Joseph Haydn
Die unbewohnte Insel
Ein Singspiel
Personen
Konstanzia, Gemahlin des Gernando
Silvia, ihre jüngere Schwester
Enrico, Gefährte des Gernando
Gernando, Gemahl der Konstanzia
Inhalt.
Der junge Gernando ging mit seiner jungen Gemahlinn Konstanzia, und der Schwester derselben, die noch ein Kind war, zu Schiffe, um seinen Vater in Westindien, der einem Theile desselben als Gouverneur vorstand, zu besuchen, und ward von einem anhaltenden und gefährlichen Sturme gezwungen, auf einer unbewohnten Insel zu landen, um dem Kinde und der Gemahlinn die Bequemlichkeit zu verschaffen, sich auf dem Lande von den Bewegungen der Seereise zu erhohlen.
Unterdessen daß diese in einer verborgenen Grotte, die ihnen einen bequemen und gelegenen Aufenthalt darbot, einer sanften Ruhe genossen, ward der unglückliche Gernando, nebst einigen seines Gefolges, von einem großen Haufen barbarischer Seeräuber, welche unglücklicherweise daselbst landeten, überfallen, entführt, und zum Sklaven gemacht. Seine Gefährten, die vom Schiffe, wiewohl undeutlich, den Auflauf sahen, und nicht anders glaubten, als daß, mit dem Gernando zugleich, auch Kind und Gemahlin geraubt wären, machten Jagd auf die Räuber, verloren dieselben aber bald aus dem Gesichte, und setzten also, traurig und untröstlich, ihre unterbrochene Reise fort.
Als die unglückliche Konstanzia erwachte, und ihren Gemahl und das Schiff, das sie dahin gebracht, lange vergeblich gesucht hatte, glaubte sie sich, wie Ariadne, von ihrem Gernando verrathen und verlaßen.
Als die ersten Hefrigkeiten ihres hofnunglosen Schmerzes anfingen, der natürlichen Liebe zum Leben Platz zu machen, entschloß sie sich, nach ihrer Klugheit, alle Mittel aufzusuchen, in dieser verlassenen Abwesenheit von allen Lebendigen ihr Leben zu fristen. Sie erhielt sich und ihre Schwester lange Zeit von den Kräutern und Früchten, die das Land häufig hervorbrachte, und hauchte den ganzen Haß und Abscheu, den sie gegen alle Mannspersonen gefaßt hatte, der kleinen Unschuldigen ein, welche jene nicht kannte.
Nach dreizehnjäriger Sklaverey gelang es dem Gernando, sich in Freiheit zu setzen. Seine erste Sorge war, nach der Insel zurückzukehren, wo er wider Willen seine Konstanzia verlassen hatte; wiewohl ohne irgend eine Hoffnung, sie noch am Leben zu finden.
Erster Teil
Erster Auftritt.
KONSTANZIA. Welche Arbeit überwindet nicht ein unermüdeter Fleiß! Der Fels ist hart; das Werkzeug unbequem; die Hand nicht geübt: – und doch bin ich endlich der Vollendung des Werkes nahe. O Himmel! gieb nur, daß ich es vollendet sehe, und dann befreie mich von einem so kummervollen Leben; Wenn jemals das Schicksaal, in künftigen Tagen, jemanden an dieses unbekannte Land führt: so wird dieser Marmor wenigstens meine traurige und merkwürdige Geschichte erzählen. Sie ließt. »An diesem Ufer endigte sie von dem verräterrischen Gernando verlassene Konstanzia ihr Leben. Liebreicher Wandrer! wenn du kein Tiger bist, so räche, oder beklage. ….« – mein Unglück. Dies einzige fehlt nur noch. Ich will mich also bemühen, das so weit vorgerückte Werk zu vollenden. Sie geht wieder an die Arbeit.
Zweiter Auftritt.
Silvia eilig und voll Freuden und die Vorigen.
SILVIA. Ach Schwester! Ach Konstanzia!
KONSTANZIA. Was giebt es Silvia? Warum so freudig?
