Daniel-François-Esprit Auber

Die Stumme von Portici

Große historische Oper in fünf Aufzügen

Personen
Alfonso, Sohn des Vicekönigs Grafen von Arcos von Neapel (Tenor)
Elvira, spanische Prinzessin, dessen Verlobte (Sopran)
Lorenzo, Alfonsos Vertrauter (Tenor)
Selva, Offizier der Leibwache des Vicekönigs (Baß)
Masaniello, ein neapolitanischer Fischer (Tenor)
Fenella, seine Schwester
Pietro (Baß),
Borella (Tenor),
Moreno (Baß) Fischer, Masaniellos Freunde ,
Eine Ehrendame (Alt)
Ehrenkavalier. Kavaliere. Edelherren. Ehrendamen. Damen. Ceremonienmeister. Offiziere. Soldaten. Kirchenpagen. Pagen. Bürgermeister. Ratsherren. Ratsdiener. Bürger. Kapuziner. Fahnenträger. Musiker. Steuermann. Matrosen. Öffentlicher Schreiber. Verschworene. Charlatan. Polichinel. Pifferari (Querpfeifer). Facchini (Hausmeister). Lazzaroni. Tänzer undTänzerinnen. Käufer und Verkäufer. Fi scher und Fischerinnen. Diener. Landleute. Volk. Junge Mädchen. Knaben. Kinder

Ort der Handlung: Neapel und Portici bei Neapel.

Im ersten Aufzug der Garten des Vicekönigs zu Neapel. Im zweiten Aufzug malerische Felsengegend zu Portici in der Nähe von Neapel. Im dritten Aufzug Zimmer im viceköniglichen Palast zu Neapel. Dann Marktplatz in Neapel. Im vierten Aufzug Masaniellos Wohnung zu Portici im Innern einer Felsenhöhle. Im fünften Aufzug offene Vorhalle im Palast des Vicekönigs zu Neapel.

Zeit: Sommer 1647.

Rechts und links vom Darsteller. Spielzeit: Zwei und dreiviertel Stunde.

Ouverture.

Sechs Minuten.

Erster Aufzug

Nr. 1. Introduktion und Chor.

Der Vorhang hebt sich nach dem dritten Takte.

Erster Auftritt.

Chor rechts außerhalb. Dann Alfonso mit zwei Offizieren, die im Hintergrunde Aufstellung nehmen.

CHOR rechts außerhalb.
Stimmt an der Freude Festgesang,
Heil, Heil dem schönsten Herzensbunde!
Heil dieser hehren Stunde,
Erschalle, erschalle der Jubelliederklang!
Jubelklang! Heil ihm, ihm Heil!
Ihm erschall‘ Jubelklang.

Alfonso kommt von links vorn mit den beiden Offizieren.

ALFONSO für sich.
Ach, diese lauten Freuden,
Des Volkes frohe Lust,
Sie verdoppeln nur die Leiden,
Den Schmerz in meiner Brust!
CHOR rechts außerhalb.
Stimmt an der Freude Festgesang,
Heil, Heil dem schönsten Herzensbunde!
ALFONSO für sich.
Vergebens lacht die Liebe mir an Elviras Seite,
Immer foltern die Qualen der Reue mein Herz!
Fenella, süßes Leben,
Du Wesen voller Huld,
Du bist durch meine Schuld
Dem Unglück preisgegeben!
Fenella! Fenella! Dich mein
Kann ich nicht nennen,
Und müssen wir uns trennen,
Dich schützen sei mir Pflicht!
CHOR außerhalb.
Stimmet an, stimmet an der Freude Festgesang!
ALFONSO für sich.
Ach, diese lauten Freuden,
Des Volkes frohe Lust,
Verdoppeln nur die Leiden,
Den Schmerz in meiner Brust.
CHOR außerhalb.
Erschalle Jubelliederklang!
ALFONSO in schmerzbewegtem Ausruf, für sich.
O Fenella! O Fenella! –
Fenella, süßes Leben,
Du Wesen voller Huld,
Du bist durch meine Schuld
Dem Unglück preisgegeben!
Kann ich auch nicht
Die Meinige dich nennen,
Und müssen wir uns trennen,
Dich schützen sei mir Pflicht!
CHOR außerhalb.
Stimmt an, stimmt an den Festgesang!
Stimmt an!
ALFONSO für sich.
Dich schützen sei, dich schützen sei mir Pflicht!
CHOR außerhalb.
Stimmet an, stimmet an Liederklang!
Stimmet an!
ALFONSO für sich.
Fenella, süßes Leben,
Du Wesen voller Huld,
Du bist durch meine Schuld
Dem Unglück preisgegeben!
Kann ich auch nicht
Die Meinige dich nennen,
Und müssen wir uns trennen,
Dich schützen sei mir Pflicht!
CHOR außerhalb.
Stimmt an, stimmt an den Festgesang!
Stimmt an!
ALFONSO für sich.
Dich schützen sei, dich schützen sei mir Pflicht!
Ja, müssen wir uns trennen,
Dich schützen sei mir Pflicht!
CHOR außerhalb.
Stimmet an, stimmet an den Liederklang!
Stimmet an der Freude Festgesang!
Laut erschall‘ Liederklang,
Töne weit froher Sang!
Stimmet an, Liederklang, froher Sang!

Lorenzo kommt von rechts vorn.

Zweiter Auftritt.

Lorenzo, Alfonso zu seiner Linken. Die beiden Offiziere zurückstehend.

Recitativ.

ALFONSO stets halblaut.
Lorenzo, o mein Freund, o eile, mir zu sagen,
Was von Fenellas Schicksal du erfuhrst?
LORENZO stets ebenso.
O Herr, vergebens war mein Streben, mein Spähen
All umsonst, ich fand das Mädchen nicht.
ALFONSO.
O Gott, du strafest schwer der Leidenschaft Vergehen!

Zu Lorenzo.

So ist ihr Unglück denn gewiß?
LORENZO.
Neapel huldigt jubelnd deinem Liebesglück;
Elvira, aller Frauen Krone
Beseligt dich mit holdem Blick;
Vermag zu trüben dieses Tages Wonne
Ein Fischermädchen dir, ein schwacher Augenblick?
ALFONSO.
O frage nicht, mich verfolgt bittre Reue,
Sie liebte mich, mit meinem Namen unbekannt,
Sie hing an mir mit fester Treue,
Und daß ich meinen Frevel stets erneue,
Reich‘ ich als Gatte heut‘ Elvira meine Hand.
LORENZO.
Was hör‘ ich!
ALFONSO.
Ihrem Mund hat die Gabe der Sprache
Ein großer Schrecken einst geraubt;
Und sie, die arglos meinem Schmeichelwort geglaubt,
Vertrauert nun in Kummer ihre Tage.
Wie soll ich tröstend mildern ihre Lage?
In reizerfüllter Anmut steht
Ihr Bild vor mir, wie ich es oft gesehen;
War ihre Lipp‘ auch unberedt,
Es sprach ihr Aug‘, und konnte mich verstehen.
LORENZO.
Ihr siegtet über diese niedre Leidenschaft!
ALFONSO.
Nicht die Vernunft allein gab mir dazu die Kraft,
Es fesselte mich neue Liebe an Elvira;
Ich opferte ihr das getäuschte Mädchen;
Und wird dich's nicht befremden, wenn am heut'gen Tag,
Der durch heilige Bande zwar meine Wünsche krönet,
Doch auch das Gewissen mich mahnet
An die, der ich die Treue brach.
Seit einem Monat sah ich sie nicht mehr,
Und ihr Tod –
LORENZO.
Gebt diesem Gedanken nicht Raum!
Vielleicht hält Euer Vater sie selber verborgen
Vor Eurer Nachforschung.
Ihr kennet seinen unbeugsamen Willen,
Gleich furchtbar für den Sohn, wie für die Unterthanen.
Ihr wißt, man fürchtet selbst, daß dieses Volk,
Der strengen Herrschaft müde, sich empöre.

Entfernte Musik.

ALFONSO.
Des feierlichen Zuges Klänge
Vernehm‘ ich schon; er naht sich diesem Ort;
Behutsam, Freund! begleite mich
Zuerst zu dem Vater, und dann zum Altar.

Er winkt den beiden Offizieren, dem Zuge entgegen zu gehen und eilt mit Lorenzo ab nach links vorn.

Die beiden Offiziere entfernen sich über die Mitteltreppe nach rechts.

Ein Offizier, sechs Soldaten mit Gewehren paarweise; ein Ceremonienmeister mit dem Heroldsstab; zwei Kirchenpagen mit Brautschleier, Orangekranz, Blumenstrauß und Meßbuch auf Kissen; Alfonso und Lorenzo; drei Edelpaare; vier herzogliche Diener kommen auf der Terrasse von links, bewegen sich während des folgenden Chores über die Mitteltreppe in den Garten und nehmen rechts Aufstellung nach dem Stellungsplan.

Dritter Auftritt.

Alfonso. Lorenzo. Drei Edelpaare. Ein Ceremonienmeister. Zwei Kirchenpagen. Ein Offizier. Sechs Soldaten. Vier herzogliche Diener.

CHOR.
Stimmt an der Freude Festgesang,
Heil, Heil dem schönsten Herzensbunde!
Heil dieser hehren Stunde,
Erschalle, erschalle der Jubelliederklang!
Jubelklang! Heil ihm, ihm Heil!
Ihm erschall Jubelklang!
Alfonso erkor der Frauen Krone,
Sie strahlt in holder Blüten Kranz;
Neapel schwimmt in Freudenwonne,
Es jauchzt in Freudenwonne,
Weiht jubelnd ihr den Myrtenkranz
Und huldigt seines Königs Sohne!
Neapel schwimmt in Freudenwonne,
Es weiht den Kranz, den Myrtenkranz!

Acht Tänzerinnen mit Kastagnetten und Tamburins; ein Ceremonienmeister mit dem Heroldsstab; zwei Pagen kommen auf der Terrasse von links, bewegen sich über die Mitteltreppe in den Garten und nehmen links Aufstellung nach dem Stellungsplan.

Elvira folgt mit einem Ehrenkavalier und bleibt mit ihm auf der Terrasse stehen.

Zwei Pagen, zwei Ehrendamen, zwei Edelpaare, eine spanische Tänzergruppe folgen ihr und bewegen sich ebenfalls über die Mitteltreppe in den Garten, links Aufstellung nehmend nach dem Stellungsplan.

Volk drängt von rechts und links nach.

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Elvira. Ein Ehrenkavalier. Zwei Ehrendamen. Zwei Edelpaare. Ein Ceremonienmeister. Vier Pagen. Tänzer und Tänzerinnen. Volk.

Elvira auf der Terrasse, dankt unter Zuwinken dem nahestehenden Volke.

Das Volk jubelt ihr zu, wirft ihr Blumen entgegen, schwenkt Tücher und Mützen, küßt ihr knieend Kleid und Hände.

Nr. 2. Recitativ und Arie.

ELVIRA.
Was gelten Thron und Diadem
Dem süßen Minneglück?

Noch umringt vom Volke.

Was treuer Herzen seligem Geschick?

Sie winkt dem Volke.

Das Volk weicht von ihr zurück.

Elvira reicht ihrem Ehrenkavalier die Hand und tritt mit ihm herunter auf die linke Seite.

Arie.

ELVIRA.
Dem Teuren, dem dies Herz geweiht in treuer Liebe,
Verbindet Hymen mich, erhört die süßen Triebe!
Süßes Zauberglück, das sich dem Wonneblick enthüllt,
Wenn Treue mir die Treu‘ vergilt! –
O holder Augenblick,
Mir winket Edensglück,
Der Seligen Geschick,
O Götterstunde!
Dem Herzensbunde ersehnte Stunde,
Mir blühet Himmelsglück, ja, Himmelsglück!
O holder Augenblick,
Mir winket schönes Glück,
Mir blüht des Himmels Glück!

Sie wendet sich an ihre Ehrendamen.

Die Ehrendamen treten zu ihr.

ELVIRA faßt deren Hände.
Ihr, die im Flügelkleide
Teiltet meine Freude,
Teuer meinem Herzen,
Teiltet meine Schmerzen,
Teilt, o teilt nun mein Glück!
O holder Augenblick,
Mir winket Edensglück,
Der Seligen Geschick,
O Götterstunde!
Dem Herzensbunde ersehnte Stunde,
Mir blüht des Himmels Glück!
O sel'ger Augenblick,
Mir winket schönes Glück,
Mir blüht des Himmels schönstes Glück!
Mir blüht des Himmels Glück,
Mir blüht des Himmels schönstes Glück,
Des Himmels Glück!

Sie wendet sich zu ihrem Ehrenkavalier.

Ehrenkavalier legt seine Hand unter die ihre, geleitet sie nach links auf den Blumenthron und nimmt zu ihrer Rechten Aufstellung.

Alfonso und Lorenzo entfernen sich nach rechts in die Kapelle.

Fünfter Auftritt.

Die Vorigen ohne Alfonso und Lorenzo.

Die zwei Ehrendamen und die zwei Edeldamen links nehmen Platz auf den Sitzen rechts und links neben dem Blumenthron.

Das Volk füllt die Terrasse hinten in ihrer ganzen Breite.

ELVIRA wendet sich zu den Tänzern links hinten.
Die ihr gefolget mir vom fernen Vaterlande,
Mit Liebe mich begrüßt,
O zaubert mich zurück zum teuren Tajostrande,
Den nie mein sehnend Herz vergißt!

Die Tänzer treten vor und nehmen die Mitte.

Nr. 3. Ballett. La Guarache.

Nr. 4. Ballett. Bolero.

Die Tänzer gehen nach dem Ballett vor der Terrasse ab nach links.

Nr. 5. Scene und Trauungschor.

Rechts ein ferner, rasch näher kommender Lärm.

Alle Sitzenden erheben sich.

Elvira giebt einer Ehrendame ein Zeichen.

Ehrendame geht bis zur Mitteltreppe um nachzusehen und kehrt sogleich zurück.

ELVIRA.
Ich höre Lärm!

Zur Ehrendame.

Was hat dies zu bedeuten?
EHRENDAME.
Ein Fischermädchen ist's, Soldaten folgen ihr.
Sieh, Rettung, Herrin, fleht die Ärmste, ach von dir!

Fenella stürzt atemlos mit allen Zeichen des Schreckens von rechts über die Mitteltreppe herbei, erspäht Elvira und sinkt hilfesuchend vor dem Blumenthron links zusammen.

