Charles François Gounod
Faust (Margarethe)
Oper in fünf Akten
Personen
Faust
Mephistopheles
Valentin
Brander
Margarethe
Siebel
Marthe
Studenten. Soldaten. Bürger. Mädchen und Frauen. Volk. Geistererscheinungen. Hexen und Gespenster. Dämonen. Engel
Erster Akt.
Nr. 1. Introduction.
Erste Scene.
Faust's Studirzimmer.
Faust an einem mit Folianten bedeckten Tische; die Lampe ist erloschen; ein offenes Buch liegt vor ihm.
Nr. 2. Scene und Chor.
FAUST.
Nichts!! ..
Umsonst befrage ich der lichten Sterne Chor,
Dem Sinn ist stumm das Weltenall,
Und keine Stimme flüstert in mein Ohr
Des Trostes sanften Schall!
Schmachtend träum‘ ich wie zuvor,
Irdische Pein verhüllt den Glanz
Der Wahrheit dir, o armer Thor!
Ich zweifle stets und zweifle ganz.
Schlägt das Buch zu und steht auf. Der Tag bricht an.
Der Morgen naht, des Lichtes Macht
Verdrängt die Nacht;
Mit Verzweiflung.
Ein neuer Tag erscheint!
O Tod, wann nahest du
Zu stillen meinen Drang?
Ergreift ein Fläschchen auf dem Tische.
Wohlan, mit dir vereint
Mich dieser Labetrank!
Dir gilt mein letzter Gruß, o Tag!
Ich nähere mich voll Muth
Getrost dem Pilgerziele,
Verschwunden sei die letzte Klag‘,
Ich trotze kühn des Schicksals Spiele!
Gießt den Inhalt des Fläschchens in eine Krystallschale; im Begriff, diese an den Mund zu führen, ertönt hinter der Scene ein Chor junger Mädchen.
CHOR.
Ah! Schlummernde Mägdelein,
Auf, erwacht!
Sonnenschein so warm herein
In's Stüblein lacht.
Vöglein im bunten Kleid
Singet sein Lied,
Lichtstrahl an Lichtstrahl reih't,
Dämm'rung entflieht.
Silberne Quelle fließt
Auf grüner Flur,
Blume der Knosp‘ entsprießt
Und Lieb‘ der Natur!
FAUST.
Eit'le Klänge der ird'schen Lust,
Eilet, eilet hinweg! Enteilt!
O Becher, den Freude
Gefüllet zum Rand,
Was bebest du heute
In meiner Hand?
Führt die Schale an den Mund.
CHOR der Landleute.
Frisch auf, in's Feld, die Erde lacht,
Die Lerche singt, der Tag erwacht;
Sei uns gegrüßet, Morgenroth!
Die Sonne glänzt auf Wald und Au‘,
Und Blum‘ und Gras trinkt Morgenthau;
DOPPELCHOR.
Gelobt sei Gott!
Faust sinkt in den Sessel zurück.
Nr. 3. Recitativ.
FAUST.
Doch dieser Gott, was vermag er für mein Glück?
Giebt er mir Glauben, Lieb‘ und Jugend je zurück?
Verflucht seist du auf ewig, eitles Menschenherz,
Verflucht die Kette, das ird'sche Band
Von Erdenglück und Erdenschmerz!
Verflucht, was uns mit Trug umspannt,
Des Himmels Macht, der Seele Trieb,
Verflucht sei Glück, sei Ruhm und Macht!
Der Hoffnung Fluch und Fluch der Lieb‘,
Fluch dir Geduld!
Satan herbei! Herbei zu mir!
Mephistopheles erscheint
Nr. 4. Duo.
Zweite Scene.
MEPHISTOPHELES.
Wer ruft? – Gefall‘ ich dir nicht?
Was starrst du so mir in's Gesicht?
Den Degen zur Seit‘,
Die Feder am Hut,
Und die Tasche voll Geld,
Ja keck und voller Muth,
Und angethan
Wie ein rechter Edelmann!
Wohlan, so sprich! was willst du von mir?
Nur keck, rede, was fehlet dir?
FAUST.
Geh‘!
MEPHISTO.
Meinen Dienst ich dir gelobe.
FAUST.
Vergebens!
MEPHISTO.
Stell‘ ihn doch auf die Probe!
FAUST.
Hinweg!
MEPHISTO.
Ei! das ist ein art'ger Lohn!
Hast du den Teufel nur genannt
Zum Zeitvertretb und sprichst ihm Hohn,
Weil er, gnäd'ger Herr, dich fand?
FAUST.
Was vermagst du für mich?
MEPHISTO.
Alles! Alles!
Doch sag‘ mir zuvor, was wünschest du?
Ist Gold dein Begehr?
FAUST.
Was soll Gold, was soll mir Reichthum?
MEPHISTO.
Gut, ich sehe deiner Wünsche Ziel:
Dich lockt des Ruhmes Glanz!
FAUST.
Weit gefehlt!
MEPHISTO.
Die Gewalt -?
FAUST.
Nein!
Ein Wunsch mich beseelt,
Der Alles vereint.
So höre: die Jugend!
O gieb junges Blut,
Gieb Wonne und Glück,
O gieb neuen Muth
Und Kraft mir zurück!
O gieb süße Lieb‘
Süß-Mägdeleins Kuß –
Und wonnigen Trieb,
Vereinend zur Lust!
Warm Herz, frohen Sinn
Gieb neu mir zurück,
O gieb den Gewinn
Der Liebe: das Glück!
MEPHISTO.
Wohlan, es sei!
Ich vermag dein Sehnen zu stillen.
FAUST.
Und was biet‘ ich dagegen dir?
MEPHISTO.
So viel wie Nichts!
Hienieden gehorch‘ ich dir –
Aber dort gehörst du mir.
FAUST.
Dort?
MEPHISTO.
Ja, dort. –
Er reicht ihm ein Blatt.
Nun schreibe!
Du bebst? hab‘ Vertrauen,
Deiner harrt schon die schönste Maid!
Sieh die Jugend dir winken,
Wag‘ nur, sie anzuschau'n!
Auf Mephisto's Wink öffnet sich der Hintergrund; man sieht Margarethe am Spinnrade.
FAUST.
Ha, welch Wunder!
MEPHISTO.
Endlich! – Nun, so schreibe!
FAUST.
Gieb her!
Er unterschreibt.
MEPHISTO.
Es ist gescheh'n!
Reicht Faust die Schale.
Von nun an soll, o Faust!
Aus dieses Bechers Schaum
Ein neues Leben dir erblühen,
Und junges Blut strömt rein und voll
In deine Brust;
Gift, Schmerz und Tod sei Traum!
FAUST ergreift die Schale.
Dir, schönes Götterbild,
Sei dieser Trank geweiht!
Faust leert die Schale und verwandelt sich in einen eleganten Junker. Die Erscheinung verschwindet.
MEPHISTO.
Komm!
FAUST.
Werd‘ ich sie wiederseh'n?
MEPHISTO.
Kein Zweifel.
FAUST.
Wann?
MEPHISTO.
Noch heute.
FAUST.
Wohlan!
MEPHISTO.
In's Weite!
FAUST UND MEPHISTO.
Wohlan denn!
FAUST.
Ich fühl‘ junges Blut,
Lust, Wonne und Glück,
Ich fühl‘ neuen Muth,
Und Kraft kehrt zurück!
Ich fühl‘ süße Lieb‘
Süß-Mägdeleins Kuß
Und wonniger Trieb
Vereint uns zur Lust!
Warm Herz, froher Sinn
Kehrt neu mir zurück,
Ich fühl‘ den Gewinn
Der Liebe: das Glück!
MEPHISTO.
Dir winkt süße Lieb‘,
Dir winket der Mägdelein Kuß,
Und wonniger Trieb
Vereint uns zur Lust;
Warm Herz, froher Sinn
Kehrt neu dir zurück;
Dein ist der Gewinn
Der Liebe: das Glück!
Zweiter Aufzug.
Erste Scene.
Vor einem Stadtthor. Zur Linken eine Herberge mit dem Schilde »Zum Gott Bacchus«. Kirmeß.
Nr. 5. Allgemeiner Chor.
Brander. Junge Mädchen. Matronen. Bürger. Studenten. Soldaten.
STUDENTEN.
Wein und Bier,
Und Bier und Wein
Munden mir,
Drum schenket ein!
Seinen Becher
Zug um Zug
Leert der Zecher
Wie im Flug!
BRANDER.
Alles Nasse
Trinkt er gern,
Bleibt das Wasser
Nur ihm fern,
Und ihm winken
Freud‘ und Lieb‘,
Wo zu trinken
Es was giebt.
STUDENTEN.
Alles Nasse
Trinkt er gern etc.
Stoßen an und trinken.
SOLDATEN.
Mädchen oder Vesten
Nehmen wir, gleichviel,
Den Soldaten-Gästen
Ist das leichtes Spiel!
Wer kühn es unternommen,
Als ein rüstiger Held,
Wird zu eigen sie bekommen
Und das Lösegeld!
BÜRGER.
