Karl Ditters von Dittersdorf
Doktor und Apotheker
Komische Oper in zwei Aufzügen
Libretto von Johann Gottlieb (der Jüngere) Stephanie
Uraufführung: 11.07.1786, Burgtheater, Wien
Personen
Apotheker Stößel (Baß)
Claudia, dessen Frau (Sopran)
Leonore, beider Tochter (Sopran)
Rosalie, Stößels Nichte (Sopran)
Doktor Krautmann (Baß)
Gotthold, dessen Sohn (Tenor)
Sturmwald, invalider Hauptmann (Tenor)
Chirurgus Sichel (Tenor)
Ein Polizeikommissär
Marx, Apothekerlehrling
Gallus, Diener eines Patienten (Tenor)
Ort der Handlung: Eine Kleinstadt. Im ersten Aufzug: Freier Platz vor Stößels Apotheke. Dann Zimmer in Stößels Apotheke. Im zweiten Aufzug: Eine Straße. Dann Zimmer in der Apotheke. Dann eine Straße. Dann ein Garten.
Zeit: 1786.
Rechts und links vom Darsteller.
Spielzeit: Zwei Stunden fünfzehn Minuten.
Erste Aufführung: Wien, kaiserlich-königliches National-Hoftheater, Dienstag den 11. Juli 1786.
Ouverture.
Vier Minuten.
Erster Aufzug.
Nr. 1. Quintett.
Der Vorhang hebt sich nach dem dritten Takte.
Häuser. Straße. Freier Platz. Rechts Stößels Apotheke mit einer Laube davor, worin ein Tisch, eine Bank und drei Stühle; im ersten Stock über der Laube ein transparentes Fenster; rechts vorn ein Fenster zu ebener Erde mit Fensterladen; rechts hinten Eingang in die Apotheke. Es beginnt Abend zu werden.
Erster Auftritt.
Hauptmann Sturmwald mit einem Stelzfuß und einer Binde vor dem Auge; Apotheker Stößel mit einer langen Tabakspfeife, seine Frau Claudia, seine Nichte Rosalie und seine Tochter Leonore sitzen in der Laube, die Frauen mit Handarbeiten beschäftigt.
ALLE FÜNF.
O wie herrlich, o wie labend
Ist auf einen heißen Tag
So ein schöner kühler Abend,
Wo man sich erholen mag.
ROSALIE UND LEONORE für sich.
Noch weit schöner wär‘ der Abend,
Könnte Arm in Arm allein
Mein Geliebter bei mir sein.
STURMWALD für sich.
O wie köstlich, wie erlabend
Müßte jetzt ein gut Glas Wein
Für Verstand und Lunge sein!
ALLE FÜNF.
Welche angenehme Zeit!
STÖßEL UND CLAUDIA.
Denk‘ ich meiner jungen Jahre,
Denk‘ ich mir so manche Nacht,
Die ich göttlich hingebracht!
ALLE FÜNF.
O wie herrlich, o wie labend
Ist auf einen heißen Tag
So ein schöner kühler Abend,
Wo man sich erholen mag. –
Unvergleichlich, herzerquickend
Ist so eine Sommernacht.
Frohen Mutes und entzückend
Wird sie gerne durchgewacht!
Leonore sitzt traurig da.
STÖßEL spricht. Nicht wahr, Herr Hauptmann, Sie haben auch manche solche Nacht verwacht?
STURMWALD. Ja, mein Six, Herr Stößel! und gebe gern noch einmal mein verloren Bein hin, wenn ich wieder anfangen könnte.
STÖßEL. Aber was ist denn dir, Leonore? Du sitzt immer so traurig da! Bist nicht mehr so munter. Was fehlt dir?
LEONORE seufzend. Nichts, lieber Vater.
CLAUDIA zankend. Nichts, und immer nichts. Sonst bringt man nichts aus dir heraus! Wie sie wieder dasitzt, das Kinn im Magen. Kopf in die Höh‘! Was soll das heißen? Kein bißchen Art! Wird’s nicht heißen, ich habe dich ohne Erziehung aufwachsen lassen? Kopf in die Höh‘!
STÖßEL. Aber warum denn schon wieder auszanken, Alte!
CLAUDIA. Kümmre du dich um deine Pflaster und Schmelztiegel; das magst du verstehen, aber ein Mädchen zu erziehen verstehst du so wenig, als ich deine Rezepte.
STÖßEL. Nun meinetwegen, brumme, schelte mit deinem Mädchen, dein Reich hat bald ein Ende. Nicht wahr, Herr Hauptmann?
STURMWALD. Das kommt auf Sie und Ihre Tochter an; ich habe nichts zu thun, kann also alle Stunden heiraten.
STÖßEL. Nun, Alte, wie wär’s, wenn wir einmal zu Werke schritten?
CLAUDIA. Hm – Alte! Hast du keinen andern Namen für mich? Muß ich deswegen alt sein, weil ich meine Tochter verheirate?
STÖßEL. Es ist dir ja noch nie aufgefallen! Du willst doch deswegen nicht jünger werden, weil dir deine Tochter von der Seite kommt?
CLAUDIA. Seht mir doch den Papelhans an!
STURMWALD. Aber Mamachen! Auf die Art kommen wir ja nicht zum Zweck.
Rosalie spricht leise mit Leonore.
CLAUDIA. Nun gut, Ihnen zuliebe wollen wir also von der Hochzeit reden.
LEONORE. Beste Mutter, da Sie über mein künftiges Glück entscheiden wollen, dürft‘ ich nicht bitten, mit mehr Überlegung zu Werke zu gehen?
CLAUDIA. Mit mehr Überlegung? Wir sind also unbesonnen, wissen nicht, was wir thun? Und du willst uns überlegen lehren? Nun, Stößel, was sagst du dazu?
STÖßEL zu Leonore. Glaub‘ mir, mein Kind, wir haben nur dein Glück vor Augen, und eben deswegen verheiraten wir dich an unsern guten Freund, hier an den Herrn Hauptmann.
CLAUDIA zu Stößel. Meister Dummbart, wenn Er als Vater mit Seiner Tochter reden will, so nehm‘ Er einen andern Ton an, geb‘ Er sich ein Ansehn, und steh‘ Er nicht da wie Matz beim Pflaumenmus.
STÖßEL räuspert sich, sucht sich in Autorität zu setzen; mit starker Stimme. Hör‘ einmal, Leonore, wenn der Hauptmann nur ein Bein hat, so hat er desto mehr Geld; wenn er nicht mehr so reizend aussieht wie die jungen Herren, die euch Mädchen freilich besser gefallen, so hat er mehr Erfahrung und wird dir manches erzählen können; und – wenn er älter ist, als du vielleicht wünschest, so – wird er desto eher sterben und dich zur Witwe machen –
CLAUDIA. Was der Kilian daherdahlt! Kannst du nichts anderes zu Markte bringen, als solch dummes Zeug?
STÖßEL. Claudia, du verrückst mir den Kopf, ich weiß wahrhaftig nicht mehr, wie ich reden soll.
CLAUDIA zu Leonore. Kurz und gut, du mußt den Hauptmann heiraten, und damit basta! Sie steht erregt auf.
Die Andern erheben sich mit ihr.
LEONORE. Aber liebste Mutter –
CLAUDIA. Kein Wort weiter! Sie tritt zwischen Sturmwald und Stößel.
ROSALIE zu Claudia. Meine arme Muhme bittet ja nur um Zeit. Sie will erst sehen, ob es ihr möglich ist –
CLAUDIA. Bist du auch da? Wer hat dich zu ihrem Advokaten gemacht? Sicher kommt ihre Widersetzlichkeit von dir her, denn von mir kann sie so was nicht geerbt haben. Wie mir meine Mutter da meinen Mann antrug, sagt‘ ich auf der Stelle ja.
STÖßEL leise zu ihr. Das war doch auch ein Unterschied, Claudia; ich hatte meine graden Glieder –
CLAUDIA. Halt‘ Er’s Maul, ich bitte Ihn, mit Seinen graden Gliedern. Übrigens hab‘ ich auch was Rechts an Ihm erhascht. Hätt‘ ich’s nur so verstanden wie jetzt, ich hätte mich wohl nach was Besserm umgesehen.
Es beginnt dunkler zu werden.
STURMWALD zu Leonore. Mamsell, sollten Sie wirklich Anstand nehmen? Hm! da wüßt‘ ich doch nicht warum? Fürchten Sie sich vor nichts, ich bin gewiß meinen Preis wert.
LEONORE. Daran zweifle ich nicht. Aber vergeben Sie, Herr Hauptmann, die Liebe läßt sich nicht erzwingen.
CLAUDIA zu Leonore. Hinein, ungeratenes Mädchen! Zu Rosalie. Und du, Hofmeisterin, pack‘ dich auch!
STÖßEL. Ja, geht, Kinder, und thut die Kräuter in Pakete, die drin auf dem Tisch liegen.
Rosalie geht ab nach rechts hinten in die Apotheke.
STÖßEL leise zu Leonore, indem er sie bis zur Thür begleitet. Nicht traurig, liebes Kind, du weißt, wie sehr ich dich liebe. Ich werde auch gewiß für dein Glück sorgen.
Nr. 2. Arie.
LEONORE.
Wie kann wohl Freude noch
In meinem Herzen wohnen?
Ich zittre vor dem Joch,
Womit man mich will lohnen.
Süß ist das Band, so Hymen knüpfet,
Wenn Herz und Hand zugleich entschlüpfet.
Doch die sich freventlich
Ungleiche Gatten wählen,
Die müssen ewig sich
In schweren Ketten quälen.
Leonore folgt Rosalie in die Apotheke.
Zweiter Auftritt.
Clandia rechts, Sturmwald in der Mitte, Stößel links am Laubentisch sitzend. Alle Drei setzen sich wieder in vorstehend angegebener Weise.
CLAUDIA spricht. Nein, das thut nicht mehr gut; das Mädchen muß aus dem Hause, je eher je lieber. Wenn’s möglich wäre, heute noch.
STÖßEL. Nu, nu, liebes Weib, nur nichts übereilt.
CLAUDIA. Schreib‘ Er mir nur nichts vor, das bitt‘ ich mir aus. Sollen wir zusehen, bis die Naseweisheit deiner sauberen Nichte uns vielleicht einen Streich spielt? Ich weiß das ganze Komplott, meine Tochter würde sich nicht so sperren, wenn sie ihr nicht den jungen Krautmann in den Kopf gesetzt hätte.
STÖßEL aufspringend. Was? Des Doktor Krautmanns Sohn? Meines ärgsten Feindes? Meines Gegners bei der Fakultät? Nein, da wird mein Blut steif! Eh‘ soll sie – Sich wieder setzend, zu Claudia. Recht, Weibchen! Liebes Herzensweibchen, die Hochzeit soll so bald als möglich – morgen vor sich gehen.
CLAUDIA. Das ist einmal ein Entschluß, der sich hören läßt! Sind Sie’s zufrieden, Herr Hauptmann?
STURMWALD. Ich? Alle Stunden. Ein schlechter Bräutigam, der um Aufschub bittet.
CLAUDIA. Nun, so wollen wir von der Mitgabe sprechen.
STÖßEL sie mahnend. Claudia!
STURMWALD. Was Mitgabe? Ich brauche keine. Ich habe Geld genug –
STÖßEL munter. Und es wäre ohnehin nicht der Mühe wert, was ich mitgeben könnte. Zu Sturmwald. Es macht Ihnen desto mehr Ehre, wenn Sie meine Tochter nehmen, wie sie geht und steht.
CLAUDIA. Und mir desto mehr Schande. Das würde ein Glossieren sein. Mit Fingern würde man auf mich weisen. Nein, da wird nichts draus. Wenigstens zweitausend Gulden mußt du ihr mitgeben.
STÖßEL. Zweitausend Gulden? Claudia! Bist du rasend? Wo soll ich die hernehmen?
CLAUDIA. Aus deiner Kasse.
STÖßEL. Wo nicht so viel Kreuzer sind!
Es wird noch dunkler.
CLAUDIA. So magst du dafür sorgen. Ohne das kommt meine Tochter nicht aus dem Hause, das sag‘ ich dir, und sollte sie morgen mit dem jungen Krautmann davonlaufen.
STÖßEL. Brr! Ein eiskalter Schauer läuft mir über den Rücken. Aber sag‘ mir nur, was du davon hast, daß du mich ruinieren willst, da der Bräutigam zu frieden ist?
CLAUDIA. Bei solchen Gelegenheiten muß man sich zeigen, da haben die Leute Respekt. Und nun an die Ausstattung.
STÖßEL. Extra noch?
CLAUDIA. Versteht sich! Nimm deine Schreibtafel und schreib‘ dir’s auf.
STÖßEL. Siehst du, daß du nicht weißt, was du red’st; es ist ja finster, wie soll ich denn schreiben?
CLAUDIA aufstehend und am Tisch stehen bleibend. Nun, so merke dir’s.
Nr. 3. Terzett.
CLAUDIA am Tisch, zu Stößel.
Fürs erste ist zu wissen,
Daß sie ganz nagelneu
Von Kopf bis zu den Füßen
Zweimal gekleidet sei.
STÖßEL.
Zweimal? Welch eine Fordrung!
STURMWALD.
Einmal ist auch genug.
CLAUDIA.
Nein, nein, so muß es sein,
Ich geh’s nicht anders ein.
STÖßEL.
Zweimal? Welch eine Fordrung!
Zweimal! zweimal?
STURMWALD.
Einmal ist auch genug!
CLAUDIA.
Nein, nein, so muß es sein,
Ich geh’s nicht anders ein.
Sie tritt vor.
STURMWALD leise zu Stößel.
Wir wollen sie nicht stören.
STÖßEL.
Laß also weiter hören!
CLAUDIA.
Ein doppelt Bettgewand –
STÖßEL.
He!
CLAUDIA.
Ein doppelt Bettgewand –
STÖßEL.
Wie?
CLAUDIA.
Mit schönen Überzügen –
STÖßEL.
Nur alles doppelt, schön!
STURMWALD leise.
So laß sie doch nur gehn!
CLAUDIA.
So ist es, so muß es sein!
STÖßEL.
Schön, schön! schön, schön! schön, schön!
STURMWALD.
Laß sie gehn! laß sie gehn!
CLAUDIA bestimmt.
So ist es!
So ist es Brauch!
Dann muß sie auch
Von feiner Leinwand
Zwei Dutzend Hemden kriegen.
STÖßEL.
Claudia, du bist besessen!
STURMWALD.
Ha, ha, ha!
STÖßEL.
Weißt du nicht, daß ich als Mann –
STURMWALD.
Ha, ha, ha!
STÖßEL.
Nur sechs Hemden haben kann?
STURMWALD.
Ha, ha, ha, nicht zu vergessen,
Daß ich nur ein Kriegsmann bin;
Wo sollt‘ ich wohl damit hin?
CLAUDIA.
Tischzeug hätt‘ ich bald vergessen!
Das muß sechsfach und recht fein,
Von der schönsten Gattung sein!
STURMWALD steht auf.
Hahahaha! – Hahaha! ha! – Hahaha! ha! –
Ha, ha, ha, nicht zu vergessen,
Daß ich nur ein Kriegsmann bin;
Wo sollt‘ ich wohl damit hin?
STÖßEL steht auf.
Claudia, du bist besessen!
Weißt du nicht, daß ich als Mann
Nur sechs Hemden haben kann?
CLAUDIA nimmt zwischen beiden die Mitte.
Tischzeug hätt‘ ich bald vergessen!
Das muß sechsfach und recht fein,
Von der schönsten Gattung sein!
Sie geht ab nach rechts hinten in die Apotheke.
Dritter Auftritt.
Stößel, Sturmwald zu seiner Linken.
STÖßEL geht an Sturmwald vorüber nach rechts; spricht. Das Weib will mich zu Grunde richten!
STURMWALD. Ruhig, Freund, bis morgen ist die Zeit zu kurz, um das alles anzuschaffen, und ist die Hochzeit vorbei, dann giebt sich’s von selbst. Und nun –
STÖßEL. Also Sie verlangen –
STURMWALD. Nichts, Herr, als Ihre Tochter.
STÖßEL. Nun, die sollen Sie haben, und das morgen.
STURMWALD. Topp! Gute Nacht! Ich will noch erst ein gut Glas Wein zu mir nehmen.
STÖßEL. Gute Nacht, lieber Hauptmann. Morgen um diese Zeit sind wir näher verwandt.
STURMWALD. An mir soll’s nicht liegen. Gute Nacht! Gute Nacht! Er reicht Stößel die Hand und geht dann ab nach links hinten.
STÖßEL. Ein Glück, daß ich solch einen Schwiegersohn bekomme, meine liebreiche Ehehälfte hätte mir sonst warm gemacht. Nun muß es im Ernst drüber hergehen. Aber jetzt will ich nach meinen Experimenten sehen; gelingt mir’s, so will ich doch gewiß noch den Doktorhut davontragen, und wenn mein Widersacher Krautmann auch darüber platzt. Er geht ab nach rechts hinten in die Apotheke.
Gotthold Krautmann schleicht, in einen Mantel gehüllt, mit einer brennenden Handlaterne von rechts hinter der Apotheke hervor.
Vierter Auftritt.
Gotthold allein.
Nr. 4. Arie.
GOTTHOLD.
Wann hörst du auf, geliebte Qual,
An meinem Herz‘ zu nagen?
Wann enden sich denn wohl einmal
Der Liebe Sehnsuchtsklagen?
O Leonore, voll Entzücken
Komm‘ ich so manche Nacht schon her,
Und hoffe, dich einst zu erblicken,
Doch stets bleibt Wunsch und Hoffnung leer.
Bald schwindet alle Hoffnung hin,
Bald tröst‘ ich mich vergebens;
Bald freut mich nicht mehr, daß ich bin,
Bald ekelt mir des Lebens.
Chirurg Sichel kommt von links.
Gotthold verschwindet beobachtend sofort wieder, als er Sichel kommen sieht.
Fünfter Auftritt.
Gotthold. Sichel.
Nr. 5. Duett.
SICHEL.
Wenn man will zum Mädchen gehen,
Sei man froh und wohlgemut;
Und vor allem muß der Hut
So recht unternehmend stehen!
Denn die Mädchen sehn es gerne,
Wenn man etwas um sie wagt.
Wenn man will zum Mädchen gehen,
Sei man frisch und wohlgemut;
Und vor allem muß der Hut
So recht unternehmend stehen!
Drum Courage, nicht von ferne,
Frisch drauf los und nicht verzagt!
So erlangt man, was man will,
Und erreicht gewiß sein Ziel.
GOTTHOLD tritt näher, für sich.
Sieh! da schleicht wer um die Thüre!
SICHEL für sich.
Halt, da ist wer, wie ich spüre!
GOTTHOLD für sich.
Da schleicht wer um die Thüre!
SICHEL für sich.
Da ist wer, wie ich spüre!
BEIDE.
Das kann nach dem äußern Schein
Wohl ein Nebenbuhler sein!
Am Fenster im ersten Stock über der Laube erscheint Licht.
GOTTHOLD spricht, immer für sich. Wenn ich betrogen wäre!
SICHEL für sich. Was der wohl da herumstreift? Er sieht nach dem Fenster. Ha! das Signal! ein Licht am Fenster, Herr Klysterus ist also in seinem Laboratorium. Gut! der muß aus dem Hause praktiziert werden – Er schleicht aus Haus.
GOTTHOLD für sich. Wahrhaftig, er macht sich an die Thür. Laut, Sichel zur Linken. Wer geht da?
SICHEL laut. Einer, der ein Paar Beine hat.
GOTTHOLD auf ihn zugehend. Wer bist du?
SICHEL. Ein Mensch.
GOTTHOLD. Du willst spaßen; aber wart‘, ich will dir’s vertreiben – Er packt ihn an. Ich will wissen, wie du heißt und was du hier suchst.
SICHEL macht sich los und stößt Gotthold zurück. Wenn dich jemand fragt, so sag‘ du nur, du weißt es nicht. Für sich. Daß der Teufel den Kerl hole!
GOTTHOLD. Laß doch sehen, worauf du pochst. Er leuchtet ihm mit der Laterne ins Gesicht. Sieh da, Sichel! Er ist’s?
SICHEL. Mit Leib und Seele. Und Sie, Herr Krautmann? Mich freut’s, daß Sie sich wohl befinden.
GOTTHOLD. Was sucht Er hier?
SICHEL. Etwas, was mein Vater ganz sicher auch gesucht haben muß, sonst könnt‘ ich nicht in seine Fußstapfen treten.
GOTTHOLD. Laß Er die Possen und red‘ Er vernünftig.
SICHEL. Nun gut. Sie wissen, daß ich vor Ihnen keine Geheimnisse habe – also ich habe eine Verabredung mit einem Mädchen hier im Hause –
GOTTHOLD für sich, etwas böse. Wäre es möglich!
SICHEL. Dabei wissen Sie wohl, ist nun der Dritte gemeiniglich überflüssig; also thun Sie mir hübsch den Gefallen und gehn Sie Ihrer Wege.
GOTTHOLD. Das würd‘ ich auf der Stelle thun, aber ich bin in der nämlichen Angelegenheit hier.
SICHEL. Was? Sie haben auch eine Verabredung?
GOTTHOLD. Ja.
SICHEL. Auch in dem Hause?
GOTTHOLD. Ja. Sieht Er wohl, wo das Licht am Fenster steht?
SICHEL. Das ist aber merkwürdig! Das Licht ist mein Signal.
GOTTHOLD für sich. Aha! wart‘! Laut. Das nämli che Signal hat man mir auch gegeben.
SICHEL für sich. Verflucht! da bin ich schön genarrt!
GOTTHOLD. Weil Er nun selber sagt, daß bei dergleichen Gelegenheiten der Dritte gemeiniglich überflüssig ist, so thu‘ Er mir hübsch den Gefallen und geh‘ Er seiner Wege.
SICHEL O nein! So mit trocknem Munde laß ich mich nicht von der Schüssel jagen, ich muß erst wissen, ob der Tisch wirklich für Sie gedeckt ist.
GOTTHOLD. Will Er, daß wir uns die Hälse brechen sollen?
SICHEL. Dann würde es mit unsrer Liebhaberei schlecht aussehen. Lassen Sie uns. Ha, mir fällt was ein! Soviel ich weiß, sind zwei Mädchen hier im Hause; vielleicht, wenn es Gottes Wille ist, lieben Sie die eine und ich die andere.
GOTTHOLD. Das gebe der Himmel! Wie heißt Sein Mädchen?
SICHEL. Ja, das ist bedenklich. Wenn ich es Ihnen nun nenne, und es wäre das Ihrige, könnte Sie leicht der Schlag treffen; und ob ich gleich eines Nebenbuhlers dadurch los würde, wäre mir’s doch leid um Sie. Hören Sie, ich bin nicht so schreckhaft, denn ich war Feldscher bei der Armee und habe Blut genug über meine Finger laufen lassen; nennen Sie mir ohne Furcht die Ihrige, ich bin ge faßt.
GOTTHOLD. Die meinige heißt –
SICHEL. Halt! Wieviel Silben hat die Ihrige?
GOTTHOLD. Vier.
SICHEL. Sapperment, die meinige hat auch vier. Herr, nun wird’s Ernst. Den ersten Buchstaben?
GOTTHOLD. L.
SICHEL. Viktoria! die meine hat ein R.
GOTTHOLD. Le-
SICHEL. Ro-
GOTTHOLD. Leo-
SICHEL. Rosa-
GOTTHOLD. Leonore!
SICHEL. Rosalie!
GOTTHOLD. Die Tochter des Apothekers Stößel.
SICHEL. Ich nehme mit der Nichte fürlieb.
GOTTHOLD. Vortrefflich! Nun können wir uns desto sicherer einander vertrauen.
SICHEL. Ich stehe zu Befehl.
GOTTHOLD. Er weiß nun meine Liebe, aber mein Unglück weiß Er noch nicht. Leonore soll nächster Tage an den invaliden Hauptmann Sturmwald verheiratet werden. Meinen Vater darf ich von meiner Liebe nichts wissen lassen, denn Er weiß wohl, wie er mit dem Apotheker Stößel steht. Also bleibt mir kein ander Mittel, als Leonore zu entführen. Ich komme deswegen schon acht Tage vergebens her, und wenn es mir nicht bald gelingt, so bin ich ohne Rettung um mein Mädchen gebracht.
SICHEL. Lustig, Ihr Wunsch soll heute noch befriedigt werden.
GOTTHOLD. Heute?
SICHEL. Ja, ich gebe Ihnen mein Wort!
GOTTHOLD. O Sichel, Er ist mein größter Freund, mein Erretter, mein Wohlthäter. Er umarmt ihn und wechselt dabei mit ihm die Stellung.
SICHEL. Sachte, sachte, Sie erdrücken mich. Wenn Sie so mit Ihrer Braut umgehen, so gnade Gott dem armen Kinde.
GOTTHOLD. Zur Sache, lieber Sichel! Wie wollen wir’s anfangen?
SICHEL. Das zuerst Erforderliche ist, den Alten aus dem Hause zu locken.
GOTTHOLD. Ja, aber wie das anfangen?
SICHEL. Das geht leicht. Sehen Sie, jeder reitet sein Steckenpferd. Sobald man es ihm also nur gesattelt vorführt, setzt er sich drauf und galoppiert damit herum.
GOTTHOLD. Was soll das heißen?
SICHEL. Unser Mann ist ein Narr, ein Schwärmer, der sich mit Quacksalberei, Magie und verborgenen Wissenschaften abgiebt; der sich einbildet, besondere Geheimnisse zu besitzen, und seine ganze Apotheke vergißt, wenn sich nur die mindeste Ge legenheit zeigt, eine Kunst zu treiben, von der er nur die unvollkommensten Begriffe hat.
GOTTHOLD. Was soll das aber nützen?
SICHEL. Was das nützen soll? Finden Sie denn nicht, daß ich ihn führen will, wohin es mir beliebt, sobald ich ihm nur Gelegenheit gebe, seine Leidenschaft zu befriedigen?
GOTTHOLD. Ah, ich begreife!
SICHEL. Gut. Es liegt hier ein fremder Kavalier krank, für den Herr Stößel die Arzneien liefert; der arme Herr ist durch seinen dummen Doktor schon halb umgebracht; ob ihn nun der oder der Apotheker vollends umbringt, das ist am Ende alles eins. Ich will mich also für einen Kammerdiener des Halbtoten ausgeben und sagen, mein Herr hätte von seiner großen Kunst gehört und ließe ihn zu sich bitten. Der endoktorierte Apotheker wird also nicht säumen, seinem Rufe Ehre zu machen.
