Gaspare Spontini
Die Vestalin
Ein lyrisches Drama in drei Aufzügen
Personen
Licinius, römischer Feldherr
Cinna, Befehlshaber einer Legion
Der Oberpriester Jupiters
Der Oberzeichendeuter des Opferdienstes
Julia, eine junge Vestalin
Die Ober-Vestalin
Ein Consul
Chor von Priestern
Chor von Vestalinnen
Chor von Matronen und jungen Mädchen
Chor von Kriegern
Chor des Volks
Chor von Geweihten Flora's und der Erycinischen Venus
Erster Aufzug.
Der Schauplatz ist das Forum. Linker Hand das Atrium, oder die Wohnung der Vestalen, das durch einen Säulengang mit dem Tempel der Vesta zusammenhängt. – Dem Atrium gegenüber ein Theil eines den Pallast des Numa umgebenden heiligen Hains.
Erster Auftritt.
Licinius anfangs allein, in schwermüthiger Stellung an eine der Säulen des Atriums gelehnt.
Cinna kommt, erblickt erstaunt Licinius, und nähert sich theilnehmend.
CINNA.
Hier, neben Vesta's Tempel, an heiligem Ort,
Licinius, find ich dich, da kaum der Morgen taget? –
Scheucht etwa stiller Harm von dir die Ruhe fort? –
Vertraue, theurer Freund, mir den Gram, der dich naget!
Da Licinius sich entfernen will.
Ich folge, wenn du fliehst! – Weise so mich nicht ab!
LICINIUS schmerzvoll die Säule fassend.
Warum stürzt auf mein Haupt dieser Bau nicht herab!
Ich erliege dem Schmerz! –
CINNA.
Du? – beut die Heldensphäre
Dir nicht das höchste Glück? – des Triumphators Ehre?
Hat dein siegreicher Arm, hat nicht dein tapfres Schwerdt
Als Roms Befreyer dich, als Erretter, bewährt?
Will nicht ruhmvollen Lohn das Vaterland dir geben?
LICINIUS.
Was sind Triumphe für das Herz? –
Nicht der Lorbeer beglückt, noch ein Prachtbild von Erz!
Was gilt Rom, und die Welt, und der Ruhm, und mein Leben?
CINNA.
Ha! welch ein andres Glück reizt dich durch höhern Glanz,
Als der, von dem das Haupt des Imperators glänzet,
Wann im Triumph, mit goldnem Kranz,
Mit dem Lorbeer des Ruhms, die Vestalin ihn kränzet?
LICINIUS.
Welch ein Wort sprachst du aus!
CINNA.
Was schreckt dich so zurück?
Erschütternd ist dein Ton! – Entsetzenvoll dein Blick! –
Deines Freundes treuem Herzen
Vertraue deinen Kummer an!
Wer nimmt, gleich mir, Theil daran? –
Könnt‘ ich je dein Vertrauen verscherzen?
Dieses Schweigen, das mich quält,
Ließe dann sich ertragen,
Wär‘ es Glück, was der Freund mir verhehlt; –
Doch im Schmerz mit ihm zu klagen,
Dies Recht ist der Freundschaft vermählt!
LICINIUS schmerzhaft entschlossen, heftig.
Wohlan! So nimm auch du an meinem Frevel Theil!
Mitschuld'ger wirst du nun des Verraths, den ich übe!
Vesta's Priesterin ist's, die ich Unseel'ger liebe! –
Nun begreifst du mein Loos!
CINNA.
Jedes Wort ist ein Pfeil!
Ich seh‘ für diesen Schmerz weder Lindrung noch Heil!
Welcher Dämon erweckt diese strafbare Flammen?
LICINIUS.
Sie sind die reinste Glut! – Kein Gott kann sie verdammen!
Schon durch ein zartes Band im Lenz der Jugendzeit
Ward Julia's Liebe mir, ward ihr mein Herz geweiht!
Sie zu verdienen, sie durch Thaten zu erwerben,
Kämpft‘ ich sechs Jahre lang, Roms Feinden zum Verderben! –
Nun kehr‘ ich ruhmbekränzt zur Vaterstadt zurück! –
Doch welche Nachricht harrt des Siegers zum Empfange!
Verwais't, geopfert eigennütz'gem Zwange,
Birgt Vesta's Heiligthum mein höchstes Lebensglück!
CINNA.
Dein Loos ist hart!
LICINIUS.
Gieb mir Hülfe, statt Klagen!
CINNA.
Wie? – und was hoffst du?
LICINIUS.
Nichts! Doch will ich alles wagen!
CINNA.
Bekämpfe, theurer Freund, die Wuth der Leidenschaft!
Dem Gesetz und den Göttern ist dein Wunsch Verbrechen!
Verzehrend ist ihr Grimm, wenn sie Entweihung rächen!
LICINIUS.
Wohlan! – Verzweiflung giebt mir Kraft!
Die Glut, die mich durchflammt, zeigt nichts mir mehr verwegen!
Sie stellt den Göttern mich entgegen! –
Mich füllt der Liebe Muth, der nur sterbend erschlafft.
CINNA.
Mit unsel'ger Gefahr seh‘ ich zum Kampf dich eilen! –
Doch was die Liebe wagt, heißt mich die Freundschaft theilen!
LICINIUS.
Steht solch ein Freund beschirmend mir zur Seite;
Wie könnte Furcht noch dann dies Herz entweihn?
CINNA.
Wo ist die Macht, die Göttern widerstreite? –
LICINIUS.
Gieb nicht den Muth der Zweifelsucht zur Beute!
Denk dir mein Glück, o Freund, geliebt zu seyn!
CINNA.
Dies Glück schließt Frevel ein!
O! daß dies Glück nicht Verderben dir deute!
O! daß den Wunsch dir die Götter verzeih'n!
Doch ist dein Plan, der strafenswerthe,
Fest bestimmt; – ist er reif zur That; –
Dann weih‘ ich gern, als Freund, als treuer Kampfgefährte,
Des Freundes kühnem Muth meinen Arm, meinen Rath!
LICINIUS.
Ja! mein Entschluß, der strafenswerthe,
Sey vollstreckt! er ist reif zur That!
Und du, geliebter Freund, mein tapfrer Kampfgefährte,
Verleihe meinem Muth deinen Schutz, deinen Rath!
CINNA.
Der Freundschaft heil'ger Eid, der vereint uns erklärte,
Führt, untrennbar vereint, und bis zur Gruft den Pfad.
Beide Arm in Arm ab.
Zweiter Auftritt.
Die Ober-Vestalin, Julia und die andern Vestalinnen kommen aus dem Atrium, nähern sich dem heiligen Gehölz, und singen die Hymne. Julia sondert sich etwas von den übrigen ab und scheint in Schwermuth versunken.
Morgen-Hymnus.
OBER-VESTALIN UND VESTALEN ohne Julia.
Tochter Saturns! Keusche Vesta! Dein Glanz
Schmückt neu die Welt mit beglückenden Strahlen!
Erhalte rein dem Altar der Vestalen
Dein heil'ges Feuer; zum Glück des Vaterlands!