Sonntags und an Feiertagen,
Da plaudr‘ ich gern von Krieg und Streit,
Während sich die Völker weit
Ihre Köpfe zerschlagen.
Um Länder kämpft der Türk‘ und Russ‘,
Ich aber sitz‘ im weichen Grase
Auf dem Hügel hier am Fluß,
Trink‘ aus vollem Glase!
Bürger und Soldaten ziehen sich in den Hintergrund zurück.
JUNGE MÄDCHEN.
Seht‘ dort jene lust'gen Knaben
Nah'n mit kühnem Schritt,
Müßt euch nicht zu strenge haben,
Wollen auch gern mit.
Gehen nach rechts in den Hintergrund.
STUDENTEN.
Nach den Mädchen laßt uns schauen,
Und erwählen sie,
Doch den Blicken nicht vertrauen,
Herzen stehlen sie!
MATRONEN beide Chöre betrachtend.
Seht, nach jenen eitlen Kindern
Läuft der Männer Schwarm;
Können wir sie doch nicht hindern.
Daß sich Gott erbarm!
Haben sich auch in den Hintergrund begeben.
JUNGE MÄDCHEN.
Ihr wollt gefallen,
Benehmt euch fein,
Und eure Krallen –
Zieht sie nur ein.
Kraust man auch die Stirne
Und wird man roth,
Kommen hübsche Jungen,
Nimmt man doch sie an:
Ja, ein wenig glauben
Muß man dem Galan!
MATRONEN.
Sie woll'n gefallen,
O wir sehen's ein;
Ja, sie sind fein,
Das seh'n wir ein.
Kräuselt nur die Stirne,
Seid verschämt und roth,
Nahen euch die Jungen,
Nehmt ihr doch sie an.
Seht, die scheuen Tauben
Kirret der Galan! –
Ob sie, ihm zu glauben,
Wohl auch recht gethan?
BÜRGER.
Wohlan! schenkt ein!
Wie schmeckt so fein
Der edle Wein!
Mein Weib zürne,
Das soll den Spaß mir nicht rauben.
Wohlan, schenk‘ ein,
Süß schmeckt der Wein!
Herr Nachbar, schenkt ein
Ein Glas Wein!
Mir soll gefallen
Ein Gläschen Wein!
STUDENTEN.
Wir wollen Vasallen
Der Schönheit sein,
Wir wollen gefallen
Und lieben allein!
Zieret sich die Dirne,
Hat es keine Noth!
Kommen wir gesprungen,
Nimm sie doch uns an.
Süße holde Tauben,
Euch beten wir an!
STUDENTEN im Wirthshaus.
Hoch leb‘ der Wein!
Er lebe hoch, der Wein!
Wein und Bier,
Bier und Wein
Munden mir,
Drum schenkt ein!
Seinen Becher
Zug um Zug,
Leert der Zecher
Wie im Flug!
Alles Nasse
Trinkt er gern,
Bleibt das Wasser
Nur ihm fern!
Und ihm winken
Ruhm und Lieb‘,
Wo zu trinken
Es was giebt.
SOLDATEN.
Krieger vor Allen
Mädchen gefallen,
Krieger vor Allen
Muthig und fein,
Sie nur, sie gefallen
Und ihr Liebeswallen
Stets den Mägdelein!
Nehmt die schmucken Dirnen,
Uns schreckt nicht ihr Zürnen,
Sturm heißt das Gebot;
Bis wir sie bezwungen,
Bis der Sieg errungen
Und das Werk gethan,
Stimme frohe Weisen,
Unsre That zu preisen,
Lied und Trommel an!
Wir, nur wir gefallen
Stets den Mägdelein!
Alle Chöre nach verschiedenen Richtungen ab.
Zweite Scene.
Valentin. Brander. Siebel. Studenten-Chor.
Nr. 6. Recitatio.
VALENTIN tritt auf, eine silberne Medaille in der Hand.
O heiliges Sinnbild,
Das mein Gretchen mir gab,
Den Tod stets abzulenken,
Auf meinem Herzen ruh‘,
Schmerz und Unheil wend‘ ab.
Hängt die Medaille um den Hals und geht nach der Schenke zu.
BRANDER.
Seht, dort naht Valentin,
Schon zur Reis‘ angeschickt.
VALENTIN.
Ein letzter Trunk, Kamrad,
Und dann in's Feld gerückt.
BRANDER.
Was fehlt dir? welcher Kummer,
Sprich, bedrückt dein Herz?
VALENTIN.
So wie ihr, scheid‘ von der Heimath
Ich voll Schmerz.
Ich lasse Margarethe,
Sie bleibt hier ohne Schutz,
Die Mutter wacht nicht mehr!
SIEBEL.
Ich biete allem Trutz.
Daß schützet sie mein Arm,
Gelob‘ ich dir!
VALENTIN.
Hab‘ Dank!
SIEBEL.
Vertraue fest auf mich!
CHOR.
Wir auch beschützen sie!
BRANDER.
Ihr Freunde, kommt! Laßt unmännliche Thränen,
Scheucht mit dem edlen Weine eitles Sehnen.
Stoßt an! stoßt an! und trinkt und singt;
Zum Abschied singt ein fröhlich Lied!
CHOR.
Stoßt an! stoßt an! etc.
BRANDER.
‚Ne Ratt‘, furchtsam gar und feige,
Die sich stets verkroch,
Die saß, zehrend jede Neige,
In dem Kellerloch!
‚Ne Katz –
Dritte Scene.
Mephisto. Die Vorigen.
MEPHISTO.
Verzeiht!
BRANDER.
He?
MEPHISTO.
Will's den Herren nicht bequemen,
In ihren Kreis mich aufzunehmen?
Singt, Freund‘, und wenn mit Eurem Lied ihr fertig seid,
Bin auch ich etwas zu singen gerne bereit.
BRANDER.
Laß nur hören dein Lied,
Wir wissen es zu schätzen.
MEPHISTO.
Ich werd‘ mein Bestes thun,
Die Herren zu ergötzen!
Nr. 7.
Ja, das Gold regiert noch die Welt,
Und sie senden
Weihrauchspenden
Der Macht, die sie gefesselt hält.
Hört die güldnen Thaler klingen;
Auf des Götzen Weltaltar
Bringt ein Fürst selbst Opfer dar,
Und im tollen Reigen schwingen
Sich herbei die Völker all‘,
Satan selbst führt an den Ball!
Vor dem Gold liegt die Welt im Staub.
Sie baut Throne,
Gott zum Hohne,
Zu ihm auf in's Aetherblau!
Mammon schürzt die goldnen Schlingen,
Und der Krieg, die Angst und Noth,
Fluch, Verheerung, Sünd‘ und Tod
Mit der Menschheit rastlos ringen.
Hell erglänzt der Höll‘ Metall,
CHOR.
Satan selbst führt an den Ball!
Nr. 8. Scene und Chor.
CHOR.
Wir danken für dein Lied.
VALENTIN.
Ein kurioser Geselle!
BRANDER.
Behagt Euch ein Glas Wein,
So stoßet an mit mir.
MEPHISTO ein Glas nehmend.
Herzlich gern!
Brander's Hand fassend.
Doch was erblick‘ ich hier?
Seht Ihr wohl diese Linie?
BRANDER.
Und nun?
MEPHISTO.
Laßt Euch prophezeihen:
Der nächste Festungssturm
Bringt Euch sicher den Tod!
SIEBEL.
So seid ein Zaub'rer Ihr?
MEPHISTO Siebel's Hand fassend.
Darum seh‘ ich voll Noth, o Knab‘,
In deiner Hand geschrieben dein Geschick,
Daß jede Blum‘ von dir berührt,
Verwelkt im Augenblick!
SIEBEL.
Wie?
MEPHISTO.
Kein Sträußlein mehr bringst du Margarethen.
VALENTIN.
O sprich, wer nannte diesen Namen dir?
MEPHISTO.
Mögt das Schwert immer wetzen!
Der den Tod Euch bringt, o Held,
Ist nicht mehr weit! –
Er trinkt.
Auf euer Wohl!
Pfui! bringt den schlechten Trunk bei Seit‘.
Indem er auf eine Bank steigt, schlägt auf das kleine Faß, auf welchem Bacchus als Schild der Schenke angebracht ist.
Erlaubt aus meinem Keller euch
Ein Pröbchen vorzusetzen.
Hollah! Vater Bacchus, schenk‘ ein!
Kommt Alle heran!
Ein Jeder wähle dann, was ihm beliebt;
Es lebe hoch die allgekannte Schöne,
Hoch Margarethe!
VALENTIN entreißt Mephisto das Glas; der verschüttete Wein brennt in Flammen.
Genug! des Todes bin ich werth,
Wenn ich nicht strafe deine Red‘!
BRANDER.
Hollah!
CHOR.
Hollah!
MEPHISTO.
Ihr bebt und zagt,
Die mir zu droh'n gewagt?
VALENTIN zieht sein Schwert.
Mein Schwert, o welch Grauen,
Scheint in die Luft zu hauen!
