der Freudigen folgen sie gern.

Nach der Halle zuschreitend, wendet sie sich wieder um.

Rastest du, schlimmer Held?
SIEGFRIED.
Dir zu helfen – ruh ich aus.

Er reicht ihr die Hand und geht mit ihr in die Halle. – Hagen hat einen Felsstein in der Höhe des Hintergrundes erstiegen: dort setzt er jetzt sein Stierhorn zum Blasen an.

Dritte Szene

HAGEN.
Hoiho! Hoihohoho!
Ihr Gibichs Mannen,
machet euch auf!
Wehe! Wehe!
Waffen! Waffen!
Waffen durch’s Land!
Gute Waffen!
Starke Waffen!
Scharf zum Streit!
Not ist da!
Not! Wehe! Wehe!
Hoiho! Hoihohoho!

Hagen bleibt immer in seiner Stellung auf der Anhöhe. – Auf den verschiedenen Höhenpfaden stürmen in Hast und Eile gewaffnete Mannen herbei, erst einzelne, dann immer mehrere zusammen, welche sich dann auf dem Uferraum vor der Halle anhäufen.

DIE MANNEN.
Was tost das Horn?
Was ruft es zu Heer?
Wir kommen mit Wehr.
Wir kommen mit Waffen.
Hagen! Hagen!
Hoiho! Hoiho!
Welche Not ist da?
Welcher Feind ist nah?
Wer gibt uns Streit?
Ist Gunther in Not?
Wir kommen mit Waffen.
Mit scharfer Wehr.
Hoiho! Ho! Hagen!
HAGEN immer von der Anhöhe herab.
Rüstet euch wohl,
und rastet nicht!
Gunther sollt ihr empfahn:
ein Weib hat der gefreit.
DIE MANNEN.
Drohet ihm Not?
Drängt ihn der Feind?
HAGEN.
Ein freisliches Weib
führet er heim.
DIE MANNEN.
Ihm folgen der Magen
feindliche Mannen?
HAGEN.
Einsam fährt er,
keiner folgt.
DIE MANNEN.
So bestand er die Not?
So bestand er den Kampf?
Sag es an!
HAGEN.
Der Wurmtöter
wehrte der Not:
Siegfried der Held,
der schuf ihm Heil!
EIN MANNE.
Was soll ihm das Heer nun noch helfen?
NEUN WEITERE.
Was hilft ihm nun das Heer?
HAGEN.
Starke Stiere
sollt ihr schlachten;
am Weihstein fließe
Wotan ihr Blut!
EIN MANNE.
Was, Hagen, was heißest du uns dann?
ACHT MANNEN.
Was heißest du uns dann?
VIER WEITERE.
Was soll es dann?
ALLE.
Was heißest du uns dann?
HAGEN.
Einen Eber fällen
sollt ihr für Froh,
einen stammigen Bock
stechen für Donner;
Schafe aber
schlachtet für Fricka,
daß gute Ehe sie gebe!

Die Mannen in immer mehr ausbrechender Heiterkeit.

ZWEI MANNEN.
Schlugen wir Tiere,
was schaffen wir dann?
WEITERE ZEHN MANNEN.
Schlugen wir Tiere.
was schaffen wir dann?
HAGEN.
Das Trinkhorn nehmt,
von trauten Frau’n
mit Met und Wein
wonnig gefüllt!
ALLE MANNEN.
Das Trinkhorn zur Hand,
wie halten wir es dann?
HAGEN.
Rüstig gezecht,
bis der Rausch euch zähmt:
Alles den Göttern zu Ehren,
daß gute Ehe sie geben!
DIE MANNEN brechen in ein schallendes Gelächter aus.
Groß Glück und Heil
lacht nun dem Rhein,
da Hagen der Grimme
so lustig mag sein!
Der Hagedorn
sticht nun nicht mehr;
zum Hochzeitsrufer
ward er bestellt.
HAGEN der immer sehr ernst verblieben, ist zu den Mannen herabgestiegen und steht unter ihnen.
Nun, laßt das Lachen,
mut’ge Mannen!
Empfah’t Gunthers Braut:
Brünnhilde naht dort mit ihm.

Er deutet die Mannen nach dem Rhein hin: diese eilen zum Teil auf die Anhöhe, während Andere sich am Ufer aufstellen, um die Ankommenden zu erblicken. Näher zu einigen Mannen tretend.

Hold seid der Herrin,
helfet ihr treu:
traf sie ein Leid,
rasch seid zur Rache!

Er wendet sich langsam zur Seite in den Hintergrund. Während des Folgenden kommt der Nachen mit Gunther und Brünnhilde auf dem Rheine an.

EIN MANNE auf der Höhe.
Heil!
EINIGE.
Heil!
ANDERE.
Heil!

Diejenigen, welche von der Höhe ausgeblickt hatten, kommen zum Ufer herab.

ALLE.
Willkommen! Willkommen!

Einige Mannen springen in das Wasser und ziehen den Kahn an das Land. Alles drängt sich immer dichter an das Ufer.

Willkommen, Gunther!
Heil! Heil!

Vierte Szene

Gunther steigt mit Brünnhilde aus dem Kahne: die Mannen reihen sich ehrerbietig zu ihrem Empfange. Während des Folgenden geleitet Gunther Brünnhilde feierlich an der Hand.

DIE MANNEN.
Heil dir, Gunther!
Heil dir, und deiner Braut!
Heil sei Gunther dir
und deiner Braut!
Willkommen!

Sie schlagen die Waffen tosend zusammen.

GUNTHER Brünnhilde, welche bleich und gesenkten Blickes ihm folgt, den Mannen vorstellend.
Brünnhild, die hehrste Frau,
bring ich euch her zum Rhein.
Ein edleres Weib
ward nie gewonnen.
Der Gibichungen Geschlecht,
gaben die Götter ihm Gunst,
zum höchsten Ruhm,
rag es nun auf!
DIE MANNEN schlagen feierlich an ihre Waffen.
Heil dir,
glücklicher Gibichung!

Gunther geleitet Brünnhilde, welche nie aufblickt, zur Halle, aus welcher jetzt Siegfried und Gutrune, von Frauen begleitet, heraustreten.

GUNTHER hält vor der Halle an.
Gegrüßt sei, teurer Held;
gegrüßt, holde Schwester!
Dich seh ich froh ihm zur Seite,
der dich zum Weib gewann.
Zwei sel’ge Paare
seh ich hier prangen:

Er führt Brünnhilde näher heran.

Brünnhild und Gunther,
Gutrun und Siegfried! –

Brünnhilde schlägt erschreckt die Augen auf und erblickt Siegfried: wie in Erstarrung bleibt ihr Blick auf ihn gerichtet. Gunther, welcher Brünnhildes heftig zuckende Hand losgelassen hat, sowie alle Übrigen zeigen starre Betroffenheit über Brünnhildes Benehmen.

EINIGE MANNEN.
Was ist ihr? Ist sie entrückt?

Brünnhilde beginnt zu zittern.