JULIA.
Der Göttin Name füllt mein Herz mit Qualen!
Mich füllt mit Angst der reinen Flamme Glanz!
OBER-VESTALIN.
Fern vom Altar, wo deine Flammen lodern,
Sey jede treulose Jungfrau verbannt!
Erlosch'ne Glut macht ihr Vergehn bekannt!
Ihr Loos ist: – im Grabe zu modern!
JULIA.
Dies scheint mein Leben zu fordern!
Mein Herz entweihte dies heil'ge Gewand!
CHOR ohne Julia.
Tochter Saturns! keusche Vesta! Dein Glanz
Schmückt neu die Welt mit beglückenden Strahlen!
Erhalte rein dem Altar der Vestalen
Dein heil'ges Feuer, zum Glück des Vaterlands!
JULIA.
Der Göttin Name füllt mein Herz mit Qualen!
Mich füllt mit Angst der reinen Flamme Glanz!
OBER-VESTALIN.
Ihr Schwestern! – Diesen Tag wird ein Triumph umglänzen!
Roms bewunderter Held, den der Ruhm uns genannt,
Heischt aus unsrer geweihten Hand
Das goldne Diadem, die Siegerstirn zu kränzen! –
Uns verehret der Staat als der Gottheit Organ!
Der Senat und das Volk, des hohen Festes Zeugen,
Werden willig ihr Knie vor unsern Fascen beugen,
Wann sie Vesta's Tempel sich nahn! –
Beginnet im Tempel des Opferdiensts Gebräuche!
Erfleht der Götter Huld – und Segen diesem Reiche.
Indem die Vestalinnen im feierlichen Zuge nach dem Tempel gehen und Julia ihnen nachfolgen will, winkt sie ihr, zurufend.
Julia! – Weiche nicht!
Dritter Auftritt.
Julia und die Ober-Vestalin.
OBER-VESTALIN.
Laß noch, zum letztenmal,
Den Abgrund der Gefahr mich warnend dir enthüllen!
Laß mich dein Herz mit dem Vorsatz erfüllen,
Sich dem zu weihn, was die Pflicht dir befahl.
Du erträgst nur mit Zwang die Fesseln, die uns bindet! –
Selbst am heil'gen Altar zeigt dein gramvoller Blick
Geheimnißvollen Schmerz, der auf Vorwurf sich gründet!
Vor Vesta's reiner Glut bebst du schaudernd zurück;
Verhehlt es gleich dein Mund, was tief dein Herz empfindet!
Ein Geist der Nacht hat mit Trug dich bethört, –
Hat den strafbaren Wunsch dir im Busen entzündet,
Der wider die Gottheit sich frevelhaft empört! –
JULIA.
Was ist denn mein Vergehn? – Als Opfer strenger Pflichten,
Die mein Wesen vernichten,
Ehr‘ ich, folgsam und fromm, doch mit Schmerz ihr Gebot! –
OBER-VESTALIN.
Welch ein glorreicher's Loos kann die Menschheit erstreben?
Roms Geschick ist uns übergeben,
Durch Pallas heil'ges Bild, den Schutz in jeder Noth!
Heller Glanz, hoher Ruhm – beseligt unser Leben!
JULIA.
Und ein wankender Schritt beut uns qualvollen Tod!
OBER-VESTALIN.
In ungestörtem Frieden,
In reiner Unschuld Aufenthalt,
Ist dies preiswürdige Loos uns beschieden;
Furchtlos vor Amors verhaßter Gewalt! –
JULIA.
Weh‘ mir!
OBER-VESTALIN.
Ein Unhold ist Amor! ein Dämon der Hölle!
Ein Frevler an Vesta's Altar!
Phlegeton's Glutstrom deckt die Stelle,
Wo ihn Tysiphone gebahr!
Durch Laster, mit Arglist, das Herz zu vergiften;
Dies ist sein genußreichster Lohn!
Triefend von Blut, hoch über Grüften,
Erhebt sich sein furchtbarer Thron! –
Theure Tochter! aus dieser Quelle
Entspringt auch deine Gefahr! –
Ein Unhold ist Amor! ein Dämon der Hölle!
Ein Frevler an Vesta's Altar!
Phlegeton's Glutstrom deckt die Stelle,
Wo ihn Tysiphone gebahr! –
JULIA.
Bei aller Götter Thron! – Bei Vesta's ew'ger Ehre!
O Priesterin, erhör‘ mein Flehn!
Mein Flehn des Grams erhöre!
Verstatte mir's, daß dort, von keinem Blick gesehn,
Vom Triumphzuge fern, ich dieses Fest's entbehre!
OBER-VESTALIN.
Was der Götterdienst heischt, muß pflichtgetreu geschehn;
Heischt er gleich oft das Schwere! –
Du weißt: dein ist das Amt, im Schooß des Heiligthums
Diese Nacht die Flamme zu hüten! –
Dein ist die Pflicht, heute dem Sohne des Ruhms
Mit heil'ger Hand den Triumphkranz zu bieten!
Sie geht ab in den Tempel.
Vierter Auftritt.
JULIA allein.
O! keine Macht bezähmt dieser Pflicht Grausamkeit!
Von der Götter Schutz bin ich verlassen! –
Vergebens war mein Flehn! – Dem Verderben geweiht,
Soll mich wehrlos sein Grimm erfassen! –
Ach! mit Schmerz that mein Flehn auf die Wonne Verzicht,
Licinius zu sehn, den der Lorbeer umflicht,
Und ihn Selbst ihm zu weihn, den Lohn erhab'ner Siege! –
O Göttin! – Dieser Kampf leiste auch dir Genüge! –
Geliebter Freund, dich soll ich wiedersehn!
Soll deiner holden Stimme Ton noch einmal hören!
Aus deinem Anblick wird mein Auge Trost erspähn! –
Dies Gefühl wird den Gram beschwören,
Der, als Rächer der Gottheit, mir am Leben nagt!
Noch ein Lichtstrahl der Liebe hat dann mir getagt!
Welch ein Wort! – Verrath ist's, es nennen!
Dies Gefühl frevelnd zu bekennen?
An heil'gem Ort hab‘ ich's gewagt!
Gnade! Götter der Huld!
Fünfter Auftritt.
Vorige. Die Vestalinnen erscheinen in der Thüre des Tempels.
CHOR DER VESTALEN.
Laß, Priesterin, dir's sagen,
Das Opfer ist bereit! – Man harret auf dich!
Der Triumphzug beginnt! – Ihm folgend, nähert sich
Des Imperators goldner Wagen.
JULIA.
Entsetzen füllt mein Herz!
O Qual! – hülfloser Schmerz! –
CHOR DER KRIEGER aus der Ferne.
Prachtvoll naht sich der Held! auf goldnem‘ Sitz getragen,
Kehrt, vom Siege bekränzt, Roms Retter und Rächer zurück!
JULIA.
Ach! keine Macht versöhnt meiner Pflicht Mißgeschick!
Tod ist mein Wunsch in diesem Augenblick!