Alle ziehen die Schwerter; Mephisto zieht mit dem seinen einen Kreis um sich; die Studenten dringen auf ihn ein und werden von einer unsichtbaren Macht zurückgehalten. Valentin's Schwert zerbricht.
SIEBEL, BRANDER, VALENTIN, CHOR.
Ja, wir müssen der Hölle Trug erliegen,
Unser Schwert kann ob Zauberspuk nicht siegen.
Alle fassen die Schwerter an den Klingen und halten sie Mephisto in Kreuzesform entgegen.
VALENTIN.
Doch, der du selbst das Eisen brichst, erzittre,
Daß deine Macht dies Kreuz in Nichts zersplittre!
Mephisto weicht zurück.
CHOR.
Doch, der du selbst das Eisen etc.
Alle außer Mephisto ab.
Vierte Scene.
Faust. Mephistopheles.
MEPHISTO sein Schwert einsteckend.
Wir treffen uns schon wieder, meine Freunde!
Lebt wohl!
FAUST.
Sprich, was fehlt dir?
MEPHISTO.
Nichts!
Auf, an's Werk jetzt sogleich!
Sagt mir, Herr Doctor, nun, –
Womit soll ich beginnen?
FAUST.
Wo birgst du das liebliche Kind,
Das du jüngst mir gezeigt?
Es darf mir nicht entrinnen.
MEPHISTO.
O nein! Doch schwer wird's halten,
Ihre Unschuld zu gewinnen,
Da selbst der Himmel sie bewacht.
FAUST.
Was thut's, ich will's!
Auf, führe mich zu ihr,
Oder ich scheide von dir!
MEPHISTO.
Nun so sei's!
Allzusehr halt‘ ich an meiner neuen Pflicht,
Drum walte auch ein Zweifel länger nicht.
Wartet hier!
Bei dieser frohen Töne Klang
Das schöne Kind erscheint
Und stillt des Herzens Drang.
Fünfte Scene.
Die Vorigen. Studenten. Junge Mädchen. Matronen. Bürger, dann Siebel und Magarethe.
Nr. 9. Walzer und Chor. Tanz.
Studenten und Mädchen beginnen den Tanz, Musikanten und Bürger folgen.
CHOR.
Leichte Wölkchen sich erheben,
Von des Zephyrs Hauch bewegt,
Und der Staub fliegt leicht erregt,
Wo im Tanz die Paare schweben,
Auf der Freude frohen Schwingen
Weithin hört den Walzer klingen.
MEPHISTO.
Sieh die schönen Gestalten!
Willst du nicht der Schönsten unter ihnen
Anbieten deinen Arm?
FAUST.
Laß die Scherze, die Spötterei'n;
Sie allein bringt Heil meinem Herzen!
SIEBEL.
Ich muß an diesem Ort bald sehen Margarethen!
EINIGE JUNGE MÄDCHEN.
Du hast uns heut‘ noch nicht zum Tanz gebeten!
SIEBEL.
Nein, nein! Ich tanze heut‘ nicht.
CHOR.
Leichte Wölkchen sich erheben etc.
Margarethe tritt auf.
FAUST.
O welch Glück! sie ist es!
MEPHISTO.
Nun wohl! so sprich zu ihr.
SIEBEL.
Margarethe!
MEPHISTO.
Was giebt's?
Mephisto stellt sich zwischen Siebel und Margarethe.
SIEBEL.
Verwünschter Kerl! auch noch da!
MEPHISTO.
Ja, wirklich mein Freund! Ihr auch da?
Haha! Wahrhaftig, guter Freund, auch Ihr seid da!
FAUST.
Mein schönes Fräulein, darf ich's wagen,
Meinen Arm und Geleit Euch anzutragen?
MARGARETHE.
Bin weder Fräulein, weder schön,
Kann ungeleitet nach Hause geh'n.
FAUST.
Auf mein Wort, sie ist reizend
Und schön zum Entzücken!
O himmlische Maid, dich lieb‘ ich!
SIEBEL.
Sie ist verschwunden!
MEPHISTO.
Wie ging's?
FAUST.
Weh mir! man stieß mich zurück!
MEPHISTO.
Wohlan! so misch‘ ich mich drein,
Und bald ist Margarethe dein!
Mephisto und Faust ab.
JUNGE MÄDCHEN.
Sprecht, was giebt's?
ZWEITE GRUPPE DER MÄDCHEN.
Es war Gretelein, die von dem Junker
Nicht wollte begleitet sein.
CHOR.
Tanzet, walzet, tanzet nur zu!
Leichte Wölkchen sich erheben etc.
Seht wie schnell sie sich drehen,
Im weiten Raum Gewänder leicht wehen.
Welch Glück, welche Wonne
Erregt die Brust,
Nichts unter der Sonne
Gleicht dieser Lust!
Dritter Aufzug.
Garten bei Margarethe. Im Hintergrund eine Mauer mit Pforte. Links ein Bosquet. Rechts ein Pavillon, dessen Fenster dem Publikum gegenüber liegen. Bäume und Strauchwerk.
Erste Scene.
Siebel kommt durch die Pforte und bleibt beim Pavillon neben einem Rosen- und Fliederbusch stehen.
Nr. 10.
SIEBEL.
Blümlein traut, sprecht für mich
Recht inniglich!
Liebesgruß zu ihr traget,
»Bist so schön« schmeichelnd saget,
»Daß sein Herz Tag und Nacht
Für dich nur wacht.«
Blümlein traut, sprecht für mich
Recht inniglich!
Hauchet leis‘ ihr entgegen:
»Holde laß dich bewegen«,
Blümlein traut, sagt für mich:
»Er liebt nur dich.«
Pflückt eine Blume.
Verwelkt!
Dieser Zaub'rer – Gott verdamm‘ ihn,
Wirft sie mit Verdruß fort.
Bracht‘ Unglück mir!
Die Blume, die ich pflückte hier,
Sie welkt schon hin.
Pflückt eine andere, die auch welkt.
Geweihtes Wasser soll die Hand mir netzen!
Zu beten hier allabendlich,
Ist Magarethens Brauch,
Taucht seine Hand in den Weihbronn-Napf, der am Pavillon angebracht ist.
Nun laß sehen, verwelkt sie? Nein!
Satan, ich spotte dein!
Blümlein traut, sprecht für mich
So inniglich,
Was mein Mund ihr verschweiget,
Eure Nähe ihr zeiget;
Rothe Ros‘, Veilchen blau,
Mein Herz vertrau‘!
Blümlein traut, sprecht für mich
Recht inniglich!
Was ich hoffe, duftend saget,
Wenn erröthend sie fraget,
Wer euch bracht‘, Blümlein wißt –
Leise dann sie küßt!
Eilt in den Hintergrund des Gartens.
Zweite Scene.
Faust. Mephistopheles. Siebel.
Faust und Mephisto kommen durch die Pforte.
Nr. 11. Recitatio.
FAUST.
Hier herein?
MEPHISTO.
Folget mir!
FAUST.
Was erspäht hier dein Blick?
MEPHISTO.
Siebel schleicht dort allein!
FAUST.
Ist's wahr?
MEPHISTO.
Still! – Er ist da.
Beide ziehen sich zurück.
SIEBEL einen Strauß in der Hand.
Einen schönern Strauß man nimmer sah!
MEPHISTO.
Vortrefflich!
SIEBEL.
O Freude! ich werde morgen ihr
Getreu Alles erzählen,
Wird dann ihr Blick mich fragen,
Wen willst du erwählen?
Ein heißer Kuß soll ihr Alles sagen!
Hängt den Strauß an die Thür des Pavillons, dann ab.
Dritte Scene.
Mephisto. Faust.
MEPHISTO.
Verführer!
Erwartet mich hier, ich muß gehn.
Statt der Blumen werd‘ ich Euch eine Gabe bringen,
So prächtig wie keine sie geseh'n!
Blitzend Gestein soll ihr Herz bezwingen,
Und Alles Euch nach Wunsch gelingen.
FAUST.
Welch unbekannter Zauber faßt mich an,
Ich fühl's, die Liebe ist kein leerer Wahn!
O Margarethe, dir zu Füßen lieg‘ ich hier!
Vierte Scene.
Nr. 12. Cavatine.
FAUST.
Gegrüßt sei mir, o heil'ge Stätte,
Von banger Lust erfüllt ich dich betrete,
Asyl der frommen Einfalt und der keuschen Unschuld!
O welche Pracht in dieser Einfachheit,
Welch Geist der Ordnung und Zufriedenheit!
O Natur, hier fandest du das Kind,
Die Jahre schwanden,
Ein reizendes Götterbild
Ist leicht erstanden;
In diesem stillen Hause
Hier schufst du so viel Anmuth,
Hier war's – ja, hier mit frohem leichten Leben
Ihr junges Herz fülltest du aus:
Gegrüßt sei mir etc.
Fünfte Scene.
Nr. 13. Recitatio.
Mephisto. Faust.
MEPHISTO mit einem Kästchen unterm Arm.
Von dannen, sie naht!
Verdrängt der Blumenstrauß selbst diesen Schmuck,
Dann ist's vorbei mit allem Zauberspuk!
FAUST.
