Richard Wagner
Die Meistersinger von Nürnberg
Libretto von Richard Wagner
Uraufführung: 21.06.1868, Königliches Hof- und Nationaltheater, München
Personen
Hans Sachs, Schuster,
Veit Pogner, Goldschmied,
Kunz Vogelgesang, Kürschner,
Konrad Nachtigall, Spengler,
Sixtus Beckmesser, Schreiber,
Fritz Kothner, Bäcker,
Balthasar Zorn, Zinngießer,
Ulrich Eisslinger, Würzkrämer,
Augustin Moser, Schneider,
Hermann Ortel, Seifensieder,
Hans Schwarz, Strumpfwirker,
Hans Foltz, Kupferschmied, Meistersinger
Walther von Stolzing, ein junger Ritter aus Franken
David, Sachsens Lehrbube
Eva, Pogners Tochter
Magdalene, Evas Amme
Ein Nachtwächter
Meistersinger. Bürger und Frauen aller Zünfte. Gesellen. Lehrbuben. Mädchen. Volk
Nürnberg
Um die Mitte des 16. Jahrhunderts
Erster Aufzug
Erste Szene
Die Bühne stellt das Innere der Katharinenkirche in schrägem Durchschnitt dar; von dem Hauptschiff, welches links ab, dem Hintergrunde zu, sich ausdehnend anzunehmen ist, sind nur noch die letzten Reihen der Kirchenstuhlbänke sichtbar: Den Vordergrund nimmt der freie Raum vor dem Chor ein; dieser wird später durch einen schwarzen Vorhang gegen das Schiff zu gänzlich geschlossen.
In der letzten Reihe der Kirchstühle sitzen Eva und Magdalene; Walther von Stolzing steht, in einiger Entfernung, zur Seite an eine Säule gelehnt, die Blicke auf Eva heftend, die sich mit stummem Gebärdenspiel wiederholt zu ihm umkehrt.
DIE GEMEINDE.
Da zu dir der Heiland kam,
Walther drückt durch Gebärde eine schmachtende Frage an Eva aus.
willig deine Tauf nahm,
Evas Blick und Gebärde sucht zu antworten; doch beschämt schlägt Sie das Auge wieder nieder.
weihte sich dem Opfertod,
Walther zärtlich, dann dringender.
gab er uns des Heils Gebot:
Eva: Walther schüchtern abweisend, aber schnell wieder seelenvoll zu ihm aufblickend.
daß wir durch sein‘ Tauf uns weihn,
Walther entzückt; höchste Beteuerungen; Hoffnung.
seines Opfers wert zu sein.
Eva selig lächelnd; – dann beschämt die Augen senkend. Walther dringend – aber schnell sich unterbrechend.
Edler Täufer!
Christs Vorläufer!
Walther nimmt die dringende Gebärde wieder auf, mildert sie aber sogleich wieder, um dadurch sanft um eine Unterredung zu bitten.
Nimm uns gnädig an,
dort am Fluß Jordan!
Die Gemeinde erhebt sich. Alles wendet sich dem Ausgange zu und verläßt unter dem Nachspiele allmählich die Kirche. – Walther heftet in höchster Spannung seinen Blick auf Eva, welche ihren Sitz langsam verläßt und, von Magdalene gefolgt, langsam in seine Nähe kommt. Da Walther Eva sich nähern sieht, drängt er sich gewaltsam, durch die Kirchgänger durch, zu ihr.
WALTHER.
Verweilt! – Ein Wort – ein einzig Wort!
Eva sich schnell zu Magdalene umwendend.
Mein Brusttuch … schau! Wohl liegt’s im Ort.
MAGDALENE.
Vergeßlich Kind! Nun heißt es: such!
Sie geht nach den Kirchstühlen zurück.
WALTHER.
Fräulein! Verzeiht der Sitte Bruch!
Eines zu wissen, Eines zu fragen,
was müßt ich nicht zu brechen wagen?
Ob Leben oder Tod? Ob Segen oder Fluch?
Mit einem Worte sei mir’s vertraut: –
mein Fräulein, – sagt …
MAGDALENE wieder zurückkommend.
Hier ist das Tuch.
EVA.
O weh! Die Spange?
MAGDALENE.
Fiel sie wohl ab?
Sie geht abermals suchend nach hinten.
WALTHER.
Ob Licht und Lust, oder Nacht und Tod?
Ob ich erfahr, wonach ich verlange,
ob ich vernehme, wovor mir graut: –
Mein Fräulein – sagt …
MAGDALENE wieder zurückkommend.
Da ist auch die Spange.
Komm, Kind! Nun hast du Spang und Tuch …
O weh, da vergaß ich selbst mein Buch!
Sie geht nochmals eilig nach hinten.
WALTHER.
Dies eine Wort, Ihr sagt mir’s nicht?
Die Silbe, die mein Urteil spricht?
Ja oder nein! – ein flücht’ger Laut:
mein Fräulein, sagt –
Entschlossen und hastig.
seid Ihr schon Braut?
MAGDALENE die wieder zurückgekehrt ist und sich vor Walther verneigt.
Sieh da! Herr Ritter?
Wie sind wir hochgeehrt:
mit Evchens Schutze
habt Ihr Euch gar beschwert!
Darf den Besuch des Helden
ich Meister Pogner melden?
WALTHER leidenschaftlich.
O, betrat ich doch nie sein Haus!
MAGDALENE.
Ei! Junker, was sagt Ihr da aus?
In Nürnberg eben nur angekommen,
wart Ihr nicht freundlich aufgenommen?
Was Küch und Keller, Schrein und Schrank
Euch bot, verdient es keinen Dank?
EVA.
Gut, Lenchen, ach! das meint er ja nicht;
doch von mir wohl wünscht er Bericht, –
wie sag ich’s schnell? Versteh ich’s doch kaum!
Mir ist, als wär ich gar wie im Traum! –
er frägt, – ob ich schon Braut?
MAGDALENE heftig erschrocken.
Hilf Gott! Sprich nicht so laut!
Jetzt laß uns nach Hause gehn; –
wenn uns die Leut hier sehn!
WALTHER.
Nicht eh’r, bis ich Alles weiß!
EVA zu Magdalene.
’s ist leer, die Leut sind fort.
MAGDALENE.
Drum eben wird mir heiß!
Herr Ritter, an andrem Ort!
David tritt aus der Sakristei ein und macht sich daran, die schwarzen Vorhänge zu schließen.
WALTHER dringend.
Nein! Erst dies Wort!
EVA bittend zu Magdalene.
Dies Wort!
MAGDALENE die sich bereits umgewendet, erblickt David und hält an; zärtlich für sich.
David? Ei! David hier?
Sie wendet sich wieder zurück und zu Walther.
EVA zu Magdalene.
Was sag ich? Sag du’s mir!
MAGDALENE zerstreut, öfter nach David sich umsehend.
Herr Ritter, was Ihr die Jungfer fragt,
das ist so leichtlich nicht gesagt.
Fürwahr ist Evchen Pogner Braut -,
EVA lebhaft unterbrechend.
Doch hat noch keiner den Bräut’gam erschaut!
MAGDALENE.
Den Bräut’gam wohl noch niemand kennt,
bis morgen ihn das Gericht ernennt,
das dem Meistersinger erteilt den Preis …
EVA enthusiastisch.
Und selbst die Braut ihm reicht das Reis.
WALTHER verwundert.
Dem Meistersinger?
EVA bang.
Seid Ihr das nicht?
WALTHER.
Ein Werbgesang?
MAGDALENE.
Vor Wettgericht.
WALTHER.
Den Preis gewinnt?
MAGDALENE.
Wen die Meister meinen.
WALTHER.
Die Braut dann wählt? …
EVA sich vergessend.
Euch – oder keinen!
Walther wendet sich, in großer Erregung auf und ab gehend, zur Seite.
MAGDALENE sehr erschrocken.
Was, Evchen! Evchen! Bist du von Sinnen?
EVA.
Gut‘ Lene, laß mich den Ritter gewinnen!
MAGDALENE.
Sahst ihn doch gestern zum ersten Mal?
EVA.
Das eben schuf mir so schnelle Qual,
daß ich schon längst ihn im Bilde sah!
Sag, trat er nicht ganz wie David nah?
MAGDALENE höchst verwundert.
Bist du toll! Wie David?
EVA.
Wie David im Bild.
MAGDALENE.
Ach! – meinst du den König mit der Harfen
und langem Bart in der Meister Schild?
EVA.
Nein! Der, des Kiesel den Goliath warfen,
das Schwert im Gurt, die Schleuder zur Hand,
das Haupt von lichten Locken umstrahlt,
wie ihn uns Meister Dürer gemalt!
MAGDALENE laut seufzend.
Ach, David! David!
DAVID der hinausgegangen und jetzt wieder zurückkommt, ein Lineal im Gürtel und ein großes Stück weißer Kreide an einer Schnur schwenkend.
Da bin ich: wer ruft?
MAGDALENE.
Ach, David! Was Ihr für Unglück schuft!
Beiseite.
Der liebe Schelm! Wüßt er’s noch nicht?
Laut.
Ei, seht, da hat er uns gar verschlossen?
DAVID zärtlich.
Ins Herz Euch allein!
MAGDALENE feurig.
Das treue Gesicht! –
Ei, sagt! Was treibt Ihr hier für Possen?
DAVID.
Behüt es! Possen? Gar ernste Ding:
für die Meister hier richt ich den Ring.
MAGDALENE.
Wie? Gäb es ein Singen?
DAVID.
Nur Freiung heut:
der Lehrling wird da losgesprochen,
der nichts wider die Tabulatur verbrochen:
Meister wird, wen die Prob nicht reut.
MAGDALENE.
Da wär der Ritter ja am rechten Ort! –
Jetzt, Evchen, komm! Wir müssen fort!
WALTHER schnell zu den Frauen sich wendend.
Zu Meister Pogner laßt mich euch geleiten!
MAGDALENE.
Erwartet den hier, er ist bald da.
Wollt Ihr Evchens Hand erstreiten,
rückt Zeit und Ort das Glück Euch nah. –
Zwei Lehrbuben kommen dazu und tragen Bänke herbei.
Jetzt eilig von hinnen!
WALTHER.
Was soll ich beginnen?
MAGDALENE.
Laßt David Euch lehren
die Freiung begehren. –
Davidchen! Hör, mein lieber Gesell:
den Ritter hier bewahr mir wohl zur Stell!
Was Fein’s aus der Küch
bewahr ich für dich,
und morgen begehr du noch dreister,
wird hier der Junker heut Meister.
Sie drängt Eva zum Fortgehen.
EVA zu Walther.
Seh ich Euch wieder?
WALTHER sehr feurig.
Heut abend gewiß!
Was ich will wagen,
wie könnt ich’s sagen?
Neu ist mein Herz, neu mein Sinn,
neu ist mir Alles, was ich beginn.
Eines nur weiß ich,
Eines begreif ich:
mit allen Sinnen
Euch zu gewinnen! –
Ist’s mit dem Schwert nicht, muß es gelingen,
gilt es als Meister Euch zu ersingen.
Für Euch Gut und Blut,
für Euch
Dichters heil’ger Mut!
EVA mit großer Wärme.
Mein Herz, sel’ger Glut,
für Euch
liebesheil’ge Hut!
MAGDALENE.
Schnell heim! Sonst geht’s nicht gut!
DAVID der Walther verwunderungsvoll gemessen.
Gleich Meister? Oho! Viel Mut!
Magdalene zieht Eva eilig durch die Vorhänge nach sich fort. Walther wirft sich, aufgeregt und brütend, in einen erhöhten, kathederartigen Lehnstuhl, welchen zuvor zwei Lehrbuben von der Wand ab, mehr nach der Mitte zu gerückt hatten.
Zweite Szene
Noch mehrere Lehrbuben sind eingetreten: sie tragen und stellen Bänke und richten Alles zur Sitzung der Meistersinger her.
ZWEITER LEHRBUBE.
David! Was stehst?
ERSTER LEHRBUBE.
Greif an’s Werk!
ZWEITER LEHRBUBE.
Hilf uns richten das Gemerk!
DAVID.
Zu eifrigst war ich vor euch Allen;
schafft nun für euch, hab ander Gefallen!
VIER LEHRBUBEN.
Was der sich dünkt!
VIER LEHRBUBEN.
Der Lehrling Muster!
VIER LEHRBUBEN.
Das macht, weil sein Meister ein Schuster!
LEHRBUBEN.
Beim Leisten sitzt er mit der Feder!
LEHRBUBEN.
Beim Dichten mit Draht und Pfriem!
LEHRBUBEN.
Sein Verse schreibt er auf rohes Leder.
LEHRBUBEN mit der entsprechenden Gebärde.
Das – dächt ich – gerbten wir ihm!
Sie machen sich lachend an die fernere Herrichtung.
DAVID nachdem er den sinnenden Ritter eine Weile betrachtet.
Fanget an!
WALTHER verwundert.
Was soll’s?
DAVID noch stärker.
Fanget an! – So ruft der Merker: –
nun sollt Ihr singen! Wißt Ihr das nicht?
WALTHER.
Wer ist der Merker?
DAVID.
Wißt Ihr das nicht?
Wart Ihr noch nie bei ’nem Singgericht?
WALTHER.
Noch nie, wo die Richter Handwerker.
DAVID.
Seid Ihr ein Dichter?
WALTHER.
Wär ich’s doch!
DAVID.
Seid Ihr ein Singer?
WALTHER.
Wüßt ich’s noch?
DAVID.
Doch »Schulfreund« wart Ihr, und »Schüler« zuvor?
WALTHER.
Das klingt mir Alles fremd vorm Ohr.
DAVID.
Und so grad hin wollt Ihr Meister werden?
WALTHER.
Wie machte das so große Beschwerden?
DAVID.
O Lene! Lene!
WALTHER.
Wie Ihr doch tut!
DAVID.
O Magdalene!
WALTHER.
Ratet mir gut!
DAVID setzt sich in Positur.
Mein Herr! Der Singer Meisterschlag
gewinnt sich nicht an einem Tag.
In Nüremberg der größte Meister
mich lehrt die Kunst Hans Sachs;
schon voll ein Jahr mich unterweist er,
daß ich als Schüler wachs.
Schuhmacherei und Poeterei,
die lern ich da alleinerlei:
hab ich das Leder glatt geschlagen,
lern ich Vokal und Konsonanz sagen;
wichst ich den Draht erst fest und steif,
was sich dann reimt, ich wohl begreif.
Den Pfriemen schwingend
im Stich die Ahl,
was stumpf, was klingend,
was Maß, was Zahl –
den Leisten im Schurz,
was lang, was kurz,
was hart, was lind,
hell oder blind,
was Waisen, was Milben,
was Klebsilben,
was Pausen, was Körner,
was Blumen, was Dörner, –
das Alles lernt ich mit Sorg und Acht:
wie weit nun, meint Ihr, daß ich’s gebracht?
WALTHER.
Wohl zu ’nem Paar recht guter Schuh? –
DAVID.
Ja, dahin hat’s noch gute Ruh!
Ein »Bar« hat manch Gesätz und Gebänd:
wer da gleich die rechte Regel fänd, –
die richt’ge Naht
und den rechten Draht,
mit gut gefügten Stollen
den Bar recht zu versohlen.
Und dann erst kommt der Abgesang,
daß der nicht kurz, und nicht zu lang,
und auch keinen Reim enthält,
der schon im Stollen gestellt.
Wer Alles das merkt, weiß und kennt,
wird doch immer noch nicht Meister genennt.
WALTHER.
Hilf Gott! Will ich denn Schuster sein?
In die Singkunst lieber führ mich ein!
DAVID.
Ja – hätt ich’s nur selbst schon zum Singer gebracht!
Wer glaubt wohl, was das für Mühe macht!
Der Meister Tön und Weisen,
gar viel an Nam und Zahl,
die starken und die leisen,
wer die wüßte allzumal!
Der kurze, lang und überlang Ton,
die Schreibpapier-, Schwarz-Dintenweis‘;
der rote, blau und grüne Ton;
die Hageblüh-, Strohhalm-, Fengelweis‘;
der zarte, der süße, der Rosenton;
der kurzen Liebe, der vergess’ne Ton;
die Rosmarin-, Gelbveigleinweis‘,
die Regenbogen-, die Nachtigallweis‘;
die englische Zinn-, die Zimtröhrenweis‘,
frisch Pomeranzen-, grün Lindenblühweis‘;
die Frösch-, die Kälber-, die Stieglitzweis‘,
die abgeschiedne Vielfraßweis‘;
der Lerchen-, der Schnecken-, der Bellerton;
die Melissenblümlein-, die Meiranweis‘,
gelb Löwenhaut-,
Gefühlvoll.
treu Pelikanweis‘,
Prunkend.
die buttglänzende Drahtweis‘!
WALTHER.
Hilf Himmel! Welch endlos Tönegeleis!
DAVID.
Das sind nur die Namen; nun lernt sie singen,
recht wie die Meister sie gestellt.
Jed‘ Wort und Ton muß klärlich klingen,
wo steigt die Stimm und wo sie fällt;
fangt nicht zu hoch, zu tief nicht an,
als es die Stimm erreichen kann.
Mit dem Atem spart, daß er nicht knappt,
und gar am End Ihr überschnappt;
vor dem Wort mit der Stimme ja nicht summt,
nach dem Wort mit dem Mund auch nicht brummt.
Nicht ändert an Blum und Koloratur,
jed‘ Zierat fest nach des Meisters Spur.
Verwechseltet Ihr, würdet gar irr;
verlört Ihr Euch, und kämt ins Gewirr: –
wär‘ sonst Euch Alles auch gelungen,
da hättet Ihr gar versungen! –
Trotz großem Fleiß und Emsigkeit,
ich selbst noch bracht es nicht so weit:
so oft ich’s versuch, und’s nicht gelingt,
die Knieriem-Schlagweis‘ der Meister mir singt.