SILVIA. Ich bin ausser mir vor Vergnügen.
KONSTANZIA. Warum das?
SILVIA. Mein geliebtes Reh, das ich so viel Tage vergebens beweint und gesucht habe, ist von selbsten wiedergekommen.
KONSTANZIA. Und das macht Dich so fröhlich?
SILVIA. Scheint Dir das eine Kleinigkeit? Es ist, wie Du weist, meine einzige Sorge, meine Gefährtin, meine süße Freundin. Es liebt mich; es versteht mich; es schläft in meinem Schooß; es fordert meine Küsse; es kommt mir überall nicht von der Seite. Ich habe es verloren; ich finde es wieder; und das scheint Dir eine Kleinigkeit?
KONSTANZIA. Glückselige Unschuld! Sie geht wieder an ihre Arbeit.
SILVIA. Aber, Schwester! soll ich Dich denn immer in Thränen sehn?
KONSTANZIA. Und können wohl jemals meine Thränen versiegen? Schon dreyzehnmal ist der Frühling zurückgekehrt, seitdem ich so grausamer weise verlassen, von allen Lebendigen getrennt, von allem beraubt, o Gott! und ohne Hoffnung, jemals in meine Heimat zurückzukehren, mehr todt bin, als lebe: und Du willst mich frölich sehn?
SILVIA. Aber Deine schöne gepriesene Gegenden sind doch voll Mannspersonen, und unter allen lebendigen Thieren ist dieses Geschlecht doch vorzüglich feindselig gegen uns. Hast Du mir nicht tausendmal gesagt …
KONSTANZIA. Ach ja! ich habe es Dir gesagt, und nie sagt‘ ichs Dir genug. Gottlos und grausam, treulos und betrügerisch, schlimmer als alle reißende Thiere, wissen sie nichts vom Mitleiden. Sie kennen keine Liebe, und haben weder Treue, noch Menschlichkeit im Herzen.
SILVIA. Nun! vor denen sind wir hier doch wenigstens sicher. Aber Du weinst schon wieder! Nein! wenn Du mich liebst, so betrübe Dich nicht so. Was kann ich thun, Geliebte! Dich zu trösten? Willst Du mein Reh haben? Trockne Deine Thränen, und es soll Dein seyn.
KONSTANZIA. Ach liebste Silvia! nur zu gerecht sind meine Thränen!
Aria.
Wenn eine Unglückliche nicht weint die von allen Lebendigen abgesondert und ihrem Gemahl verlas sen ist, o Gott! so sage mir, wer soll denn weinen –
Wer kann sagen, daß ich mir Unrecht weine, da ich nicht einmal den elenden Trost hoffen darf, von andern Mitleid zu erhalten?
Dritter Auftritt.
SILVIA allein. Was das für ein hartnäckigter Schmerz ist! Dieses unaufhörliche Weinen verdrießt und jammert mich. Ich bitte, ich rathe, ich schelte, ich schmeichle, und alle Mühe ist vergeblich. Aber das sonderbarste Räthsel ist, daß, so oft ich sie trösten will, ihre Thränen häufiger fließen, und ich selber weinen muß. Ich will ihr wenigstens nachgehn …. Sie wird ein Schiff gewahr. Aber … was erhebt sich dort auf dem Meer für ein unbekannter Klumpen? Ein Fels ist es nicht. Ein Stein könnte sich ja nicht von seinem Platz bewegen. Und ein so großes Ungeheuer, wie es so leicht geht! Das durchschnittene Wasser schäumt hinter ihm! In keinem Lauf entflieht es fast dem Blick; es hat Flügel am Rücken, und schwimmt und fliegt zugleich. Ich will zur Konstanzia gehn; die wird wissen, ob es ein bekannter Bewohner des ungetreuen Elements ist, und wenigstens … Wehe mir! Da sind Leute am Ufer. Was thu ich? Wer rettet mich? Ach! … ich bin so … voll Angst. .. daß ich kaum die Kraft habe … zu fliehen … oder mich zu verstecken. Sie verbirgt sich im Gebüsch.