Sie eilt zu den Vestalen und mit ihnen in den Tempel ab.
Sechster Auftritt.
Der Triumphzug nähert sich. Voran eilendes Volk sammelt sich auf der Bühne. Dann kommen Priester von mehreren Tempeln, unter Anführung des Oberpriesters. Der Ober-Zeichendeuter, dann der Senat, die Consuln, Matronen. – Wenn dieser erste Zug sich geordnet hat, kommen die Vestalen aus dem Tempel. Die Ober-Vestalin trägt das Palladium. Vor Julia, als Hüterin des heiligen Feuers, wird ein Altar mit brennender Flamme getragen. Indem sie mit vier Lictoren vorbei gehen, verneigt sich der Senat und die Consuln; die Lictoren der Consuln neigen ihre Fascen vor denen der Vestalen, welche auf einer Erhöhung am Atrium Platz nehmen. Der Triumphwegen mit Licinius erscheint, von gefesselten Ueberwundenen gezogen. Ihm folgen andere feindliche Anführer in Fesseln. Licinius hält den Feldherrnstab in der Hand. Cinna ist Anführer der Truppen. Gladiatoren u.s.w.
ALLGEMEINER CHOR.
Schmückt mit Lorbeern die Bahn dem festlichen Glück!
Schmückt Rhea's heil'ge Festaltäre!
Prachtvoll, im Heldenglanz, der Vaterstadt zur Ehre,
Kehrt, vom Siege bekränzt, Roms Rächer glorreich zurück!
CHOR VON PRIESTERN, VESTALEN UND MATRONEN.
Prachtvoll naht sich der Held! Der Vaterstadt zur Ehre,
Kehrt, vom Siege bekränzt, Roms Befreier zurück!
CHOR VON KRIEGERN.
Von Verderben, Tod und Schande
Wald, im väterlichen Lande,
Roms erhabnes Volk bedroht!
Da kam Licinius, der Retter!
Sein Schwerdt war die Flamme der Götter!
Schmach traf die Feinde, Verderben und Tod!
CHOR.
Schmückt mit Lorbeern die Bahn dem festlichen Glück!
Schmückt Rhea's heil'ge Festaltäre!
Prachtvoll, im Heldenglanz, der Vaterstadt zur Ehre,
Kehrt, vom Siege bekränzt, Roms Rächer glorreich zurück.
LICINIUS auf dem Triumphwagen.
Mars hat, zum Schutze Roms, im Kampfe mit Barbaren,
Sich unsern Adlern zugesellt!
Roms Söhne sind noch, wie die Väter es waren,
Die Lieblinge des Ruhms, die Bewund'rung der Welt!
Reichen Lohn beut die Lorbeerkrone! –
Doch den Göttern bringe man sie dar!
Des Dankes Opfer huld'ge ihrem Throne
Auf ihrem heiligen Altar!
Während des folgenden Chors helfen die Consuln Licinius vom Wagen herab.
CHOR VON PRIESTERN, VESTALEN UND MATRONEN.
Der Held gab dem Staat den segnenden Frieden!
Seinen Namen schmücke Ruhm und Glanz!
Er hat, als Sieger, die Herrschaft Roms entschieden!
Ihm gebührt der goldne Kranz.
OBER-VESTALIN zu Julia, ihr die goldene Lorbeerkrone reichend.
Du, die das Schicksal begünstigt vor allen,
Künft'ge Nacht in des Heiligthums Hallen
Der ew'gen Flamme Wächterin zu seyn;-
Dein ist, Julia, das Amt, diesen Lorbeer zu weihn!
Julia empfängt mit zitternder Hand die Lorbeerkrone, und zieht, mit religiöser Feierlichkeit, solche durch das auf dem Altar lodernde heilige Feuer.
LICINIUS.
Wohl gemerkt! – diese Nacht hält sie im Tempel Wache!
CINNA.
Kein lautes Wort! – Geheimniß heischt die Sache!
OBER-VESTALIN.
Roms Beschützer empfang‘ aus geheiligter Hand
Dies Geschenk dankbarer Staaten!
Dies Diadem, der Preis erhabner Thaten,
Sey unsres Dankes, unsrer Liebe Pfand.
CHOR VON PRIESTERN, VESTALEN, MATRONEN UND VOLK.
Vesta's keusche, heil'ge Geweihte!
Schmücke sein Haupt mit goldnem Kranz!
Und unsers Dankes Festlied bereite
Seinem Triumph ewigen Glanz!
Während dieses Chors hat Julia sich mit wankendem Schritt Licinius genähert, der ihr in innerm Kampf entgegen blickt.
JULIA bei Seite, indem sie sich ihm nähert.
Ihr Götter! gewähret mir Stärke!
LICINIUS.
Sie kommt! – O Entzücken! – Mein Plan reift zum Werke.
Licinius knieet vor ihr nieder, und indem sie ihn bekrönt, singt sie mit halb erstickter Stimme.
JULIA.
Siegreicher Held! Schutz dieser Staaten!
Dir beut den Lorbeer das Vaterland!
Dieser Preis ruhmvoller Thaten
Sei des Danks – der Liebe – Pfand!
CHOR DES VOLKS zu Licinius.
Du warst der Schutz dieser Staaten!
Dir beut den Lorbeer das Vaterland!
Dieser Preis ruhmvoller Thaten
Sey des Danks, der Liebe Pfand.
JULIA einer Ohnmacht nahe, bei Seite.
Ach! was dies Herz empfand,
Macht meine Kraft ermatten!
Fruchtloser Widerstand! –
Meinen Blick decken Schatten!
OBER-VESTALIN bei Seite, Julia beobachtend.
Ihr Ton voll Unbestand,
Ihrer Kräfte Ermatten
Macht innern Gram bekannt!
Bleich ist sie, wie ein Schatten!
CINNA heimlich zu Licinius.
Dein Blick, von Glut entbrannt,
Wird deinen Wunsch entschatten!
Zum Plan, den Muth erfand,
Muß die Klugheit sich gatten.
OBERPRIESTER bedenklich die Flamme des Altars beobachtend.
Der heil'gen Flamme Brand
Decken dämmernde Schatten!
Welch trübes Nachtgewand
Macht ihren Glanz ermatten!
LICINIUS heimlich zu Julia, die ihn anfangs nicht hört.
Vernimm mich, Julia! vernimm den Schwur des Gatten! –
Er kommt in mitternächt'gem Schatten! –
Sein Arm führt dich fort! Harre des Gatten!
Sein Arm führt dich fort! –
JULIA.
Welch ein Wort!
EIN CONSUL.
Heil dir, ruhmvoller Held!
Der Staat dankt dir sein Glück, dem Rächer, dem Befreier!
Neuen Friedensgenuß dankt dir Rom und die Welt!
Sey nun des Festes Schmuck! Sey der Held seiner Feier!
Julia hat wieder am Altar Platz genommen. Licinius wird vom Consul zu den Ehrensitzen geführt, wo er zwischen beiden Consuln Platz nimmt. – Das Ballet beginnt.
CHOR während des Ballets.