SIEGFRIED geht einige Schritte auf Brünnhilde zu.
Was müht Brünnhildens Blick?
BRÜNNHILDE kaum ihrer mächtig.
Siegfried … hier? Gutrune …?
SIEGFRIED.
Gunthers milde Schwester,
mir vermählt,
wie Gunther du.
BRÜNNHILDE furchtbar heftig.
Ich …? Gunther …? Du lügst! –

Sie schwankt und droht umzusinken; Siegfried stützt sie.

Mir schwindet das Licht …

Sie blickt in seinen Armen matt zu ihm auf.

Siegfried … kennt mich nicht?
SIEGFRIED.
Gunther, deinem Weib ist übel! –

Gunther tritt hinzu.

Erwache, Frau!
Hier steht dein Gatte.
BRÜNNHILDE erblickt am ausgestreckten Finger Siegfrieds den Ring und schrickt mit furchtbarer Heftigkeit auf.
Ha! …Der Ring …
an seiner Hand! –
Er …? Siegfried …?
EINIGE MANNEN.
Was ist? Was ist?
HAGEN aus dem Hintergrund unter die Mannen tretend.
Jetzt merket klug,
was die Frau euch klagt!
BRÜNNHILDE sucht sich zu ermannen indem sie die schrecklichste Aufregung gewaltsam zurückhält.
Einen Ring sah ich
an deiner Hand …;
nicht dir gehört er,
ihn entriß mir –

Auf Gunther deutend.

dieser Mann.
Wie mochtest von ihm
den Ring du empfah’n?
SIEGFRIED betrachtet aufmerksam den Ring an seinem Finger.
Den Ring empfing ich
nicht von ihm.
BRÜNNHILDE zu Gunther.
Nahmst du von mir den Ring,
durch den ich dir vermählt,
so melde ihm dein Recht,
ford’re zurück das Pfand!
GUNTHER in großer Verwirrung.
Den Ring? … Ich gab ihm keinen:
doch – kennst du ihn auch gut?
BRÜNNHILDE.
Wo bärgest du den Ring,
den du von mir erbeutet?

Gunther schweigt in höchster Betroffenheit. Brünnhilde fährt wütend auf.

Ha! – Dieser war es,
der mir den Ring entriß:
Siegfried, der trugvolle Dieb!

Alles blickt erwartungsvoll auf Siegfried, welcher über der Betrachtung des Ringes in fernes Sinnen verloren ist.

SIEGFRIED.
Von keinem Weib
kam mir der Reif, –
noch war’s ein Weib,
dem ich ihn abgewann:
genau erkenn ich
des Kampfes Lohn,
den vor Neidhöhl einst ich bestand,
als den starken Wurm ich erschlug.
HAGEN zwischen sie tretend.
Brünnhild, kühne Frau!
kennst du genau den Ring?
Ist’s der, den du Gunther gabst,
so ist er sein, –
und Siegfried gewann ihn durch Trug,
den der Treulose büßen sollt!
BRÜNNHILDE in furchtbarstem Schmerze aufschreiend.
Betrug! Betrug!

Mit diesen wiederholten Versuchen scheint sie den versagenden Atem bewältigen zu wollen.

Schändlichster Betrug!
Verrat! Verrat!
Wie noch nie er gerächt!
GUTRUNE.
Verrat? An wem?
MANNEN.
Verrat? Verrat?
FRAUEN.
Verrat? An wem?
BRÜNNHILDE.
Heil’ge Götter,
himmlische Lenker!
Rauntet ihr dies
in eurem Rat?
Lehrt ihr mich Leiden,
wie keiner sie litt?
Schuft ihr mir Schmach,
wie nie sie geschmerzt?
Ratet nun Rache,
wie nie sie gerast!
Zündet mir Zorn,
wie noch nie er gezähmt!
Heißet Brünnhild,
ihr Herz zu zerbrechen,
den zu zertrümmern,
der sie betrog!
GUNTHER.
Brünnhild, Gemahlin!
Mäß’ge dich!
BRÜNNHILDE.
Weich‘ fern, Verräter!
Selbst verrat’ner!
Wisset denn Alle: –
nicht ihm, –
dem Manne dort
bin ich vermählt.
FRAUEN.
Siegfried? Gutruns Gemahl?
MANNEN.
Gutruns Gemahl?
BRÜNNHILDE.
Er zwang mir Lust
und Liebe ab.
SIEGFRIED.
Achtest du so
der eig’nen Ehre?
Die Zunge, die sie lästert,
muß ich der Lüge sie zeihen?
Hört, ob ich Treue brach! –
Blut-Brüderschaft
hab ich Gunther geschworen.
Nothung, das werte Schwert,
wahrte der Treue Eid:
mich trennte seine Schärfe
von diesem traur’gen Weib. –
BRÜNNHILDE.
Du listiger Held,
sieh wie du lügst,
wie auf dein Schwert
du schlecht dich berufst!
Wohl kenn ich seine Schärfe,
doch kenn auch die Scheide,
darin so wonnig
ruht an der Wand
Nothung, der treue Freund,
als die Traute sein Herr sich gewann.

Die Mannen und Frauen treten in lebhafter Entrüstung zusammen.

DIE MANNEN.
Wie? Brach er die Treue?
Trübte er Gunthers Ehre?
FRAUEN.
Brach er die Treue?
GUNTHER zu Siegfried.
Geschändet wär ich,
schmählich bewahrt,
gäbst du die Rede
nicht ihr zurück!
GUTRUNE.
Treulos, Siegfried,
sannest du Trug?
Bezeuge, daß Jene
falsch dich zeiht!
DIE MANNEN.
Reinige dich,
bist du im Recht!
Schweige die Klage!
Schwöre den Eid!
SIEGFRIED.
Schweig ich die Klage,
schwör ich den Eid,
wer von euch wagt
seine Waffe daran?
HAGEN.
Meines Speeres Spitze
wag ich daran:
sie wahr in Ehren den Eid!

Die Mannen schließen einen Ring um Siegfried und Hagen. Hagen hält den Speer hin; Siegfried legt zwei Finger seiner rechten Hand auf die Speerspitze.

SIEGFRIED.
Helle Wehr,
heilige Waffe:
hilf meinem ewigen Eide!
Bei des Speeres Spitze
sprech ich den Eid: –
Spitze, achte des Spruchs!
Wo Scharfes mich schneidet,
schneide du mich;
wo der Tod mich soll treffen,
treffe du mich:
klagte das Weib dort wahr,
brach ich dem Bruder den Eid.
BRÜNNHILDE tritt wütend in den Ring, reißt Siegfrieds Hand vom Speere hinweg und faßt dafür mit der ihrigen die Spitze.
Helle Wehr!
Heilige Waffe!
Hilf meinem ewigen Eide!
Bei des Speeres Spitze
sprech ich den Eid: –
Spitze, achte des Spruchs!
Ich weihe deine Wucht,
daß sie ihn werfe!
Deine Schärfe segne ich,
daß sie ihn schneide!
Denn, brach seine Eide er all,
schwur Meineid jetzt dieser Mann.
DIE MANNEN im höchsten Aufruhr.
Hilf, Donner!
Tose dein Wetter,
zu schweigen die wütende Schmach!
SIEGFRIED.
Gunther! Wehr deinem Weibe,
das schamlos Schande dir lügt. –
Gönnt ihr Weil und Ruh,
der wilden Felsenfrau,
daß ihre freche Wut sich lege,
die eines Unholds
arge List
wider uns Alle erregt! –
Ihr Mannen, kehret euch ab,
laßt das Weibergekeif!
Als Zage weichen wir gern,
gilt es mit Zungen den Streit.