Vierter Auftritt.
Gernando, Enrico und Silvia versteckt.
ENRICO. Aber Gernando! ist denn dies auch das Land, das Du suchst?
GERNANDO. Ach ja! die Liebe machte es mit ihrer Hand mir in die Seele; und das Herz bestätigt es mit seinem Klopfen.
SILVIA. (Wenn ich ihnen doch nur ins Gesicht sehen könnte!)
ENRICO. Man kann so leicht irren!
GERNANDO. Nein, liebster Enrico! es ist das nemliche. Ich erkenne jeden Stein. Da ist die Höle, wo ich meine Gemahlin, mein bestes Gut, mein Herz, in süßem Schlaf, ihre Silvia im Arm, das letztemal verließ, und sie nie wieder sah. Hier ward ich von den Räubern angefallen; dort ward ich verwundet; da fiel mir der Degen aus der Hand. Ach! liebster Freund! jede Zögerung ist ein Verbrechen. Auf! Such Du von jener Seite, ich will von dieser suchen. Die Insel ist schmal; wir können uns nicht verirren. Ich habe wenig Hoffnung, meine Konstanzia zu finden; aber wenigstens soll dasselbe Erdreich, das sie bedeckt, auch mir zum Grabe dienen. Er geht ab.
Fünfter Auftritt.
Enrico, und Silvia versteckt.
SILVIA. (Ich kann nichts verstehen!)
ENRICO. Rührend ist bey alle dem die Begebenheit des Gernando. Kaum ist er verheyrathet, so muß er sich mit seiner Geliebten dem Meere anvertrauen. Er sieht sie auf den stürmischen Fluthen erkranken; zu ihrer Erholung landet er auf dieser Insel; sie schläft, und er, von Barbaren entführt, und in unbekannte Länder geschleppt, lebt so viel Jahre in der Sklaverey und ohne alle Nachricht von seinem geliebten Gegenstande. …
SILVIA. (Endlich hat er sich doch einmal umgedreht. Welch ein angenehmes Gesicht!)
ENRICO. Bey jedem andern spricht die Menschlichkeit für ihn; bey mir auch noch die Schuldigkeit. Ich verdank‘ ihm meine Freyheit, dieses erste Geschenk des Himmels. Jeder andrer würde hartherzig seyn; ich bin auch noch undankbar dazu, wenn ich ihm nicht beystehe. Ein hartes Herz verdient Verachtung; aber eine undankbare Seele ist allen Menschen ein Abscheu.
ENRICO. Wenn auf dem Wege der Ehre des Kämpfenden Fuß ermüdet, um neuen Lohn zu erhalten, ächzt und zittert er nicht. Er vergießt gern sein Blut und geht tausend Gefahren froh entgegen.
Sechster Auftritt.
SILVIA allein. Was in aller Welt war das, was ich gesehen habe? Ein Mann ist es nicht. Dem würde man die Grausamkeit des Herzens am Gesicht ansehen. Hart und grausam sind die Männer, und werden also auch, wie billig, ihr tyrannisches Herz im Gesicht zu erkennen geben. Ein Frauenzimmer ist es aber doch auch nicht. Er trägt ja nicht Röcke, wie wir. Es mag seyn, was es will, es ist ein liebenswürdiges Geschöpf. Ich will gehn, und die Schwester fragen … Aber mein Fuß weigert sich, von hier zu gehn. Himmel, warum seufze ich! Warum schlägt mein Herz so schnell? Vielleicht aus Furcht. Aber nein! ich würde nicht vergnügt seyn, wenn ich mich fürchtete. Das unbekannte Gefühl, das mir im Busen schleicht, ist eine andre Leidenschaft.
Arie.
In süßer Schwärmerey bin ich frölich und seufze. Jenes Gesicht gefällt mir, aber ich habe keine Ruhe.
Mein Kopf ist voll angenehmer Hoffnungen, und doch kann ich das nicht erkennen, was ich hoffe.
Zweiter Teil.
Siebenter Auftritt.