Der Staat dankt dir sein Glück, dem Rächer, dem Befreier!
Neuen Friedensgenuß dankt dir Rom und die Welt!
Sey nun des Festes Schmuck! Dir huldigt seine Feier!
Preis und Ehre dir, Held!
Tanz. Ringer und Gladiatoren-Uebungen u.s.w.
OBERPRIESTER vortretend.
Römer! Schließt das Fest! – dem Volkserretter: Zeus,
Laßt uns im Capitol das Opfer nun bereiten!
Und die Beute, des Sieges Preis,
Sey seines Tempels Schmuck für die späteste Zeiten!
Der Zug entfernt sich in der Art, wie er aufgetreten ist, im Abzuge nach dem Capitol.
Zweiter Aufzug.
Das Innere des Tempels der Vesta. Das heilige Feuer brennt auf einem Altar.
Erster Auftritt.
DIE OBER-VESTALIN, JULIA UND DIE VESTALINNEN. Abend-Hymnus im Chor.
Seele der Welt! Schaffendes Feuer!
Alles Lebens ew'ges Symbol!
Deiner Glut sey fern der Entweiher!
Ihr Glanz beschirmt des Staates Wohl!
OBER-VESTALIN indem sie feierlich Julia eine goldene Ruthe zum Opferdienst bei der Pflege des Feuers überreicht.
Dies Zeichen priesterlicher Weihe
Vertrau ich deiner Hand für die Dauer der Nacht!
Durch dein glorreiches Amt verbürgt uns deine Treue
Der Götter gnäd'gen Schutz, Roms Erhaltung und Macht!
Ja, diese heilige, furchtbare Stunde
Macht nahe dich mir Göttern vertraut!
Kein frevelhafter Seufzer entfliehe deinem Munde,
Wo Vesta's Blick dein Herz durchschaut!
Sie geht mit den Vestalen ab.
Zweiter Auftritt.
JULIA allein.
Tief erschüttert wirft sie sich knieend auf die Stufen des Altars, und bleibt eine Weile sprachlos in dieser Stellung.
Aufstehend.
Göttin des Herzen durchforschenden Blicks,
Die ich schaudernd verehre! –
Das Flehn deiner Priesterin höre!
Erbarm‘ dich ihres Mißgeschicks!
Du kennst meine trostlose Leiden!
Den Gram, der mich verzehrt; meinen Kampf, meinen Schmerz!
Nur du kannst, errettend mein Loos entscheiden!
O läutre du selbst mein strafbares Herz! –
Sie besteigt mit frommer Scheu die Stufen des Altars, und schürt mit der goldnen Ruthe das Feuer an. –
Diesen geweihten Ort schändend durch freche Klagen,
Berühr‘ ich den Altar nur mit angstvollem Zagen!
Unter strafbarer Hand
Scheint die heilige Glut zu erbleichen! –
Ich fühl's, daß mich die reine Göttin verbannt! –
Daß sie zürnend mir heißt, vom Altare zu weichen!
Sie verläßt den Altar und durchirrt verwildert den Tempel.
Wohlan! dir sey mein Herz, Sohn Cytherens, geweiht!
Was wag‘ ich, zu thun! – Banges Entsetzen
Vermehrt der Pflichten innern Streit!
Welche Macht reißt mich hin, meinen Eid zu verletzen!
Sie ergreift – sie entflammt mich! – Ihr Götter!
Erbarmt euch! – Noch ist's Zeit! –
Schon öffnet sich mein Grab! – Schon thürmt sich das drohende Wetter
Nach langer Pause.
Licinius ist nah‘! – Nur bei mir steht die Wahl,
Ihn zu sehn, zu sprechen! – Und ich soll mir's versagen?
Nein! jede Pflicht verstummt! – Mein Herz, der Sehnsucht Qual
Sind mächt'ger, als die Furcht; – heißen alles mich wagen!
Im innern Kampf gegen den Altar gewandt.
Götter voll Strafbegier!
Thut ihm Einhalt dem rachsücht'gen Triebe!
Nur einen Wunsch gewährt der Liebe!
Nur seinen Anblick gönnet mir!
Gern biet‘ ich dann mein Leben dem rächenden Gesetze!
Heil'ge Pflichten, die schwer ich verletze!
Der mir willkommne Tod sey die Söhnung, der Preis dafür.
Mein Urtheil ist gefällt! – meine Wahl das Verderben!
Komm, geliebtester Freund! – Dir getreu, will ich sterben!
Sie wankt wie bewußtlos zum Altar zurück.
Dritter Auftritt.
Julia. Bald darauf Licinius.
LICINIUS eintretend leise rufend.
Julia!
JULIA aufgeschreckt lauschend.
Horch! sein Ton!
LICINIUS näher kommend.
Julia!
JULIA erschütternd emporblickend.
Die Mauern beben!
LICINIUS sich ihr nahend.
Seh‘ ich dich?
JULIA.
Aber – wo?
LICINIUS.
Wir sind vereint für's Leben!
Als beschützender Gott sichert Amor dein Loos! –
JULIA.
Ach! ich zittre für dich! –
LICINIUS.
Die Gefahren sind groß,
Die unser Glück umschweben,
Doch desto kühn'rer Muth muß unsre Seele heben!
Manchen Zufluchtsort bieten uns Felskluft und Hayn!
Das entlegenste Land soll die Freistatt uns geben! –
Sprich ein Wort! und mein Muth soll vor Göttern nicht beben,
Sich deiner Rettung zu weihn!
JULIA.
Nein! – Ach nein! –
LICINIUS.
Die Gottheit sieht gerührt unser schuldloses Leiden!
Erbarmungsvoll, versöhnt, ruht ihr Blick auf uns Beiden!
Du, die mein Herz als Himmelskind verehrt;
Du kannst allein mein Glück entscheiden!
Wann mir, als theuerm Gatten, dein Herz Treue schwört,
Dann müssen selbst die Götter mich beneiden!
O Cypris, die das Flehn aller Liebenden hört,
Sey hold dem liebevollsten Paare!
JULIA.
Zurück! Zurück vom heiligen Altare! –
Die Flamme stirbt! –
Sie eilt die Stufen hinauf und schürt das Feuer an.
LICINIUS.
Göttin lauterster Glut!
Entferne die drohenden Zeichen! –
Meine Liebe darf dir sich an Reinheit vergleichen!
Wer dein Ebenbild liebt, leistet dir selbst Tribut.
JULIA.
Saturns erhabne Tochter scheint Huld uns zu zeigen!
Dem Altar seh‘ ich leuchtend die Flamme entsteigen!
Ihr Glanz macht uns die Gnade der Göttin bekannt!
LICINIUS.
Nie zweifelte mein Herz an der Allmacht des Schönen!
Dein Gram muß das Geschick versöhnen!
Der Liebe sanftem Flehn thut kein Gott Widerstand.
JULIA kommt wieder herab.
Neues Glück durchströmt mein Wesen!
Was ich litt, dünkt mir jetzt ein hingeschwundner Traum.
Meine Zukunft erscheint als dunkler, öder Raum!
