Gioacchino Rossini

Elisabeth, Königin von England

Heroische Oper in zwei Akten

Personen

Elisabeth, Königin von England

Leicester, Oberster Heerführer

Mathilde, heimlich mit ihm vermählt, und

Heinrich, ihr Bruder, beydes Kinder der Maria Stuart

Norfolk, ein Großer des Reichs

Wilhelm, Anführer der Königl. Garden

Gefolge der Königin

Lord’s

Edle Schotten, als Geisseln

Officiere von Leicesters Truppen

Pagen

Königl. Garden

Krieger

Zimmerleute von Leicesters Truppen

Die Scene ist in London.

Erster Aufzug.

Erster Auftritt.

Königlicher Saal mit einem Throne.

Norfolk, Wilhelm und andere Lord’s, welche in Ordnung gestellt, die Ankunft der Königin erwarten. Garden.

CHOR.
Erfreulicher, schöner
Erglänzt nun Aurora,
Ungünstige Sterne,
Sie leuchten nicht mehr.
Wie Strahlen des Friedens
Erglänzet die Sonne,
Die Fackel des Ares
Ist endlich verlöscht.
NORFOLK.
(O! gräsliche Töne,
Verhaßt mir im Innern;
Es mehrt sich das Wüthen,
Nicht find‘ ich mehr Ruh.)

Man hört Kriegsmusik von weitem, welche nach und nach näher kommt, und den siegreichen Einzug von Leicesters Truppen in die Stadt andeutet.

CHOR.
O höret! – Es naht sich
Der Unüberwundne,
Die Hoffnung der Herzen,
Die Stütze Elisens,
Die Lust dieses Landes,
Der Glanz dieses Reichs.
NORFOLK.
(O Schande. Verderben!
O grausames Schicksal!
Ich schäume vor Unmuth,
Mich tödtet der Schmerz.)
WILHELM zieht Norfolk bei Seite. Ihr nur allein, mein edler Lord, scheint an dem allgemeinen Jubel dieses frohen Tages nicht Theil zu nehmen. Weshalb doch? Blickt um Euch, seht wie Freude aus jedem Auge lacht.
NORFOLK. (Der Ueberlästige) Wilhelm, ob ich Theil nehme an dem allgemeinen Glück, das weiß der Himmel, das weißt Du, der so ganz die Gefühle meines Herzens kennt.
WILHELM. (Nein, nein, ich habe es nicht vergessen, wer Du bist!)
NORFOLK. Aber, wenn ich bedenke, daß an den Trophäen des englischen Heldenmuths ich keinen Antheil habe, so dringt mir Schmerz zur Brust. So entspringt eben in edlen Herzen der Neid um große Thaten. O! wie hätte Norfolk jauchzen wollen, wenn mit Leicesters gefürchtetem Schwerdt, auch sein Schwerdt sich vereinet hätte! Aber das Schicksal gönnte mir dieses Glück nicht! (Ich muß mich verstellen.)
WILHELM. Sieh nur, wie heiter freundlich die Königin sich uns naht. Zeig‘ ihr auch ein fröhlich Antlitz, wenn Du’s kannst. Besiege Dich selbst und hoffe. Vielleicht öffnet sich auch Dir einst der Pfad zum Ruhme, und Du kannst dem Reiche –
NORFOLK. Nicht weiter, Wilhelm!
WILHELM. (Ich kenne Dich Unwürdiger!)

Zweyter Auftritt.

Elisabeth mit den Frauen ihres Gefolgs. Pagen. Garden. Die Vorigen. Alles verbeugt sich.

CHOR.
Es strahle Dir Entzücken
An diesem frohen Tage.
Es wandte Glück und Freude
Den Blick Dir wieder zu.
Der Held, der Unbesiegte,
Bringt Dir die Lorbeern schon.
ELISABETH.
O wie theuer meinem Herzen
Ist die allgemeine Wonne,
Endlich kam die schöne Stunde,
Wo das Leben wieder blüht.
CHOR.
Hohe Königin, o ruhe
Nach so vielen Schicksals-Stürmen
Nun im Schoos des Segens aus.
ELISABETH.
Ach! das Herz fühlt überschwenglich
Dieses himmlische Entzücken.
Wiedersehn werd‘ ich den Theuern,
Dem voll heisser Lieb‘ es schlägt.
CHOR.
Immer möge England freuen
So wie heute sich mit Dir.
ELISABETH. Ihr edlen Lords. Dies ist der schönste Tag meines Lebens. Endlich hat der Sieg Englands Locken gekrönt. Ueberall ertönt der Name des tapfern Feldherrn, dem das Vaterland sein ganzes Glück verdankt, und so hoch hebt ihn der Ruhm, daß jedes Lob geringer ist, als sein Verdienst. Aber wir wenigstens wollen nicht unterlassen, die Gegenwart eines so großen Helden zu ehren, wie es uns geziemt. Geleitet ihn hierher.
WILHELM. Er naht sich Deinen Füßen schon.
ELISABETH. (O welche Freude.) So eilt.

Die Lords gehen an den Eingang des Saals, um Leicester zu empfangen. Norfolk folgt ihnen zögernd. Elisabeth von Wilhelm geführt, besteigt den Thron.

Dritter Auftritt.

Die Vorigen. Leicester, in Begleitung seiner vornehmsten Offiziere. Viele edle Schotten folgen ihm. Unter ihnen Mathilde in Männerkleidung, und Heinrich.

CHOR.
Trockne Dir die Helden-Stirne,
Und in Deine Locken flechte
Mit dem Oelzweig Lorbeer auch.
Alles wich ja Deinem Arme,
Allen gabst Du Freude wieder,
Jeder Kummer floh durch Dich.
LEICESTER. Erhabne Königin! Vergebens widersetzt sich der stolze Schotte unserm Muth. Mit Deinem Namen auf den Lippen stritten die Engländer, er klang mit dem Waffengetön in das Ohr des feindlichen Kriegers und er unterlag. Nun ist sie verlöscht, die Fackel der gräßlichen Zwietracht. Deiner Macht ist unterworfen, wer sich ihr zu entziehen wagte. Unsers Muthes bedarfst Du nicht mehr. Und so lege ich denn hier zu Deinen Füßen die Zeichen des Oberbefehls nieder, die Du mir anvertrautest. Er legt an den Stufen des Throns den Kommandostab nieder. Heil Dir, Elisabeth, Heil mit Dir und Deinem Reiche.
ELISABETH. Edler Held, was Du für mich gethan, wie treu Dein großes Herz dem Vaterlande diente, ist über allen Lohn erhaben. Vergessen werde ich es aber nimmer. Nahe Dich mir und empfange indeß dieses Pfand meines dankbaren Herzens.