Gernando allein, hernach Enrico.
GERNANDO. Ha! meine Seele ahndete ihr Unglück. Umsonst bemüh‘ ich mich. Ich suche, ich rufe, ich ängstige mich vergebens. Weder Spur noch Zeichen find‘ ich von meiner Geliebten. Wo ist mein Freund? Vielleicht glücklicher, als ich … Enrico! Enrico! … Ich will ihn suchen … Gott! ich kann nicht. O Himmel! ich erliege unter Müdigkeit und Schmerzen. Auf jenem Felsen will ich ausruhn und warten … Er nähert sich, und erblickt die Inschrift. Wie? Europäische Schrift? Himmel! mein Nahme? Wer hat ihn da eingegraben – und wann? Er liest. »An diesem Ufer endigte sie von dem verrätherischen Gernando verlassene Konstanzia ihr Leben …« – Wie wird mir?
ENRICO. Ach gieb mir Trost! Weißt Du, wo Konstanzia ist?
GERNANDO. Konstanzia ist todt.
ENRICO. Wie?
GERNANDO. Lies!
ENRICO Liest die ersten Worte sachte, und dann ruft er aus. Die Unglückliche! Er liest weiter. »ihr Leben. Liebreicher Wandrer! wenn du kein Tiger bist, so räche, oder beklage …« – Die Schrift ist nicht ganz vollendet.
GERNANDO. Der Tod hat sie übereilt.
ENRICO. Trauriges Schauspiel! Weine, Freund! die Thränen sind gerecht. Ich weine mit Dir, und die Felsen stimmen mit ein.
Aria.
GERNANDO. Wenn ich jammere, liebster Freund! so störe mich nicht in meinem Kummer. Ich verlange keinen andern Gefährten, als meinen grausamen Schmerz.
Was soll mir hier ein Freund für Trost gewähren? Ach! mein Kummer würde nur durch den seinigen vergrößert werden. Geht ab.
Achter Auftritt.
Enrico und Silvia.
SILVIA. Wo ist Konstanzia? Ich finde sie nicht.
ENRICO. Was seh‘ ich? Höre doch, schöne Nympfe!
SILVIA. Ha! bist Du schon wieder hier?
ENRICO. Warum fliehst Du? Höre mich einen Augenblick.
SILVIA. Was willst Du von mir?
ENRICO. Nichts, als Dich ansehen, und mit Dir reden.
SILVIA. Versprich mir, von fern mit mir zu reden.
ENRICO. Ich verspreche es. (Welch ein niedliches Gesicht!)
SILVIA. (Welch ein süßer Anblick!)
ENRICO. Aber was findest Du denn an mir für Anlaß zu solchem Schrecken? Ich bin doch keine Schlange und kein reißendes Thier. Ein Mann sollte Dich doch nicht so sehr in Angst jagen.
SILVIA. Du bist also ein Mann?
ENRICO. Ja! ein Mann.
SILVIA. Rettung! Hülfe!
ENRICO. Bleib hier!
SILVIA. Erbarmen! Gnade! Ich habe Dir nichts gethan. Sey nicht grausam gegen mich.
ENRICO. O liebes Mädgen! steh auf und sey ruhig. Diese ungerechte Furcht kränkt mich im Herzen.
SILVIA. (Mein Herz sagt mir, ich kann ihm trauen.)
ENRICO. Wenn Du so gefällig, als schön, bist, so sage mir, wo und wann ist die arme Konstanzia gestorben?
SILVIA. Konstanzia! Dem Himmel sey Dank! Konstanzia lebt.
ENRICO. Sie lebt? Ach reizende Silvia! denn, dem Alter und allen Umständen nach, bist Du gewiß Silvia, lauf zur Konstanzia. Ich will indessen zum Gernando. …
SILVIA. Ha! so ist also dieser Grausame, dieser Undankbare bey Dir?
ENRICO. Unglücklich nenn‘ ihn, aber nicht grausam. O! säume nicht. Es wäre Grausamkeit, die hohen Freuden solcher treuen Gatten zu verzögern.