GOTTHOLD. Schmeichelt Er sich nicht zu viel?
SICHEL. Ganz und gar nicht. Sie sollen gleich die Probe sehn. Treten Sie nur beiseite und halten sich hübsch verborgen.
Gotthold tritt zurück in die Laube.
Sechster Auftritt.
Gotthold in der Laube versteckt. Stößel in der Apotheke rechts. Sichel an der Eingangsthür zur Apotheke. Dann Apothekerlehrling Marx.
Nr. 6. Terzett.
SICHEL klopft an die Eingangsthür zur Apotheke rechts hinten; mit verstellter Stimme.
Holla, holla, aufgemacht!
Laßt mich nicht zu lange weilen;
Denn ich muß aufs schnellste eilen,
Darum hurtig, aufgemacht! –
STÖßEL innen.
He! he! wer lärmt so an der Thür?
SICHEL.
Wohnt nicht Meister Stößel hier?
STÖßEL reißt das Fenster über der Laube auf.
Meister Stößel! Meister Stößel! Welch Erfrechen!
Mit mir wagt man so zu sprechen,
Wie mit einem Handwerksmann?
SICHEL.
Machen Sie kein solch Getöse,
Denn ich mein‘ es nicht so böse,
Hören Sie mich lieber an!
GOTTHOLD für sich.
Unsre Absicht geht verloren!
STÖßEL.
Fort! Fort! und laßt mich ungeschoren!
Er macht das Fenster heftig zu.
SICHEL stark schreiend.
Excellentissime!
Et super docte, excellentissime Pharmacopaee!
STÖßEL erleichtert das Fenster wieder öffnend.
Obligatissime, obligatissime,
Quid vis habere, bone amice!
Er schließt das Fenster wieder.
GOTTHOLD für sich.
Ha, nun wird mir wieder leicht,
Nun wird unser Zweck erreicht!
Pause.
Stößel kommt von rechts hinten aus der Apotheke.
SICHEL zu seiner Linken.
Eben hat mein Herr vernommen,
Welch ein großer Mann Sie sind,
Daß Hippokrates ein Kind,
Ohne alle Schmeichelei,
Gegen Sie im Wissen sei.
STÖßEL sich verbeugend.
Gratias – mein lieber Herr!
SICHEL.
Eilends schickt er mich nun her,
Bittet Sie, zu ihm zu kommen.
STÖßEL.
Sogleich! Sogleich! Wer ist Sein Herr?
SICHEL.
Es ist der fremde Kavalier,
Er wohnet gar nicht weit von hier.
STÖßEL.
Nur voran! Ich komme gleich!
SICHEL.
Doch ich bitte, ja zu eilen.
STÖßEL.
O ich will mich gar nicht weilen,
Ich will auch gar nicht weilen!
SICHEL.
Ich bitte, ja zu eilen! –
Servus, doctissime!
GOTTHOLD für sich.
Super stultissime!
STÖßEL.
Obligatissime!
GOTTHOLD für sich.
Super stultissime!
STÖßEL sich verneigend.
Obligatissime!
SICHEL.
Servus, doctissime!
Te expectabimus!
GOTTHOLD für sich.
Te expectabimus!
STÖßEL.
Certo, certissimus!
GOTTHOLD für sich.
Te expectabimus, te expectabimus, te expectabimus!
STÖßEL.
Certo, certissimus, certo, certissimus, certo, certissimus!
SICHEL.
Te expectabimus, te expectabimus, te expectabimus!
GOTTHOLD UND SICHEL für sich.
Herrlich, herrlich, o wie schön!
Recht nach Wunsch und nach Verlangen
Läßt der alte Fuchs sich fangen! –
O wie herrlich, o wie schön
Läßt er sich die Nase drehn!
STÖßEL für sich.
Herrlich, herrlich, o wie schön!
Recht nach Wunsch und nach Verlangen!
Ich muß noch als Doktor prangen! –
O wie herrlich, o wie schön
Wird der Doktorhut mir stehn!
Gotthold und Sichel treten beobachtend nach hinten.
STÖßEL vortretend, spricht für sich. Meine neue Methode macht Aufsehen. Sobald ich nur einen einzigen Kranken wiederherstelle, werd‘ ich in allen Zeitungen berühmt werden, und man wird mir von der Fakultät durch eine Deputation den Doktorhut schicken. Er ruft in die Apotheke rechts hinten. He, Marx! Hut und Stock! Und nimm eine Laterne, und bring‘ mir das Laxiertränkel, das ich vorgestern für den Kranken präpariert habe, der zwei Stunden darauf gestorben ist. Setz‘ es übers Feuer und thu‘ eine Dosis Aloe dazu, dann vermisch‘ es mit einem Extrakt Coquelicot. Zu sich selbst. Vielleicht hilft’s auf diese Art. Man muß nicht verzweifeln. Die Naturen sind nicht gleich; was dem einen ins Grab hilft, kann dem andern auf die Beine helfen. Und ein Laxativ ist nie schädlich, es zeigt der Krankheit den Weg, den sie zu nehmen hat. Wenn der Kranke aber keine Kräfte mehr hat? – Auch dann schadet’s nichts. So ein Laxativ lockt gleich einem Vesikatorium die verborgensten Kräfte herbei. Lauter neue Sätze, wovon die Welt bisher nichts gewußt hat.
Nr. 7. Arie.
STÖßEL selbstbewußt.
Galenus und Hippokrates
Sind gegen mich nur Stümper,
Und alle Herren in us und es
Führ’n einerlei Geklimper.
Nur Paracelsus ist mein Mann,
Paracelsus ist mein Mann,
Und wenn ich den erreichen kann,
Dann gute Nacht, gute Nacht, gute Nacht, Doctores!
Dann reiß‘ ich mich stolz aus dem niedern Gewimmel,
Und glänze vor allen wie Venus am Himmel!
Dann werden sie vor mir sich bücken und drehen,
Und ich werd‘ verächtlich auf sie herabsehen,
Auf sie herab werd‘ ich sehn!
Dann Apotheke, gute Nacht,
Dann zier‘ ich das Katheder!
Von mir lernt dann ein jeder,
Welch seltne und geheime Macht
Ich durch Chemie hervorgebracht!
Dann Apotheke, gute Nacht,
Dann zier‘ ich das Katheder!
Dann lernet ein jeder,
Welch seltne und geheime Macht
Ich durch Chemie hervorgebracht!
Galenus und Hippokrates,
Und Hippokrates und Galenus,
Und Galenus und Hippokrates
Sind gegen mich nur Stümper,
Und alle Herren in us
Und alle Herren in es,
In us, in es, in us, in es
Führ’n einerlei Geklimper.
Nur Paracelsus ist mein Mann,
Und wenn ich den erreichen kann.
Dann gute Nacht, Doctores!
Dann reiß‘ ich mich stolz aus dem niedern Gewimmel,
Und glänze vor allen wie Venus am Himmel!
Dann werden sie vor mir sich bücken und drehen,
Und ich werd‘ verächtlich auf sie herabsehen,
Auf sie herab werd‘ ich sehn!
Dann Apotheke, gute Nacht,
Dann zier‘ ich das Katheder!
Von mir lernt dann ein jeder,
Welch seltne und geheime Macht –
Apothekerlehrling Marx kommt mit einer brennenden Laterne, einer großen Medizinflasche, Hut und Stock von rechts hinten aus der Apotheke.
STÖßEL nimmt Hut und Stock und fährt ohne Pause fort.
Ich durch Chemie hervorgebracht!
Dann Apotheke, gute Nacht,
Dann zier‘ ich das Katheder!
Dann lernet ein jeder,
Welch seltne und geheime Macht
Ich durch Chemie hervorgebracht,
Hervorgebracht, hervorgebracht, hervorgebracht,
Hervorgebracht, hervorgebracht!
Er verschließt seine Eingangsthür und geht mit seinem Lehrling Marx ab nach links vorn.
Siebenter Auftritt.
Gotthold, Sichel zu seiner Linken.
SICHEL tritt vor. Ha, ha, ha! Haben Sie wohl je einen größeren Narren gesehen? Gott gnade seinen Kranken!
GOTTHOLD ebenso. O Sichel, Er ist ein vortrefflicher Mann, sein Einfall war gut. Aber wie kommen wir nun ins Haus?
SICHEL. Das ist das wenigste. Er geht an Gotthold vorüber nach rechts hinten, an die Eingangsthür zur Apotheke, um zu versuchen, ob sie offen ist. Vielleicht – sie ist verschlossen! Er geht nach rechts vorn an das Ladenfenster der Apotheke. Wie sieht’s denn da aus? Viktoria! Hier ist offen Feld. Er öffnet den Laden. Es ist Ihnen doch hoffentlich einerlei, ob Sie durchs Fenster oder durch die Thür zu Ihrer Geliebten kommen? Er probiert und öffnet das Fenster.
GOTTHOLD. Treib‘ Er jetzt keine Possen. Nur hinein!
SICHEL. Sachte, sachte; ich muß Sie erst unterrichten. Es ist eng und winklig darin; wie bald könnten Sie was umstoßen, dann wäre unsere ganze Mühe verloren, und wir würden obendrein als Diebe angehalten. Lassen Sie mich voransteigen, ich weiß Bescheid, weil ich täglich hier bin, und halten Sie sich an mich, ich werde Sie schon führen.
GOTTHOLD. Nur zu, alles wie Er will. Aber – mir fällt noch ein wie werden wir die Mädchen sprechen können? Die Mutter wird ihnen auf dem Halse sitzen.
SICHEL. Ich hoffe, die Mutter schläft schon, mithin wird es nicht schwer halten, zur Nachttoilette der Mädchen zu kommen; und wäre das nicht – je nun – so müssen wir warten, bis sie schlafen geht. Das wird sich alles von selbst finden, ich werde schon rekognoszieren, damit wir nicht dem Feinde in die Hände laufen. Kommen Sie nur, kommen Sie. Er steigt durch das Ladenfenster ein.
GOTTHOLD. Allons! Courage! Er steigt Sichel nach, lehnt den Laden wieder an und schließt das Fenster.
Hauptmann Sturmwald mit einem Stelzfuß und einer Binde über dem Auge kommt etwas angetrunken von links vorn.
Achter Auftritt.
Sturmwald allein.
STURMWALD. Was Teufel! seh‘ ich recht? Da steigen ja, glaub‘ ich, zwei durchs Fenster in meines zukünftigen Schwiegervaters Apotheke? Er geht hinzu. Richtig, sie haben Licht bei sich. Er probiert an dem Laden und macht ihn auf. Auf einmal finster. Das sind ein Paar Spitzbuben. Allons, nach! und meinen Schwiegervater gerettet. Er will nachsteigen, besinnt sich aber eines Bessern. Aber – zwei? Ich allein? – Wer weiß, wieviel ihrer schon voraus sind und – die Partie ist zu ungleich. Das laß ich bleiben – daß ich – Und vielleicht sind’s doch keine Diebe? Könnten es nicht Liebhaber sein? Einer von Rosalie, der andere von Leonore? – Das wird’s auch sein! Was sollte man in einer Apotheke wohl stehlen können! Richtig, es sind Liebhaber! Wart‘, die will ich bezahlen. Ich will meinen Schwiegervater suchen, er ist mir ja unlängst begegnet – die sollen attrappiert werden. Aber Sturmwald! Schon vor der Hochzeit in die große Brüderschaft eingeschrieben werden? – Das ist toll, taugt nichts. Narr! willst du allein übrigbleiben? Ein paar Wochen früher oder später, kommt’s nicht auf eins hinaus? – Doch ich will meinen Schwiegervater aufsuchen – Fort, fort Holla! was ist das? Warum kann ich denn nicht gerade gehen? Mir kommt vor, ich taumle. Bin ich denn etwa benebelt? Ah – bin ja nur zum Bräutigam ausgerüstet.
Nr. 8. Arie.
STURMWALD.
Der Wein – der Wein – der Wein ist ein Specifikum
Für muntern Geist und frische Kräfte;
Er giebt uns neue Lebenssäfte,
Und wirft er uns auch manchmal um,
Was schadt’s! was schadt’s! was schadt’s!
Er bleibt ein treffliches Remedium!
Und wirft er uns auch manchmal um,
Was schadt’s! was schadt’s! was schadt’s!
Er bleibt ein treffliches Remedium,
Bleibt ein Remedium und ein Specifikum,
Und ein Remedium, ein Specifikum,
Ein Remedium, ein Specifikum, ein Remedium!
Er geht ab nach links hinten.
Verwandlung.
Nr. 9. Duett.
Der Vorhang hebt sich nach dem neunten Takte.
Zimmer in Stößels Apotheke. Mittelthür, rechts zu Claudia, links zu Stößels Laboratorium; Schlüssel an allen drei Thüren. Viereckiger großer Mitteltisch mit drei Stühlen; Kräuterpakete und brennendes Licht auf dem Mitteltisch. Links von der Mittelthür ein Kleiderhaken. Bürgerliche Ausstattung. Es ist Abend.
Neunter Auftritt.
Leonore, Rosalie zu ihrer Linken. Dann Claudias Stimme.
Leonore und Rosalie sitzen am Mitteltisch und bringen Kräuter in Pakete.
BEIDE.
Zwei Mädchen saßen manche Nacht
Und harrten ihrer Ritter;
Man gab auf sie sehr sorgsam acht,
Ihr Fenster wahrt‘ ein Gitter.
Sie saßen da und seufzten schwer:
Ach! – Ach! – Ach! – Ach!
LEONORE.
Schwester, sieh doch hin und her,
Und sprich: kommt er?
ROSALIE steht auf, sieht zur Mittelthür hinaus und setzt sich dann wieder.
Nein, Schwester, es ist alles leer!
BEIDE.
Der ungetreue Ritter!
Einst saßen sie und grämten sich
Beim schrecklichen Gewitter;
Die Winde brausten fürchterlich,
Es rasselte am Gitter.
Heut‘, dachten sie, kommt er wohl nicht:
Ach! – Ach! – Ach! – Ach!
LEONORE.
Schwester, komm‘, lösch‘ aus das Licht!
Heut‘ kommt er nicht!
ROSALIE.
So schonte er wohl sein Gesicht?
BEIDE.
Der weichlich-edle Ritter!
Bald hörten sie, trotz Sturm und Wind,
Den Klang von einer Zither,
Und eine Stimm‘: »Ich komme, Kind!«
Sie liefen schnell ans Gitter,
Und sahn und horchten, was geschah:
Ach! – Ach! – Ach! – Ach!
LEONORE.
Schwester, sieh doch, wer wohl da?
Es kommt ganz nah!
ROSALIE.
Ha, Schwester, frisch, er ist es ja!
BEIDE.
Der liebe mut’ge Ritter!
Nun brach man schnell, trotz Sturm und Graus,
Entzwei das Fenstergitter,
Drauf löschte man die Lichter aus,
Und zog herein den Ritter.
Ein heißer Kuß erfolgte dann:
Ach! – Ach! – Ach! – Ach!
LEONORE.
Schwester, was doch wohl ein Mann
Nicht wagen kann!
ROSALIE.
Ja, was fing‘ wohl ein Mädchen an?
BEIDE.
Gäb‘ es nicht mut’ge Ritter!
LEONORE spricht. Meinst du nicht auch, Salchen, daß die Mädchen vormals, da die Männer noch etwas für sie wagten, glücklicher waren als jetzt? Es bricht jetzt keiner mehr ein Gitter aus und befreit sein Mädchen.
ROSALIE. Dafür, Liebe, haben sie aber jetzt weichere Hände.
LEONORE. Weniger weichlich wäre besser! Sieh, mein Gotthold würde dann nicht so gleichgültig und gelassen zusehen, daß man mich einem andern an den Hals wirft. Ach, was bist du glücklicher gegen mich!
ROSALIE. Doch nur verhältnismäßig.
LEONORE. Was willst du denn mehr? Dein Liebhaber sucht dich doch zu sprechen, scheut weder Zeit noch Ort, aber der meine! Ach, du bist wirklich viel glücklicher!
CLAUDIA rechts innen. He! Leonore! Warum gehst du nicht schlafen?
LEONORE leise zu Rosalie. Die schläft wahrhaftig noch nicht. Laut, indem sie aufsteht, gegen die Thür rechts. Der Vater hat mir ja befohlen, erst die Kräuter in Pakete zu bringen.
CLAUDIA rechts innen. Das kann Rosalie thun. Du mußt morgen munter sein, weil du heiratest, mithin leg‘ dich beizeiten zu Bett.
LEONORE leise. Deshalb wollt‘ ich mich lieber mein Lebtage nicht mehr niederlegen.
ROSALIE leise. Du mußt doch gehen, sonst kommt sie noch heraus.
CLAUDIA rechts innen. Nun? Wie wird’s? Antwortest du nicht?
LEONORE laut gegen die Thür rechts. Ich gehe schon! Gute Nacht, Salchen! Leise zu Rosalie. Ach, was bist du glücklich!
ROSALIE ebenso. Laß es gut sein, Liebe. Vielleicht geht es noch besser als du denkst.
LEONORE leise. Ich sehe es nicht ab. Ja, wenn mein Liebhaber soviel Herz hätte als der deinige!
ROSALIE steht auf, leise. Geh, geh, sonst kommt deine Mutter.
LEONORE. Ach! Sie geht langsam ab durch die Mitte.
Zehnter Auftritt.
Rosalie allein.
ROSALIE. Gottlob, daß sie geht! – Mein Schatz kann unmöglich lange ausbleiben – er sollte eigentlich schon da sein. Weiß der Himmel, wo der Schäker heut‘ bleibt? Wär‘ er etwa zur Abwechslung anderswohin gegangen? Ach, das kann nicht sein. Er kommt gewiß. Mir wär’s also gar nicht lieb gewesen, wenn sie hier uns auf dem Halse geblieben wäre. Ich habe sie ja recht von Herzen lieb, aber mit meinem Geliebten will ich allein sein.
Nr. 10. Arie.
ROSALIE.
Verliebte brauchen keine Zeugen,
Sie sind sich selbst genug allein!
Auch wenn sie, satt vom Reden, schweigen,
Und wenn sie schweigen,
Ist doch ihr Wunsch, allein zu sein,
Ihr Wunsch, allein zu sein.
Mit einigen Schritten nach links.
Die Liebe scheut des Tages Rauschen,
Sie sucht die Einsamkeit der Nacht,
Und wo nur Mond und Sterne lauschen,
Da blüht sie auf in voller Pracht,
Ah, in ihrer vollen Pracht.
Leonore Stößel kommt durch die Mitte.
Elfter Auftritt.
Leonore, Rosalie zu ihrer Linken.
LEONORE spricht, ängstlich und halblaut. Bestes Salchen, ich weiß nicht, was das ist. Als ich über den Gang wollte, merkte ich, daß am andern Ende etwas herumtappte. Ich blieb stehen, hörte zischeln, und soviel ich im Finstern bemerken konnte, waren es zwei Männer.
ROSALIE. Zwei?
LEONORE. Ja, zwei, das machte mich eben stutzen. Denn wenn es einer wäre, so hätt‘ ich geglaubt, es wäre dein Liebhaber. Wenn es nun Diebe wären? Ich wollte schon schreien, glaubte aber, es könnten doch Leute sein, vor denen wir uns nicht zu fürchten brauchen. Was ist nun zu thun? Allein geh‘ ich nicht schlafen.
ROSALIE. Still nur, damit deine Mutter nichts merkt. Wir wollen abwarten, was draus entsteht.
Gotthold Krautmann und Chirurg Sichel kommen durch die Mitte.
Zwölfter Auftritt.
Sichel und Gotthold hinter dem Mitteltisch. Leonore und Rosalie links vorn. Dann Claudias Stimme im Zimmer rechts.
LEONORE schreit. Ach! Sie eilt ängstlich an Rosalie vorüber nach links vorn.
Rosalie tritt, sie beschwichtigend, Gotthold entgegen.
SICHEL, GOTTHOLD UND ROSALIE. St! St!
CLAUDIA in ihrem Zimmer rechts. Was giebt’s?
Alle sind erschrocken und ängstlich.
ROSALIE nach einer Pause. Der Kater sprang mir auf den Tisch, ohne daß ich mich’s versah.
CLAUDIA wie vorher in ihrem Zimmer rechts. Wie kommt denn der Kater ins Zimmer?
ROSALIE. Leonore hat die Thür offen gelassen, als sie schlafen gegangen. Als ob sie etwas hinausjagte, indem sie an Gotthold und Sichel vorüber auf die rechte Ecke tritt. Hinaus! – Fort! – Tscha! tscha!
CLAUDIA wie vorher in ihrem Zimmer rechts. Das ist doch entsetzlich, daß man keine Ruhe hat. Wenn ich noch einmal aufgeweckt werde, so sieh zu. Das Folgende mit halblauter Stimme.
In rascher Folge.
GOTTHOLD. Göttliche Leonore!
SICHEL. Bestes Salchen!
LEONORE zu Gotthold. Mein Herr, was wollen Sie?
ROSALIE zu Sichel. Ist das eine Art? So kommt man zu mir?
GOTTHOLD zu Leonore. Was ich will? Ich bin in Gefahr, Sie zu verlieren, und sollte nicht alles wagen?
LEONORE zu Gotthold. Daran hätten Sie eher denken sollen. Nun ist es zu spät. Morgen heirate ich den Hauptmann Sturmwald.
SICHEL der Rosalie indessen angestaunt. Sag‘ mir nur, bist du besessen? Wie soll ich denn anders zu dir kommen, als wie ich leib‘ und lebe?
ROSALIE zu Sichel. Hättst du lieber eine ganze Compagnie mitgebracht.
GOTTHOLD ganz erstaunt zu Leonore. Zu spät? Morgen heiraten Sie? Und das sagen Sie mit solcher Gleichgültigkeit?
LEONORE seufzend. Meine Schuld ist es nicht!
SICHEL zu Rosalie. Ha, ha, ha! Ist’s das? Deshalb sei ruhig. Er redet leise mit ihr.
Rosalie scheint zuerst nicht hören zu wollen, nach und nach aber wird sie aufmerksam und zuletzt ganz munter.
GOTTHOLD zu Leonore. Meine Schuld ist es wahrhaftig auch nicht! Ich suche seit acht Tagen mit Ihnen zu sprechen, bin fast immer bis über Mitternacht vor Ihrem Hause herumgestiegen, aber immer fruchtlos. Heute bin ich endlich so glücklich, Sie zu sehen, und muß mein Todesurteil hören.
LEONORE. Was kann ich thun? Sie wissen, ich steh‘ unter dem Willen meiner Eltern, ich muß gehorchen und meine Hand nach ihrem Befehl vergeben.
GOTTHOLD. Das sollen Sie nicht, wenn Sie anders nicht selbst wollen. Entfliehen Sie mit mir; alles ist dazu bereit; morgen mit Tagesanbruch lassen wir uns gehörig verbinden. Zu Ihrer Beruhigung hab‘ ich hier einen Ehekontrakt, der Sie für die Zukunft sicher stellen wird.
LEONORE. Was fordern Sie?
ROSALIE. Keine Umstände, Liebe; ich gehe samt meinem Zukünftigen ebenfalls mit, wir lassen uns in eurer Gesellschaft trauen, dann suchen wir zusammen Vergebung, erhalten sie, und nur auf die Art kommen wir zu unserem Zweck.
LEONORE. Aber bedenk‘ doch nur, Salchen –
Nr. 11. Finale.
ROSALIE, SICHEL UND GOTTHOLD.
Wer wird im Schiffbruch sich besinnen,
Auf einem Brette zu entrinnen!
Wer gar zu sicher gehen will,
Erreicht am wenigsten sein Ziel.
LEONORE.
Wer meidet wohl der Liebe wegen
Der Eltern Haus und ihren Segen?
SICHEL UND GOTTHOLD.
Wer wahrhaft liebt, wagt wohl noch mehr.
LEONORE.
Wohlan, ich folge, doch sehr schwer.
ALLE VIER.
Wir wollen aller Furcht entsagen,
Es mutig und voll Hoffnung wagen,
Und uns nun ganz der Liebe weihn,
Das Glück wird uns doch günstig sein;
Und uns nun ganz der Liebe weihn,
Das Glück wird uns doch günstig sein!
Sie geben sich die Hände und wenden sich zum Gehen.
CLAUDIA wie vorher in ihrem Zimmer rechts.
Rosalie! Rosalie! Wer ist denn nun schon wieder da?
LEONORE leise.
Die Mutter! Die Mutter! Die Mutter!
DIE ANDERN DREI stets ebenso.
Die Alte! Die Alte!
ALLE VIER stets ebenso.
Ach, fort, fort! geschwinde,
Damit sie uns nicht mehr hier finde!
CLAUDIA wie vorher.
Nun wird’s bald? Oder soll ich kommen?
LEONORE.
Dies hat mir allen Mut benommen!
ROSALIE.
Laß mich nur machen, nur voran!
ROSALIE UND LEONORE.
Ich bin voll Angst, was fang‘ ich an!
SICHEL UND GOTTHOLD.
Fort, daß man uns nicht hindern kann!
ROSALIE UND LEONORE.
Ich bin voll Angst, was fang‘ ich an!
SICHEL UND GOTTHOLD.
Fort, daß man uns nicht hindern kann!
Sie führen Leonore ab durch die Mitte.
Dreizehnter Auftritt.
Claudias Stimme im Zimmer rechts. Rosalie allein.
CLAUDIA wie vorher.
Nun, wirst du reden?
ROSALIE.
Ja doch, ja!
Sie besinnt sich auf eine Ausrede.
Es war der kleine Junge da,
Und wollte hier die Kräuter holen,
Die ich, wie mir der Herr befohlen,
In Päckchen habe abgeteilt;
Und weil er denn nun immer eilt,
So stieß er an den Tisch; ich schmälte,
Weil er so tölpisch war und fehlte;
Das ist es alles auf ein Haar.
CLAUDIA wie vorher.
Du lügst, du lügst, da ist kein Wörtchen wahr!
ROSALIE.
Sie können’s glauben, auf mein Wort.
CLAUDIA wie vorher.
Geh nur zu Bette jetzt, fort! fort!
ROSALIE.
Von Herzen gerne, von Herzen gerne! Gute Nacht, gute Nacht!