Leicester kniet nieder, sie nimmt einen Orden von ihrem Busen und schmückt ihn damit.

LEICESTER. Zu viel der Gnade.
NORFOLK. (Ha! schändlich!)
MATHILDE. (Eifersucht durchbebt mich)

Jetz nahen sich auf Leicesters Zeichen die Schotten, werfen sich vor der Königin nieder und bringen ihr den Tribut in Becken dar, die mit einem weißen Schleyer bedeckt sind.

LEICESTER. Du siehst hier, große Königin, die Sprößlinge der angesehensten Familien Schottlands gebeugt, als edle Geisseln vor Deinem Throne. Diese kostbaren Geräthe auch, welche Dir heut das unterworfene Schottland sendet… Er hält plötzlich inne, indem er unter den Geisseln seine Gemahlin und ihren Bruder erblickt. (O Himmel! – Was sehe ich? – Mathilde! – Heinrich? – Träume ich?)
ELISABETH zu den Geisseln. Steht auf. In meiner königlichen Burg soll Eure sichere Wohnung seyn. Ich erhebe euch zu dem ehrenvollen Dienste meiner Pagen. Sie steigt vom Throne herab. London möge mit uns an diesem frohen Tage den glücklichen Erfolg unsrer Waffen feiern, und jeder meine Freude theilen.

Elisabeth blickt im Abgehen huldvoll auf Leicester, und reicht ihm die Hand zum Kuß. Norfolk bebt vor Wuth. Ebenso Mathilde vor Eifersucht. Heinrich wird es gewahr, und winkt der Schwester, über sich zu wachen. Alle gehen ab, Leicester ausgenommen, der nach der Thüre geht, und Mathilde, die zuletzt sich entfernt, zurückhält, und in den Vordergrund führt.

Vierter Auftritt.

Leicester. Mathilde.

LEICESTER.
Was thatst Du? Verwegne!
Was folgtest Du mir?
Ist dieses das Walten
Der Liebe, der Treu?
MATHILDE.
Es führten die Schritte
Mir Liebe und Treu.
Das Bangen der Gattin
Ertrug ich nicht mehr.
LEICESTER.
Doch welche Gefahren –
MATHILDE.
Ich dachte nicht ihrer –
LEICESTER. MATHILDE.
Für Dich nur besorgt.
BEYDE.
Welch banges Erbeben,
Das Herz ist voll Qualen,
Im Drange der Sorgen
Vergeß‘ ich mich selbst!
LEICESTER. Unbesonnene! Und weißt Du denn nicht, daß die heftigste Feindin Deines Stammes hier weilt? Was konnte Dich nur zu diesem unglücklichen, diesem fürchterlichen Schritte verleiten?
MATHILDE. O! mein Gemahl! – Kaum warst Du von mir getrennt, als das Gerücht erscholl, Elisabeth glühe für Leicester in Liebe, in der heftigsten Liebe. Was ich dabei fühlte, dabei dachte, wie zerrissen mein Herz war, o! wie könnte ich Dir das je beschreiben? – Da kommt Heinrich.

Fünfter Auftritt.

Heinrich. Die Vorigen.

LEICESTER. Und auch Du, mein Freund, mein Bruder, wie konntest Du zum Gefährten eines so unbesonnenen Wagstücks Dich brauchen lassen? HEINRICH. O! Laß Dir es von ihr selbst sagen. Ich wandte alle Mittel, jeden guten Rath an, sie davon abzuhalten, aber vergebens. Da ich nun sah, daß sie fest darauf bestand, hielt ich es für meine Pflicht, ihr zu folgen um hier durch meine Gegenwart für ihre Sicherheit zu sorgen.
LEICESTER. Eitle Hoffnung! Und bedachtet Ihr denn nicht, Ihr Unbesonnenen, daß die Nachkömmlinge Maria Stuarts von hier verbannt sind, daß Elisabeth dieses ganze Geschlecht bis auf den letzten Zweig ausrotten will.
MATHILDE. O Gott!
HEINRICH. Fasse Muth, theure Schwester, ich hoffe doch noch eine glücklichere Zukunft.
LEICESTER. Wir müssen uns jetzt trennen. Schon unser langes Gespräch könnte Verdacht erwecken. Geh mit ihr, Heinrich. Euch beide leite die genaueste Vorsicht, alles andere müssen wir der Gnade des Himmels anheimstellen. (Ich gehe jetzt zu Norfolk, dem wahren treuen Freunde. Auf ihn setze ich meine ganze Hoffnung, er nur wird mein zagendes Herz trösten können.

Geht ab.

Sechster Auftritt.

Heinrich. Mathilde.

HEINRICH. Laß uns nun gehn. Das Schicksal will es nun einmal, daß wir beide in der Nähe des Wesens bleiben müssen, das die Hauptquelle unsers ganzen Unglücks ist.
MATHILDE. O! Dieser Schmerz, mein Bruder, wird mich noch tödten!
HEINRICH. Muth gefaßt! Vielleicht sendet uns noch des Himmels Huld einen Strahl der Hoffnung.
MATHILDE. Kaum wage ich das noch zu hoffen.

Eine innre Stimme rufet
Mir mit klagevollen Tönen,
Daß ich Aermste nur geboren
Für die Thränen, für den Schmerz.
Wenn von dieses Jammers Bürde
Einmal nur befreit ich bin,
Wird dies Herz in lautern Schlägen
Preisen hoch entzückt sein Glück.

Sie geht ab.

Siebenter Auftritt.

Heinrich.

HEINRICH. Unglückliche! Ach deine Furcht ist nur allzu gegründet. Unheilvoll war das Band, das du knüpftest, und Elisabeths Liebe, und der unbesonnene Schritt, den die Schwester und ich hieher thaten zum Wiedersehn des Herzogs, machen es noch unheilvoller. Ach! nur ein trauriges Geschick scheint uns beschieden zu seyn.

Geht ab.

Achter Auftritt.

Zimmer der Königin.

Norfolk. Leicester.