Wenn dann Jungfer Lene nicht Hilfe weiß,
sing ich die eitel Brot- und Wasserweis‘.
Nehmt Euch ein Beispiel dran,
und laßt vom Meisterwahn!
Denn Singer und Dichter müßt Ihr sein,
eh Ihr zum Meister kehret ein.
WALTHER.
Wer ist nun »Dichter«?
LEHRBUBEN während der Arbeit.
David! Kommst her?
DAVID zu den Lehrbuben.
Wartet nur! Gleich! –
Schnell wieder zu Walther sich wendend.
Wer »Dichter« wär‘?
Habt Ihr zum Singer Euch aufgeschwungen,
und der Meister Töne richtig gesungen;
fügtet Ihr selbst nun Reim und Wort,
daß sie genau an Stell und Ort
paßten zu eines Meisters Ton,
dann trügt Ihr den Dichterpreis davon.
LEHRBUBEN.
He! David! Soll man’s dem Meister klagen?
Wirst dich bald deines Schwatzens entschlagen?
DAVID.
Oho! Jawohl! Denn helf ich euch nicht,
ohne mich wird Alles doch falsch gericht’t!
Er will sich zu ihnen wenden.
WALTHER ihn zurückhaltend.
Nur dies noch: – wer wird »Meister« genannt?
DAVID schnell wieder umkehrend.
Damit, Herr Ritter, ist’s so bewandt: –
Mit sehr tiefsinniger Miene.
der Dichter, der aus eignem Fleiße
zu Wort und Reimen, die er erfand,
aus Tönen auch fügt eine neue Weise:
der wird als Meistersinger erkannt.
WALTHER.
So bleibt mir einzig der Meister-Lohn!
Muß ich singen,
kann’s nur gelingen,
find ich zum Vers auch den eignen Ton.
DAVID der sich zu den Lehrbuben gewendet hat.
Was macht ihr denn da? – Ja, fehl ich beim Werk,
verkehrt nur richtet ihr Stuhl und Gemerk!
Er wirft polternd und lärmend die Anordnungen der Lehrbuben in betreff des Gemerkes um.
Ist denn heut Singschul? Daß ihr’s wißt!
Das kleine Gemerk! Nur Freiung ist.
Die Lehrbuben, welche in der Mitte der Bühne ein größeres Gerüste mit Vorhängen aufgeschlagen hatten, schaffen auf Davids Weisung dies schnell bei Seite und stellen dafür ebenso eilig ein geringeres Brettergerüst auf; darauf stellen sie einen Stuhl mit einem kleinen Pult davor, daneben eine große schwarze Tafel, daran die Kreide am Faden aufgehängt wird; um das Gerüst sind schwarze Vorhänge angebracht, welche zunächst hinten und an den beiden Seiten, dann auch vorn ganz zusammengezogen werden.
DIE LEHRBUBEN während der Herrichtung.
Aller End ist doch David der Allergescheit’st;
nach hohen Ehren ganz sicher er geizt.
’s ist Freiung heut!
gewiß er freit;
als vornehmer Singer er schon sich spreizt.
Die Schlagreime fest er inne hat,
arm Hungerweise singt er glatt!
Doch die harte Trittweis, die kennt er am best,
die trat ihm der Meister hart
Mit der Gebärde zweier Fußtritte.
und fest.
Sie lachen.
DAVID.
Ja, lacht nur zu! Heut bin ich’s nicht.
Ein andrer stellt sich zum Gericht;
der war nicht Schüler, ist nicht Singer,
den Dichter – sagt er – überspring‘ er;
denn er ist Junker,
und mit einem Sprung er
denkt ohne weitre Beschwerden
heut hier Meister zu werden.
Drum richtet nur fein
das Gemerk dem ein!
Während die Lehrbuben vollends aufrichten.
Dorthin! Hierher! Die Tafel an die Wand, –
so daß sie recht dem Merker zur Hand! –
Zu Walther sich umwendend.
Jaja: dem Merker! – Wird Euch wohl bang?
Vor ihm schon mancher Werber versang.
Sieben Fehler gibt er Euch vor,
die merkt er mit Kreide dort an:
wer über sieben Fehler verlor,
hat versungen und ganz vertan!
Nun nehmt Euch in Acht:
Der Merker wacht!
Derb in die Hände schlagend.
Glück auf zum Meistersingen!
Mögt Euch das Kränzlein erschwingen!
Das Blumenkränzlein aus Seiden fein,
wird das dem Herrn Ritter beschieden sein?
DIE LEHRBUBEN welche zu gleicher Zeit das Gemerk geschlossen haben, fassen sich an und tanzen einen verschlungenen Reigen um dasselbe.
Das Blumenkränzlein aus Seiden fein,
wird das dem Herrn Ritter beschieden sein?
Die Lehrbuben fahren sogleich erschrocken auseinander, als die Sakristei aufgeht und Pogner mit Beckmesser eintritt; sie ziehen sich nach hinten zurück.
Dritte Szene
Die Einrichtung ist nun folgender Maßen beendigt: zur Seite rechts sind gepolsterte Bänke in der Weise aufgestellt, daß sie einen schwachen Halbkreis nach der Mitte zu bilden. Am Ende der Bänke, in der Mitte der Bühne, befindet sich das »Gemerk« benannte Gerüste, welches zuvor hergerichtet worden. Zur linken Seite steht nur der erhöhte, kathederartige Stuhl (»der Singstuhl«) der Versammlung gegenüber. Im Hintergrunde, den großen Vorhang entlang, steht eine lange niedere Bank für die Lehrlinge. – Walther, verdrießlich über das Gespött der Knaben, hat sich auf die vordere Bank niedergelassen. – Pogner und Beckmesser sind im Gespräch aus der Sakristei aufgetreten. Die Lehrbuben harren ehrerbietig vor der hinteren Bank stehend. Nur David stellt sich anfänglich am Eingang bei der Sakristei auf.
POGNER zu Beckmesser.
Seid meiner Treue wohl versehen,
was ich bestimmt, ist Euch zu Nutz:
im Wettgesang müßt Ihr bestehen,
wer böte Euch als Meister Trutz?
BECKMESSER.
Doch wollt Ihr von dem Punkt nicht weichen,
der mich – ich sag’s – bedenklich macht:
kann Evchens Wunsch den Werber streichen,
was nützt mir meine Meister-Pracht?
POGNER.
Ei sagt, ich mein, vor allen Dingen
sollt Euch an dem gelegen sein?
Könnt Ihr der Tochter Wunsch nicht zwingen,
wie möchtet Ihr wohl um sie frein?
BECKMESSER.
Ei ja! Gar wohl! Drum eben bitt‘ ich,
daß bei dem Kind Ihr für mich sprecht,
wie ich geworben zart und sittig,
und wie Beckmesser grad Euch recht.
POGNER.
Das tu ich gern.
BECKMESSER bei Seite.
Er läßt nicht nach.
Wie wehrt ich da ’nem Ungemach?
WALTHER der, als er Pogner gewahrt, aufgestanden und ihm entgegengegangen ist, verneigt sich vor ihm.
Gestattet, Meister!
POGNER.
Wie, mein Junker?
Ihr sucht mich in der Singschul hie?
Pogner und Walther wechseln Begrüßungen.
BECKMESSER immer bei Seite.
Verstünden’s die Fraun; doch schlechtes Geflunker
gilt ihnen mehr als all‘ Poesie.
Er geht verdrießlich im Hintergrunde auf und ab.
WALTHER.
Hier eben bin ich am rechten Ort:
gesteh ich’s frei, vom Lande fort
was mich nach Nürnberg trieb,
war nur zur Kunst die Lieb.
Vergaß ich’s gestern Euch zu sagen,
heut muß ich’s laut zu künden wagen:
ein Meistersinger möcht ich sein!
Schließt, Meister, in die Zunft mich ein!
Kunz Vogelsang und Konrad Nachtigall sind eingetreten.
POGNER freudig zu den Hinzutretenden sich wendend.
Kunz Vogelgesang! Freund Nachtigall!
Hört doch, welch ganz besondrer Fall:
der Ritter hier, mir wohl bekannt,
hat der Meisterkunst sich zugewandt.
Vorstellungen und Begrüßungen; andre Meistersinger treten noch dazu.
BECKMESSER wieder in den Vordergrund tretend, für sich.
Noch such ich’s zu wenden; doch, sollt’s nicht gelingen,
versuch ich des Mädchens Herz zu ersingen:
in stiller Nacht, von ihr nur gehört,
erfahr ich, ob auf mein Lied sie schwört.
Walther erblickend.
Wer ist der Mensch? –
POGNER sehr warm zu Walther fortfahrend.
Glaubt, wie mich’s freut!
Die alte Zeit dünkt mich erneut.
BECKMESSER.
Er gefällt mir nicht!
POGNER.
Was Ihr begehrt,
so viel an mir, sei’s Euch gewährt.
BECKMESSER.
Was will er hier? Wie der Blick ihm lacht!
POGNER.
Half ich Euch gern bei des Gut’s Verkauf,
in die Zunft nun nehm ich Euch gleich gern auf.
BECKMESSER.
Holla! Sixtus! Auf den hab Acht!
WALTHER.
Habt Dank der Güte
aus tiefstem Gemüte!
Und darf ich denn hoffen?
Steht heut mir noch offen,
zu werben um den Preis,
daß Meistersinger ich heiß?
BECKMESSER.
Oho! Fein sacht! Auf dem Kopf steht kein Kegel!
POGNER.
Herr Ritter, dies geh nun nach der Regel.
Doch heut ist Freiung; ich schlag Euch vor:
mir leihen die Meister ein willig Ohr!
Die Meistersinger sind nun alle angelangt, zuletzt auch Hans Sachs.
SACHS.
Gott grüß Euch, Meister!
VOGELGESANG.
Sind wir beisammen?
BECKMESSER.
Der Sachs ist ja da!
NACHTIGALL.
So ruft die Namen.
FRITZ KOTHNER zieht eine Liste hervor, stellt sich zur Seite auf und ruft laut.
Zu einer Freiung und Zunftberatung
ging an die Meister ein‘ Einladung:
bei Nenn‘ und Nam‘,
ob Jeder kam,
ruf ich nun auf als letzt-Entbot’ner,
der ich mich nenn‘ und bin Fritz Kothner. –
Seid Ihr da, Veit Pogner?
POGNER.
Hier zur Hand!
Er setzt sich.
KOTHNER.
Kunz Vogelgesang?
VOGELGESANG.
Ein sich fand.
Setzt sich.
KOTHNER.
Hermann Ortel?
ORTEL.
Immer am Ort.
Setzt sich.
KOTHNER.
Balthasar Zorn?
ZORN.
Bleibt niemals fort.
Setzt sich.
KOTHNER.
Konrad Nachtigall?
NACHTIGALL.
Treu seinem Schlag.
Setzt sich.
KOTHNER.
Augustin Moser?
MOSER.
Nie fehlen mag.
Setzt sich.
KOTHNER.
Niklaus Vogel? – Schweigt?
EIN LEHRBUBE von der Bank aufstehend.
Ist krank!
KOTHNER.
Gut Bess’rung dem Meister!
ALLE MEISTER.
Walt’s Gott!
DER LEHRBUBE.
Schön‘ Dank!
Er setzt sich wieder nieder.
KOTHNER.
Hans Sachs?
DAVID vorlaut sich erhebend und auf Sachs zeigend.
Da steht er!
SACHS drohend zu David.
Juckt dich das Fell? –
Verzeiht, Meister! – Sachs ist zur Stell.
Er setzt sich.
KOTHNER.
Sixtus Beckmesser?
BECKMESSER.
Immer bei Sachs,
Während er sich setzt.
daß den Reim ich lern von »blüh‘ und wachs’«.
Sachs lacht.
KOTHNER.
Ulrich Eißlinger?
EISSLINGER.
Hier!
Setzt sich.
KOTHNER.
Hans Foltz?
FOLTZ.
Bin da.
Setzt sich.
KOTHNER.
Hans Schwarz?
SCHWARZ.
Zuletzt: Gott wollt’s!
KOTHNER.
Zur Sitzung gut und voll die Zahl.
Beliebt’s, wir schreiten zur Merkerwahl?
VOGELGESANG.
Wohl eh’r nach dem Fest?
BECKMESSER zu Kothner.
Pressiert’s den Herrn?
Mein Stell und Amt laß ich ihm gern.
POGNER.
Nicht doch, ihr Meister; laßt das jetzt fort!
Für wicht’gen Antrag bitt ich ums Wort.
Die Meister stehen auf, nicken Kothner zu und setzen sich wieder.
KOTHNER.
Das habt Ihr; Meister, sprecht!
POGNER.
Nun hört, und versteht mich recht! –
Das schöne Fest, Johannistag,
ihr wißt, begehn wir morgen:
auf grüner Au‘, am Blumenhag,
bei Spiel und Tanz im Lustgelag,
an froher Brust geborgen,
vergessen seiner Sorgen,
ein Jeder freut sich wie er mag.
Die Singschul ernst im Kirchenchor
die Meister selbst vertauschen;
mit Kling und Klang hinaus zum Tor
auf offne Wiese ziehn sie vor;
bei hellen Festes Rauschen
das Volk sie lassen lauschen
dem Freigesang mit Laienohr.
Zu einem Werb- und Wettgesang
gestellt sind Siegespreise,
und beide preist man weit und lang,
die Gabe wie die Weise.
Nun schuf mich Gott zum reichen Mann;
und gibt ein Jeder, wie er kann,
so mußte ich wohl sinnen,
was ich gäb, zu gewinnen,
daß ich nicht käm zuschand‘: –
so hört denn, was ich fand.
In deutschen Landen viel gereist,
hat oft es mich verdrossen,
daß man den Bürger wenig preist,
ihn karg nennt und verschlossen.
An Höfen, wie an niedrer Statt,
des bittren Tadels ward ich satt,
daß nur auf Schacher und Geld
sein Merk der Bürger stellt.
Daß wir im weiten deutschen Reich
die Kunst einzig noch pflegen,
dran dünkt ihnen wenig gelegen.
Doch wie uns das zur Ehre gereich,
und daß mit hohem Mut
wir schätzen, was schön und gut,
was wert die Kunst, und was sie gilt,
das ward ich der Welt zu zeigen gewillt;
drum hört, Meister, die Gab,
die als Preis bestimmt ich hab!
Dem Singer, der im Kunstgesang
vor allem Volk den Preis errang,
am Sankt-Johannis-Tag,
sei er wer er auch mag,
dem geb ich, ein Kunst-Gewogner,
von Nürenberg Veit Pogner,
mit all meinem Gut, wie’s geh und steh,
Eva, mein einzig Kind, zur Eh‘.
DIE MEISTER sich erhebend und sehr lebhaft durcheinander.
Das heißt ein Wort, ein Wort ein Mann!
Da sieht man, was ein Nürnberger kann!
Drob preist man Euch noch weit und breit,
den wackren Bürger, Pogner Veit!
DIE LEHRBUBEN lustig aufspringend.
Alle Zeit! Weit und breit!
Pogner Veit!
VOGELGESANG.
Wer möchte da nicht ledig sein!
SACHS.
Sein Weib gäb mancher gern wohl drein.
KOTHNER.
Auf, ledig Mann!
Jetzt macht euch ‚ran!
POGNER.
Nun hört noch, wie ich’s ernstlich mein!
Die Meister setzen sich allmählich wieder nieder; die Lehrbuben ebenfalls.
Ein‘ leblos Gabe geb ich nicht;
ein Mägdlein sitzt mit zum Gericht:
den Preis erkennt die Meisterzunft;
doch, gilt’s der Eh‘, so will’s Vernunft,
daß ob der Meister Rat
die Braut den Ausschlag hat.
BECKMESSER zu Kothner gewandt.
Dünkt Euch das klug?
KOTHNER.
Versteh ich gut,
Ihr gebt uns in des Mägdleins Hut?
BECKMESSER.
Gefährlich das!
KOTHNER.
Stimmt es nicht bei,
wie wäre dann der Meister Urteil frei?
BECKMESSER.
Laßt’s gleich wählen nach Herzens Ziel,
und laßt den Meistergesang aus dem Spiel!
POGNER.
Nicht so! Wie doch? Versteht mich recht!
Wem ihr Meister den Preis zusprecht,
die Maid kann dem verwehren,
doch nie einen andren begehren.
Ein Meistersinger muß er sein,
nur wen ihr krönt, den soll sie frei’n.
SACHS erhebt sich.
Verzeiht,
vielleicht schon ginget ihr zu weit.
Ein Mädchenherz und Meisterkunst
erglühn nicht stets von gleicher Brunst:
der Frauen Sinn, gar unbelehrt;
dünkt mich dem Sinn des Volks gleich wert.
Wollt ihr nun vor dem Volke zeigen,
wie hoch die Kunst ihr ehrt,
und laßt ihr dem Kind die Wahl zu eigen,
wollt nicht, daß dem Spruch es wehrt -,
so laßt das Volk auch Richter sein:
mit dem Kinde sicher stimmt’s überein.
DIE MEISTER.
Oho! Das Volk? Ja, das wäre schön!
Ade dann Kunst und Meister-Tön‘!
KOTHNER.
Nein, Sachs! Gewiß, das hat keinen Sinn!
Gebt Ihr dem Volk die Regeln hin?
SACHS.
Vernehmt mich recht! Wie ihr doch tut!
Gesteht, ich kenn die Regeln gut;
und daß die Zunft die Regeln bewahr,
bemüh ich mich selbst schon manches Jahr.