Sie will fort.
Leonore, Gotthold Krautmann und Chirurg Sichel kommen durch die Mitte zurück.
Vierzehnter Auftritt.
Rosalie und Leonore rechts. Gotthold und Sichel links.
LEONORE leise, sehr ängstlich.
O weh, wir sind verloren,
Der Vater ist zu Haus;
Die Thüren fest verschlossen,
Kein Mensch kann mehr hinaus!
LEONORE, GOTTHOLD UND SICHEL leise.
Was fangen wir nun an?
ROSALIE ebenso.
Was doch der Zufall kann!
Alle stehen betroffen.
CLAUDIA von innen.
Was Kuckuck giebt’s schon wieder?
Ich muß schon selber sehn.
ROSALIE UND LEONORE stets leise.
Mir zittern alle Glieder,
Sie kommt, wie wird’s uns gehn!
GOTTHOLD UND SICHEL stets ebenso.
Mein Mut fällt nun danieder,
Was wird wohl nun geschehn?
ROSALIE tritt zwischen Gotthold und Sichel.
Geschwind, in unser Zimmer!
Sie drängt Gotthold und Sichel der Mittelthür zu.
LEONORE, GOTTHOLD UND SICHEL.
Da ist der Vater eben!
Rosalie kommt wieder vor.
ALLE.
So weiß ich mir, beim Leben,
Wahrhaftig keinen Rat!
SICHEL zeigt nach links auf das Laboratorium.
Kann man hier sicher sein?
Er tritt an die Thür links.
LEONORE UND ROSALIE.
Da kann kein Mensch hinein!
SICHEL.
Kann man hier sicher sein?
LEONORE UND ROSALIE.
Da kann kein Mensch hinein,
Kein Mensch hinein!
GOTTHOLD hat inzwischen probiert und findet die Thür unverschlossen.
Viktoria! Viktoria! Getroffen! getroffen!
Viktoria! Die Thüre ist ja offen!
LEONORE UND ROSALIE.
Die Thüre wäre offen?
GOTTHOLD.
Ja, ja, die Thür ist offen!
LEONORE UND ROSALIE.
Hinein! hinein! hinein! hinein! hinein! hinein!
GOTTHOLD UND SICHEL.
Herein! herein! herein! herein! herein! herein!
ALLE VIER.
Bis sie zu Bette sein!
Leonore und Rosalie schieben Gotthold und Sichel nach links hinein und treten dann schnell von der Thür fort.
Claudia Stößel kommt im Nachtgewand von rechts.
Fünfzehnter Auftritt.
Claudia rechts. Rosalie in der Mitte. Leonore links.
CLAUDIA.
Nun wollen wir doch sehen! –
Zornig zu Leonore.
Bist du noch immer da?
LEONORE.
Ach, liebste Mutter, ja! liebste Mutter, ja!
CLAUDIA.
Du solltest schlafen gehen,
Hab‘ ich vorhin gesagt.
LEONORE.
Es wär‘ auch schon geschehen,
Doch hab‘ ich’s nicht gewagt.
CLAUDIA tritt zwischen die beiden Mädchen.
Warum nicht? Sprich, weswegen?
ROSALIE.
Sie wollte just sich legen –
LEONORE schüchtern nachsprechend.
Ich wollte just mich legen –
ROSALIE.
Und ging auch deshalb hin –
LEONORE wie vorher.
Und ging auch deshalb hin –
CLAUDIA zu Rosalie, die sie voll Eifer von Leonore fort, nach rechts führt.
Du wirst dich gar nicht regen,
Frau Prokuratorin! –
Zu Leonore, die sie auf die linke Ecke führt.
Nun sprich! –
LEONORE zitternd.
Ich ging –
ROSALIE.
Sie ging –
CLAUDIA zu Rosalie.
Schweig still!
ROSALIE.
Nach ihrem Zimmer –
LEONORE wie vorher.
Nach meinem Zimmer –
CLAUDIA zu Rosalie.
Sprichst du noch immer?
ROSALIE UND LEONORE.
Sie / Ich ging, sie / ich ging nach ihrem / meinem Zimmer –
CLAUDIA.
Schweig still! schweig still! Sprichst du noch immer?
ROSALIE UND LEONORE
Da sah sie / ich jemand stehn –
CLAUDIA zu Rosalie.
Wird, was ich will, geschehn? –
ROSALIE UND LEONORE.
Da sah sie / ich, da sah sie / ich jemand stehn.
Da sah ich, da sah ich jemand stehn.
CLAUDIA zu Rosalie.
Schweig still! schweig still! Wird, was ich will, geschehn?
ROSALIE.
Sie wollte nun nicht weiter gehn –
LEONORE.
Ich wollte nun nicht weiter gehn –
ROSALIE.
Und kam –
CLAUDIA.
Schweig still!
LEONORE.
Und kam –
ROSALIE.
Deshalb –
CLAUDIA.
Schweig still!
LEONORE.
Deshalb –
ROSALIE.
Zurücke –
CLAUDIA.
Schweig still!
LEONORE.
Zurücke.
ROSALIE UND LEONORE.
Und kam deshalb zurücke,
Weil sie / ich nicht wollte weiter gehn.
CLAUDIA.
Sonst ist’s um dich geschehn! Schweig still! Schweig still!
Sonst ist’s um dich geschehn!
Gotthold und Sichel werden beobachtend an der Thür links sichtbar.
Sechszehnter Auftritt.
Die Vorigen. Gotthold und Sichel an der Thür links.
ROSALIE für sich.
Wir vollenden nach Verlangen,
Wenn sie sich nur nicht läßt fangen,
Unsern angelegten Plan!
CLAUDIA für sich.
Hier ist etwas vorgegangen.
Laß nun sehn, wie ich sie fangen
Oder überweisen kann!
LEONORE für sich.
Wüßte sie, was vorgegangen,
Oder könnte sie mich fangen,
Welch Getöse fing sie an!
GOTTHOLD UND SICHEL die Thür ein wenig offen haltend, für sich.
Wir vollenden nach Verlangen,
Lassen sie sich nur nicht fangen,
Unsern angelegten Plan!
Claudia welche bald die eine, bald die andere mißtrauisch beobachtet hat, erblickt plötzlich den Heiratskontrakt, der aus Leonores Tasche hervorsieht, läuft hinzu, reißt ihn heraus und liest ihn, indem sie an Rosalie vorüber nach rechts vorn tritt.
Rosalie tritt ängstlich Leonore näher.
ROSALIE UND LEONORE für sich.
O weh! was ist zu machen?
Nun hilft kein Leugnen mehr.
Rosalie tritt hinter Claudia weg, dieser zur Rechten.
CLAUDIA.
Ei! Ei! allerliebste Sachen!
Nun hilft kein Leugnen mehr!
Pause. Nachdem sie beide scharf fixiert hat, mit pathetischen Schritten zu Leonore.
Wie kommt die Schrift hierher?
ROSALIE.
Ich will es Ihnen sagen.
CLAUDIA zu Rosalie.
Du sollst dich gar nicht wagen.
ROSALIE läßt sich nicht stören.
Sie sah, wie Sie schon wissen –
CLAUDIA zu Leonore.
Du hast kein gut Gewissen –
ROSALIE.
Vorhin beim Schlafengehn
Was an der Thüre stehn.
CLAUDIA mit erhobenen Händen.
Hat man so was gesehn!
ROSALIE.
Herr Krautmann war es eben,
Er wollt‘ die Schrift ihr geben –
CLAUDIA zu Rosalie.
Es kostet dich dein Leben –
ROSALIE.
Sie lief ganz ängstlich fort –
CLAUDIA wie vorher.
Sprichst du nur noch ein Wort!
ROSALIE.
Er folgt‘ ihr bis hierher –
CLAUDIA wie vorher.
Schweig still! kein Wort sprich mehr! schweig still!
Leonore tritt langsam und unauffällig hinter Claudia und Rosalie weg, Rosalie zur Rechten.
ROSALIE.
Er folgt ihr bis hierher –
CLAUDIA.
Schweig, kein Wort sprich mehr, schweig still!
ROSALIE immer schneller.
Und bat sie auf den Knieen,
Mit ihm gleich zu entfliehen!
Sie hörte ihn nicht an,
Allein was wagt ein Mann!
CLAUDIA.
Schweig still!
ROSALIE.
Ich jagt‘ ihn fort, doch er
Warf diese Schrift daher.
CLAUDIA.
Schweig still!
ROSALIE.
Wir hätten sie zerrissen,
Und wollten gar nicht wissen –
CLAUDIA.
Schweig still!
ROSALIE.
Was etwa drinnen steht. –
CLAUDIA voll Galle.
Wie ihr das Mäulchen geht!
ROSALIE wie vorher.
Allein Sie kamen eben!
Voll Zittern und voll Beben
Verbarg sie es so schön,
Wie Sie nun selbst gesehn.
Sie tritt zu Leonore.
CLAUDIA nach einer Pause, sie nachäffend.
Du bist doch nun wohl fertig,
Und etwa gar gewärtig,
Daß ich dir glauben soll?
ROSALIE.
Jawohl!
CLAUDIA.
Du kecke Lügnerin!
Sie giebt Rosalie eine Ohrfeige und tritt dann nach hinten, wo ihr die Eintretenden begegnen.
Apotheker Stößel und Hauptmann Sturmwald kommen betrunken durch die Mitte.
Siebzehnter Auftritt.
Die Vorigen. Stößel. Sturmwald.
STÖßEL.
Ach, Claudia, laß dir entdecken,
Ich bin voll Furcht und voll Schrecken!
Ach, denke nur: Diebe sind hier!
STURMWALD zu Claudia.
Ja, Mütterchen! Diebe sind hier.
STÖßEL.
Diebe sind hier!
STURMWALD.
Diebe sind hier!
STÖßEL.
Diebe sind hier!
STÖßEL UND STURMWALD.
Diebe sind hier, sind hier! –
CLAUDIA.
Nicht Diebe, ich weiß es wohl besser,
Vor Dieben verwahren uns Schlösser;
Da lies nur dies saubre Papier.
Sie giebt Stößel den Heiratskontrakt.
STÖßEL.
Laß sehen, was sagt dies Papier?
STURMWALD.
Ich hab‘ sie hereinsteigen sehen,
Was schiert uns Ihr dummes Papier!
STÖßEL zu Claudia.
Wie kamst du zu diesem Papier?
CLAUDIA.
Gelt, das ist ein saubres Papier!
STURMWALD.
Was schiert uns das dumme Papier!
LEONORE UND ROSALIE leise unter sich.
Verrät uns das Teufelspapier!
STURMWALD.
Das dumme Papier!
CLAUDIA.
Das saubre Papier!
LEONORE für sich.
Das Teufelspapier!
ROSALIE für sich.
Das saubre Papier!
STÖßEL zu Claudia.
Wie kamst du zu diesem, zu diesem Papier?
STURMWALD.
Was schiert uns Ihr dummes, Ihr dummes Papier!
CLAUDIA.
Ich hab‘ es Lenore genommen,
Sie hat es nur eben bekommen.
Ich wette, ich wette, ich wette, er ist noch im Haus!
LEONORE UND ROSALIE für sich.
Ich zittre vor Furcht und vor Schrecken,
Sie müssen sie endlich entdecken,
Wie können sie sicher da sein!
STÖßEL UND STURMWALD.
So muß er hier also wo stecken,
Wir wollen ihn sicher entdecken!
Sie gehen nach rechts auf Claudias Zimmer zu.
Nur hurtig, da wird er wohl sein,
Da wird er wohl sein!
CLAUDIA tritt vor ihre Thür.
Zurück! zurück! Hier darf kein Mensch hinein!
Auch kann er hier unmöglich sein,
Unmöglich kann er hier sein,
Dies ist, dies ist mein Schlafgemach!
Gotthold und Sichel schließen ihre Thür.
STÖßEL UND STURMWALD.
So wollen wir anderswo sehen,
Fort konnt‘ er unmöglich doch gehen!
Er wird also sicher hier sein.
LEONORE UND ROSALIE nach links blickend, für sich.
Nun ist es schon um sie geschehen.
Sie werden nun sicher dort sehen,
Und gehen gewißlich hinein,
Gewißlich hinein!
CLAUDIA nach links auf das Laboratorium zeigend.
Sie müssen nach jenseits sich drehen,
Fort konnt‘ er unmöglich doch gehen,
Er wird also sicher hier sein!
Sturmwald wankt nach links auf Stößels Laboratorium zu.
STÖßEL tritt vor seine Thür.
Zurück! Zurück von diesem Heiligtum!
Hier ist mein Lab’ratorium,
Da darf kein Mensch hinein,
Hier ist mein Lab’ratorium!
CLAUDIA UND STURMWALD.
Und darin wird er sicher sein, wird er sein!
LEONORE UND ROSALIE freudig für sich.
O gut, er läßt sie nicht hinein!
STÖßEL.
Nein, nein! hier bin ich Herr allein,
Kein Sterblicher kann sonst hinein!
Er zieht den Schlüssel aus seiner Tasche und zeigt ihn; für sich.
Mir schlägt mein Herz gleich einem Hammer,
Denn kämen sie in meine Kammer,
Sie stürzten meine Arbeit ein!
CLAUDIA UND STURMWALD für sich.
Mir schlägt mein Herz gleich einem Hammer,
Gewiß sind sie in jener Kammer,
Und doch läßt er uns nicht hinein!
LEONORE UND ROSALIE für sich.
Mein Herz pocht wieder nun vor Freude,
Wir können doch vielleicht noch beide
Uns eines guten Ausgangs freun!
GOTTHOLD UND SICHEL öffnen ihre Thür ein wenig und sehen heraus.
Mein Herz pocht wieder nun vor Freude,
Wir können doch vielleicht noch beide
Uns eines guten Ausgangs freun!
CLAUDIA nach einer Pause zu Stößel.
Nun denn, Herr Meister Dummerjahn,
Was fängt Er denn nun jetzt wohl an?
STÖßEL.
Weil man ihn nirgends finden kann,
So legt, so legt, so legt man sich zu Bette dann.
CLAUDIA UND STURMWALD.
Und läßt den Kerl allhier im Haus?
STÖßEL.
Man legt sich –
CLAUDIA UND STURMWALD.
Nein, Mann / Herr, da wird gewiß nichts draus!
STÖßEL.
Zu Bette!
CLAUDIA UND STURMWALD.
Und läßt den Kerl allhier im Haus?
STÖßEL.
Zu Bette!
LEONORE UND ROSALIE für sich.
Vortrefflich, gingen sie nur schon!
CLAUDIA UND STURMWALD.
Nein, Mann / Herr, da wird gewiß nichts draus!
GOTTHOLD UND SICHEL für sich.
So kämen wir noch gut davon!
Sie schließen ihre Thür.
STÖßEL.
Man legt sich zu Bette!
Man legt sich, man legt sich zu Bette!
CLAUDIA zu Rosalie, die sie zur Thür rechts schiebt.
Fort du, fort du! du schläfst in meinem Zimmer!
Zu Leonore.
Bei dir schlaf‘ ich!
Zu Rosalie.
Dich schließ‘ ich ein,
So kann man endlich ruhig sein.
STURMWALD.
Und ich, und ich, ich schlafe hier im Zimmer.
Er trägt einen Stuhl vor das Laboratorium links.
In diesem Stuhl, vor dieser Thür,
So überseh‘ ich das Revier.
LEONORE UND ROSALIE sehr niedergeschlagen, für sich.
So ist das Glück uns denn entgegen,
Die Hoffnung ist nun gänzlich aus,
Wie kommen sie nun aus dem Haus?
CLAUDIA.
Nun wollen wir uns niederlegen;
Sei er meintwegen noch im Haus,
Sein Plänchen führt er doch nicht aus.
STURMWALD.
Nun laßt den Herren sich nur regen,
Er kommt gewiß mir nicht hinaus
Und denkt zeitlebens an das Haus!
STÖßEL hängt den Schlüssel an den Thürpfosten der Mittelthür.
Recht gut, ich habe nichts dagegen;
Hier hängt der Schlüssel denn vom Haus,
Damit Sie können früh hinaus.
CLAUDIA nimmt Rosalie bei der Hand.
Gute Nacht! Gute Nacht!
Gute Nacht! Gute Nacht!
LEONORE UND ROSALIE sich betrübt umsehend.
Gute Nacht! Gute Nacht!
STÖßEL zu Sturmwald, indem er sich zum Abgang wendet.
Gute Nacht! Gute Nacht!
STURMWALD ruft hinterher.
Gute Nacht! Gute Nacht!
Claudia führt Rosalie ab nach rechts in ihr Zimmer, schließt zu und steckt den Schlüssel ein; dann geht sie mit Leonore ab durch die Mitte.
Stößel folgt Claudia durch die Mitte.
Achtzehnter Auftritt.
Sturmwald allein.
STURMWALD setzt sich auf den Stuhl an der Thür links und richtet sich, stark betrunken, zum Schlafen ein.
Nun mag der Herr kommen –
Ich will ihn – schon jagen!
Er zieht den Degen mit der Scheide heraus und legt ihn neben sich.
Was gilt’s, er denkt daran!
Er zieht Rock und Weste aus und deckt sich damit zu.
Und wenn ich auch schlafe,
So soll er’s – nicht wagen! –
Gähnend.
U-a! – U-a!
Schläfrig.
Ich bin ihm doch Mann –
Immer leiser.
Ha! Ha! – Nur rühren –
Ja! Ja! – Schon spüren –
Komm an – Ha! – Ha! – Komm – an –
Er schläft und schnarcht rhythmisch.
Gotthold und Sichel schleichen aus dem Zimmer links herein.
Neunzehnter Auftritt.
Gotthold und Sichel. Sturmwald schlafend.
SICHEL.
Wer will lieben, muß auch wagen,
In Gefahr nicht gleich verzagen,
Wenn das Glück auch nicht gleich lacht!
Nur beherzt, die Liebe wacht! –
Er nimmt Sturmwald das hölzerne Bein ab, dann Rock, Weste, Degen und Stock.
GOTTHOLD.
Sag‘ Er mir, was will Er machen?
SICHEL legt die Dinge beiseite.
Stille doch!
GOTTHOLD.
Wozu helfen uns die Sachen?
SICHEL.
Stille, stille, packen Sie nur an!
Beide tragen Sturmwald mit dem Stuhl nach links in Stößels Laboratorium.
Sichel verschließt dann die Thür und läßt den Schlüssel stecken.
Das Zwischenspiel ist nach Erfordernis zu wiederholen.
SICHEL ohne Zeitmaß und gesprochen.
Nun, Bramarbas, magst du träumen!
Zu Gotthold, gesungen.
Herr, wir wollen jetzt nicht säumen,
Diese Sachen nehmen wir,
Er nimmt Sturmwalds Sachen: Rock, Weste, Degen, Stock und das hölzerne Bein wieder an sich.
Und Sie sind als Sturmwald hier,
Früh, sobald es nur wird grauen,
Lassen sich statt seiner trauen,
Und somit ist alles aus!
Er nimmt den Hausschlüssel vom Thürpfosten an der Mittelthür.
Hierdurch sind wir Herrn vom Haus,
Ist das nicht klug ausgedacht?
GOTTHOLD war ihm in allem behilflich.
Ganz vortrefflich ausgedacht!
BEIDE.
Wer will lieben, muß auch wagen,
In Gefahr nicht gleich verzagen,
Wenn das Glück auch nicht gleich lacht,
Nur beherzt, die Liebe wacht!
Wer will lieben, muß auch wagen,
In Gefahr nicht gleich verzagen,
Nur beherzt, die Liebe wacht!
Zweimal erst nach rechts, dann zweimal nach links grüßend.
Gute Nacht! Gute Nacht! Gute Nacht! Gute Nacht!
Dann nach beiden Seiten grüßend.
Gute Nacht! Gute Nacht! Gute Nacht! Gute Nacht!
Sie gehen ab durch die Mitte und nehmen Sturmwalds Sachen mit.
Umzug: Sichel und Gotthold.
Zweiter Aufzug.
Nr. 12. Arie.
Der Vorhang hebt sich nach dem fünften Takte.
Kurze Straße.
Es ist Tag.
Erster Auftritt.
Doktor Krautmann allein.
KRAUTMANN kommt von links.
Ein Doktor ist, bei meiner Ehr‘,
Der größte Mann im Staate!
Denn wer nützt außer ihm wohl mehr?
Selbst keiner aus dem Rate.
Denn diese können weiter nichts,
Diese können weiter nichts,
Als projektieren, konsultieren,
Referieren, kontrollieren,
Kondemnieren, exequieren,
Und noch mehr solch Zeug in – ieren.
Doch keinem so das Leben
Als wie ein Doktor geben!
Der muß hingegen früh aufstehn,
Und abends spät zu Bette gehn.
Muß früh aufstehn, zu Bette spät gehn,
Muß spät zu Bette gehn!
Der muß hingegen früh aufstehn,
Und abends spät zu Bette gehn,
Muß früh aufstehn,
Und abends spät zu Bette gehn!
Zu Bette, zu Bette, zu Bette spät gehn!
Der Diener Gallus kommt von links.
Zweiter Auftritt.
Krautmann, Gallus zu seiner Linken.
GALLUS. Ach, Herr Doktor, Sie sind schon so früh auf der Straße? Vortrefflich! denn eben wollt‘ ich zu Ihnen gehen und Sie zu meinem Herrn holen. Kommen Sie geschwind, sonst treffen Sie ihn nicht mehr lebendig an.
KRAUTMANN. Das ist nicht möglich. Das kann nicht sein. Ihr Leute macht gleich aus einer Mücke einen Elefanten! Ich weiß besser, was die Krankheit für einen Gang zu nehmen hat; es ist nicht der erste, der mir daran gestorben ist. Hunderte sind schon begraben, die ich in dieser Krankheit unter den Händen gehabt habe. Frühstens kann er in drei Tagen so sein, wie Ihr ihn da beschreibt.
GALLUS. Sie wissen nicht –
KRAUTMANN. Ich wüßte nicht? Für wen seht Ihr mich an? Für einen Quacksalber? Ich weiß nur zu gut, daß er sterben kann, Beiseite. daß er sterben wird; Laut. aber jetzt nicht, in vier bis fünf Tagen, und das wird sich zeigen.
GALLUS. Sie können vollkommen recht haben. Aber Sie wissen doch nicht, daß der Apotheker Stößel diese Nacht bei ihm gewesen ist und ihm eine Medizin gegeben hat, die ihn eine Stunde darauf so stark angegriffen und bis jetzt so zugerichtet hat, daß wir alle Augenblicke fürchten, er giebt seinen Geist auf.
KRAUTMANN. Was? Der Apotheker Stößel hat Eurem Herrn eine Medizin ohne mein Wissen gegeben? Der Unverschämte! Wer hat sich unterstanden, ihn zu holen?
GALLUS. Kein Mensch will was davon wissen; alle unsre Bedienten schwören, daß keiner nach ihm gegangen ist.
KRAUTMANN. Ah, das sind also deine Werke, Herr Adept! Doktor von Windofen? Auf und ab gehend. Nun, das soll dein letztes Stückchen sein. Ich hoffe zu Gott, daß der Graf sterben wird, alsdann wollen wir schon ein paar Worte miteinander sprechen, Herr Klistierfabrikant – man soll dich hinweisen, wo du hingehörst.
GALLUS. Mäßigen Sie Ihren Zorn, Herr Doktor, und kommen Sie lieber zu meinem Herrn.
KRAUTMANN. O dieser Quacksalber! Pest des menschlichen Geschlechts! das sind die wahren Feinde des Staats! Er bleibt stehen. Mein Freund, wenn Ihr die Gesetze der alten Römer kenntet – Ihr würdet einsehen, wie unrecht man hat, daß man sie hintansetzt. Sie setzen die schärfsten Strafen auf den Mißbrauch. Aber es geschieht uns recht, warum befolgt man sie nicht.
GALLUS. Aber Herr Doktor, mein Herr stirbt unterdessen!
KRAUTMANN. Ein Arzt war bei den Römern eine geheiligte Person! Aber was mußte er auch für Proben ablegen, ehe er dafür erkannt wurde! Da hätte sich jemand unterstehen sollen, ohne Befugnis zu doktern –
GALLUS. Aber bedenken Sie doch, daß mein Herr, während Sie da beweisen, gewiß die lange Reise antritt.
KRAUTMANN. Je nun, glückliche Reise! Ich bin nicht schuld daran; warum legt man Pfuschern nicht das Handwerk! Wie gesagt – diese weisen Republikaner, die gewiß mehr verstanden als wir heutzutage –
GALLUS. Ums Himmels willen, Herr Doktor – mein Herr liegt in den letzten Zügen –
KRAUTMANN. Noch nicht, Freund, noch nicht – Wieder auf die Römer zu kommen –
GALLUS. Die sind alle tot, Herr Doktor – Kommen Sie lieber zu meinem Herrn, damit er nicht auch zu ihnen geht.
KRAUTMANN. Laßt ihm zur Ader, gebt ihm kalt Wasser, und damit gut.
GALLUS. Aber so kommen Sie doch mit.
KRAUTMANN. Hat man mich nicht eher hören wollen, so Auf und ab gehend. Ich kann nicht mehr zu Eurem Herrn kommen, ich kann keinem Pfuscher nacharbeiten. Überdies muß ich auch jetzt einen Patienten besuchen, der schon acht Tage krank ist; Euer Herr liegt erst seit fünf Tagen danieder – die Anciennetät geht vor, mithin –
GALLUS. Aber wenn mein Herr unterdessen stirbt?
KRAUTMANN. So repetiert das Aderlassen, gebt ihm doppelte Portion kalt Wasser, so wird er wieder zu sich kommen. Er geht ab nach links.
GALLUS. Wenn er tot ist? Nachsehend und mit Beziehung auf Krautmann auf die Stirn weisend. Mir scheint – Er folgt nach links.
Nr. 13. Duett.
GALLUS.
Vermaledeit sei die Methode!
Die ganze Doktorei ist Dunst!
KRAUTMANN.
Ich weiche nicht von meiner Mode,
Denn ich verstehe meine Kunst!
Die Menschen wären zu beklagen,
Nähm‘ sich bei schweren Krankheitsplagen
Kein kluger Doktor ihrer an.
GALLUS.
Wie ist der Mensch doch zu beklagen,
Daß er bei so viel andern Plagen
Den Doktor nicht entbehren kann! –
Oft liegt der Patient im Grabe,
Und noch weiß nicht der Doktor klar,
Was des Verstorbnen Krankheit war.