NORFOLK. (Was habe ich gehört.) Hier, Freund, in diesem Zimmer können wir ungestört mit einander sprechen. (O Wonne!) Fahre denn fort.
LEICESTER. Eines Tages erhob sich nach einem hartnäckigen Treffen unverhofft ein schrecklicher Orkan. Von meinen Gefährten verlassen, mußte ich allein ein Unterkommen in einem einfachen Landhause suchen. Hier nahm mich ein ehrwürdiger Landmann auf. Hier sah ich Mathilden, die ich für seine Tochter hielt. Sie sehen und sie lieben war Eins. Als der Tag anbrach, kehrte ich ins Lager zurück. Die Fortschritte waren reißend, aber ach! das Herz des Siegers war gefangen.
NORFOLK. Und wie wurdest Du Mathildens Gemahl?
LEICESTER. Die Dankbarkeit für die freundliche Aufnahme dieses Landmanns verpflichtete mich ihm Schutz gegen jeden Angriff zu verleihen. So bemerkte ich denn bald, daß sich hier ein vornehmer Schotte unter niederer Hütte verbarg. Jetzt bat ich um die Hand seiner Tochter. Ich sah, wie er bei meinem Antrage erblaßte, fühlte, daß er ein wichtiges Geheimniß verberge, ich bat also, drang in ihn, und endlich entdeckte er mir Mathildens und Heinrichs wahre Herkunft. – Du kannst Dir denken, wie groß mein Staunen war. Mit einer Liebe, einer Liebe, die um so heißer glühte, je gefährlicher sie nun wurde, verband sich Mitleid, und – doch das Uebrige weißt Du schon.
NORFOLK. Theurer Freund, welcher Gefahr hast Du Dein Leben, Deinen Ruhm Preis gegeben, aber Liebe verleitete Dich ja dazu, und Liebe entschuldigt Dich auch. (O, wie mich das entzückt!)
LEICESTER. Wenn Du, mein inniggeliebter Freund, mein Schicksal beklagst, so bin ich ja nicht mehr ganz unglücklich, denn Du wirst mir Rath, Hülfe, Beistand verleihn.
NORFOLK. Alles, alles sollst Du von mir erhalten. Allerdings müssen wir äußerst vorsichtig seyn, um das wachsame Auge der Königin zu hintergehn. Sprich also indeß mit Deiner Gattin, mit ihrem Bruder, und ermahne sie zur Vorsicht. Unterdessen laß mir Zeit zum Nachdenken.
LEICESTER. O treue Freundschaft, mögen auch Stürme ein Herz durchtoben, du tröstest mich, in dir finde ich Ruhe.

Geht ab.

Neunter Auftritt.

Norfolk.

NORFOLK allein. Thor, wie irrst Du Dich! Ha, besser wär‘ es für Dich gewesen, Du hättest Hülfe gefordert vom schäumenden Meere, den Ungeheuern des Waldes, den Furien der Unterwelt, als von einem Feinde, wie ich Dir stets war, wie ich Dir jetzt tausendfach bin. Er sieht Elisabeth nahen. Meine Rache kann ich nur in Deinem vollen Untergange stillen.

Zehnter Auftritt.

Elisabeth. Norfolk.

NORFOLK. Tief schmerzt es mich, o Königin, daß ich die Freude eines so glorreichen Tages Dir trüben muß.
ELISABETH. Wie?
NORFOLK. O Gott! – Werde ich es aussprechen können? – Nein, mir mangelt die Kraft dazu.
ELISABETH. Sprich deutlicher.
NORFOLK. Nun denn, so höre das fürchterliche Geheimniß! – Doch nein, nein, laß mich lieber schweigen.
ELISABETH. Rede, ich befehle es Dir.
NORFOLK. So muß ich denn gehorchen. – Leicester –
ELISABETH. Nun, Leicester?
NORFOLK. Durch eheliche Bande gefesselt –
ELISABETH. Was sagst Du?
NORFOLK. Die Wahrheit.
ELISABETH. Es ist unmöglich! – Du irrst! –
NORFOLK. Ach nein, ich irre leider nicht. Seine Gattin ist in Männerkleidern verborgen unter den Schottischen Geisseln. Ihr Bruder begleitet sie. – Beide sind die Kinder – –
ELISABETH. Fort! Fahre fort! O Gott!
NORFOLK. Ich wag‘ es nicht auszusprechen!
ELISABETH. Die Kinder von wem?
NORFOLK. Meine Worte werden Dich zu tief erschüttern!
ELISABETH. Fort, ich will alles wissen.
NORFOLK. Nun denn, die Kinder derjenigen, die Dir den Thron rauben wollte.

Elisabeth fällt bei diesen letzten Worten in einen Sessel, und bleibt dort wie ausser sich ohne Bewegung. Norfolk nähert sich mit heuchlerischem Tone.

NORFOLK.
Hartes Schicksal! warum mußte
Ich des Unglücks Bote werden! –
Doch von Treue – geb‘ ich Proben,
Such‘ Entschuld’gung ich für ihn.
ELISABETH.
Gräßlich hat des Himmels Zürnen
Seinen Blitz auf mich geschleudert!
Mich umgiebt die Nacht des Grausens
Und erfüllt mit Schaudern mich.
NORFOLK.
O bedenke – –
ELISABETH.
Schweig! O Himmel!
NORFOLK.
Deine Krone –
ELISABETH.
Laß mich! Laß mich!
NORFOLK.
Unglücksvolle –
ELISABETH.
Schreckens-Botschaft!
BEIDE.
Wie zerreissest Du mein Herz.
ELISABETH.
Mußte der Gottheit Wille
So mich daniederstürzen!
Härter als Todt und Sterben
Fühl‘ ich des Lebens Pein.
NORFOLK.
(Was ich begonnen, vollende,
Schicksal, mit mächtigem Walten,
Führe den Frevler zum Todte,
Daß sich mein Herz erfreu!)
NORFOLK.
O Königin, entscheide!
ELISABETH.
Es sterbe der Verräther.
NORFOLK.
(Das Schicksal ist mir günstig.)
ELISABETH.
Kein Mitleid mehr mit ihm.
BEYDE.
Der Treulose büße
Sein schimpflich Vergehen,
Ihn treffe die Strafe
Der Uebelthat.
Es sterbe in Qualen
Der Pflichtenvergeßne;
Ein Beispiel für jeden,
Der Treue bricht.

Sie gehen zu verschiednen Seiten ab.

Eilfter Auftritt.

Wilhelm allein.