Selva und acht Wachen folgen ihr und bleiben bei dem Anblick Elviras auf der rechten Seite in ehrfurchtsvoller Entfernung.

Sechster Auftritt.

Die Vorigen ohne die Tänzer. Selva und die acht Wachen rechts etwas zurückstehend. Fenella vor dem Blumenthron links.

ELVIRA auf dem Blumenthron stehend.
Was ist geschehn? O sprich!

Fenella deutet durch Gebärden an, daß sie stumm sei und fleht Elvira an, sie vor ihren Verfolgern zu beschützen.

ELVIRA mitleidig.
Ich werde dich beschützen!
An diesem Tage meiner Seligkeit,
Wie wär‘ ich nicht zum Trost der Leidenden bereit.

Zu Selva.

Was hat das arme Kind verbrochen?
SELVA tritt einen Schritt vor.
Ein Fischermädchen ist's, des Königs Machtgebot
Hielt im Kerker sie seit vielen Wochen;
Doch diesen Morgen, trotzend der Gefahr, dem Tod,
Entrann sie ihrer Haft!

Er tritt einen Schritt zurück und giebt seinen Wachen einen Wink, sich zu entfernen.

Die acht Wachen gehen ab über die Mitteltreppe nach links.

Siebenter Auftritt.

Die Vorigen ohne die acht Wachen.

ELVIRA zu Fenella.
Was hast du, Kind, verschuldet?

Fenella bezeichnet sich schuldlos und ruft den Himmel zum Zeugen ihrer Unschuld an.

ELVIRA.
Wer störte deine Ruh‘?

Fenella giebt zu verstehen, daß die Liebe sie unglücklich gemacht habe.

ELVIRA.
Arme Betrogne!
Ja, ich versteh‘, die Liebe stahl sich in dein Herz.
Doch wer schuf diese Leiden dir?

Fenella kennt den Mann nicht, der ihr ewige Treue geschworen, sie in seine Arme geschlossen, ihr die Schärpe, die sie vorzeigt, zum Andenken gegeben habe, dann aber plötzlich verschwunden sei, ohne wiederzukehren.

ELVIRA.
So hat der Undankbare dich verlassen?

Fenella bejaht es seufzend.

ELVIRA.
Und wer hat deiner Freiheit dich beraubt?

Fenella bezeichnet Selva, der es trotz ihres Flehens und ihrer Thränen gethan; er habe sie mit Gewalt fortgeschleppt; durch die Gebärden des Schlüsselumdrehens und Vorschiebens der Riegel deutet sie an, daß er sie, traurig und gedrückt von Gram und Kummer, im Gefängnis festgehalten habe.

ELVIRA stets voll Teilnahme.
Im Gefängnis?

Fenella habe trauervoll und in Gebet die Tage schwinden sehen, als ihr plötzlich der Gedanke gekommen sei, sich zu befreien; sie habe Tücher am Fenster befestigt, sich herabgelassen, sich in Freiheit gesehen und Gott für ihre Rettung gedankt; da habe sie die Schildwache »Wer da?« rufen hören, man habe, da sie nicht habe antworten können, gedroht, sie niederzuschießen, sie sei jedoch, zuerst am Boden hinkriechend, pfeilschnell durch die Gärten davon geeilt, habe die Prinzessin erblickt und sich ihr zu Füßen geworfen, um Schutz zu erflehen.

ELVIRA.
Voll Anmut und Reiz ist ihre Zeichensprache.
Fasse Mut! deine Thränen zu trocknen
Erachte ich für Pflicht.
Mein fürstlicher Gemahl wird huldvoll
Schutz und Freiheit dir gewähren.

Fenella drückt Elvira mit Lebhaftigkeit ihr Dankgefühl aus und tritt zurück.

Lorenzo kommt von rechts aus der Kapelle.

Achter Auftritt.

Die Vorigen. Lorenzo.

LORENZO ehrfurchtsvoll.
Prinzessin, alles ist bereit zur heil'gen Handlung,
Man wartet nur auf Euch in der Kapelle dort.

Er zeigt nach rechts.

Elvira tritt über die Stufen herunter.

Trauungszug in die Kapelle.

Die beiden Ceremonienmeister, die zwei Kirchenpagen vor der Kapelle gehen ab nach rechts in die Kapelle.

Lorenzo legt seine Hand unter diejenige Elviras und folgt.

Elvira giebt Selva einen Wink, es nicht zu wagen, Fenellas Freiheit zu gefährden.

Der Ehrenkavalier, die zwei Ehrendamen von links, die zwei Edelpaare von links, der Offizier und die vier Soldaten an der Mitteltreppe schließen sich an.

Neunter Auftritt.

Die Vorigen ohne die Person des Trauungszuges.

Selva nimmt Aufstellung auf den Stufen, zwischen den beiden Wachtsoldaten.

Das Volk drängt herunter und füllt den Mittelraum.

Alle Übrigen verharren auf ihren Plätzen.

Alle sinken beim Beginn des Trauungschores in die Kniee.

TRAUUNGSCHOR in der Kapelle.
Hör‘ unser Flehn! o spende Segen
Der Tugend Lohn
Vom hohen Himmelsthron!
CHOR vor der Kapelle.
Hör‘ unser Flehn! o spende Segen
Der Tugend Lohn
Vom hohen Himmelsthron!
SELVA nach dem Innern der Kapelle gewendet.
Ha, welch ein Anblick, hehr und feierlich!
Das Fürstenpaar naht dem Altare sich;
Aus seinen Blicken strahlt Wonne und Entzücken!
TRAUUNGSCHOR in der Kapelle.
Hör‘ unser Flehn! o spende Segen
Der Tugend Lohn
Vom hohen Himmelsthron!

Fenella richtet sich auf und sucht das Innere der Kapelle zu durchspähen.

Das Volk sucht sie davon abzuhalten.

CHOR vor der Kapelle.
Hör‘ unser Flehn! o spende Segen
Der Tugend Lohn
Vom hohen Himmelsthron!

Fenella eilt um besser sehen zu können, während alle auf den Knieen liegen, auf die Stufen des Blumenthrones links; blitzartig vom schmerzlichsten Erstaunen erfaßt, erkennt sie in Alfonso ihren Geliebten und eilt, gewaltsam durch das knieende Volk sich Bahn brechend, dem Eingang der Kapelle zu.

DIE BEIDEN SOLDATEN UND DAS VOLK sie zurückhaltend.
Was willst du hier an diesem Ort?
Hinweg, hinweg, hinweg, hinweg vom heil'gen Ort!

Fenella fleht in höchster Angst, sie um ihres Glückes, ihrer Ruhe willen durchzulassen.

SELVA sie abwehrend.
Was willst du hier? Du keckes Mädchen?
Was willst du hier? Was willst du hier? Hinweg von hier.
DIE BEIDEN SOLDATEN UND DAS VOLK abwehrend.
Hinweg von hier! Hinweg von hier!
Vom heil'gen Ort hinweg, hinweg!

Fenella gerät außer sich darüber, den Umstehenden nicht erklären zu können, was ihr Gemüt so tief bewegt; sie muß durchaus Alfonso sprechen, sie ist sein Weib, er hat ihr Treue geschworen.

CHOR DER FRAUEN aus dem Volke, zu Fenella.
Erbebe Kind! O fort von hier!
Gefahr, du Ärmste, drohet dir!

Fenella wiederholt dringend ihr Flehen.

TRAUUNGSCHOR in der Kapelle.
Hör‘ unser Flehn, o spende Segen!
CHOR vor der Kapelle.
Der Tugend Lohn von dem hohen Himmelsthron!
TRAUUNGSCHOR in der Kapelle.
Höre, höre unser Flehen, o spende Segen!
O höre uns, unser Flehn, spende, spende Segen!

Fenella ringt verzweiflungsvoll die Hände, will in die Kapelle dringen, um die Trauung zu verhindern.
CHOR vor der Kapelle.
Allmächtiger, hör‘ das Flehn, spende Segen!
O spende Glück, Freude und Segen!
Hör‘, o höre unser Flehn, das Flehn!

Fenella steht vernichtet vor Erschöpfung und Schmerz.

TRAUUNGSCHOR in der Kapelle.
Hör‘ unser Flehn, o spende Segen!

Dreimal Klingeln in der Kapelle.

Fenella stößt einen Schrei aus und sinkt auf die Stufen des Blumenthrones links nieder.

Alle stehen auf.

Einige Frauen aus dem Volk unterstützen Fenella und sind ihr behilflich, sich langsam zu erheben.

Nr. 6. Finale.

CHOR vor der Kapelle.
Sie sind vereint! Sie sind vereint!

Trauungszug aus der Kapelle.

Die beiden Ceremonienmeister, die zwei Kirchenpagen ohne ihre Kissen, Elvira im Brautschleier, mit Orangekranz, Blumenstrauß und Meßbuch, an Alfonsos Hand, die zwei Ehrendamen mit dem Ehrenkavalier, Lorenzo, die zwei Edelpaare, der Offizier und die vier Soldaten kommen aus der Kapelle rechts.

Zehnter Auftritt.

Die Vorigen. Die Personen des Trauungszugs.

Die vier Soldaten drängen das Volk zurück, das nach und nach seine frühere Stellung auf der Terrasse einnimmt.

Selva tritt zurückstehend in die Mitte.

Alfonso spricht Fenella abgewendet mit Lorenzo.

Elvira richtet ihre Aufmerksamkeit auf Fenella.

ALLGEMEINER CHOR.
Festes Tag, Tag der Wonne!
Aller Frau'n schönste Krone,
Ja, der Lust und Seligkeit
Sei dieser Tag geweiht!
ELVIRA zu Alfonso.
Mein Freund, nimm an diesem Tage
Dich einer Leidenden an,
Hör‘ der armen Bedrängten Klage,
Die hier nur Hilfe finden kann.

Sie tritt auf die weinende Fenella zu und erfaßt ihre Hand.

Nah‘ ohne Furcht!

Für sich.

Sie zittert, ich seh‘ sie erblassen. –

Zu Alfonso.

Es hat ein Bösewicht sie getäuscht, sie verlassen.
Ach, wider den Verführer fleht sie in höchster Not
Um deinen Schutz, nur Gerechtigkeit erwartend.
ALFONSO wendet sich, erblickt Fenella; erschüttert.
O Gott!
ELVIRA für sich.
Welch Geheimnis! Mit Schrecken
Und Angst erfüllt es mich!
ALFONSO für sich.
Ha, Ereignis voll Schrecken,
Sie selbst erblicke ich!
ELVIRA für sich.
Was werde ich entdecken?
Treubruch ahne schaudernd ich!
ALFONSO für sich.
Alles wird man entdecken!
Berge, o Erde mich!
Ach, sie selbst erblicke ich!
LORENZO für sich.
Ha, Ereignis voll Schrecken!
Wie verteidigt er sich?
Alles wird sie entdecken,
Für ihn wie fürchterlich!
SELVA UND CHOR unter sich in größter Erwartung.
O Ereignis voll Schrecken,
Allen hier fürchterlich!
ELVIRA zu Fenella.
Fenella, Mädchen, sprich, gieb mir die Ruh‘ zurück!
Alfonso, er mordete dein Glück?

Fenella bejaht es.

ALFONSO für sich.
Ich dulde Höllenqual gleich einem Missethäter!
ELVIRA zu Fenella.
Vollende! – Sage, wer?

Fenella deutet an: »Wer mich täuschte? Mir diese Schärpe gab? Mich ins Verderben stürzte?«.

ELVIRA drängend.
Nun denn – der Verräter?

Fenella zeigt erhobenen Hauptes mit ausgestrecktem Finger in voller Energie auf Alfonso.

ELVIRA schmerzbewegt.
War er!

Allgemeine Bewegung des Schreckens und Erstaunens.

ELVIRA für sich.
Ach, so ist es entschieden,
Daß ich verloren bin,
Glück, Ruh‘ und Seelenfrieden
Sind nun für mich dahin!
ALFONSO für sich.
Ha, nun ist es entschieden,
Daß ich verloren bin,
Ruhe flieht mich hienieden,
Und alles ist dahin!
Ha, nun ist es entschieden,
Daß ich verloren bin!
LORENZO für sich.
Wie, dieses Mädchens wegen
Gab er Glück und Ruhe hin?
Dem Verderben entgegen
Führt diese Liebe ihn!
SELVA UND SOLDATENCHOR unter sich.
Wie mocht‘ die Dirne sich erfrechen,
Mit schnöder Lieb‘ zu fesseln ihn?
Solche niedre Dirn‘!
VOLKSCHOR unter sich.
Um dieses Mädchens wegen
Gab er die Ruhe hin?
Dem Verderben entgegen
Führt diese Liebe ihn!
Seht da, solch Ereignis
Voller Schrecken, fürchterlich!
ELVIRA für sich.
Ach, so ist es entschieden,
Daß verloren ich bin!
Glück, Ruh‘ und Seelenfrieden
Sind nun für mich dahin!
Ach, so ist es entschieden,
Daß verloren ich bin,
Glück, Ruh‘ und Seelenfrieden
Sind nun für mich dahin!
ALFONSO für sich.
Ha, nun ist es entschieden,
Daß ich verloren bin!
Ruhe flieht mich hienieden
Und alles ist dahin!
Ha, nun ist es entschieden,
Daß ich verloren bin!
LORENZO für sich.
Um dieses Mädchens wegen
Gab er die Ruhe hin?
Dem Verderben entgegen
Führt diese Liebe ihn!
SELVA UND SOLDATENCHOR unter sich.
Wie mocht‘ diese Dirn‘ sich erfrechen
Mit schnöder Lieb‘ zu fesseln ihn!
Solche niedre Dirn‘!
VOLKSCHOR unter sich.
Um dieses Mädchens wegen
Gab er die Ruhe hin?
Dem Verderben entgegen
Führt diese Liebe ihn!
Seht da, solch Ereignis
Voll Schrecken, fürchterlich!
SELVA UND SOLDATENCHOR unter sich.
Ha, bestraft solch Verbrechen!
ELVIRA für sich.
Glück, Seelenfrieden
Ist nun für mich dahin!
ALFONSO für sich.
Ruhe flieht mich hienieden
Und alles ist hin!
LORENZO für sich.
Dem Verderben entgegen
Führt diese Liebe ihn!
SELVA UND SOLDATENCHOR unter sich.
Bestraft solch Verbrechen,
Bestraft die Ruhestörerin!
VOLKSCHOR unter sich.
O Ereignis voll Schrecken,
Allen hier fürchterlich!