Doch einmal im Jahre fänd ich’s weise,
daß man die Regeln selbst probier,
ob in der Gewohnheit trägem Gleise
ihr‘ Kraft und Leben nicht sich verlier.
Und ob ihr der Natur
noch seid auf rechter Spur,
das sagt euch nur,
wer nichts weiß von der Tabulatur.
Die Lehrbuben springen auf und reiben sich die Hände.
BECKMESSER.
Hei wie sich die Buben freuen!
SACHS eifrig fortfahrend.
Drum mocht‘ es euch nie gereuen,
daß jährlich am Sankt-Johannis-Fest,
statt daß das Volk man kommen läßt,
herab aus hoher Meisterwolk
ihr selbst euch wendet zu dem Volk.
Dem Volke wollt ihr behagen;
nun dächt ich, läg es nah,
ihr ließt es selbst euch auch sagen,
ob das ihm zur Lust geschah!
Daß Volk und Kunst gleich blüh und wachs,
bestellt ihr so, mein ich, Hans Sachs!
VOGELGESANG.
Ihr meint’s wohl recht!
KOTHNER.
Doch steht’s drum faul.
NACHTIGALL.
Wenn spricht das Volk, halt ich das Maul.
KOTHNER.
Der Kunst droht allweil Fall und Schmach,
läuft sie der Gunst des Volkes nach.
BECKMESSER.
Drin bracht er’s weit, der hier so dreist:
Gassenhauer dichtet er meist.
POGNER.
Freund Sachs! Was ich mein, ist schon neu:
zuviel auf einmal brächte Reu.
Er wendet sich zu den Meistern.
So frag ich, ob den Meistern gefällt
Gab‘ und Regel, so wie ich’s gestellt?
Die Meister erheben sich beistimmend.
SACHS.
Mir genügt der Jungfer Ausschlagstimm.
BECKMESSER.
Der Schuster weckt doch stets mir Grimm!
KOTHNER.
Wer schreibt sich als Werber ein?
Ein Junggesell muß es sein.
BECKMESSER.
Vielleicht auch ein Witwer? Fragt nur den Sachs!
SACHS.
Nicht doch, Herr Merker! Aus jüngrem Wachs,
als ich und Ihr, muß der Freier sein,
soll Evchen ihm den Preis verleihn.
BECKMESSER.
Als wie auch ich? – Grober Gesell!
KOTHNER.
Begehrt wer Freiung, der komm zur Stell‘!
Ist Jemand gemeld’t, der Freiung begehrt?
POGNER.
Wohl, Meister! Zur Tagesordnung kehrt,
und nehmt von mir Bericht,
wie ich auf Meisterpflicht
einen jungen Ritter empfehle,
der will, daß man ihn wähle,
und heut als Meistersinger frei.
Mein Junker Stolzing – kommt herbei!
Walther tritt vor und verneigt sich.
BECKMESSER bei Seite.
Dacht ich mir’s doch! Geht’s dahinaus, Veit? –
Laut.
Meister, ich mein, zu spät ist’s der Zeit!
DIE MEISTER.
Der Fall ist neu: – Ein Ritter gar?
Soll man sich freun? – Oder wär‘ Gefahr?
Immerhin hat’s ein groß Gewicht,
daß Meister Pogner für ihn spricht.
KOTHNER.
Soll uns der Junker willkommen sein,
zuvor muß er wohl vernommen sein.
POGNER.
Vernehmt ihn wohl! Wünsch ich ihm Glück,
nicht bleib ich doch hinter der Regel zurück.
Tut, Meister, die Fragen!
KOTHNER.
So mög uns der Junker sagen:
Ist er frei und ehrlich geboren?
POGNER.
Die Frage gebt verloren,
da ich euch selbst des Bürge steh,
daß er aus frei und edler Eh‘:
von Stolzing Walther aus Frankenland,
nach Brief und Urkund mir wohlbekannt.
Als seines Stammes letzter Sproß
verließ er neulich Hof und Schloß,
und zog nach Nürnberg her,
daß er hier Bürger wär.
BECKMESSER.
Neu-Junkerunkraut – tut nicht gut!
NACHTIGALL.
Freund Pogners Wort Genüge tut.
SACHS.
Wie längst von den Meistern beschlossen ist,
ob Herr, ob Bauer, hier nichts beschließt:
hier fragt sich’s nach der Kunst allein,
wer will ein Meistersinger sein.
KOTHNER.
Drum nun frag ich zur Stell:
welch Meisters seid Ihr Gesell?
WALTHER.
Am stillen Herd in Winterszeit,
wann Burg und Hof mir eingeschneit, –
wie einst der Lenz so lieblich lacht,
und wie er bald wohl neu erwacht, –
ein altes Buch, vom Ahn vermacht,
gab das mir oft zu lesen:
Herr Walther von der Vogelweid,
der ist mein Meister gewesen.
SACHS.
Ein guter Meister!
BECKMESSER.
Doch lang schon tot,
wie lehrt ihn der wohl der Regeln Gebot?
KOTHNER.
Doch in welcher Schul das Singen
mocht Euch zu lernen gelingen?
WALTHER.
Wann dann die Flur vom Frost befreit,
und wiederkehrt die Sommerszeit,
was einst in langer Wintersnacht
das alte Buch mir kund gemacht,
das schallte laut in Waldes Pracht,
das hört ich hell erklingen:
im Wald dort auf der Vogelweid
da lernt ich auch das Singen.
BECKMESSER.
Oho! Von Finken und Meisen
lerntet Ihr Meisterweisen?
Das wird denn wohl auch darnach sein!
VOGELGESANG.
Zwei art’ge Stollen faßt er da ein.
BECKMESSER.
Ihr lobt ihn, Meister Vogelgesang,
wohl weil vom Vogel er lernt den Gesang?
KOTHNER.
Was meint ihr, Meister, frag ich noch fort?
Mich dünkt, der Junker ist fehl am Ort.
SACHS.
Das wird sich bäldlich zeigen:
wenn rechte Kunst ihm eigen,
und gut er sie bewährt,
was gilt’s, wer sie ihn gelehrt?
KOTHNER zu Walther.
Seid Ihr bereit, ob Euch geriet
mit neuer Find‘ ein Meisterlied,
nach Dicht‘ und Weis‘ eu’r eigen,
zur Stunde jetzt zu zeigen?
WALTHER.
Was Winternacht,
was Waldespracht,
was Buch und Hain mich wiesen,
was Dichtersanges Wundermacht
mir heimlich wollt erschließen;
was Rosses Schritt
beim Waffenritt,
was Reihentanz
bei heitrem Schanz
mir sinnend gab zu lauschen:
gilt es des Lebens höchsten Preis
um Sang mir einzutauschen,
zu eignem Wort und eigner Weis‘
will einig mir es fließen,
als Meistersang, ob den ich weiß,
euch Meistern sich ergießen.
BECKMESSER.
Entnahmt ihr was der Worte Schwall?
VOGELGESANG.
Ei nun, er wagt’s!
NACHTIGALL.
Merkwürd’ger Fall!
KOTHNER.
Nun, Meister! Wenn’s gefällt,
werd das Gemerk bestellt.
Zu Walther.
Wählt der Herr einen heil’gen Stoff?
WALTHER.
Was heilig mir,
der Liebe Panier
schwing und sing ich, mir zu Hoff‘.
KOTHNER.
Das gilt uns weltlich. Drum allein,
Meister Beckmesser, schließt Euch ein!
BECKMESSER erhebt sich und schreitet wie widerwillig dem Gemerk zu.
Ein saures Amt, und heut zumal!
Wohl gibt’s mit der Kreide manche Qual!
Er verneigt sich gegen Walther.
Herr Ritter, wißt:
Sixtus Beckmesser Merker ist;
hier im Gemerk
verrichtet er still sein strenges Werk.
Sieben Fehler gibt er Euch vor,
die merkt er mit Kreide dort an:
wenn er über sieben Fehler verlor,
dann versang der Herr Rittersmann.
Er setzt sich im Gemerk.
Gar fein er hört;
doch, daß er Euch den Mut nicht stört,
säh’t Ihr ihm zu,
so gibt er Euch Ruh,
und schließt sich gar hier ein, –
läßt Gott Euch befohlen sein.
Er streckt den Kopf, höhnisch freundlich nickend, heraus und verschwindet hinter dem eingezogenen Vorhange des Gemerks gänzlich.
KOTHNER winkt den Lehrbuben. Zu Walther.
Was Euch zum Liede Richt und Schnur,
vernehmt nun aus der Tabulatur!
Die Lehrbuben haben die an der Wand aufgehängte Tafel der »Leges Tabulaturae« herabgenommen und halten sie Kothner vor; dieser liest daraus.
KOTHNER lesend.
»Ein jedes Meistergesanges Bar
stell ordentlich ein Gemäße dar
aus unterschiedlichen Gesetzen,
die keiner soll verletzen.
Ein Gesetz besteht aus zweenen Stollen,
die gleiche Melodei haben sollen;
der Stoll aus etlicher Vers‘ Gebänd,
der Vers hat seinen Reim am End.
Darauf so folgt der Abgesang,
der sei auch etlich Verse lang,
und hab sein‘ besondre Melodei,
als nicht im Stollen zu finden sei.
Derlei Gemäßes mehre Baren
soll ein jed‘ Meisterlied bewahren;
und wer ein neues Lied gericht,
das über vier der Silben nicht
eingreift in andrer Meister Weis‘,
des Lied erwerb sich Meisterpreis!«
Er gibt die Tafel den Lehrbuben zurück; diese hängen sie wieder auf.
Nun setzt Euch in den Singestuhl.
WALTHER mit einem Schauer.
Hier – in den Stuhl?
KOTHNER.
Wie’s Brauch der Schul.
WALTHER besteigt den Stuhl und setzt sich mit Widerstreben. Bei Seite.
Für dich, Geliebte, sei’s getan!
KOTHNER sehr laut.
Der Sänger sitzt.
BECKMESSER unsichtbar im Gemerk, sehr laut.
Fanget an!
WALTHER.
»Fanget an!« –
So rief der Lenz in den Wald,
daß laut es ihn durchhallt:
und, wie in fern’ren Wellen
der Hall von dannen flieht,
von weit her naht ein Schwellen,
das mächtig näher zieht.
Es schwillt und schallt,
es tönt der Wald
von holder Stimmen Gemenge;
nun laut und hell,
schon nah zur Stell,
wie wächst der Schwall!
Wie Glockenhall
ertost des Jubels Gedränge!
Der Wald,
wie bald
antwortet er dem Ruf,
der neu ihm Leben schuf:
stimmte an
das süße Lenzeslied. –
Man hört aus dem Gemerk unmutige Seufzer des Merkers und heftiges Anstreichen mit der Kreide. Auch Walther hat es bemerkt; nach kurzer Störung fährt er fort.
In einer Dornenhecken,
von Neid und Gram verzehrt,
mußt er sich da verstecken,
der Winter, Grimm-bewehrt:
von dürrem Laub umrauscht,
er lauert da und lauscht,
wie er das frohe Singen
zu Schaden könnte bringen. –
Er steht vom Stuhle auf.
Doch: fanget an! –
So rief es mir in die Brust,
als noch ich von Liebe nicht wußt.
Da fühlt ich’s tief sich regen,
als weckt es mich aus dem Traum;
mein Herz mit bebenden Schlägen
erfüllte des Busens Raum:
Das Blut, es wallt
mit Allgewalt,
geschwellt von neuem Gefühle;
aus warmer Nacht,
mit Übermacht,
schwillt mir zum Meer
der Seufzer Heer
in wildem Wonnegewühle.
Die Brust
wie bald
antwortet sie dem Ruf,
der neu ihr Leben schuf;
stimmt nun an
das hehre Liebeslied!
BECKMESSER den Vorhang aufreißend.
Seid Ihr nun fertig?
WALTHER.
Wie fraget Ihr?
BECKMESSER.
Mit der Tafel ward ich fertig schier.
Er hält die ganz mit Kreidestrichen bedeckte Tafel heraus.
Die Meister brechen in ein Gelächter aus.
WALTHER.
Hört doch, zu meiner Frauen Preis
gelang ich jetzt erst mit der Weis‘.
BECKMESSER das Gemerk verlassend.
Singt, wo Ihr wollt! Hier habt Ihr vertan! –
Ihr Meister, schaut die Tafel euch an:
so lang ich leb, ward’s nicht erhört!
Ich glaubt’s nicht, wenn ihr’s all auch schwört!
WALTHER.
Erlaubt ihr’s, Meister, daß er mich stört?
Blieb ich von Allen ungehört?
POGNER.
Ein Wort, Herr Merker! Ihr seid gereizt!
BECKMESSER.
Sei Merker fortan, wer darnach geizt!
Doch daß der Junker hier versungen hat,
beleg ich erst noch vor der Meister Rat.
Zwar wird’s ’ne harte Arbeit sein:
wo beginnen, da wo nicht aus noch ein?
von falscher Zahl, und falschem Gebänd –
schweig ich schon ganz und gar:
zu kurz, zu lang – wer ein End da fänd?
Wer meint hier im Ernst einen Bar?
Auf »blinde Meinung« klag ich allein: –
Sagt, konnt ein Sinn unsinniger sein?
MEHRERE MEISTER.
Man ward nicht klug, ich muß gestehn.
Ein Ende konnte keiner ersehn.
BECKMESSER.
Und dann die Weis‘, welch tolles Gekreis
aus »Abenteuer«, »blau Rittersporn«-Weis‘,
»hoch-Tannen« -, »stolz-Jüngling«-Ton!
KOTHNER.
Ja, ich verstand gar nichts davon.
BECKMESSER.
Kein Absatz wo, kein Koloratur,
von Melodei auch nicht eine Spur!
Die Meister sind in wachsendem Aufstand begriffen.
ORTEL UND FOLTZ.
Wer nennt das Gesang?
MOSER UND NACHTIGALL.
Es ward einem bang!
VOGELGESANG.
Eitel Ohrgeschinder!
ZORN.
Auch gar nichts dahinter!
KOTHNER.
Und gar vom Singstuhl ist er gesprungen!
BECKMESSER.
Wird erst auf die Fehlerprobe gedrungen?
Oder gleich erklärt, daß er versungen?
SACHS der vom Beginn an Walther mit wachsendem Ernst zugehört hat, schreitet vor.
Halt, Meister! Nicht so geeilt!
Nicht jeder eure Meinung teilt. –
Des Ritters Lied und Weise,
sie fand ich neu, doch nicht verwirrt:
verließ er unsre Gleise,
schritt er doch fest und unbeirrt.
Wollt ihr nach Regeln messen,
was nicht nach eurer Regeln Lauf,
der eignen Spur vergessen,
sucht davon erst die Regeln auf!
BECKMESSER.
Aha, schon recht! Nun hört ihr’s doch:
den Stümpern öffnet Sachs ein Loch,
da aus und ein nach Belieben
ihr Wesen leicht sie trieben! –
Singet dem Volk auf Markt und Gassen!
Hier wird nach den Regeln nur eingelassen.
SACHS.
Herr Merker, was doch solch ein Eifer?
Was doch so wenig Ruh?
Eu’r Urteil, dünkt mich, wäre reifer,
hörtet Ihr besser zu.
Darum so komm ich jetzt zum Schluß,
daß den Junker man zu End hören muß.
BECKMESSER.
Der Meister Zunft, die ganze Schul,
gegen den Sachs da sind wir Null!
SACHS.
Verhüt es Gott, was ich begehr,
daß das nicht nach den Gesetzen wär!
Doch da nun steht geschrieben:
»Der Merker werde so bestellt,
daß weder Haß noch Lieben
das Urteil trübe, das er fällt.«
Geht er nun gar auf Freiers Füßen,
wie sollt er da die Lust nicht büßen,
den Nebenbuhler auf dem Stuhl
zu schmähen vor der ganzen Schul?
Walther flammt auf.
NACHTIGALL.
Ihr geht zu weit!
KOTHNER.
Persönlichkeit!
POGNER.
Vermeidet, Meister, Zwist und Streit!
BECKMESSER.
Ei! Was kümmert doch Meister Sachsen,
auf was für Füßen ich geh?
Ließ er doch lieber Sorge sich wachsen,
daß mir nichts drück‘ die Zeh‘!
Doch seit mein Schuster ein großer Poet,
gar übel es um mein Schuhwerk steht:
da seht, wie’s schlappt,
und überall klappt!
All seine Vers und Reim
ließ ich ihm gern daheim,
Historien, Spiel und Schwänke dazu,
brächt er mir morgen die neuen Schuh.
SACHS kratzt sich hinter den Ohren.
Ihr mahnt mich da gar recht:
doch schickt sich’s, Meister, sprecht,
daß – find ich selbst dem Eseltreiber
ein Sprüchlein auf die Sohl,
dem hochgelahrten Herrn Stadtschreiber
ich nichts drauf schreiben soll?
Das Sprüchlein, das Eu’r würdig sei,
mit all meiner armen Poeterei,
fand ich noch nicht zur Stund.
Doch wird’s wohl jetzt mir kund,
wenn ich des Ritters Lied gehört:
drum sing er nun weiter ungestört!
Walther steigt in großer Aufregung auf den Singstuhl und blickt stehend herab.
BECKMESSER.
Nicht weiter! Zum Schluß!
DIE MEISTER.
Genug! Zum Schluß!
SACHS zu Walther.
Singt dem Herrn Merker zum Verdruß!
BECKMESSER.
Was sollte man da noch hören?
Wär’s nicht, euch zu betören?
Er holt aus dem Gemerk die Tafel herbei und hält sie, während des Folgenden, von Einem zum Andern sich wendend, den Meistern zur Prüfung vor.
WALTHER.