WILHELM. Was ist geschehen. Nie sah ich die Königin noch so zornig. – Doch, geht dort nicht der stolze Norfolk? Ja, er eilt von hier hinweg. O gewiß hat dieser sein Gift in Elisabeths Herz ergossen. Wer so wie ich den Doppelzungigen kennt, den Treulosen, der im Stande ist, für seinen eignen Vortheil, den Freund – die Königin! In Trübsinn versenkt kehrt sie zurück! O Gott! Was es nur seyn mag!

Zwölfter Auftritt.

Elisabeth und Wilhelm.

ELISABETH. Hört! Lord! Die Garden sollen sich am Eingange dieser Zimmer auf meinen Wink bereit halten. Geh! – aber erst lade Leicester ein hieher zu kommen. – Halt! – (O wie verwirrt mich der Schmerz!) Versammle hier die schottischen Pagen.
WILHELM. Ich eile, was Du befahlst, zu vollbringen.

Dreyzehnter Auftritt.

Elisabeth allein.

ELISABETH. Unglückseliges Weib! Verrathne Königin! – Was hilft es mir, Schottland besiegt und auf seinen Thron mich gesetzt zu haben, wenn hier Auf das Herz deutend. kein Frieden wohnt? – Der Undankbare! Wohl kannte er Elisabeths Liebe zu ihm, und mit ehelichem Bande umschlang er die Tochter ihrer ärgsten Feindin! – Ha! Verbrecher! – Doch zittre, treuloses Paar! Ich bin Königin und liebte. Zwiefach soll meine Rache seyn. – Da kommt der Pflichtvergessene! – Welch ein Augenblick steht mir bevor!

Vierzehnter Auftritt.

Leicester von einer, Mathilde, Heinrich und die andern Schottischen Jünglinge von der andern Seite. Elisabeth.

Leicester, welcher eiligst eingetreten war, bleibt plötzlich stehen, als er seine Gattin erblickt. Mathilde und Heinrich thun dasselbe, als sie ihn sehen. Elisabeth erkennt aus diesen Bewegungen und der Aenderung der Gesichtszüge ihre Nebenbuhlerin und deren Bruder.

LEICESTER. (Mathilde!)
MATHILDE. (O Himmel!)
HEINRICH. (Hier uns wiedersehen!)
ELISABETH. (Sie ists, sie ists! Ha Rache!) Nähere Dich, Herzog! Warum bleibst Du so weit zurück? Ich wünschte Dich weniger bescheiden. Du weißt es ja, daß Du der Erste meiner getreuen Unterthanen bist, und wie hoch ich Dich schätze.
LEICESTER. O Königin – (Was soll ich sagen?) Gebieterin! – (O Gott!) Dein unterwürfiger Diener – kann so große – so hohe Gnade – (Ich bin verloren.)
MATHILDE kann ihre Unruhe nicht verbergen. (Welche Pein!)
HEINRICH Mathilde ins Ohr. Fasse Dich, Schwester!
ELISABETH. Nun – fährst Du nicht weiter fort? – Sie blickt bedeutungsvoll auf Leicester, Mathilde und Heinrich. Hinweg denn mit dieser zwängenden Zurückhaltung – (Wie der Bösewicht bebt, wie er zittert – O Wonne der Rache!) Deine Königin selbst redet Dir zu, Muth zu fassen. Komm näher, hoher Krieger!
MATHILDE. Ach!
ELISABETH wendet sich, als sie den leisen Seufzer Mathildens hört, zu ihr, dann wieder zu Leicester. Nur näher, immer näher.

Du hast den Thron gerettet
Mir in des Kampfs Gefild,
Du sollst den Lohn erhalten,
Der würdig Deines Ruhms.

Auf Elisabeths Wink tritt eine der Wachen hervor, und die Königin spricht ins Geheim mit ihr.

LEICESTER.
O Königin! beschäme
Mich nicht zu sehr durch Großmuth –
LEICESTER. MATHILDE. HEINRICH.
O Gott! Kaum kann ich athmen,
So bang‘ schlägt mir im Busen
Das Angstgequälte Herz.
ELISABETH.
(Die Liebe wird sich rächen,
Fühlt sie auch bittern Schmerz.)

Die Wache kehrt zurück und reicht der Königin ein Gefäß, das mit einem Tuche bedeckt ist.

LEICESTER.
(Von welchem Lohn sie spreche,
Ergründ‘ ich selbst noch nicht.)
HEINRICH. MATHILDE.
(Das Unglück, das uns folget,
Häuft sich im Augenblick.)

Elisabeth bemerkt verstohlen die Gemüthsbewegungen Leicesters, Mathildens und Heinrichs, so wie die Blicke, die sie auf einander werfen, und fühlt sich dadurch schmerzlich ergriffen. Sie steht auf, zwingt sich durch Festigkeit und spricht dann:

ELISABETH.
Empfange, Held der Helden,
Das Zeichen meines Dankes.
Ich hab‘ Dich auserkohren
Zum König und Gemahl.

Sie enthüllt das Gefäß, auf welchem Scepter und Krone liegen. Leicester und die Seinen bleiben bey diesem Anblick in der heftigsten Erschütterung versteinert stehen. Elisabeth weidet sich an ihrer Qual.

LEICESTER. MATHILDE. HEINRICH.
Welch unerwartet Schicksal,
Das uns so tief erschüttert!
Die kalte Hand des Todtes
Berührt das Herz mir schon.
ELISABETH.
(Beim unverhofften Schicksal
Das sie so tief erschüttert,
Berührt die Hand des Todes
Schon ihnen kalt das Herz.)

Nach einer Pause.

So nimmst Du Deiner Fürstin
Geschenk, o Herzog, an!
LEICESTER zitternd.
(O Himmel!) Dem Vasallen –
Geziemt es nicht – zu wagen.
ELISABETH.
(Ha! schändlich!)
HEINRICH.
(Ruhig.)
MATHILDE.
(Wehe!)
ELISABETH.
(Treuloser)
MATHILDE.
(Welche Stunde!)
ALLE VIER.
(Die Schmerzen, die ich fühle,
Drückt keine Sprache aus.)

Nach einer kurzen stummen Scene, in welcher der beiden Ehegatten und Heinrichs Unruhe immer höher steigt, kann sich Elisabeth nicht mehr zurückhalten und bricht endlich in die Worte aus:

ELISABETH.
Nein, länger nicht will ich ihn dulden
Den schändlichen, bübischen Vasallen;
Der Wahrheit entfalle die Binde!
Diese verlockte zur Schuld!