Fenella faßt einen raschen Entschluß, tritt zwischen Alfonso und Elvira, heftet den vorwurfsvollen Blick auf Alfonso und entflieht nach hinten über die Mitteltreppe nach rechts.

Das Volk macht ihr bereitwillig Platz.

SELVA UND SOLDATENCHOR wollen ihr nach.
Fort, fort, fort, fort, hier nicht verweilt!

Das Volk hält die Soldaten gewaltsam zurück.

Die Ehrendamen treten Elvira näher.

ELVIRA zu den Soldaten.
Bleibt! Ich will, daß ihr verweilt,
Damit nicht Strafe sie ereilt.

Für sich.

Ach, es ist ja entschieden,
Daß ich verloren bin!
ALFONSO für sich.
Ach, Gottes Zorn hat mich ereilt,
Gnade wird nimmer mir erteilt!
Ja, es ist nun entschieden,
Daß ich verloren bin!
LORENZO für sich.
Ach, Ereignis voll Schrecken!
Des Vaters Zorn er nicht enteilt,
Sollte dieser entdecken,
Wer des Sohnes Liebe teilt!
VOLKSCHOR zu den Soldaten.
Bleibt, habt Mitleid und verweilt,
Daß nicht Strafe sie ereilt!
SELVA UND SOLDATENCHOR.
Fort, fort, fort, fort, hier nicht verweilt,
Damit die Strafe sie ereilt!
Fort, fort, hier nicht verweilt!
ELVIRA für sich.
Glück und Ruh‘, Seelenfrieden
Sind dahin, nun dahin!
Ach, es ist ja entschieden,
Daß ich verloren bin!
ALFONSO für sich.
Ach, Gottes Zorn hat mich ereilt,
Gnade wird nimmer mir erteilt!
Ja, es ist entschieden,
Daß ich verloren bin!
LORENZO für sich.
Ach, Ereignis voll Schrecken!
Des Vaters Zorn er nicht enteilt,
Sollte dieser entdecken,
Wer des Sohnes Liebe teilt!
VOLKSCHOR zu den Soldaten.
Bleibt, habt Mitleid und verweilt,
Daß nicht Strafe sie ereilt! O bleibt!
SELVA UND SOLDATENCHOR.
Fort, fort, fort, fort, hier nicht verweilt,
Damit die Strafe sie ereilt!
LORENZO für sich.
Ereignis voller Schrecken!
SELVA UND SOLDATENCHOR.
Daß die Strafe sie ereilt, fort!
VOLKSCHOR wie vorher, wird heftiger.
Verweilt, habt Mitleid, Mitleid!

Die Ehrendamen bemühen sich um Elvira.

ELVIRA für sich.
Ruhe, Glück, Seelenfrieden,
Alles, alles ist hin!
ALFONSO für sich.
Erde verberge mich!
LORENZO für sich.
Ereignis voller Schrecken!
SELVA UND SOLDATENCHOR.
Sie ereilt gerechte Strafe!
VOLKSCHOR heftiger.
Verweilt, habt Mitleid, Mitleid!
ELVIRA für sich.
Ruhe, Glück, Seelenfrieden,
Alles, alles ist nun –
ALFONSO für sich.
Sie selbst erblicke ich!
ELVIRA wie vorher.
Ist nun für mich dahin,
Ach, alles ist nun für mich dahin!
Ereignis voll Schrecken,
Alles ist nun für mich dahin!
ALFONSO für sich.
Alles ist nun dahin!
LORENZO für sich.
O Ereignis voll Schrecken,
Allen, allen fürchterlich!
SELVA UND SOLDATENCHOR.
Nicht verweilet, Daß die Strafe sie ereilet!
Fort, nicht verweilt! Fort, nicht verweilt,
Daß die Strafe sie ereilt!
VOLKSCHOR heftiger.
Habet Mitleid und verweilt,
Damit nicht Strafe sie ereilt!

Selva drängt sich gewaltsam mit den Soldaten durch das aufgeregte Volk über die Mitteltreppe nach rechts.

Das Volk stürzt tumultuarisch nach.

Elvira sinkt in die Arme ihrer Ehrendamen.

Lorenzo und Alfonso eilen bestürzt zu ihr.

Zweiter Aufzug

Nr. 7. Chor der Fischer.

Der Vorhang hebt sich nach dem siebzehnten Takt.

Malerische Felsengegend zu Portici in der Nähe von Neapel.

Im Hintergrunde das Meer; ein leeres Boot liegt am Ufer; Boote auf dem Wasser, die ab- und zufahren. Rechts ein hoher Felsenabgang. Links ein niedriger Felsenabgang. Im Vordergrunde rechts und links Palmengruppen.

Anbrechender Morgen, leichte Röte, es wird langsam Tag.

Erster Auftritt.

Borella links vorn. Fischer, Fischerinnen, Kinder in Gruppen im Vordergrunde auf den Felsen gelagert; ab- und zugehend, sich gegenseitig begrüßend; in den Booten; den Fischern die Fische abnehmend, die sie ihnen aus den Booten reichen; Netze ausbessernd und auswerfend; Körbe mit Früchten vorübertragend; sich in stets frischen lebhaften Bewegungen mit Spielen ergötzend.

Buntes belebtes Volksbild.

CHOR DER FISCHER UND FISCHERINNEN.
Auf, Brüder, auf! Der Morgen grüßt die Erde,
Zur Arbeit auf und zum Gesang;
Der Frohsinn würzt uns jegliche Beschwerde
Mit Lust und Scherz und munterm Liederklang!
Frohsinn würzt, ja Frohsinn würzt uns jegliche Beschwerde,
Lust und Tanz mit Lust und Scherz und munterm Liederklang!

Die Morgenröte geht langsam in hellen Tag über.

Auf, Brüder, auf! Der Morgen grüßt die Erde,
Zur Arbeit auf und zum Gesang;
Der Frohsinn würzt uns jegliche Beschwerde
Mit Lust und Scherz und munterm Liederklang!

Fischerinnen geben ihren Männern die ausgebesserten Netze zurück.

Alle Sitzenden stehen auf.

Frauen und Knaben entfernen unauffällig die Körbe und Sitze.

Zwei Fischer fahren auf einem Boote ab nach links.

Viele entfernen sich in bewegten Gruppen nach rechts und links.

Andere richten ihre Aufmerksamkeit nach rechts, dem auftretenden Masaniello entgegen.

Masaniello kommt langsam und in sich gekehrt von rechts über den hohen Felsen.

Zweiter Auftritt.

Masaniello rechts, Borella zu seiner Linken. Fischer und Fischerinnen um beide herum.

EINIGE FISCHER untereinander.
Masaniello erscheint; was hat er auf dem Herzen?
So düstern Blicks?
BORELLA.
Der Knechtschaft Schmerzen!

Masaniello kommt nachdenklich vom Felsen herunter, seine Blicke suchen Pietro.

Recitativ.

BORELLA zu Masaniello.
Sei, unser Haupt, gegrüßt!
MASANIELLO aus seinen Träumereien erwachend.
Willkommen, Brüder, mir!

Die Männer drängen die Frauen zurück und scharen sich um Masaniello, ihn begrüßend.

BORELLA.
Komm, stimm‘ in unsre Lieder mit uns ein!
MASANIELLO für sich.
Wo Pietro doch nur bleibt?
BORELLA.
Nicht dieses finstere Schweigen;
Dein Gesang belebt unsern Mut,
Begeistert uns zum großen Unternehmen.
MASANIELLO.
Wohlan, so wiederhol‘ ich das alte Fischerlied,
Doch habt wohl acht auf seine Deutung!

Nr. 8. Barcarole.

Alle die sich nach rechts und links entfernt hatten, kehren lebhaft zurück.

MASANIELLO begrüßt während des Vorspiels die Umstehenden.
O seht, wie herrlich strahlt der Morgen,
Schickt, Brüder, euch zum Fischfang an;
Besteigt das Schifflein ohne Sorgen,
Wind und Wellen trotzt euer Kahn!
Doch Vorsicht braucht gewohnter Weise,
Ihr Fischer, habt acht!
Werft aus das Netz fein, still und leise,
Verfahrt mit Bedacht!
Dem Meertyrannen gilt die kühne Jagd!
MASANIELLO, BORELLA.
Ihr Fischer, habt acht,
Verfahrt mit Bedacht!
CHOR.
Doch Vorsicht braucht gewohnter Weise,
Ihr Fischer, habt acht!
Werft aus das Netz fein, still und leise,
Verfahrt mit Bedacht!
Dem Meertyrannen gilt die kühne Jagd!

Tanz in verschiedenen Gruppen.

Die beiden Fischer kommen auf ihrem Boote von links zurück, legen an und steigen aus.

Masaniello zieht einige Männer näher an sich heran.

Andere drängen die aufhorchenden Frauen zurück.

MASANIELLO vorsichtig, zuerst halblaut.
Bald wird der Freiheit Stunde schlagen,
Auf, lasset sie nicht unbenützt entfliehn;
Der Mut, er läßt uns alles wagen,
Doch die Vorsicht zügelt ihn!

Alle Männer umringen Masaniello und halten zugleich die Frauen zurück.

MASANIELLO.
Drum Vorsicht nach gewohnter Weise,
Ihr Fischer, habt acht,
Werft aus das Netz fein, still und leise,
Verfahrt mit Bedacht!
Dem Meertyrannen gilt die kühne Jagd!
MASANIELLO, BORELLA.
Ihr Fischer, habt acht,
Verfahrt mit Bedacht!
CHOR.
Drum Vorsicht nach gewohnter Weise,
Ihr Fischer, habt acht,
Werft aus das Netz fein, still und leise,
Verfahrt mit Bedacht!
Dem Meertyrannen gilt die kühne Jagd!
MASANIELLO bedeutsam.
Ihr Fischer, habt acht!
BORELLA ebenso.
Verfahrt mit Bedacht!
ALLE mit großer Geste.
Dem Meertyrannen gilt die kühne Jagd!

Tanz in verschiedenen Gruppen wie vorher.

Alle wenden sich lustig und guter Dinge nach allen Seiten hin zum Abgang.

Die Frauen entfernen sich zuerst.

Borella und die Männer geben abgehend Masaniello zu verstehen, daß sie den Sinn seines Liedes wohl erfaßt haben; sie gehen mit lebhaften Bewegungen hinter den Frauen her.

Die beiden Fischer steigen in ihr Boot und fahren ab nach links.

Der Platz wurde allmählich leer.

Pietro kommt eilig von rechts über den hohen Felsen.

Dritter Auftritt.

Pietro, Masaniello zu seiner Linken.

MASANIELLO sieht Pietro kommen.
Ha, Pietro kehrt zurück, was werde ich erfahren?
Noch ist mein Unglück jedem unbekannt,
Dem Busenfreunde nur durft‘ ich es anvertrauen!

Er geht Pietro, während sich die andern noch entfernen, entgegen und zieht ihn in den Vordergrund.

Sprich, erforschtest endlich du der Schwester Aufenthalt?
PIETRO.
Noch ist Fenellas Schicksal leider ein Geheimnis!
Überall suchte ich vergebens ihre Spur!
Gewiß ist sie geraubt!
MASANIELLO.
O Gott und sie zu retten
Vermag ihr Bruder nicht!

Mit zum Himmel gerichtetem Blick.

Allein es wird die Frevler
Die Strafe des Verbrechens sicherlich erreichen!
PIETRO.
Doch was willst du thun?
MASANIELLO nach augenblicklichem Nachsinnen ausbrechend.
Ha, mich rächen!

Nr. 9. Duett.

MASANIELLO.
Nur Mut allein vermag uns noch zu retten,
Schwer liegt auf uns das Joch der Tyrannei;
Abschütteln wir der Knechtschaft Ketten,
Wenn die Tyrannen fallen, sind wir frei,
Ja, dann erst sind wir frei! –

Mit energischer Aufforderung.

Du folgest mir?
PIETRO bekräftigend.
Mit dir zum heil'gen Streit?
Ich folge dir bis in den Tod!
MASANIELLO in begeisterter Zusicherung.
Zum Sieg! zum Siegeslohne!
PIETRO.
Wer sich der Freiheit edler Sache weiht –
MASANIELLO.
Den Helden schmückt die hehre Bürgerkrone!
PIETRO.
Ja, ja, ich folge dir bis in den Tod!
PIETRO UND MASANIELLO.
Viel lieber Tod, als ein schimpfliches Leben,
In Schmach, in Schmach und Sklaverei verbracht!
Weg mit dem Joch, vor dem wir erbeben,
Weg mit dem Fremdling, der unsres Jammers lacht!
Das teure Vaterland zu retten,
Sind wir bereit mit Kraft und Mut,
Ja, wir zerreißen seine Ketten
Und opfern freudig unser Blut!
Das Vaterland und heil'ge Rechte
Verteid'gen wir mit Löwenmut!

Masaniello wendet sich nach hinten.

PIETRO hält ihn auf, führt ihn zurück und wechselt mit ihm die Stellung.
Das Volk erliegt dem blut'gen Geschicke!
MASANIELLO.
Zur Rache ruft der Schwester Schmach und Leid!
PIETRO.
Sie opferte des Räubers freche Tücke!
MASANIELLO.
Ha, Fluch ihm! er ist dem Tod geweiht!
MASANIELLO UND PIETRO.
Viel lieber Tod, als ein schimpfliches Leben
In Schmach, in Schmach und Sklaverei verbracht!
Weg mit dem Joch, vor dem wir erbeben,
Weg mit dem Fremdling, der unsres Jammers lacht!

Sie reichen sich in höchster Begeisterung die Hände und wenden sich nach links vorn.

Das teure Vaterland zu retten,
Sind wir bereit mit Kraft und Mut,
Ja, wir zerreißen seine Ketten
Und opfern freudig unser Blut!
Das Vaterland und heil'ge Rechte
Verteid'gen wir mit Löwenmut!

Fenella wird verzweiflungsvoll während des Nachspiels auf dem hohen Felsen rechts sichtbar.

Vierter Auftritt.

Fenella auf dem Felsen rechts. Masaniello und Pietro links vorn.

Fenella richtet den starren Blick aufs Meer, dessen Tiefe sie zu ermessen scheint, um sich hinunter zu stürzen.

Masaniello wendet sich dem Felsen zu.

Nr. 10. Recitativ.

MASANIELLO.
Was seh‘ ich, Fenella, die Schwester kehrt zurück!

Fenella wendet sich um, erblickt ihren Bruder und eilt den Felsen herab.

MASANIELLO zu Pietro.
Der Himmel sendet sie, nicht umsonst war mein Flehn!