Hinweg! Denn nie will ich sie wiederseh'n!
MEPHISTO.
Wie, Ihr zaudert jetzt?
An der Schwelle der Thür
Sieht stehen sie den Schmuck.
Jetzt kommt und laßt uns geh'n!
Setzt das Kästchen an die Thüre des Pavillons. Beide ab.
Sechste Scene.
Nr. 14. Scene und Arie.
MARGARETHE erscheint in der Pforte und kommt sinnend in den Vordergrund.
Ich gäb‘ was d'rum, wenn ich nur wüßt‘,
Wer heut‘ der Herr gewesen ist. –
Setzt sich ins Bosquet an ihr Spinnrad, spinnt und singt.
Es war ein König in Thule
Getreu bis in das Grab,
Dem sterbend seine Buhle
Einen goldenen Becher gab.
Gesprochen.
(Er hat ein edles Wesen, so schien es mir sogleich.)
Es ging ihm nichts darüber,
Er leert‘ ihn jeden Schmaus;
Die Augen gingen ihm über,
So oft er trank daraus.
Und als es kam zum Sterben,
Zählt‘ er seine Städt‘ im Reich,
Gönnt Alles seinem Erben –
Den Becher nicht zugleich;
Er saß beim Königs-Mahle,
Die Ritter um ihn her,
Im hohen Vätersaale
Dort auf dem Schloß am Meer.
Dort stand der alte Zecher,
Trank letzte Lebensgluth,
Und warf den heil'gen Becher
Hinunter in die Fluth!
Gesprochen.
(Ich wußte nichts zu sagen; erröthen that ich nur.)
Er sah ihn stürzen, trinken
Und sinken tief in's Meer!
Die Augen thäten ihm sinken,
Trank nie einen Tropfen mehr! –
Nur große Herr'n sie geh'n
So stolz daher, so huldvoll auch dabei.
Doch nun davon nichts mehr! –
O Valentin, hört Gott mein Fleh'n,
Bald kehrst du heim! Bin hier ja so allein!
Geht zum Pavillon und sieht das Bouquet an der Thüre.
Einen Strauß!
Sie nimmt ihn.
Siebel kam mich zu seh'n.
Ach armer Freund! – Was seh‘ ich da?
Erblickt das Kästchen.
Wo kommt das reiche Kästchen her?
Ich wag‘ heran mich kaum!
Doch vielleicht, – dabei der Schlüssel lag;
Soll ich es öffnen? Ha, ich bebe! Warum?
Thue ich deßhalb doch keine Sünde!
Oeffnet das Kästchen und läßt den Strauß fallen.
O Gott! welch reicher Schmuck!
Ist's ein lieblicher Traum, der mich täuscht, der mich belüget!
Und der mit seinem wunderbaren Glanz mich betrüget!
Setzt das Kästchen auf einen Stuhl und kniet davor.
Ach, ich wage es kaum,
Und trüge doch so gern
Hier diese Ohrgehänge.
Ach, ein Spiegel liegt dabei,
Gleich darin sich zu sehen,
Recht bequem! wie nun ihm länger widerstehen?
Schmückt sich mit den Ohrgehängen und blickt in den Spiegel.
Ha, welch ein Glück mich zu seh'n,
Mich hier so prächtig und schön!
Spiegel klar, ich dich frage:
Bin ich's denn? Schnelle mir es sage!
Nein, nicht Gretchen ich find‘,
Nein, ihr Bild nicht hier sich zeiget,
‚S ist ein stolzes Königskind,
Vor dem Jeder sich beuget!
Ach wär‘ er jetzt bei mir,
Säh‘ er so schön mich hier,
Kaum würd‘ er mich erkennen,
»Holdes Fräulein« mich nennen!
Ah, wie so schön diese Pracht mich schmücket!
Begierig bin ich nun zu seh'n,
Wie Kett‘ und Halsband mir wird steh'n.
Legt das Armband an und steht auf.
Gott! Es ist als ob eine schwere Last mich drücket!
Ah! – Ha, welch ein Glück mich zu sehen etc. etc.
Siebente Scene.
Nr. 15. Recitativ.
Marthe. Margarethe.
MARTHE durch die Pforte.
Herr, mein Gott, was seh‘ ich!
Mein Engel, kaum erkenn‘ ich dich!
Woher der reiche Schmuck?
MARGARETHE verlegen.
Je nun, ich fand ihn an der Thür‘ stehn.
MARTHE.
Euch gehört er, ja das könnt Ihr mir glauben,
Niemand kann ihn Euch rauben.
Ach, mein Mann, er war nie so galant.
Achte Scene.
Die Vorigen. Faust. Mephisto.
MEPHISTO mit tiefer Verbeugung.
Frau Martha Schwerdtlein, ist's erlaubt –
MARTHE.
Nun, wer ruft mich?
MEPHISTO.
Entschuldigt, daß so frei herein wir uns gewagt.
Zu Faust leise.
Dort seht, was vom Schmuck ich zuvor Euch gesagt.
Laut.
Frau Marthe Schwerdtlein?
MARTHE.
Ja, ich bin's.
MEPHISTO.
Ach, es schmerzt, betrübt mich sehr,
Ich bring‘ Euch eine traurige Mähr‘:
Euer Gemahl, Madam,
Ist todt und läßt Euch grüßen.
MARTHE.
O mein Gott!
MARGARETHE.
Nun, was ist's?
MEPHISTO.
Nichts.
MARTHE.
O welch harter Schlag! O welch banger Tag!
MARGARETHE trägt das Kästchen fort.
Ach ich bebe und zag‘,
Diesen Schmuck werd‘ ich büßen!
FAUST.
O wie gerne läg‘ ich zu ihren Füßen!
MEPHISTO.
Euer Mann ist todt, Madam,
Und läßt Euch grüßen!
MARTHE.
Und bringt Ihr von ihm kein Geschenk?
MEPHISTO.
Nichts! Ich an Eurem Platz
Sucht‘, um ihn zu strafen,
Mir einen andern Schatz.
FAUST zu Gretchen.
Warum legst du ab diese Zier?
MARGARETHE.
Dieser Schmuck, er gehört nicht mir,
Drum laßt, o laßt, ich bitte!
MEPHISTO.
Verböt‘ es nicht alle Sitte,
Ich würde wahrlich wagen
Mich selber anzutragen.
MARTHE.
So sprecht nur fort! –
MEPHISTO.
O weh‘, sie nimmt mich gar beim Wort!
Marthe und Mephisto sprechen leise.
Nr. 16. Quatuor.
FAUST zu Gretchen.
Bitte, o nehmt meinen Arm!
MARGARETHE ablehnend.
O laßt, ich Euch beschwöre!
MEPHISTO zu Marthe.
Euren Arm!
MARTHE bei Seite.
Er ist galant!
MEPHISTO bei Seite.
Die Nachbarin hat ganz ihr Herz mir zugewandt.
MARGARETHE.
Laßt, ich Euch beschwöre!
MARTHE.
Ja, ich gern Euch höre!
FAUST.
Liebe ich dir schwöre.
MEPHISTO.
Ja, auf meine Ehre!
Margarethe reicht Faust den Arm, sie gehen in's Bosquet. Marthe und Mephisto bleiben allein.
MARTHE.
Und Ihr, mein Herr, reist also stets?
MEPHISTO.
Wohl lange ist es schon, daß ich so es treib‘,
Bin allein, hab‘ nicht Kind, nicht Weib!
MARTHE.
Ist man noch jung und flink, dann geht's,
Später doch es gar zu traurig ist,
Allein zu stehn als Egoist.
MEPHISTO.
Ich auch habe oft dies bedacht,
Mit Grausen sehe ich's vom Weiten.
MARTHE.
Drum berathet Euch bei Zeiten,
Mein werther Herr, nehmt Euch in Acht!
Beide spazierend ab. Margarethe und Faust kommen zurück.
FAUST.
Und du, bist stets alleine?
MARGARETHE.
Mein Bruder ist Soldat,
Meine Mutter ist todt;
Doch als noch lebte mein Schwesterlein,
Da war ich nicht so ganz allein.
Theurer Engel, ihn nahm mir Gott!
Zog sie auf meinen Armen groß,
Hatt‘ dabei wohl manche Plage;
Doch hätt‘ ich sie gerne alle Tage,
Hielt ich lebend das Kind im Schooß.
Ich trug und hätschelt‘ es alleine,
Es weint‘, war ich nicht da,
So herzlich liebte mich die Kleine,
Sie wußt‘, wie gut ich's mit ihr meine,
Mein Glück und Stolz war sie ja.
FAUST.
Ja gewiß, wenn sie dir glich,
Mußte sie ein Engel sein,
Ja, ein Engel gut und rein.
MARGARETHE.
Ihr lacht mich aus!
Nein, es kann nicht sein –
Und Ihr spottet mein
So zum Zeitvertreibe.
Drum nichts mehr hiervon,
Zu viel hört‘ ich schon,
Ob auch gern ich bleibe.
Mephisto und Martha kommen zurück.
MARTHE.
Kaum find‘ ich mich drein,
Nein, Ihr spottet mein
So zum Zeitvertreibe,
Kaum find‘ ich mich drein!