KRAUTMANN.
Ihr seid ein unverschämter Knabe!
GALLUS.
Beweist mir, daß ich unrecht habe!
KRAUTMANN.
Ich werd‘ Euch zeigen, wer ich bin!
GALLUS.
Kommt mit zu meinem Herren hin.
KRAUTMANN.
Ich gehe keinen Schritt mehr hin.
GALLUS.
Nun sagt doch, daß ich unrecht habe!
Nicht wahr, Ihr wißt Euch nicht mehr Rat?
KRAUTMANN.
Ich bin ein Mann, Ihr frecher Knabe,
Der vielen schon geholfen hat.
Ich bin ein Mann, Ihr frecher Knabe,
Der vielen schon geholfen hat.
GALLUS.
Nun sagt doch, daß ich unrecht habe!
Nicht wahr, Ihr wißt Euch nicht mehr Rat,
Der viele schon begraben hat!
Er geht ab nach links.
Dritter Auftritt.
Krautmann allein.
KRAUTMANN. Das ist ein unverschämter Schlingel! Nimm dich in acht, Bube, daß du nicht unter meine Hände kommst, ich würde dich Mores lehren! Daß ich der Narr wäre und deinen Herrn noch besuchte, jetzt, da keine Hilfe mehr möglich ist! Eben recht, daß Meister Stößel dazwischen gekommen ist; zu helfen war ihm ohnehin nicht, nun heißt es, Stößel hat ihn heimgeschickt, und ich verliere meine Reputation nicht. Immer gut, wenn man bei gewissen berühmten Leuten einen andern vorschieben kann. Doch halt! Ganz ausbleiben darf ich nicht, ich muß – ja, ein Konsilium will ich veranstalten und beweisen, wie ich die Krankheit geführt habe, und geführt hätte, woraus dann ganz natürlich erhellen muß, daß ich den Grafen hergestellt haben würde, wenn Stößels Medizin nicht alles verdorben hätte, daher denn ganz natürlich erfolgen muß, daß Stößel ihn umgebracht hat. So kommt Meister Kohlendampf in die Enge, und wird sich nicht wieder gelüsten lassen, einem graduierten Doktor sein Verdienst zu schmälern und die Krankheit abzukürzen.
Verwandlung.
Zimmer der Verwandlung des ersten Aufzugs in Stößels Haus. Schlüssel an allen drei Thüren. Schreibzeug auf dem Mitteltisch. Es ist Tag.
Vierter Auftritt.
Stößel allein.
STÖßEL. Mein Schwiegersohn schon fort? Das wundert mich. Er war doch gestern in einem Zustande, daß ich gewiß dachte, er würde unter zwölf Stunden nicht ausschlafen. Aber freilich, Soldaten sind so was gewöhnt, das nehmen sie auf die Schultern und laufen damit davon, wo unsereiner sich gegen drei Tage mit Kopfweh herumschleppen muß. Unterdessen wünscht‘ ich doch, er gewöhnte sich’s ab, sonst wird er bei meiner Tochter wenig Progressen machen. Sie mag ihn ohnehin nicht leiden, und ein betrunkener Mann insinuiert sich selten. Ich habe in der That Mitleid mit dem armen Mädchen, denn so eine gute Partie der Hauptmann auch ist, so ist’s doch kein Mann, der ihr gefallen kann. Der junge Krautmann ist freilich eine ebenso gute Partie, aber – der Sohn meines Todfeindes? Nein, da kann nichts draus werden.
Nr. 14. Arie.
STÖßEL.
Viel eher soll sie gar nicht frein,
Als meines Feindes Tochter sein,
Der mich nur stets prostituieret,
Gar vor die Fakultät citieret!
Nein, nein, da wird gewiß nichts draus.
Mich überall verächtlich machen,
Und meiner Wissenschaften lachen?
Was ich entdecke, zu verachten?
Und nur nach meinem Fall zu trachten?
Nein, nein! Nein, nein! Da wird gewiß nichts draus.
Viel eher soll sie gar nicht frein,
Als dieses Mannes Tochter sein!
Jetzt will ich nach meinen Entdeckungen sehen. Er sieht den Schlüssel an der Thür zu seinem Laboratorium links und schließt auf. Da haben wir’s, gestern wollte man mir durchaus behaupten, daß sich die Diebe hier verborgen hätten, und es war doch verschlossen. Ha, ha, die ganze Sache war am Ende eine Finte, um mit Gelegenheit hineinzukommen. Aber ich war klüger als sie alle! Ha, ha, Doktor Stößel fängt man so nicht! Nun geschwind! Er geht auf das Laboratorium links zu, als ob er hinein wolle. Hernach will ich den Grafen besuchen. Was gilt’s, mein Mittel hat ihm auf die Beine geholfen. Er ist im Begriff, hineinzugehen.
Gotthold Krautmann als Notar mit einer Mappe, worin der echte und der falsche Kontrakt, Chirurg Sichel als Sturmwald verkleidet, kommen durch die Mitte.
Fünfter Auftritt.
Gotthold rechts. Sichel in der Mitte. Stößel links.
SICHEL Sturmwalds Ton nachahmend. Blitz und Wetter! schon auf, Schwiegervater?
STÖßEL. Ah, guten Morgen! Guten Morgen! Sie waren schon aus dem Hause und Sie sind schon wieder da?
SICHEL. Blitz und Wetter, ja! Ich habe noch vor der Reveille den Herrn da aus den Federn gejagt und den Heiratskontrakt aufsetzen lassen, damit Sie beim Aufstehen gemachte Arbeit finden sollen.
Gotthold zieht den echten Kontrakt aus seiner Mappe hervor.
SICHEL ohne Pause fortfahrend. Was macht Frau Claudia? Holen Sie sie her, auch die Braut, wir wollen sogleich unterschreiben, und hernach in die Kirche; denn Bomben und Kartaunen, zu Mittag will ich schon verheiratet sein! Die Hochzeitstafel ist auch schon bestellt. Also fort, fort!
STÖßEL. Gleich, gleich! Aber lieber Herr Hauptmann, warum denn gar so eilig?
SICHEL. Der gestrige Vorfall hat mich konsterniert. Alle Teufel! ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können! Wie gesagt, bis Mittag bin ich Ihr au thentischer Schwiegersohn, oder ich gebe Ihrer Tochter den Laufpaß.
STÖßEL. Nu, nu, nu, das soll nicht geschehen. Aber lieber Herr Hauptmann, Wegen des gestrigen Vorfalls. ich glaube immer, Sie haben nicht recht gesehen, denn wo sollten die Diebe oder Liebhaber hingekommen sein?
SICHEL. Alle Teufel, nicht recht gesehen? Denken Sie etwa, ich bin betrunken gewesen? Herr, ich wette tausend Dukaten, der Schurke ist noch in Ihrem Hause und da steckt er. Er zeigt nach links. Ah, eben recht, der Schlüssel steckt, wir wollen gleich sehen. Er geht auf das Laboratorium links zu.
STÖßEL springt eilig an die Thür, schließt ab und steckt den Schlüssel ein. Nimmermehr! Hier kommt kein profaner Mensch herein.
Gotthold zeigt durch den ganzen Auftritt, daß ihm Sichels Benehmen nicht recht sei.
SICHEL. Schwiegervater! Hol‘ mich der Teufel! Beinahe hätt‘ ich Lust, Ihre Tochter sitzen zu lassen, weil Sie so wenig Vertrauen zu mir haben.
STÖßEL. Nach Belieben! Eher soll meine Tochter zeitlebens ohne Mann bleiben, als daß mein Laboratorium entheiligt würde. Was, meine Geheimnisse, meine sublimen Arbeiten sollten von unreinen Augen begafft werden? Nimmermehr!
GOTTHOLD heimlich und voll Angst zu Sichel. Ums Himmels willen, mach‘ Er ein Ende!
SICHEL zu Stößel. Basta! der Vernünftige giebt nach! Holen Sie Ihre Frau und Ihre Tochter. Er reißt Gotthold den Kontrakt aus der Hand. Da, lassen Sie die Frauen zuvor den Kontrakt lesen, damit wir alsdann keine weiteren Schwierigkeiten haben.
STÖßEL nimmt den Kontrakt. Ganz recht, sie sollen gleich hier sein. Er geht zuerst nach links ans Laboratorium und probiert, ob es zu ist, und eilt dann mit dem Kontrakte Gottholds ab durch die Mitte.
Sechster Auftritt.
Gotthold, Sichel zu seiner Linken.
SICHEL. Ha, ha, ha, der alte Fuchs wird artig geprellt!
GOTTHOLD. Aber ums Himmels willen, was treibt Er? Fordert ihn auf, das Kabinett zu öffnen! Wenn er es nun gethan hätte?
SICHEL. O davor war ich sicher, und eben deswegen that ich’s, um ihn desto unbesorgter zu machen.
GOTTHOLD. Und dann schreit Er so gewaltig! Er zeigt nach links. Wenn nun der Hauptmann drinnen wach würde?
SICHEL. O der Weinschlauch wird vor Mittag gewiß nicht wach. Lassen Sie sich das keine Sorge sein. Machen Sie nur Ihre Sache so gut wie ich, und verwechseln Sie den Kontrakt bei der Unterschrift recht geschickt. Sie haben ihn doch bei der Hand?
GOTTHOLD. O ja! Er sucht den falschen Kontrakt aus seiner Mappe hervor und zeigt ihn. Hier! Er legt ihn wieder in seine Mappe. Aber – lieber Sichel, mir wird doch bange – wenn wir entdeckt würden!
SICHEL. Ei, zum Henker! Ein Liebhaber und so wenig Courage! Mit einer Unze Glück und zwei Lot Unverschämtheit muß man in der Liebe zu Felde ziehen. Und wenn ich unser Glück berechne, so kommt ein halbes Pfund heraus. Den Alten durch List aus dem Hause zu jagen; glücklich hereinzukommen; Gefahr laufen überrascht zu werden; glücklich sich verstecken; auf dem Punkt stehen entdeckt zu werden, und doch glücklich der Entdeckung entgehen und ebenso glücklich wieder aus dem Hause zu kommen; im Besitze von des Bräutigams Maske zu sein, und den Alten glücklich damit zu blenden; Potz Glück und kein Ende! Nun – und mit unsrer Unverschämtheit sieht’s wahrhaftig nicht anders aus. Was zittern Sie denn also noch?
GOTTHOLD. Ach, Sichel, wenn man auf dem Punkte steht, sein Liebstes vielleicht auf ewig zu verlieren, wer sollte da nicht zittern? Wären wir nur schon mit unseren Mädchen im Freien!
SICHEL. Ja, und wären mit den Vätern schon ausgesöhnt! Nicht wahr? Dann glaub‘ ich freilich, daß Sie nicht mehr zittern werden. Fort mit dem kindischen Wesen! Wir sind auf dem geraden Weg zum goldnen Vließ, also nicht verzagt. Er geht an Gotthold vorüber auf das Zimmer rechts zu. He! Rosalchen! Engelchen! Beherrscherin meines geringen Wesens! Laß deine Stimme hören, und erquicke mich durch einen Laut!
Siebenter Auftritt.
Rosalie im Zimmer rechts. Sichel, Gotthold zu seiner Linken.
ROSALIE im Zimmer rechts. Was giebt’s? Wer ist da?
SICHEL. Ich, dein Sklav‘, dein Herr, dein Diener!
ROSALIE wie vorher. Ums Himmels willen, sieh, wie du aus dem Hause kommst.
SICHEL. O mein Engel, deshalb sorge du nicht. Ich war schon draußen, bin schon wieder herein und werd‘ auch wieder hinauskommen; denn was kann die Liebe nicht. Wenn du sehen könntest, wie sie mich zugerichtet hat! Meine geraden Glieder sind hin. Ich hinke jetzt, hab‘ eines von den schönen Augen verloren, worin du dich so oft spiegeltest und die du so bewundertest. Kurz, ich sehe aus wie der leibhafte Sturmwald.
GOTTHOLD. Ums Himmels willen, laß Er die Possen.
ROSALIE wie vorher. Was ist denn geschehen?
SICHEL. Probiere nur, ob du aufmachen kannst. Du wirst alles erfahren.
Rosalie versucht von innen das Schloß aufzumachen.
GOTTHOLD. Er wird noch alles verderben.
SICHEL. Sorgen Sie nicht. Ich will nur das Vergnügen haben, mich von ihr bedauern zu hören! Das ist vorderhand so eine kleine Wollust, die einem ganz excellent wohlthut, und um diese wollen Sie mich doch nicht bringen.
ROSALIE welche die Thür endlich aufbringt und herauseilt, erschrickt vor Sichels Verkleidung und tritt schreiend zurück. Ah!
GOTTHOLD links. Ums Himmels willen, schreien Sie nicht!
SICHEL in der Mitte, sich traurig stellend. Nicht wahr? Ich sehe zum Erbarmen aus?
ROSALIE rechts. Sag‘ mir nur, was das heißen soll?
GOTTHOLD. Es ist nur Verstellung! Verdrießlich zu Sichel. Ich wette, Er wird so lange Spaß treiben, bis unser ganzer Entwurf scheitert.
ROSALIE zu Gotthold. Und Sie? Wie sehen denn Sie aus? Ich begreife nicht –
SICHEL. Auch eine Metamorphose der Liebe. Kurz, wir sind hier, euch zu befreien. Er zeigt nach links. Der wahre Sturmwald liegt da drin und schnarcht. Meister Stößel nimmt mich dafür, eben holt er seine Tochter, den Kontrakt zu unterschreiben. Ich schicke euch alsdann unter dem Vorwand, ein Brautfrühstück bei mir einzunehmen, mit dem Herrn Notarius voraus. Halte alsdann die Alten hier noch so lange auf, bis ich glaube, daß ihr aus der Stadt seid, dann komme ich nach. Wagen und Quartier, alles ist schon bestellt, und somit wollen wir noch vormittags kopuliert sein und abends als junge Eheleute zurückkehren. Gefällt dir das, mein Engel?
Gotthold wird unruhig, geht nach hinten an die Mittelthür und horcht.
ROSALIE. Ganz vortrefflich! Wenn nur alles geht, wie es soll.
SICHEL. Das wird es sicher.
GOTTHOLD. Wenn Er’s nicht verdirbt. Ich dächte, Sie gingen wieder ins Zimmer, damit die Alle nicht Unrat merkt, wenn sie kommt.
ROSALIE. Ja, das will ich! Sie will sich entfernen. Nur klug und behutsam!
SICHEL. Keine Sorge! Wart‘, ich geh‘ mit! ich habe dir noch manches zu sagen.
ROSALIE. Nicht doch! Sie hält ihn ab.
GOTTHOLD. So bleib‘ Er doch da. Es ist ja alles hin, wenn sie kommen und Er ist drin.
SICHEL. Ich muß. Ich werde schon noch eher herauskommen, und allenfalls geben Sie mir ein Zeichen, wenn sie eher kämen. Er läßt sich nicht aufhalten und geht mit Rosalie ab ins Zimmer rechts.
Achter Auftritt.
Gotthold allein. Dann Stimmen hinter der Mittelthür.
GOTTHOLD. Entsetzlicher Mensch! Er setzt alles aufs Spiel, geht mit der größten Gleichgültigkeit zu Werke, und mir ist so bange! Nimmermehr kann er so wahrhaft lieben wie ich.
Nr. 15. Arie.
Wahre Liebe wird zwar hoffen,
Doch nie unbesonnen sein,
Dann ist’s Herz der Freude offen,
Wenn die Wünsche treffen ein.
Leonore, Claudia und Stößel sprechen hinter der Mittelthür.
GOTTHOLD eilt zur Thür rechts.
Hurtig heraus! Sie kommen! Fort, fort!
Sichel und Rosalie kommen von rechts heraus. Sichel schiebt Rosalie ins Zimmer rechts.
Rosalie schließt von innen zu.
SICHEL zu Gotthold.
Nur Courage jetzt!
Leonore, Clandia, Stößel mit dem echten Kontrakt in der Hand kommen durch die Mitte.
Neunter Auftritt.
Leonore und Claudia rechts. Sichel in der Mitte. Stößel und Gotthold links.
SICHEL zu Stößel, immer im Tone Sturmwalds. Alle Wetter! das dauert ja eine Ewigkeit. Beinahe wäre ich fortgegangen, denn gar so lange warten ist eben meine Sache nicht. Überdies wartet auch das Frühstück bei mir, das ich für Sie alle bestellt habe.
CLAUDIA zu Sichel. Wer konnte sich denn aber auch einbilden, daß Sie gar so früh da sein würden.
SICHEL. Ja, liebstes Mütterchen, das ist alten Soldaten so eigen. Vor Tage macht man immer die besten Expeditionen. Doch jetzt lassen Sie uns zum Werke schreiten. Zu Stößel. Haben Sie gelesen? Alles gut?
STÖßEL. Vortrefflich!
CLAUDIA. Nur die Ausstattung von unsrer Seite ist zu gering
SICHEL. O da lassen Sie mich sorgen. Zu Gotthold. Allons, Herr Notarius, lassen Sie unterschreiben.
Leonore tritt an Claudia vorüber neben den Mitteltisch.
Gotthold wendet sich hinter Stößel und Sichel weg zum Mitteltisch, wobei er sich von Stößel den echten Kontrakt geben läßt, den er in seine Mappe legt; hinter dem Mitteltisch angekommen, öffnet er seine Mappe, nimmt den falschen Kontrakt heraus, breitet ihn auf dem Tische aus, ergreift grotesk die Feder, taucht sie ein und präsentiert sie Leonore.
SICHEL zu Claudia. Noch eins, Mamachen. Lassen Sie doch Rosalie auf freien Fuß. Das arme Kind quält sich dadrin.
CLANDIA. Ei, sie kann warten.
SICHEL. Nichts da. Sie muß dabei sein, sonst setze ich keine Feder an. Das Frühstück ist für sie mit aufgetragen.
CLAUDIA. Nun, wenn Sie denn durchaus wollen. Sie öffnet die Thür rechts und läßt Rosalie heraus.
Zehnter Auftritt.
Die Vorigen. Rosalie.
CLAUDIA zu Rosalie. Daß du dich klug aufführst, Leonore nichts in den Kopf setzst, sonst –
LEONORE wirft die Feder hin. Ich unterschreibe nicht. Sie tritt einige Schritte vor.
Claudia und Stößel gehen nach vorn an sie heran und nehmen sie in die Mitte.
Nr. 16. Sextett.
CLAUDIA UND STÖßEL.
Was ist das für ein Betragen?
Du erfrechst dich, das zu sagen!
Wie? Du unterschreibest nicht?
LEONORE.
Nein! Nein! Ich unterschreibe nicht!
CLAUDIA UND STÖßEL.
Gut, das wollen wir doch sehen!
Sie suchen sie an den Mitteltisch zu ziehen.
Unterschreib‘ den Augenblick!
Gotthold tritt auf die linke Ecke.
SICHEL kommt vor zwischen Stößel und Gotthold und will Leonore an der Hand fassen.
Da hilft nichts, es muß geschehen,
Und zwar gleich den Augenblick.
Leonore stößt ihn zurück.
ROSALIE UND GOTTHOLD für sich.
O sie würde nicht anstehen,
Kennte sie ihr ganzes Glück!
O sie würde nicht anstehen,
Kennte sie ihr ganzes Glück!
CLAUDIA UND STÖßEL.
Gut, das wollen wir doch sehen,
Unterschreib‘ den Augenblick!
SICHEL.
Da hilft nichts, es muß geschehen,
Und zwar gleich den Augenblick!
LEONORE.
Beste Eltern, ich erliege, ich erliege!
CLAUDIA UND STÖßEL.
Narrenspossen! nur geschrieben!
ROSALIE UND GOTTHOLD auf Sichel weisend, für sich.
Der wird alles noch verderben,
Braucht er ferner noch Gewalt!
LEONORE zu Claudia und Stößel.
Sie befördern mein Verderben,
Zwingen Sie mich mit Gewalt.
CLAUDIA UND STÖßEL.
Ei, du wirst nicht davon sterben,
Fort, sonst brauchen wir Gewalt!
SICHEL zu Leonore.
Daran werden Sie nicht sterben,
Fort, sonst brauchen wir Gewalt, Gewalt!
ROSALIE nach rechts vortretend, zu Leonore.
Beste, Beste, laß dir doch nur sagen!
CLAUDIA stößt Rosalie zurück.
Fort, du hast ihr nichts zu sagen!
ROSALIE tritt hinter Claudia weg zwischen Claudia und Leonore.
Gönnen Sie mir nur ein Wort!
CLAUDIA UND STÖßEL zu Rosalie.
Keine Silbe, fort, fort, fort!
GOTTHOLD leise zu dem neben ihm stehenden Sichel.
Sag‘ Er mir, ist Er besessen!
Was erwartet Er hiervon?
LEONORE.
O ich laß mich nicht bethören,
Wen ich liebe, weiß ich schon!
ROSALIE leise zu Leonore.
Könntest du ein Wörtchen hören,
Hättest unterschrieben schon!
CLAUDIA UND STÖßEL zu Rosalie.
Geh, sie braucht nicht deine Lehren,
Was du willst, das weiß ich schon!
Claudia schiebt Rosalie vor sich vorüber nach rechts.
SICHEL zu Gotthold.
Ei, Sie werden mich nicht lehren,
Was ich mache, weiß ich schon!
Rosalie geht hinten herum, Gotthold zur Linken.
SICHEL.
Still! Still! Das rat‘ ich einem jeden,
Ich will jetzt als Bräut’gam reden,
Unterbreche man mich nicht!
Er tritt an Stößel vorüber zu Leonore.
Mamsell, plagt Sie der Teufel?
Was haben Sie für Zweifel?
Bin ich nicht, wie ich soll?
GOTTHOLD UND ROSALIE beiseite.
Der Mensch ist rasend, toll!
SICHEL zu Leonore.
Wenn Sie sich nicht entschließen,
Will ich zum mind’sten wissen,
Woran es mir denn fehlt?
GOTTHOLD UND ROSALIE beiseite.
Wie er die Arme quält!
SICHEL wie vorher.
Nicht wahr, Sie lieben schon
Des Doktor Krautmanns Sohn?
GOTTHOLD UND ROSALIE beiseite.
Der Schurke spricht uns Hohn!
SICHEL wie vorher.
Des Doktor Krautmanns Sohn?
GOTTHOLD UND ROSALIE beiseite.
Der Schurke spricht uns Hohn!
LEONORE zu Sichel.
Ja, ja, Herr! Ich liebe schon!
CLAUDIA zu Leonore.
Das weiß ich lange schon!
Wie verwegen! Wie vermessen!
Unsers ärgsten Feindes Sohn?
LEONORE wie vorher.
Ja, Herr, ich liebe schon!
Niemals werd‘ ich ihn vergessen,
Lange liebte ich ihn schon!
SICHEL zu Leonore.
Des Doktor Krautmanns Sohn?
O den müssen Sie vergessen,
Der spricht Ihrer Liebe Hohn!
STÖßEL zu Gotthold.
Wie? Meines Feindes Sohn?
Wie verwegen! Wie vermessen!
Unsers ärgsten Feindes Sohn?
GOTTHOLD für sich.
Der Schurke spricht uns Hohn!
An Stößel vorüber zu Sichel tretend, leise.
Hat der Teufel Ihn besessen?
Für sich.
Sicher lauf‘ ich noch davon!
ROSALIE für sich.
Der Schurke spricht uns Hohn!
Hat der Teufel ihn besessen?
Sicher lauf‘ ich noch davon!
LEONORE.
Ihn erwählte ich vor allen,
Ihm gehört mein Herz allein!
SICHEL leise zu Gotthold.
Gelt, das schmeckt? Das muß gefallen,
Zeuge seines Glücks zu sein!
LEONORE.
Ihn erwählt‘ ich mir vor allen!
SICHEL wie vorher.
Gelt, das schmeckt?
LEONORE.
Ihm gehört mein Herz allein!
SICHEL wie vorher, immer langsamer und leiser.
Gelt, das schmeckt? Gelt, das schmeckt?
Gelt, das schmeckt? Gelt, das schmeckt?
Stößel tritt an Gotthold und Sichel vorüber zu Leonore.
CLAUDIA UND STÖßEL zu Leonore.
Unterschreibe! Fort, behende,
Willst du unser Kind noch sein!
Unterschreibe! – Fort, behende,
Willst du unser Kind noch sein!
LEONORE für sich.
Meine Qual ist nicht zu nennen,
O ich leide Höllenpein!
SICHEL leise zu Gotthold.
Geben Sie sich zu erkennen,
So wird’s gleich zu Ende sein.
GOTTHOLD UND ROSALIE für sich.
Was soll aber wohl das Ende
Von dem ganzen Handel sein?
SICHEL tritt zwischen Leonore und Stößel.
Still! Still! Ich bitte, nun zu schweigen.
Nach Gotthold hin.
Herr Notar, Sie werden nun zeigen,
Was Beredsamkeit vermag!
Er nimmt Claudia und Stößel an der Hand und führt beide geheimnisvoll auf die linke Ecke.
Rosalie schleicht hinten vorüber, Leonore zur Rechten.
Gotthold tritt Leonore zur Linken.
GOTTHOLD leise zu Leonore, nachdem er sich zu erkennen gegeben.
Werden Sie sich noch bedenken,
Schriftlich mir Ihr Herz zu schenken,
Da Sie’s mündlich schon gethan?
ROSALIE leise zu Leonore.
Wirst du dich nun noch bedenken,
Schriftlich ihm dein Herz zu schenken,
Da du’s mündlich schon gethan?
SICHEL geheimnisvoll zu Stößel und Claudia.
Eben wird er ihr erzählen,
Krautmann wolle sich vermählen,
Und dann nimmt sie mich wohl an.
LEONORE leise zu Gotthold.
Konnte mir so was nur träumen?
O nun will ich gar nicht säumen
Und ich schreibe herzlich gern.
CLAUDIA UND STÖßEL leise zu Sichel.
Was Sie sagen! Sich vermählen?
Ja, dann wird es gar nicht fehlen,
O nun unterschreibt sie gern!
ROSALIE leise zu Leonore.
Wirst du dich nun noch bedenken,
Schriftlich ihm dein Herz zu schenken,
Da du’s mündlich schon gethan?
LEONORE wie vorher.
Konnte mir so was nur träumen?