Fenella eilt auf Masaniello zu und liegt in seinen Armen.

MASANIELLO.
Noch wag‘ ich meinen Augen kaum zu trauen!
Bist du es selbst, die an die Brust ich drücke?
Welch feindliches Geschick entriß dich Teure mir?

Fenella deutet an, daß sie sich nur ihm allein entdecken wolle.

Masaniello nickt zustimmend, wendet sich an Pietro, flüstert ihm leise die Bitte zu, ihn mit seiner Schwester allein zu lassen.

Pietro schüttelt ihm zustimmend die Hand und geht mit einer bedeutsamen Gebärde ab nach rechts über den hohen Felsen.

Fünfter Auftritt.

Fenella, Masaniello zu ihrer Linken. Dann Borella und einige Fischer.

MASANIELLO erwartungsvoll.
Wohlan, wir sind allein!

Fenella drückt ihre Verzweiflung aus und gesteht ihm, daß es eben ihre Absicht gewesen sei, von dort oben herab in den Wellen ihr trauriges Dasein zu enden.

MASANIELLO entsetzt.
Dein Leben enden? O Gott!

Fenella wollte jedoch nicht eher sterben, bevor sie den geliebten Bruder noch einmal gesehen und seine Verzeihung erhalten habe.

MASANIELLO.
Dir verzeihn? Und warum?

Fenella deutet an, daß sie seiner Bruderliebe unwert sei; sie habe sich einem Treulosen hingegeben, sie schildert ihre Gewissensbisse.

MASANIELLO.
Ha, dem Verführer Fluch! Er fürchte meine Rache!

Fenella macht ihm begreiflich, daß der Meineidige ihr Gatte werden wollte, daß er es ihr im Angesicht des Himmels gelobt, und sie seinen Schwüren getraut habe.

MASANIELLO.
Und der Verräter? Wer ist es?

Fenella will ihn nicht näher bezeichnen, da sie ihn trotz seines Verbrechens noch immer liebe; jedoch um ihr Gatte werden zu können, sei er zu hohen Standes.

MASANIELLO.
Wes Standes er auch sei, sein Rang erlaubt ihm nicht,
Zu brechen seinen Eid!

Energisch.

Ich will den Schuldigen kennen!

Fenella deutet an, daß es ihm zu nichts nützen könne, es zu erfahren; für sie sei jede Hoffnung verschwunden, indem der Meineidige bereits mit einer andern verbunden sei; sie faßt flehend seine Hand.

Borella mit einem Ruder, und einige Fischer mit Fischen kommen von links hinten, als ob sie eben vom Fischfang kämen; sie legen die Fische im Hintergrunde nieder.

Einige andere Fischer kommen mit Netzen von rechts vor dem großen Felsen und wenden sich nach hinten zu den andern, mit ihnen beratend und sich unterhaltend.

MASANIELLO die ersten vier Worte mit gesprochenen Ausruf zu Fenella.
Du nennst ihn nicht?!

Fenella verneint und faßt seine Hand fester.

MASANIELLO sucht sich von ihr loszumachen, ringt mit ihr.
Nun wohlan! auch ohne dich werd‘ ich ihn entdecken!
Was auch das Ende dieses Tages sei,
Das Volk soll sich erheben zum Sturz der Tyrannei!
Vergebens sucht dein Flehn meinen Zorn zu entwaffnen
Und gegen deinen Willen ereile ihn die Rache.

Bei dem letzten Worte ist es ihm gelungen, sich von Fenella loszumachen; er stößt sie mit einer heftigen Bewegung von sich und eilt auf die Fischer im Hintergrunde zu.

Borella kommt ihm entgegen.

Masaniello bedeutet die Fischer und Borella, die Gefährten zusammen zu rufen.

Borella winkt nach links.

Ein Fischer eilt auf den großen Felsen rechts und winkt nach rechts.

Die andern Fischer geben Zeichen nach rechts und links.

Die Fischer strömen mit ihren Gerätschaften, wie sie eben von der Arbeit kamen, von allen Seiten herbei; sie scheinen zu fragen, um was es sich handelt und kommen auf den Zuruf Masaniellos, ihn umringend, nach vorn.

Sechster Auftritt.

Fenella rechts vorn. Masaniello in der Mitte, umringt von Borella und den Fischern.

Nr. 11. Finale.

MASANIELLO.
Herbei, die Stunde schlägt! ihr Brüder all herbei!
Auf, rüstet euch, es gilt den Sturz der Tyrannei!
Ist einer unter euch, der Kränkung nicht erlitten?
Doch mehr als alle ich! drum Freunde auf zur Rache!

Einige Frauen kommen neugierig von rechts und suchen behutsam an Fenella, die sie freudig begrüßen, heranzukommen.

Fenella drängt sie nach der Mitte des Hintergrundes.

FISCHERCHOR zu Masaniello.
Wir teilen deines Schmerzes wilde Wut,
Zum Tode dein im Kampf um Gut und Blut!
MASANIELLO UND BORELLA.
Brüder, auf, zur Rache, auf!
FISCHERCHOR.
Brüder, auf, zur Rache, auf!
MASANIELLO UND BORELLA.
Es fließe der Tyrannen Blut!
FISCHERCHOR.
Es fließe der Tyrannen Blut!

Andere Frauen kommen von rechts und links, gesellen sich zu denjenigen im Hintergrunde, sehen beobachtend auf ihre Männer, schrittweise behutsam näher kommend.

Fenella warnt Masaniello vor ihnen.

BORELLA UND FISCHERCHOR.
Wir teilen deines Schmerzes wilde Wut,
Zum Tode dein im Kampf um Gut und Blut!
MASANIELLO legt den Finger an den Mund, auf die immer näher heran kommenden Frauen blickend; halblaut.
Doch behutsam und in der Stille.

Er winkt die Genossen näher zu sich heran.

Laßt unsern Plan diesen ängstlichen Weibern
Jetzt ein Geheimnis noch sein,
Und um nicht Verdacht zu erregen:

Er giebt ein Zeichen.

Die Fischer treten auseinander.

Die Frauen mischen sich unter die Männer.

MASANIELLO.

Ohne Pause fortfahrend.

Singt lustig die Barcarole,
Genießet froh mit Heiterkeit
Das kurze Erdenleben,
Es eilet, es flieht die rasche Zeit!
BORELLA, FISCHER- UND FISCHERINNENCHOR.
Singt lustig die Barcarole,
Genießt den flücht'gen Augenblick!
Die Liebe flieht, die Zeit entschwindet,
Entführet unser Glück!
MASANIELLO, BORELLA, FISCHER- UND FISCHERINNENCHOR.
Singet, singet, singet die Barcarole!
Genießet den Augenblick, genießt den Augenblick!
FISCHERINNENCHOR.
Auf singet, singt die Barcarole! –
Ja, beflügelt ist der Augenblick! –
Singet, singet die Barcarole,
Beflügelt ist die Zeit, beflügelt ist der Augenblick!

Masaniello hat die Männer wieder um sich versammelt.

MASANIELLO, BORELLA, FISCHERCHOR.
Brüder auf, Rächer auf! Es fließ‘ des Frevlers Blut! –
BORELLA, FISCHERCHOR zu Masaniello.
Es sterbe der Tyrann! Er zahle mit dem Leben!
Zum Tode dein im Kampf um Gut und Blut!

Trommeln rechts, weit entfernt.

Pietro kommt eilig von rechts über den hohen Felsen.

Siebenter Auftritt.

Pietro rechts. Masaniello in der Mitte. Borella links. Fenella mit den Fischern und Fischerinnen um sie herum. Dann Soldaten.

Die Männer treten gespannt Pietro entgegen.

MASANIELLO zu Pietro.
Was bringst du, Freund?
PIETRO inmitten der Männer, halblaut.
Eine Anzahl von Soldaten nahet sich
Und vertritt nach Neapel uns den Weg!

Einige Fischer eilen auf die Felsen, um nach rechts zu beobachten.

Unruhe und lebhaftere Bewegung unter den Männern.

Fenella sammelt hinten am Ufer die Frauen um sich.

Trommeln rechts ganz entfernt, ein wenig näher kommend.

BORELLA.
Habt acht! Es drohn, ihr Brüder, uns Gefahren,
Schon kündet sie der Trommelwirbel an!

Er eilt beobachtend auf den Felsen rechts und kommt rasch von dort zurück.

BORELLA UND DIE MÄNNER.
Ja, ja, man hört der Trommel Wirbeln!
MASANIELLO.
Seid unbesorgt und singt, um sie zu täuschen,
Noch einmal unser Lied:
Singt lustig die Barcarole,
Genießet froh mit Heiterkeit
Das kurze Erdenleben,
Es eilet, es flieht die rasche Zeit!

Ein Offizier, zwei Trommler, sechs Mann Wachen kommen von rechts über den hohen Felsen und ziehen nach links vorüber.

PIETRO, FISCHER- UND FISCHERINNENCHOR, BORELLA.
Singt lustig die Barcarole,
Genießet froh mit Heiterkeit
Das kurze Erdenleben,
Es eilet, es flieht die rasche Zeit.
MASANIELLO, PIETRO, CHOR, BORELLA.
Singet, singet, singet die Barcarole!
Genießt den Augenblick, genießt den Augenblick!

Fenella drängt die Frauen wieder nach hinten.

MASANIELLO Borella und einen Teil der Männer nach links ziehend; heimlich.
In euren Netzen haltet eure Dolche versteckt!
PIETRO einen andern Teil der Männer nach rechts ziehend; ebenso.
In euren Körben versteckt eure Waffen!
MASANIELLO wie vorher.
Erhebet euch beim ersten Ruf der Rache,
Auf das erste Zeichen seid bereit!
PIETRO, FISCHERCHOR, BORELLA heimlich.
Zum Kampfe, zum Kampfe, beim ersten Ruf der Rache
Sind wir mit Gut und Blut bereit!
PIETRO, MASANIELLO UND BORELLA wie vorher.
Bei dem ersten Ruf –
FISCHERCHOR heimlich.
Bei dem ersten Ruf –
PIETRO, MASANIELLO UND BORELLA ebenso.
Ja, beim Ruf der Rache –
FISCHERCHOR heimlich.
Ja, beim Rufe der Rache sind wir bereit!

Im Eifer unwillkürlich lauter werdend.

Sind wir bereit zum blutigen Kampfe,
Zum Kampfe bereit!
PIETRO UND BORELLA heimlich.
Seid nur bereit, seid nur bereit!
Zum blutigen Kampf, zum Kampfe bereit!

Die Frauen kommen heiter nach vorn, fragend, warum die Männer sich absondern.

Einige Fischer beruhigen sie in freundlicher Weise.

MASANIELLO den Finger am Mund.
Doch nur behutsam!
PIETRO, BORELLA, FISCHERCHOR.
Zum Kampfe, zum Kampfe! beim ersten Ruf der Rache
Sind wir mit Gut und Blut bereit!
FRAUENCHOR.
Singt lustig die Barcarole,
Genießet froh mit Heiterkeit
Das kurze Erdenleben,
Es eilet, es flieht die rasche Zeit!
Singet, singt, singt lustig die Barcarole! –
MASANIELLO.
Brüder auf, Rächer auf, auf zum Kampfe, zum Streit!
Fort, fort zum Kampf! Ja, für Gut und für Blut!
Fort, fort zum Kampf um Gut und Blut!
Ja, zum Kampf um Gut und Blut!
PIETRO, BORELLA, FISCHERCHOR.
Brüder auf, Rächer auf, auf zum Kampfe, zum Streit!

Zu Masaniello.

Wir teilen deines Schmerzes Wut!
Ja, deines Schmerzes wilde Wut!
Zum Tode dein im Kampf
Um Gut und um Blut, und um Blut!
FRAUENCHOR.
Ja, genießt den flücht'gen Augenblick! –
Ach, die Liebe flieht – und die Zeit entschwindet –
Entführet unser Glück, entführet unser Glück!
Singet, singt, auf singt!
MASANIELLO, PIETRO, BORELLA.
Fort zum Kampf, fort zum Kampf! Brüder auf, Rächer auf!
Fließen soll Frevlers Blut, fließen soll Frevlers Blut!
Auf, auf zum Kampf um Gut und Blut!
FISCHERCHOR.
Brüder auf, auf zum Kampf!
Auf zum Kampf für Gut und Blut!
FRAUENCHOR.
Singet – singet – singet – singet,
Die Zeit entführt uns unser Glück!

Melodram.

Die Fischer und Fischerinnen nehmen ihre Geräte, Ruder, Netze, Fische, Körbe, entfernen sich auf Booten über den See, über die Felsen und nach allen Seiten hin.

Borella geht ab nach links.

Masaniello winkt Fenella zu sich heran, nimmt von ihr Abschied und empfiehlt sie der Fürsorge Pietros.

Pietro giebt überzeugende Versicherungen.

Fenella kniet nieder zum Gebet.

Alle Drei wenden sich dann nach hinten.

Pietro geleitet Fenella in das leere Boot, ergreift die Ruder und fährt mit ihr ab.

Masaniello besteigt den Felsen rechts und schaut den Abfahrenden zuwinkend nach.

Dritter Aufzug

Nr. 12. Duett.

Der Vorhang hebt sich nach dem zweiten Takte.

Kurzes Zimmer im viceköniglichen Palaste zu Neapel mit Mittel- und Seitenthüren. Kamin, Schränke, Tische, Stühle.

Es ist Tag.

Erster Auftritt.

Elvira, Alfonso zu ihrer Linken.

Elvira kommt von links.

ALFONSO folgt ihr erregt.
Du strebst umsonst zu fliehn, ich laß dich, Teure, nicht!
ELVIRA abwehrend.
Nein, von dir trennen Ehre mich und Pflicht! –
ALFONSO.
O höre mich, wolle vergeben,
Du bist ja mein fürs ganze Leben
Und könntest unerbittlich sein?
ELVIRA.
Nimmermehr kann ich dir vergeben,
Freudenlos ist jetzt mein Leben,
Ruhe find‘ ich im Grabe allein.
ALFONSO.
Was ich auch an dir verschuldet,
Fühlt kein Mitleid mehr dein Herz?
Hab‘ verzweiflungsvoll erduldet
Der Gewissensqualen Schmerz!
ELVIRA.
Muß dieser Schmerz mich nicht empören?
Als Meineid wird er Schmach für mich;
Doch sollst du keinen Vorwurf hören,
Ich flieh‘ –
ALFONSO.
Elvira!
ELVIRA.
Ich flieh‘! Verlaß auf ewig dich!
Ach, ich allein hab‘ diese Leiden
Geschaffen mir durch Zärtlichkeit,
Denn errötend fühl‘ ich beim Scheiden,
Daß getäuschte Liebe noch verzeiht!