Doch von Zweifel und Furcht fühlt sich mein Herz genesen.
BEIDE.
Ihr Götter! welch Gefühl! Uns winkt ein ew'ges Band!
LICINIUS.
Dies Glück belohnt mein kühnstes Streben!
JULIA.
Dies Glück gewährt mir neues Leben!
BEIDE Hand in Hand feierlich gegen den Altar gewandt.
Vor Vesta's heil'gem Thron empfange Herz und Hand!
Glück der Liebe! Seel'ges Entzücken!
Dem Götterglück bist du verwandt!
Mir strahlt Vergött'rung aus Blicken,
Wo Liebe der / die Liebende fand!
Dir allein, dir ewig ergeben,
Bin ich dein durch heil'ges Band!
Nur deiner Liebe will ich leben!
Vor Vesta's reinem Thron empfange Herz und Hand!
In dem Augenblick, da beide in selbstvergeßnem Entzücken, sich umarmend, gegen den Altar sich wenden, erlischt das allmählich schwächer gewordene Feuer und die Bühne verdunkelt sich bis zu schwacher Dämmerung.
JULIA.
Welche Nacht!
LICINIUS.
O Geschick!
JULIA schaudervoll die Stufen hinan eilend.
Kein Gott wird mein Befreier!
Schon ergreift mich das Grab! – Erloschen ist das Feuer!
LICINIUS.
Ha! – dein Loos?
JULIA.
Ist der Tod!
LICINIUS.
Wie mich dies Wort entmannt.
Vierter Auftritt.
Die Vorigen. Cinna.
CINNA.
O Freund!
LICINIUS.
Ha! wer kommt?
CINNA.
Laß uns flüchten!
Nahender Stimmen Laut weckt gerechten Verdacht!
Nur die heilige Scheu vor der göttlichen Macht
Schreckt noch die Späher ab, hieher den Schritt zu richten!
Noch beschirmt unsre Flucht die Dunkelheit der Nacht;
Doch, der Augenblick drängt! – Zögern heißt: ihn vernichten!
LICINIUS.
Betrachte den Altar! – Ihm starb die heil'ge Glut!
Und du willst, daß ich sie verlasse?
JULIA.
Deine Gegenwart hier mehrt meines Schicksals Wuth!
Sie bewirkt, daß der Tod ohne Rettung mich fasse!
LICINIUS.
Wohlan! – Hinaus! – Wir fliehn
CINNA hält ihn zurück.
Was beginnst du! – Halt ein! –
Du förderst ihr Verderben!
LICINIUS.
O, welche Todespein!
JULIA.
Ach! war ich je dir theuer;
So entfleuch der Gefahr, die dir droht!
Dann erst athme ich freier! –
Dies Herz ist dein, mein Getreuer!
Ist dein – für Leben und Tod!
Beim Schwur, der mein Herz dir ergeben! –
Fleuch diesen Schreckensort!
Die Angst um dich verzehrt mein Leben!
CINNA.
Fleuch diesen grausen Ort!
Schnell laß uns fliehn! – Kein Widerstreben!
LICINIUS.
Flöh‘ ich von hier auch fort;
In diesem Tempel bleibt mein Leben!
CINNA.
Fort!
LICINIUS.
Ich von ihr mich trennen?
CINNA.
Es ist Pflicht!
LICINIUS.
Rauher Mann!
CINNA.
Du siehst, ihr Herz erliegt der Angst!
LICINIUS.
Wohlan!
Muth der Verzweiflung soll mich leiten!
Dein Verderben schuf Ich! – Erwart‘ auch Schutz von mir!
Sollt‘ ein strenges Geschick Vernichtung dir bereiten:
Ich gelobe dir Rettung – oder – Tod mit dir! –
Es erschallt Lärmen entfernter Volksstimmen. Alle schaudern zusammen.
JULIA, LICINIUS UND CINNA.
Götter! – Weh uns! – Man hört Geschrei erheben!
JULIA.
Hinaus von hier! – Eilet fort. –
Beim Schwur, der mein Herz dir ergeben!
Fleuch diesen Schreckensort!
LICINIUS.
Dieser Ton deutet Blutgier und Mord!
CINNA.
Komm! verlaß diesen schrecklichen Ort!
CHOR DES VOLKS ausserhalb der Bühne.
Der Zorn der Gottheit heischt Rache!
Verrath entweiht ihren Ruhm!
Weh! Weh! in Vesta's Heiligthum
Hält der Meineid Wache!
Meineid entwürdigt Vesta's Heiligthum!
JULIA.
Beim Schwur, der mein Herz dir ergeben!
Rette dich, Entfleuch diesem Ort!
Welch Geschrei hört man wild sich erheben!
Hinweg! – dieser Ton deutet Mord!
CINNA.
Welch Geschrei hört man wild sich erheben!
Dieser Ton deutet Blutgier und Mord!
Hinweg! laß uns fliehn diesen furchtbaren Ort!
LICINIUS.
Welcher Gott wird Schutz dir geben? –
Dieser Ton deutet Blutgier und Mord!
Welch Geschrei hört man wild sich erheben!
Zur Rettung treibt Muth der Verzweiflung mich fort!
Licinius und Cinna eilen hinaus.
Fünfter Auftritt.
JULIA allein.
Er wird leben! – Ohne Zagen
Erwart ich nun mein Loos: – der Rache Wetterstrahl!
Mein ganzes Daseyn war endlose Quaal!
Einen Pulsschlag voll Glück hat mein Herz nun geschlagen!
Mein Leben ist erschöpft! – Man kommt! – Ahnung voll Schmerz!
O mein Gemahl! wär'st du's? – Dieser Angst erliegt mein Herz!
Sie sinkt ohnmächtig auf die Stufen des Altars.
Sechster Auftritt.
Julia ohnmächtig. Der Oberpriester mit Priestern linker Hand; die Ober-Vestalin mit den Vestalen rechter Hand eindringend. Ein starker Volkschor wird ausserhalb der Bühne gehört. Die Scene erhellt sich durch mitgebrachte Fackeln.
ALLGEMEINER CHOR.
Die Rache
erwache
Der Hochverrath
Verübt entweihende That!
Ha! Rache! –
OBERPRIESTER.
O Frevel! O Nacht voll Graun! – das mächt'ge Rom! es fällt! –
Erloschen ist die Gluth! – die Vestalin im Sterben! –
Ein Gott bedroht ergrimmt diesen Staat mit Verderben!
Die Wiederkehr der Urnacht bedrohet die Welt.
JULIA.
Weh‘ mir! athm‘ ich noch Leben?
OBER-VESTALIN UND VESTALEN.
Aermste! du bist verloren!
OBERPRIESTER.
Ein Bösewicht drang ein zu dieses Tempels Thoren!
Der Göttin entweihtes Gebot
Heischt des Verbrechers Blut! hat ihn zur Rach‘ erkohren!
Doch auch du warst mit ihm verschworen!
Leugne nicht deine Schuld!
JULIA.
Ich erwarte den Tod!
Er ist Trost! ist mein Wunsch! – Weshalb sollt‘ ich ihn scheuen?