Er tritt dicht zu Gunther.

Glaub, mehr zürnt es mich als dich,
daß schlecht ich sie getäuscht;
der Tarnhelm, dünkt mich fast,
hat halb mich nur gehehlt.
Doch Frauengroll
friedet sich bald;
daß ich dir es gewann,
dankt dir gewiß noch das Weib! –

Er wendet sich wieder zu den Mannen.

Munter, ihr Mannen!
Folgt mir zum Mahl!

Zu den Frauen.

Froh zur Hochzeit
helfet, ihr Frauen!
Wonnige Lust
lache nun auf!
In Hof und Hain,
heiter vor Allen,
sollt ihr heute mich sehn.
Wen die Minne freut,
meinem frohen Mute
tu es der Glückliche gleich!

Siegfried schlingt, in ausgelassenem Übermut, seinen Arm um Gutrune und zieht sie mit sich in die Halle fort: die Mannen und Frauen, von seinem Beispiele hingerissen, folgen ihm nach. – Die Bühne ist leer geworden. Nur Brünnhilde, Gunther und Hagen bleiben zurück. – Gunther hat sich, in tiefer Scham und furchtbarer Verstimmung, mit verhülltem Gesichte abseits niedergesetzt. Brünnhilde, im Vordergrunde stehend, blickt Siegfried und Gutrune noch eine Zeitlang schmerzlich nach und senkt dann das Haupt.

Fünfte Szene

BRÜNNHILDE in starrem Nachsinnen befangen.
Welches Unholds List
liegt hier verhohlen?
Welches Zaubers Rat
regte dies auf? –
Wo ist nun mein Wissen
gegen dies Wirrsal?
Wo sind meine Runen
gegen dies Rätsel? –
Ach, Jammer! Jammer!
Weh, ach Wehe!
All mein Wissen
wies ich ihm zu! –

Immer gesteigert.

In seiner Macht
hält er die Magd, –
in seinen Banden
hält er die Beute,
die, jammernd ob ihrer Schmach,
jauchzend der Reiche verschenkt!
Wer bietet mir nun das Schwert,
mit dem ich die Bande zerschnitt‘?
HAGEN dicht an Brünnhilde herantretend.
Vertraue mir, betrog’ne Frau!
Wer dich verriet,
das räche ich. –
BRÜNNHILDE matt sich umblickend.
An wem?
HAGEN.
An Siegfried, der dich betrog.
BRÜNNHILDE.
An Siegfried? … du?

Bitter lächelnd.

Ein einz’ger Blick
seines blitzenden Auges, –
das selbst durch die Lügengestalt
leuchtend strahlte zu mir, –
deinen besten Mut
machte er bangen.
HAGEN.
Doch meinem Speere
spart ihn sein Meineid?
BRÜNNHILDE.
Eid – und Meineid -,
müßige Acht!
Nach Stärk’rem späh,
deinen Speer zu waffnen,
willst du den Stärksten bestehn!
HAGEN.
Wohl kenn ich Siegfrieds
siegende Kraft,
wie schwer im Kampf er zu fällen;
drum raune nun du
mir guten Rat,
wie doch der Recke mir wich?
BRÜNNHILDE.
O, Undank! Schändlichster Lohn!
Nicht eine Kunst
war mir bekannt,
die zum Heil nicht half seinem Leib:
unwissend zähmt ihn
mein Zauberspiel, –
das ihn vor Wunden nun gewahrt.
HAGEN.
So kann keine Wehr ihm schaden?
BRÜNNHILDE.
Im Kampfe nicht! Doch –
träfst du im Rücken ihn. –
Niemals – das wußt ich –
wich er dem Feind,
nie reicht er fliehend ihm den Rücken:
an ihm drum spart ich den Segen.
HAGEN.
Und dort trifft ihn mein Speer! –

Er wendet sich rasch von Brünnhilde ab zu Gunther.

Auf, Gunther!
Edler Gibichung!
Hier steht dein starkes Weib:
was hängst du dort in Harm?
GUNTHER leidenschaftlich auffahrend.
O Schmach!
O Schande!
Wehe mir,
dem jammervollsten Manne!
HAGEN.
In Schande liegst du,
leugn‘ ich das?
BRÜNNHILDE zu Gunther.
O feiger Mann!
Falscher Genoss‘!
Hinter dem Helden
hehltest du dich,
daß Preise des Ruhmes
er dir erränge!
Tief wohl sank
das teure Geschlecht,
das solche Zagen gezeugt.
GUNTHER außer sich.
Betrüger ich – und betrogen!
Verräter ich – und verraten!
Zermalmt mir das Mark!
Zerbrecht mir die Brust! –
Hilf, Hagen!
Hilf meiner Ehre!
Hilf deiner Mutter,
die mich auch ja gebar!
HAGEN.
Dir hilft kein Hirn,
dir hilft keine Hand;
dir hilft nur – Siegfrieds Tod!
GUNTHER von Grausen erfaßt.
Siegfrieds Tod! …
HAGEN.
Nur der sühnt deine Schmach!
GUNTHER vor sich hinstarrend.
Blutbrüderschaft
schwuren wir uns!
HAGEN.
Des Bundes Bruch
sühne nun Blut!
GUNTHER.
Brach er den Bund?
HAGEN.
Da er dich verriet.
GUNTHER.
Verriet er mich?
BRÜNNHILDE heftig.
Dich verriet er,
und mich verrietet ihr Alle!
Wär ich gerecht,
alles Blut der Welt
büßte mir nicht eure Schuld!
Doch des Einen Tod
taugt mir für Alle: –
Siegfried falle
zur Sühne für sich und euch!
HAGEN zu Gunther gewendet.
Er falle

Heimlich.