Beiseite.

Ich allein hab‘ diese Leiden
Geschaffen mir durch Zärtlichkeit,
Denn errötend fühl‘ ich beim Scheiden,
Daß getäuschte Liebe noch verzeiht.
ALFONSO beiseite.
Ich allein hab‘ diese Leiden
Geschaffen mir durch Grausamkeit,
Ach, solch bittern Schmerz konnt‘ Liebe ihr bereiten?
Ja, dem Tode diese That mich weiht!

Sich wieder zu Elvira wendend.

Elvira, wenn Verrat ich übte,
Beging ich ihn allein für dich!
ELVIRA.
Kein Wort davon, verlasse mich,
Dein falsches Herz nur die Andre liebte!
ALFONSO.
Verzweiflung bringt das mahnende Gewissen,
Ach, gönne mir nur einen Blick.

Er wirft sich zu ihren Füßen.

ELVIRA.
Nein, alle Bande sind zerrissen!
ALFONSO.
Dahin ist deines Gatten Glück.
ELVIRA mehr und mehr von ihrem liebenden Gefühl überwältigt.
Ach, daß um ihn jetzt meine Thränen fließen!
ALFONSO.
O kehr‘ an seine Brust zurück!
ELVIRA.
Alfonso!
ALFONSO zückt den Dolch auf seine Brust.
Er stirbt, versagst du ihm dies Glück!
ELVIRA zärtlich auf ihn niederblickend.
Alfonso!
ALFONSO läßt den Dolch sinken, entzückt.
Elvira!
ELVIRA.
Ich verzeihe, mein schwaches Herz neigt sich zu dir.
ALFONSO.
Seligkeit empfängt mich aufs neue!
ELVIRA.
Süßer Hoffnungsstrahl, er lächelt mir!

Alfonso küßt Elviras Hand und erhebt sich.

Umarmung.

ELVIRA.
Kann ein Augenblick gestalten
Solche hohe Götterlust?
ALFONSO, ELVIRA.
Kann ein Augenblick gestalten
Solche hohe Götterlust?
Allmächt'ger, wolle mir erhalten
Diesen Himmel in der Brust!

Nr. 13. Recitativ.

ELVIRA.
Doch des bejammernswerten Mädchens
Geschick zu mildern, sei mir Pflicht;
Alfonso, gieb Befehl, daß sogleich
Zu mir, ihrer Fürstin, die Stumme man geleite.
ALFONSO.
Deinem Wunsche eilt ich zuvor.

Er tritt an ihr vorüber an die Seitenthür rechts und winkt.

Selva kommt salutierend von rechts.

Zweiter Auftritt.

Selva rechts. Alfonso in der Mitte. Elvira links.

ALFONSO zu Selva.
Versuche schnell die Flücht'ge, die gefangen du genommen,
Von neuem auszuspähn und führe sie hierher!

Selva eilt ab nach rechts.

Alfonso reicht Elvira die Hand und geleitet sie ab nach links.

Verwandlung.

Nr. 14. Marktchor.

Der Vorhang hebt sich nach dem vierundzwanzigsten Takte.

Dritter Auftritt.

Damen. Kavaliere. Neapolitanische Bürger mit ihren Frauen, Fischer undLandleute. Frauen und Facchinis Hausmeister. Junge Mädchen. Knaben. Kinder. Käufer und Verkäufer. Kapuziner. Tänzer und Tänzerinnen. Öffentlicher Schreiber. Charlatan. Lazzaronis. Polichinel. Pifferari. Diener.

Buntes Marktleben.

Die Verkäufer sitzen in ihren Buden.

Zwei Mädchen kommen nach links vorn zum öffentlichen Schreiber und lassen sich Liebesbriefe schreiben.

Eine Dame von ihrem Kavalier begleitet, kauft links Blumen ein.

Eine andere Dame kauft mit ihrem Diener auf der rechten Seite Orangen.

Ein Kapuziner ersteht am Fischkübel links einen Fisch.

Ein Bürger mit zugebundener Backe tritt zum Charlatan links hinten und klagt ihm sein Leid.

Der Charlatan empfiehlt ihm seine Heilmittel.

Der Maccaronikrämer rechts vorn winkt Kunden heran und weist auf seine Ware.

Die Käufer treten an die Buden, kaufen, feilschen, finden zu teuer und wenden sich ab.

Junge Mädchen mit Blumen und Fruchtkörben auf dem Kopfe winden sich durch die Menge und suchen zu verkaufen.

Fischer und Landleute sind mit ihren Gemüsen und Früchten beschäftigt.

Lazzaroni lungern herum und suchen einen Vorteil zu erhaschen, werden beschenkt und drücken ihre Freude aus.

Polichinel spielt vor einer lachenden Gruppe.

Charlatan preist vor einer andern Gruppe seine Kräutersäfte.

Pifferari Querpfeifer übt seine Kunst vor einigen Zuhörern.

Der öffentliche Schreiber wird von seinen Kunden besucht.

Die Menge wogt auf und nieder: Lachen, Scherzen, Leben und Bewegung.

ALLGEMEINER CHOR.
Zum Markt erscheinen seht uns heut‘,
Ihr lieben Käufer, seid bereit!
Die Blumen seht, die süße Frucht,
Limonen, Trauben, ausgesucht!
Orangen, feine, von Meta,
Rosolio, Wein von Somma!
O kaufet schnell, was sich hier beut,
Ihr lieben Käufer, seid bereit!
Orangen, feine, von Meta,
Rosolio, Wein von Somma!
O kaufet, kauft, was sich hier beut,
Ihr lieben Käufer, seid bereit!
Herbei, herbei, wer kauft?
Herbei, herbei, kauft schöne Blumen ein!
Wer kauft, herbei, herbei!
Wohlfeil kauft schöne Blumen / gute Weine / frische Fische ein!
Herbei, herbei, wer kauft wohlfeil?
Herbei, kauft schöne Blumen / gute Weine / frische Fische ein!
Herbei, herbei, wer kauft, herbei, herbei!
Wer kauft hier Blumen / Weine / Fische ein?
Ich werde billig sein, ich werde billig sein!
Zu mir, herbei, kauft ein, herbei!
Zu mir, herbei, bei mir kauft ein!
EIN FISCHER.
Herbei, ihr Käufer, kauft, kauft, kauft
Vom Fischer von Mysene!
EIN ORANGENVERKÄUFER.
Orangen, feine, von Meta,
Rosolio, Wein von Somma!
DER MACCARONIVERKÄUFER.
Maccroni, superfein, ihr Leute!
Kauft, ihr Leute, kauft von mir!
EINE BLUMENVERKÄUFERIN.
Der Vicekönig kauft von mir!
EINE ANDERE BLUMENVERKÄUFERIN.
Hier schöne Bouquets à la Reine!
ALLGEMEINER CHOR.
Zum Markt erscheinen seht uns heut‘,
Ihr lieben Käufer, seid bereit!
Die Blumen seht, die süße Frucht,
Limonen, Trauben, ausgesucht!
O kaufet schnell, was hier sich beut,
Ihr lieben Käufer, seid bereit!
Herbei, kauft schöne Blumen ein,
Ich werde, ich werde recht billig sein!
Ich werde sehr billig sein!

Es wird auf die Seite gestellt und gerückt, was zur Tarantella im Wege steht.

Die Blumen seht, die süße Frucht!
Herbei, herbei, eilt zu mir!
Orangen, feine, von Meta!
Rosolio, Wein von Somma!
Herbei, herbei, ja, zu mir!
Ich werde billig sein,
Kauft, kauft hier ein,
Ich werde billig sein!

Der Mittelraum ist frei.

Fenella kommt mit Pietro von links hinten und nimmt rechts vorn Platz.

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Fenella. Pietro.

Die Tänzer und Tänzerinnen sammeln sich zum Tanz.

Applaus.

Die Frauen stehen zuschauend in Gruppen rechts und links vorn.

Die Männer und Pietro versammeln sich, mit Ausnahme der Verkäufer in den Buden, im Hintergrunde.

Es beginnt dunkler zu werden.

Leiser Donner.

Nr. 15. Tarantella.

Zum Schluß der Tarantella tanzt alles mit.

Die Tänzer und Tänzerinnen entfernen sich nach rechts.

Die Frauen von rechts und links ziehen sich teilweise in die Mitte.

Fenella erhebt sich und steht unter den Frauen rechts.

Die Männer und Pietro haben sich nach rechts und links hinten entfernt; nur wenige sind noch im Hintergrunde sichtbar.

Selva wird von rechts sichtbar.

Fünfter Auftritt.

Die Vorigen ohne Pietro und die Tänzerpaare. Fenella. Selva.

Selva bewegt sich zuerst einige Schritte im Hintergrunde und wendet sich dann durch die Frauen nach links vorn.

Fenella erblickt Selva und betrachtet ihn zuerst mit gespannter Neugier; als sie ihn jedoch erkennt, fährt sie entsetzt zurück und sucht ihm ihr Antlitz zu verbergen.

Selva sieht nach rechts und erblickt Fenella.

Nr. 16. Scene und Chor.

SELVA fährt freudig auf.
Nein, ich irre mich nicht!
Ja, sie ist es!

Er macht sich nach rechts hinten Bahn durch die Frauen, um die Wache zu rufen.

Die Männer im Hintergrunde erkennen, daß etwas Wichtiges vorgeht und entfernen sich alle nach links, um Masaniello herbei zu holen.

Fenella flüchtet, wenn Selva zurücktritt, unter die Frauen auf der linken Seite und fleht um Schutz.

SELVA rufend und winkend.
Soldaten, kommt!

Ein Offizier kommt mit vier Mann Wache von rechts hinten; sie nehmen an der rechten Seite Aufstellung.

Sechster Auftritt.

Offizier. Vier Mann Wache. Selva. Fenella. Frauen.

Die Frauen drängen sich, Fenella zum Schutz, zwischen diese und Selva, ihn am Vordringen hindernd.

SELVA Fenella zurufend.
Du folgst mir ohne Widerstreben!

Selva und die Wachen ringen mit den Frauen.

FRAUENCHOR klagend.
O Gott! Gefangen, wie?
Sie fort zu führen! Was that sie denn?
SELVA wie vorher.
Ha, nicht Zeit ist zu verlieren!

Er will Fenella ergreifen.

Fenella entflieht auf die rechte Seite.

Die Frauen folgen, um sie zu schützen.

Die vier Wachen nehmen die linke Seite.

FRAUENCHOR klagend.
Soll diese Tyrannei denn noch länger hier bestehn?
Wer rettet sie, hört unser Flehn!
SELVA wie vorher.
Kein Widerstreben, sonst ist's um euch geschehn!
FRAUENCHOR wie vorher.
Wer rettet sie?
Wer rettet sie, hört unser Flehn!

Selva ist es endlich gelungen, Fenella den Frauen zu entwinden.

Fenella sträubt sich mit erliegender Kraft.

Die Frauen leisten den letzten Widerstand.

Die Wachen suchen die Bahn frei zu machen.

Masaniello, Pietro, Borella und sechs Fischer eilen Schutz bringend gleichzeitig von links hinten herbei.

Siebenter Auftritt.

Die Vorigen. Masaniello. Pietro. Borella. Fischer. Dann ein Offizier mit Soldaten.

Masaniello stürzt auf Selva zu und entreißt ihm Fenella.

Selva zieht seinen Degen.

Stärkerer Donner.

MASANIELLO.
Wohin mit ihr?
SELVA verächtlich.
Was kümmert's dich!
MASANIELLO sich empor richtend.
Ich bin ihr Bruder!
SELVA gebieterisch ihn abwehrend.
Kein Wort! Dein König sendet mich!
MASANIELLO.

Einen Dolch aus seinem Gürtel reißend.

Ha, wagt es, sie hinweg zu führen!
SELVA nach seinen Wachen hin gewendet.
Entreißet ihm den Stahl, den der freche Bube zückt!

Er will mit dem Degen auf Masaniello eindringen.

Masaniello kommt ihm zuvor und durchbohrt ihn.

Die Wachen dringen gegen Masaniello vor.

Pietro, Borella und die Fischer überwinden und entwaffnen sie und drängen sie vom Platze hinweg.

Selva wird von einigen Fischern nach rechts vorn abgeschleppt.

Tumult.

Masaniello eilt nach dem Hintergrunde und winkt nach rechts und links.

Die Fischer die sich zurückgezogen hatten, eilen von allen Seiten herbei.

MASANIELLO mit höchster Kraft.
Zur Rache, Brüder, auf! Der Augenblick ist da!

Die Fischer eilen nach den Körben und Netzen, um die dort verborgen gehaltenen Waffen herbei zu holen; die Waffen- und Wachsfackelnbuden werden gestürmt, ihres Inhaltes beraubt und später die Fackeln angezündet.

Die Frauen unterstützen ihre Männer dabei.

ALLGEMEINER CHOR nach vorn stürzend.
Auf, Brüder, auf zur Rache! Erzittre Tyrannei!
Zur Rache! Fackeln her!

Langsame Abendröte, es wird dunkler.

Hinweg, Tyrannenknechte! Erbebe, Tyrannei!
Wir siegen im Gefechte! Neapel werde frei!

Donnerrollen.

Fort, fort, zum Kampf, zum Streit!

Sie wollen abstürmen.

Der Donner endet.

MASANIELLO hält sie zurück.
Laßt zuvor von dem Höchsten uns Gnade erflehen,
Werfet euch vor ihm in den Staub!
Gott mag richten und seine Macht
Schreite im Kampfe vor uns einher!

Volle Abendröte.

Alle knieen, legen die Waffen nieder.

Nr. 17. Gebet.

CHOR.
Himmlischer Vater, schenk‘ uns dein Erbarmen!
Sei unsern Kindern ein Helfer in der Not!
Lenker der Schlachten, Schutz und Hort der Armen,
Laß uns erkennen dein heilig Machtgebot!

Die Abendröte verliert sich, es wird dunkel.

Für Sklaverei, Tod und Gefahr,
Herr, väterlich du uns bewahr‘!

Große Pause.

Kurzer scharfer Trommelwirbel.

Kleine Pause.

Wirbeln der Trommeln und Sturmläuten.

Alle ergreifen ihre Waffen und stehen begeistert auf.

Masaniello wird eine Axt gereicht.