Er allein kann mein Herz von langer Quaal befreyen!
Er entreißt mich den Fesseln eurer Sclaverei!
Das Grab löst meinen Eid! im Grabe werd‘ ich frey!
Hört, ihr Geweihten Jupiters! hört es! – Ich liebe! –
Alle stehen voll Entsetzen.
OBERPRIESTER.
Läst'rung ist dieses Wort! Weh, wenn straflos es bliebe!
So frevelnd wird von dir dieser Tempel entweiht? –
Ohne Scheu, deine Pflicht als Priest'rin zu verletzen,
Brachst du Vesta's Gelübd‘ und den furchtbarsten Eid?
JULIA.
Ich bin treu der Natur allherrschenden Gesetzen!
Siebenter Auftritt.
Die Vorigen. Der bisher ausserhalb gebliebene Chor von Volk, Lictoren und Matronen dringt herein und füllt den Hintergrund.
CHOR VON PRIESTERN.
Ihr Mund bekennt den Hochverrath!
Den Tod verwirkt die Frevelthat!
JULIA.
Göttin, die gern das Flehn der Unglückseel'gen höret,
Latona! – die mein Gram beschwöret; –
Blicke mitleidsvoll auf mein Loos herab! –
Wenn ich zur Grabkluft niedersteige,
Sey nicht Er davon Zeuge,
Der geliebteste Freund, für den ich hin mich gab!
OBERPRIESTER.
Ha! nenne den kühnen Verbrecher,
Der, ohne heil'ge Scheu vor dem ewigen Rächer,
Bis zu Vesta's Altar verruchten Zugang fand!
Sag an! – Wer ists? –
JULIA.
Nie werd‘ er dir genannt!
OBERPRIESTER.
Als Geweihter des Gotts,
Dessen Zorn ich verkünde;
Ruf ich Fluch deinem Trotz
Mit dem Bannfluch der Sünde!
JULIA.
Mein Leben ist verwirkt! – Von Quaal bin ich bedroht!
Schon berührt mein Haupt mit kalter Hand der Tod!
OBERPRIESTER.
Fort aus diesen heiligen Mauern!
Entweihte Priesterin! der Tod ist dein Loos:
Die Grabnacht, mit all‘ ihren Schauern,
Empfang‘ dich in furchtbaren Schooß! –
Zu den Vestalen.
Schmachvoll sey ihre schamlose Stirne
Des Schmucks und des heiligen Schleiers beraubt!
Fluch und Tod der strafbaren Dirne!
Die Nacht umhüll‘ ihr schuld'ges Haupt!
Während des folgenden Schlußchores wird Julia von den Vestalen, die ihre Theilnahme kaum zu äußern wagen, des Hauptschmucks und des Schleiers beraubt, und ihr an dessen Stelle vom Oberpriester ein schwarzer Schleier übergeworfen.
SCHLUSSCHOR ALLER ANWESENDEN.
Schmachvoll sey ihre schamlose Stirne
Des Schmucks und des heiligen Schleiers beraubt!
Fluch und Tod der strafbaren Dirne!
Die Nacht umhüll‘ ihr schuld'ges Haupt!
Zuletzt übergiebt sie der Oberpriester den Lictoren, welche sie gefangen wegführen.
Dritter Aufzug.
Ein freier Platz. – Linker Hand durch das Collinische Thor und die Ringmauer Roms beschränkt. Auf dem Platze selbst sind drei piramidenförmige Grabmäler sichtbar. Zwei davon sind mit einem Stein verschlossen, auf welchem ein weiblicher Name und eine römische Jahrzahl bemerkbar sind. Das dritte ist offen und eine Treppe führt in seine Tiefe hinab.
Erster Auftritt.
LICINIUS allein, durch das Thor eintretend und verwildert umherblickend.
Welches Graun rings umher! – Welch ein Schauplatz der Wuth!
Erbittrung füllt mein Herz! – Von Grimm entflammt mein Blut!
Wildes Grausen ergreift die Seele!
Ich spür‘ es – die Erde erbebt! –
Die off'ne Gruft erblickend.
Ha! dies ist die furchtbare Höhle,
Die bald mein Alles begräbt! –
Diese Kluft Julia's Grab? – Nein, nein! Noch lebt ihr Retter!
Mich biet‘ ich als Befreier ihr dar!
Trotzend dem Zorn der unbarmherz'gen Götter
Bekämpft der Liebe Muth verzweifelnd die Gefahr!
Zweiter Auftritt.
Der Vorige. Cinna.
Aus dem Hintergrunde herbei eilend.
LICINIUS ihm rasch entgegen eilend.
Ha! Freund! – Wie stimmt das Heer?
CINNA.
Nicht auf dies mußt du bauen!
LICINIUS.
Die Feigen!
CINNA.
Ihren Muth fesselt heil'ges Grauen.
Nur eine kleine, treue Zahl
Weiht sich dir, voll Vertrauen,
Voll Entschluß, den Gefahren in's Auge zu schauen.
Diese Schaar, der ich still sich zu sammeln befahl,
Harrt, bereit meinem Wink, auf des Angriffs Signal.
LICINIUS ihn feurig umarmend.
Freund in der Noth! –
CINNA.
Muth! ist die Losung heute.
Mit dem Tode vertraut ward ich an deiner Seite!
Wo die Hoffnung schwindet, da kann,
Da muß nicht träge Klugheit rathen!
Entschlossenheit bewährt den Mann!
Nun gilt es Kampf; nun gilt es Thaten!
Der Gottheit höchste Macht
Mag unsrer Kühnheit widerstreben!
Wann aller Götter Zorn erwacht,
Soll dennoch mein Herz nicht erbeben!
Dem Verhängniß biet‘ ich mein Haupt!
Doch Trennung bedroht uns vergebens!
Denn der Tag, der dich mir raubt,
Ist auch der letzte meines Lebens!
Doch – bevor dieser ungleiche Kampf sich entflammt,
Muß man streben, den Oberpriester zu gewinnen!
LICINIUS.
Der Barbar achtet Mord für sein geweihtes Amt!
Nimmer läßt Priesterwuth ihr Opfer sich entrinnen.
CINNA.
Nur durch Ihn, den Vermittler beim strengen Geschick,
Wird von Julia's Haupt der Todesbann genommen!
LICINIUS.
Wohlan! – Es sey versucht! –
CINNA in die Scene blickend.
Ha! – Schon seh‘ ich ihn kommen!
Vielleicht ist eben dies der günst'ge Augenblick!
Ich entferne mich Freund! –
Ab im Hintergrunde.
Dritter Auftritt.
Licinius. Der Oberpriester und der Ober-Zeichendeuter kommen durch das Colliner Thor.
LICINIUS.
Geweihter des Geschicks!
Welch ein entsetzliches Fest wird den Göttern bereitet! –
Als Opfer, das der Fluch begleitet,
Sinkt Reiz, sinkt Jugend, erstarrenden Blicks
In den Abgrund der Nacht – zu den Ufern des Styx! –
OBERPRIESTER.