O nun will ich gar nicht säumen
Und ich schreibe herzlich gern.
GOTTHOLD leise zu Leonore.
Werden Sie sich noch bedenken,
Schriftlich mir Ihr Herz zu schenken,
Da Sie’s mündlich schon gethan?
CLAUDIA UND STÖßEL leise zu Sichel.
Was Sie sagen! Sich vermählen?
Ja, dann wird es gar nicht fehlen,
O nun unterschreibt sie gern!
SICHEL wie vorher.
Eben wird er ihr erzählen,
Krautmann wolle sich vermählen,
Und dann nimmt sie mich wohl an.
Leonore tritt hinter den Mitteltisch, ergreift die Kielfeder und unterschreibt.
Sichel tritt an ihre Stelle zwischen Rosalie und Gotthold.
LEONORE legt die Feder nieder.
Hier ist meine Unterschrift!
Sie tritt Gotthold zur Linken vor.
Stößel und Claudia treten hinter den Mitteltisch und unterschreiben.
SICHEL leise zu Rosalie und Gotthold.
Hab‘ ich nicht was Gut’s gestift’t?
GOTTHOLD UND ROSALIE leise.
Ja, Er hat was Gut’s gestift’t!
Ja, du hast was Gut’s gestift’t!
Sie wiederholen freudig.
STÖßEL UND CLAUDIA.
Hier ist unsre Unterschrift!
Sie treten nach links vor.
Sichel tritt hinter den Mitteltisch, thut, als ob er unterschriebe und giebt dann, indem er zwischen Gotthold und Leonore vortritt, den Kontrakt an Gotthold.
ALLE.
Nun haben wir die Unterschrift! –
ALLE für sich.
Nun hab‘ ich bald nichts mehr zu scheun,
Dann werd‘ ich meines Plans mich freun;
Nur standhaft und nicht gleich verzagt!
Gewinnt man wohl, wenn man nichts wagt?
SICHEL spricht, zu Leonore. Nun, du kleine Blitzhe xe, du bist also die Meine?
LEONORE seufzend. Weil es das Schicksal so haben will!
STÖßEL. Recht, Kind, das Schicksal will es so haben. Denn wenn es das Schicksal nicht so hätte haben wollen, so – wär‘ es anders gegangen. Und da mußt du also denken, was das Schicksal will, das will es; und da kann der Mensch nicht widerstreben, thut auch am besten, wenn er nicht widerstrebt, denn es hilft nichts, es muß doch geschehen, was das Schicksal will, denn das Schicksal ist das Schicksal.
CLAUDIA. O paple doch nicht so in den Tag hinein. Mit seinem Schicksal! Du kommst ja gar nicht wieder heraus. Papperlapapp! Sie ist des Hauptmanns Frau geworden, weil ich es so haben wollte und damit gut.
SICHEL. Recht, weil Sie es so haben wollen. Nach Ihrem Kopfe muß alles gehen, und geht auch, hier haben wir’s handgreiflich. Aber nun, Kinder, mein Frühstück wartet. Zu Gotthold. Herr Notarius, gehen Sie indessen mit den jungen Damen voraus. Wir werden gleich nachkommen.
GOTTHOLD pathetisch. Nach Euer Gnaden Befehl. Er thut, als wolle er gehen.
CLAUDIA. Ei, wozu denn das? Wir wollen gleich alle zusammen hin. Ich will mich nur ein wenig an ders anziehen, bin gleich wieder hier. Sie geht ab durch die Mitte.
Elfter Auftritt.
Die Vorigen ohne Claudia.
GOTTHOLD leise zu Sichel. Noch sind wir nicht am Ufer! Wenn die Alte uns nun an der Seite bleibt?
SICHEL leise erwidernd. Nur Geduld! Laut. Ja, ich kann Ihnen nicht helfen, Herr Notar, Sie müssen schon noch ein wenig warten – Sie haben wohl gehört, es muß alles nach ihrem Kopfe gehen.
Gotthold geht nach hinten.
ROSALIE leise zu Sichel. Ums Himmels willen! Mach‘, daß wir fortkommen!
SICHEL zu Stößel. Der Herr Notarius will nicht mehr warten, er hat Geschäfte –
STÖßEL. Sie wird gleich wiederkommen, nur ein wenig Geduld.
SICHEL. Ja, wenn sie’s zu lange macht –
STÖßEL zu Leonore. Nun, mein Kind! Bist du denn nun zufrieden – ruhig?
LEONORE seufzend. Noch nicht, lieber Vater.
STÖßEL. Nun, nun, wirst’s schon werden!
LEONORE seufzend. Ich wünsche es!
Nr. 17. Arie.
LEONORE.
Zufriedenheit gilt mehr als Kronen,
Besonders noch im Ehestand;
Kein Gut kann dieses Glück da lohnen,
Die Ehe wird ein Rosenband. –
Ist mir dies Glück beschieden,
Und leb‘ ich nur zufrieden,
Vertausch‘ ich meinen Ehestand
Nicht gegen Schätze, Prunk und Tand!
Zufriedenheit gilt mehr als Kronen,
Kein Gut kann dieses Glück da lohnen,
Die Ehe wird ein Rosenband.
STÖßEL. Recht so, mein Kind! denk‘ an mich, du wirst gewiß zufrieden sein.
LEONORE. Ich hoffe es wenigstens. Sie geht nach rechts hinten.
Gotthold kommt vor, Stößel zur Rechten.
SICHEL der indes besorgt herumgetrippelt ist und mit Rosalie Abrede genommen zu haben scheint. Ha, Bomben und Granaten! das dauert mir zu lange! Schwiegervater, weder meine Schwiegermutter noch mein Weib soll irgend einen Willen über mich haben, ergo will ich auch gleich mein Recht exerzieren und nicht nach ihrem Kopfe handeln.
Leonore tritt zwischen Rosalie und Sichel vor.
SICHEL nimmt Rosalie, Leonore und Gotthold zusammen. Fort dann indessen.
ROSALIE. Sie wird aber böse werden. Leise zu Leonore. Sperr‘ dich!
STÖßEL. Ja, ja, sie wird böse werden.
SICHEL. Mag sie. Wenn sie sieht, daß es ihr nichts hilft, wird sie schon wieder gut werden und es in Zukunft bleiben lassen. Nur fort!
LEONORE. Unmöglich!
ROSALIE. Ich will nachsehen, ob sie bald kommt. Sie stellt sich, als ob sie fort wollte.
SICHEL tritt ihr, hinter Leonore weg, in den Weg. Nichts da! Es geht, wie ich will, oder ich gehe allein fort, und dann kann man sehen, wie man mich wieder herbringt. Er nimmt die rechte Ecke.
GOTTHOLD heimlich zu Stößel. Lassen Sie ihm seinen Willen, ich rate Ihnen Gutes, er hat seinen eigenen Kopf.
STÖßEL verlegen. Nun, so geht denn, Kinder, geht. Aber Sie müssen’s verantworten, Herr Sohn.
SICHEL. Das werd‘ ich! Keine Sorge.
LEONORE. Kommen Sie nur bald nach.
GOTTHOLD. Nur fort, fort! Er tritt zwischen Rosalie und Leonore und nimmt sie unter den Arm.
ROSALIE im Abgehen zu Sichel. Wir hoffen Sie bald zu sehen.
Rosalie, Gotthold und Leonore gehen ab durch die Mitte.
Zwölfter Auftritt.
Sichel, Stößel zu seiner Linken.
SICHEL für sich. Wenn sie der Alten nur nicht in den Weg kommen!
STÖßEL. Ei, ei, Herr Sohn, ich fürchte einen großen Lärm, wenn meine Frau kommt!
SICHEL der immer gegen die Mittelthür, wo die andern abgegangen sind, zu horchen scheint. Blitz und Wetter! Schämen Sie sich, daß Sie nicht mehr Mann sind! Mir sollte meine Frau das mindeste vorschreiben wollen, ich würde sie jagen. Gleich anfangs muß man ihnen den Daumen aufs Auge drücken! Nun, Sie sollen schon sehen, wie ich mein Hauswesen einrichten werde.
STÖßEL. Ja, ich glaub’s schon, daß Sie sich auf einen festeren Fuß setzen werden, aber das nützt mir jetzt doch nichts. Sie werden sehen, wir werden heute den ganzen Tag Sturm haben; wer weiß, ob heut‘ die Hochzeit vor sich geht.
SICHEL. Ei, Larifari! darein soll sie nicht so viel reden.
STÖßEL. Nun, ich überlasse das Ihnen, Sie mögen’s verantworten und ausfechten.
SICHEL. Topp! das will ich! Für sich. Nun sind sie wohl fort; nun will ich mich auch davon machen.
STÖßEL. Was simulieren Sie? Nicht wahr, Sie fürchten sich?
SICHEL. Tod und Teufel! fürchten? Vor einem Weibe? Ich fürchte mich vor dem stärksten Manne nicht und – ha, ha, ha! das wär‘ schön! Das Lärmen, das Zanken ist mir nur zuwider –
STÖßEL. Nun, gerade so geht mir’s ja auch. Weiter scheue ich auch nichts.
SICHEL. Und heut‘ möcht‘ ich nun gerade keine Zänkerei haben. Aber hören Sie, ich will hin zu ihr und ihr das Ding auf gute Art vorbringen, damit sie uns heut‘ die Lust nicht verdirbt. Er will ab.
STÖßEL. Ja, thun Sie das.
SICHEL. Sie müssen hier bleiben. Sobald Sie dabei sind, fängt sie gleich Feuer.
STÖßEL. Auch wahr; mir schon recht.
Sichel ist im Begriff, durch die Mitte abzugehen.
Dreizehnter Auftritt.
Die Vorigen. Sturmwalds Stimme im Zimmer links.
STURMWALD im Zimmer links. He! holla! Tod und Teufel! wo bin ich?
STÖßEL erschrocken. Was ist das? Zu Sichel, den er aufhält. Hören Sie doch!
SICHEL für sich. Alle Teufel! Nur ein paar Minuten später!
STURMWALD wie vorher. Mord! Tausend Pestilenz! Was ist das für ein verdammtes Loch?
STÖßEL. Unbegreiflich!
SICHEL. Habe ich’s nicht gesagt, daß er da drin wäre? Sie wollten aber nicht glauben. Nun, der soll trefflich bezahlt werden. Warten Sie nur hier, ich will geschwind die Wache holen. Er will fort.
STÖßEL hält ihn auf und wechselt dabei mit ihm die Stellung. Nicht doch, inkommodieren Sie sich nicht. Im Begriff abzugehen. Ich bin geschwinder auf den Beinen –
STURMWALD wie vorher. Herr Stößel! Frau Stößel!
STÖßEL. Er ruft mich? Die Stimme –
SICHEL verlegen. Spitzbuben versuchen alles – nur fort nach der Wache.
Stößel stößt ihn fort und eilt ab durch die Mitte.
STURMWALD wie vorher. Will kein Teufel hören?
SICHEL. Nun sitze ich sauber in der Tinte! Er ruft nach der Mitte hin, wo Stößel abgegangen ist. Ich hätte mich gern inkommodiert, hättest du mich nur gehen lassen. Mit deiner verdammten Höflichkeit. Was ist nun zu thun? Er geht nach dem Zimmer rechts, wo Rosalie eingesperrt gewesen, und versucht, ob es offen sei. Holla! hier ist noch ein Rückzug! Er zieht Rock und Weste aus, schnallt das hölzerne Bein ab, wirft Stock, Degen und alles, was zu Sturmwalds Anzug gehört, von sich.
STURMWALD wie vorher. Tausend Sapperment, ich breche alles in Stücke!
SICHEL. Meinethalben. Da ist kein anderer Rat, ich muß zum Fenster hinab. Verdammter Streich! Daß der alte Weinschlauch nicht noch ein paar Minuten schlafen konnte! So! Nun Courage! Er geht ab in das Zimmer rechts und schließt inwendig zu.
Der Apotheker Stößel kommt durch die Mitte zurück.
Vierzehnter Auftritt.
Stößel. Sturmwalds Stimme im Zimmer links.
STÖßEL. Die Wache wird gleich kommen. Er sieht die Sachen auf dem Boden. Was ist denn das?
STURMWALD im Zimmer links. Herr Stößel! Hölle und Teufel!
STÖßEL. Ich weiß nicht – das ist ja doch des Hauptmanns Stimme?
STURMWALD wie vorher. Frau Stößel!
STÖßEL ängstlich. Ich zittre! Wie geht das zu? Sollte der Hauptmann doppelt sein?
STURMWALD wie vorher. Aufgemacht! Er rüttelt an der Thür.
STÖßEL an der Thür links rufend. Wer ist denn da drin?
STURMWALD wie vorher. Ich, der Hauptmann Sturmwald, Ihr zukünftiger Schwiegersohn.
STÖßEL. Gott steh‘ mir bei, er ist’s wahrhaftig!
STURMWALD wie vorher. So machen Sie doch auf!
STÖßEL ängstlich. Gleich, gleich! Er schließt auf und läßt Sturmwald heraus.
Sturmwald hinkt ohne Rock und Weste von links heraus, den kurzen Fuß auf einen Stuhl stützend, an Stößel vorbei, nach rechts sich bewegend.
STÖßEL prallt zurück. Alle guten Geister!
STURMWALD. Was ist das für eine Art, mich in das verdammte Loch da zu sperren!
STÖßEL. Mein Laboratorium – ein verdammtes Loch! Er läuft hin und sieht hinein. O Paracelsus! Der Sitz meiner Geheimnisse profaniert! Herr, wie sind Sie da hineingekommen?
STURMWALD. Zum Teufel, das müssen Sie wissen. Ich weiß nichts davon.
STÖßEL. Sie waren ja diesen Augenblick erst hier.
STURMWALD. Wer, ich? Sind Sie toll?
STÖßEL. Sie haben ja den Heiratskontrakt unterschrieben und – o das geht nimmermehr natürlich zu!
STURMWALD. Herr, wollen Sie mich bei lebendigem Leibe zum Gespenst machen? Oder bin ich Ihr Narr?
STÖßEL. Sie haben ja meine Tochter mit dem Notarius diesen Augenblick in Ihr Quartier geschickt.
STURMWALD. Sie sind toll! Seit gestern, als Sie mich hier verlassen haben, hab‘ ich keine menschliche Seele gesehen, weiß weder, wie ich um mein Bein gekommen, noch wer mich da eingesperrt hat.
STÖßEL. So sind wir betrogen, schändlich betrogen. O weh, o weh! meine Tochter ist fort, Rosalie ist fort! Ich muß ihnen nach! Er will fort.
STURMWALD hält ihn auf und wechselt mit ihm die Stellung. Halt, Herr! Helfen Sie mich erst ankleiden, ich will nicht dastehen wie ein Narr.
STÖßEL hilft ihm erst das hölzerne Bein anschnallen, dann ankleiden. Entsetzlich! Aber wo ist der hingekommen, der sich für Sie ausgab? Lauter Geheimnisse!
STURMWALD. Ich wette, das ist der junge Krautmann gewesen. Sagt‘ ich’s doch gestern; aber Sie wollten nicht glauben! Blitz und Donner, mich so zu prellen! Wart‘, das soll dir teuer zu stehen kommen.
Nr. 18. Arie.
STURMWALD auf und ab gehend.
So verfährt man mit Soldaten? –
Ha, potz Bomben und Granaten,
Potz Flinten und Kartaunen,
Wart‘, du kriegst schon deinen Lohn! –
Unter dichtem Kugelregen
Half ich Tausende erlegen;
Stürzte wie ein Löw‘ ins Feuer,
Fetzte, würgte wie ein Geier,
Bis Appell den Garaus machte
Und man Siegeszeichen brachte;
Ich war auf dem Schlachtfeld da,
Bis man schrie Viktoria! Viktoria! Viktoria!
Bis man schrie Viktoria! –
Und nach soviel blut’gen Treffen
Will man mich so schändlich äffen?
Nein, potz Bomben und Granaten!
So verfährt man nicht mit Soldaten!
Potz Bomben und Granaten! Potz Bomben und Granaten!
Bursche, wart‘! ich krieg‘ dich schon
Und bezahl‘ dir deinen Lohn! –
Und nach soviel blut’gen Treffen
Will man mich so schändlich äffen?
Unter dichtem Kugelregen
Half ich Tausende erlegen;
Stürzte wie ein Löw‘ ins Feuer,
Fetzte, würgte wie ein Geier,
Bis Appell den Garaus machte
Und man Siegeszeichen brachte;
Ich war auf dem Schlachtfeld da,
Bis man schrie Viktoria! Viktoria! Viktoria!
Bis man schrie Viktoria!
Unter dichtem Kugelregen
Half ich Tausende erlegen;
Stürzte wie ein Löw‘ ins Feuer,
Fetzte, würgte wie ein Geier,
Bis Appell den Garaus machte
Und man Siegeszeichen brachte;
Ich war auf dem Schlachtfeld da,
Bis man schrie Viktoria! Viktoria! Viktoria!
Bis man schrie Viktoria!
Stößel und Sturmwald wollen ab durch die Mitte.
Claudia Stößel tritt ihnen umgekleidet von dort entgegen.
Fünfzehnter Auftritt.
Stößel rechts. Claudia in der Mitte. Sturmwald links.
CLAUDIA. Nun? Wohin? – Wohin?
STÖßEL. Ach, Claudia! Wir sind schändlich betrogen! Dies hier ist der rechte Herr Hauptmann, der andre war ein Schurke, ein Spitzbube –
CLAUDIA. Welcher andre?
STÖßEL. Nun, der mit dem Notarius da war.
CLAUDIA zu Sturmwald. Was? Waren Sie denn das nicht?
STURMWALD. Ei, der Teufel auch! Er zeigt nach links. Ich war die Nacht da in dem verdammten Loche eingesperrt; wie ich hineingekommen, weiß der Henker.
CLAUDIA. Da drin? Wie ist denn das möglich?
STÖßEL. Ja, das weiß Gott! Natürlich geht das nimmermehr zu, der Schlüssel ist nicht von meiner Seite gekommen –
CLAUDIA zu Stößel. O geh, du Dummbart! Du weißt dein‘ Tage nicht, wo du den Kopf hast. Sie haben also vorhin nicht den Kontrakt unterschreiben lassen?
STURMWALD. Ich weiß von keinem Kontrakt, ich bin ja diesen Augenblick erst aus dem Loche gekommen. Aber ich will den Schurken züchtigen. Fort, Herr Stößel, wir müssen ihn aufsuchen. Er will fort.
CLAUDIA. So warten Sie doch.
Sturmwald bleibt.
CLAUDIA. Wen wollen Sie denn aufsuchen?
STÖßEL. Wen? Wen? Wie du nur so fragen kannst! Den jungen Krautmann. Wer wird’s anders gewesen sein!
CLAUDIA bitter lachend. Ei, das wäre ja vortrefflich! Nun, und wo sind denn die Mädchen?
STÖßEL. Mit dem Notarius fort! Der andre ist hier den Augenblick verschwunden. Er muß mit dem Teufel sein Spiel haben –
CLAUDIA. Ei, mit dem Teufel nicht –
Nr. 19. Arie.
CLAUDIA zu Stößel.
Mit dir, du Esel, geht sein Spiel
Weit sichrer, schneller und weit besser.
Bei dir erreicht er bald sein Ziel,
Scheut weder dich, noch deine Schlösser.
Mit dir, du Esel, geht sein Spiel,
Bei dir, du Esel, erreicht er bald sein Ziel.
Du Dummkopf siehst mit offnen Augen nicht,
Drum lacht dir, du Dummkopf, jeder ins Gesicht,
Drum lacht dir je – der ins Gesicht!
Du Dummkopf! Du Dummkopf!
Drum lacht dir jeder ins Gesicht!
Du Esel! Du Esel!
Drum lacht dir jeder ins Gesicht!
So einen Tölpel zu betrügen,
So einen Dummbart zu belügen,
Braucht’s Hexerei und Teufel nicht! –
Sturmwald eilt unauffällig mit Gebärden des Unbehagens durch die Mitte davon.
CLAUDIA zu Stößel.
Mit dir, du Esel, geht sein Spiel
Weit sichrer, schneller und weit besser.
Bei dir erreicht er bald sein Ziel,
Scheut weder dich, noch deine Schlösser.
Mit dir, du Esel, geht sein Spiel,
Bei dir, du Esel, erreicht er bald sein Ziel.
Stößel folgt Sturmwald ebenso durch die Mitte.
CLAUDIA fortfahrend, ohne das unauffällige Fortschleichen der beiden bemerkt zu haben.
Du siehst mit offnen Augen nicht,
Drum lacht dir jeder ins Gesicht!
Du Esel! Du Esel!
Dir lacht jeder ins Gesicht!
Dir lacht je – der ins Gesicht!
Du Esel! Du Esel!
Drum lacht dir jeder ins Gesicht!
Du Esel! Du Esel!
Drum lacht dir jeder ins Gesicht,
Dir Esel ins Gesicht!
Sie sieht sich um und findet sich allein, spricht. Was – mich wie eine Närrin stehen lassen? Davonzulaufen? Mich nicht anzuhören? Mir nicht recht geben? Wart‘, das soll euch beiden heimkommen, dem einen wie dem andern! Nun soll der junge Krautmann meine Tochter haben, keiner als er, so bin ich am Vater und am Bräutigam gerächt. Ja, ja, wenn ich nur geschwind wüßte, wo sie wären, um es ihnen anzukündigen, damit ich zeigen könnte, daß geschehen muß, was ich will. Sie eilt ab durch die Mitte.
Der Chirurg Sichel kommt ganz behutsam und still aus der Thür rechts, hat einen Weiberrock an, einen Weibermantel um und eine Haube auf.
Sechszehnter Auftritt.
Sichel allein.
SICHEL. Das verdammte Fenster hat ein Gitter. Ich muß also versuchen, auf diese Art zu entkommen. Wenn man mich attrappiert, sperrt man mich obendrein als einen Dieb ins Loch. Eine saubere Geschichte! Vielleicht wisch‘ ich durch! Er betrachtet sich von allen Seiten. Ich sehe doch einer weiblichen Figur ziemlich gleich? Blitz! Wenn ich in dem Anzug Eroberungen machte? Ha, ha, ha! Das wäre zum Totlachen, wenn ich eine Schar Männer hinter mir herzöge! Aber Sichel, denk‘ lieber an deine Sicherheit! Ist’s besser, es so zu wagen – oder – den Plunder abzuwerfen – und in naturalibus zu euch wischen?
Nr. 20. Arie.
SICHEL.
Nur nicht lange sich besonnen,
Frisch gewagt, ist halb gewonnen!
Frisch gewagt, ist halb gewonnen,
Sei es nun schon, wie es sei!
Wird man der Gefahr nur frei,
Gilt es alles einerlei! –
Nur nicht lange sich besonnen,
Frisch gewagt, ist halb gewonnen! –
Sei es nun schon, wie es sei,
Wird man der Gefahr nur frei,
Gilt es alles einerlei!
Er geht ab durch die Mitte.
Umzug: Sichel.
Verwandlung.
Kurze Straße wie zu Anfang des zweiten Aufzugs. Es ist Tag.
Siebzehnter Auftritt.
Stößel kommt ganz außer Atem von links.
STÖßEL. Ah! Kaum kann ich mehr! Was mir das verdammte Mädchen für Mühe macht, für Zeit wegstiehlt! Was hätte ich heut‘ schon für nützliche Entdeckungen machen können! Es ist ein Verlust für das ganze menschliche Geschlecht. Aber nur Geduld, jetzt bin ich ihr auf der Spur; ich will sie schon lehren, sich mit einem Abkömmling eines solchen Stammes abzugeben, der mir wahres Antimonium ist. Und mein Laboratorium zu entheiligen! Entsetzlich! Ich weiß nur noch nicht, wie das möglich gewesen! Aber ich will’s erfahren. Jetzt nur fort wieder – Den Grafen muß ich auch abandonnieren, ohne zu erfahren, was meine Medizin für Wirkung gemacht. Sollte ich nicht lieber zu ihm gehen, als dem Nickel nachlaufen? Natürlich! Meine ganze Familie ist nichts gegen die Pflicht, die ich der Menschheit schuldig bin. Also zum Grafen! Dich kann ich noch finden, aber wenn der Graf tot ist, kann ich die Wirkung nicht mehr observieren. Er kehrt um und will zurück, woher er gekommen.
Der Doktor Krautmann kommt ihm von links
Eurem Herrn kommen, ich kann keinem Pfuscher nacharbeiten. Überdies muß ich auch jetzt einen Patienten besuchen, der schon acht Tage krank ist; Euer Herr liegt erst seit fünf Tagen danieder – die Anciennetät geht vor, mithin –
GALLUS. Aber wenn mein Herr unterdessen stirbt?
KRAUTMANN. So repetiert das Aderlassen, gebt ihm doppelte Portion kalt Wasser, so wird er wieder zu sich kommen. Er geht ab nach links.
GALLUS. Wenn er tot ist? Nachsehend und mit Beziehung auf Krautmann auf die Stirn weisend. Mir scheint – Er folgt nach links.
Nr. 13. Duett.
GALLUS.
Vermaledeit sei die Methode!
Die ganze Doktorei ist Dunst!
KRAUTMANN.
Ich weiche nicht von meiner Mode,
Denn ich verstehe meine Kunst!
Die Menschen wären zu beklagen,
Nähm‘ sich bei schweren Krankheitsplagen
Kein kluger Doktor ihrer an.
GALLUS.
Wie ist der Mensch doch zu beklagen,
Daß er bei so viel andern Plagen
Den Doktor nicht entbehren kann! –
Oft liegt der Patient im Grabe,
Und noch weiß nicht der Doktor klar,
Was des Verstorbnen Krankheit war.
KRAUTMANN.
Ihr seid ein unverschämter Knabe!
GALLUS.
Beweist mir, daß ich unrecht habe!
KRAUTMANN.
Ich werd‘ Euch zeigen, wer ich bin!
GALLUS.
Kommt mit zu meinem Herren hin.
KRAUTMANN.
Ich gehe keinen Schritt mehr hin.
GALLUS.
Nun sagt doch, daß ich unrecht habe!
Nicht wahr, Ihr wißt Euch nicht mehr Rat?
KRAUTMANN.
Ich bin ein Mann, Ihr frecher Knabe,
Der vielen schon geholfen hat.
Ich bin ein Mann, Ihr frecher Knabe,
Der vielen schon geholfen hat.