Nr. 18. Finale.

ALLGEMEINER CHOR.
Auf, Brüder, auf zur Rache! Erzittre, Tyrannei!
Zur Rache! Fackeln her!

Es werden die Fackeln entzündet.

Einige eilen mit Fackeln davon.

ALLGEMEINER CHOR.
Hinweg, Tyrannenknechte! Erbebe, Tyrannei!
Wir siegen im Gefechte! Neapel werde frei!

Die Stadt fängt auf verschiedenen Punkten zu brennen an, Feuerschein steigt am Nachthimmel empor.

ALLGEMEINER CHOR.
Fort, fort, zum Kampf, zum Streit!
Zum Kampfe! Zur Rache! Fackeln her! Zur Rache!
Fackeln her! Neapel werde frei, ja, frei!

Ein Offizier mit einer Abteilung Soldaten erscheint im Hintergrunde von rechts.

Masaniello stürzt an der Spitze der aufständischen Fischer ihnen entgegen.

Die Soldaten werden hinweggedrängt.

Frauen und Kinder eilen flüchtend vorüber.

Andere Frauen bringen in ihren Schürzen Steine herbei und schleudern sie auf die Soldaten.

Kampfgetümmel, in welchem das Volk Sieger bleibt.

Vierter Aufzug

Nr. 19. Recitativ und Arie.

Der Vorhang hebt sich im sechsten Takte.

Masaniellos Wohnung zu Portici im Innern einer Felsenhöhle.

Der Hintergrund ist mit einem vorhangartigen Segeltuch verhangen, welches aufgezogen werden kann und dann den Ausblick auf Neapel eröffnet. Rechts eine Thür ins Innere. Links der Eingang von der Straße; etwas mehr zurück eine Felsennische mit einem Madonnenbild. Zur Rechten eine Lagerstätte. Zur Linken ein einfacher Holztisch mit Stühlen.

Es ist Tag.

Erster Auftritt.

Masaniello allein.

MASANIELLO kommt erregt mit seiner Axt von links durch den Eingang von der Straße, legt die Axt auf den Tisch links.
Wofür hab‘ ich alles gewagt?
Das Leben eingesetzt im Kampf für Menschenrechte?
Nie zagte ich, wenn Menschenglück es galt!
Alles ekelt mich an, mein Herz empöret sich!
Ach, mit dem Schuld'gen muß leiden der Gerechte!
O Gott, hast du mich auserwählt,
Das blut'ge Werk hier zu vollbringen?
Wie kann's dem Schwachen noch gelingen,
O Gott, ist nicht sein Herz gestählt,
Daß gegen Mitleid er kann ringen.
Was, o Gott, du beschlossen, nimm, o nimm's zurück!
Und vermag ich es nicht, die Grausamen zu rühren,
Mach‘ ihnen ähnlich mich, und unempfindlich auch;
Oder mildre ihres Zornes Wut! –
Doch zittert noch mein Herz vor dieser wilden Schar!
Der Vicekönig, dem sie Tod geschworen,
Ist noch in dem Kastell, glaubt sich in Sicherheit,
Wir nehmen es im Sturm, um unser Werk zu krönen.

Fenella kommt erschöpft von links durch den Eingang von der Straße.

Zweiter Auftritt.

Masaniello, Fenella zu seiner Linken.

MASANIELLO.
Was seh‘ ich! Fenella! Wie so blaß und verstört!

Sich zu ihr wendend.

Deine Schmach haben wir, liebe Schwester, gerächt!
Doch sprich, was quält dein armes Herz?

Fenella schildert ihm die Verwüstungen in Neapel.

MASANIELLO.
Ach, umsonst suchte ich diese Greul zu verhindern!

Fenella erklärt ihm die Unthaten in der Stadt, Plünderung, Brand und Mord.

MASANIELLO.
Ja, das Feuer verzehrt die Hütte, den Palast!
Nicht geschont werden Weiber und Kinder
Und grausam ermorden sich Brüder.
Ja, Frevel ist des Frevlers Lohn!
Doch weißt du wohl, mein Wille war es nicht.
Komm an mein Herz, vertraue, Schwester, mir!

Fenella bedeutet ihm, daß sie der Müdigkeit nicht länger widerstehen könne.

MASANIELLO.
Gieb dich zur Ruh‘!

Er geleitet sie nach der Lagerstätte rechts.

Fenella legt sich nieder.

MASANIELLO.
Ermattet sinkst du nieder!
O ruhe sanft, dein Bruder wacht für dich!

Fenella schläft nach und nach ein.

Nr. 20. Kavatine.

MASANIELLO neben der Lagerstätte.
O senke, süßer Schlaf, dich nieder,
Schließ‘ ihre müden Augenlider,
Und gieße Balsam in ihr wundes Herz.
Bring‘ vor ihre Seele heitre Bilder,
Dann fließen ihre Thränen milder
Und seine Kraft verliert der Schmerz;
Dann fließen milder ihre Thränen
Und seine Kraft verliert der Schmerz!
Ein sanfter Schlummer stillt ihr Leiden
Und labet sie mit sanften Freuden.
Bring‘ vor ihre Seele heitre Bilder,
Dann fließen ihre Thränen milder
Und seine Kraft verliert der Schmerz.
Dann fließen milder ihre Thränen
Und seine Kraft verliert der Schmerz.

Er horcht auf und tritt weg.

Nr. 21. Scene und Chor.

MASANIELLO.
Doch man kommt!

Er geht nach der Thür links und öffnet sie.

Pietro ist's!

Pietro, Borella und zwölf verschworene Fischer kommen von links.

Dritter Auftritt.

Fenella schlafend auf der Lagerstätte. Masaniello rechts. Pietro in der Mitte. Borella links. Die Verschworenen zurückstehend.

MASANIELLO zeigt bei ihrem Eintreten, den Finger am Mund, auf die schlafende Schwester und winkt Mäßigung; stets halblaut.
Was führt euch her zu mir?
PIETRO stets halblaut.
Die Brüder alle senden uns zu dir.
MASANIELLO nimmt zwischen Pietro und Borella die Mitte.
Was ist des Volkes Wille?
PIETRO.
Alle dürsten nach Rache! – Neapel frei! – Neapel frei,
Laß uns vollenden, laß blutig enden die Tyrannei!
MASANIELLO in Beziehung auf Fenella.
O seid ruhig! – Welch ein Wahnsinn
Bewaffnet euren Arm zu neuem Greul und Mord?
PIETRO.
Des Vicekönigs Sohn fand Rettung in der Flucht,
Das allgemeine Wohl verlanget seinen Tod!
Man sah hierher ihn fliehn, wir setzten schnell ihm nach.

Fenella die unbemerkt erwachte, drückt ihre Seelenangst aus.

MASANIELLO.
Genügt es euch denn nicht, zu verjagen den Feind?
Müßt ihr ihn auch noch morden?
PIETRO.
Er zahle mit dem Leben!
MASANIELLO.
Laßt euch durch meine Bitte rühren,
Laßt euch durch Mitleid bewegen!
PIETRO, BORELLA UND DIE VERSCHWORENEN.
Neapel frei!
Laß uns vollenden, laß blutig enden die Tyrannei!
MASANIELLO gebieterisch.
Jetzt schweigt und hört mich an;
Blut darf nicht ferner fließen,
Bezähmet endlich eure Wut!
Ja, bei Gott, ich will den Greul
Des blinden Wahnsinns enden!
PIETRO.
Umsonst gebietest du des Volks gerechter Wut.
Du sinnst Verrat!
BORELLA UND DIE VERSCHWORENEN.
Du sinnst Verrat!
PIETRO lauter werdend.
Du sinnst Verrat!
BORELLA UND DIE VERSCHWORENEN ebenso.
Du sinnst Verrat!

Masaniello erinnert sich seiner schlafenden Schwester und zeigt nach ihr hin.

Fenella die alles gespannt, ihre Angst ausdrückend, anhörte, stellt sich in diesem Augenblick tiefschlafend.

MASANIELLO leise.
Sprecht nicht so laut,
Sie schläft!
PIETRO tritt nahe an die Lagerstätte heran, leise.
Sanft ist ihr Schlummer.
MASANIELLO leise.
Sie könnte leicht uns hören!
PIETRO zeigt nach rechts, leise.
Wohlan, hinein, dort wird sie uns nicht stören!
PIETRO, BORELLA UND DIE VERSCHWORENEN.
Dort wird sie uns nicht stören!
MASANIELLO.
Laßt euch durch meine Bitte rühren,
Laßt euch durch Mitleid bewegen!
PIETRO, BORELLA UND DIE VERSCHWORENEN.
Neapel frei!
Laß uns vollenden, laß blutig enden die Tyrannei!

Masaniello, Pietro, Borella und die Verschworenen gehen ab nach rechts.

Masaniello geht zuletzt, nachdem er vorher noch einen besorgter Blick auf Fenella gerichtet hat.

Vierter Auftritt.

Fenella allein.

Fenella hat alles mit angehört, erhebt sich rasch, Schauder ergreif sie; von heftigen Gefühlen bestürmt, gedenkt sie der Gefahr, welch Alfonso bedroht, seiner Liebe, seiner Untreue.

Pochen an der Thür links.

Fenella erschrickt, ist unschlüssig, ob sie öffnen soll.

Wiederholtes Pochen.

Fenella öffnet, erkennt Alfonso und eilt, ihr Gesicht verbergend, auf die rechte Seite.

Alfonso kommt mit gezogenem Degen, in Begleitung der verschleierten Elvira, beide in Mäntel gehüllt, von links.

Fünfter Auftritt.

Fenella rechts vorn. Alfonso in der Mitte. Elvira links.

ALFONSO sich im Eintreten ahnungslos an die abgewendete Fenella wendend.
O nimm uns freundlich auf, habe Mitleid, Erbarmen!
Entreiße uns dem sichern Tod!

Fenella wendet sich und blickt Alfonso an.

ALFONSO einige Schritte zurücktretend.
Gott! Fenella! Fenella in dieser Hütte!
Nun ist mein Los in ihrer Hand!

Fenella richtet die Blicke auf Elvira, eilt, die Mitte nehmend, auf sie zu, öffnet ihren Mantel, reißt ihr den Schleier weg und stürzt in höchster Erbitterung von ihr; sie scheint zu sagen: »Diese zogst du mir vor und willst, daß ich ihrer schone?«.

ELVIRA.
Fenella, ach, rette den Gemahl!

Fenella vermag sich, ihrer Eifersucht nachgebend, nicht zu bemeistern; sie giebt zu erkennen, daß sie Alfonso gerettet haben würde, wenn sie nicht ihre Nebenbuhlerin verderben müsse; dann eilt sie an Alfonso vorüber nach der Thür rechts, die versammelten Fischer herbeizurufen.

Elvira eilt Fenella nach, faßt ihre Hand und umschlingt die Zürnende.

Alfonso tritt auf die linke Ecke.

ELVIRA.
Was sinnest du? Ach, du willst uns verraten?

Fenella reißt sich leidenschaftlich los.

ELVIRA umfängt sie abermals.
Stoß uns nicht zurück, es fleht dich deine Herrin
Um eine Freistatt an, sieh mich in Todesangst!

Fenella kämpft mit Rache und Mitleid, tritt endlich zwischen Elvira und Alfonso und bleibt unentschlossen stehen.

Nr. 22. Kavatine.

ELVIRA faßt knieend wiederholt Fenellas Hand.
In deine Hand gegeben
Seh‘ ich sein teures Leben;
Von Gefahren rings umgeben,
Laß uns nicht untergehn!

Fenella wird durch Elviras Flehen gerührt; erstaunt, sie so schön zu finden, zieht sie ihre Hand hastig zurück.

ELVIRA.
Ich bot in deines Grames Leiden
Des Trostes milde Labung dir,
Zum Lohn willst du mir Tod bereiten!
Fenella, so vergiltst du mir?
Du flohst in meine Schwesterarme,
Ich weinte Thränen deinem Harme,
Ich schirmte dich vor Schmach und Ketten,
Du willst die Retterin nicht retten?
In deine Hand gegeben
Seh‘ ich sein teures Leben;
Von Gefahren rings umgeben,
Laß uns nicht untergehn.
Ich bot in deines Grames Leiden
Des Trostes milde Labung dir,
Zum Lohn willst du mir Tod bereiten!
Fenella, so vergiltst du mir!

Fenella vermag sich ihrer Rührung nicht länger zu bemeistern, sie drängt die Flehenden nur noch schwach zurück und kehrt sich ab, um ihre Thränen zu verbergen.

ELVIRA steht auf; inniger, dringender.
O kannst du mir vergeben,
Du siehst mich bang erbeben,
Ich flehe um mein Leben,
Spende Rettung, Rettung mir!

Sie sinkt Fenella nochmals zu Füßen.

Fenella kann ihrer Bitte nicht weiter widerstreben; in schmerzlichster Selbstüberwindung hebt sie Elvira auf, faßt beider Hände und leistet den Schwur, sie zu retten, oder mit ihnen zu sterben.

Masaniello kommt von rechts.

Sechster Auftritt.

Masaniello und Fenella rechts. Elvira und Alfonso links.

Fenella geht an Elvira vorüber ihm entgegen.

Nr. 23. Recitativ, Quartett und Chor.

MASANIELLO.
Fremde hier in meiner Hütte?
Wen sucht ihr hier?

Fenella giebt ihrem Bruder zu verstehen, daß es Verbannte sind die eine Freistatt suchen und denen sie ihren Beistand zugesagt.

ALFONSO zu Masaniello.
In dieser blut'gen Schreckensnacht
Dem Tode kaum entflohn,
Verfolget uns der Feind;
O rette uns! Erhöre unsre Bitte!
MASANIELLO.
Es hat an diese niedre Hütte
Ein Unglücklicher noch nie vergebens angeklopft.
Wes Blutes es auch sei,
Das eure Waffen rötet,
Ich nehm‘ euch freundlich auf,
Und besser als dein Schwert
Schützt das Gastrecht dich vor der Gefahr!

Fenella drückt ihre Freude aus: »Fürchtet nichts, ihr seid gerettet, denn mein Bruder bürgt für eure Sicherheit«.

Pietro, Borella und die zwölf verschworenen Fischer kommen von rechts zurück.

Siebenter Auftritt.

Die Vorigen. Pietro. Borella. Die Fischer.

PIETRO zu Masaniello.
Von dem Volke umringt,
In feierlichem Schritte
Naht Neapels hoher Rat
Mit den goldnen Schlüsseln der Stadt
In Ehrfurcht deiner Fischerhütte.