Warum eilt Ihr schon
Nun so schnell davon?
Hör‘ mich jetzt und bleibe!
FAUST.
Nein, ich liebe dich,
Glaub‘, daß ernst ich's mein‘,
Laß gesagt dir's sein,
Daß nicht Scherz ich treibe,
Ja, Lieb‘ spricht allem Hohn,
Trau‘ des Herzens Ton,
O glaube, o vertraue und bleibe!
MEPHISTO.
Ja, Ihr müßt verzeih'n,
Daß ich geh‘ allein,
Und nicht länger bleibe.
Ist auch schön der Lohn,
Den ich trüg‘ davon,
Es geht nicht, bei Leibe!
Daß länger ich bleibe!
Es beginnt zu dunkeln.
MARGARETHE zu Faust.
Die Nacht bricht an, verlasset mich!
FAUST Gretchen umfassend.
Süß‘ Liebchen!
MARGARETHE sich los machend, eilt davon.
Lasset mich!
FAUST.
O du Böse fliehest mich!
MEPHISTO bei Seite.
Gar zu zärtlich wird die Alte,
Drum hinweg!
MARTHE.
Ich gern ihn hätte,
Je nun! er ist fort – Mein Herr!
MEPHISTO.
Ja –
MARTHE.
Lieber Herr!
MEPHISTO.
Lauf hinter her!
Bah! Diese alte alte böse Sieben
Thät‘ selbst den Teufel lieben!
FAUST.
Margarethe!
MARTHE.
Lieber Herr!
MEPHISTO.
Gute Nacht!
Ab.
Neunte Scene.
Nr. 17. Recitativ.
Mephisto versteckt. Marthe, dann Siebel.
SIEBEL für sich.
Immer muthig, werd‘ ihr Alles sagen!
MARTHE.
Er ist's!
Faßt Siebels Hand.
MEPHISTO.
Nein!
MARTHE.
Mein Herr! Lieber Herr!
SIEBEL.
Was giebt's?
MARTHE.
Siebel ist's!
MEPHISTO.
Ja!
MARTHE.
In Gretchens Garten? was thut Euch plagen,
Wie könnt Ihr so spät herein Euch wagen?
Kommt nur hinaus, galanter Herr,
Kommt und sprechet nichts mehr!
SIEBEL.
Wie?
MARTHE.
In's Gered‘ wollt Ihr sie bringen,
Darum fort, nein, nimmer soll Euch das gelingen!
Für sich.
Wär‘ er schon fort?
MEPHISTO bei Seite.
Nein!
SIEBEL.
Ich komme morgen her.
Marthe und Siebel ab.
Zehnte Scene.
MEPHISTO.
Gut‘ Nacht, Ihr stört mich sehr!
Zeit war es, daß sie gingen,
Denn kosend kehrt unser Pärchen zurück.
Ganz wohl! Hüten wir uns, hier zu stören
Ein so zartes Stelldichein!
O Nacht verbreite hier dein schattiges Reich –
Ihr Blumen all‘ verschwendet süßen Duft,
Mit heißer Wollust tränkt die Luft,
Den Zweifel stillt – wohin sie immer trete,
Erfüllt mit Liebessehnen Margarethe!
Er entfernt sich und verschwindet im Hintergrunde.
Elfte Scene.
Nr. 18. Duo.
Margarethe. Faust.
MARGARETHE eilt nach dem Pavillon.
Es ist schon spät, lebt wohl!
FAUST hält sie auf der Stufe zurück.
O eile nicht! o bleib, o bleib!
Leg‘ deine Hand hier in die meine,
Lasse mich in dein holdes Antlitz schauen!
O trau‘ der Liebe Macht,
Laß Seel‘ in Seel‘ uns drängen,
Voll Vertrauen, in stiller Mondesnacht!
MARGARETHE.
Süße Lust, innige Lust.
Fühl‘ ich sanft sich regen,
Wonne füllt meine Brust!
Seine Worte mich tief bewegen,
Ich fühl es Lieb‘-bewußt!
Laßt einmal seh'n, erlaubet –
Bückt sich und pflückt eine Sternblume.
FAUST.
Was soll das?
MARGARETHE.
Ein einfach Spiel!
O sprechet jetzt nicht viel.
Pflückt die Blätter ab.
FAUST.
Darf ich dein Flüstern nicht verstehen?
MARGARETHE.
Er liebt mich – er liebt mich nicht,
Er liebt mich – nicht, er liebt mich, nicht –
Er liebt mich! –
FAUST.
Ja, glaub‘ ihm ganz, du holdes Himmels-Angesicht!
Er umarmt sie.
Das Blumenwort sei Götter-Ausspruch, Kind, für dich!
Er liebt dich! Begreifst du ganz dies mächt'ge süße Wort?
Es heißt, heißt fort und fort
Sich hinzugeben ohne Ende,
In voller Wonne ewiglich kein Ende!
MARGARETHE, FAUST.
Nein, o nein, ohne Ende!
FAUST.
O Mondenschein, der uns umhüllt
Selig beisammen,
All‘ unser Bangen stillt,
Ganz uns erfüllt mit Liebesflammen!
MARGARETHE.
Ich liebe dich so inniglich,
Bin ganz die Deine,
Geliebter, du der Meine,
O laß mich!
FAUST.
O verweile!
MARGARETHE.
Flieht, o flieht!
FAUST.
Trennung!
MARGARETHE.
Ach ich wanke!
FAUST.
Ich kann's nicht fassen!
MARGARETHE.
Lasset mich!
FAUST.
Nein unmöglich!
MARGARETHE.
Flieht, o flieht, lasset mich!
Reißt sich aus seiner Umarmung los.
FAUST.
Mich zu trennen von dir!
MARGARETHE.
O treib‘ nicht länger Scherz,
O brich das Herz nicht Margarethen,
O flieh! ich zittre, o flieh!
FAUST.
Sieh meinen Schmerz,
Du brichst mir das Herz!
Margarethe, hör‘ mein Flehen,
Margarethe, du brichst mir das Herz,
Sieh meinen Schmerz!
MARGARETHE.
Auf mein Flehen höre,
Treib nicht länger Scherz.
O brich das Herz nicht Margarethen,
Bei Allem, was mein Herz gestand,
Nicht treibe Scherz!
Fällt ihm zu Füßen.
FAUST.
Margarethe!
Nein, nimmermehr, ich kann's nicht fassen,
Sieh meinen Schmerz,
Ach du brichst mir das Herz!
Nach einer Pause sie aufhebend.
Die Macht der Unschuld siegt,
Ja, keusche Liebe
Stillt heiße Triebe,
Mein Woll'n beschämt sich vor dir neigt.
Ja ich geh‘, morgen dein!
MARGARETHE.
Eh‘ der Tag noch erwachet, ganz früh – und stets!
FAUST.
Glücklich noch mache ein Wort mich,
Eh‘ ich scheide, o Theure!
MARGARETHE eilt nach dem Pavillon und wirft ihm einen Kuß zu.
Mein Gruß!
Ab in den Pavillon.
FAUST.
Beseligende Lust! Fort, hinweg!
Will ab, Mephisto tritt ihm entgegen.
Zwölfte Scene.
Faust. Mephisto.
MEPHISTO.
Die hat ihn berückt!
FAUST.
Du hast uns belauscht?
MEPHISTO.
Dies mein Amt!
Doch Ihr verdient, was sicher ist,
Daß man Euch in die Lehre schickt.
FAUST.
Fort, hinweg!
MEPHISTO.
Verweilt doch ein Augenblickchen noch,
Was zu den Sternen spricht Euer Liebchen, das hört doch!
Sieh da, ihr Fenster öffnet sich! –
Faust tritt auf die Treppe des Pavillons, von Margaretha ungesehen.
Dreizehnte Scene.
Die Vorigen. Margarethe.
MARGARETHE öffnet das Pavillonfenster und stützt den Kopf auf die Hand.
Er liebt mich, er liebt mich,
Er, den mein Herz erkor!
Es kos't der Zephyr, es schlägt die Nachtigall,
Der Mondnacht Stimmen flüstern all,
Sie sagen im tausendstimmigen Chor:
Er liebt dich!
Ach wie es mich erfasset!
O selig sein mich lasset,
Ihr Sterne dort mit strahlendem Blick,
Die ihr mich schaut, versteht ihr mein Glück!
Geliebter komm! kehr‘ bald zurück!
FAUST eilt an's Fenster und ergreift ihre Hand.
Margarethe!
MARGARETHE schrickt einen Augenblick zurück, dann sinkt ihr Kopf an Faust's Schulter.
Ach!
MEPHISTO verläßt mit höhnischem Gelächter den Garten.
Ha ha ha ha!
Vorhang fällt schnell.
Vierter Aufzug.
Erste Scene.
Margarethen's Zimmer.
MARGARETHE.
Ach, endlich sind sie fort,
Ich lachte ja mit ihnen einstmals auch,
Ach und jetzt ….!
CHOR JUNGER MÄDCHEN hinter der Scene.