GALLUS.
Nun sagt doch, daß ich unrecht habe!
Nicht wahr, Ihr wißt Euch nicht mehr Rat,
Der viele schon begraben hat!
Er geht ab nach links.
Dritter Auftritt.
Krautmann allein.
KRAUTMANN. Das ist ein unverschämter Schlingel! Nimm dich in acht, Bube, daß du nicht unter meine Hände kommst, ich würde dich Mores lehren! Daß ich der Narr wäre und deinen Herrn noch besuchte, jetzt, da keine Hilfe mehr möglich ist! Eben recht, daß Meister Stößel dazwischen gekommen ist; zu helfen war ihm ohnehin nicht, nun heißt es, Stößel hat ihn heimgeschickt, und ich verliere meine Reputation nicht. Immer gut, wenn man bei gewissen berühmten Leuten einen andern vorschieben kann. Doch halt! Ganz ausbleiben darf ich nicht, ich muß – ja, ein Konsilium will ich veranstalten und beweisen, wie ich die Krankheit geführt habe, und geführt hätte, woraus dann ganz natürlich erhellen muß, daß ich den Grafen hergestellt haben würde, wenn Stößels Medizin nicht alles verdorben hätte, daher denn ganz natürlich erfolgen muß, daß Stößel ihn umgebracht hat. So kommt Meister Kohlendampf in die Enge, und wird sich nicht wieder gelüsten lassen, einem graduierten Doktor sein Verdienst zu schmälern und die Krankheit abzukürzen.
Verwandlung.
Zimmer der Verwandlung des ersten Aufzugs in Stößels Haus. Schlüssel an allen drei Thüren. Schreibzeug auf dem Mitteltisch. Es ist Tag.
Vierter Auftritt.
Stößel allein.
STÖßEL. Mein Schwiegersohn schon fort? Das wundert mich. Er war doch gestern in einem Zustande, daß ich gewiß dachte, er würde unter zwölf Stunden nicht ausschlafen. Aber freilich, Soldaten sind so was gewöhnt, das nehmen sie auf die Schultern und laufen damit davon, wo unsereiner sich gegen drei Tage mit Kopfweh herumschleppen muß. Unterdessen wünscht‘ ich doch, er gewöhnte sich’s ab, sonst wird er bei meiner Tochter wenig Progressen machen. Sie mag ihn ohnehin nicht leiden, und ein betrunkener Mann insinuiert sich selten. Ich habe in der That Mitleid mit dem armen Mädchen, denn so eine gute Partie der Hauptmann auch ist, so ist’s doch kein Mann, der ihr gefallen kann. Der junge Krautmann ist freilich eine ebenso gute Partie, aber – der Sohn meines Todfeindes? Nein, da kann nichts draus werden.
Nr. 14. Arie.
STÖßEL.
Viel eher soll sie gar nicht frein,
Als meines Feindes Tochter sein,
Der mich nur stets prostituieret,
Gar vor die Fakultät citieret!
Nein, nein, da wird gewiß nichts draus.
Mich überall verächtlich machen,
Und meiner Wissenschaften lachen?
Was ich entdecke, zu verachten?
Und nur nach meinem Fall zu trachten?
Nein, nein! Nein, nein! Da wird gewiß nichts draus.
Viel eher soll sie gar nicht frein,
Als dieses Mannes Tochter sein!
Jetzt will ich nach meinen Entdeckungen sehen. Er sieht den Schlüssel an der Thür zu seinem Laboratorium links und schließt auf. Da haben wir’s, gestern wollte man mir durchaus behaupten, daß sich die Diebe hier verborgen hätten, und es war doch verschlossen. Ha, ha, die ganze Sache war am Ende eine Finte, um mit Gelegenheit hineinzukommen. Aber ich war klüger als sie alle! Ha, ha, Doktor Stößel fängt man so nicht! Nun geschwind! Er geht auf das Laboratorium links zu, als ob er hinein wolle. Hernach will ich den Grafen besuchen. Was gilt’s, mein Mittel hat ihm auf die Beine geholfen. Er ist im Begriff, hineinzugehen.
Gotthold Krautmann als Notar mit einer Mappe, worin der echte und der falsche Kontrakt, Chirurg Sichel als Sturmwald verkleidet, kommen durch die Mitte.
Fünfter Auftritt.
Gotthold rechts. Sichel in der Mitte. Stößel links.
SICHEL Sturmwalds Ton nachahmend. Blitz und Wetter! schon auf, Schwiegervater?
STÖßEL. Ah, guten Morgen! Guten Morgen! Sie waren schon aus dem Hause und Sie sind schon wieder da?
SICHEL. Blitz und Wetter, ja! Ich habe noch vor der Reveille den Herrn da aus den Federn gejagt und den Heiratskontrakt aufsetzen lassen, damit Sie beim Aufstehen gemachte Arbeit finden sollen.
Gotthold zieht den echten Kontrakt aus seiner Mappe hervor.
SICHEL ohne Pause fortfahrend. Was macht Frau Claudia? Holen Sie sie her, auch die Braut, wir wollen sogleich unterschreiben, und hernach in die Kirche; denn Bomben und Kartaunen, zu Mittag will ich schon verheiratet sein! Die Hochzeitstafel ist auch schon bestellt. Also fort, fort!
STÖßEL. Gleich, gleich! Aber lieber Herr Hauptmann, warum denn gar so eilig?
SICHEL. Der gestrige Vorfall hat mich konsterniert. Alle Teufel! ich habe die ganze Nacht nicht schlafen können! Wie gesagt, bis Mittag bin ich Ihr au thentischer Schwiegersohn, oder ich gebe Ihrer Tochter den Laufpaß.
STÖßEL. Nu, nu, nu, das soll nicht geschehen. Aber lieber Herr Hauptmann, Wegen des gestrigen Vorfalls. ich glaube immer, Sie haben nicht recht gesehen, denn wo sollten die Diebe oder Liebhaber hingekommen sein?
SICHEL. Alle Teufel, nicht recht gesehen? Denken Sie etwa, ich bin betrunken gewesen? Herr, ich wette tausend Dukaten, der Schurke ist noch in Ihrem Hause und da steckt er. Er zeigt nach links. Ah, eben recht, der Schlüssel steckt, wir wollen gleich sehen. Er geht auf das Laboratorium links zu.
STÖßEL springt eilig an die Thür, schließt ab und steckt den Schlüssel ein. Nimmermehr! Hier kommt kein profaner Mensch herein.
Gotthold zeigt durch den ganzen Auftritt, daß ihm Sichels Benehmen nicht recht sei.
SICHEL. Schwiegervater! Hol‘ mich der Teufel! Beinahe hätt‘ ich Lust, Ihre Tochter sitzen zu lassen, weil Sie so wenig Vertrauen zu mir haben.
STÖßEL. Nach Belieben! Eher soll meine Tochter zeitlebens ohne Mann bleiben, als daß mein Laboratorium entheiligt würde. Was, meine Geheimnisse, meine sublimen Arbeiten sollten von unreinen Augen begafft werden? Nimmermehr!
GOTTHOLD heimlich und voll Angst zu Sichel. Ums Himmels willen, mach‘ Er ein Ende!
SICHEL zu Stößel. Basta! der Vernünftige giebt nach! Holen Sie Ihre Frau und Ihre Tochter. Er reißt Gotthold den Kontrakt aus der Hand. Da, lassen Sie die Frauen zuvor den Kontrakt lesen, damit wir alsdann keine weiteren Schwierigkeiten haben.
STÖßEL nimmt den Kontrakt. Ganz recht, sie sollen gleich hier sein. Er geht zuerst nach links ans Laboratorium und probiert, ob es zu ist, und eilt dann mit dem Kontrakte Gottholds ab durch die Mitte.
Sechster Auftritt.
Gotthold, Sichel zu seiner Linken.
SICHEL. Ha, ha, ha, der alte Fuchs wird artig geprellt!
GOTTHOLD. Aber ums Himmels willen, was treibt Er? Fordert ihn auf, das Kabinett zu öffnen! Wenn er es nun gethan hätte?
SICHEL. O davor war ich sicher, und eben deswegen that ich’s, um ihn desto unbesorgter zu machen.
GOTTHOLD. Und dann schreit Er so gewaltig! Er zeigt nach links. Wenn nun der Hauptmann drinnen wach würde?
SICHEL. O der Weinschlauch wird vor Mittag gewiß nicht wach. Lassen Sie sich das keine Sorge sein. Machen Sie nur Ihre Sache so gut wie ich, und verwechseln Sie den Kontrakt bei der Unterschrift recht geschickt. Sie haben ihn doch bei der Hand?
GOTTHOLD. O ja! Er sucht den falschen Kontrakt aus seiner Mappe hervor und zeigt ihn. Hier! Er legt ihn wieder in seine Mappe. Aber – lieber Sichel, mir wird doch bange – wenn wir entdeckt würden!
SICHEL. Ei, zum Henker! Ein Liebhaber und so wenig Courage! Mit einer Unze Glück und zwei Lot Unverschämtheit muß man in der Liebe zu Felde ziehen. Und wenn ich unser Glück berechne, so kommt ein halbes Pfund heraus. Den Alten durch List aus dem Hause zu jagen; glücklich hereinzukommen; Gefahr laufen überrascht zu werden; glücklich sich verstecken; auf dem Punkt stehen entdeckt zu werden, und doch glücklich der Entdeckung entgehen und ebenso glücklich wieder aus dem Hause zu kommen; im Besitze von des Bräutigams Maske zu sein, und den Alten glücklich damit zu blenden; Potz Glück und kein Ende! Nun – und mit unsrer Unverschämtheit sieht’s wahrhaftig nicht anders aus. Was zittern Sie denn also noch?
GOTTHOLD. Ach, Sichel, wenn man auf dem Punkte steht, sein Liebstes vielleicht auf ewig zu verlieren, wer sollte da nicht zittern? Wären wir nur schon mit unseren Mädchen im Freien!
SICHEL. Ja, und wären mit den Vätern schon ausgesöhnt! Nicht wahr? Dann glaub‘ ich freilich, daß Sie nicht mehr zittern werden. Fort mit dem kindischen Wesen! Wir sind auf dem geraden Weg zum goldnen Vließ, also nicht verzagt. Er geht an Gotthold vorüber auf das Zimmer rechts zu. He! Rosalchen! Engelchen! Beherrscherin meines geringen Wesens! Laß deine Stimme hören, und erquicke mich durch einen Laut!
Siebenter Auftritt.
Rosalie im Zimmer rechts. Sichel, Gotthold zu seiner Linken.
ROSALIE im Zimmer rechts. Was giebt’s? Wer ist da?
SICHEL. Ich, dein Sklav‘, dein Herr, dein Diener!
ROSALIE wie vorher. Ums Himmels willen, sieh, wie du aus dem Hause kommst.
SICHEL. O mein Engel, deshalb sorge du nicht. Ich war schon draußen, bin schon wieder herein und werd‘ auch wieder hinauskommen; denn was kann die Liebe nicht. Wenn du sehen könntest, wie sie mich zugerichtet hat! Meine geraden Glieder sind hin. Ich hinke jetzt, hab‘ eines von den schönen Augen verloren, worin du dich so oft spiegeltest und die du so bewundertest. Kurz, ich sehe aus wie der leibhafte Sturmwald.
GOTTHOLD. Ums Himmels willen, laß Er die Possen.
ROSALIE wie vorher. Was ist denn geschehen?
SICHEL. Probiere nur, ob du aufmachen kannst. Du wirst alles erfahren.
Rosalie versucht von innen das Schloß aufzumachen.
GOTTHOLD. Er wird noch alles verderben.
SICHEL. Sorgen Sie nicht. Ich will nur das Vergnügen haben, mich von ihr bedauern zu hören! Das ist vorderhand so eine kleine Wollust, die einem ganz excellent wohlthut, und um diese wollen Sie mich doch nicht bringen.
ROSALIE welche die Thür endlich aufbringt und herauseilt, erschrickt vor Sichels Verkleidung und tritt schreiend zurück. Ah!
GOTTHOLD links. Ums Himmels willen, schreien Sie nicht!
SICHEL in der Mitte, sich traurig stellend. Nicht wahr? Ich sehe zum Erbarmen aus?
ROSALIE rechts. Sag‘ mir nur, was das heißen soll?
GOTTHOLD. Es ist nur Verstellung! Verdrießlich zu Sichel. Ich wette, Er wird so lange Spaß treiben, bis unser ganzer Entwurf scheitert.
ROSALIE zu Gotthold. Und Sie? Wie sehen denn Sie aus? Ich begreife nicht –
SICHEL. Auch eine Metamorphose der Liebe. Kurz, wir sind hier, euch zu befreien. Er zeigt nach links. Der wahre Sturmwald liegt da drin und schnarcht. Meister Stößel nimmt mich dafür, eben holt er seine Tochter, den Kontrakt zu unterschreiben. Ich schicke euch alsdann unter dem Vorwand, ein Brautfrühstück bei mir einzunehmen, mit dem Herrn Notarius voraus. Halte alsdann die Alten hier noch so lange auf, bis ich glaube, daß ihr aus der Stadt seid, dann komme ich nach. Wagen und Quartier, alles ist schon bestellt, und somit wollen wir noch vormittags kopuliert sein und abends als junge Eheleute zurückkehren. Gefällt dir das, mein Engel?
Gotthold wird unruhig, geht nach hinten an die Mittelthür und horcht.
ROSALIE. Ganz vortrefflich! Wenn nur alles geht, wie es soll.
SICHEL. Das wird es sicher.
GOTTHOLD. Wenn Er’s nicht verdirbt. Ich dächte, Sie gingen wieder ins Zimmer, damit die Alle nicht Unrat merkt, wenn sie kommt.
ROSALIE. Ja, das will ich! Sie will sich entfernen. Nur klug und behutsam!
SICHEL. Keine Sorge! Wart‘, ich geh‘ mit! ich habe dir noch manches zu sagen.
ROSALIE. Nicht doch! Sie hält ihn ab.
GOTTHOLD. So bleib‘ Er doch da. Es ist ja alles hin, wenn sie kommen und Er ist drin.
SICHEL. Ich muß. Ich werde schon noch eher herauskommen, und allenfalls geben Sie mir ein Zeichen, wenn sie eher kämen. Er läßt sich nicht aufhalten und geht mit Rosalie ab ins Zimmer rechts.
Achter Auftritt.
Gotthold allein. Dann Stimmen hinter der Mittelthür.
GOTTHOLD. Entsetzlicher Mensch! Er setzt alles aufs Spiel, geht mit der größten Gleichgültigkeit zu Werke, und mir ist so bange! Nimmermehr kann er so wahrhaft lieben wie ich.
Nr. 15. Arie.
Wahre Liebe wird zwar hoffen,
Doch nie unbesonnen sein,
Dann ist’s Herz der Freude offen,
Wenn die Wünsche treffen ein.
Leonore, Claudia und Stößel sprechen hinter der Mittelthür.
GOTTHOLD eilt zur Thür rechts.
Hurtig heraus! Sie kommen! Fort, fort!
Sichel und Rosalie kommen von rechts heraus. Sichel schiebt Rosalie ins Zimmer rechts.
Rosalie schließt von innen zu.
SICHEL zu Gotthold.
Nur Courage jetzt!
Leonore, Clandia, Stößel mit dem echten Kontrakt in der Hand kommen durch die Mitte.
Neunter Auftritt.
Leonore und Claudia rechts. Sichel in der Mitte. Stößel und Gotthold links.
SICHEL zu Stößel, immer im Tone Sturmwalds. Alle Wetter! das dauert ja eine Ewigkeit. Beinahe wäre ich fortgegangen, denn gar so lange warten ist eben meine Sache nicht. Überdies wartet auch das Frühstück bei mir, das ich für Sie alle bestellt habe.
CLAUDIA zu Sichel. Wer konnte sich denn aber auch einbilden, daß Sie gar so früh da sein würden.
SICHEL. Ja, liebstes Mütterchen, das ist alten Soldaten so eigen. Vor Tage macht man immer die besten Expeditionen. Doch jetzt lassen Sie uns zum Werke schreiten. Zu Stößel. Haben Sie gelesen? Alles gut?
STÖßEL. Vortrefflich!
CLAUDIA. Nur die Ausstattung von unsrer Seite ist zu gering
SICHEL. O da lassen Sie mich sorgen. Zu Gotthold. Allons, Herr Notarius, lassen Sie unterschreiben.
Leonore tritt an Claudia vorüber neben den Mitteltisch.
Gotthold wendet sich hinter Stößel und Sichel weg zum Mitteltisch, wobei er sich von Stößel den echten Kontrakt geben läßt, den er in seine Mappe legt; hinter dem Mitteltisch angekommen, öffnet er seine Mappe, nimmt den falschen Kontrakt heraus, breitet ihn auf dem Tische aus, ergreift grotesk die Feder, taucht sie ein und präsentiert sie Leonore.
SICHEL zu Claudia. Noch eins, Mamachen. Lassen Sie doch Rosalie auf freien Fuß. Das arme Kind quält sich dadrin.
CLANDIA. Ei, sie kann warten.
SICHEL. Nichts da. Sie muß dabei sein, sonst setze ich keine Feder an. Das Frühstück ist für sie mit aufgetragen.
CLAUDIA. Nun, wenn Sie denn durchaus wollen. Sie öffnet die Thür rechts und läßt Rosalie heraus.
Zehnter Auftritt.
Die Vorigen. Rosalie.
CLAUDIA zu Rosalie. Daß du dich klug aufführst, Leonore nichts in den Kopf setzst, sonst –
LEONORE wirft die Feder hin. Ich unterschreibe nicht. Sie tritt einige Schritte vor.
Claudia und Stößel gehen nach vorn an sie heran und nehmen sie in die Mitte.
Nr. 16. Sextett.
CLAUDIA UND STÖßEL.
Was ist das für ein Betragen?
Du erfrechst dich, das zu sagen!
Wie? Du unterschreibest nicht?
LEONORE.
Nein! Nein! Ich unterschreibe nicht!
CLAUDIA UND STÖßEL.
Gut, das wollen wir doch sehen!
Sie suchen sie an den Mitteltisch zu ziehen.
Unterschreib‘ den Augenblick!
Gotthold tritt auf die linke Ecke.
SICHEL kommt vor zwischen Stößel und Gotthold und will Leonore an der Hand fassen.
Da hilft nichts, es muß geschehen,
Und zwar gleich den Augenblick.
Leonore stößt ihn zurück.
ROSALIE UND GOTTHOLD für sich.
O sie würde nicht anstehen,
Kennte sie ihr ganzes Glück!
O sie würde nicht anstehen,
Kennte sie ihr ganzes Glück!
CLAUDIA UND STÖßEL.
Gut, das wollen wir doch sehen,
Unterschreib‘ den Augenblick!
SICHEL.
Da hilft nichts, es muß geschehen,
Und zwar gleich den Augenblick!
LEONORE.
Beste Eltern, ich erliege, ich erliege!
CLAUDIA UND STÖßEL.
Narrenspossen! nur geschrieben!
ROSALIE UND GOTTHOLD auf Sichel weisend, für sich.
Der wird alles noch verderben,
Braucht er ferner noch Gewalt!
LEONORE zu Claudia und Stößel.
Sie befördern mein Verderben,
Zwingen Sie mich mit Gewalt.
CLAUDIA UND STÖßEL.
Ei, du wirst nicht davon sterben,
Fort, sonst brauchen wir Gewalt!
SICHEL zu Leonore.
Daran werden Sie nicht sterben,
Fort, sonst brauchen wir Gewalt, Gewalt!
ROSALIE nach rechts vortretend, zu Leonore.
Beste, Beste, laß dir doch nur sagen!
CLAUDIA stößt Rosalie zurück.
Fort, du hast ihr nichts zu sagen!
ROSALIE tritt hinter Claudia weg zwischen Claudia und Leonore.
Gönnen Sie mir nur ein Wort!
CLAUDIA UND STÖßEL zu Rosalie.
Keine Silbe, fort, fort, fort!
GOTTHOLD leise zu dem neben ihm stehenden Sichel.
Sag‘ Er mir, ist Er besessen!
Was erwartet Er hiervon?
LEONORE.
O ich laß mich nicht bethören,
Wen ich liebe, weiß ich schon!
ROSALIE leise zu Leonore.
Könntest du ein Wörtchen hören,
Hättest unterschrieben schon!
CLAUDIA UND STÖßEL zu Rosalie.
Geh, sie braucht nicht deine Lehren,
Was du willst, das weiß ich schon!
Claudia schiebt Rosalie vor sich vorüber nach rechts.
SICHEL zu Gotthold.
Ei, Sie werden mich nicht lehren,
Was ich mache, weiß ich schon!
Rosalie geht hinten herum, Gotthold zur Linken.
SICHEL.
Still! Still! Das rat‘ ich einem jeden,
Ich will jetzt als Bräut’gam reden,
Unterbreche man mich nicht!
Er tritt an Stößel vorüber zu Leonore.
Mamsell, plagt Sie der Teufel?
Was haben Sie für Zweifel?
Bin ich nicht, wie ich soll?
GOTTHOLD UND ROSALIE beiseite.
Der Mensch ist rasend, toll!
SICHEL zu Leonore.
Wenn Sie sich nicht entschließen,
Will ich zum mind’sten wissen,
Woran es mir denn fehlt?
GOTTHOLD UND ROSALIE beiseite.
Wie er die Arme quält!
SICHEL wie vorher.
Nicht wahr, Sie lieben schon
Des Doktor Krautmanns Sohn?
GOTTHOLD UND ROSALIE beiseite.
Der Schurke spricht uns Hohn!
SICHEL wie vorher.
Des Doktor Krautmanns Sohn?
GOTTHOLD UND ROSALIE beiseite.
Der Schurke spricht uns Hohn!
LEONORE zu Sichel.
Ja, ja, Herr! Ich liebe schon!
CLAUDIA zu Leonore.
Das weiß ich lange schon!
Wie verwegen! Wie vermessen!
Unsers ärgsten Feindes Sohn?
LEONORE wie vorher.
Ja, Herr, ich liebe schon!
Niemals werd‘ ich ihn vergessen,
Lange liebte ich ihn schon!
SICHEL zu Leonore.
Des Doktor Krautmanns Sohn?
O den müssen Sie vergessen,
Der spricht Ihrer Liebe Hohn!
STÖßEL zu Gotthold.
Wie? Meines Feindes Sohn?
Wie verwegen! Wie vermessen!
Unsers ärgsten Feindes Sohn?
GOTTHOLD für sich.
Der Schurke spricht uns Hohn!
An Stößel vorüber zu Sichel tretend, leise.
Hat der Teufel Ihn besessen?
Für sich.
Sicher lauf‘ ich noch davon!
ROSALIE für sich.
Der Schurke spricht uns Hohn!
Hat der Teufel ihn besessen?
Sicher lauf‘ ich noch davon!
LEONORE.
Ihn erwählte ich vor allen,
Ihm gehört mein Herz allein!
SICHEL leise zu Gotthold.
Gelt, das schmeckt? Das muß gefallen,
Zeuge seines Glücks zu sein!
LEONORE.
Ihn erwählt‘ ich mir vor allen!
SICHEL wie vorher.
Gelt, das schmeckt?
LEONORE.
Ihm gehört mein Herz allein!
SICHEL wie vorher, immer langsamer und leiser.
Gelt, das schmeckt? Gelt, das schmeckt?
Gelt, das schmeckt? Gelt, das schmeckt?
Stößel tritt an Gotthold und Sichel vorüber zu Leonore.
CLAUDIA UND STÖßEL zu Leonore.
Unterschreibe! Fort, behende,
Willst du unser Kind noch sein!
Unterschreibe! – Fort, behende,
Willst du unser Kind noch sein!
LEONORE für sich.
Meine Qual ist nicht zu nennen,
O ich leide Höllenpein!
SICHEL leise zu Gotthold.
Geben Sie sich zu erkennen,
So wird’s gleich zu Ende sein.
GOTTHOLD UND ROSALIE für sich.
Was soll aber wohl das Ende
Von dem ganzen Handel sein?
SICHEL tritt zwischen Leonore und Stößel.
Still! Still! Ich bitte, nun zu schweigen.
Nach Gotthold hin.
Herr Notar, Sie werden nun zeigen,
Was Beredsamkeit vermag!
Er nimmt Claudia und Stößel an der Hand und führt beide geheimnisvoll auf die linke Ecke.
Rosalie schleicht hinten vorüber, Leonore zur Rechten.
Gotthold tritt Leonore zur Linken.
GOTTHOLD leise zu Leonore, nachdem er sich zu erkennen gegeben.
Werden Sie sich noch bedenken,
Schriftlich mir Ihr Herz zu schenken,
Da Sie’s mündlich schon gethan?
ROSALIE leise zu Leonore.
Wirst du dich nun noch bedenken,
Schriftlich ihm dein Herz zu schenken,
Da du’s mündlich schon gethan?
SICHEL geheimnisvoll zu Stößel und Claudia.
Eben wird er ihr erzählen,
Krautmann wolle sich vermählen,
Und dann nimmt sie mich wohl an.
LEONORE leise zu Gotthold.
Konnte mir so was nur träumen?
O nun will ich gar nicht säumen
Und ich schreibe herzlich gern.
CLAUDIA UND STÖßEL leise zu Sichel.
Was Sie sagen! Sich vermählen?
Ja, dann wird es gar nicht fehlen,
O nun unterschreibt sie gern!
ROSALIE leise zu Leonore.
Wirst du dich nun noch bedenken,
Schriftlich ihm dein Herz zu schenken,
Da du’s mündlich schon gethan?
LEONORE wie vorher.
Konnte mir so was nur träumen?
O nun will ich gar nicht säumen
Und ich schreibe herzlich gern.
GOTTHOLD leise zu Leonore.
Werden Sie sich noch bedenken,
Schriftlich mir Ihr Herz zu schenken,
Da Sie’s mündlich schon gethan?
CLAUDIA UND STÖßEL leise zu Sichel.
Was Sie sagen! Sich vermählen?
Ja, dann wird es gar nicht fehlen,
O nun unterschreibt sie gern!
SICHEL wie vorher.
Eben wird er ihr erzählen,
Krautmann wolle sich vermählen,
Und dann nimmt sie mich wohl an.
Leonore tritt hinter den Mitteltisch, ergreift die Kielfeder und unterschreibt.
Sichel tritt an ihre Stelle zwischen Rosalie und Gotthold.