Aus finstrer Dornenhecken
die Eule rauscht hervor,
tät rings mit Kreischen wecken
der Raben heis’ren Chor:
in nächt’gem Heer zu Hauf‘,
wie krächzen all‘ da auf,
mit ihren Stimmen, den hohlen,
die Elstern, Krähen und Dohlen! –
Auf da steigt
mit goldnem Flügelpaar
ein Vogel wunderbar;
sein strahlend hell Gefieder
licht in den Lüften blinkt;
schwebt selig hin und wieder,
zu Flug und Flucht mir winkt.
Es schwillt das Herz
vor süßem Schmerz,
der Not entwachsen Flügel.
es schwingt sich auf
zum kühnen Lauf,
aus der Städte Gruft,
zum Flug durch die Luft,
dahin zum heim’schen Hügel,
dahin zur grünen Vogelweid,
wo Meister Walther einst mich freit‘;
da sing ich hell und her
der liebsten Frauen Ehr:
auf dann steigt,
ob Meisterkräh’n ihm ungeneigt,
das stolze Liebeslied!
Ade, ihr Meister hienied!
Er verläßt mit einer stolz verächtlichen Gebärde den Stuhl und wendet sich rasch zum Fortgehen.
BECKMESSER.
Jeden Fehler, groß und klein,
seht genau auf der Tafel ein.
»Falsch Gebänd« – »Unredbare Worte« –
»Klebsilben« – hier »Laster« gar!
»Äquivoca«, »Reim am falschen Orte«,
»verkehrt«, »verstellt« der ganze Bar!
Ein »Flickgesang« hier zwischen den Stollen!
»Blinde Meinung« allüberall!
»Unklare Wort’«, »Differenz«, hie »Schrollen«!
Da »falscher Atem«, hier »Überfall«!
Ganz unverständliche Melodei!
Aus allen Tönen ein Mischgebräu!
Scheutet ihr nicht das Ungemach,
Meister, zählt mir die Fehler nach!
Verloren hätt er schon mit dem Acht,
doch so weit wie der hat’s noch Keiner gebracht:
wohl über Fünfzig, schlecht gezählt!
Sagt, ob ihr euch den zum Meister wählt?
DIE MEISTER.
Jawohl, so ist’s; ich seh es recht:
mit dem Herrn Ritter steht es schlecht!
Mag Sachs von ihm halten, was er will,
hier in der Singschul schweig er still!
Bleibt einem Jeden doch unbenommen,
wen er sich zum Genossen begehrt?
Wär uns der erste Best‘ willkommen,
was blieben die Meister dann wert?
Hei, wie sich der Ritter da quält!
Der Sachs hat sich ihn erwählt! –
Lachend.
Hahaha!
’s ist ärgerlich gar! Drum macht ein End!
Auf, Meister! Stimmt und erhebt die Händ!
SACHS beobachtet Walther entzückt.
Ha! welch ein Mut!
Begeistrungsglut! –
Ihr Meister, schweigt doch und hört!
Inständig.
Hört, wenn Sachs euch beschwört!
Herr Merker dort, gönnt doch nur Ruh!
Laßt andre hören, – gebt das nur zu!
Umsonst! All eitel Trachten!
Kaum vernimmt man sein eignes Wort;
des Junkers will keiner achten:
das nenn ich Mut, singt der noch fort!
Das Herz auf dem rechten Fleck:
ein wahrer Dichter-Reck‘!
Mach ich Hans Sachs wohl Vers und Schuh,
ist Ritter der und Poet dazu!
POGNER.
Jawohl, ich seh’s, was mir nicht recht:
mit meinem Junker steht es schlecht!
Weich ich hier der Übermacht,
mir ahnet, daß mir’s Sorge macht.
Wie gern säh ich ihn angenommen!
Als Eidam wär er mir gar wert:
nenn ich den Sieger jetzt willkommen, –
wer weiß, ob ihn mein Kind erwählt?
Gesteh ich’s, daß mich’s quält,
ob Eva den Meister wählt!
DIE LEHRBUBEN sind von der Bank aufgestanden und nähern sich dem Gemerk, um welches sie dann einen Ring schließen und sich zum Reigen ordnen.
Glückauf zum Meistersingen!
Mögt Ihr Euch das Kränzlein erschwingen;
Sie fassen sich an und tanzen im Ringe immer lustiger um das Gemerk.
das Blumenkränzlein aus Seiden fein,
wird das dem Herrn Ritter beschieden sein?
BECKMESSER.
Nun, Meister, kündet’s an!
Die Meister heben die Hände.
DIE MEISTER.
Versungen und vertan!
Alles geht in großer Aufregung auseinander; lustiger Tumult der Lehrbuben, welche sich des Gemerkes, des Singstuhls und der Meisterbänke bemächtigen, wodurch Gedräng und Durcheinander der nach dem Ausgang sich wendenden Meister entsteht. – Sachs, der allein im Vordergrund geblieben, blickt noch gedankenvoll nach dem leeren Singstuhl; als die Lehrbuben auch diesen erfassen und Sachs darob mit humoristisch unmutiger Gebärde sich abwendet, fällt der Vorhang.
Zweiter Aufzug
Erste Szene
Die Bühne stellt im Vordergrunde eine Straße im Längendurchschnitt dar, welche in der Mitte von einer schmalen Gasse, nach dem Hintergrunde zu krumm abbiegend, durchschnitten wird, so daß sich im Front zwei Eckhäuser darbieten, von denen das eine, reichere – rechts – das Haus Pogners, das andere, einfachere – links – das des Sachs ist. – Vor Pogners Haus eine Linde; vor dem Sachsens ein Fliederbaum. – Heitrer Sommerabend; im Verlaufe der ersten Auftritte allmählich einbrechende Nacht –
David ist darüber her, die Fensterläden nach der Gasse zu von außen zu schließen. Alle Lehrbuben tun das Gleiche bei andren Häusern.
LEHRBUBEN während der Arbeit.
Johannistag! Johannistag!
Blumen und Bänder, so viel man mag!
DAVID leise für sich.
»Das Blumenkränzlein aus Seiden fein -«
möcht es mir balde beschieden sein!
MAGDALENE ist mit einem Korbe am Arm aus Pogners Haus gekommen und sucht David unbe merkt sich zu nähern.
Bst! David!
DAVID heftig nach der Gasse zu sich umwendend.
Ruft ihr schon wieder?
Singt allein eure dummen Lieder!
Er wendet sich unwillig zur Seite.
LEHRBUBEN zuerst Magdalenens Stimme nachahmend.
David, was soll’s?
Wärst nicht so stolz,
schaut’st besser um,
wärst nicht so dumm!
»Johannistag! Johannistag!«
Wie der nur die Jungfer Lene nicht kennen mag!
MAGDALENE.
David! Hör doch! Kehr dich zu mir!
DAVID.
Ach, Jungfer Lene, Ihr seid hier?
MAGDALENE auf ihren Korb deutend.
Bring dir was Gut’s, schau nur hinein:
das soll für mein lieb Schätzel sein.
Erst aber schnell, wie ging’s mit dem Ritter?
Du rietest ihm gut? Er gewann den Kranz?
DAVID.
Ach, Jungfer Lene! Da steht’s bitter:
der hat versungen und ganz vertan!
MAGDALENE erschrocken.
Versungen? Vertan?
DAVID.
Was geht’s Euch nur an?
MAGDALENE den Korb, nach welchem David die Hand ausstreckt, heftig zurückziehend.
Hand von der Taschen!
Nichts zu naschen!
Hilf Gott! – Unser Junker vertan!
Sie geht mit Gebärden der Trostlosigkeit in das Haus zurück. David sieht ihr verblüfft nach.
DIE LEHRBUBEN welche unvermerkt näher geschlichen waren und gelauscht hatten, präsentieren sich jetzt, wie glückwünschend, David.
Heil! Heil zur Eh‘ dem jungen Mann!
Wie glücklich hat er gefreit!
Wir hörten’s all und sahen’s an,
der er sein Herz geweiht,
für die er läßt sein Leben,
die hat ihm den Korb nicht gegeben!
DAVID auffahrend.
Was steht ihr hier faul?
Gleich haltet das Maul!
DIE LEHRBUBEN schließen einen Ring um David und tanzen um ihn.
Johannistag! Johannistag!
Da freit ein Jeder, wie er mag:
der Meister freit,
der Bursche freit,
da gibt’s Geschlamb und Geschlumbfer!
Der Alte freit
die junge Maid,
der Bursche die alte Jumbfer!
Juchhei! Juchhei! Johannistag!
David ist im Begriff, wütend drein zu schlagen, als Sachs, der aus der Gasse hervorgekommen, dazwischen tritt. – Die Buben fahren auseinander.
SACHS zu David.
Was gibt’s? Treff ich dich wieder am Schlag?
DAVID.
Nicht ich: Schandlieder singen die!
SACHS.
Hör nicht drauf; lern’s besser wie sie!
Zur Ruh, ins Haus! Schließ und mach Licht!
Die Lehrbuben zerstreuen sich.
DAVID.
Hab ich noch Singstund?
SACHS.
Nein, singst nicht –
zur Straf für dein heutig frech Erdreisten.
Die neuen Schuh steck mir auf den Leisten!
David und Sachs sind in die Werkstatt eingetreten und gehen durch innere Türen ab.
Zweite Szene
Pogner und Eva – wie vom Spaziergang heimkehrend -, die Tochter leicht am Arm des Vaters eingehenkt, sind beide schweigsam die Gasse heraufgekommen.
POGNER durch eine Klinze im Fensterladen Sachsens spähend.
Laß sehn, ob Meister Sachs zu Haus? –
Gern spräch ich ihn; trät ich wohl ein?
David kommt mit Licht aus der Kammer, setzt sich damit an den Werktisch am Fenster und macht sich an die Arbeit.
EVA spähend.
Er scheint daheim: kommt Licht heraus.
POGNER.
Tu‘ ich’s? – Zu was doch? – Besser nein! –
Er wendet sich ab.
Will einer Seltnes wagen,
was ließ er sich dann sagen? –
Er sinnt nach.
War er’s nicht, der meint, ich ging zu weit? …
Und blieb ich nicht im Geleise,
war’s nicht auf seine Weise?
Doch war’s vielleicht auch Eitelkeit? –
Er wendet sich zu Eva.
Und du, mein Kind? Du sagst mir nichts?
EVA.
Ein folgsam Kind, gefragt nur spricht’s.
POGNER.
Wie klug! Wie gut! – Komm, setz dich hier
ein‘ Weil noch auf die Bank zu mir.
Er setzt sich auf die Steinbank unter der Linde.
EVA.
Wird’s nicht zu kühl?
’s war heut gar schwül.
Sie setzt sich zögernd und beklommen Pogner zur Seite.
POGNER.
Nicht doch, ’s ist mild und labend,
gar lieblich lind der Abend: –
das deutet auf den schönsten Tag,
der morgen soll erscheinen.
O Kind! Sagt dir kein Herzensschlag,
welch Glück dich morgen treffen mag, –
wenn Nüremberg, die ganze Stadt,
mit Bürgern und Gemeinen,
mit Zünften, Volk und hohem Rat
vor dir sich soll vereinen,
daß du den Preis,
das edle Reis,
erteilest als Gemahl
dem Meister deiner Wahl?
EVA.
Lieb Vater, muß es ein Meister sein?
POGNER.
Hör wohl: ein Meister deiner Wahl.
Magdalene erscheint an der Türe und winkt Eva.
EVA zerstreut.
Ja, – meiner Wahl. – Doch tritt nun ein
Laut zu Magdalene gewandt.
(gleich, Lene, gleich!) – zum Abendmahl.
Sie steht auf.
POGNER ärgerlich aufstehend.
’s gibt doch keinen Gast?
EVA wie zuvor.
Wohl den Junker?
POGNER verwundert.
Wieso?
EVA.
Sahst ihn heut nicht?
POGNER halb für sich, nachdenklich zerstreut.
Ward sein‘ nicht froh. –
Sich zusammennehmend.
Nicht doch … Was denn? …
Sich vor die Stirn klopfend.
Ei! Werd ich dumm?
EVA.
Lieb Väterchen, komm! Geh, kleid dich um.
POGNER während er ins Haus vorangeht.
Hm! Was geht mir im Kopf doch ‚rum? –
MAGDALENE heimlich zu Eva.
Hast was heraus?
EVA ebenso.
Blieb still und stumm.
MAGDALENE.
Sprach David, meint, er habe vertan.
EVA erschrocken.
Der Ritter? Hilf Gott! Was fing ich an?
Ach, Lene, die Angst! Wo was erfahren?
MAGDALENE.
Vielleicht vom Sachs?
EVA heiter.
Ach! Der hat mich lieb:
gewiß, ich geh hin.
MAGDALENE.
Laß drin nichts gewahren;
der Vater merkt es, wenn man jetzt blieb.
Nach dem Mahl! – Dann hab ich dir noch was zu sagen,
Im Abgehen, auf der Treppe.
was Jemand geheim mir aufgetragen.
EVA sich umwendend.
Wer denn? Der Junker?
MAGDALENE.
Nichts da! Nein!
Beckmesser.
EVA.
Das mag was Rechtes sein!
Sie geht in das Haus; Magdalene folgt ihr.
Dritte Szene
Sachs ist, in leichter Hauskleidung, von innen in die Werkstatt zurückgekommen. Er wendet sich zu David, der an seinem Werktische verblieben ist.
SACHS.
Zeig her! – ’s ist gut. – Dort an die Tür
rück mir Tisch und Schemel herfür.
Leg dich zu Bett, steh auf beizeit:
verschlaf die Dummheit, sei morgen gescheit!
DAVID.
Schafft Ihr noch Arbeit?
SACHS.
Kümmert dich das?
DAVID während er den Tisch und Schemel richtet, für sich.
Was war nur der Lene? – Gott weiß, was! –
Warum wohl der Meister heute wacht?
SACHS.
Was stehst noch?
DAVID.
Schlaft wohl, Meister!
SACHS.
Gut Nacht!
David geht in die der Gasse zu gelegene Kammer ab. – Sachs legt sich die Arbeit zurecht, setzt sich an der Tür auf den Schemel, läßt aber die Arbeit wieder liegen und lehnt, mit dem Arm auf den geschlossenen Unterteil des Türladens gestützt, sich zurück.
Was duftet doch der Flieder
so mild, so stark und voll! –
Mir löst es weich die Glieder,
will, daß ich was sagen soll.
Was gilt’s, was ich dir sagen kann?
Bin gar ein arm einfältig Mann!
Soll mir die Arbeit nicht schmecken,
gäbst, Freund, lieber mich frei:
tät besser, das Leder zu strecken,
und ließ alle Poeterei!
Er nimmt heftig und geräuschvoll die Schusterarbeit vor. Läßt wieder ab, lehnt sich von Neuem zurück und sinnt nach.
Und doch, ’s will halt nicht gehn: –
Ich fühl’s und kann’s nicht verstehn, –
kann’s nicht behalten, – doch auch nicht vergessen:
und faß ich es ganz, kann ich’s nicht messen! –
Doch wie wollt ich auch messen,
was unermeßlich mir schien.
Kein‘ Regel wollte da passen, –
und war doch kein Fehler drin.
Es klang so alt, – und war doch so neu, –
wie Vogelsang im süßen Mai!
Wer ihn hört
und wahnbetört
sänge dem Vogel nach,
dem brächt es Spott und Schmach: –
Lenzes Gebot,
die süße Not,
die legt es ihm in die Brust: –
nun sang er, wie er mußt,
und wie er mußt, so konnt er’s, –
das merkt ich ganz besonders.
Dem Vogel, der heut sang,
dem war der Schnabel hold gewachsen;
macht er den Meistern bang,
gar wohl gefiel er doch Hans Sachsen! –
Er nimmt mit heitrer Gelassenheit seine Arbeit vor.
Vierte Szene
Eva ist auf die Straße getreten, hat sich schüchtern der Werkstatt genähert und steht jetzt unvermerkt in der Türe bei Sachs.
EVA.
Gut’n Abend, Meister! Noch so fleißig?
SACHS fährt, angenehm überrascht, auf.
Ei, Kind! Lieb‘ Evchen? Noch so spät?
Und doch, warum so spät noch, weiß ich:
die neuen Schuh?
EVA.
Wie fehl er rät!
Die Schuh hab ich noch gar nicht probiert;
sie sind so schön und reich geziert,
daß ich sie noch nicht an die Füß mir getraut.
Sie setzt sich dicht neben Sachs auf den Steinsitz.
SACHS.
Doch sollst sie morgen tragen als Braut?
EVA.
Wer wäre denn Bräutigam?
SACHS.
Weiß ich das?
EVA.
Wie wißt Ihr denn, daß ich Braut?
SACHS.
Ei, was!
Das weiß die Stadt.
EVA.
Ja! Weiß es die Stadt,
Freund Sachs gute Gewähr dann hat!
Ich dacht – er wüßt mehr.
SACHS.
Was sollt ich wissen?
EVA.
Ei, seht doch! Werd ich’s ihm sagen müssen?
Ich bin wohl recht dumm?
SACHS.
Das sag ich nicht.
EVA.
Dann wärt Ihr wohl klug?
SACHS.
Das weiß ich nicht.
EVA.
Ihr wißt nichts? Ihr sagt nichts? – Ei, Freund Sachs,
jetzt merk ich wahrlich, Pech ist kein Wachs.
Ich hätt Euch für klüger gehalten.
SACHS.
Kind,
beid, Wachs und Pech, bekannt mir sind:
mit Wachs strich ich die seidnen Fäden,
damit ich dir die zieren Schuh gefaßt:
heut faß ich die Schuh mit dichtren Drähten,
da gilt’s mit Pech für den derbren Gast.
EVA.