Den Freier halte fest,
Sonst eilt er schnell hinweg! Haha! Haha!
Nr. 19. Elegie.
MARGARETHE.
Die blieben noch, mich zu beschämen;
Sonst that ich wohl so groß und blickt‘ so scheel,
Ja einst, wenn trat ein armes Mädchen fehl.
Ach, und nun muß ich geduldig Schand‘ und Spott hinnehmen!
Weh, mich selbst es zu der Sünde trieb! –
Und doch, ich kann's beschwören,
Daß Alles, was mich that bethören,
Ach, war so gut, ach, war so lieb!
Er kommt nicht zurück,
Die Zeit währt so lange,
Dahin ist mein Glück!
Ich zittre und bange!
Wo mag er nur weilen?
Ach möcht‘ er doch eilen,
Am Fenster ich lieg‘,
Hinaus späht mein Blick,
Er kommt nicht zurück!
Laut möcht‘ ich klagen,
Und darf's doch nicht sagen,
Wie schwer es mich drückt!
Süß wär‘ es zu theilen,
Mit ihm Schmerz und Glück!
Wo mag er nur weilen?
Er kommt nicht zurück!
Nah kann ich ihn wähnen,
Ich hör‘ seinen Tritt,
Mag länger nicht sehnen,
Ach käm‘ er zurück!
An sein Herz will ich eilen,
Die Liebe soll heilen
Alle Noth! Doch, ach!
Wo mag er nur weilen?
Er kommt nicht zurück!
Zweite Scene.
Nr. 20. Recitativ.
Siebel. Margarethe.
SIEBEL.
Margarethe!
MARGARETHE.
Siebel!
SIEBEL.
Ihr trauert noch!
MARGARETHE.
O Gott, und Ihr erbarmt Euch meiner doch!
SIEBEL.
Ja, ich bin nur ein Knab‘,
Doch fühl‘ ich Manneskraft im Herzen,
Ich kann die Schmach nicht leicht verschmerzen,
Gelob‘ Rache ihm! ich werd‘ ihn tödten.
MARGARETHE.
Sprecht, wen?
SIEBEL.
Muß ich ihn Euch nennen,
Der Euch so schwer verrieth?
MARGARETHE.
O haltet ein!
SIEBEL.
Ich seh‘, Ihr denkt noch immer sein!
MARGARETHE.
Ja stets! Ich warte und hoffe auf ihn noch immer,
Mein Herz verräth mir, nein, er vergißt mich nimmer!
Doch ach! der tückische Geselle,
Den er stets bei sich hat,
Der ihm folgt von Stell‘ zu Stelle,
Er, der so spöttisch schaut,
Als wüßt‘ er nicht, was Liebe heißt!
Er, der ihn in's Verderben reißt,
Er sagte ihm, mich zu verlassen.
Nah bei der Wiege uns'res Kindes,
Wir glücklich kosend Beide saßen,
Da sieht er den Gefährten plötzlich dort,
Und schnell erhebt er sich und eilet mit ihm fort.
Seitdem kam er nicht mehr, ich sitz‘ und weine
Und wache Tag und Nacht und denk‘ an ihn alleine.
Er kommt nicht zurück!
Doch solltet, Siebel, Ihr ja nicht vernehmen meine Klag‘,
Ich weiß es, Euer Ohr davon nichts hören mag.
Ihr rührt mich tief, mein Freund,
Ja, meinen Thränen glaubet,
Ein letzter einz'ger Trost
Ist mir noch nicht geraubet:
Ich eile zu der Kirche heil'gen Mauern hin,
Den Himmel anzufleh'n für mein Kind und ihn!
Ab.
Dritte Scene.
Siebel. Marthe kommt eilig.
SIEBEL.
Martha!
MARTHE.
Nun Gott sei Dank, Ihr seid's!
Und Margarethe, das arme Ding –
Ihr Bruder kam zurück!
SIEBEL.
O Gott, Valentin!
MARTHE.
Hört Ihr sie, ja sie sind's! Kommt jetzt mit!
O Siebel, rettet sie, und wendet ihr Geschick!
Beide ab.
Vierte Scene.
Verwandlung. Straße; rechts Margarethens Haus, links eine Kirche. Valentin. Soldaten, dann Siebel.
Nr. 21. Fanfare und Chor.
CHOR.
Legt die Waffen nieder!
Der Heimath Flur lacht uns auf's Neu‘
Nach Kriegsbeschwer,
Ja, Freunde seh'n uns wieder,
Und Mutter, Weib und Braut,
Freut euch und weint nicht mehr!
VALENTIN.
Ha, potz Blitz! Siebel ist's!
SIEBEL verlegen.
Ja wirklich, ich …
VALENTIN.
O komm an meine Brust!
Doch Margarethe?
SIEBEL.
In der Kirche, so glaub‘ ich.
VALENTIN.
Ja, dort fleht sie für mich, theure Schwester!
Wie überrascht wird sie sein,
Wenn ich plötzlich vor sie trete.
Sie zu seh'n, o welche Lust!
CHOR.
Ja, nach dem Kampf ist es ein Segen,
Ruhe von Gefahr am friedlich stillen Herd;
Manches Herz wird laut sich regen,
Wenn man von unsern Thaten hört!
Hoch Ruhm und Ehre!
Gebt Alles d'rum!
Niemand mir wehre
Ehr‘ und Ruhm!
Gern ich entbehre
Besitz und Ruh‘;
Für's Vaterland kämpft,
Der Sieg winkt euch zu!
Frisch in's Aug‘ dem Feind schaut,
Setzt das Leben ein,
Kühn euch dem Schicksal vertraut,
Wollt ihr Sieger sein!
Stolz euer Land
Auf euch baut,
Den Degen zur Hand,
Vollbringt kühne That!
Nach der Heimath geht es jetzt zurück,
Der Krieg ist aus, der Friede lebe!
Gram wird gestillt, wir bringen Glück,
Das Vaterland ruft uns zurück!
Der Liebe Lust uns nun umgebe,
Und manches Mägdlein jung und gut
Gewinnt sich bald des Kriegers Muth!
Drum vorwärts frisch, frisch auf Soldaten!
Den Degen zur Hand!
Hoch Ruhm und Ehre etc.
Chor ab.
Fünfte Scene.
Nr. 22. Recitativ.
Valentin. Siebel.
VALENTIN.
Nun Siebel, kommt, in's Haus kommt nun mit mir,
Das Glas in der Hand sollt Ihr Bescheid mir thun!
SIEBEL.
Nein, weile noch –
VALENTIN.
Warum? Meide nicht meinen Blick!
Du weichst mir aus. – Mein Freund, was soll das sein?
SIEBEL.
Je nun – Nein, ich beb‘ zurück!
VALENTIN.
Was zögerst du?
SIEBEL.
Halt ein! Sei milde, Valentin –
VALENTIN.
Lasse mich, lasse mich!
SIEBEL.
Verzeihe ihr!
Mein Gott, zu dir fleh‘ ich,
Erbarme ihrer dich!
Beide ab.
Sechste Scene.
Faust. Mephisto eine Zither unterm Mantel.
MEPHISTO.
Nun, nicht länger zögert hier,
Schnell treten wir hinein!
FAUST.
Verruchter, schweig!
Durch dich werd‘ ich, so ahnet mir,
Der Schmach und Schand‘ sie weih'n.
MEPHISTO.
Doch warum sie verlassen
Und jetzt sie wiederseh'n?
Ein ander Fest, däucht mir, erwartet uns,
Zum Sabbath laßt uns geh'n!
FAUST.
Margarethe!
MEPHISTO.
Mein Rathen all‘ wird unnütz sein,
Der Liebe werdet Ihr Euch wieder weih'n;
Doch nun zu öffnen Euch die Pforte
Bedarf es meiner ausgewählten Worte!
Er singt, begleitend sich mit der Zither.
Nr. 23. Serenade.
Scheinst zu schlafen du im Stübchen,
Höre mich doch an,
O mein reizend holdes Liebchen,
Es singt dein Galan!
Flüstert dir gar süße Worte,
Glaube, Herz, daran! Hahahaha!
Oeffne, holdes Kind, die Pforte
Nur dem Freiersmann!
FAUST.
Zum Teufel, schweige!
MEPHISTO.
Ach, du spottest meiner Klagen,
Schmerzlicher Verdruß!
Willst dem Liebsten du versagen
Einen süßen Kuß?
Liebesworte sollst du hören,
Glaube, Herz, daran, hahahaha!
Sollst ein Küßchen nur gewähren
Deinem Freiersmann! Hahahaha!
Valentin tritt aus dem Hause.
Siebente Scene.
Die Vorigen. Valentin.
Nr. 24. Trio.
VALENTIN.
Ihr sollt mir Rede steh'n!
MEPHISTO.
Verzeiht, mein Kamerade,
Verzeiht, jedoch für Euch
War nicht bestimmt die Serenade.
VALENTIN zerschlägt mit seinem Schwert die Zither.
Meine Schwester nimmt Euch besser
Als ihr Bruder auf, das sieht man klar!
FAUST.
Ihr Bruder!
MEPHISTO.