So will's der Gottheit heil'ger Zorn!
LICINIUS.
Doch ihre Gnade
Giebt dir Macht, daß ihr Zorn sich mit Schonung entlade!
Dein Mitleid, deine Huld sey für Julia erfleht! –
OBERPRIESTER.
Welch ein strafbarer Wunsch, der das Staatswohl verräth!
Rom ist durch Sie entweiht! – Ihr Tod nur kann es rächen! –
LICINIUS.
Nicht die Wohlfahrt des Staats wanket durch ein Verbrechen!
OBERPRIESTER auf die verschlossenen Gräber deutend.
Sieh diese Gräber an! – Sie geben dir Bescheid,
Daß Vesta's Reinheit nie solche Frevel verzeiht.
LICINIUS.
War Romulus nicht selbst der Sohn einer Vestalin?
War Rhea Silvia nicht des Kriegesgotts Gemahlin?
OBERPRIESTER.
Julia's Loos ist – der Tod! –
LICINIUS.
Nein! bei den Göttern! Nein!
Ich schuf ihr Verderben! –
Ich will sie befrei'n,
Oder selbst mit ihr sterben! –
OBERPRIESTER.
Stirb dann mit ihr! – Rettung ist Wahn! –
Den Göttern widerstrebt umsonst dein frecher Plan!
Dein Stolz weckt den Trotz deiner Lippe!
Doch nah‘ beim Kapitol ist auch Tarpeja's Klippe!
LICINIUS.
Ha! so zittre, Barbar!
Meine Wuth trotzt den Göttern!
Dein blut'ger Altar
Soll, im Sturz, dich zerschmettern.
OBERPRIESTER.
Schaudre du vor Gefahr!
Vor Zeus entflammten Wettern!
LICINIUS.
Förderst du Julia's Tod, dann fürchte meine Wuth!
OBERPRIESTER.
Der Götter Allmacht zähmt frevelnden Uebermuth.
LICINIUS.
Freunde sind mein, die mir ihr Leben weihen!
Rom sey gefüllt mit Leichen und Blut!
Durch Kampf und Gewalt will ich das Opfer befreien.
OBERPRIESTER.
Freunde sind dein, die kein Verbrechen scheuen?
Erbebt! erbebt, verworfne Brut!
Zu spät wird der Trotz euch gereuen!
Auf die Gruft deutend.
Dies Grab wird bald der Rachaltar
Für deine Meuterschaar,
In verzweifelndem Schmerz!
LICINIUS.
Wo nicht; so mord‘ ich dich, Barbar,
Samt deiner Priesterschaar,
Dann durchbohr‘ ich mein Herz.
Er geht wüthend im Hintergrunde ab.
Vierter Auftritt.
Der Oberpriester und Oberzeichendeuter.
OBERZEICHENDEUTER.
Weiser Priester! nicht jetzt darf man dies Fest bereiten!
Er hat Gewalt und Macht.
OBERPRIESTER.
Haupt der Opfergeweihten;
Mein Priesteramt genügt zur Schutzwehr für den Staat,
Zur Vernichtung des Plans vermeßner Frevelthat!
OBERZEICHENDEUTER.
Doch – wenn mit ihm das Heer und das Volk sich empören?
OBERPRIESTER.
Der Götter heil'gen Dienst kann kein Verräther stören!
Befolgt sey unsre Pflicht! die Gottheit straft Verrath!
Fünfter Auftritt.
Die Vorigen. Der Trauerzug kommt durch das Collinische Thor. Krieger voran, dann Priester und Vestalen, Julia schwarz verschleiert, vor welcher ein Altar ohne Flamme getragen wird, von trauernden Verwandten, Matronen und jungen Mädchen begleitet. Die Vestalen tragen Julia's Ordenskleidung und Schleier, die ihr vorhin abgenommen wurden. Consuln, Senatoren, Lictoren, Volk.
CHOR DES VOLKS hinter der Scene.
Die frevelnde Vestalin sterbe;
Den Göttern und Menschen verhaßt!
Daß sie uns Heil erwerbe,
Wo die Gruft sie umfaßt!
CHOR DER OBER-VESTALIN, VESTALEN UND JUNGER MÄDCHEN im Zuge.
Voll Reiz der Jugend, voll Glanz des Schönen,
Sinket sie hin zur Grabesnacht!
Götter! verzeiht den Klagetönen,
Die unser Schmerz verzeihlich macht!
CHOR DES VOLKS auf der Bühne.
Die frevelnde Vestalin sterbe;
Den Göttern und Menschen verhaßt!
Daß sie uns Heil erwerbe,
Wo die Gruft sie umfaßt!
JULIA.
Lebt wohl, geliebte Schwestern!
Zur Obervestalin.
Und du, mir Hochverehrte,
Versöhne durch dein Flehn das erzürnte Geschick!
Mütterlich schlug dein Herz, das warnend mich belehrte! –
Ihr zu Füßen sinkend.
Segne, Mutter, dein Kind im letzten Augenblick!
OBER-VESTALIN wehmüthig sie segnend.
Mütterlich liebt‘ ich dich, eh‘ dich dein Herz bethörte!
Als Mutter segne ich mein Kind, mit Thränen im Blick!
OBERPRIESTER feierlich zu den Vestalen.
Auf entweihtem Altar der erzürnten Allreinen
Laß den Schleier der Schuld'gen erscheinen!
Der Gottheit Spruch wird dann erklärt! –
Wenn Vesta ihr verzeiht, so zeigt sich dies am Schleier!
Dann wird schnell durch himmlisches Feuer
Dies ihr Gewand entzündet und verzehrt!
Die Vestalen breiten den Schleier Julia's über den Tragaltar. Die Vestalen knieen neben dem Altar; die Mädchen, Verwandten und Matronen etwas entfernter von ihm nieder.
CHOR DER VESTALEN UND MÄDCHEN.
Dich, Vesta, flehn wir an, deinen Zorn zu erweichen!
Send‘ uns, durch flammenden Strahl, von Erbarmung ein Zeichen!
OBERPRIESTER den Altar beobachtend.
Kein Wunder lös't den Bann, der ihren Tod begehrt!
Gerecht ward ihr das Grab bereitet!
Zu den Lictoren.
Lictoren! – Zur Gruft hinab sey das Opfer geleitet.
Während Julia's folgendem Gesange werden unter des Oberpriesters Anweisung die letzten Vorbereitungen gemacht. Man läßt ein Ruhebette, ein Brod, ein Trinkgefäß in die Gruft hinab u.s.w.
JULIA.
Du, den ich trostlos hier verlasse,
Freund – nie der Welt genannt! –
Reine Liebe wird für Schuld erkannt!
Doch dich lieb‘ ich, bis ich erblasse! –
Schauderhaft die Gruft anstarrend.
Weh mir, in hoffnungslosem Schmerz
Wird dort, im nächt'gen Grabe, der Tod mein Gefährte! –
Doch von der Liebe Glut, die lebend mich verzehrte,
Flammt noch dann mein brechendes Herz! –
Dir gilt, o Freund, im letzten Augenblick,
Dir gilt der Wunsch, den ich dann sterbend nährte!