Wer ist denn der? Wohl was rechts?
SACHS.
Das mein‘ ich!
Ein Meister, stolz auf Freiers Fuß;
denkt morgen zu siegen ganz alleinig:
Herrn Beckmessers Schuh ich richten muß.
EVA.
So nehmt nur tüchtig Pech dazu:
da kleb er drin, und laß mir Ruh!
SACHS.
Er hofft dich sicher zu ersingen.
EVA.
Wieso denn der?
SACHS.
Ein Junggesell, –
’s gibt deren wenig dort zur Stell.
EVA.
Könnt’s einem Witwer nicht gelingen?
SACHS.
Mein Kind, der wär zu alt für dich.
EVA.
Ei, was! Zu alt? Hier gilt’s der Kunst,
wer sie versteht, der werb um mich.
SACHS.
Lieb‘ Evchen, machst mir blauen Dunst?
EVA.
Nicht ich, Ihr seid’s, Ihr macht mir Flausen!
Gesteht nur, daß Ihr wandelbar.
Gott weiß, wer Euch jetzt im Herzen mag hausen!
Glaubt ich mich doch drin so manches Jahr.
SACHS.
Wohl, da ich dich gern auf den Armen trug?
EVA.
Ich seh, ’s war nur, weil Ihr kinderlos.
SACHS.
Hatt‘ einst ein Weib und Kinder genug.
EVA.
Doch, starb Eure Frau, so wuchs ich groß?
SACHS.
Gar groß und schön!
EVA.
Da dacht ich aus,
Ihr nähm’t mich für Weib und Kind ins Haus?
SACHS.
Da hätt ich ein Kind, und auch ein Weib!
’s wär gar ein lieber Zeitvertreib!
Ja, ja! Das hast du dir schön erdacht.
EVA.
Ich glaub, der Meister mich gar verlacht?
Am End auch ließ er sich gar gefallen,
daß unter der Nas ihm weg vor Allen
der Beckmesser morgen mich ersäng‘?
SACHS.
Wer sollt’s ihm wehren, wenn’s ihm geläng‘?
Dem wüßt allein dein Vater Rat.
EVA.
Wo so ein Meister den Kopf nur hat!
Käm ich zu Euch wohl, fänd ich’s zu Haus?
SACHS trocken.
Ach, ja! Hast recht: ’s ist im Kopf mir kraus.
Hab heut manch Sorg und Wirr erlebt:
da mag’s dann sein, daß was drin klebt.
EVA wieder näher rückend.
Wohl in der Singschul? ’s war heut Gebot?
SACHS.
Ja, Kind! Eine Freiung machte mir Not.
EVA.
Ja, Sachs! Das hättet Ihr gleich solln sagen,
quält Euch dann nicht mit unnützen Fragen. –
Nun sagt, wer war’s, der Freiung begehrt?
SACHS.
Ein Junker, Kind, gar unbelehrt.
EVA wie heimlich.
Ein Ritter? Mein, sagt! Und ward er gefreit?
SACHS.
Nichts da, mein Kind! ’s gab gar viel Streit.
EVA.
So sagt, – erzählt, – wie ging es zu?
Macht’s Euch Sorg‘, wie ließ mir es Ruh? –
So bestand er übel, und hat vertan?
SACHS.
Ohne Gnad versang der Herr Rittersmann.
MAGDALENE kommt zum Hause heraus und ruft leise.
Bst! Evchen! Bst!
EVA eifrig zu Sachs gewandt.
Ohne Gnade? Wie?
Kein Mittel gäb’s, das ihm gedieh?
Sang er so schlecht, so fehlervoll,
daß nichts mehr zum Meister ihm helfen soll?
SACHS.
Mein Kind, für den ist Alles verloren,
und Meister wird der in keinem Land,
denn wer als Meister geboren,
der hat unter Meistern den schlimmsten Stand.
MAGDALENE vernehmlicher rufend.
Der Vater verlangt.
EVA immer dringender zu Sachs.
So sagt mir noch an,
ob keinen der Meister zum Freund er gewann?
SACHS.
Das wär nicht übel, Freund ihm noch sein!
Ihm, vor dem sich Alle fühlten so klein?
Den Junker Hochmut, laßt ihn laufen!
Mag er durch die Welt sich raufen;
was wir erlernt mit Not und Müh,
dabei laßt uns in Ruh verschnaufen:
hier renn er uns nichts übern Haufen;
sein Glück ihm anderswo erblüh!
EVA erhebt sich zornig.
Ja! anderswo soll’s ihm erblühn,
als bei euch garst’gen, neid’schen Mannsen, –
wo warm die Herzen noch erglühen,
trotz allen tück’schen Meister Hansen! –
Zu Magdalene.
Gleich, Lene, gleich! Ich komme schon!
Was trüg ich hier für Trost davon?
Da riecht’s nach Pech, daß Gott erbarm: –
brennt‘ er’s lieber, da würd er doch warm!
Sie geht sehr aufgeregt über die Straße hinüber und verweilt in großer Unruhe unter der Türe des Hauses.
SACHS sieht ihr mit bedeutungsvollem Kopfnicken nach.
Das dacht ich wohl. Nun heißt’s: schaff Rat!
Er ist während des Folgenden damit beschäftigt, auch die obere Ladentür so weit zu schließen, daß sie nur ein wenig Licht noch durchläßt: er selbst verschwindet so fast gänzlich.
MAGDALENE.
Hilf Gott! Wo bliebst du nur so spat?
Der Vater rief.
EVA.
Geh zu ihm ein:
ich sei zu Bett, im Kämmerlein.
MAGDALENE.
Nicht doch, – hör mich! Komm ich dazu?
Beckmesser fand mich; er läßt nicht Ruh:
zur Nacht sollst du dich ans Fenster neigen,
er will dir was Schönes singen und geigen,
mit dem er dich hofft zu gewinnen, das Lied,
ob das dir nach Gefallen geriet.
EVA.
Das fehlte auch noch! – Käme nur Er!
MAGDALENE.
Hast David gesehn?
EVA.
Was soll mir der?
Sie späht aus.
MAGDALENE für sich.
Ich war zu streng; er wird sich grämen.
EVA.
Siehst du noch nichts?
MAGDALENE tut, als spähte sie.
’s ist, als ob Leut dort kämen.
EVA.
Wär er’s?
MAGDALENE.
Mach, und komm jetzt hinan!
EVA.
Nicht eh’r, bis ich sah den teuersten Mann!
MAGDALENE.
Ich täuschte mich dort; er war es nicht.
Jetzt komm, sonst merkt der Vater die Geschicht!
EVA.
Ach, meine Angst! –
MAGDALENE.
Auch laß uns beraten,
wie wir des Beckmessers uns entladen!
EVA.
Zum Fenster gehst du für mich.
Sie lauscht.
MAGDALENE.
Wie? ich? –
Für sich.
Das machte wohl David eiferlich? –
Er schläft nach der Gassen: hihi! ’s wär fein! –
EVA.
Da hör ich Schritte.
MAGDALENE zu Eva.
Jetzt komm, es muß sein.
EVA.
Jetzt näher!
MAGDALENE.
Du irrst; ’s ist nichts, ich wett.
Ei, komm! Du mußt, bis der Vater zu Bett.
POGNERS STIMME von innen.
He! Lene! Eva!
MAGDALENE.
’s ist höchste Zeit.
Hörst du’s? Komm! Dein Ritter ist weit.
Sie zieht die sich sträubende Eva am Arm die Stufen zur Tür hinauf.
Fünfte Szene
Walther ist die Gasse heraufgekommen; jetzt biegt er um die Ecke herum; Eva erblickt ihn.
EVA.
Da ist er!
Sie reißt sich von Magdalene los und stürzt Walther auf die Straße entgegen.
EVA außer sich.
Ja. Ihr seid es;
nein, du bist es!
Alles sag ich,
denn Ihr wißt es;
alles klag‘ ich,
denn ich weiß es:
Ihr seid Beides,
Held des Preises
und mein einz’ger Freund!
WALTHER leidenschaftlich.
Ach, du irrst: bin nur dein Freund,
doch des Preises
noch nicht würdig,
nicht den Meistern
ebenbürtig:
mein Begeistern
fand Verachten,
und ich weiß es,
darf nicht trachten
nach der Freundin Hand.
EVA.
Wie du irrst! Der Freundin Hand,
erteilt nur sie den Preis,
wie deinen Mut ihr Herz erfand,
reicht sie nur dir das Reis.
WALTHER.
Ach, nein! Du irrst: der Freundin Hand,
wär keinem sie erkoren,
wie sie des Vaters Wille band,
mir wär sie doch verloren!
»Ein Meistersinger muß es sein;
nur, wen ihr krönt, den darf sie frei’n!«
So sprach er festlich zu den Herrn;
kann nicht zurück, möcht er auch gern! –
Das eben gab mir Mut:
wie ungewohnt mir Alles schien,
ich sang voll Lieb und Glut,
daß ich den Meisterschlag verdien. –
Doch, diese Meister!
Wütend.
Ha! diese Meister!
Dieser Reimgesetze
Leimen und Kleister! –
Mir schwillt die Galle,
das Herz mir stockt,
denk ich der Falle,
darein ich gelockt.
Fort, in die Freiheit!
Dahin gehör ich, –
da, wo ich Meister im Haus!
Soll ich dich frei’n heut,
dich nun beschwör ich,
komm und folg mir hinaus!
Nichts steht zu hoffen;
keine Wahl ist offen!
Überall Meister,
wie böse Geister,
seh ich sich rotten,
mich zu verspotten:
mit den Gewerken,
aus den Gemerken,
aus allen Ecken,
auf allen Flecken,
seh ich zu Haufen
Meister nur laufen,
mit höhnendem Nicken
frech auf dich blicken,
in Kreisen und Ringeln
dich umzingeln,
näselnd und kreischend
zur Braut dich heischend,
als Meisterbuhle
auf dem Singstuhle,
zitternd und bebend,
hoch dich erhebend!
Und ich ertrüg es, sollt es nicht wagen,
gradaus tüchtig drein zu schlagen?
Man hört den starken Ruf eines Nachtwächterhorns.
Ha!
Walter hat mit emphatischer Gebärde die Hand an das Schwert gelegt und starrt wild vor sich hin.
EVA faßt ihn besänftigend bei der Hand.
Geliebter, spare den Zorn;
’s war nur des Nachtwächters Horn. –
Unter der Linde
birg dich geschwinde;
hier kommt der Wächter vorbei.
MAGDALENE ruft leise unter der Türe.
Evchen! ’s Zeit: mach dich frei!
WALTHER.
Du fliehst?
EVA lächelnd.
Muß ich denn nicht?
WALTHER.
Entweichst?
EVA mit zarter Bestimmtheit.
Dem Meistergericht.
Sie verschwindet mit Magdalene im Hause.
DER NACHTWÄCHTER ist während dem in der Gasse erschienen, kommt singend nach vorn, biegt um die Ecke von Pogners Haus und geht nach links zu weiter ab.
Hört, ihr Leut, und laßt euch sagen,
die Glock hat zehn geschlagen;
bewahrt das Feuer und auch das Licht,
daß niemand kein Schad geschicht.
Lobet Gott den Herrn! –
SACHS welcher hinter der Ladentüre dem Gespräche gelauscht, öffnet jetzt, bei eingezogenem Lampenlicht, ein wenig mehr.
Üble Dinge, die ich da merk:
eine Entführung gar im Werk?
Aufgepaßt! Das darf nicht sein. –
WALTHER hinter der Linde.
Käm sie nicht wieder? O der Pein!
Eva kommt in Magdalenes Kleidung aus dem Hause: die Gestalt gewahrend.
Doch ja, sie kommt dort? – Weh mir! – nein! –
die Alte ist’s. –
Eva erblickt Walther und eilt auf ihn zu.
Doch – aber – ja!
EVA.
Das tör’ge Kind, da hast du’s, da!
Sie wirft sich ihm heiter an die Brust.
WALTHER hingerissen.
O Himmel! Ja, nun wohl ich weiß,
daß ich gewann den Meisterpreis.
EVA.
Doch nun kein Besinnen!
Von hinnen! Von hinnen!
O, wären wir schon fort!
WALTHER.
Hier durch die Gasse, dort
finden wir vor dem Tor
Knecht und Rosse vor.
Nachtwächterhorn entfernt.
Als sich Beide wenden, um in die Gasse einzubiegen, läßt Sachs, nachdem er die Lampe hinter eine Glaskugel gestellt, durch die ganz wieder geöffnete Ladentüre einen grellen Lichtschein quer über die Straße fallen, so daß Eva und Walther sich plötzlich hell erleuchtet sehen.
EVA Walther hastig zurückziehend.
O weh! Der Schuster! –
Wenn er uns säh!
Birg dich – komm ihm nicht in die Näh!
WALTHER.
Welch andrer Weg führt uns hinaus?
EVA.
Dort durch die Straße; doch der ist kraus,
ich kenn ihn nicht gut; auch stießen wir dort
auf den Wächter.
WALTHER.
Nun denn, durch die Gasse.
EVA.
Der Schuster muß erst vom Fenster fort.
WALTHER.
Ich zwing ihn, daß er’s verlasse.
EVA.
Zeig dich ihm nicht: er kennt dich.
WALTHER.
Der Schuster?
EVA.
’s ist Sachs.
WALTHER.
Hans Sachs? Mein Freund!
EVA.
Glaub’s nicht!
Von dir Übles zu sagen nur wußt er.
WALTHER.
Wie? Sachs? Auch er? – Ich lösch ihm das Licht.
Sechste Szene
Beckmesser ist, dem Nachtwächter nachschleichend, die Gasse heraufgekommen, hat nach den Fenstern von Pogners Haus gespäht, und an Sachsens Haus angelehnt, stimmt er jetzt seine mitgebrachte Laute.
EVA Walther zurückhaltend.
Tu’s nicht! – Doch horch! –
WALTHER.
Ein lauter Klang.
EVA.
Ach! meine Not!
Als Sachs den ersten Ton der Laute vernommen, hat er, von einem plötzlichen Einfall erfaßt, das Licht wieder etwas eingezogen und öffnet leise den unteren Teil des Ladens.
WALTHER.
Wie wird dir bang?
Der Schuster, sieh, zog ein das Licht:
so sei’s gewagt!
EVA.
Weh! Siehst du denn nicht?
Ein Andrer kam, und nahm dort Stand.
WALTHER.
Ich hör’s und seh’s: ein Musikant.
Was will der hier so spät des Nachts?
EVA in Verzweiflung.
’s ist Beckmesser schon!
SACHS hat unvermerkt seinen Werktisch ganz unter die Tür gestellt; jetzt erlauscht er Evas Ausruf.
Aha! – ich dacht’s.
Er setzt sich leise zur Arbeit zurecht.
WALTHER.
Der Merker? Er? In meiner Gewalt?
Drauf zu! Den Lung’rer mach ich kalt.
EVA.
Um Gott! So hör! Willst du den Vater wecken?
Er singt ein Lied, dann zieht er ab. –
Laß dort uns im Gebüsch verstecken! –
Was mit den Männern ich Müh doch hab!
Sie zieht Walther hinter das Gebüsch auf die Bank unter der Linde. Beckmesser, eifrig nach dem Fenster lugend, klimpert voll Ungeduld heftig auf der Laute. Als er sich endlich auch zum Singen rüstet, schlägt Sachs sehr stark mit dem Hammer auf den Leisten, nachdem er soeben das Licht wieder hell auf die Straße hat fallen lassen.
SACHS.
Jerum! Jerum!
Hallahallohe!
O ho! Tralalei! Tralalei! O he!
BECKMESSER springt ärgerlich von dem Steinsitz auf und gewahrt Sachs bei der Arbeit.
Was soll das sein? –
Verdammtes Schrei’n!
SACHS.
Als Eva aus dem Paradies
von Gott dem Herrn verstoßen,
gar schuf ihr Schmerz der harte Kies
an ihrem Fuß, dem bloßen.
BECKMESSER.
Was fällt dem groben Schuster ein?
SACHS.
Das jammerte den Herrn;
ihr Füßchen hatt er gern,
und seinem Engel rief er zu:
»Da, mach der armen Sünd’rin Schuh‘;
und da der Adam, wie ich seh,
an Steinen dort sich stößt die Zeh,
daß recht fortan
er wandeln kann,
so miß dem auch Stiefeln an!«
WALTHER flüsternd zu Eva.
Was heißt das Lied? Wie nennt er dich?
EVA flüsternd zu Walther.
Ich hört es schon; ’s geht nicht auf mich:
doch eine Bosheit steckt darin.
WALTHER.
Welch Zögernis! Die Zeit geht hin.
BECKMESSER tritt zu Sachs heran.
Wie? Meister? Auf? Noch so spät zur Nacht?
SACHS.
Herr Stadtschreiber! Was? Ihr wacht? –
Die Schuh machen Euch große Sorgen?
Ihr seht, ich bin dran: Ihr habt sie morgen.
Arbeitet.
BECKMESSER zornig.
Hol der Teufel die Schuh!
Hier will ich Ruh!
SACHS.
Jerum! Jerum!
Hallahallohe!
O ho! Tralalei! Tralalei! O he!
O Eva! Eva! Schlimmes Weib,
das hast du am Gewissen,
daß ob der Füß am Menschenleib
jetzt Engel schustern müssen!
Bliebst du im Paradies,
da gab es keinen Kies:
um deiner jungen Missetat
hantier ich jetzt mit Ahl und Draht,
und ob Herrn Adams übler Schwäch‘
versohl ich Schuh und streiche Pech!
Wär ich nicht fein
ein Engel rein,
der Teufel möchte Schuster sein! –
Je –
Sich unterbrechend.
WALTHER zu Eva.