SILVIA. Wir wollen mit einander gehen.
ENRICO. Nein, wenn wir mit einander gehn, so brauchen wir längere Zeit zu unserm Vorhaben. Geh! komm mit ihr wieder hieher; ich will mit ihm zurück kommen.
SILVIA. Höre! Dein Nahme?
ENRICO. Ist Enrico.
SILVIA. Höre doch! Ach bleib auch nicht lange.
ENRICO. Und warum so eilfertig? Liebes Mädgen!
SILVIA. Ich weiß nicht. Ich bin gleich betrübt, wenn Du mich verläßest; und sobald Du wieder kommst, fühl‘ ich, daß ich wieder vergnügt werde.
ENRICO. Und ich wollte wohl mein ganzes Leben mit Dir zubringen.
Neunter Auftritt.
SILVIA allein. Was in aller Welt ist mit mir vorgegangen? Er geht weg, und bleibt mir doch gegenwärtig? Er geht weg, und ich folg‘ ihn doch immer mit meinen Gedanken? Warum bin ich so bekümmert? ich verstehe mich selber nicht.
Arie.
So wie der Dampf zur Sonne nach und nach sich erhebt, so wächst das heftige Feuer in meinem Herzen.
O weh! welch schädliches Feuer! welche unselige Marter! Grausame Liebe, halt ein, sey nicht so wüthend!
Zehnter Auftritt.
KONSTANZIA allein.
Arie.
Ach! vergebens mitleidig gegen mich, flieht die Zeit und beflügelt ihren Schritt. Stamm und Felsen weicht den Jahren, aber meine Marter altert nicht.
Solch ein Schicksal heißt nicht leben sondern ist vielmehr ein so langwieriger Tod, daß ich schon des Sterbens überdrüßig bin.
Jetzt, da meine unschuldige Schwester, fern von mir, mich ungestört läßt, mag meine Hand wieder an ihre schmerzliche Arbeit gehn!
Eilfter Auftritt.
Gernando und die Vorige.
GERNANDO. Jetzt, da mein mitleidiger Freund weit von hier ist, will ich jenen theuren Felsen wieder küssen. Aber … wer ist die? Wo kommt sie her? Was macht sie?
KONSTANZIA. Unglückliche Konstanzia! Du mühest Dich, und vielleicht bleibt Deine Arbeit ewig unbekannt.
GERNANDO. Konstanzia! Gemahlin!
KONSTANZIA. Ha! Verräther! Ich sterbe. …
GERNANDO. Meine Geliebte! Sie hört nicht. O Himmel! Sie ist ohne Sinne. Ach! ein Paar Tropfen frischen Wassers … Aber wo .. Ja! nicht weit von hier fließt ein Bach; ich sah ihn vorher. Und soll ich meine Geliebte so allein lassen? Ich will schnell wieder zürückfliegen. Geht eiligst ab.
Zwölfter Auftritt.
Enrico und Konstanzia, ohnmächtig.
ENRICO. Mein geliebter Freund weiß sein Glück noch nicht. Er verbirgt sich vor mir; ich kann ihn nicht wiederfinden …. Aber auf jenem Felsen liegt eine Nimpfe … Silvia ist es nicht, also ist es Konstanzia. O! wie herrscht der Tod auf ihrem Gesicht!
KONSTANZIA. O weh!
ENRICO. Konstanzia!
KONSTANZIA. Laß mich!
ENRICO. O! lebe für die treue Liebe Deines Gemahls.
KONSTANZIA. Laß mich, Verräther! in Frieden sterben!
ENRICO. Ich ein Verräther! Du kennst mich ja nicht.
KONSTANZIA. O Himmel! Wo ist Gernando? Bist Du nicht mehr derselbige? Habe ich vorher geträumt, oder träum‘ ich jetzt?
ENRICO. Du hast nicht geträumt, und träumst auch jetzt nicht. Nach dem, was ich höre, hast Du Deinen Gernando gesehn; jetzt siehst Du seinen Freund.