Er sieht Alfonso.

O Himmel, seh‘ ich recht! Des Vicekönigs Sohn!
MASANIELLO.
Pietro, sprichst du wahr?
PIETRO.
Er ist es, glaube mir!

Die Verschworenen ziehen die Dolche und stürzen auf Alfonso zu.

Alfonso erwartet sie mit dem Degen in der Hand.

Fenella eilt mit erhobenen Händen zwischen die Parteien.

Alle stehen unbeweglich.

MASANIELLO für sich.
Welch feindliches Geschicke
Bringt ihn vor meine Blicke!
Es wallt mein rasches Blut.
PIETRO für sich.
Ja, es ruft der Rache Stimme!
Ich folge meinem Grimme,
Ja, fließen muß sein Blut.
MASANIELLO für sich.
Nun wär‘ des Buben Leben
In meine Hand gegeben,
Kaum halt‘ ich mich vor Wut!
PIETRO für sich.
Ich laß ihn nicht von hinnen!
Nein, nimmer soll entrinnen
Er meines Zornes Wut!
MASANIELLO für sich.
Welch feindliches Geschicke
Bringt ihn vor meine Blicke,
Es wallt mein rasches Blut!
ELVIRA UND ALFONSO für sich.
Wird alles mir genommen,
So mög‘ nur er / sie entkommen,
Nur er / sie der frechen Räuberbrut!
PIETRO für sich.
Ja, es ruft der Rache Stimme,
Wir folgen ihrem Grimme!
MASANIELLO für sich.
Doch ich will mich nicht rächen,
Meinen Schwur nicht brechen!
BORELLA UND DIE VERSCHWORENEN unter sich.
Ja, es ruft der Rache Stimme,
Wir folgen ihrem Grimme!

Fenella fleht wechselsweise die Verschworenen an und beschwör ihren Bruder, die Fremden zu retten.

ELVIRA zu Alfonso.
Drohn sie auch meinem Leben,
Gern will ich hin es geben,
Sterb‘ ich mit dir, mein Freund!
ALFONSO für sich.
Aber schonen sie ihr Leben,
Will ich trotzen ihrer Wut!
MASANIELLO für sich.
Ja, ich schütz‘ ihn vor ihrer Wut!
PIETRO für sich.
Ja, fließen muß sein Blut!

Fenella eilt zu dem Madonnenbilde links hinten und wirft sich dort betend und hilfeflehend nieder.

MASANIELLO für sich.
Doch will ich mich nicht rächen,
Meinen Schwur nicht brechen!
ALLE VERSCHWORENEN.
Ja, es ruft der Rache Stimme,
Wir folgen ihrem Grimme!
ELVIRA zu Alfonso.
Drohn sie auch meinem Leben,
Gern will ich hin es geben,
Sterb‘ ich mit dir, mein Freund!
ALFONSO für sich.
Aber schonen sie ihr Leben,
Will ich trotzen ihrer Wut!
MASANIELLO für sich.
Ja, ich schütz‘ ihn vor ihrer Wut!
PIETRO für sich.
Ja, fließen muß sein Blut!

Nr. 24. Finale mit Chor und Ballett.

PIETRO UND DIE VERSCHWORENEN mit Kraft.
Denk‘, was du uns versprachst!
Es fließe nun sein Blut!
Ja, der Himmel selbst
Giebt ihn in unsre Macht!
Es fließe nun sein Blut!
ALFONSO.
Barbaren, mordet mich!
Hier will ich untergehn!
Doch nicht ergeb‘ ich mich;
Laßt uns den Kampf bestehn!
Ich lache eurer Wut!
Ich lache eurer Wut! Heran!

Er setzt sich zur Wehre.

Die Verschworenen stürzen auf Alfonso zu und zücken ihre Dolche auf seine Brust.

Fenella erhebt sich, eilt abwehrend in ihre Mitte und zu ihrem Bruder, dem sie auszudrücken sucht: »Hilflos, ohne Zuflucht bat er dich um deinen Schutz; du gelobtest deine Hilfe, nahmst den Verirrten gastlich auf und hast geschworen; wie könntest du ihn opfern und diesen Boden mit seinem Blute färben lassen«.

MASANIELLO zu Fenella.
Nein, sein Vertraun auf mich
Soll nicht betrogen werden!

Zu Alfonso.

Ich denke noch an meinen Schwur
Und besser als dein Schwert,
Schützt das Gastrecht dich vor der Gefahr!

Zu den Verschworenen.

Wag‘ keiner, ihm zu nahn!
PIETRO UND DIE VERSCHWORENEN.
Deinen Schwur haben wir
Und verlangen sein Blut!

Lebhafteste Bewegung.

MASANIELLO.
Wer macht euch so vermessen!
Gehorcht und schweigt!
PIETRO UND DIE VERSCHWORENEN.
Deinen Schwur haben wir
Und verlangen sein Blut!
Tyrann, o fürchte unsern Zorn!
MASANIELLO.
Ich bin Tyrann, um zu verzeihen!

Zu Pietro.

Magst du dem Tode Opfer weihn!

Zu Alfonso und Elvira.

Brecht auf und fürchtet nichts!

Er zieht Borella zu sich heran; heimlich.

Du besteige meinen Kahn!
Führe sie nach Castelnuovo!
Ich zähl‘ auf dich, du bürgst für beide mir!
Dein Kopf bürgt mir für sie!

Borella macht eine zustimmende Bewegung, eilt nach der Thür links und öffnet sie.

DIE VERSCHWORENEN.
Verräter, ungeahndet bleibt das nicht!

Alfonso, Elvira, Borella eilen ab nach links.

Achter Auftritt.

Die Vorigen ohne Alfonso, Elvira und Borella. Dann zwölf Tänzerinnen.

Die Verschworenen stürzen mit erhobenen Dolchen den Abeilenden nach.

MASANIELLO ergreift blitzschnell seine Axt von dem Tische links und stellt sich den Wütenden entgegen.
Wer wagt es, mir zu drohn?! –

Energievoll.

Von der Schwelle weicht zurück,
Oder Gott soll mich verdammen:
Ihr seid tot im Augenblick!
PIETRO UND DIE VERSCHWORENEN weichen eingeschüchtert zurück; halblaut.
So, Brüder, wechselt nur Tyrannenjoch!

Sie ziehen sich nach rechts vorn.

Der Segeltuchvorhang im Hintergrunde öffnet sich zum Ausblick auf Neapel.

Masaniello legt die Axt auf den Tisch links zurück.

Zwölf Tänzerinnen kommen mit Tamburins und grünen Zweigen von links hinter dem Vorhang; sie laden Masaniello ein, die Ratsdeputation zu empfangen, dann eilen sie ab nach links hinten, woher der

Kleiner Deputationszug kommt.

Die zwölf Tänzerinnen; zwei Kavaliere; vier Pagen mit Kissen, worauf die goldenen Schlüssel der Stadt, Ehrenkette, Schwert, Hermelinmantel und Krone; vier Ratsdiener mit Stäben; der Bürgermeister; vier Ratsherren.

Das Volk kommt gleichzeitig von rechts und links hinten herbei.

Neunter Auftritt.

Masaniello. Fenella. Verschworene. Zwölf Tänzerinnen. Zwei Kavaliere. Vier Pagen. Vier Ratsdiener. Der Bürgermeister. Vier Ratsherren. Volk.

Der Deputationszug nimmt zurückstehend Aufstellung.

Masaniello tritt dem Zuge entgegen.

Das Volk ehrt Masaniello mit Hüte- und Tücherschwenken.

ALLGEMEINER CHOR.
Geehrt, gepriesen
Sei der Held, den Ruhm bekränzt!
Frieden gab uns der Sieger,
Von Edelmut umglänzt!
PIETRO UND DIE VERSCHWORENEN.
Noch heute soll der Stolze büßen,
Ich schwör's, obgleich ihn Ruhm bekränzt;
Der feindliche Stahl trifft den Sieger,
Wenn auch Hoheit ihn jetzt umglänzt.

Bürgermeister bietet Masaniello die Schlüssel der Stadt; sodann die Krone.

Masaniello weist die Krone zurück.

Bürgermeister bietet ihm hierauf den Hermelinmantel.

Masaniello läßt sich den Mantel mit Hilfe der Kavaliere anlegen.

Zweige-, Hüte- und Tücherschwenken.

ALLGEMEINER CHOR.
Geehrt, gepriesen
Sei unser Held, den Ruhm bekränzt!
Gepriesen sei unser Held!
PIETRO UND DIE VERSCHWORENEN.
Noch heute soll der Stolze büßen,
Ich schwör's, obgleich ihn Ruhm bekränzt!
MASANIELLO tritt aus der Gruppe heraus, nach vorn.
Lebwohl, geliebte Hütte,
Von dir muß ich nun scheiden!
Ich kehr‘ vielleicht nie mehr zurück!
Zufriedenheit war hier,
Vielleicht find‘ ich nur Leid!
Mir lacht vielleicht nie mehr das Glück!

Bürgermeister giebt Masaniello ein ehrfurchtsvolles Zeichen, ihm zu folgen, und geht ab nach links hinter den Vorhang.

Die vier Ratsherren, die vier Pagen, Masaniello und Fenella, die zwei Kavaliere, die vier Ratsdiener, die zwölf Tänzerinnen folgen dem Bürgermeister.

Zehnter Auftritt.

Die verschworenen Fischer zurückstehend auf der rechten Seite. Das Volk im Hintergrunde.

CHOR DES VOLKES.
Geehrt, gepriesen sei der Held!
Frieden gab uns der Sieger,
Von Edelmut umglänzt!
PIETRO UND DIE VERSCHWORENEN.
Noch heute soll der Stolze büßen,
Ich schwör's, obgleich ihn Ruhm bekränzt;
Ja, ich schwör's, ich schwör's, heute noch!

Großer Masaniello-Zug von links hinter dem Vorhang.

Knaben und Mädchen mit grünen Zweigen; zwei Fischer als Herolde mit blumenumwundenen Stäben; zehn Musiker mit ihren Instrumenten; Knaben und Mädchen mit kleinen Rudern; die zwölf Tänzerinnen mit Tamburins und grünen Zweigen; ein Steuermann und sechs Matrosen mit guirlandenumwundenen Rudern; zwei Ratsdiener mit Stäben; der Bürgermeister; vier Ratsherren; Neapolitanerinnen mit grünen Zweigen; sechs Masaniello-Pagen; vier Kavaliere; Masaniello zu Pferde, am Zügel geführt von Fenella; ein Offizier, ein Fahnenträger, zwölf Mann Wachen; Volk.

Elfter Auftritt.

Die Vorigen. Der Masaniello-Zug.

Die Musiker setzen die Instrumente an und spielen.

Der Zug umzieht den Raum und entfernt sich nach links hinter dem Vorhang.

Fenella sieht mit besorgten Blicken auf Pietro.

Die Tänzerinnen umtanzen, das Volk umjubelt ihn.

Wehen mit Zweigen, Tüchern, Hüten, Rudern, Stäben, Fahnen.

ALLGEMEINER CHOR.
Geehrt, gepriesen
Sei der Held, den Ruhm bekränzt!
Frieden gab uns der Sieger,
Von Edelmut umglänzt!
Gepriesen sei der Held!
PIETRO UND DIE VERSCHWORENEN.
Noch heute soll der Stolze büßen,
Ich schwör's, noch heut‘ soll er uns büßen!
Der Feindesstahl trifft den Sieger,
Wenn ihn auch Hoheit jetzt umglänzt,
Ihn trifft der Stahl!
Den Tyrannen treffe der Stahl!
Noch heute treff‘ ihn der Stahl!

Pietro und die Verschworenen drohen mit gezückten Dolchen hinter dem verschwindenden Zuge her und stürmen dann ab durch die Seitenthür links.

Fünfter Aufzug

Nr. 25. Barcarole mit Chor.

Der Vorhang hebt sich im zwölften Takte.

Offene Vorhalle im Palaste des Vicekönigs zu Neapel mit einer breiten Terrasse, die nach dem Meere führt; Mittelstufen nach vorn. Im Hintergrunde der Vesuv. Rechts eine steinerne Treppe ins Innere. Links ein Tisch und drei Stühle mit goldenen Geschirren und Bechern besetzt. Waffen, Lanzen und Schwerter stehen auf Gestellen und liegen umher.

Abenddämmerung.

Erster Auftritt.

Pietro. Moreno. Verschworene. Pagen. Junge Mädchen. Musikanten. Fischer.

Pietro eine Guitarre in der Hand, sitzt auf der Ecke des Tisches links, von Moreno und den zwölf Verschworenen umgeben.

Pagen kredenzen ihm und seinen Genossen den Wein.

Junge Mädchen tanzen in der Mitte der Halle.

Musikanten die auf der Terrasse hinten stehen, begleiten sie.

Fischer und Fischerinnen stehen und liegen gruppenweise, trinkend und singend.

Das Ganze bildet die Folge eines Bacchanals, welches das siegestrunkene Volk feiert.

Tanz.

PIETRO zur Guitarre singend.
Seht von des Ufers hohem Rande,
Seht das leichte Schifflein dort auf sturmbewegtem Meer;
Vergebens steuert's nach dem Strande,
Dem armen Fischer bleibt nun keine Hoffnung mehr!
Doch seht, Madonna naht, es schweigt des Windes Brausen,
Die heil'ge Mutter war uns Gnadenschild und Hort!
Aus des Sturmes wildem Grausen
Die Barke kehret heim zum Port!
CHOR.
Nun, so trinket, auf trinket, wir sind nun im Port!
PIETRO.
Ja, ja, die Barke ist im Port!

Abendröte.

MORENO pietro zur Linken, leise.
Freund, hast du uns befreit von des Tyrannen Ketten?
PIETRO nach rechts zeigend, leise.
Schon ward von meiner Hand ihm des Verrates Lohn!
Ein schnelles Gift verzehrt ihn schon,
Nichts kann vom Tode ihn erretten!

Er steht auf.

Es dräut die Nacht Gefahr am Strande,
Der Meere Geisel naht, den Schrecken im Geleit!
Piraten, freche Räuberbande,
Schon lauert ihr auf Raub, die Ketten sind bereit!
Doch seht, Madonna naht, es schweigt des Sturmes Brausen,
Die heil'ge Mutter war uns Gnadenschild und Hort!
Aus des Sturmes wildem Grausen
Die Barke kehret heim zum Port!
CHOR.
Nun, so trinket, auf trinket, wir sind nun im Port!
PIETRO.
Ja, ja, die Barke ist im Port!