Uns, oder dem Merker,
wem spielt er den Streich?
EVA zu Walther.
Ich fürcht, uns Dreien
gilt er gleich.
O weh, der Pein!
Mir ahnt nichts Gutes.
WALTHER.
Mein süßer Engel,
sei guten Mutes!
EVA.
Mich betrübt das Lied.
WALTHER.
Ich hör es kaum;
du bist bei mir:
Welch holder Traum!
Er zieht Eva zärtlich an sich.
BECKMESSER drohend auf Sachs zufahrend.
Gleich höret auf!
Spielt Ihr mir Streich‘?
Bleibt Ihr tags
und nachts Euch gleich?
SACHS.
Wenn ich hier sing,
was kümmert’s Euch?
Die Schuhe sollen
doch fertig werden?
BECKMESSER.
So schließt Euch ein,
und schweigt dazu still!
SACHS.
Des Nachts arbeiten
macht Beschwerden;
wenn ich da munter
bleiben will,
so brauch ich Luft
und frischen Gesang:
drum hört, wie der dritte
Vers gelang! –
Er wichst den Draht recht ersichtlich.
BECKMESSER.
Er macht mich rasend! – Das grobe Geschrei!
Am End denkt sie gar, daß ich das sei!
Er hält sich die Ohren zu und geht, verzweiflungsvoll sich mit sich beratend, die Gasse vor dem Fenster auf und ab.
SACHS.
Jerum! Jerum!
Hallahallohe!
O ho! Tralalei! Tralalei! O he!
O Eva! Hör mein Klageruf,
mein Not und schwer Verdrüssen!
Die Kunstwerk‘, die ein Schuster schuf,
sie tritt die Welt mit Füßen.
Gäb nicht ein Engel Trost,
der gleiches Werk erlost,
und rief mich oft ins Paradies,
wie ich da Schuh und Stiefel ließ!
Doch wenn mich der im Himmel hält,
dann liegt zu Füßen mir die Welt,
und bin in Ruh
Hans Sachs, ein Schuh-
macher und Poet dazu!
BECKMESSER.
Das Fenster geht auf!
Er späht nach dem Fenster, welches jetzt leise geöffnet wird und an welchem vorsichtig Magdalene in Evas Kleidung sich zeigt.
Herr Gott, ’s ist sie. –
EVA mit großer Aufgeregtheit.
Mich schmerzt das Lied, ich weiß nicht wie!
O fort! Laß uns fliehen!
WALTHER auffahrend.
Nun denn: mit dem Schwert!
EVA.
Nicht doch! Ach, halt!
WALTHER die Hand vom Schwert nehmend.
Kaum wär er’s wert.
EVA.
Ja, besser Geduld!
BECKMESSER.
Jetzt bin ich verloren, singt der noch fort!
Er tritt zu Sachs an den Laden heran und klimpert, während des Folgenden, mit dem Rücken der Gasse zugewendet, seitwärts auf der Laute, um Magdalene am Fenster festzuhalten.
Freund Sachs! So hört doch nur ein Wort!
EVA.
O, bester Mann!
Daß ich so Not dir machen kann!
WALTHER leise zu Eva.
Wer ist am Fenster?
EVA leise.
’s ist Magdalene.
WALTHER.
Das heiß ich vergelten. Fast muß ich lachen.
EVA.
Wie ich ein End und Flucht mir ersehne!
WALTHER.
Ich wünscht, er möchte den Anfang machen.
Walther und Eva, auf der Bank sanft aneinander gelehnt, verfolgen des weiteren den Vorgang zwischen Sachs und Beckmesser mit wachsender Teilnahme.
BECKMESSER.
Wie seid Ihr auf die Schuh versessen!
Ich hatt sie wahrlich schon vergessen.
Als Schuster seid Ihr mir wohl wert,
als Kunstfreund doch weit mehr verehrt.
Er klimpert wiederholt seitwärts, ängstlich nach dem Fenster gewandt.
Eu’r Urteil, glaubt, das halt ich wert;
drum bitt ich, hört das Liedlein doch,
mit dem ich morgen möcht gewinnen,
oh das auch recht nach Euren Sinnen.
SACHS.
O ha! Wollt mich beim Wahne fassen?
Mag mich nicht wieder schelten lassen.
Seit sich der Schuster dünkt Poet,
gar übel es um Eu’r Schuhwerk steht:
ich seh, wie’s schlappt,
und überall klappt;
drum laß ich Vers und Reim
gar billig nun daheim,
Verstand und Witz, und Kenntnis dazu,
mach Euch für morgen die neuen Schuh.
BECKMESSER kreischend.
Laßt das doch sein! Das war ja nur Scherz:
Vernehmt besser, wie’s mir ums Herz. –
Vom Volk seid Ihr geehrt,
auch der Pognerin seid Ihr wert:
will ich vor aller Welt
nun morgen um die werben,
sagt! – könnt’s mich nicht verderben,
wenn mein Lied ihr nicht gefällt?
Drum hört mich ruhig an,
und sang ich, sagt mir dann,
was Euch gefällt, was nicht, –
daß ich mich darnach richt.
SACHS.
Ei! Laßt mich doch in Ruh,
wie käme solche Ehr mir zu?
Nur Gassenhauer dicht‘ ich zum meisten:
drum sing ich zur Gassen, und hau auf den Leisten! –
Jerum! Jerum!
Hallahallohe!
O ho! Tralalei! Tralalei! O he!
BECKMESSER.
Verfluchter Kerl! Den Verstand verlier ich,
mit seinem Lied voll Pech und Schmierich!
Schweigt doch! Weckt Ihr die Nachbarn auf?
SACHS.
Die sind’s gewöhnt: ’s hört keiner drauf.
»O Eva! Eva!«
BECKMESSER in höchste Wut ausbrechend.
Oh, Ihr boshafter Geselle!
Ihr spielt mir heut den letzten Streich:
Schweigt Ihr jetzt nicht auf der Stelle,
so denkt Ihr dran, das schwör ich Euch!
Er klimpert wütend.
Neidisch seid Ihr, nichts weiter:
dünkt Ihr Euch auch gleich gescheiter;
daß Andre auch was sind, ärgert Euch schändlich:
glaubt, ich kenne Euch aus- und inwendlich!
Daß man Euch noch nicht zum Merker gewählt,
das ist’s, was den gallichten Schuster quält.
Nun gut! So lang als Beckmesser lebt,
und ihm noch ein Reim an den Lippen klebt;
so lang ich noch bei den Meistern was gelt –
ob Nürnberg blüh und wachs,
das schwör ich Herrn Hans Sachs,
nie wird er je zum Merker bestellt.
Er klimpert in höchster Wut.
SACHS der ihm ruhig und aufmerksam zugehört hat.
War das Eu’r Lied?
BECKMESSER.
Der Teufel hol’s!
SACHS.
Zwar wenig Regel, doch klang’s recht stolz.
BECKMESSER.
Wollt Ihr mich hören?
SACHS.
In Gottes Namen,
singt zu: ich schlag auf die Sohl die Rahmen.
BECKMESSER.
Doch schweigt Ihr still?
SACHS.
Ei, singet Ihr,
die Arbeit, schaut, fördert’s auch mir.
BECKMESSER.
Das verfluchte Klopfen wollt Ihr doch lassen?
SACHS.
Wie sollt ich die Sohl Euch richtig fassen?
BECKMESSER.
Was? Ihr wollt klopfen, und ich soll singen?
SACHS.
Euch muß das Lied, mir der Schuh gelingen.
BECKMESSER.
Ich mag keine Schuh!
SACHS.
Das sagt Ihr jetzt:
in der Singschul Ihr mir’s dann wieder versetzt.
Doch hört! Vielleicht sich’s richten läßt;
zwei-einig geht der Mensch am best‘.
Darf ich die Arbeit nicht entfernen,
die Kunst des Merkers möcht ich erlernen;
darin kommt Euch nun Keiner gleich:
ich lern sie nie, wenn nicht von Euch.
Drum, singt Ihr nun, ich acht und merk,
und fördr‘ auch wohl dabei mein Werk.
BECKMESSER.
Merkt immer zu; und was nicht gewann,
nehmt Eure Kreide und streicht mir’s an.
SACHS.
Nein, Herr! da fleckten die Schuh mir nicht:
mit dem Hammer auf den Leisten halt ich Gericht.
BECKMESSER.
Verdammte Bosheit! – Gott, und ’s wird spät!
Am End mir die Jungfer vom Fenster geht!
Er klimpert eifrig.
SACHS aufschlagend.
Fanget an, ’s pressiert: sonst sing ich für mich.
BECKMESSER.
Haltet ein! Nur das nicht! – (Teufel! Wie ärgerlich!) –
Wollt Ihr Euch denn als Merker erdreisten,
nun gut, so merkt mit dem Hammer auf den Leisten:
nur mit dem Beding, nach den Regeln scharf,
aber nichts, was nach den Regeln ich darf.
SACHS.
Nach den Regeln, wie sie der Schuster kennt,
dem die Arbeit unter den Händen brennt.
BECKMESSER.
Auf Meisterehr?
SACHS.
Und Schustermut!
BECKMESSER.
Nicht einen Fehler: glatt und gut.
Nachtwächterhorn sehr entfernt.
SACHS.
Dann ging’t Ihr morgen unbeschuht!
Auf den Steinsitz vor der Ladentüre deutend.
Setzt Euch denn hier!
BECKMESSER zieht sich nach der Ecke des Hauses zurück.
Laßt mich hier stehen.
SACHS.
Warum so weit?
BECKMESSER.
Euch nicht zu sehen,
wie’s Brauch der Schul vor dem Gemerk.
SACHS.
Da hör ich Euch schlecht.
BECKMESSER.
Der Stimme Stärk
ich so gar lieblich dämpfen kann.
Er stellt sich ganz um die Ecke dem Fenster gegenüber auf.
SACHS.
(Wie fein!) – Nun, gut denn! Fanget an!
Beckmesser stimmt die in der Wut unversehens heraufgeschraubte D-Saite wieder herunter.
WALTHER leise zu Eva.
Welch toller Spuk! Mich dünkt’s ein Traum:
den Singstuhl, scheint’s, verließ ich kaum.
EVA sanft an Walthers Brust gelehnt.
Die Schläf umwebt mir’s wie ein Wahn:
ob’s Heil, ob Unheil, was ich ahn?
BECKMESSER.
»Den Tag seh‘ ich erscheinen,
Sachs holt mit dem Hammer aus.
der mir wohl gefall’n tut;
Sachs schlägt auf. Beckmesser schüttelt sich.
da faßt mein Herz sich einen …
Sachs schlägt auf. Beckmesser setzt heftig ab, singt aber weiter.
guten und frischen« –
Sachs hat aufgeschlagen. Beckmesser wendet sich wütend um die Ecke herum.
Treibt Ihr hier Scherz?
Was wär nicht gelungen?
SACHS.
Besser gesungen:
»Da faßt mein Herz
sich einen guten, frischen« -?
BECKMESSER.
Wie soll sich das reimen
auf »seh ich erscheinen«?
SACHS.
Ist Euch an der Weise nichts gelegen?
Mich dünkt, sollt passen Ton und Wort?
BECKMESSER.
Mit Euch zu streiten? – Laßt von den Schlägen,
sonst denkt Ihr mir dran!
SACHS.
Jetzt fahret fort!
BECKMESSER.
Bin ich verwirrt! –
SACHS.
So fangt noch mal an:
drei Schläg ich jetzt pausieren kann.
BECKMESSER beiseite.
Am besten, wenn ich ihn gar nicht beacht: –
wenn’s nur die Jungfer nicht irre macht!
»Den Tag seh ich erscheinen,
der mir wohl gefall’n tut;
da faßt mein Herz sich einen
guten und frischen Mut:
da denk ich nicht an Sterben,
Sachs schlägt.
lieber an Werben
um jung Mägdeleins Hand.
Sachs schlägt.
Warum wohl aller Tage
schönster mag dieser sein?
Zwei Schläge. Ärgerlich.
Allen hier ich es sage:
weil ein schönes Fräulein
Zwei Schläge.
von ihrem lieb’n Herrn Vater,
Sachs nickt ironisch beifällig.
wie gelobt hat er,
Viele kleine Schläge.
ist bestimmt zum Eh’stand.
Fünf Schläge. Sehr ärgerlich.
Wer sich getrau,
Schlag.
der komm und schau.
Schlag.
Da steht die hold lieblich Jungfrau,
Schlag.
auf die ich all mein Hoffnung bau,
Schlag.
darum ist der Tag so schön blau,
Viele Schläge.
als ich anfänglich fand.«
Springt wütend auf.
Sachs! Seht, Ihr bringt mich um!
Wollt Ihr jetzt schweigen?
SACHS.
Ich bin ja stumm!
Die Zeichen merkt ich; wir sprechen dann:
derweil lassen die Sohlen sich an.
BECKMESSER gewahrt, daß Magdalene sich vom Fenster entfernen will.
Sie entweicht? Bst! Bst! – Herr Gott, ich muß!
Um die Ecke herum die Faust gegen Sachs ballend.
Sachs, Euch gedenk ich die Ärgernuß!
Er macht sich zum 2. Vers fertig.
SACHS mit dem Hammer nach dem Leisten ausholend.
Merker am Ort:
fahret fort!
BECKMESSER immer stärker und atemloser.
»Will heut mir das Herz hüpfen,
Schläge wie vorher.
werben um Fräulein jung,
doch tät der Vater knüpfen
daran ein Bedingung
für den, wer ihn beerben
will, und auch werben
um sein Kindelein fein.
Der Zunft ein biedrer Meister,
wohl sein Tochter er liebt,
doch zugleich auch beweist er,
was er auf die Kunst gibt:
zum Preise muß es bringen
im Meistersingen,
wer sein Eidam will sein.
Er stampft wütend mit den Füßen.
Nun gilt es Kunst,
daß mit Vergunst,
ohn all schädlich gemeinen Dunst
ihm glücke des Preises Gewunst,
wer begehrt mit wahrer Inbrunst,
Sachs, welcher kopfschüttelnd es aufgibt, die einzelnen Fehler anzumerken, arbeitet hämmernd fort, um den Keil aus dem Leisten zu schlagen.
um die Jungfrau zu frei’n.« –
SACHS über den Laden weit herausgelehnt.
Seid Ihr nun fertig?
BECKMESSER in höchster Angst.
Wie fraget Ihr?
SACHS hält die fertigen Schuhe triumphierend heraus.
Mit den Schuhen ward ich fertig schier. –
Während er die Schuhe an den Bändern hoch in der Luft tanzen läßt.
Das heiß ich mir echte Merkerschuh: –
mein Merkersprüchlein hört dazu! –
Sehr kräftig.
Mit lang und kurzen Hieben
steht’s auf der Sohl geschrieben:
da lest es klar
und nehmt es wahr,
und merkt’s Euch immerdar.
Gut Lied will Takt:
wer den verzwackt,
dem Schreiber mit der Feder
haut ihn der Schuster aufs Leder. –
Nun lauft in Ruh:
habt gute Schuh,
der Fuß Euch drin nicht knackt,
ihn hält die Sohl im Takt!
BECKMESSER der sich ganz in die Gasse zurückgezogen hat und an die Mauer mit dem Rücken sich anlehnt, singt, um Sachs zu übertäuben, mit größter Anstrengung, schreiend und atemlos hastig, während er die Laute wütend nach Sachs schwingt.
»Darf ich mich Meister nennen,
das bewähr ich heut gern,
weil ich nach dem Preis brennen
muß, dursten und hungern.
Nun ruf ich die neun Musen,
daß an sie blusen
mein dicht’rischen Verstand.
Wohl kenn ich alle Regeln,
halte gut Maß und Zahl;
doch Sprung und Überkegeln
wohl passiert je einmal,
wann der Kopf ganz voll Zagen
zu frei’n will wagen
um jung Mägdeleins Hand.
Er verschnauft sich.
Ein Junggesell,
trug ich mein Fell,
mein Ehr, Amt, Würd und Brot zur Stell,
daß Euch mein Gesang wohl gefällt,
und mich das Jungfräulein erwähl,
wenn sie mein Lied gut fand.« –
DAVID hat den Fensterladen, dicht hinter Beckmesser, ein wenig geöffnet und lugt daraus hervor.
Wer Teufel, hier? –
Er wird Magdalene gewahr.
Und drüben gar?
Die Lene ist’s -, ich seh es klar!
Herrje, der war’s, den hat sie bestellt.
Der ist’s, der ihr besser als ich gefällt!
Nun warte, du kriegst’s! Dir streich ich das Fell!
Er entfernt sich nach innen.
NACHBARN erst einige, dann immer mehre, öffnen in der Gasse die Fenster und gucken heraus.
Was heult denn da? Wer kreischt mit Macht?
Ist das erlaubt so spät zur Nacht?
Gebt Ruhe hier! ’s ist Schlafenszeit.
Mein‘, hört nur, wie dort der Esel schreit!
Ihr da! Seid still und schert Euch fort!
Heult, kreischt und schreit an andrem Ort!
Sie verlassen die Fenster und kommen nach und nach in Nachtkleidern einzeln auf die Straße heraus.
Sachs beobachtet noch eine Zeitlang den wachsenden Tumult, löscht aber alsbald sein Licht aus und schließt den Laden so weit, daß er, ungesehen, stets durch eine kleine Öffnung den Platz unter der Linde beobachten kann. – Walther und Eva sehen mit wachsender Sorge dem anschwellenden Auflaufe zu; er schließt sie in seinen Mantel fest an sich und birgt sich hart an der Linde im Gebüsch, so daß beide fast ungesehen bleiben.
DAVID ist, mit einem Knüppel bewaffnet, zurückgekommen, steigt aus dem Fenster und wirft sich auf Beckmesser.