dir zum Heil!
Ungeheure Macht wird dir,
gewinnst von ihm du den Ring,
den der Tod ihm wohl nur entreißt.
GUNTHER leise.
Brünnhildes Ring?
HAGEN.
Des Nibelungen Reif!
GUNTHER schwer seufzend.
So wär es Siegfrieds Ende!
HAGEN.
Uns Allen frommt sein Tod.
GUNTHER.
Doch – Gutrune, ach! –
der ich ihn gönnte!
Straften den Gatten wir so,
wie bestünden wir vor ihr?
BRÜNNHILDE wütend auffahrend.
Was riet mir mein Wissen?
Was wiesen mich Runen?
Im hilflosen Elend
achtet mir’s hell:
Gutrune heißt der Zauber,
der den Gatten mir entzückt!
Angst treffe sie!
HAGEN zu Gunther.
Muß sein Tod sie betrüben,
verhehlt sei ihr die Tat.
Auf muntres Jagen
ziehen wir morgen;
der Edle braust uns voran: –
ein Eber bracht ihn da um.
GUNTHER UND BRÜNNHILDE.
So soll es sein!
Siegfried falle!
Sühn er die Schmach,
die er mir schuf!
Des Eides Treue
hat er getrogen:
mit seinem Blut
büß er die Schuld!
Allrauner,
rächender Gott!
Schwurwissender
Eideshort!
Wotan!
Wende dich her!
Weise die schrecklich
heilige Schar,
hieher zu horchen
dem Racheschwur!
HAGEN.
Sterb er dahin,
der strahlende Held!
Mein ist der Hort,
mir muß er gehören.
Drum sei der Reif
ihm entrissen!
Albenvater,
gefallner Fürst!
Nachthüter!
Niblungenherr!
Alberich!
Achte auf mich!
Weise von neuem
der Niblungen Schar,
dir zu gehorchen,
des Reifes Herrn!

Als Gunther mit Brünnhilde heftig der Halle sich zuwendet, tritt ihnen der von dort herausschreitende Brautzug entgegen. Knaben und Mädchen, Blumenstäbe schwingend, springen lustig voraus. Siegfried wird auf einem Schilde, Gutrune auf einem Sessel von den Männern getragen. – Auf der Anhöhe des Hintergrundes führen Knechte und Mägde, auf verschiedenen Bergpfaden, Opfergeräte und Opfertiere zu den Weihsteinen herbei und schmücken diese mit Blumen. Siegfried und die Männer blasen auf ihren Hörnern den Hochzeitsruf.

Die Frauen fordern Brünnhilde auf, an Gutrunes Seite sie zu geleiten. – Brünnhilde blickt starr zu Gutrune auf, welche ihr mit freundlichem Lächeln zuwinkt. Als Brünnhilde heftig zurücktreten will, tritt Hagen rasch dazwischen und drängt sie an Gunther, der jetzt von Neuem ihre Hand erfaßt, worauf er selbst von den Männern sich auf einen Schild erheben läßt. Während der Zug, kaum unterbrochen, schnell der Höhe zu sich wieder in Bewegung setzt, fällt der Vorhang.

Dritter Aufzug

Vorspiel und Erste Szene

Wildes Wald- und Felsental am Rheine, welcher im Hintergrunde an einem steilen Abhange vorbeifließt. – Die drei Rheintöchter (Woglinde, Wellgunde und Floßhilde) tauchen aus der Flut auf und schwimmen, wie im Reigentanze, im Kreise umher.

DIE DREI RHEINTÖCHTER im Schwimmen müßig einhaltend.
Frau Sonne
sendet lichte Strahlen;
Nacht liegt in der Tiefe:
einst war sie hell,
da heil und hehr
des Vaters Gold noch in ihr glänzte.
Rheingold,
klares Gold,
wie hell du einsten strahltest,
hehrer Stern der Tiefe!

Sie schließen wieder den Schwimmreigen.

Weialala leia,
wallala leialala!

Ferner Hornruf. Sie lauschen. Sie schlagen jauchzend das Wasser.

Frau Sonne,
sende uns den Helden,
der das Gold uns wiedergebe!
Ließ er es uns,
dein lichtes Auge
neideten dann wir nicht länger!
Rheingold!
Klares Gold,
wie froh du dann strahltest,
freier Stern der Tiefe!

Man hört Siegfrieds Horn von der Höhe her.

WOGLINDE.
Ich höre sein Horn.
WELLGUNDE.
Der Helde naht.
FLOSSHILDE.
Laßt uns beraten!

Sie tauchen alle Drei schnell unter. Siegfried erscheint auf dem Abhange in vollen Waffen.

SIEGFRIED.
Ein Albe führte mich irr,
daß ich die Fährte verlor. –
He, Schelm! In welchem Berge
bargst du so schnell mir das Wild?
DIE DREI RHEINTÖCHTER tauchen wieder auf und schwimmen im Reigen.
Siegfried!
FLOSSHILDE.
Was schiltst du so in den Grund?
WELLGUNDE.
Welchem Alben bist du gram?
WOGLINDE.
Hat dich ein Nicker geneckt?
ALLE DREI.
Sag es, Siegfried, sag es uns.
SIEGFRIED sie lächelnd betrachtend.
Entzücktet ihr zu euch
den zottigen Gesellen,
der mir verschwand?
Ist’s euer Friedel,
euch lustigen Frauen
laß ich ihn gern!

Die Mädchen lachen.

WOGLINDE.
Siegfried, was gibst du uns,
wenn wir das Wild dir gönnen?
SIEGFRIED.
Noch bin ich beutelos;
so bittet, was ihr begehrt!
WELLGUNDE.
Ein gold’ner Ring
glänzt dir am Finger: –
DIE DREI MÄDCHEN.
Den gib uns!
SIEGFRIED.
Einen Riesenwurm
erschlug ich um den Reif, –
für eines schlechten Bären Tatzen
böt ich ihn nun zum Tausch?
WOGLINDE.
Bist du so karg?
WELLGUNDE.
So geizig beim Kauf?
FLOSSHILDE.
Freigebig
solltest Frauen du sein.
SIEGFRIED.
Verzehrt ich an euch mein Gut,
des zürnte mir wohl mein Weib.
FLOSSHILDE.
Sie ist wohl schlimm?
WELLGUNDE.
Sie schlägt dich wohl?
WOGLINDE.
Ihre Hand fühlt schon der Held!

Sie lachen unmäßig.

SIEGFRIED.
Nun lacht nur lustig zu!
In Harm laß ich euch doch:
denn giert ihr nach dem Ring,
euch Neckern geb ich ihn nie!

Die Rheintöchter haben sich wieder zum Reigen gefaßt.

FLOSSHILDE.
So schön!
WELLGUNDE.
So stark!
WOGLINDE.
So gehrenswert!
DIE DREI.
Wie schade, daß er geizig ist!

Sie lachen und tauchen unter.

SIEGFRIED steigt tiefer in den Grund hinab.
Was leid ich doch
das karge Lob?
Laß ich so mich schmähn?
Kämen sie wieder
zum Wasserrand,
den Ring könnten sie haben. –

Laut rufend.

He! Hehe! Ihr munt’ren
Wasserminnen!
Kommt rasch! Ich schenk euch den Ring!

Er hat den Ring vom Finger gezogen und hält ihn in die Höhe. – Die Rheintöchter tauchen wieder auf. Sie zeigen sich ernst und feierlich.