LEONORE legt die Feder nieder.
Hier ist meine Unterschrift!
Sie tritt Gotthold zur Linken vor.
Stößel und Claudia treten hinter den Mitteltisch und unterschreiben.
SICHEL leise zu Rosalie und Gotthold.
Hab‘ ich nicht was Gut’s gestift’t?
GOTTHOLD UND ROSALIE leise.
Ja, Er hat was Gut’s gestift’t!
Ja, du hast was Gut’s gestift’t!
Sie wiederholen freudig.
STÖßEL UND CLAUDIA.
Hier ist unsre Unterschrift!
Sie treten nach links vor.
Sichel tritt hinter den Mitteltisch, thut, als ob er unterschriebe und giebt dann, indem er zwischen Gotthold und Leonore vortritt, den Kontrakt an Gotthold.
ALLE.
Nun haben wir die Unterschrift! –
ALLE für sich.
Nun hab‘ ich bald nichts mehr zu scheun,
Dann werd‘ ich meines Plans mich freun;
Nur standhaft und nicht gleich verzagt!
Gewinnt man wohl, wenn man nichts wagt?
SICHEL spricht, zu Leonore. Nun, du kleine Blitzhe xe, du bist also die Meine?
LEONORE seufzend. Weil es das Schicksal so haben will!
STÖßEL. Recht, Kind, das Schicksal will es so haben. Denn wenn es das Schicksal nicht so hätte haben wollen, so – wär‘ es anders gegangen. Und da mußt du also denken, was das Schicksal will, das will es; und da kann der Mensch nicht widerstreben, thut auch am besten, wenn er nicht widerstrebt, denn es hilft nichts, es muß doch geschehen, was das Schicksal will, denn das Schicksal ist das Schicksal.
CLAUDIA. O paple doch nicht so in den Tag hinein. Mit seinem Schicksal! Du kommst ja gar nicht wieder heraus. Papperlapapp! Sie ist des Hauptmanns Frau geworden, weil ich es so haben wollte und damit gut.
SICHEL. Recht, weil Sie es so haben wollen. Nach Ihrem Kopfe muß alles gehen, und geht auch, hier haben wir’s handgreiflich. Aber nun, Kinder, mein Frühstück wartet. Zu Gotthold. Herr Notarius, gehen Sie indessen mit den jungen Damen voraus. Wir werden gleich nachkommen.
GOTTHOLD pathetisch. Nach Euer Gnaden Befehl. Er thut, als wolle er gehen.
CLAUDIA. Ei, wozu denn das? Wir wollen gleich alle zusammen hin. Ich will mich nur ein wenig an ders anziehen, bin gleich wieder hier. Sie geht ab durch die Mitte.
Elfter Auftritt.
Die Vorigen ohne Claudia.
GOTTHOLD leise zu Sichel. Noch sind wir nicht am Ufer! Wenn die Alte uns nun an der Seite bleibt?
SICHEL leise erwidernd. Nur Geduld! Laut. Ja, ich kann Ihnen nicht helfen, Herr Notar, Sie müssen schon noch ein wenig warten – Sie haben wohl gehört, es muß alles nach ihrem Kopfe gehen.
Gotthold geht nach hinten.
ROSALIE leise zu Sichel. Ums Himmels willen! Mach‘, daß wir fortkommen!
SICHEL zu Stößel. Der Herr Notarius will nicht mehr warten, er hat Geschäfte –
STÖßEL. Sie wird gleich wiederkommen, nur ein wenig Geduld.
SICHEL. Ja, wenn sie’s zu lange macht –
STÖßEL zu Leonore. Nun, mein Kind! Bist du denn nun zufrieden – ruhig?
LEONORE seufzend. Noch nicht, lieber Vater.
STÖßEL. Nun, nun, wirst’s schon werden!
LEONORE seufzend. Ich wünsche es!
Nr. 17. Arie.
LEONORE.
Zufriedenheit gilt mehr als Kronen,
Besonders noch im Ehestand;
Kein Gut kann dieses Glück da lohnen,
Die Ehe wird ein Rosenband. –
Ist mir dies Glück beschieden,
Und leb‘ ich nur zufrieden,
Vertausch‘ ich meinen Ehestand
Nicht gegen Schätze, Prunk und Tand!
Zufriedenheit gilt mehr als Kronen,
Kein Gut kann dieses Glück da lohnen,
Die Ehe wird ein Rosenband.
STÖßEL. Recht so, mein Kind! denk‘ an mich, du wirst gewiß zufrieden sein.
LEONORE. Ich hoffe es wenigstens. Sie geht nach rechts hinten.
Gotthold kommt vor, Stößel zur Rechten.
SICHEL der indes besorgt herumgetrippelt ist und mit Rosalie Abrede genommen zu haben scheint. Ha, Bomben und Granaten! das dauert mir zu lange! Schwiegervater, weder meine Schwiegermutter noch mein Weib soll irgend einen Willen über mich haben, ergo will ich auch gleich mein Recht exerzieren und nicht nach ihrem Kopfe handeln.
Leonore tritt zwischen Rosalie und Sichel vor.
SICHEL nimmt Rosalie, Leonore und Gotthold zusammen. Fort dann indessen.
ROSALIE. Sie wird aber böse werden. Leise zu Leonore. Sperr‘ dich!
STÖßEL. Ja, ja, sie wird böse werden.
SICHEL. Mag sie. Wenn sie sieht, daß es ihr nichts hilft, wird sie schon wieder gut werden und es in Zukunft bleiben lassen. Nur fort!
LEONORE. Unmöglich!
ROSALIE. Ich will nachsehen, ob sie bald kommt. Sie stellt sich, als ob sie fort wollte.
SICHEL tritt ihr, hinter Leonore weg, in den Weg. Nichts da! Es geht, wie ich will, oder ich gehe allein fort, und dann kann man sehen, wie man mich wieder herbringt. Er nimmt die rechte Ecke.
GOTTHOLD heimlich zu Stößel. Lassen Sie ihm seinen Willen, ich rate Ihnen Gutes, er hat seinen eigenen Kopf.
STÖßEL verlegen. Nun, so geht denn, Kinder, geht. Aber Sie müssen’s verantworten, Herr Sohn.
SICHEL. Das werd‘ ich! Keine Sorge.
LEONORE. Kommen Sie nur bald nach.
GOTTHOLD. Nur fort, fort! Er tritt zwischen Rosalie und Leonore und nimmt sie unter den Arm.
ROSALIE im Abgehen zu Sichel. Wir hoffen Sie bald zu sehen.
Rosalie, Gotthold und Leonore gehen ab durch die Mitte.
Zwölfter Auftritt.
Sichel, Stößel zu seiner Linken.
SICHEL für sich. Wenn sie der Alten nur nicht in den Weg kommen!
STÖßEL. Ei, ei, Herr Sohn, ich fürchte einen großen Lärm, wenn meine Frau kommt!
SICHEL der immer gegen die Mittelthür, wo die andern abgegangen sind, zu horchen scheint. Blitz und Wetter! Schämen Sie sich, daß Sie nicht mehr Mann sind! Mir sollte meine Frau das mindeste vorschreiben wollen, ich würde sie jagen. Gleich anfangs muß man ihnen den Daumen aufs Auge drücken! Nun, Sie sollen schon sehen, wie ich mein Hauswesen einrichten werde.
STÖßEL. Ja, ich glaub’s schon, daß Sie sich auf einen festeren Fuß setzen werden, aber das nützt mir jetzt doch nichts. Sie werden sehen, wir werden heute den ganzen Tag Sturm haben; wer weiß, ob heut‘ die Hochzeit vor sich geht.
SICHEL. Ei, Larifari! darein soll sie nicht so viel reden.
STÖßEL. Nun, ich überlasse das Ihnen, Sie mögen’s verantworten und ausfechten.
SICHEL. Topp! das will ich! Für sich. Nun sind sie wohl fort; nun will ich mich auch davon machen.
STÖßEL. Was simulieren Sie? Nicht wahr, Sie fürchten sich?
SICHEL. Tod und Teufel! fürchten? Vor einem Weibe? Ich fürchte mich vor dem stärksten Manne nicht und – ha, ha, ha! das wär‘ schön! Das Lärmen, das Zanken ist mir nur zuwider –
STÖßEL. Nun, gerade so geht mir’s ja auch. Weiter scheue ich auch nichts.
SICHEL. Und heut‘ möcht‘ ich nun gerade keine Zänkerei haben. Aber hören Sie, ich will hin zu ihr und ihr das Ding auf gute Art vorbringen, damit sie uns heut‘ die Lust nicht verdirbt. Er will ab.
STÖßEL. Ja, thun Sie das.
SICHEL. Sie müssen hier bleiben. Sobald Sie dabei sind, fängt sie gleich Feuer.
STÖßEL. Auch wahr; mir schon recht.
Sichel ist im Begriff, durch die Mitte abzugehen.
Dreizehnter Auftritt.
Die Vorigen. Sturmwalds Stimme im Zimmer links.
STURMWALD im Zimmer links. He! holla! Tod und Teufel! wo bin ich?
STÖßEL erschrocken. Was ist das? Zu Sichel, den er aufhält. Hören Sie doch!
SICHEL für sich. Alle Teufel! Nur ein paar Minuten später!
STURMWALD wie vorher. Mord! Tausend Pestilenz! Was ist das für ein verdammtes Loch?
STÖßEL. Unbegreiflich!
SICHEL. Habe ich’s nicht gesagt, daß er da drin wäre? Sie wollten aber nicht glauben. Nun, der soll trefflich bezahlt werden. Warten Sie nur hier, ich will geschwind die Wache holen. Er will fort.
STÖßEL hält ihn auf und wechselt dabei mit ihm die Stellung. Nicht doch, inkommodieren Sie sich nicht. Im Begriff abzugehen. Ich bin geschwinder auf den Beinen –
STURMWALD wie vorher. Herr Stößel! Frau Stößel!
STÖßEL. Er ruft mich? Die Stimme –
SICHEL verlegen. Spitzbuben versuchen alles – nur fort nach der Wache.
Stößel stößt ihn fort und eilt ab durch die Mitte.
STURMWALD wie vorher. Will kein Teufel hören?
SICHEL. Nun sitze ich sauber in der Tinte! Er ruft nach der Mitte hin, wo Stößel abgegangen ist. Ich hätte mich gern inkommodiert, hättest du mich nur gehen lassen. Mit deiner verdammten Höflichkeit. Was ist nun zu thun? Er geht nach dem Zimmer rechts, wo Rosalie eingesperrt gewesen, und versucht, ob es offen sei. Holla! hier ist noch ein Rückzug! Er zieht Rock und Weste aus, schnallt das hölzerne Bein ab, wirft Stock, Degen und alles, was zu Sturmwalds Anzug gehört, von sich.
STURMWALD wie vorher. Tausend Sapperment, ich breche alles in Stücke!
SICHEL. Meinethalben. Da ist kein anderer Rat, ich muß zum Fenster hinab. Verdammter Streich! Daß der alte Weinschlauch nicht noch ein paar Minuten schlafen konnte! So! Nun Courage! Er geht ab in das Zimmer rechts und schließt inwendig zu.
Der Apotheker Stößel kommt durch die Mitte zurück.
Vierzehnter Auftritt.
Stößel. Sturmwalds Stimme im Zimmer links.
STÖßEL. Die Wache wird gleich kommen. Er sieht die Sachen auf dem Boden. Was ist denn das?
STURMWALD im Zimmer links. Herr Stößel! Hölle und Teufel!
STÖßEL. Ich weiß nicht – das ist ja doch des Hauptmanns Stimme?
STURMWALD wie vorher. Frau Stößel!
STÖßEL ängstlich. Ich zittre! Wie geht das zu? Sollte der Hauptmann doppelt sein?
STURMWALD wie vorher. Aufgemacht! Er rüttelt an der Thür.
STÖßEL an der Thür links rufend. Wer ist denn da drin?
STURMWALD wie vorher. Ich, der Hauptmann Sturmwald, Ihr zukünftiger Schwiegersohn.
STÖßEL. Gott steh‘ mir bei, er ist’s wahrhaftig!
STURMWALD wie vorher. So machen Sie doch auf!
STÖßEL ängstlich. Gleich, gleich! Er schließt auf und läßt Sturmwald heraus.
Sturmwald hinkt ohne Rock und Weste von links heraus, den kurzen Fuß auf einen Stuhl stützend, an Stößel vorbei, nach rechts sich bewegend.
STÖßEL prallt zurück. Alle guten Geister!
STURMWALD. Was ist das für eine Art, mich in das verdammte Loch da zu sperren!
STÖßEL. Mein Laboratorium – ein verdammtes Loch! Er läuft hin und sieht hinein. O Paracelsus! Der Sitz meiner Geheimnisse profaniert! Herr, wie sind Sie da hineingekommen?
STURMWALD. Zum Teufel, das müssen Sie wissen. Ich weiß nichts davon.
STÖßEL. Sie waren ja diesen Augenblick erst hier.
STURMWALD. Wer, ich? Sind Sie toll?
STÖßEL. Sie haben ja den Heiratskontrakt unterschrieben und – o das geht nimmermehr natürlich zu!
STURMWALD. Herr, wollen Sie mich bei lebendigem Leibe zum Gespenst machen? Oder bin ich Ihr Narr?
STÖßEL. Sie haben ja meine Tochter mit dem Notarius diesen Augenblick in Ihr Quartier geschickt.
STURMWALD. Sie sind toll! Seit gestern, als Sie mich hier verlassen haben, hab‘ ich keine menschliche Seele gesehen, weiß weder, wie ich um mein Bein gekommen, noch wer mich da eingesperrt hat.
STÖßEL. So sind wir betrogen, schändlich betrogen. O weh, o weh! meine Tochter ist fort, Rosalie ist fort! Ich muß ihnen nach! Er will fort.
STURMWALD hält ihn auf und wechselt mit ihm die Stellung. Halt, Herr! Helfen Sie mich erst ankleiden, ich will nicht dastehen wie ein Narr.
STÖßEL hilft ihm erst das hölzerne Bein anschnallen, dann ankleiden. Entsetzlich! Aber wo ist der hingekommen, der sich für Sie ausgab? Lauter Geheimnisse!
STURMWALD. Ich wette, das ist der junge Krautmann gewesen. Sagt‘ ich’s doch gestern; aber Sie wollten nicht glauben! Blitz und Donner, mich so zu prellen! Wart‘, das soll dir teuer zu stehen kommen.
Nr. 18. Arie.
STURMWALD auf und ab gehend.
So verfährt man mit Soldaten? –
Ha, potz Bomben und Granaten,
Potz Flinten und Kartaunen,
Wart‘, du kriegst schon deinen Lohn! –
Unter dichtem Kugelregen
Half ich Tausende erlegen;
Stürzte wie ein Löw‘ ins Feuer,
Fetzte, würgte wie ein Geier,
Bis Appell den Garaus machte
Und man Siegeszeichen brachte;
Ich war auf dem Schlachtfeld da,
Bis man schrie Viktoria! Viktoria! Viktoria!
Bis man schrie Viktoria! –
Und nach soviel blut’gen Treffen
Will man mich so schändlich äffen?
Nein, potz Bomben und Granaten!
So verfährt man nicht mit Soldaten!
Potz Bomben und Granaten! Potz Bomben und Granaten!
Bursche, wart‘! ich krieg‘ dich schon
Und bezahl‘ dir deinen Lohn! –
Und nach soviel blut’gen Treffen
Will man mich so schändlich äffen?
Unter dichtem Kugelregen
Half ich Tausende erlegen;
Stürzte wie ein Löw‘ ins Feuer,
Fetzte, würgte wie ein Geier,
Bis Appell den Garaus machte
Und man Siegeszeichen brachte;
Ich war auf dem Schlachtfeld da,
Bis man schrie Viktoria! Viktoria! Viktoria!
Bis man schrie Viktoria!
Unter dichtem Kugelregen
Half ich Tausende erlegen;
Stürzte wie ein Löw‘ ins Feuer,
Fetzte, würgte wie ein Geier,
Bis Appell den Garaus machte
Und man Siegeszeichen brachte;
Ich war auf dem Schlachtfeld da,
Bis man schrie Viktoria! Viktoria! Viktoria!
Bis man schrie Viktoria!
Stößel und Sturmwald wollen ab durch die Mitte.
Claudia Stößel tritt ihnen umgekleidet von dort entgegen.
Fünfzehnter Auftritt.
Stößel rechts. Claudia in der Mitte. Sturmwald links.
CLAUDIA. Nun? Wohin? – Wohin?
STÖßEL. Ach, Claudia! Wir sind schändlich betrogen! Dies hier ist der rechte Herr Hauptmann, der andre war ein Schurke, ein Spitzbube –
CLAUDIA. Welcher andre?
STÖßEL. Nun, der mit dem Notarius da war.
CLAUDIA zu Sturmwald. Was? Waren Sie denn das nicht?
STURMWALD. Ei, der Teufel auch! Er zeigt nach links. Ich war die Nacht da in dem verdammten Loche eingesperrt; wie ich hineingekommen, weiß der Henker.
CLAUDIA. Da drin? Wie ist denn das möglich?
STÖßEL. Ja, das weiß Gott! Natürlich geht das nimmermehr zu, der Schlüssel ist nicht von meiner Seite gekommen –
CLAUDIA zu Stößel. O geh, du Dummbart! Du weißt dein‘ Tage nicht, wo du den Kopf hast. Sie haben also vorhin nicht den Kontrakt unterschreiben lassen?
STURMWALD. Ich weiß von keinem Kontrakt, ich bin ja diesen Augenblick erst aus dem Loche gekommen. Aber ich will den Schurken züchtigen. Fort, Herr Stößel, wir müssen ihn aufsuchen. Er will fort.
CLAUDIA. So warten Sie doch.
Sturmwald bleibt.
CLAUDIA. Wen wollen Sie denn aufsuchen?
STÖßEL. Wen? Wen? Wie du nur so fragen kannst! Den jungen Krautmann. Wer wird’s anders gewesen sein!
CLAUDIA bitter lachend. Ei, das wäre ja vortrefflich! Nun, und wo sind denn die Mädchen?
STÖßEL. Mit dem Notarius fort! Der andre ist hier den Augenblick verschwunden. Er muß mit dem Teufel sein Spiel haben –
CLAUDIA. Ei, mit dem Teufel nicht –
Nr. 19. Arie.
CLAUDIA zu Stößel.
Mit dir, du Esel, geht sein Spiel
Weit sichrer, schneller und weit besser.
Bei dir erreicht er bald sein Ziel,
Scheut weder dich, noch deine Schlösser.
Mit dir, du Esel, geht sein Spiel,
Bei dir, du Esel, erreicht er bald sein Ziel.
Du Dummkopf siehst mit offnen Augen nicht,
Drum lacht dir, du Dummkopf, jeder ins Gesicht,
Drum lacht dir je – der ins Gesicht!
Du Dummkopf! Du Dummkopf!
Drum lacht dir jeder ins Gesicht!
Du Esel! Du Esel!
Drum lacht dir jeder ins Gesicht!
So einen Tölpel zu betrügen,
So einen Dummbart zu belügen,
Braucht’s Hexerei und Teufel nicht! –
Sturmwald eilt unauffällig mit Gebärden des Unbehagens durch die Mitte davon.
CLAUDIA zu Stößel.
Mit dir, du Esel, geht sein Spiel
Weit sichrer, schneller und weit besser.
Bei dir erreicht er bald sein Ziel,
Scheut weder dich, noch deine Schlösser.
Mit dir, du Esel, geht sein Spiel,
Bei dir, du Esel, erreicht er bald sein Ziel.
Stößel folgt Sturmwald ebenso durch die Mitte.
CLAUDIA fortfahrend, ohne das unauffällige Fortschleichen der beiden bemerkt zu haben.
Du siehst mit offnen Augen nicht,
Drum lacht dir jeder ins Gesicht!
Du Esel! Du Esel!
Dir lacht jeder ins Gesicht!
Dir lacht je – der ins Gesicht!
Du Esel! Du Esel!
Drum lacht dir jeder ins Gesicht!
Du Esel! Du Esel!
Drum lacht dir jeder ins Gesicht,
Dir Esel ins Gesicht!
Sie sieht sich um und findet sich allein, spricht. Was – mich wie eine Närrin stehen lassen? Davonzulaufen? Mich nicht anzuhören? Mir nicht recht geben? Wart‘, das soll euch beiden heimkommen, dem einen wie dem andern! Nun soll der junge Krautmann meine Tochter haben, keiner als er, so bin ich am Vater und am Bräutigam gerächt. Ja, ja, wenn ich nur geschwind wüßte, wo sie wären, um es ihnen anzukündigen, damit ich zeigen könnte, daß geschehen muß, was ich will. Sie eilt ab durch die Mitte.
Der Chirurg Sichel kommt ganz behutsam und still aus der Thür rechts, hat einen Weiberrock an, einen Weibermantel um und eine Haube auf.
Sechszehnter Auftritt.
Sichel allein.
SICHEL. Das verdammte Fenster hat ein Gitter. Ich muß also versuchen, auf diese Art zu entkommen. Wenn man mich attrappiert, sperrt man mich obendrein als einen Dieb ins Loch. Eine saubere Geschichte! Vielleicht wisch‘ ich durch! Er betrachtet sich von allen Seiten. Ich sehe doch einer weiblichen Figur ziemlich gleich? Blitz! Wenn ich in dem Anzug Eroberungen machte? Ha, ha, ha! Das wäre zum Totlachen, wenn ich eine Schar Männer hinter mir herzöge! Aber Sichel, denk‘ lieber an deine Sicherheit! Ist’s besser, es so zu wagen – oder – den Plunder abzuwerfen – und in naturalibus zu euch wischen?
Nr. 20. Arie.
SICHEL.
Nur nicht lange sich besonnen,
Frisch gewagt, ist halb gewonnen!
Frisch gewagt, ist halb gewonnen,
Sei es nun schon, wie es sei!
Wird man der Gefahr nur frei,
Gilt es alles einerlei! –
Nur nicht lange sich besonnen,
Frisch gewagt, ist halb gewonnen! –
Sei es nun schon, wie es sei,
Wird man der Gefahr nur frei,
Gilt es alles einerlei!
Er geht ab durch die Mitte.
Umzug: Sichel.
Verwandlung.
Kurze Straße wie zu Anfang des zweiten Aufzugs. Es ist Tag.
Siebzehnter Auftritt.
Stößel kommt ganz außer Atem von links.
STÖßEL. Ah! Kaum kann ich mehr! Was mir das verdammte Mädchen für Mühe macht, für Zeit wegstiehlt! Was hätte ich heut‘ schon für nützliche Entdeckungen machen können! Es ist ein Verlust für das ganze menschliche Geschlecht. Aber nur Geduld, jetzt bin ich ihr auf der Spur; ich will sie schon lehren, sich mit einem Abkömmling eines solchen Stammes abzugeben, der mir wahres Antimonium ist. Und mein Laboratorium zu entheiligen! Entsetzlich! Ich weiß nur noch nicht, wie das möglich gewesen! Aber ich will’s erfahren. Jetzt nur fort wieder – Den Grafen muß ich auch abandonnieren, ohne zu erfahren, was meine Medizin für Wirkung gemacht. Sollte ich nicht lieber zu ihm gehen, als dem Nickel nachlaufen? Natürlich! Meine ganze Familie ist nichts gegen die Pflicht, die ich der Menschheit schuldig bin. Also zum Grafen! Dich kann ich noch finden, aber wenn der Graf tot ist, kann ich die Wirkung nicht mehr observieren. Er kehrt um und will zurück, woher er gekommen.
Der Doktor Krautmann kommt ihm von links
entgegen.
Achtzehnter Auftritt.
Stößel, Krautmann zu seiner Linken.
KRAUTMANN. Ah, servus, Herr Doktor Kohlendampf. Gut, daß ich Sie treffe.
STÖßEL. Ja, gut, daß ich Sie treffe. Wir wollen ein paar Worte miteinander sprechen.
KRAUTMANN. Ja, das wollen wir. Wissen Sie wohl, daß der Graf tot ist, den Sie heute Nacht ohne mein Wissen in die Kur genommen?
STÖßEL. Tot? O Theophrastus! Ich kann also die Wirkung meines Arcanums nicht mehr observieren.
KRAUTMANN. Desto besser die Folgen. Sie haben ihn umgebracht.
STÖßEL. Umgebracht? Ich? Er war schon zum Abscheiden, als ich ihn übernahm; ich habe ihn noch zwölf Stunden länger erhalten und hätt‘ ihn völlig hergestellt, wenn mich Ihr Sohn nicht daran hinderte –
KRAUTMANN. Mein Sohn –
STÖßEL. Ja, Ihr Sohn. Er hat sich gestern Abend diebisch in mein Haus geschlichen, ist in mein Laboratorium gedrungen und hat diesen Morgen meine Tochter entführt.
KRAUTMANN. Mein Sohn?
STÖßEL. Eben suche ich sie auf. Sie sind noch in der Vorstadt in Lenzens Garten und warten auf ihren Compagnon, den Feldscher Sichel, das habe ich eben von des letztern Buben erfahren. Wäre das nicht, ich hätte schon den Grafen am Leben erhalten und ihm die schlechten Medizinen wieder aus dem Körper gebracht, die Sie ihm hineingejagt haben.
KRAUTMANN. Sie sind ein Unverschämter! Wissen Sie wohl, daß Sie nur ein Apotheker sind, der dem Doktor untergeordnet ist? Was unterstehen Sie sich, ihm vorzugreifen?
STÖßEL. Proben zu machen steht mir so gut frei als jedem Doktor, und ich bin überzeugt, ich wäre mit meiner Probe bestanden.
KRAUTMANN. Darüber sollen Sie vor der Fakultät Antwort geben.
STÖßEL mit einigen Schritten nach rechts von Krautmann weg. Und Sie beim Kriminalrichter wegen Ihres Sohnes.
Nr. 21. Duett.
KRAUTMANN tritt erregt nach rechts auf Stößel zu.
Sie sind ein Charlatan,
Ein Ignorant!
Er wendet sich mit einigen Schritten nach links.
STÖßEL folgt ihm aufgebracht nach links.
Ich bin ein weiser Mann,
Ein Laborant!
Er wendet sich wieder nach rechts.
KRAUTMANN.
Ein Schrecken für Gesunde,
Ein Doktor nicht für Hunde.
STÖßEL.