Ha, potz Element!
Was hat Euch gethan mein Instrument?
VALENTIN.
Genug, genug! Des Schimpfes jetzt nicht mehr;
Im Blut die Schmach zu tilgen zaudr‘ ich nicht,
Der mich betrog, wo ist der Wicht?
Ha, zeigt ihn mir, den Schänder meiner Ehr‘! –
MEPHISTO.
Nun, wenn Ihr's wollt,
Drauf los, Herr Doctor, zur Wehr!
Sie ziehen die Schwerter.
FAUST bei Seite.
Mir schwindet aller Muth!
Ich fürchte seine Rache:
Vergieß‘ ich nicht sein Blut
In ungerechter Sache?
VALENTIN.
Nimm mich in deine Hut,
O Himmel, für mich wache;
Ja, die Schuld wäscht nur sein Blut,
Ja, doppelt stark mich mache!
MEPHISTO.
Ha, er bebt vor Grimm und Muth,
Ich seines Zornes lache;
Voll Hohn des Kampfes Wuth
Ich bald ein Ende mache.
VALENTIN.
Madonnenbild, mein Schirm und Hort,
Einst mir geschenkt von Margarethen,
Du bist entweiht durch ihre Hand,
Du bist entweiht durch ihre Schand‘!
Ich kann hinfort nicht länger zu dir beten.
Er schleudert die Medaille auf den Boden.
MEPHISTO bei Seite.
Das wirst du schon bereuen!
FAUST.
Mir schwindet aller Muth etc.
VALENTIN.
Nimm mich in Deine Hut etc.
MEPHISTO.
Er bebt vor Grimm und Wuth etc.
VALENTIN.
Wohlan denn, vertheidige dich!
MEPHISTO.
Nur frisch, wie ich Euch führe.
Hierher, hart an mich an,
Herr Doctor, ich parire!
Sie fechten, Valentin fällt.
VALENTIN.
Ah!
MEPHISTO.
Da liegt nun unser Held am Boden hingestreckt,
Nun schnelle, eh‘ man uns entdeckt,
In's Weite!
Zieht Faust mit sich fort.
Achte Scene.
Nr. 25. Ensemble.
Marthe. Siebel. Valentin. Volk mit Fackeln, später Margarethe.
MARTHE UND CHOR.
Schnell hierher, Nachbarn kommt,
Man schlägt sich in den Straßen,
Da liegt schon Einer todt!
Großer Gott! seht nur her!
Er scheint noch zu athmen,
Sie haben ihn verlassen,
Auf, helfet schnell, denn sonst verblutet er.
VALENTIN.
Habt Dank, habt Dank!
Ihr Weiber, laßt nur eure Klage,
Ich nach dem Leben nichts mehr frage;
Ach, zu oft hab‘ ich dem Tod in's Aug‘ gesehn!
MARGARETHE.
Valentin!
Sie sinkt neben ihrem Bruder hin.
VALENTIN.
Margarethe! Hinweg von mir, hinweg!
MARGARETHE.
Weh mir!
VALENTIN.
Für sie ich sterbe, 's hat keine Noth,
Des Buhlen Degen bracht‘ mir Tod!
CHOR.
Ihr Buhle bracht‘ ihm den Tod!
SIEBEL.
Sterbe verzeihend, denk‘ ihrer Noth!
MARGARETHE.
O Schmerz, so herbe, o helf mir Gott!
CHOR.
Ihr Buhle bracht‘ ihm den Tod, er stirbt!
VALENTIN richtet sich, von den Umstehenden unterstützt, auf.
Laß unsern Herrgott aus dem Spaß –
Ich sage dir nur das, weil bald ich vor den Richter trete;
Drum hör‘ mich an jetzt, Margarethe,
Geschehn ist leider nun geschehn,
Und wie es gehn soll, so wird's gehn.
Der Sünde kannst du nicht mehr entweichen,
Doch jetzt ist sie klar,
Die Menschen werden schaudernd von dir weichen,
Du bist ja aller Scham und Tugend bar!
Ha, du sollst's nicht wagen,
Die blanke güldne Kette
Und Spitzenkrause noch zu tragen!
Margarethe nimmt die Kette vom Halse und schleudert sie von sich.
Pfui! schäme dich, Margarethe,
Reue dir, Höllenpein,
Bis der Tod dich einst sucht!
Will Gott dir einst verzeih'n ….
Weil du lebst, sei verflucht!
CHOR.
Höre auf, Gott nicht kränke,
Deine Seele bedenke!
O halte ein, o halte ein,
Und der Reu‘
Die letzte Stunde schenke,
Verzeih‘,
Soll auch dir einst vergeben sein!
VALENTIN.
Margarethe!
Sei verflucht, bis dich erlöst der Todesschlaf,
Ich sterbe durch dich, doch als Soldat und brav!
Stirbt.
CHOR.
Herr, schenke seiner Seele Frieden!
Man trägt ihn in's Haus; Siebel führt Margarethen hinweg.
Neunte Scene.
Verwandlung. In der Kirche.
Nr. 26. Kirchen-Scene.
Margarethe. Unsichtbare Stimme. Chor.
MARGARETHE kommt und sinkt auf die Knie.
O Herr, so lasse hier niederknien Margarethen,
Wende dein Antlitz nicht von ihr!
UNSICHTBARE STIMME.
Nein, keine Gnade dir! Nein, du sollst nicht beten,
Geister der Nacht umringt sie hier!
GEISTER-CHOR.
Margarethe!
MARGARETHE.
Welche Stimme?
Ich erbebe, ich sterbe, die Angst ich nicht trag‘;
So naht denn schon der jüngste Tag!
UNSICHTBARE STIMME.
Weißt du noch, wie du einst am Altare hier standest,
Gretchen, fühlst du es ganz?
Als du froh um die heit're Stirne dir wandest
Der Unschuld Blüthenkranz?
Kinderspiel halb und Gott halb im Herzen, du lalltest
Dein fromm Gebetlein hin;
Ha, dem Himmel mit Blut und Schande vergaltest!
Sprich, wo steht jetzt dein Sinn?
Rachegeister im erschreckenden Chor nun erwachen,
Reue dir, Noth und Pein!
Die Posaune ertönt, schau‘ des Abgrundes Rachen,
Ja, die Hölle harret dein!
MARGARETHE.
Gott! wie soll ich mich der Gedanken erwehren?
Der Hölle Ton
Muß ich stets hören;
Ich sterbe davon!
CHOR.
Wenn erscheint der Tag des Herrn,
Dann glänzt des Kreuzes Glaubensstern,
In alle Welten fern und fern!
MARGARETHE.
O weh! Nichts kann gleich meinen Qualen sein!
UNSICHTBARE STIMME.
Nein! für dich giebt's kein Erbarmen mehr,
Die Welt für dich ist hoffnungsleer!
CHOR.
Lebt ich auch dem Herrn zu Nutz‘,
Bietet nichts Vergeltung Trutz!
Wo nur find‘ ich Schirm und Schutz?
MARGARETHE.
Ach! der Gesang reißt mir das Herz entzwei!
Es drängt mich aus den Pfeilern ‚raus!
UNSICHTBARE STIMME.
Vorbei der Nächte Lust, der Liebe Schwelgerei!
Fluch dir und Höllengraus!
MARGARETHE.
Mein Gott!
CHOR.
O habe mit uns Erbarmen,
Wir sind voller Noth,
Wende dich nicht von uns Armen,
Sei gnädig, o Gott!
UNSICHTBARE STIMME.
Margarethe, sei verdammt!
MARGARETHE.
Weh!
Margarethe stößt einen Schrei aus und sinkt ohnmächtig zu Boden.
Fünfter Aufzug.
Erste Scene.
Im Harzgebirge.
Nr. 27. Walpurgis-Nacht-Scene.
CHOR DER IRRLICHTER.
Die Brockenhexen, sie zieh'n, sie zieh'n
Durch gelbe Felder, durch Saaten grün;
Breit sind die Wege
Und Volks vollauf,
Entlang die Stege
Wälzt sich der Hauf!
Hoho! hoho! Von nah und fern,
Herbei ihr Alle, wir seh'n euch gern,
Flackernde Lichter,
Schleichet herbei!
Höllengelichter,
Heut seid ihr frei!
Faust und Mephisto erscheinen auf einer Bergspitze.
FAUST.
Verweile!
MEPHISTO.
Hast du vergessen schon,
Was du mir versprachst, mir zu folgen!
FAUST.
Wo sind wir jetzt?
MEPHISTO.
An meinem Thron!
Denn hier, mein Freund, beginnt mein Reich. –
So feiert denn Walpurgisnacht!
CHOR.
Wir feiern nun Walpurgisnacht!
Huhu! huhu!
FAUST.
Mein Blut erstarrt!
Er will entfliehen.
MEPHISTO ihn zurückhaltend.
Im Nu des Orients üpp'ge Pracht
Auf meinen Wink dir nun entgegenlacht.
Zweite Scene.
Nr. 28. Scene und Chor.
Auf Mephisto's Wink öffnen sich die Berge; man sieht einen prachtvollen Palast, Königinnen und Frauen der Vorzeit beim Mahle.