Mit diesen Worten eilt Elisabeth auf Mathilden zu, ergreift sie beim Arm und zieht sie vor in die Mitte der Bühne.

LEICESTER.
(Was seh‘ ich?)
MATHILDE.
(Verzweiflung!)
HEINRICH.
(Verloren!)
ALLE DREY.
(Entdeckt ist das trübe Geheimnis.)
Verzeihung! O Königin! Gnade!

Sie fallen Elisabeth zu Füßen.

ELISABETH.
Wachen herbey!

Funfzehnter Auftritt.

Die Vorigen. Wilhelm. Garden. Lord’s.

ELISABETH.
Die Verräther
Fesselt als Opfer des Zornes.
(Es labe das Herz sich an Rache,
Nur sie kann mir Trost noch verleihn!)
CHOR UND WILHELM.
Der Herzog! – Der Held! – Wie? der Sieger?
Welch‘ Schrecken! – Was ist hier geschehn?
LEICESTER. MATHILDE. HEINRICH.
Wir Opfer des traurigsten Schicksals –
ELISABETH.
Erbebt meinem Grimm, ihr Verräther!
LEICESTER. MATHILDE.
O Gatte! / O Gattin!
CHOR UND WILHELM.
Wie? Gatten?
HEINRICH.
O Schwester!

Sie umarmen sich.

ELISABETH.
Man trenne sie, die mich betrogen!
LEICESTER. MATHILDE. HEINRICH.
Verzeihung! o Königin, Gnade!

Sie werden getrennt.

ELISABETH.
(Es nährt sich von Gift nur mein Leben,
Die Rache giebt einzig mir Trost.)
CHOR.
Trauriger Tag! O plötzlich Zertrümmern!
Heiter erhebt sich und lachend die Sonne,
Aber bald sinkt sie von Wolken umschleyert,
Einbricht die finstre, die schreckliche Nacht!

Die Wachen führen mit Gewalt die Gatten und Heinrich nach verschiedenen Seiten ab. Alle andern ziehen sich in Schmerz versenkt zurück.

Ende des ersten Aufzugs.

Zweyterter Aufzug.

Erster Auftritt.

Zimmer.

Norfolk.

NORFOLK. Was bebt Dir das Herz? Ahnet Dir ein Unglück? Oder bist Du so schwach, Dich von Gewissensbissen peinigen zu lassen? Neid raubte Dir bisher Deinen Frieden, und jetzt, da das Idol der Themse auf einmal unterliegt, jetzt, wo Du hoffen kannst auf die höchsten Ehren dieses Hofes, jetzt, wo selbst der Weg zu diesem Throne Dir offen steht, einst Dich vielleicht noch der Königspurpur schmückt, nach dem Du früher hoffnungslos aus so weiter Ferne hinblicktest, jetzt sollte es Dir an Muth und Standhaftigkeit fehlen?

Zweyter Auftritt.

Norfolk. Wilhelm.

WILHELM. Die Königin, Lord, ist nicht gesonnen, Deinen Antrag anzunehmen.
NORFOLK. Wie?
WILHELM. Trübe Gedanken beunruhigen sie, Dich anzuhören, würde ihr unangenehm seyn.
NORFOLK. Unangenehm?
WILHELM. Ich habe schon zu viel von Norfolk gehört! So sprach sie, und ich mußte daraus schliessen, daß ihr Deine Unterhaltung keine Freude mache.
NORFOLK. (Ha!)
WILHELM. Es steht Dir also frey, Dich jetzt von hier zu entfernen, so weit Du willst.
NORFOLK. Aber ein solches Verbot –
WILHELM. Du hast der Königin Willen vernommen.
NORFOLK. Aber mein Rath bey dem traurigen Zustande, in welchem sie sich jetzt befindet –
WILHELM. Ein solcher Rath kann nur schaden, nicht helfen.

Geht ab.

Dritter Auftritt.

Norfolk.

NORFOLK. Verwegner! – Wohl – ich gehe! – Zeit und Geschicklichkeit können noch immer meinem Unternehmen einen glücklichen Ausgang bereiten, und auf den Trümmern von Andrer Wohl, kann es mir wohl noch gelingen, das Glück zu erfassen.

Geht ab.

Vierter Auftritt.

Elisabeth und Wilhelm.

ELISABETH. Wo ist Mathilde?
WILHELM. Sie wartet dort auf Deine Befehle.

Auf eine Thüre zeigend.

ELISABETH. Bringe sie zu mir, und dann rufe Leicester.
WILHELM. Du wolltest Mitleid? – Ja, ja, meine große Königin hegt Mitleid mit –
ELISABETH. Geh, und vollziehe meinen Willen.

Wilhelm geht in das Gemach, wo Mathilde ist.

Fünfter Auftritt.

Elisabeth. Mathilde. Garden.

Auf der Königin Wink ziehen sich die Garden zurück.

ELISABETH. Komm näher! Du erblickst in mir Deine Richterin und Gebieterin.
MATHILDE. Ich habe Muth, ohne Zagen mein Geschick zu vernehmen.
ELISABETH. Das Wohl des Staates gebietet es, daß Du, meine Feindin, und Dein Bruder, daß ein treuloser Vasall auf dem Blutgerüste die Strafe erhalte für solchen Verrath. Aber in Elisabeths Busen spricht das Mitleid. Schreibe also. Entsage dem Anspruche auf Leicesters Herz. So kannst Du Dich, so kannst Du alle retten.

Mathilde zittert.

ELISABETH. Folge Deinem Schicksal.
MATHILDE. O! mehr als jede Strafe schmerzt diese Gnade.
ELISABETH. Misbrauche meine Nachsicht nicht. Schreibe! Entsage!
MATHILDE. Umsonst –
ELISABETH. Wachen!
MATHILDE. O höre –
ELISABETH. Schreib!
MATHILDE. Laß gegen mich allein Deinen Zorn wüten, aber den Gatten, den Bruder! –
ELISABETH. Du willst nicht schreiben?

Bedenke, daß mein Zürnen
Nur Augenblicke schweiget!
Je länger es noch zögert.
Je härter bricht es aus.
MATHILDE.
Bist du gerecht, so rette
Den Gatten und den Bruder,
Und ende meine Tage,
Dies Mitleid schenke mir.
ELISABETH.
Du zögerst noch? –
MATHILDE.
Ihr Götter!
Laß doch mein Flehn Dich rühren.
ELISABETH.
Nicht kann durch Deine Thränen
Mein Herz in Mitleid glühn.
MATHILDE.
O könnt‘ in Thränen lösen
Ich dieses bange Herz.