FLOSSHILDE.
Behalt ihn, Held,
und wahr ihn wohl,
bis du das Unheil errätst,
WOGLINDE UND WELLGUNDE.
das in dem Ring du hegst,
ALLE DREI.
Froh fühlst du dich dann
befrei’n wir dich von dem Fluch.
SIEGFRIED steckt gelassen den Ring wieder an seinen Finger.
So singet, was ihr wißt.
DIE RHEINTÖCHTER.
Siegfried! Siegfried! Siegfried!
Schlimmes wissen wir dir.
WELLGUNDE.
Zu deinem Unheil
wahrst du den Ring!
ALLE DREI.
Aus des Rheines Gold
ist der Ring geglüht:
WELLGUNDE.
der ihn listig geschmiedet,
WOGLINDE.
und schmählich verlor,
ALLE DREI.
der verfluchte ihn,
in fernster Zeit,
zu zeugen den Tod
dem, der ihn trüg.
FLOSSHILDE.
Wie den Wurm du fälltest,
WELLGUNDE UND FLOSSHILDE.
so fällst auch du,
ALLE DREI.
und heute noch:
so heißen wir’s dir,
tauschest den Ring du uns nicht;
WELLGUNDE UND FLOSSHILDE.
im tiefen Rhein ihn zu bergen:
ALLE DREI.
Nur seine Flut
sühnet den Fluch!
SIEGFRIED.
Ihr listigen Frauen,
laßt das sein!
Traut ich kaum eurem Schmeicheln,
euer Drohen schreckt mich noch minder!
DIE RHEINTÖCHTER.
Siegfried! Siegfried!
Wir weisen dich wahr.
Weiche! Weiche dem Fluch!
Ihn flochten nächtlich
webende Nornen
in des Urgesetzes Seil!
SIEGFRIED.
Mein Schwert zerschwang einen Speer: –
des Urgesetzes
ewiges Seil,
flochten sie wilde
Flüche hinein, –
Nothung zerhaut es den Nornen! –
Wohl warnte mich einst
vor dem Fluch ein Wurm, –
doch das Fürchten lehrt er mich nicht.

Er betrachtet den Ring.

Der Welt Erbe
gewänne mir ein Ring: –
für der Minne Gunst
miß ich ihn gern, –
ich geb ihn euch, gönnt ihr mir Gunst.
Doch, bedroht ihr mir Leben und Leib, –
faßte er nicht
eines Fingers Wert, –
den Reif entringt ihr mir nicht.
Denn Leben und Leib,
seht:

Er hebt eine Erdscholle vom Boden auf, hält sie über seinem Haupte und wirft sie mit den letzten Worten hinter sich.

so –
werf ich sie weit von mir!
DIE RHEINTÖCHTER.
Kommt, Schwestern!
Schwindet dem Toren!
So weise und stark
verwähnt sich der Held,
als gebunden und blind er doch ist!

Sie schwimmen, wild aufgeregt, in weiten Schwenkungen dicht an das Ufer heran.

Eide schwur er,
und achtet sie nicht!

Wieder heftige Bewegung.

Runen weiß er,
und rät sie nicht!
FLOSSHILDE, DANN WOGLINDE.
Ein hehrstes Gut
ward ihm gegönnt:
ALLE DREI.
daß er’s verworfen,
weiß er nicht;
FLOSSHILDE.
– nur den Ring,
WELLGUNDE.
– der zum Tod ihm taugt,
ALLE DREI.
– den Reif nur will er sich wahren!
Leb wohl! Siegfried!
Ein stolzes Weib
wird noch heut dich Argen beerben;
sie beut uns bess’res Gehör:
zu ihr!

Sie wenden sich schnell zum Reigen, mit welchem sie gemächlich, dem Hintergrunde zu, fortschwimmen. – Siegfried sieht ihnen lächelnd nach, stemmt ein Bein auf ein Felsstück am Ufer und verweilt mit auf die Hand gestütztem Kinne.

RHEINTÖCHTER.
Weialala leia,
Wallala leialala!
SIEGFRIED.
Im Wasser wie am Lande
lernte nun ich Weiber Art:
wer nicht ihrem Schmeicheln traut,
den schrecken sie mit Drohen;
wer dem nun kühnlicht trotzt,
dem kommt dann ihr Keifen dran! –

Die Rheintöchter sind hier gänzlich verschwunden.

Und doch, –
trüg ich nicht Gutrun Treu, –
der zieren Frauen eine
hätt ich mir – frisch gezähmt!

Die Rheintöchter werden aus größerer Entfernung nur gehört. – Er blickt ihnen unverwandt nach. – Jagdhornrufe kommen von der Höhe näher.

HAGENS STIMME von fern.
Hoiho!

Siegfried fährt aus einer träumerischen Entrücktheit auf und antwortet dem Rufe auf seinem Horne.

Zweite Szene

MANNEN außerhalb der Szene.
Hoiho! Hoiho!
SIEGFRIED antwortend.
Hoiho! Hoiho! Hoihe!

Hagen kommt auf der Höhe hervor, Gunther folgt ihm.

HAGEN Siegfried erblickend.
Finden wir endlich
wohin du flogest?
SIEGFRIED.
Kommt herab! Hier ist frisch und kühl!

Die Mannen kommen alle auf der Höhe an und steigen nun, mit Hagen und Gunther, herab.

HAGEN.
Hier rasten wir,
und rüsten das Mahl!

Jagdbeute wird zuhauf gelegt.

Laßt ruhn die Beute,
und bietet die Schläuche!

Schläuche und Trinkhörner werden hervorgeholt. Alles lagert sich.

Der uns das Wild verscheuchte,
nun sollt ihr Wunder hören,
was Siegfried sich erjagt.
SIEGFRIED.
Schlimm siebtes um mein Mahl:
von eurer Beute
bitte ich für mich.
HAGEN.
Du beutelos?
SIEGFRIED.
Auf Waldjagd zog ich aus, –
doch Wasserwild zeigte sich nur:
war ich dazu recht beraten,
drei wilde Wasservögel
hätt ich euch wohl gefangen,
die dort auf dem Rhein mir sangen,
erschlagen würd ich noch heut.

Er lagert sich zwischen Gunter und Hagen. – Gunther erschrickt und blückt düster auf Hagen.

HAGEN.
Das wäre üble Jagd,
wenn den Beutelosen selbst
ein lauernd Wild erlegte.
SIEGFRIED.
Mich dürstet!
HAGEN indem er für Siegfried ein Trinkhorn füllen läßt und es diesem dann darreicht.
Ich hörte sagen, Siegfried,
der Vögel Sangessprache
verstündest du wohl: –
so wäre das wahr?
SIEGFRIED.
Seit lange acht ich
des Lallens nicht mehr.

Er erfaßt das Trinkhorn und wendet sich damit zu Gunther. Er trinkt und reicht das Horn Gunther hin.

Trink, Gunther, trink:
dein Bruder bringt es dir!

Gunther blickt mit Grausen in das Horn.

GUNTHER dumpf.
Du mischtest matt und bleich: –

Noch gedämpfter.

dein Blut allein darin!
SIEGFRIED lachend.
So misch es mit dem deinen!

Er gießt aus Gunthers Horn in das seinige, so daß dieses überläuft.