CHOR.
Bis naht das erste Morgenroth,
Fern dem Aug‘ des Ungeweihten,
Schau dem Feste zu,
Wo Zauber sich an Zauber reih'ten.
CHOR.
Auf, den Becher füllet,
Auf, füllt ihn bis zum Rand,
Ja, in Wollust hüllet
Uns der Liebe Band!
MEPHISTO.
Der Schönheit Königinnen,
Der Vorzeit Fürstinnen,
Kleopatra voll Glanz
Und Laïs reich geschmückt,
In Zauber hüllt uns ganz
Durch Lieb‘ und Lust beglückt! –
Zu Faust.
Fort mit des Herzens Sehnen,
Von Fieberwahn frei,
Reicht Faust eine Schale.
Nimm froh die Schale und magst du wähnen,
Vergessen drin enthalten sei!
CHOR.
Auf, den Becher füllet etc.
FAUST die Schale nehmend.
Eitler Kummer, eitle Schmerzen,
Fort, nun fort aus meinem Herzen;
Füllt den Becher bis zum Rand,
Eitler Kummer sei verbannt!
Trinkt.
In des Nektars weißen Schaum
Nr. 29.
Senke ich die Seele mein,
In des Aethers weiten Raum
Jeden Schmerz und jede Pein!
Weht Labung mir entgegen,
Die heiße Stirne kühlt!
Ja, schon fühl‘ ich's neu sich regen,
Sinnenlust die Brust erfüllt!
CHOR.
O süßer Nektar,
Auf, bringt ihn dar!
MEPHISTO.
Aus des Bechers weißem Schaum
Schlürfe nun Vergessen ein!
CHOR.
Weithin in des Aethers Raum
Fliehe Sorge, fliehe Pein!
FAUST.
Laß mich küssen, laß mich schauen,
Sterben laß in Wein mich hier,
Flüchtig dem Genuß nun trauen,
Ihn erhaschen mit Begier.
Der Sinne heiße Triebe
Entflammet uns auf's neu!
Ja, im süßen Rausch der Liebe
Jeder Schmerz versenket sei!
CHOR.
O süße Lust!
Die Schale entfällt Faust, er scheint einer fernen Stimme zu lauschen, der Name »Margarethe« enteilt seinen Lippen, seine Knie beben, er streckt seine Arme der unsichtbaren Erscheinung entgegen. Alles wird finster, die Frauen verschwinden.
MEPHISTO.
Besiege nun, o üppige Lust,
Jedweden Drang der Reu‘ in seiner Brust!
Dritte Scene.
Theilweise Verwandlung. Brockenthal.
Faust erwacht aus seiner Betäubung; der Palast versinkt; Margarethe erscheint auf einer Bergspitze.
MEPHISTO.
Was siehst du dort?
FAUST.
An jenem Ort –
Ja, sie blickt so stumm und bleich,
Sieht dem guten Gretchen gleich,
Und um den schönen Hals
Ein rothes Band sah ich gleichfalls!
Ein schmaler rother Schnitt,
Die Erscheinung Margarethens zieht langsam vorüber und verschwindet.
Margarethe, o nimm mich mit!
Ich muß zu ihr!
Dies fordr‘ ich von dir!
Vierte Scene.
Faust zieht Mephisto mit sich fort, der sich mit gezogenem Degen einen Weg durch die Geister bahnt. Hexen kommen von allen Seiten, kochen und tanzen um siedende Kessel.
HEXEN-CHOR.
Eins, zwei und drei,
Zählt nur bis zu dreizehn,
Bettler sind hier frei,
Bringt den Brei zum Steh'n!
Mag die Flamme roth und blau
Um den Kessel lecken,
Gift und Molch ich gerne schau‘,
Hexenlust zu wecken.
Eins, zwei, drei, vier,
Fünf, sechs, sieb'n, acht,
Neun, zehn, eilf, zwölf,
Dreizehn!
Fünfte Scene.
Verwandlung. Im Gefängniß.
Margarethe schlafend. Faust. Mephisto.
Nr. 30.
FAUST.
Geh‘ jetzt!
MEPHISTO.
Der Tag bricht an, man baut das Blutgerüst;
Drum eilet schnell, sonst müßt Ihr's schwer bereuen!
Der Wächter schläft, die Schlüssel nehmt,
Ihr müßt mit Menschenhand Euch selbst befreien.
FAUST.
Lasse mich!
MEPHISTO.
Macht schnell, ich wache vor der Thür.
Ab.
Sechste Scene.
Faust. Margarethe.
FAUST.
Welch tiefer Jammer drückt mich nieder –
Angst und Grauen packt mich,
Man warf sie in den feuchten Kerker hier!
Sie ist es! Ja, ich muß sie hier in Ketten schauen,
Wie eine niedre Sünderin.
Argloser Wahn soll so schwer sich rächen!
Ihr armes Kind, o Gott, ist todt,
O Gott, durch ihr Verbrechen!
Margarethe!
MARGARETHE erwachend.
Ach, er ist's, er hat mich genannt,
Ich hab‘ des Freundes Stimme erkannt!
FAUST.
Margarethe!
MARGARETHE.
Durch der bösen Geister grimmen Hohn
Drang in mein Herz der lieben Stimme Ton!
FAUST.
Margarethe!
MARGARETHE.
Ja, seine Hand die meine drückt,
Ich bin frei, er ist da, ich bin hoch beglückt!
Da ich dich jetzt umfange,
Nicht mehr trüb‘ und bange
Ist des Kerkers Qual!
Ich dich endlich fand,
All‘ mein Leiden schwand,
Du bist mein Glück, du bist mein All‘!
FAUST.
Da ich dich jetzt umfange etc. etc.
MARGARETHE.
O wart‘! daß ich's ganz fasse,
Hier ist die Straße,
Wo ich zuerst dich sah. –
Du botest mir den Arm –
Erröthend stand ich da!
»Mein schönes Fräulein, darf ich's wagen,
Meinen Arm und Geleit Euch anzutragen?« –
»Bin weder Fräulein, weder schön,
Kann ungeleitet nach Hause geh'n.«
FAUST.
Ja, ich weiß es genau,
Doch komm‘ mit, wir müssen eilen!
MARGARETHE.
Nein! ich bleibe, o verweile!
O laß mich dich küssen,
Du hast's ja sonst so gern gethan!
FAUST.
Komm, komm Margarethe!
MARGARETHE.
Nein!
FAUST.
Komm, laß uns geh'n!
Will sie fortführen.
MARGARETHE.
Bleibe, bleib‘, ich beschwöre dich!
FAUST.
O Gott! sie hört nicht mein Fleh'n!
Siebente Scene.
Nr. 31. Trio. Finale.
Die Vorigen. Mephisto.
MEPHISTO.
Auf, eilet! Schon naht sich der Morgen,
Folgt Ihr mir nicht sogleich,
So laß‘ ich Euch im Stich!
MARGARETHE.
Der Böse!
Siehst du dort ihn sich erheben?
Er stiert uns an! O schick‘ ihn fort!
Was will der hier am heil'gen Ort?!
MEPHISTO.
Auf, rette ihr Leben, der Tag naht heran,
Meine Pferde dort stehen,
Die Morgenluft weht schaudernd sie an!
Er sucht Faust mit sich fortzuziehen.
MARGARETHE.
O Gott, beschütze mich!
FAUST.
Komm!
MARGARETHE.
O Gott, höre mein Flehen!
FAUST.
Laß uns flieh'n, es leuchtet schon der Morgen klar!
O eile!
MARGARETHE sinkt auf die Knie.
Engel-Chor! Himmlische Schaar,
Meine Seele gnädig bewahr‘!
O Gott, schenke mir Erbarmen!
FAUST.
Gretchen, komm! nah ist Gefahr!
MEPHISTO.
Fort, nur schnell!
FAUST.
Folg‘ mir, o komm!
Man hort Geräusch von außen.
MEPHISTO.
Man nahet! Rette ihr Leben,
Der Tag naht heran, o eilt!
FAUST.
Folg‘ mir, ich will's! Nah ist Gefahr,
Es leuchtet schon der Morgen klar!
MEPHISTO.
Schon naht der Morgen sich klar!
So eile!
FAUST.
O Gott!
MARGARETHE.
O Gott! schenke Erbarmen mir!
FAUST.
Margarethe!
MARGARETHE.
Warum ist dein Blick so voll Wuth?!
FAUST.
Margarethe!
MARGARETHE sie stößt ihn von sich.
Fort! es graut mir vor dir!
Sie sinkt zusammen.
FAUST.
Ach!
Nr. 32.
MEPHISTO.
Gerichtet!
CHOR.
Gerettet!
Man hört das Glockengeläute des Ostermorgens. Die Mauern öffnen sich und man sieht Margarethen von Engeln getragen aufwärts schweben. Faust sinkt nieder, Mephisto stürzt unter dem Schwerte des Erzengels nieder.
Christ ist erstanden
Aus Tod und Banden,
Heil er und Fried‘ verheißt
Euch beglückt. Ihr Welten, preist!