Elisabeth befiehlt Mathilden mit gebieterischem Blick sich zu setzen und zu schreiben. Mathilde wankt, setzt sich, denkt nach und steht wieder auf. Elisabeth will die Wachen rufen, Mathilde hält sie zurück und setzt sich noch einmal zur Unterschrift nieder. In diesem Augenblick erscheint von den beyden Frauen ungesehen am Eingange Leicester.

Sechster Auftritt.

Leicester. Die Vorigen. Garden, welche sich entfernen.

LEICESTER.
(Erbarmen! – Ach, die Gattin!
In Schmerz und heissen Thränen! –
Was für ein Blatt ist jenes?
Es mehrt sich meine Furcht.)
ELISABETH.
(Mein Herz zermalmen wechselnd
Die streitendsten Gefühle.)
MATHILDE.
(Was für ein Schmerz kann tödten,
Wenn der mein Herz nicht bricht?)
ALLE DREY.
(So grausam glaubt ich nimmer
Des Schicksals finstres Walten.
O! welche herben Qualen!
O Liebe! welche Pein!)

Elisabeth sieht Leicester.

ELISABETH.
Da lies! – Ihr bist Du schuldig
Dein Leben! – Thu‘ desgleichen!
Bereue Deinen Fehler,
Bereue Dein Vergehn.
MATHILDE.
(Ich zittre.)

Leicester geht zum Tisch und ließt.

LEICESTER zu Mathilde.
Was hast Du unterschrieben? –

Zu Elisabeth.

Ha! untergehen sollte
In ihr der Liebe Treu‘.
Doch Du irrst –
MATHILDE.
Hör!
ELISABETH.
Ueberlege!
LEICESTER.
Nimmer will für solchen Preis ich
Mir ein feiges Leben kaufen.
Nein, mein Herz bleibt brav und treu.

Er zerreißt das Blatt.

ELISABETH.
Zittre, Frevler!
MATHILDE.
Ach!
LEICESTER zu Mathilde.
Nur muthig!
MATHILDE.
Jede Hoffnung ist verloren.
LEICESTER.
Edel bleibt mein Herz und treu.
ELISABETH.
Bald, im Angesicht des Todtes
Wird Dir dieser Stolz schon schwinden.
Und dies Herz, das stark sich preiset,
Beben vor dem letzten Schlag.
LEICESTER.
Dieser Muth, der Kron‘ und Leben
Dir trotz Todt und Schrecken schützte,
Wird mein treues Herz erhalten,
Das zu beben nie gewohnt.
MATHILDE.
Möge mir der Tod sich nahen,
Muthig tret‘ ich ihm entgegen,
Dann zwingt dieses Herz voll Stärke
Keine Furcht zum Beben mehr.

Leicester und Mathilde werden von den Wachen abgeführt.

Siebenter Auftritt.

Elisabeth. Wilhelm.

WILHELM. Norfolk bittet um die Erlaubniß, Dich zu sprechen.
ELISABETH. Der Unwürdige! Geh, sag ihm, daß nur seiner Lippe ich die Qualen verdanke, die mich jetzt durchtoben. Sag ihm, daß ich ihn als Lohn für seine verstellte Freundschaft zu einem unglücklichen, wenn auch gegen mich treulosen Freunde, diese Ufer mit Sonnenaufgang zu verlassen befehle.

Geht ab.

Achter Auftritt.

Wilhelm.

WILHELM. O! Gerechter Himmel! Laß die Wahrheit endlich kein Hinderniß mehr finden, sich dem Throne zu nahen, und enthülle das trügerische Gemüth jenes Verräthers, den Wohnsitz der Falschheit – doch ich eile, der Königin Befehle zu vollziehen!

Neunter Auftritt.

Platz bey den Gefängnissen.

Chor des Volks.

CHOR.
Laßt uns verweilen hier.
Dies ist der Aufenthalt,
In den des Schicksals Härte
Ihn hat verbannt,
Den Mann, der uns befreit
Vom Untergange.
O Unglück! wird ihm wohl,
Dem Helden uns so werth,
Die Rettung noch gelingen
Aus diesen Banden?
Wird ihn der Liebe Schuld
Dem Tode weihen?

Das Volk nähert sich dem Eingange zu den Gefängnissen.

Zehnter Auftritt.

NORFOLK. (Was hörte ich? – Welche Botschaft! – Dies also der Lohn, der mir ward? – Auch selbst in Fesseln unterlieg‘ ich ihm noch! – Norfolk, was nun beginnen? – Wirst Du dieses ungerechte Exil je ertragen können? – Diese Schande überleben?)
VOLKS-CHOR. O theurer, edler Herzog!
NORFOLK. (Herzog? – Ha! Nun verstehe ich.)
VOLKS-CHOR. Unseel’ges Schicksal!
NORFOLK. (Sie beweinen hier meinen Feind – Alles verschwört sich gegen mich! – Was soll ich thun? – Rache! Rache! – Bedecken will ich mich mit dem Mantel des Mitleids! – List komme mir zu Hülfe.) O Freunde, wie sehr theile ich Euern gerechten Schmerz. Und es wäre wahr? Der hohe Retter seines Vaterlandes sollte so untergehen? Und wir könnten das dulden?
VOLKS-CHOR. Nein, nie!
NORFOLK. Nun, so hört mich an. – Norfolk kann und will Euch beistehen. – Schon neigt sich die Sonne. Ich eile zu dem Gefangenen. Kann ich ihn nicht in wenigen Augenblicken von seinen Banden befreien, so müßt Ihr, Freunde, den Eingang zu dem Gefängnisse mit Kraft und Gewalt euch öffnen.
VOLKS-CHOR. Was sagt Ihr, Lord! Ein solches Un ternehmen wäre ja Verrätherei an der Königin –
NORFOLK. Ach! Elisabeth kennt leider des armen Herzogs Herz zu wenig, sie glaubt ihn des Verbrechens der beleidigten Majestät schuldig, und doch ist sein Herz frei von jedem Verbrechen! Die Liebe entschuldigt ihn.