Nun floß gemischt es über: –
der Mutter Erde
laß das ein Labsal sein!
GUNTHER mit einem heftigen Seufzer.
Du überfroher Held!
SIEGFRIED leise zu Hagen.
Ihm macht Brünnhilde Müh?
HAGEN leise zu Siegfried.
Verstünd er sie so gut,
wie du der Vögel Sang!
SIEGFRIED.
Seit Frauen ich singen hörte,
vergaß ich der Vöglern ganz. –
HAGEN.
Doch einst vernahmst du sie?
SIEGFRIED sich lebhaft zu Gunther wendend.
Hei! Gunther,
grämlicher Mann!
Dankst du es mir,
so sing ich dir Mären
aus meinen jungen Tagen.
GUNTHER.
Die hör ich gern.

Alle lagern sich nahe um Siegfried, welcher allein aufrecht sitzt, während die Anderen tiefer gestreckt liegen.

HAGEN.
So singe, Held!
SIEGFRIED.
Mime hieß
ein mürrischer Zwerg;
in des Neides Zwang
zog er mich auf,
daß einst das Kind,
wann kühn es erwuchs,
einen Wurm ihm fällt im Wald,
der lang schon hütet einen Hort.
Er lehrte mich schmieden
und Erze schmelzen;
doch, was der Künstler
selber nicht konnt,
des Lehrlings Mute
mußt es gelingen:
eines zerschlag’nen Stahles Stücken
neu zu schweißen zum Schwert.
Des Vaters Wehr
fügt ich mir neu,
nagelfest
schuf ich mir Nothung.
Tüchtig zum Kampf
dünkt er dem Zwerg;
der führte mich nun zum Wald:
dort fällt‘ ich Fafner, den Wurm. –
Jetzt aber merkt
wohl auf die Mär:
Wunder muß ich euch melden.
Von des Wurmes Blut
mir brannten die Finger,
sie führt ich kühlend zum Mund: –
kaum netzt ein wenig
die Zunge das Naß, –
was da die Vöglein sangen,
das konnt ich flugs verstehn.
Auf den Ästen saß es und sang: –
»Hei! Siegfried gehört nun
der Niblungen Hort!
Oh -! fand in der Höhle
den Hort er jetzt!
Wollt er den Tarnhelm gewinnen,
der taugt ihm zu wonniger Tat!
Doch wollt er den Ring sich erraten,
der macht ihn zum Walter der Welt!«
HAGEN.
Ring und Tarnhelm
trugst du nun fort?
EIN MANNE.
Das Vöglein hörtest du wieder?
SIEGFRIED.
Ring und Tarnhelm
hatt ich gerafft: –
da lauscht ich wieder
dem wonnigen Laller;
der saß im Wipfel und sang: –
»Hei! Siegfried gehört nun
der Helm und der Ring.
Oh! Traute er Mime,
dem treulosen nicht!
Ihm sollt er den Hort nur erheben;
nun lauert er listig am Weg;
nach dem Leben trachtet er Siegfried:
oh, traute Siegfried nicht Mime!«
HAGEN.
Er mahnte dich gut?
VIER MANNEN.
Vergaltest du Mime?
SIEGFRIED.
Mit tödlichem Tranke
trat er zu mir;
bang und stotternd
gestand er mir Böses:
Nothung streckte den Strolch!
HAGEN grell lachend.
Was nicht er geschmiedet
schmeckte doch Mime! –

Er läßt ein Trinkhorn neu füllen und träufelt den Saft eines Krautes hinein.

ZWEI MANNEN nacheinander.
Was wies das Vöglein dich wieder?
HAGEN.
Trink erst, Held,
aus meinem Horn:
ich würzte dir holden Trank,
die Erinnerung hell dir zu wecken,

Er reicht Siegfried das Horn.

daß Fernes nicht dir entfalle!
SIEGFRIED blickt gedankenvoll in das Horn und trinkt dann langsam
In Leid zu dem Wipfel
lauscht ich hinauf; –
da saß es noch und sang: –
»Hei! Siegfried erschlug nun
den schlimmen Zwerg!
Jetzt wüßt ich ihm noch
das herrlichste Weib:
auf hohem Felsen sie schläft,
Feuer umbrennt ihren Saal:
durchschritt er die Brunst,
weckt er die Braut, –
Brünnhilde wäre dann sein!« –
HAGEN.
Und folgtest du
des Vögleins Rate?
SIEGFRIED.
Rasch ohne Zögern
zog ich nun aus: –

Gunther hört mit immer größerem Erstaunen zu.

Bis den feurigen Fels ich traf: –
die Lohe durchschritt ich,
und fand zum Lohn –

In immer größere Verzückung geratend.

schlafend ein wonniges Weib
in lichter Waffen Gewand.
Den Helm löst ich
der herrlichen Maid;
mein Kuß erweckte sie kühn: –
oh! wie mich brünstig da umschlang
der schönen Brünnhilde Arm!
GUNTHER im höchsten Schrecken aufspringend.
Was hör ich!

Zwei Raben fliegen aus einem Busche auf, kreisen über Siegfried und fliegen dann, dem Rheine zu, davon.

HAGEN.
Errätst du auch
dieser Raben Geraun?

Siegfried fährt heftig auf und blickt, Hagen den Rücken zukehrend, den Raben nach.

Rache rieten sie mir.

Hagen stößt seinen Speer in Siegfrieds Rücken. Gunther und die Mannen stürzen sich über Hagen. Siegfried schwingt mit beiden Händen seinen Schild hoch empor, um ihn nach Hagen zu werfen: die Kraft verläßt ihn; der Schild entsinkt ihm rückwärts; er selbst stürzt über dem Schild zusammen.

VIER MANNEN welche vergebens Hagen zurückzuhalten versucht.
Hagen, was tust du?
ZWEI ANDERE.
Was tatest du?
GUNTHER.
Hagen, – was tatest du?
HAGEN.
Meineid rächt sich!

Hagen wendet sich ruhig zur Seite ab und verliert sich dann über die Höhe, wo man ihn langsam durch die anbrechende Dämmerung von dannen schreiten sieht. – Gunther beugt sich, schmerzergriffen, zu Siegfrieds Seite nieder. – Die Mannen umstehen teilnahmvoll den Sterbenden.

SIEGFRIED von zwei Männern sitzend erhalten, schlägt die Augen glanzvoll auf
Brünnhilde!
Heilige Braut!
Wach auf! Öffne dein Auge!
Wer verschloß dich
wieder in Schlaf?
Wer band dich in Schlummer so bang?
Der Wecker kam: –
er küßt dich wach; –
und aber – der Braut
bricht er die Bande: –
da lacht ihm Brünnhildes Lust. –
Ach! Dieses Auge –
ewig nun offen!
Ach, dieses Atems
wonniges Wehen!
Süßes Vergehen, –
seliges Grauen!
Brünnhild – bietet mir Gruß! –

Er sinkt zurück und stirbt. – Regungslose Trauer der Umstehenden. Die Nacht ist hereingebrochen. – Auf die stumme Ermahnung Gunthers erheben die Mannen Siegfrieds Leiche und geleiten sie, mit dem Folgenden, in feierlichem Zuge über die Felsenhöhle langsam von dannen. – Der Mond bricht durch die Wolken und beleuchtet immer heller den die Berghöhe erreichenden Trauerzug.