Zum Teufel mit dir, verdammter Kerl!
Magdalene winkt, da sie David wiederkommen sieht, diesem heftig zurück, was Beckmesser, als Zeichen des Mißfallens deutend, zur äußersten Verzweiflung im Gesangsausdrucke bringt.
MAGDALENE am Fenster, schreiend.
Ach, Himmel! David! Gott, welche Not!
Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sie schlagen sich tot!
BECKMESSER wehrt sich, will fliehen; David hält ihn am Kragen.
Verfluchter Bursch! Läßt du mich los?
DAVID.
Gewiß! Die Glieder brech ich dir bloß!
Beckmesser und David balgen sich fortwährend; bald verschwinden sie gänzlich, bald kommen sie wieder in den Vordergrund, immer Beckmesser auf der Flucht. David ihn einholend, festhaltend und prügelnd.
NACHBARN an den Fenstern.
Seht nach! Springt zu! Da würgen sich zwei!
Sie kommen herab.
’s gibt Schlägerei!
ANDERE NACHBARN in die Gasse laut schreiend.
Heda! Herbei! ’s gibt Schlägerei:
da würgen sich zwei.
Ihr da, laßt los! Gebt freien Lauf!
Laßt ihr nicht los, wir schlagen drauf.
EIN NACHBAR.
Ei, seht, auch Ihr hier? Geht’s Euch was an?
EIN ZWEITER.
Was sucht Ihr hier? Hat man Euch was getan?
ERSTER NACHBAR.
Euch kennt man gut.
ZWEITER NACHBAR.
Euch noch viel besser.
ERSTER NACHBAR.
Wieso denn?
ZWEITER NACHBAR zuschlagend.
Ei, so!
MAGDALENE hinabschreiend.
David! Beckmesser!
LEHRBUBEN einzeln, dann mehr, kommen von allen Seiten dazu.
Herbei! Herbei! ’s gibt Keilerei!
EINIGE.
’s sind die Schuster!
ANDERE.
Nein, ’s sind die Schneider!
DIE ERSTEREN.
Die Trunkenbolde!
DIE ANDEREN.
Die Hungerleider!
DIE NACHBARN auf der Gasse durcheinander.
Euch gönnt ich’s schon lange!
Wird euch wohl bange?
Das für die Klage!
Seht euch vor, wenn ich schlage!
Hat euch die Frau gehetzt?
Schau, wie es Prügel setzt!
Seid ihr noch nicht gewitzt?
Nun, schlagt doch! – Das sitzt!
Daß dich Halunken
gleich ein Donnerwetter träf!
Wartet, ihr Racker!
Maßabzwacker! –
Esel! – Dummrian! –
Du Grobian! –
Lümmel du! –
Drauf und zu!
LEHRBUBEN kommen von allen Seiten dazu.
Kennt man die Schlosser nicht?
Die haben’s sicher angericht’t!
Ich glaub, die Schmiede werden’s sein!
Die Schreiner seh ich dort beim Schein! –
Hei! Schaut die Schäffler dort beim Tanz! –
Dort seh die Bader ich im Glanz;
herbei zum Tanz!
Krämer finden sich zur Hand
mit Gerstenstang und Zuckerkand,
mit Pfeffer, Zimt, Muskatennuß,
sie riechen schön,
doch machen viel Verdruß;
sie riechen schön,
und bleiben gern vom Schuß.
Seht nur, der Has
hat überall die Nas!
Meinst du damit etwa mich?
Mein ich damit etwa dich?
Immer mehr heran!
Lustig, wacker! Jetzt geht’s erst recht an!
Hei, nun geht’s Plauz hast du nicht gesehn!
Hast’s auf die Schnauz! –
Ha! nun geht’s: Krach! Hagelwetterschlag!
Wo es sitzt, da wächst nichts so bald nach!
Keilt euch wacker! Keiner weiche!
Haltet selbst Gesellen mutig stand!
Wer wich, ’s wär‘ wahrlich eine Schand!
Wacker drauf und dran!
Wir stehen Alle wie ein Mann!
Wie ein Mann
stehn wir Alle fest zur Keilerei!
Bereits prügeln sich Nachbarn und Lehrbuben fast allgemein durcheinander.
GESELLEN mit Knitteln bewaffnet, kommen von verschiedenen Seiten dazu.
Heda! Gesellen ‚ran!
Dort wird mit Streit und Zank getan;
da gibt’s gewiß noch Schlägerei;
Gesellen, haltet euch dabei!
’s sind die Weber! ’s sind die Gerber!
Die Preisverderber!
Dacht ich mir’s doch gleich:
spielen immer Streich! –
Dort den Metzger Klaus
kenn ich heraus!
’s brennt manchem im Haus!
’s ist morgen der Fünfte!
Zünfte heraus! –
Hei, hier setzt’s Prügel!
Schneider mit dem Bügel!
Gürtler! – Spengler! – Zinngießer! –
Leimsieder! – Lichtgießer! –
Tuchscherer! Leinweber!
Immer ‚ran! Immer drauf!
Schert euch selber fort und macht euch heim!
Immer drauf und dran!
Jetzt gilt’s: keiner weiche hier!
Zünfte! Zünfte! Heraus! –
DIE MEISTER und älteren Bürger kommen von verschiedenen Seiten dazu.
Was gibt’s denn da für Zank und Streit?
Das tost ja weit und breit!
Gebt Ruh und schert euch jeder gleich nach Hause heim,
sonst schlag ein Hageldonnerwetter drein!
Stemmt euch hier nicht mehr zu Hauf,
oder sonst wir schlagen drein!
DIE NACHBARINNEN haben die Fenster geöffnet und gucken heraus.
Was ist das für Zanken und Streit?
Da gibt’s gewiß noch Schlägerei?
Wär nur der Vater nicht dabei!
’s wird einem wahrlich angst und bang!
Heda! Ihr dort unten,
so seid doch nur gescheit!
Seid ihr denn Alle gleich
zu Streit und Zank bereit?
Seid ihr Alle blind und toll?
Sind euch vom Wein denn noch die Köpfe voll?
Mein! Dort schlägt sich mein Mann!
Hilfe Der Vater! Der Vater! Ach, sie haun ihn tot!
Hört keines mehr sein Wort! Gott, welche Not!
Seht dort den Christian; er walkt den Peter ab!
Auf, schreit zu Hilfe: Mord und Zeter! –
Gott, wie sie walken!
Die Köpf und Zöpfe wackeln hin und her!
Schafft Wasser, Wasser her! Wasser her!
das gießt ihn‘ auf die Köpf herab!
Die Rauferei ist allgemein geworden, Schreien und Toben.
MAGDALENE am Fenster, schreiend.
Ach Himmel! David! Gott, welche Not!
Zu Hilfe! Zu Hilfe! Sie schlagen sich tot!
Mit größter Anstrengung.
Hör doch nur, David!
So laß doch nur den Herrn dort los,
er hat mir nichts getan!
Hinabspähend.
So hör mich doch nur an!
Herrgott, er hält ihn noch!
Mein‘! David, ist er toll?
Mit höchster Anstrengung.
Ach, David, hör:
’s ist Herr Beckmesser!
POGNER ist im Nachtgewand oben an das Fenster getreten.
Um Gott! Eva! Schließ zu!
Ich seh, ob unt‘ im Hause Ruh!
Er zieht Magdalenen, welche jammernd die Hände nach der Gasse hinab gerungen, herein und schließt das Fenster.
WALTHER der bisher mit Eva sich hinter dem Gebüsch verborgen, faßt jetzt Eva dicht in den linken Arm und zieht mit der rechten Hand das Schwert.
Jetzt gilt’s zu wagen,
sich durchzuschlagen!
Er dringt mit geschwungenem Schwerte bis in die Mitte der Bühne vor, um sich mit Eva durch die Gasse durchzuhauen. – Da springt Sachs mit einem kräftigen Satze aus dem Laden, bahnt sich mit geschwungenem Knieriemen den Weg bis zu Walther und packt diesen beim Arm.
POGNER auf der Treppe.
He! Lene! Wo bist du?
SACHS die halb ohnmächtige Eva die Treppe hinaufstoßend.
Ins Haus, Jungfer Lene!
Pogner empfängt Eva und zieht sie am Arme in das Haus. Sachs, mit dem Knieriemen David eines überhauend und mit einem Fußtritt ihn voran in den Laden stoßend, zieht Walther, den er mit der andren Hand fest gefaßt hält, gewaltsam schnell ebenfalls mit sich hinein und schließt sogleich fest hinter sich zu. – Beckmesser, durch Sachs von David befreit, sucht sich, jämmerlich zerschlagen, eilig durch die Menge zu flüchten. – Im gleichen Augenblick, wo Sachs auf die Straße sprang, hörte man, rechts zur Seite im Vordergrunde, einen besonders starken Hornruf des Nachtwächters. Gleichzeitig haben die Frauen aus allen Fenstern starke Güsse von Wasser aus Kannen, Krügen und Becken auf die Streitenden hinabstürzen lassen: dieses, mit dem besonders starken Tönen des Hornes zugleich, wirkt auf Alle mit einem panischen Schrecken: Nachbarn, Lehrbuben, Gesellen und Meister suchen in eiliger Flucht nach allen Seiten hin das Weite, so daß die Bühne sehr bald gänzlich leer wird; die Haustüren werden hastig geschlossen; auch die Nachbarinnen verschwinden von den Fenstern, welche sie zuschlagen. – Als die Straße und Gasse leer geworden und alle Häuser geschlossen sind, betritt.
DER NACHTWÄCHTER im Vordergrunde rechts die Bühne, reibt sich die Augen, sieht sich verwundert um, schüttelt den Kopf, und stimmt, mit leise bebender Stimme, den Ruf an.
Hört, ihr Leut, und laßt euch sagen,
die Glock‘ hat eilfe geschlagen:
bewahrt euch vor Gespenstern und Spuk,
daß kein böser Geist eu’r Seel beruck!
Lobet Gott, den Herrn!
Hornruf.
Der Vollmond tritt hervor und scheint hell in die Gasse hinein; der Nachtwächter schreitet langsam dieselbe hinab. Als der Nachtwächter um die Ecke biegt, fällt der Vorhang schnell, genau mit dem letzten Takte.
Dritter Aufzug
Erste Szene
In Sachsens Werkstatt. (Kurzer Raum.) Im Hintergrunde die halbgeöffnete Ladentüre, nach der Straße führend. Rechts zur Seite eine Kammertüre. Links das nach der Gasse gehende Fenster, mit Blumenstöcken davor, zur Seite ein Werktisch. Sachs sitzt auf einem großen Lehnstuhle an diesem Fenster, durch welches die Morgensonne hell auf ihn hereinscheint; er hat vor sich auf dem Schoße einen großen Folianten und ist im Lesen vertieft.
David zeigt sich, von der Straße kommend, unter der Ladentüre; er lugt herein und, da er Sachs gewahrt, fährt er zurück. Er versichert sich aber, daß Sachs ihn nicht bemerkt, schlüpft herein, stellt seinen mitgebrachten Handkorb auf den hinteren Werktisch beim Laden und untersucht seinen Inhalt; er holt Blumen und Bänder hervor, kramt sie auf dem Tische aus und findet endlich auf dem Grunde eine Wurst und einen Kuchen; er läßt sich an, diese zu verzehren, als Sachs, der ihn fortwährend nicht beachtet, mit starkem Geräusch eines der großen Blätter des Folianten umwendet.
DAVID fährt zusammen, verbirgt das Essen und wendet sich zurück.
Gleich, Meister! Hier! –
Die Schuh sind abgegeben
in Herrn Beckmessers Quartier. –
Mir war’s, als rieft Ihr mich eben?
Beiseite.
Er tut, als säh er mich nicht?
Da ist er bös, wenn er nicht spricht! –
Er nähert sich, sehr demütig, langsam Sachs.
Ach, Meister! Wollt mir verzeihn;
kann ein Lehrhub vollkommen sein?
Kenntet Ihr die Lene wie ich,
dann vergäbt Ihr mir sicherlich.
Sie ist so gut, so sanft für mich,
und blickt mich oft an so innerlich.
Wenn Ihr mich schlagt, streichelt sie mich,
und lächelt dabei holdseliglich;
muß ich karieren, füttert sie mich,
und ist in Allem gar liebelich!
Nur gestern, weil der Junker versungen,
hab ich den Korb ihr nicht abgerungen.
Das schmerzte mich: – und da ich fand,
daß nachts Einer vor dem Fenster stand,
und sang zu ihr, und schrie wie toll, –
da hieb ich dem den Buckel voll:
wie käm nun da was Großes drauf an?
Auch hat’s unsrer Liebe gar wohl getan! –
Die Lene hat mir eben Alles erklärt,
und zum Fest Blumen und Bänder beschert. –
Er bricht in größere Angst aus.
Ach, Meister! Sprecht doch nur ein Wort! –
(Hätt ich nur die Wurst und den Kuchen erst fort!)
SACHS hat unbeirrt immer weiter gelesen. Jetzt schlägt er den Folianten zu. Von dem starken Geräusch erschrickt David so, daß er strauchelt und unwillkürlich vor Sachs auf die Knie fällt. Sachs sieht über das Buch, das er noch auf dem Schoße behält, hinweg, über David, welcher, immer auf den Knien, furchtsam nach ihm aufblickt, hin und heftet seinen Blick unwillkürlich auf den hinteren Werktisch. Sehr leise.
Blumen und Bänder seh ich dort?
Schaut hold und jugendlich aus.
Wie kamen mir die ins Haus?
DAVID verwundert über Sachs‘ Freundlichkeit.
Ei, Meister! ’s ist heut festlicher Tag;
da putzt sich jeder so schön er mag.
SACHS immer leise, wie für sich.
Wär heut Hochzeitsfest?
DAVID.
Ja, käm’s erst so weit,
daß David die Lene freit!
SACHS immer wie zuvor.
’s war Polterabend, dünkt mich doch?
DAVID für sich.
(Polterabend? … Da krieg ich’s wohl noch?)
Verzeiht das, Meister! Ich bitt, vergeßt!
Wir feiern ja heut Johannisfest.
SACHS.
Johannisfest?
DAVID.
(Hört er heut schwer?)
SACHS.
Kannst du dein Sprüchlein, so sag es her!
DAVID ist allmählich wieder zu stehen gekommen.
Mein Sprüchlein? Denk, ich kann’s gut – –
(Setzt nichts! der Meister ist wohlgemut.) –
Stark und grob.
»Am Jordan Sankt Johannes stand …«
Er hat in der Zerstreuung die Worte mit der Melodie von Beckmessers Werbelied aus dem vorhergehenden Aufzuge gesungen; Sachs macht eine verwunderte Bewegung, worauf David sich unterbricht.
SACHS.
Wa … was?
DAVID lächelnd.
Verzeiht das Gewirr!
Mich machte der Polterabend irr‘.
Er sammelt und stellt sich gehörig auf.
»Am Jordan Sankt Johannes stand,
all Volk der Welt zu taufen;
kam auch ein Weib aus fernem Land,
aus Nürnberg gar gelaufen:
sein Söhnlein trug’s zum Uferrand,
empfing da Tauf und Namen;
doch als sie dann sich heimgewandt,
nach Nürnberg wieder kamen,
in deutschem Land gar bald sich fand’s,
daß wer am Ufer des Jordans
Johannes war genannt,
an der Pegnitz hieß der Hans.«
Sich besinnend.
Hans? … Hans! …
Herr – Meister!
Feurig.
’s ist heut Eu’r Namenstag!
Nein! Wie man so was vergessen mag!
Hier! hier die Blumen sind für Euch, –
die Bänder, und was nur Alles noch gleich?
Ja, hier, schaut! Meister, herrlicher Kuchen!
Möchtet Ihr nicht auch die Wurst versuchen? –
SACHS immer ruhig, ohne seine Stellung zu verändern.
Schön Dank, mein Jung! Behalt’s für dich!
Doch heut auf die Wiese begleitest du mich;
mit Blumen und Bändern putz dich fein:
sollst mein stattlicher Herold sein!
DAVID.
Sollt ich nicht lieber Brautführer sein?
Meister, ach! Meister, Ihr müßt wieder frei’n.
SACHS.
Hätt’st wohl gern eine Meist’rin im Haus?
DAVID.
Ich mein, es säh doch viel stattlicher aus.
SACHS.
Wer weiß? Kommt Zeit, kommt Rat.
DAVID.
’s ist Zeit.
SACHS.
Dann wär der Rat wohl auch nicht weit?
DAVID.
Gewiß! Gehn schon Reden hin und wieder;
den Beckmesser, denk ich, säng’t Ihr doch nieder?
Ich mein, daß der heut sich nicht wichtig macht!
SACHS.
Wohl möglich; hab mir’s auch schon bedacht. –
Jetzt geh und stör mir den Junker nicht.
Komm wieder, wenn du schön gericht’t!
DAVID küßt Sachs gerührt die Hand.
So war er noch nie, wenn sonst auch gut! –
(Kann mir gar nicht mehr denken, wie der Knieriemen tut!) –
Er packt seine Sachen zusammen und geht in die Kammer ab.
SACHS immer noch den Folianten auf dem Schoße, lehnt sich, mit untergestütztem Arm, sinnend darauf: es scheint, daß ihn das Gespräch mit David gar nicht aus seinem Nachdenken gestört hat.
Wahn! Wahn!
Überall Wahn!
Wohin ich forschend blick
in Stadt- und Weltchronik,
den Grund mir aufzufinden,
warum gar bis aufs Blut
die Leut sich quälen und schinden
in unnütz toller Wut?