Drum zerbrechet seine Ketten!
Wahrt der Königin, dem Reiche,
Ihn, den größten aller Helden,
Eures Mitleids, ach, so werth!
VOLKS-CHOR.
Führ‘ uns! Jede treue Seele
Leistet eiligst Beistand ihm.
NORFOLK.
Nein, der hat kein Herz im Busen,
Der der Freundschaft Macht nicht kennt.
VOLKS-CHOR.
Nein der etc.
NORFOLK.
(Rächen werd‘ ich meine Schande,
Und die Undankbare strafen
Wird dies Herz von Wuth entbrannt.)
VOLKS-CHOR.
Führ‘ uns! Jede treue Seele
Leistet eiligst Beistand ihm.

Das Volk geht mit Norfolk ab.

Eilfter Auftritt.

Das Innere eines weitläuftigen Kerkergewölbes. Ein Theil davon ist durch eine Lampe erhellt. Links eine Treppe, die in die Höhe zu einer verschloßnen Thüre führt. Im Hintergrunde eine kleine zugemauerte Thüre. An der andern Seite der allgemeine Eingang.

LEICESTER. O! Ich Unglücklicher! Wie bin ich so ganz ein trauriges Beispiel des blinden Glücks! Heut erhob sich glorreich die Sonne, um ein Zeuge meines Ruhms, meiner Erhebung zu seyn, und kaum steigt sie herab wieder in das Meer, so wandelt alles für mich sich in Trauer um. Aber nach so langem Wachen bedürfen meine müden Glieder der Ruhe und wider meinen Willen senkt sich der Schlaf auf meine Wimpern herab.

Zwölfter Auftritt.

Leicester. Norfolk tritt mit zwey Zimmerleuten ein.

NORFOLK. Freund!
LEICESTER. Gott! Du – Hinweg! hinweg!
NORFOLK. So empfängst Du mich?
LEICESTER. Sage mir zuvor, ehe ich Dich an meinen Busen drücken kann, verdank‘ ich nicht Deinem Verrathe diese gräßliche Lage?
NORFOLK. Welche Worte! Undankbarer! Kennst Du mich so wenig? Da ist mein Schwerdt! Stoß es mir in die Brust, aber beschimpfe meine Ehre nicht so!
LEICESTER. Aber Elisabeth –
NORFOLK. Entdeckte die Wahrheit, ohne daß ich Dir sagen kann, wie. Ich bat, ich flehte! Was that ich nicht alles, um ihr Herz für Dich zum Mitleid zu bewegen. Vergebliche Hoffnung! Sie hält mich für verschworen mit Dir, und hat mich eben zur schimpflichen Verbannung verurtheilt.
LEICESTER. Was muß ich hören. – (Ist es wahr?) Du allein wußtest ja aber nur mein Geheimniß.
NORFOLK. Konnte eine so merkwürdige Verbindung lange verschwiegen bleiben? Ach nur zu sehr verräthst Du Deine Liebe durch Leidenschaft. – Doch laß uns davon schweigen. Alles Forschen ist vergebens. Retten will ich Dich jetzt, Dich glücklich sehen, was es auch kosten möge.
LEICESTER. Und – wie?
NORFOLK. Vernimm! – Doch erst sieh dort hin – Mathilde und ihren Bruder trennt dort jene vermauerte Thüre von Dir.
LEICESTER. Himmel!
NORFOLK zu den Zimmerleuten, die sich anschicken, die Mauer im Hintergrunde zu durchbrechen. Thut, was ich Euch befahl! Zu Leicester. Bald wirst Du sie an Deine Brust drücken können.
LEICESTER. O edler Freund!
NORFOLK. So will ich Dir beweisen, ob ich Dich verrieth.
LEICESTER.
O! Verzeihe der Verzweiflung
Eines armen Tiefgebeugten!
O wie sehr hab‘ ich geirret,
Reuevoll bekenn‘ ich’s Dir.
NORFOLK.
(Zu der Rache hat verschlossen
Er den Pfad, den ich betreten,
Doch er soll ein Opfer fallen,
Und sein Tod versöhnt mich nur.)
LEICESTER.
Wie? Du schweigest?
NORFOLK.
Es verzeihet
Deines Unmuths bittre Worte,
Dir mein Herz, das nur in Freundschaft
Treu und unverbrüchlich schlägt.
BEIDE.
Laß dich wieder fest umschlingen!
Jeder Unmuth sey vergessen,
Glücklich soll uns jetzt nur machen
Treuer Freundschaft heil’ges Band.
NORFOLK.
Mit dem Heere sich vereinend,
Drängt um diese Thürme murrend
Sich das Volk in tiefer Trauer,
Und verlangt Gerechtigkeit.
LEICESTER.
Welche Reden? Was verlangt es?
NORFOLK.
Deine Fesseln will es lösen,
Rächen, was man an Dir that.
LEICESTER.
Gott! Was muß ich doch erfahren!
NORFOLK.
Aendern wird sich Dein Geschick.
LEICESTER.
Nimmermehr!
NORFOLK.
So komm und eile.
LEICESTER.
Nein, ich will nicht.
NORFOLK.
Hülfe beut es.
LEICESTER.
Ein Verräther dieses Reiches? –
Nur mit Abscheu denk ich das!
NORFOLK.
Unterliegen wirst Du, Armer,
Deines Schicksals hartem Walten,
Wenn mit allzugroßer Strenge
Du an steter Treue hängst.
LEICESTER.
Ja, es kann des Schicksals Zürnen
Mich zum tiefsten Elend stoßen,
Aber meine Treue brechen
Werd‘ ich dennoch nimmermehr.

Dreizehnter Auftritt.

Die Vorigen. Elisabeth. Mathilde. Heinrich.

Die beiden Zimmerleute stürzen die Mauer nieder, und gehen dann durch den allgemeinen Eingang wieder hinweg. Im Augenblicke, als nun Norfolk aufs neue in Leicester dringen will, hört man die Riegel der andern Thüre am Ende der Treppe klirren, sie öffnet sich, und Elisabeth in einfacher Kleidung steigt, nebst einer Wache, die ihr vorleuchtet, herab. Norfolk erkennt die Königin. Furcht überfällt ihn, er will entfliehen, besinnt sich aber anders und verbirgt sich hinter einen Pfeiler ohnweit der eben erst eröffneten Thüre, auf deren Schwelle man Mathilde und Heinrich erblickt. Doch hindert die Dunkelheit des Hintergrundes, daß weder Norfolk noch die übrigen sie sehen können. Leicester staunt, als er die Königinn herabsteigen sieht und bleibt bestürzt stehen. Die Wache stellt die Fackel hin und zieht sich auf einen Wink der Königin zurück.