Mein letzter Seufzer noch schwebt treu zu dir zurück.
Alle Anstalten sind gemacht, und man überreicht ihr eine angezündete Lampe, mit welcher sie in die Gruft hinab steigt.
Sechster Auftritt.
Die Vorigen. Indem Julia einige Stufen schon hinunter gestiegen ist, stürzen Licinius, Cinna und ein Trupp bewaffneter Krieger aus dem Hintergrunde hervor.
LICINIUS wild vordringend.
Haltet ein, ihr Sclaven blinder Wuth!
JULIA.
Seine Stimme!
LICINIUS.
Mordet nicht eine schuldlose Schwache,
Als Schuld'gen treffe mich der keuschen Göttin Rache!
Nicht auf Julia, auf mir ruht Schuld unheil'ger Glut!
Laßt sie frei, und empfangt zur Versöhnung mein Blut.
Er setzt die Spitze des Schwerdts auf sein Herz.
CHOR DES VOLKS.
Licinius! – Götter! –
Cinna fällt ihm in den Arm.
JULIA.
Nur Mitleid ist der Grund, daß er sich schuldig spricht!
Seine Worte sind Trug! – Römer! ich kenn‘ ihn nicht! –
LICINIUS.
Freunde! seyd Retter! –
OBERPRIESTER.
Ihr Römer schützt den Staat! vertheidigt den Altar! –
LICINIUS zu den Seinigen.
Erkämpft der Unschuld Schutz und Rettung aus Gefahr!
Julia ist schnell vollends hinab gestiegen, und schon beginnen die Lictoren, die Oeffnung der Gruft mit der Steinplatte zu verschließen. Volk und Krieger, die mit dem Trauerzuge gekommen sind, ordnen sich vor dem Grabmal zur Gegenwehr. Licinius, Cinna und ihr Gefolge stürmen zum Angriff heran. Plötzlich verdunkeltsich der Himmel durch ein Gewitter, und die Scene wird nur zuweilen durch die Blitze erhellt. Die beiderseitigen Streiter mischen sich erschrocken, ohne Kampf, im Getümmel. Licinius und Cinna steigen ins Grabmal hinunter.
ALLGEMEINER CHOR.
Welches Graun! – Welch ein Wetter!
Welche Nacht sinkt schwarz herab!
Des Donnerhalls Geschmetter!
Ist's Grimm, ist's Huld der Götter,
Was ihm die Stimme gab?
Seht – der Blitze Getümmel!
Seht! der lodernde Himmel
Wird rings ein Flammengrab!
Gegen den Schluß des Chors hat sich das Gewitter verstärkt. – Ein Strahl fährt auf den Altar herab und entzündet den Schleier, der hell auflodert und eine brennende Flamme auf dem Altar zurückläßt.
CHOR während des letzten heftigen Schlages.
Welch ein Schlag! – Helft ihr Götter! –
Das Gewitter hört auf und der Himmel erheitert sich wieder.
OBERPRIESTER erstaunt den Altar beobachtend.
O Volk! – Fülle von Glück! –
Glanzvolles Götterzeichen! –
Dies Wunder ohne Gleichen
Sendet uns das günst'ge Geschick! –
Auf Vesta's Altar flammt hell das heil'ge Feuer!
In diesem Augenblick haben Licinius und Cinna, aus dem Grabe heraufkommend, die ohnmächtige Julia wieder herauf gebracht und hören die letzten Worte des Oberpriesters.
LICINIUS UND CINNA.
O Glück!
JULIA.
Wo bin ich?
OBERPRIESTER zu Julia.
Ein Gott wird dein Befreier!
Er löset deinen Bann und endet deine Qual!
Mars macht Vesta's Herzen dich theuer!
Sie zerreißt deinen Ordensschleier
Und gönnt, für Glück der Liebe, deinem Wunsch freie Wahl.
JULIA.
Was hör‘ ich? – O Wort voll Entzücken!
Neues Leben erweckt der Liebe Flammenstrahl!
Ja! nur Liebe allein kann dieses Herz beglücken!
Ewig weih‘ ich's dir, mein Gemahl! –
OBERPRIESTER zur Obervestalin und den Vestalinnen auf den Tragaltar mit der neu entzündeten Flamme deutend.
Eilt zurück im Triumph, ihr des Tempels Geweihte!
Daß dieser Flamme Glanz neues Glück dort verbreite!
Zu Licinius und Julia.
Doch du, beglücktes Paar,
Fleuch diesen Ort der Leiden –
Und erneure den Bund an Cytherens Altar,
Der dich der Liebe weiht und den seligsten Freuden!
Die ganze Versammlung trennt und ordnet sich in zwei Züge. Der eine mit dem Oberpriester und Oberzeichendeuter an der Spitze, denen die Obervestalin und die Vestalen, den Altar mit dem heiligen Feuer tragend, undein Theil der Priester und der Krieger nachfolgen, zieht linker Hand in die Porta Collina. – Der andere, von Licinius, Hand in Hand mit Julia, angeführt, denen unter Cinna's Vortritt die übrigen Anwesenden folgen, zieht rechter Hand ab. Marschmusik beim Zuge.
Siebenter Auftritt.
Der Schauplatz verwandelt sich in das Innere des Cirkus der Flora, in dessen Hintergrunde eine Rotunde mit dem Altar der Venus Erycina steht.
CHOR von Cytherens und Floras Geweihten, mit Tanz.
Weiht süßen Scherzen,
Schwestern / Brüder die Herzen!
Frohsinn verschöne
Cytherens Heiligthum!
Florens Geschmeide
Kränze die Freude!
Festlich ertöne
Der Liebe-Götterruhm!
Licinius, Julia, Cinna mit ihrem Gefolge sind während des Chors eingetreten und freudig empfangen worden.
JULIA.
O Gefühl voll Entzücken!
Neues Leben entströmt der Liebe Götterstrahl!
Ja! nur Liebe allein kann dieses Herz beglücken!
Ewig weih‘ ich's dir, mein Gemahl!
CHOR DER GEWEIHTEN.
Du Paar voll Lieb‘ und Treue!
Hier an Cytherens Altar,
Treues Paar,
Winket dir Hymens Weihe!
Die Liebenden sind zum Altar Cytherens geführt worden.
JULIA UND LICINIUS.
Vor Cypris heil'gem Thron empfange Herz und Hand!
JULIA.
Nur deiner Liebe will ich leben!
LICINIUS.
Dies Glück belohnt mein kühnstes Streben!
BEIDE.
Der Treue heil'ger Eid knüpft unser ew'ges Band!
Vor Cypris Thron empfange Herz und Hand!
SCHLUSS-CHOR mit Tanz.
Hymnen der Weihe!
Preiset Lieb‘ und Treue!
Dies Glück erneue
Der Erde goldne Zeit!
Dann herrscht Cythere,
Vesta's Altäre
Glühn dann zur Ehre
Schuldloser Zärtlichkeit!
Das fortwährende Ballet macht den Beschluß.
Ende.