Aus dem Rheine sind Nebel aufgestiegen und erfüllen allmählich die ganze Bühne, auf welcher der Trauerzug bereits unsichtbar geworden ist, bis nach vorn, so daß diese, während des Zwischenspiels, gänzlich verhüllt bleibt. – Die Nebel verteilen sich wieder, bis endlich die Halle der Gibichungen, wie im ersten Aufzuge, immer erkennbarer hervortritt.

Dritte Szene

Es ist Nacht. Der Mondschein spiegelt sich auf dem Rheine. – Gutrune tritt aus ihrem Gemache in die Halle heraus.

GUTRUNE.
War das sein Horn?

Sie lauscht.

Nein! Noch
kehrt er nicht heim. –
Schlimme Träume
störten mir den Schlaf.
Wild wieherte sein Roß; –
Lachen Brünnhildes
weckte mich auf. –
Wer war das Weib,
das ich zum Ufer schreiten sah? –
Ich fürchte Brünnhild.
Ist sie daheim?

Sie lauscht an der Türe rechts und ruft.

Brünnhild! Brünnhild!
Bist du wach?

Sie öffnet schüchtern und blickt in das innere Gemach.

Leer das Gemach.
So war es sie,
die ich zum Rheine schreiten sah? –
War das sein Horn? –
Nein!
Öd alles!

Sie blickt ängstlich hinaus.

Säh ich Siegfried nur bald! –

Als Gutrune Hagens Stimme hört, bleibt sie, von Furcht gefesselt, eine Zeitlang unbeweglich stehen.

HAGENS STIMME von außen sich nähernd.
Hoiho! Hoiho!
Wacht auf! Wacht auf!
Lichte! Lichte,
helle Brände!
Jagdbeute
bringen wir heim. –
Hoiho! Hoiho! –

Wachsender Feuerschein von außen. – Hagen tritt in die Halle.

Auf, Gutrun!
Begrüße Siegfried!
Der starke Held,
er kehret heim.
GUTRUNE in großer Angst.
Was geschah? Hagen!
Nicht hört ich sein Horn!

Männer und Frauen, mit Lichtern und Feuerbränden, geleiten in großer Verwirrung den Zug der mit Siegfrieds Leiche Heimkehrenden.

HAGEN.
Der bleiche Held,
nicht bläst er es mehr;
nicht stürmt er zur Jagd,
zum Streite nicht mehr,
noch wirbt er um wonnige Frauen!
GUTRUNE mit wachsendem Entsetzen.
Was bringen die?

Der Zug gelangt in die Mitte der Halle, und die Mannen setzen dort die Leiche auf einer schnell errichteten Erhöhung nieder.

HAGEN.
Eines wilden Ebers Beute:
Siegfried, deinen toten Mann.

Gutrune schreit auf und stürzt über die Leiche hin. Allgemeine Erschütterung und Trauer. Gunther bemüht sich um die Ohnmächtige.

GUNTHER.
Gutrun, holde Schwester!
Hebe dein Auge, –
schweige mir nicht! –
GUTRUNE wieder zu sich kommend.
Siegfried – Siegfried – erschlagen! –

Sie stößt Gunther heftig zurück.

Fort, treuloser Bruder,
du Mörder meines Mannes! –
O Hilfe! Hilfe!
Wehe! Wehe!
Sie haben Siegfried erschlagen!
GUNTHER.
Nicht klage wider mich,
dort klage wider Hagen.
Er ist der verfluchte Eber,
der diesen Edlen zerfleischt.
HAGEN.
Bist du mir gram darum?
GUNTHER.
Angst und Unheil
greife dich immer!
HAGEN mit furchtbarem Trotze herantretend.
Ja denn! Ich hab
ihn erschlagen.
Ich – Hagen –
schlug ihn zu Tod. –
Meinem Speer war er gespart,
bei dem er Meineid sprach. –
Heiliges Beuterecht
hab ich mir nun errungen: –
drum fordr‘ ich hier diesen Ring.
GUNTHER.
Zurück! Was mir verfiel,
sollst nimmer du empfahn!
HAGEN.
Ihr Mannen, richtet mein Recht!
GUNTHER.
Rührst du an Gutrunes Erbe,
schamloser Albensohn?
HAGEN zieht sein Schwert.
Des Alben Erbe
fordert so sein Sohn.

Er dringt auf Gunther ein; dieser wehrt sich; sie fechten. Die Mannen werfen sich dazwischen. Gunther fällt von einem Streiche Hagens tot darnieder.

Her den Ring!

Er greift nach Siegfrieds Hand; diese hebt sich drohend empor. – Gutrune hat bei Gunthers Falle entsetzt aufgeschrien. Alles bleibt in Schauder regungslos gefesselt. Aus dem Hintergrunde schreitet, fest und feierlich, Brünnhilde dem Vordergrunde zu.

BRÜNNHILDE noch im Hintergrunde.
Schweigt eures Jammers jauchzenden Schwall!
Das ihr Alle verrietet,
zur Rache schreitet sein Weib. –

Während sie ruhig weiter vorschreitet.

Kinder hört ich
greinen nach der Mutter,
da süße Milch sie verschüttet:
doch nicht erklang mir
würdige Klage,
des höchsten Helden wert.
GUTRUNE vom Boden heftig sich aufrichtend.
Brünnhilde! Neiderboste!
Du brachtest uns diese Not:
die du die Männer ihm verhetztest, –
weh, daß du dem Haus genaht!
BRÜNNHILDE.
Armsel’ge, schweig!
Sein Eheweib warst du nie;
als Buhlerin
bandest du ihn.
Sein Mannesgemahl bin ich,
der ewige Eide er schwur,
eh Siegfried je dich gesah.
GUTRUNE in jähe Verzweiflung ausbrechend.
Verfluchter Hagen!
Daß du das Gift mir rietest,
das ihr den Gatten entrückt!
Ach, Jammer!
Wie jäh nun weiß ich’s: –
Brünnhild war die Traute,
die durch den Trank er vergaß! –

Sie hat sich voll Scheu von Siegfried abgewendet und beugt sich nun ersterbend über Gunthers Leiche; so verbleibt sie regungslos bis zum Schlusse. Hagen steht, trotzig auf Speer und Schild gelehnt, in finsteres Sinnen versunken auf der entgegengesetzten Seite. – Brünnhilde allein in der Mitte; nachdem sie lange in den Anblick Siegfrieds versunken gewesen, wendet sie sich jetzt, mit feierlicher Erhobenheit, an die Männer und Frauen.

BRÜNNHILDE zu den Mannen.
Starke Scheite
schichtet mir dort
am Rande des Rheins zu Hauf!
Hoch und hell
lodre die Glut,
die den edlen Leib
des hehresten Helden verzehrt.
Sein Roß führet daher,
daß mit mir dem Recken es folge:
denn des Helden heiligste
Ehre zu teilen,
verlangt mein eigner Leib.
Vollbringt Brünnhildes Wort!