LEICESTER. Königin! Du! – Wie ist das –

Wirft sich ihr zu Füßen.

ELISABETH. Schweig!
NORFOLK. (Ich bebe! Wie wird das enden?)
MATHILDE leis zu Heinrich. Gott! – Sie selbst!
HEINRICH eben so zu Mathilde. Geh nicht weiter.
MATHILDE eben so, indem sie Norfolk erblickt. Warum verbirgt sich dieser?
HEINRICH eben so. Laß uns hören. Sey still!
ELISABETH die unterdessen die Treppe herabgekommen ist. Elender! Höre mich! Es ist das letztemal, daß Du mein Angesicht siehst. – Die Gesetze sprechen gegen Dich, und meine Lords haben Dich zum Tode verurtheilt. Deine Königin genehmigte den Spruch, aber Elisabeth konnte das nicht. Sie bietet Dir durch diesen heimlichen Weg ein Mittel zur Flucht an. Eile! Flieh! Die Königin ist jetzt nicht hier, nur Elisabeth!
LEICESTER. O erhabene Frau! – Liebe machte mich schuldig, aber gegen den Thron verbrach ich nichts. Entflöh‘ ich jetzt meiner Strafe, müßte die Welt das Gegentheil glauben. Laß mich lieber sterben. Sey gnädig gegen Heinrich, gegen meine Gattin. Errette sie! Mehr verlange ich nicht.
ELISABETH. Du verlangst Unmöglichkeiten! – Der schändliche Norfolk, der Dich anklagte –
LEICESTER. Was sagst Du? – Norfolk.
NORFOLK. (Himmel!)
ELISABETH. In Gegenwart aller Lords nannte er Mathilde und ihren Bruder als Genossen Deines Staatsverraths.
LEICESTER. Norfolk!
ELISABETH. Der Bösewicht! – Zu spät lernst Du ihn kennen. – Alles schwieg. Ich wünschte ihn bestraft zu sehn, weil er schändlich den Freund verrieth, und jeder eröffnete mir von ihm dieselbe Gesinnung.
NORFOLK. (Weh mir!)
LEICESTER. Hörte man je von ähnlichem Verrath! O meine Königin, schütze mich vor ihm. Vor kurzem kam der Treulose noch hierher. heuchelte mir Freundschaft, wollte mich an die Spitze des Volkes stellen. O bedenke –
ELISABETH. Gott!
NORFOLK. (Ich bin verloren!)
LEICESTER. Eile ihm nach.
HEINRICH UND MATHILDE auf Norfolk zeigend. Da ist er noch.
HEINRICH der ihn die Hand an den Degen legen sieht. Er zieht das Schwert.
ELISABETH indem sie nach der Treppe eilt. Ich werde dem Bösewicht zuvorkommen,
NORFOLK mit dem Schwert auf Elisabeth zustürzend. Eher sollst Du sterben.
ELISABETH. Gott!
HEINRICH UND MATHILDE. Halt ein.
NORFOLK. Weh!
LEICESTER. Ungeheuer, was beginnst Du?

Heinrich und Mathilde entwaffnen Norfolk. Heinrich setzt ihm die Spitze des Schwertes auf die Brust und hält ihm den rechten Arm. Mathilde ergreift dessen linken Arm. Leicester stellt sich vor Elisabeth.

ELISABETH. Herbei! Wilhelm, herbei!
LEICESTER. Wachen!

Vierzehnter Auftritt.

Wilhelm mit Wachen, welche Fackeln tragen. Sie kommen die Treppe herab. Die Vorigen.

WILHELM. Meine Königin!
HEINRICH UND MATHILDE. Lebe! Lebe! Königin!
LEICESTER. Lebe und herrsche!
NORFOLK. O Schicksal!
HEINRICH UND MATHILDE. Verräther!
LEICESTER. Ungeheuer!
ELISABETH. Bösewicht!

Die Strafe soll Dir werden
Für solcher Bosheit Thaten,
Nein, nimmer trug die Erde
Ein solch verworfnes Herz!
Man werfe ihn in Fesseln,
Man führ‘ ihn hin zum Tode,
Und schrecklich treffe Strafe
Die schnöde Frevelthat.
NORFOLK.
Kühl Deinen Durst nun Schicksal!
Ha! Stille Deine Wuth!

Wachen führen Norfolk in den Hintergrund des Gefängnisses.

MATHILDE. HEINRICH.
Beruh’ge Dich.
WILHELM. LEICESTER.
Komm zu Dir!
ALLE VIER.
Erkenne Gottes Fügung,
Der über Thronen wacht.
ELISABETH.
O kommt, Ihr edlen Seelen!
Laßt an dies Herz Euch drücken!
Seyd frey und lebt in Sorgen,
Euch lächle Glück und Ruh.

Sie umarmt Mathilde und Heinrich, und führt sie dann zu Leicester.

DIE OBIGEN VIER.
O Hohe!

Leicester, Mathilde und Heinrich fallen ihr zu Füßen.

ELISABETH.
Nicht so kniend!
Ihr seyd mir Dank nicht schuldig –
CHOR VON INNEN.
Leicester!
ALLE FÜNF.
Welche Stimmen!
CHOR.
Wir wollen ihn nur sehen,
Und sterben dann mit ihm.

Die Thüre des Gefängnisses wird geöffnet.

Letzter Auftritt.

Chor von Kriegern und Volk. Die Vorigen.

LEICESTER UND WILHELM.
Verwegne! Gehorchet!
O zügelt Euch!
ELISABETH zu den Wachen, die sich jenen entgegen setzen wollen.
Haltet!
So innige Liebe
Kann strafbar nicht seyn.
DER CHOR wirft sich der Königin zu Füßen.
Königin! Zu Deinen Füßen
Flehen wir: Verzeihung ihm.
ELISABETH.
Seht den Herzog! Er ist Euer!
Und dem Reiche bleibt sein Retter.
CHOR.
Königin! Hoch sollst Du leben!
Heldin! Zierde unsrer Zeit!
ELISABETH.
(Liebe flieh aus diesem Herzen,
Trübe länger nicht mein Leben.
Nichts soll mein Gemüth mehr rühren,
Als der Ruhm, das Mitleid nur.)
LEICESTER. MATHILDE. HEINRICH. WIL HELM.
Höher Deinen Ruhm zu heben,
Ist der Himmel stets bereit.
CHOR.
Königin! Hoch sollst Du leben!
Heldin! Zierde unsrer Zeit!

Ende.