KONSTANZIA. Und er kommt mir wieder vor Augen? Er, der mich verlassen konnte?
ENRICO. Ach! der Unglückliche verließ Dich nicht: er ward entführt.
KONSTANZIA. Wann?
ENRICO. Als Du, in Schlaf begraben, dort ausruhtest.
KONSTANZIA. Wer entführte ihn denn?
ENRICO. Barbarische Seeräuber, die ihn unvermuthet überfielen. Er wehrte sich, ward aber in die Hand verwundet und verlohr den Degen. Die Menge überwältigte ihn, und er blieb ihr Gefangner.
KONSTANZIA. Aber bis jetzt …
ENRICO. Aber bis jetzt hat er nichts frey gehabt, als seine Gedanken; und mit diesen ist er immer bey Dir gewesen.
KONSTANZIA. Gott! wie sehr hab‘ ich Dir, mein Gernando! Unrecht gethan!
Letzter Auftritt.
Gernando und Silvia, von verschiedenen Seiten.
GERNANDO. In diesen Armen, Geliebte!
KONSTANZIA. Und ist es dann wahr?
GERNANDO. Und träum‘ ich nicht?
KONSTANZIA. Gernando ist bey mir?
GERNANDO. Ich habe meine Gemahlin an meiner Seite?
ENRICO. Diese Umarmungen, diese Thränen, diese abgebrochene Reden rühren mich ungemein.
SILVIA. Was stehst Du so in Gedanken, Enrico? Gernando ist viel artiger, als Du. Sieh nur, wie er mit der Konstanzia spricht; und Du – sagst mir nicht ein Wort.
ENRICO. Wenn ich Dir lieb bin, so bin ich bereit, alles zu sagen, was Du willst.
SILVIA. Wenn Du mir lieb bist? Lieber als mein kleines Reh.
ENRICO. Nun so gieb mir Deine Hand; Du sollst meine Gemahlin seyn.
SILVIA. Ich Gemahlin? O nein! Das nicht. Da wär ich wohl sehr thörigt. Ich würde wohl auf irgend einer Insel bleiben und meine Tage einsam zubringen müssen.
KONSTANZIA. Nein, Silvia! Mein Gernando hat mich nicht verlassen. Du sollst alles erfahren. Die Männer sind nicht, wie ich sagte, treulos und unmenschlich.
SILVIA. Das hab‘ ich wohl gemerkt, als ich den Enrico kennen lernte.
KONSTANZIA. Mit Unrecht hab‘ ich sie beschuldigt. Jetzt nehm‘ ich meinen Irrthum zurück.
SILVIA. Und ich den meinigen auch.
Quartett.
KONSTANZIA. Ganz glücklich bin ich bey meiner Geliebten; ich vergesse alle Plage, vergesse alle Leiden.
GERNANDO. Was hab‘ ich nun mehr zu wünschen, nun ich meine Liebe gefunden: unter ihren schönen Augen bleibe ich nun frohlockend.
SILVIA. Könntest Du, Lieber, die Bewegung meines Herzens sehen, Du würdest sehen, mein Lieber, wie sehr es Dich zu lieben weiß.
ENRICO. Nimm, o Liebe, zum Unterpfande, die Hand Deines Geliebten; zärtlicher und treuer kannst Du keinen finden.
KONSTANZIA UND GERNANDO. Erhalte, o Liebe! die Bande zweyer liebenden Herzen.
SILVIA UND ENRICO. Gieb nicht zu, daß je der Unmuth dieses schöne Reich verstöre.
GERNANDO. Süße Schmerzen!
KONSTANZIA. Süße Pein.
GERNANDO. Ach Konstanzia!
KONSTANZIA. O Du Lieber!
ENRICO. Geliebte Silvia!
SILVIA. O welches Glück!
ENRICO. Traute Liebe!
SILVIA. O schöner Augenblick!
KONSTANZIA, GERNANDO, SILVIA, ENRICO.
O Tag des Glücks!
Tag der Freude.
Auf! die Segel gespannt!
Laß uns jubeln!
Ende.