Die jungen Männer errichten, während des Folgenden, vor der Halle, nahe am Rheinufer, einen mächtigen Scheithaufen: Frauen schmücken diesen dann mit Decken, auf welche sie Kräuter und Blumen streuen. – Brünnhilde versinkt von Neuem in die Betrachtung des Antlitzes der Leiche Siegfrieds. Ihre Mienen nehmen eine immer sanftere Verklärung an.

Wie Sonne lauter
strahlt mir sein Licht:
der Reinste war er,
der mich verriet!
Die Gattin trügend –
treu dem Freunde -,
von der eig’nen Trauten –
einzig ihm teuer –
schied er sich durch sein Schwert.
Echter als Er
schwur keiner Eide;
treuer als Er
hielt keiner Verträge;
lautrer als Er
liebte kein Andrer!
Und doch, alle Eide,
alle Verträge, –
die treueste Liebe –
trog keiner wie Er! –
Wißt ihr, wie das ward?

Nach oben blickend.

Oh, ihr, der Eide
ewige Hüter!
Lenkt euren Blick
auf mein blühendes Leid;
erschaut eure ewige Schuld!
Meine Klage hör,
du hehrster Gott!
Durch seine tapferste Tat,
dir so tauglich erwünscht, –
weihtest du den,
der sie gewirkt,
dem Fluche, dem du verfielest, –
mich mußte
der Reinste verraten,
daß wissend würde ein Weib! –
Weiß ich nun, was dir frommt?
Alles, Alles,
Alles weiß ich, –
Alles ward mir nun frei.
Auch deine Raben
hör ich rauschen;
mit bang ersehnter Botschaft.
send ich die beiden nun heim. –
Ruhe, ruhe, du Gott!

Sie winkt den Mannen, Siegfrieds Leiche auf den Scheithaufen zu tragen; zugleich zieht sie von Siegfrieds Finger den Ring ab und betrachtet ihn sinnend.

Mein Erbe nun
nehm ich zu eigen. –
Verfluchter Reif!
Furchtbarer Ring!
Dein Gold faß ich,
und geb es nun fort.
Der Wassertiefe
weise Schwestern,
des Rheines schwimmende Töchter, –
euch dank ich redlichen Rat:
was ihr begehrt,
ich geb es euch:
aus meiner Asche
nehmt es zu eigen!
Das Feuer, das mich verbrennt,
rein’ge vom Fluche, den Ring! –
Ihr in der Flut,
löset ihn auf,
und lauter bewahrt
das lichte Gold,
das euch zum Unheil geraubt.

Sie hat den Ring sich angesteckt und wendet sich jetzt zu dem Scheitergerüst, auf dem Siegfrieds Leiche ausgestreckt liegt. Sie entreißt einem Manne den mächtigen Feuerbrand, schwingt diesen und deutet nach dem Hintergrund.

Fliegt heim, ihr Raben!
Raunt es eurem Herren,
was hier am Rhein ihr gehört!
An Brünnhildes Felsen
fahrt vorbei!
Der dort noch lodert,
weiset Loge nach Walhall!
Denn der Götter Ende
dämmert nun auf.
So werf ich den Brand
in Walhalls prangende Burg.

Sie schleudert den Brand in den Holzstoß, welcher sich schnell hell entzündet. Zwei Raben sind vom Felsen am Ufer aufgeflogen und verschwinden nach dem Hintergrunde. – Brünnhilde gewahrt ihr Roß, welches soeben zwei Männer hereinführen.

Grane, mein Roß!
Sei mir gegrüßt!

Sie ist ihm entgegengesprungen, faßt es und entzäumt es schnell; dann neigt sie sich traulich zu ihm.

Weißt du auch, mein Freund,
wohin ich dich führe? –
Im Feuer leuchtend,
liegt dort dein Herr,
Siegfried, mein seliger Held.
Dem Freunde zu folgen,
wieherst du freudig?
Lockt dich zu ihm
die lachende Lohe?
Fühl meine Brust auch,
wie sie entbrennt,
helles Feuer
das Herz mir erfaßt, –
ihn zu umschlingen,
umschlossen von ihm
in mächtigster Minne,
vermählt ihm zu sein! –
Heiajaho! Grane!
Grüß deinen Herren!
Siegfried! Siegfried! Sieh!

Sie hat sich auf das Roß geschwungen und hebt es jetzt zum Sprunge.

Selig grüßt dich dein Weib!

Sie sprengt das Roß mit einem Satze in den brennenden Scheithaufen. Sogleich prasselt der Brand hoch auf, so daß das Feuer den ganzen Raum vor der Halle erfüllt und diese selbst schon zu ergreifen scheint. Entsetzt drängen sich die Männer und Frauen nach dem äußersten Vordergrunde. Als der ganze Bühnenraum nur noch von Feuer erfüllt erscheint, verlischt plötzlich der Glutschein, so daß bald bloß ein Dampfgewölke zurückbleibt, welches sich dem Hintergrunde zu verzieht und dort am Horizont sich als finstere Wolkenschicht lagert.

Zugleich ist vom Ufer her der Rhein mächtig angeschwollen und hat seine Flut über die Brandstätte gewälzt. Auf den Wogen sind die drei Rheintöchter herbei geschwommen und erscheinen jetzt über der Brandstätte. – Hagen, der seit dem Vorgang mit dem Ringe Brünnhildes Benehmen mit wachsender Angst beobachtet hat, gerät bei dem Anblick der Rheintöchter in höchsten Schreck. – Er wirft hastig Speer, Schild und Helm von sich und stürzt, wie wahnsinnig, sich in die Flut.

HAGEN.
Zurück vom Ring!

Woglinde und Wellgunde umschlingen mit ihren Armen seinen Nacken und ziehen ihn, so zurückschwimmend, mit sich in die Tiefe. Floßhilde, den anderen voran dem Hintergrunde zu schwimmend, hält jubelnd den gewonnenen Ring in die Höhe. Durch die Wolkenschicht, welche sich am Horizont gelagert, bricht ein rötlicher Glutschein mit wachsender Helligkeit aus. Von dieser Helligkeit beleuchtet, sieht man die drei Rheintöchter auf den ruhigeren Wellen des allmählich wieder in sein Bett zurückgetretenen Rheines, lustig mit dem Ringe spielend, im Reigen schwimmen.

Aus den Trümmern der zusammengestürzten Halle sehen die Männer und Frauen, in höchster Ergriffenheit, dem wachsenden Feuerscheine am Himmel zu. Als dieser endlich in lichtester Helligkeit leuchtet, erblickt man darin den Saal Walhalls, in welchem die Götter und Helden, ganz nach der Schilderung Waltrautes im ersten Aufzuge, versammelt sitzen. Helle Flammen scheinen in dem Saale der Götter aufzuschlagen. Als die Götter von den Flammen gänzlich verhüllt sind, fällt der Vorhang.