Er legt die Guitarre auf den Tisch links.

Tanz.

Die Abendröte verliert sich.

Die Verschworenen treten vor den Tisch.

Die Pagen entfernen unauffällig den Tisch und die Stühle nach links.

Leises Donnerrollen.

Die Musikanten gehen auf der Terrasse ab nach rechts.

Die Pagen entfernen sich über die steinerne Treppe nach rechts.

Borella kommt in großer Aufregung von links über die Terrasse.

Zweiter Auftritt.

Pietro rechts. Borella in der Mitte. Moreno links. Die Verschworenen und Fischer zurückstehend um sie herum. Die Frauen sammeln sich im Hintergrunde. Dann Pagen und Diener.

Nr. 26. Finale.

Alle Sitzenden stehen auf.

PIETRO.
Habet acht! Borella kommt! –

Borella kommt vor.

PIETRO.
Du scheinst vor Angst zu beben, Borella, sprich!
BORELLA.
Waffnet euch! Uns allen droht Gefahr!
Alfonso naht mit auserles'ner Kriegerschar
In lautem Jubelschalle dem Palast!

Schwacher Donner.

PIETRO niedergeschlagen.
Verloren!
BORELLA.
Der Himmel selbst entnervt des Volkes kühnen Mut,
Mit dem Tyrannen scheint auch die Natur verschworen:
In dumpfem Brüllen tobt des Flammenberges Wut,
Wir sind, so ahnet mir, dem Untergang erkoren!

Donnerrollen.

CHOR in Bewegung hin und her.
Des Himmels Strafe will uns dem Verderben weihn!
Masaniello, Masaniello allein vermag es abzuwenden!
Masaniello, er vermag's, er allein!

Sie wollen ab nach rechts.

Der Donner endet.

BORELLA hält sie zurück.
Masaniello? Baut nicht auf ihn!

Es wird dunkler.

CHOR.
O Gott! so mußt‘ er schon sein Leben enden?
BORELLA.
Nein, er lebt, noch lebet er; doch unserm Flehen taub,
Ward plötzlich er des düsteren Wahnsinns Raub!
PIETRO.
Ihn hat der Herr gestraft!
BORELLA.
Bald sinkt er bebend nieder
Und wähnt auf Leichen sich und Trümmern und in Blut,
Bald singt er muntre Fischerlieder,
Wähnt fröhlich sich am Bord auf ebner Flut!
CHOR drohend zu Pietro.
Du Verräter Pietro zahlest uns mit dem Leben!
PIETRO.
Der Himmel wird ihn uns und dem Volke wiedergeben!

Lärm rechts außerhalb.

Pagen und Diener kommen, einige mit Fackeln, in Hast und Schrecken rückwärts blickend, über die steinerne Treppe rechts und eilen ab nach links.

BORELLA.
Ha, er kommt! –
PIETRO.
Er kommt! Er kommt!

Masaniello dessen ungeordnete Kleidung, Mienen, Blicke und Bewegungen seine Geisteszerrüttung andeuten, kommt im nachschleifenden Purpurmantel, mit einem Armleuchter in der Hand, von rechts über die steinerne Treppe.

Dritter Auftritt.

Pietro rechts. Masaniello in der Mitte. Borella links. Die Fischer und Moreno um sie herum. Die Frauen zurückstehend.

MASANIELLO mit starker Stimme, verwirrt.
Gefährten, auf zur Rache! Jetzt zeiget euren Mut!
Zur Rache! Fackeln her! Zur Rache! Fackeln her!
Bringt Waffen! Fackeln her! Zur Rache! Fackeln her!
Zum Streite! Waffen her!

Er sinkt in Pietros Arme.

PIETRO.
Ermanne dich!
MASANIELLO rafft sich auf.
Still, still! – Verfahrt mit Bedacht!
Werft aus das Netz fein still und leise!
PIETRO.
Komm doch zu dir!
MASANIELLO.
Stille, still! – Verfahrt mit Bedacht!
Werft aus das Netz fein still und leise -!
MORENO UND CHOR unterbrechen Masaniello stürmisch.
Fort, fort, zum Kampf!
Führ‘, o Held, uns an! Masaniello! Masaniello!
Masaniello! Masaniello! Schütz‘ uns, o Held!
Masaniello! Ja, es grünen Lorbeern dir! Fort, fort!
PIETRO.
Masaniello! – Du siehst das bange Volk erbeben!
Die Feindesscharen nahn, beschütze unser Leben!
Schütz uns, o Held! Es grünen, ja, es grünen Lorbeern dir! –
Fort, fort!
BORELLA.
Masaniello! Schirme unser Leben, schütz‘ uns, o Held!
Es grünen, es grünen Lorbeern dir! Fort, fort!
MASANIELLO.
Ja, fort, fort!
PIETRO, BORELLA, MORENO UND CHOR.
Ja, es grünen Lorbeern dir! Hinaus! Fort, fort!
MASANIELLO.
Fort, fort! Hinaus!
Fort, fort! Hinaus! Fort, fort! Fort, fort!

Der Vesuv im Hintergrunde beginnt mit leisem Rollen durch Dampfwolken eine leichte Röte zu zeigen.

MASANIELLO wendet sich mit seinen letzten Worten nach hinten, hält in seinem Wahne das erste Aufflammen des Vesuvs für das Morgenrot.
O seht, wie herrlich strahlt der Morgen,
Ihr Freunde, kommt, versammelt euch um mich!
ALLE sehen sich betroffen an.
Vergiß den Traum! Dein Schattenglück!
MASANIELLO in seinem Wahne fortfahrend.
Und lasset uns ein Liedchen singen!
Ja, singet, es eilt und flieht die rasche Zeit!

Links entfernte Flintenschüsse.

ALLE dringen auf ihn ein.
Verderben, Tod uns erwartet!
Verderben, Tod ist uns bereitet!

Wachsende Bewegung.

MASANIELLO energisch.
Dem Meertyrannen gilt die kühne Jagd!
ALLE wie vorher.
Masaniello!
Verderben, Tod ist uns bereitet!

Sie wenden sich kampfbereit nach hinten, treffen mit Fenella zusammen.

Fenella kommt in fliegender Hast von links über die Terrasse.

Donnerrollen und einzelne Schläge.

Das Gewehrfeuer links etwas näher.

Vierter Auftritt.

Die Vorigen. Fenella zwischen Pietro und Masaniello.

Fenella sucht unter den Fischern nach ihrem Bruder.

Alle in fragenden Bewegungen, dann in größter Spannung.

Fenella eilt auf Masaniello zu, ohne seine Geistesabwesenheit zu bemerken, und giebt ihm zu verstehen, daß des Vicekönigs Truppen mit fliegenden Fahnen und klingendem Spiel herannahen, daß die Empörer ihre Waffen weggeworfen und knieend um ihr Leben gebeten, die Feinde aber geschworen haben, daß keiner dem Tode entrinnen soll.

Die Männer bewaffnen sich mit Lanzen und Schwertern, die auf den Gestellen stehen und umherliegen.

PIETRO.
Siehst du nicht, Schmach und Tod bringt dem Volk ihre Macht!
BORELLA, MORENO UND DIE ÜBRIGEN.
Siehst du nicht, Schmach und Tod bringt dem Volk ihre Macht!
ALLE Masaniello aufstachelnd.
Masaniello! Masaniello!

Fenella wird jetzt erst den Zustand des Bruders gewahr und drückt weinend ihre Besorgnis darüber aus.

MASANIELLO.
Fenella, du?! O sprich! Wem fließen deine Thränen?
PIETRO.
Der Tyrannei! Dies Wort ermanne dich zum Streit!
MASANIELLO.
Was hör‘ ich?
PIETRO.
Freund, sie nahen!
MASANIELLO.
Wer naht?
PIETRO.
Die Tyrannen!
CHOR.
Ha, sie nahn!
MASANIELLO.
Die Tyrannen? – Gebt mir Waffen!

Ein Fischer reicht ihm eine Axt.

PIETRO, BORELLA, MORENO UND CHOR.
Zum Kampf! Er führet uns zum Sieg!
Die Zwietracht weiche! Auf, zum Kampf! Zum Streite!
Er führet uns zum Sieg! Er führet uns zum Sieg!
Zum Kampfe! Zum Kampf! Er führet uns zum Sieg!
Die Zwietracht weiche! Auf, zum Kampfe! Zum Kampf!
Er führet uns zum Sieg! Die Zwietracht weiche!
Fort zum Kampfe! Er führet uns zum Sieg!
Er führet uns, er führet uns, er führet uns,
Ja, uns zum Sieg! Zum Kampfe! Zum Kampfe! Zum Kampfe!

Alle stürmen mit hochgehobenen Lanzen, mit gezogenen Schwertern und emporgehaltenen Dolchen nach hinten.

Die Frauen eilen ab über die Terrasse nach rechts.

Die Männer stürzen in fliegender Hast über die Terrasse ab nach links.

Masaniello hält Borella zurück und bedeutet ihn, über Fenella zu wachen; dann eilt er mit erhobener Axt den Männern nach.

Halbdämmerung.

Donner.

Fünfter Auftritt.

Borella im Hintergrunde. Fenella vorn.

Borella schaut besorgten Blickes auf Fenella und richtet hin und wieder seine gespannte Aufmerksamkeit nach links hinten.

Fenellas Blicke folgen eine Zeitlang ihrem Bruder, dann kommt sie wieder in den Vordergrund und fleht den Himmel an, ihn zu beschützen; dies sei ihr einziger Wunsch, denn für sie selbst sei alles dahin; ihr Auge fällt auf Alfonsos Schärpe; sie will sich ihrer entledigen, vermag es aber nicht, und sie bedeckt dieselbe mit Küssen; sie hört Geräusch und verbirgt die Schärpe.

Es wird allmählich völlig Nacht.

Kampflärm links entfernt.

Eine schwache Röte im Palast zeigt an, daß er in Brand gerät.

Elvira kommt blaß und verstört mit zwei Hofdamen und einem Pagen von rechts über die Terrasse.

Sechster Auftritt.

Elvira, Fenella zu ihrer Linken.Die Hofdamen, der Page und Borella zurückstehend. Dann Frauen.

Borella tritt auf die Terrasse und beobachtet wie vorher nach links.

Fenella eilt Elvira entgegen und scheint sie zu fragen: »Wie? Allein? Woher?«.

ELVIRA.
Du Ärmste hier? Sieh bange mich erbeben!
Schon rast der Flamme Wut, o fliehe diesen Ort!

Starker Donner.

Links entferntes Gewehrfeuer.

Fenella deutet an, sie habe nichts mehr zu verlieren und wolle bleiben.

Frauen sammeln sich von rechts her im Hintergrunde, blicken besorgt und gespannt nach links.

Einige fallen auf die Kniee und beten.

ELVIRA.
Du hörst das Wutgebrüll! Ha, wie schnauben sie nach Mord!
Schon sah ich über mir den Todesengel schweben,
Doch er erschien! Des Edlen Herrscherwort,
Dein Bruder war's, ihm dank‘ ich dieses Leben!
BORELLA kommt vor, zwischen Elvira und Fenella.
Masaniello schon dort?
So siegte er, der Held! Gnädig ist uns der Himmel!
Man naht! – Er kehrt zurück! – Was hör‘ ich? –

Er wendet sich nach links hinten.

Welch Getümmel?
Ha, wen seh‘ ich? Alfonso!

Er tritt vor, Fenella zur Linken.

Der Kampflärm hat aufgehört.

Alfonso kommt von links über die Terrasse.

Zwei Offiziere mit je acht Mann Soldaten folgen ihm und nehmen im Hintergrunde Aufstellung.

Siebenter Auftritt.

Elvira. Alfonso. Fenella. Borella. Zwei Offiziere mit ihren Soldaten. Zwei Hofdamen. Ein Page. Frauen. Dann die Fischer.

Fenella eilt Alfonso entgegen, ihn fragend: »Was aus Masaniello geworden?«.

Starker Donner.

Der Brand im Palast nimmt merkbar zu.

Der eine Offizier marschiert mit acht Soldaten ab nach rechts.

Der Donner endet.

Die Fischer sammeln sich unbewaffnet von allen Seiten im Hintergrunde und besprechen sich über die Schrecken des Tages.

ALFONSO zu Fenella.
Ach, dein Bruder ist dahin – doch er starb den Heldentod!
Noch raste wild der Kampf, dem Volke er gebot,
Elviren mild sich zu erbarmen;
Es schirmte sie des Tapfern hoher Edelmut,
Sie sah gerettet sich, doch dieser Tiger Wut –
BORELLA.
Er war des Volkes Abgott!
ALFONSO.
Um sein Opfer zu werden!

Fenella hat Alfonso in fliegender Erwartung angehört und sinkt jetzt fast bewußtlos in Borellas Arme.

ALFONSO.
Ach, nicht retten konnt‘ ich ihn,
Doch rächen seinen Tod! Die Frevler mußten weichen,
Und meiner Tapfern Schwert wußte sie zu erreichen!
Der Edle erlag! Masaniello ist nicht mehr,
Und die feigen Horden fliehn!

Er tritt zu Elvira und umschlingt sie.

Fenella erblickt Alfonso an Elviras Seite; sie richtet sich aus Borellas Armen auf, nimmt zwischen Elvira und Alfonso die Mitte, legt mit einem letzten Blick voll Wehmut und Zärtlichkeit auf Alfonso beider Hände ineinander und stürzt dann nach der Treppe im Hintergrunde.

Alfonso und Elvira kehren sich überrascht um, Fenella zu verhindern, etwas Schreckhaftes zu thun.

Fenella eilt auf die Terrasse, verweilt einen Augenblick, ins Meer hinunterschauend, löst ihre Schärpe, schleudert sie nach Alfonso zurück und stürzt sich, mit einem schmerzlichen Blick zum Himmel, in den Abgrund.

Starker Donner, nachrollend mit Donnerschlag.

Voller Ausbruch des Vesuvs.

Die Flammen finden ihren Wiederschein im Meere bis zur Halle.

Entferntes Gewehrfeuer.

Einschlag.

Donnerrollen bis zu Ende.

Alle in höchster Bestürzung und größtem Entsetzen.

Das Volk fällt auf die Kniee.

Der zweite Offizier marschiert mit seinen acht Soldaten ab nach rechts.

SCHLUßCHOR.
Vater, habe Erbarmen!
Mein Gott, wolle uns verzeihn!
Laß den Tod dieser Armen
Das Sühnungsopfer sein!

Ende.