Das spricht der Neid aus Ihnen,
Es zeigen’s Ihre Mienen.
Sie gehen zornig aufeinander los.
KRAUTMANN.
Doch Sie bekommen schon
Noch Ihren Lohn!
STÖßEL.
Jedoch in Ihrem Sohn
Räch‘ ich mich schon! –
KRAUTMANN.
Ich will den armen Grafen rächen,
Und fordre Sie zur Fakultät
Und vor die Universität.
STÖßEL.
Da werd‘ ich dann wie Cato sprechen,
Und Sie zum allgemeinen Wohl,
Mein Herr, beschämen, wie ich soll!
KRAUTMANN.
Was? Er will mich beschämen?
STÖßEL.
Ja, Ihn will ich beschämen!
BEIDE.
Verdammter Charlatan! Verdammter Charlatan!
Nun halt‘ ich mich nicht mehr!
Ich will bei meiner Ehr‘
Dir schon das Handwerk legen,
Du sollst dich nicht mehr regen;
Zu Boden, Ignorant!
KRAUTMANN.
Du Pillenfabrikant!
STÖßEL.
Rezeptenfabrikant!
Beide stürzen auseinander, an den Seiten entlang nach hinten zusammen und dann wieder vor.
KRAUTMANN tritt erregt auf Stößel zu.
Sie sind ein Charlatan,
Ein Ignorant.
Er wendet sich wie vorher nach links.
STÖßEL folgt ihm.
Ich bin ein weiser Mann,
Ein Laborant.
Er wendet sich wieder nach rechts.
KRAUTMANN.
Ein Schrecken für Gesunde,
Ein Doktor – nicht für Hunde.
STÖßEL.
Das spricht der Neid aus Ihnen,
Es zeigen’s Ihre Mienen.
Sie gehen zornig aufeinander los.
KRAUTMANN.
Doch Sie bekommen schon
Noch Ihren Lohn!
STÖßEL.
Jedoch in Ihrem Sohn
Räch‘ ich mich schon!
Er eilt ab nach links.
Krautmann stürzt nach rechts davon.
Verwandlung.
Garten. Es ist Tag.
Neunzehnter Auftritt.
Leonore, Gotthold, in seiner gewöhnlichen Kleidung, und Rosalie kommen von links.
GOTTHOLD in der Mitte, zu Leonore. Nun, Beste, so weit wären wir doch nun glücklich entkommen!
LEONORE rechts. Aber wie wird es weiter gehen?
GOTTHOLD. Gut, hoffe ich!
ROSALIE links. Das hoff‘ ich auch. Aber nun sagen Sie doch, Herr Krautmann, was wir hier sollen? Hier, denk‘ ich, sind wir eben nicht am sichersten.
GOTTHOLD. Wir warten nur auf Sichel, dann fahren wir nach Goschütz und lassen uns dort trauen, sodann wollen wir die Feindschaft unserer Väter in die nächste Blutsfreundschaft verwandeln.
ROSALIE. Das gebe der Himmel!
GOTTHOLD. Wollen Sie mir erlauben, mich nach Sichel umzusehen? Ich werde den Augenblick wieder hier sein.
ROSALIE. Aber nur nicht lange ausbleiben!
LEONORE. Ja, das bitt‘ ich sehr, denn mir ist bange!
Gotthold geht ab nach links.
Zwanzigster Auftritt.
Leonore, Rosalie zu ihrer Linken.
LEONORE. Ach, liebstes Salchen, wird es uns denn auch gut gehen?
ROSALIE. Warum denn nicht? Sind wir nicht so gut unsern Preis wert wie andere?
LEONORE. Ja, aber ohne den Willen der Eltern? Das ist denn doch viel gewagt!
ROSALIE. Ganz gut – aber denk‘ doch nur, was die Eltern verlangen; daß man ihren Entwürfen alle Empfindungen opfern und blind sein soll. Haben sie da auch wohl recht? Sie geht an Leonore vorüber nach rechts. Und ich glaube, nur bei vernünftigen Forderungen ist es Pflicht, den genauesten Gehorsam zu leisten.
LEONORE. Man hat aber so viele Beispiele, daß dergleichen Heiraten, die wider Willen der Eltern vollzogen werden, selten gut ausschlagen.
ROSALIE. Sieh nur, Liebe, da forderst du zu viel von mir, daß ich dir jetzt alle Zweifel lösen soll. Ich glaube, wenn sich eine verworrene Sache so gut entwickelt: daß es so sein soll, und was sein soll, das ist einem beschert, und was einem beschert ist, dem kann man nicht entgehen. Ach, mach‘ dir weiter keine Grillen und hoffe das beste.
Nr. 22. Arie.
ROSALIE.
Jedem ist sein Los beschieden;
Selbst der Wunsch, den man genährt,
War uns ebenfalls beschert.
Stellt das Glück uns nur zufrieden,
Trifft ein Wunsch nach Absicht ein,
Darf man gänzlich ruhig sein;
Denn der Wunsch war unser Los,
Und wer kann seinem Los entgehn?
Was uns bestimmt ist, muß geschehn! –
Trifft ein Wunsch nach Absicht ein,
Darf man gänzlich ruhig sein;
Jedem ist sein Los beschieden,
Selbst der Wunsch war unser Los,
Und wer kann seinem Los entgehn?
Was uns bestimmt ist, muß geschehn,
Das muß geschehn!
Gotthold Krautmann kommt von links zurück.
Einundzwanzigster Auftritt.
Rosalie rechts. Leonore in der Mitte. Gotthold links.
GOTTHOLD spricht. Noch sehe ich ihn nicht. Wo er auch so lange bleibt?
LEONORE. Wenn er entdeckt worden wäre!
ROSALIE. Dann dürfen wir uns gar nicht eines glücklichen Ausgangs freuen.
GOTTHOLD. Ich würde ihm gern nochmals entgegengehen, aber ich will Sie nicht hier allein lassen.
ROSALIE. Das wäre auch gar nicht ratsam. Denn wenn ein Frauenzimmer noch soviel Mut hat, ist ein Mann gar nicht überflüssig, um ihn zu beleben und wir haben eben nicht hinlänglichen Mut; mithin brauchen wir immer jemand, der uns welchen einflößt.
LEONORE. Es wäre entsetzlich, wenn wir verraten würden.
GOTTHOLD. Das wollen wir nicht hoffen. Lassen Sie uns jetzt nur an unser Glück denken.
LEONORE. Ach, ich fürchte, ich habe zu viel gewagt.
GOTTHOLD. Wie das?
LEONORE. Die Männer lassen uns gern in der Folge dafür büßen, wenn wir zu schwach sind und zu viel Ergebenheit gegen sie blicken lassen.
GOTTHOLD. Wie kommen Sie zu diesem Gedanken?
Nr. 23. Duett.
GOTTHOLD.
Nie werd‘ ich mich so weit vermessen
Und Ihre Liebe je vergessen!
Stets werd‘ ich dafür dankbar sein!
LEONORE.
Ich werde mich gewiß bestreben,
Nie Stoff zum Unbestand zu geben,
Mein Herz schlägt nur für Sie allein.
LEONORE UND GOTTHOLD.
So wird es hoffentlich nicht fehlen
Wir werden froh und glücklich sein.
GOTTHOLD.
Ich will nach Ihrem Willen leben.
LEONORE.
Ihr Wink wird mir Gesetze geben.
LEONORE UND GOTTHOLD.
Stets wird Ihr Wille mich erfreun,
Ihr Wunsch wird auch der meine sein. –
So kann es uns nicht fehlen,
Uns unter die zu zählen,
Die Amor selbst im Ehestand
Noch seines Schutzes würdig fand.
Der Chirurg Sichel kommt in seiner gewöhnlichen Kleidung eilt von rechts.
Zweiundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Sichel tritt zwischen Leonore und Gotthold.
ROSALIE UND LEONORE rufen Sichel entgegen. Ah, da kommt er ja!
GOTTHOLD zu Sichel. Ums Himmels willen, wo bleibt Er so lange?
SICHEL. Das sollen Sie gleich erfahren. Ich mußte erst nach Hause und mich umkleiden. Aber jetzt nur fort! Nicht lange geplaudert! Es ist alles verraten, also nur fort!
Alle wollen nach rechts hinten fort.
Der Apotheker Stößel kommt mit einem Polizeikommissär von links hinten.
Dreiundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Stößel. Polizeikommissär.
STÖßEL. Holla, nicht so geschwind! Hier, Herr Kommissär, haben Sie den Beweis meiner Klage. Sehen Sie, auf der That ertappt. Dies ist meine Tochter, dies meine Nichte. Die beiden jungen Herren also arretiert.
In rascher Folge.
SICHEL. Da haben wir’s!
LEONORE. O weh!
ROSALIE. Verdammter Streich!
Das Finale beginnt.
GOTTHOLD. Nun ist alles verloren! Herr Stößel, hören Sie mich –
STÖßEL. Nichts da. Nur fort. Sie sollen mir für Ihren Vater Satisfaktion geben.
Der Hauptmann Sturmwald kommt von links hinten.
Vierundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Sturmwald zwischen Gotthold und Stößel.
Nr. 24. Finale.
STURMWALD.
Ha, potz Pulver und Kanonen!
Burschen, wart‘, ich will’s euch lohnen,
Macht nur gleich das Testament,
Er zieht den Degen.
Denn hier find’t ihr euer End‘!
ROSALIE UND LEONORE fallen sich erschreckt in die Arme.
Ach! Ach!
SICHEL UND GOTTHOLD fallen Sturmwald in die Arme.
Halt! Still!
STÖßEL UND KOMMISSÄR.
Halt! Still!
STURMWALD.
Zurück! Ich muß mich rächen!
KOMMISSÄR.
Herr! Herr! hier hab‘ ich zu sprechen,
Denn ich bin von der Polizei!
STURMWALD.
Das gilt mir alles einerlei!
KOMMISSÄR.
Denn ich bin von der Polizei!
STÖßEL.
Der Herr ist von der Polizei!
KOMMISSÄR tritt etwas vor.
Denn ich bin von der Polizei!
SICHEL UND GOTTHOLD für sich.
Wie kommen wir nun jetzt wohl frei?
ROSALIE UND LEONORE für sich.
Nun ist’s mit unserem Glück vorbei!
STURMWALD tritt dem Polizeikommissär gegenüber.
Das gilt mir alles einerlei!
Rosalie und Leonore ziehen sich nach hinten zurück.
Claudia Stößel kommt von links hinten.
Fünfundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Claudia tritt zwischen Sturmwald und Stößel.
CLAUDIA.
Was giebt’s denn da, was giebt’s denn da für ein Geschrei?
ROSALIE, LEONORE, SICHEL UND GOTTHOLD für sich.
Nun ist’s vergebens, noch zu hoffen,
Nun ist’s mit unserm Glück vorbei!
Nun ist’s vergebens, noch zu hoffen,
Nun ist’s mit unserm Glück vorbei!
STURMWALD, STÖßEL UND KOMMISSÄR zu Claudia.
Just haben wir sie noch getroffen,
Ein wenig später war’n sie frei!
CLAUDIA.
Und was soll denn die Polizei?
STÖßEL UND KOMMISSÄR.
Die jungen Herren arretieren.
CLAUDIA.
Und etwa ins Gefängnis führen?
STURMWALD, STÖßEL UND KOMMISSÄR.
Nun ja!
CLAUDIA.
Ich dachte gar!
STURMWALD, STÖßEL UND KOMMISSÄR.
Nun ja!
ROSALIE, LEONORE, SICHEL UND GOTTHOLD für sich.
Entreißt sie uns wohl der Gefahr?
CLAUDIA zu Stößel.
O welch ein rasendes Beginnen!
Wo hast du wieder deine Sinnen?
Zum Kommissär.
Mein Herr! Mein Herr! gehn Sie nur immer fort.
Sie tritt vor und mit einigen Schritten nach rechts, so daß Sichel und Gotthold zu ihrer Linken stehen.
Rosalie und Leonore treten gleichzeitig zu ihr.
KOMMISSÄR zu Claudia.
Sie haben hier gar nichts zu schaffen,
Hier gilt nur Ihres Mannes Wort.
STURMWALD.
Ein Weib hat hierbei nichts zu schaffen,
Hier gilt nur Ihres Mannes Wort.
STÖßEL.
Geh fort, du hast hier nichts zu schaffen,
Hier habe ich das größte Wort!
KOMMISSÄR.
Sie haben hier gar nichts zu schaffen,
Hier gilt nur Ihres Mannes Wort!
ROSALIE, LEONORE, SICHEL UND GOTTHOLD umringen Claudia.
Ach, bleiben Sie bei dem Gedanken,
Auf Sie kommt doch das meiste an!
STÖßEL zu Claudia.
Das wollen wir doch einmal sehen!
CLAUDIA zu Stößel.
Ja, ja, Hans Dampf, das sollst du sehen!
Rosalie und Leonore treten wieder etwas zurück.
Claudia nähert sich Sturmwald und Stößel.
STURMWALD UND STÖßEL indem sie, auf Sichel und Gotthold weisend, zurücktreten und dem Kommissär Platz machen.
Mit ihnen fort, Herr Kommissär!
Kommissär tritt an ihnen vorbei zu Sichel und Gotthold.
CLAUDIA zum Kommissär.
Das unterstehen Sie sich, Herr!
Sie geht zankend zu Sturmwald und Stößel nach links.
KOMMISSÄR zu Sichel und Gotthold.
Fort denn und sperr‘ sich keiner mehr!
Sichel und Gotthold weichen nach der rechten Seite hin aus.
Rosalie und Leonore wenden sich hinten herum nach links vom Kommissär.
SICHEL UND GOTTHOLD.
Ich gehe nicht, Herr Kommissär!
ROSALIE UND LEONORE.
Ach, hören Sie, Herr Kommissär!
Sie ziehen den Kommissär nach links zu.
Sichel und Gotthold folgen, auf den Kommissär eindrängend.
Sturmwald, Stößel und Claudia wenden sich hinten herum nach rechts.
STURMWALD UND STÖßEL.
Mit ihnen fort, Herr Kommissär!
CLAUDIA.
Das unterstehen Sie sich, Herr, Herr Kommissär!
SICHEL UND GOTTHOLD.
Ich gehe nicht, Herr Kommissär!
KOMMISSÄR.
Fort denn und sperr‘ sich keiner mehr!
ROSALIE UND LEONORE.
Ach, hören Sie, Herr Kommissär!
Kommissär flüchtet nach rechts, zwischen Stößel und Claudia.
Der Doktor Krautmann kommt von rechts.
Sechsundzwanzigster Auftritt.
Die Vorigen. Krautmann.
Krautmann tritt dem Kommissär zur Linken.
Claudia tritt zu Rosalie und Leonore.
Leonore tritt an Rosalie vorüber auf Claudia zu.
Gotthold zuerst und dann Sichel nähern sich Krautmann.
KRAUTMANN.
Was ist das für ein Lärmen?
GOTTHOLD UND SICHEL.
Man will mich / uns arretieren!
LEONORE UND ROSALIE.
Man will sie arretieren!
KRAUTMANN zu Gotthold.
Wer will dich arretieren?
STURMWALD UND STÖßEL.
Ich laß ihn arretieren!
Ich laß ihn arretieren!
KRAUTMANN wie vorher.
Wer will dich arretieren?
GOTTHOLD UND SICHEL.
Man will uns arretieren!
CLAUDIA, LEONORE UND ROSALIE.
Er läßt ihn arretieren!
KRAUTMANN.
Da werd‘ ich protestieren!
STURMWALD, STÖßEL UND KOMMISSÄR.
Da hilft kein Protestieren!
CLAUDIA, LEONORE UND ROSALIE.
Er läßt ihn arretieren!
KRAUTMANN.
Da werd‘ ich protestieren!
STURMWALD UND STÖßEL.
Ich laß ihn arretieren!
KRAUTMANN.
Da werd‘ ich protestieren!
GOTTHOLD UND SICHEL.
Man will uns arretieren!
CLAUDIA, LEONORE UND ROSALIE.
Er läßt ihn arretieren!
STURMWALD, STÖßEL UND KOMMISSÄR zu Gotthold und Sichel.
Nur fort einmal, fort, fort, fort, fort!
KRAUTMANN winkt dem Kommissär und tritt mit ihm weiter vor.
Herr Kommissär – ein Wort! –
Sie werden mich doch kennen?
KOMMISSÄR.
O ja, ich kenn‘ Sie schon!
KRAUTMANN.
Nun wohl, nun wohl,
Ich stelle Kaution.
Das nehmen Sie doch an?
KOMMISSÄR.
Das nehm‘ ich an!
Sturmwald und Stößel nehmen den Kommissär in ihre Mitte und verhandeln mit ihm.
Krautmann tritt wieder zurück.
STURMWALD UND STÖßEL.
Das geht nicht an!
GOTTHOLD, SICHEL, CLAUDIA, LEONORE UND ROSALIE.
Er nimmt es an! Er nimmt es an!
Er nimmt es an! Er nimmt es an!
STURMWALD UND STÖßEL.
Das geht nicht an! Das geht nicht an!
KOMMISSÄR.
Das nehm‘ ich an! Das nehm‘ ich an!
STURMWALD UND STÖßEL zum Kommissär.
Man setz‘ ihn gleich gefangen!
Ich hab‘ ihn attrappiert,
Wie er sein / mein Kind entführt!
KRAUTMANN zu Stößel.
Hat sich mein Sohn vergangen,
So denken Sie daran,
Daß ich Sie stürzen kann!
Er tritt an Stößel vorüber zum Kommissär.
Sturmwald und Stößel wenden sich wieder nach rechts hinten und verhandeln unter sich.
Claudia tritt an Sichel und Gotthold vorüber zu Krautmann.
Kommissär wendet sich ärgerlich nach rechts hinten und kommt dann wieder auf die rechte Ecke vor.
STURMWALD UND STÖßEL zum Kommissär.
Man setz‘ ihn gleich gefangen!
Ich hab‘ ihn attrappiert,
Wie er sein / mein Kind entführt!
KRAUTMANN zu Stößel.
Hat sich mein Sohn vergangen,
So denken Sie daran,
Daß ich Sie stürzen kann!
CLAUDIA zu Gotthold.
Er hat sich zwar vergangen,
Doch stimm‘ ich jetzt selbst bei,
Daß Er mein Eidam sei.
GOTTHOLD zu Stößel.
Hab‘ ich mich auch vergangen,
So denken Sie daran,
Was nicht die Liebe kann.
SICHEL, LEONORE UND ROSALIE zu Stößel.
Hat er sich auch vergangen,
So denken Sie daran,
Was nicht die Liebe kann!
Sichel tritt an Leonore vorüber zu Rosalie.
CLAUDIA zwischen den beiden Paaren die Mitte nehmend.
Kommt, gebt euch nur die Hände,
So wird’s einmal ein Ende!
STÖßEL kommt zwischen Krautmann und Gotthold vor.
Was machst du, Claudia?
STURMWALD.
Was machen Sie denn da?
Kommissär tritt nach hinten, Sturmwald zur Rechten und verhandelt mit ihm.
DIE PAARE küssen Claudia die Hand.
Wie danken wir, Mama!
STÖßEL zu Claudia.
Du bist doch gar verwegen,
Was soll ich denn nun da?
KRAUTMANN zu Claudia.
Das find‘ ich sehr verwegen,
Bin ich nicht auch noch da?
CLAUDIA zu Stößel.
Du wirst dich gar nicht regen!
Sie tritt an Leonore und Gotthold vorbei, zwischen Krautmann und Stößel; halblaut zu Krautmann.
Sie müssen überlegen,
Ihr Sohn wird arretiert,
Wohl gar kompromittiert;
Denn wenn Prozeß wir führen,
So müssen Sie verlieren.
Wir klagen ihn sodann
Als Mädchenräuber an.
Sie treten nach hinten und verhandeln.
SICHEL tritt Stößel zur Linken vor, halblaut zu ihm.
Sie müssen überlegen,
Sie sind kompromittiert,
Wenn er die Klage führt,
Daß Sie geheim kurieren,
Arcana applizieren,
Und daß Sie heute Nacht
Den Grafen umgebracht.
Er tritt zu Rosalie zurück.
Claudia nimmt die Mitte zwischen den beiden Paaren.
Krautmann überlegt bei sich.
ALLE ohne den Kommissär.
Was wird wohl nun geschehn?
KRAUTMANN UND STÖßEL zusammentretend, halblaut zu einander.
Wenn Sie mich nicht kompromittieren –
KRAUTMANN.
Meinen Sohn nicht arretieren –
STÖßEL.
Mich nicht zur Fakultät citieren –
KRAUTMANN.
Es nicht mehr wagen zu kurieren –
STÖßEL.
Und Klage gegen mich dort führen –
KRAUTMANN UND STÖßEL.
So geb‘ ich meinen Willen drein!
Sie reichen sich die Hände.
Wohlan! Wohlan! so schlagen Sie denn ein!
Stößel tritt zwischen Leonore und Claudia.
Krautmann ebenso, Gotthold zur Rechten.
KOMMISSÄR UND KRAUTMANN zu Gotthold.
Nun werden Sie / Nun wirst du doch zufrieden sein!
GOTTHOLD UND LEONORE.
Nun können wir zufrieden sein!
STÖßEL, CLAUDIA, SICHEL UND ROSALIE.
Nun werd’t ihr doch zufrieden sein!
STURMWALD losbrechend.
Ha! Potz Bomben und Granaten!
So verfährt man mit Soldaten?
Er stürmt, ergrimmt den Degen ziehend, nach der Mitte, zwischen Leonore und Stößel.
Ich will Satisfaktion,
An dem Alten und am Sohn!
Gotthold und der herzu eilende Sichel halten ihn fest.
LEONORE UND ROSALIE fliehen erschreckt nach der hintern linken Ecke.
O weh!
KRAUTMANN zu Sturmwald.
Was giebt’s?
GOTTHOLD UND SICHEL ebenso.
Gemach!
STÖßEL UND CLAUDIA ebenso.
Nur still!
KOMMISSÄR ebenso.
Stille! –
Das ist keine Art!
Herr, in meiner Gegenwart
Unternimmt man so was nicht!
KOMMISSÄR, GOTTHOLD, SICHEL UND STÖßEL zu Sturmwald.
Wollen Sie die Ruhe stören?
Lassen Sie sich doch belehren!
Sehen Sie, Herr / Freund, Sie sind schon alt,
Jedes Mädchen bleibt da kalt.
CLAUDIA.
Alter, wart‘, ich will dich lehren,
Auf die Mutter nicht zu hören!
Sieh, das hast du nun davon,
Statt des Mädchens Schimpf und Hohn.
LEONORE UND ROSALIE auf die linke Ecke vortretend.
Ja, du mußt dich schon bequemen,
Deinen Korb nach Haus zu nehmen;
Laß dir dies zur Warnung sein,
Liebe flößt du nicht mehr ein.
STURMWALD lacht.
Ha, ha, ha! Nun, meinetwegen,
Ich hab‘ nicht so viel dagegen!
Er lacht.
Ha, ha, ha! Das dacht‘ ich gleich,
Denn es war ein Narrenstreich!
ALLE lachen.
Hahahahahahahahahaha!
STURMWALD.
Ich wünsche Glück, Viktoria!
Alle außer Sichel, bedanken sich bei Sturmwald; Händeschütteln etc.
Sturmwald tritt zwischen den Kommissär und Krautmann.
Gotthold ebenso zwischen Claudia und Leonore.
ALLE außer Sichel.
Viktoria! Viktoria! – Viktoria! Viktoria!
STURMWALD, CLAUDIA, GOTTHOLD, LEONORE UND ROSALIE.
Nunmehr ist unser Spiel gewonnen,
Ist unser Spiel gewonnen!
ALLE außer Sichel.
Viktoria! Viktoria!
SICHEL dazwischen.
Geduld! Geduld! ich bin ja auch noch da!
STURMWALD, KRAUTMANN, STÖßEL UND CLAUDIA zu Sichel.
Was soll es sein? Was will denn Er? –
SICHEL.
Nun ja, nun ja, soll ich denn etwa leer
Bei diesem Fest ausgehen?
STURMWALD, KRAUTMANN, STÖßEL UND CLAUDIA.
Was soll denn noch geschehen?
SICHEL.
Sie wissen, daß ich gut studiere
Und als Chirurgus praktiziere,
Man wird mich also graduieren,
Wenn ich die Kosten kann prästieren,
Mithin bin ich ein Mann im Staat,
Der Ansehn und zu leben hat.
STURMWALD, KRAUTMANN, STÖßEL UND CLAUDIA.
Nur weiter, nur weiter, wenn ich bitten darf!
SICHEL zu Stößel.
Nun fehlet mir zum Praktizieren
Und baldigem Examinieren
Ein Weib, so kann ich mehr studieren
Und sie indes die Wirtschaft führen.
Auf Rosalie zeigend.
Dort steht so ein Subjektulum,
Zu Claudia.
Ist’s Ihnen feil, so bitt‘ ich drum!
STÖßEL leise zu Sichel.
Versteht Er was vom Laborieren?
SICHEL.
Ich lasse mich darin probieren.
STÖßEL.
Nun denn, was sagst du, Claudia?
CLAUDIA.
Ich sage herzlich gerne ja!
Sichel eilt zu Rosalie.
GOTTHOLD UND SICHEL zu Claudia.
Sie machen uns sich nun ganz eigen –
LEONORE UND ROSALIE.
O könnten wir doch nur bezeigen –
GOTTHOLD, LEONORE, SICHEL UND ROSALIE.
Wie sehr wir Ihnen dankbar sind! –
KOMMISSÄR.
Nun giebt’s nichts mehr zu arretieren,
Ich will mich also retirieren,
Und gratuliere allen sehr.
ALLE.
Wir danken schön, Herr Kommissär!
Kommissär geht ab nach links.
ALLE.
Viktoria! Viktoria! – Viktoria! Viktoria!
CLAUDIA, GOTTHOLD, LEONORE, SICHEL UND ROSALIE.
Nunmehr ist euer / unser Spiel gewonnen!
Sie / Wir haben nicht umsonst gesonnen,
Sie / Wir sind nun ihrem / unserm unserm Glücke nah!
ALLE.
Viktoria! Viktoria! –
Was hilft den Alten alles paaren,
Sie müssen endlich doch erfahren,
Daß Jugend nicht das Alter freit,
Und keins sich zu verlieben scheut!
Viktoria! Viktoria! – Viktoria! Viktoria!
Ende.