Hat keiner Lohn
noch Dank davon:
in Flucht geschlagen
wähnt er zu jagen;
hört nicht sein eigen
Schmerzgekreisch,
wenn er sich wühlt ins eigne Fleisch,
wähnt Lust sich zu erzeigen! –
Wer gibt den Namen an? –
Kräftig.
’s ist halt der alte Wahn,
ohn den nichts mag geschehen,
’s mag gehen oder stehen!
Steht’s wo im Lauf,
er schläft nur neue Kraft sich an:
gleich wacht er auf; –
dann schaut, wer ihn bemeistern kann! …
Wie friedsam treuer Sitten,
getrost in Tat und Werk,
liegt nicht in Deutschlands Mitten
mein liebes Nürenberg! –
Er blickt mit freudiger Begeisterung ruhig vor sich hin.
Doch eines Abends spat,
ein Unglück zu verhüten
bei jugendheißen Gemüten,
ein Mann weiß sich nicht Rat;
ein Schuster in seinem Laden
zieht an des Wahnes Faden;
wie bald auf Gassen und Straßen
fängt der da an zu rasen!
Mann, Weib, Gesell und Kind
fällt sich da an wie toll und blind;
und will’s der Wahn gesegnen,
nun muß es Prügel regnen,
mit Hieben, Stoß und Dreschen
den Wutesbrand zu löschen. –
Gott weiß, wie das geschah? –
Ein Kobold half wohl da: –
ein Glühwurm fand sein Weibchen nicht;
der hat den Schaden angericht’t. –
Der Flieder war’s: – Johannisnacht! –
Nun aber kam Johannistag! –
Jetzt schaun wir, wie Hans Sachs es macht,
daß er den Wahn fein lenken kann,
ein edler Werk zu tun:
denn läßt er uns nicht ruhn,
selbst hier in Nürenberg,
so sei’s um solche Werk,
die selten vor gemeinen Dingen
und nie ohn ein’gen Wahn gelingen.
Zweite Szene
Walter tritt unter der Kammertür ein. Er bleibt einen Augenblick dort stehen und blickt auf Sachs. Dieser wendet sich und läßt den Folianten auf den Boden gleiten.
SACHS.
Grüß Gott, mein Junker! Ruhet Ihr noch?
Ihr wachtet lang, nun schlieft Ihr doch?
WALTHER sehr ruhig.
Ein wenig, aber fest und gut.
SACHS.
So ist Euch nun wohl baß zumut?
WALTHER immer sehr ruhig.
Ich hatt einen wunderschönen Traum.
SACHS.
Das deutet Gut’s: erzählt mir den!
WALTHER.
Ihn selbst zu denken wag ich kaum:
ich fürcht ihn mir vergehn zu sehn. –
SACHS.
Mein Freund! Das grad ist Dichters Werk
daß er sein Träumen deut und merk.
Glaubt mir, des Menschen wahrster Wahn
wird ihm im Traume aufgetan:
all Dichtkunst und Poeterei
ist nichts als Wahrtraumdeuterei.
Was gilt’s, es gab der Traum Euch ein,
wie heut Ihr sollet Meister sein?
WALTHER sehr ruhig.
Nein, von der Zunft und ihren Meistern
wollt sich mein Traumbild nicht begeistern.
SACHS.
Doch lehrt es wohl den Zauberspruch,
mit dem Ihr sie gewännet?
WALTHER etwas lebhafter.
Wie wähnt Ihr doch nach solchem Bruch,
wenn Ihr noch Hoffnung kennet!
SACHS.
Die Hoffnung laß ich mir nicht mindern,
nichts stieß sie noch übern Haufen;
wär’s nicht, glaubt, statt Eure Flucht zu hindern,
wär ich selbst mit Euch fortgelaufen!
Drum bitt ich, laßt den Groll jetzt ruhn!
Ihr habt’s mit Ehrenmännern zu tun;
die irren sich, und sind bequem,
daß man auf ihre Weise sie nähm. –
Wer Preise erkennt und Preise stellt,
der will am End auch, daß man ihm gefällt.
Eu’r Lied, das hat ihnen bang gemacht;
und das mit Recht: denn wohlbedacht,
mit solchem Dicht- und Liebesfeuer
verführt man wohl Töchter zum Abenteuer;
doch für liebseligen Ehestand
man andre Wort‘ und Weisen fand.
WALTHER lächelnd.
Die kenn ich nun auch seit dieser Nacht:
es hat viel Lärm auf der Gasse gemacht.
SACHS lachend.
Ja, ja! Schon gut! Den Takt dazu
hörtet Ihr auch! – Doch laßt dem Ruh,
und folgt meinem Rate, kurz und gut:
faßt zu einem Meisterliede Mut!
WALTHER.
Ein schönes Lied – ein Meisterlied:
wie faß ich da den Unterschied?
SACHS zart.
Mein Freund, in holder Jugendzeit,
wenn uns von mächt’gen Trieben
zum sel’gen ersten Lieben
die Brust sich schwellet hoch und weit,
ein schönes Lied zu singen
mocht vielen da gelingen:
der Lenz, der sang für sie.
Kam Sommer, Herbst und Winterszeit
viel Not und Sorg im Leben,
manch ehlich Glück daneben:
Kindtauf, Geschäfte, Zwist und Streit: –
denen ’s dann noch will gelingen
ein schönes Lied zu singen,
seht: Meister nennt man die!
WALTHER zart und begeistert anschwellend.
Ich lieb ein Weib, und will es frein,
mein dauernd Ehgemahl zu sein. –
SACHS.
Die Meisterregeln lernt beizeiten,
daß sie getreulich Euch geleiten
und helfen wohl bewahren,
was in der Jugend Jahren
mit holdem Triebe
Lenz und Liebe
Euch unbewußt ins Herz gelegt,
daß Ihr das unverloren hegt!
WALTHER.
Stehn sie nun in so hohem Ruf,
wer war es, der die Regeln schuf?
SACHS.
Das waren hochbedürft’ge Meister,
von Lebensmüh bedrängte Geister:
in ihrer Nöten Wildnis
sie schufen sich ein Bildnis,
daß ihnen bliebe
der Jugendliebe
ein Angedenken, klar und fest,
dran sich der Lenz erkennen läßt.
WALTHER.
Doch, wem der Lenz schon lang entschwunden
wie wird er dem im Bild gewonnen?
SACHS.
Er frischt es an, so gut er kann:
drum möcht ich, als bedürft’ger Mann,
will ich die Regeln Euch lehren,
sollt Ihr sie mir neu erklären. –
Seht, hier ist Tinte, Feder, Papier:
ich schreib’s Euch auf, diktiert Ihr mir!
WALTHER.
Wie ich begänne, wüßt ich kaum.
SACHS.
Erzählt mir Euren Morgentraum.
WALTHER.
Durch Eurer Regeln gute Lehr
ist mir’s, als ob verwischt er wär.
SACHS.
Grad nehmt die Dichtkunst jetzt zur Hand:
mancher durch sie das Verlor’ne fand.
WALTHER.
So wär’s nicht Traum, doch Dichterei?
SACHS.
’s sind Freunde beid, stehn gern sich bei.
WALTHER.
Wie fang ich nach der Regel an?
SACHS.
Ihr stellt sie selbst und folgt ihr dann.
Gedenkt des schönen Traums am Morgen:
fürs Andre laßt Hans Sachs nur sorgen.
Walther hat sich zu Hans Sachs am Werktisch gesetzt, wo dieser das Gedicht Walthers nachschreibt.
»Morgenlich leuchtend in rosigem Schein,
von Blüt und Duft
geschwellt die Luft,
voll aller Wonnen
nie ersonnen,
ein Garten lud mich ein,
Gast ihm zu sein.«
SACHS.
Das war ein »Stollen«; nun achtet wohl,
daß ganz ein gleicher ihm folgen soll.
WALTHER.
Warum ganz gleich?
SACHS.
Damit man seh,
Ihr wähltet Euch gleich ein Weib zur Eh‘! –
WALTHER.
»Wonnig entragend dem seligen Raum,
bot goldner Frucht
heilsaft’ge Wucht,
mit holdem Prangen
dem Verlangen,
an duft’ger Zweige Saum,
herrlich ein Baum.« –
SACHS.
Ihr schlosset nicht im gleichen Ton:
das macht den Meistern Pein;
doch nimmt Hans Sachs die Lehr davon,
im Lenz wohl müss es so sein. –
Nun stellt mir einen »Abgesang«.
WALTHER.
Was soll nun der?
SACHS.
Ob Euch gelang,
ein rechtes Paar zu finden,
das zeigt sich an den Kinden;
den Stollen ähnlich, doch nicht gleich,
an eignen Reim und Tönen reich;
daß man’s recht schlank und selbstig find,
das freut die Eltern an dem Kind;
und Euren Stollen gibt’s den Schluß,
daß nichts davon abfallen muß. –
WALTHER.
»Sei euch vertraut,
welch hehres Wunder mir geschehn:
an meiner Seite stand ein Weib,
so hold und schön ich nie gesehn:
gleich einer Braut
umfaßte sie sanft meinen Leib;
mit Augen winkend,
die Hand wies blinkend,
was ich verlangend begehrt,
die Frucht so hold und wert
vom Lebensbaum.«
SACHS gerührt.
Das nenn ich mir einen Abgesang!
Seht, wie der ganze Bar gelang!
Nur mit der Melodei
seid Ihr ein wenig frei:
doch sag ich nicht, daß das ein Fehler sei;
nur ist’s nicht leicht zu behalten, –
und das ärgert unsre Alten.
Jetzt richtet mir noch einen zweiten Bar,
damit man merk, welch der erste war.
Auch weiß ich noch nicht, so gut Ihr’s gereimt,
was Ihr gedichtet, was Ihr geträumt.
WALTHER.
»Abendlich glühend in himmlischer Glut
verschied der Tag,
wie dort ich lag:
aus ihren Augen
Wonne saugen,
Verlangen einz’ger Macht
in mir nur wacht.
Nächtlich umdämmert der Blick mir sich bricht:
wie weit so nah,
beschienen da
zwei lichte Sterne
aus der Ferne,
durch schlanker Zweige Licht,
hehr mein Gesicht.
Lieblich ein Quell
auf stiller Höhe dort mir rauscht;
jetzt schwellt er an sein hold Getön,
so stark und süß ich’s nie erlauscht:
leuchtend und hell,
wie strahlten die Sterne da schön!
Zu Tanz und Reigen
in Laub und Zweigen
der goldnen sammeln sich mehr,
statt Frucht ein Sternenheer
im Lorbeerbaum.«
SACHS sehr gerührt.
Freund, Euer Traumbild wies Euch wahr:
gelungen ist auch der zweite Bar.
Wolltet Ihr noch einen dritten dichten,
des Traumes Deutung würd‘ er berichten. –
WALTHER steht schnell auf.
Wo fänd‘ ich die? Genug der Wort!
SACHS erhebt sich ebenfalls und tritt mit freundlicher Entschiedenheit zu Walther.
Dann Tat und Wort
am rechten Ort! –
Drum bitt ich, merkt mir wohl die Weise:
gar lieblich drin sich’s dichten läßt.
Und singt Ihr sie in weitrem Kreise,
so haltet mir auch das Traumbild fest.
WALTHER.
Was habt Ihr vor?
SACHS.
Eu’r treuer Knecht
fand sich mit Sack und Tasch zurecht:
die Kleider, drin am Hochzeitsfest
daheim Ihr wolltet prangen,
die ließ er her zu mir gelangen:
ein Täubchen zeigt ihm wohl das Nest,
darin sein Junker träumt.
Drum folgt mir jetzt ins Kämmerlein:
mit Kleiden, wohl gesäumt,
sollen beide wir gezieret sein,
wenn’s Stattliches zu wagen gilt.
Drum kommt, seid Ihr gleich mir gesinnt.
Walther schlägt in Sachsens Hand ein; so geleitet ihn dieser ruhig festen Schrittes zur Kammer, deren Türe er ihm ehrerbietig öffnet und dann ihm folgt. – Man gewahrt Beckmesser, welcher draußen vor dem Laden erscheint, in großer Aufgeregtheit hereinlugt und, da er die Werkstatt leer findet, hastig hereintritt.
Dritte Szene
Beckmesser ist sehr aufgeputzt, aber in sehr leidendem Zustande. Er blickt sich erst unter der Türe nochmals genau in der Werkstatt um. Dann hinkt er vorwärts, zuckt aber zusammen und streicht sich den Rücken. Er macht wieder einige Schritte, knickt aber mit den Knien und streicht nun diese. Er setzt sich auf den Schusterschemel, fährt aber schnell schmerzhaft wieder auf. Er betrachtet sich den Schemel und gerät dabei in immer aufgeregteres Nachsinnen. Er wird von den verdrießlichsten Erinnerungen und Vorstellungen gepeinigt; immer unruhiger beginnt er sich den Schweiß von der Stirn zu wischen. Er hinkt immer lebhafter umher und starrt dabei vor sich hin. Als ob er von allen Seiten verfolgt wäre, taumelt er fliehend hin und her. Wie um nicht umzusinken, hält er sich an dem Werktisch, zu dem er hingeschwankt war, an und starrt vor sich hin. Matt und verzweiflungsvoll sieht er um sich: – sein Blick fällt endlich durch das Fenster auf Pogners Haus; er hinkt mühsam an dasselbe heran, und, nach dem gegenüberliegenden Fenster ausspähend, versucht er sich in die Brust zu werfen, als ihm sogleich der Ritter Walther einfällt. Ärgerliche Gedanken entstehen ihm dadurch, gegen die er mit schmeichelndem Selbstgefühle anzukämpfen sucht. Die Eifersucht übermannt ihn; er schlägt sich vor den Kopf. Er glaubt die Verhöhnung der Weiber und Buben auf der Gasse zu vernehmen, wendet sich wütend ab und schmeißt das Fenster zu. Sehr verstört wendet er sich mechanisch wieder dem Werktische zu, indem er, vor sich hin brütend, nach einer neuen Weise zu suchen scheint. Sein Blick fällt auf das von Sachs zuvor beschriebene Papier; er nimmt es neugierig auf, überfliegt es mit wachsender Aufregung und bricht endlich wütend aus.
Ein Werbelied! Von Sachs! – Ist’s wahr?
Ha! Jetzt wird mir Alles klar! –
Da er die Kammertüre gehen hört, fährt er zusammen und steckt das Papier eilig in die Tasche.
SACHS im Festgewande, tritt ein, kommt vor und hält an, als er Beckmesser gewahrt.
Sieh da, Herr Schreiber: auch am Morgen?
Euch machen die Schuh doch nicht mehr Sorgen?
BECKMESSER.
Zum Teufel! So dünn war ich noch nie beschuht;
fühl durch die Sohl den kleinsten Kies!
SACHS.
Mein Merkersprüchlein wirkte dies;
trieb sie mit Merkerzeichen so weich.
BECKMESSER.
Schon gut der Witz, und genug der Streich!
Glaubt mir, Freund Sachs: jetzt kenn ich Euch!
Der Spaß von dieser Nacht,
der wird Euch noch gedacht.
Daß ich Euch nur nicht im Wege sei,
schuft Ihr gar Aufruhr und Meuterei!
SACHS.
’s war Polterabend, laßt Euch bedeuten;
Eure Hochzeit spukte unter den Leuten:
je toller es da hergeh,
je besser bekommt’s der Eh‘!
BECKMESSER wütend.
Oh, Schuster voll von Ränken
und pöbelhaften Schwänken!
Du warst mein Feind von je:
nun hör, ob hell ich seh! –
Die ich mir auserkoren,
die ganz für mich geboren,
zu aller Witwer Schmach
der Jungfer stellst du nach.
Daß sich Herr Sachs erwerbe
des Goldschmieds reiches Erbe,
im Meisterrat zur Hand
auf Klauseln er bestand,
ein Mägdlein zu betören,
das nur auf ihn sollt hören,
und Andren abgewandt
zu ihm allein sich fand.
Darum! Darum! –
Wär ich so dumm? –
Mit Schreien und mit Klopfen
wollt er mein Lied zustopfen,
daß nicht dem Kind werd kund,
wie auch ein Andrer bestund.
Ja, ja! Haha!
Hab ich dich da? –
Aus seiner Schusterstuben
hetzt endlich er den Buben
mit Knüppeln auf mich her,
daß meiner los er wär!
Au, au! Au, au!
Wohl grün und blau
zum Spott der allerliebsten Frau,
zerschlagen und zerprügelt,
daß kein Schneider mich aufbügelt!
Gar auf mein Leben
war’s angegeben.
Doch kam ich noch so davon,
daß ich die Tat Euch lohn:
zieht heut nur aus dem Singen,
merkt auf, wie’s mag gelingen!
Bin ich gezwackt
auch und zerhackt,
Euch bring ich doch sicher aus dem Takt.
SACHS.
Gut Freund, Ihr seid in argem Wahn;
glaubt was Ihr wollt, daß ich getan;
gebt Eure Eifersucht nur hin;
zu werben kommt mir nicht in Sinn.
BECKMESSER.
Lug und Trug! Ich kenn es besser.
SACHS.
Was fällt Euch nur ein, Meister Beckmesser?
Was ich sonst im Sinn, geht Euch nicht an;
doch, glaubt, ob der Werbung seid Ihr im Wahn.
BECKMESSER.
Ihr sängt heut nicht?
SACHS.
Nicht zur Wette.
BECKMESSER.
Kein Werbelied?
SACHS.
Gewißlich, nein!
BECKMESSER.
Wenn ich aber drob ein Zeugnis hätte?
Er greift in die Tasche.
SACHS blickt auf den Werktisch.
Das Gedicht? … hier ließ ich’s. Stecktet Ihr’s ein?
BECKMESSER das Blatt hervorziehend.
Ist das Eure Hand?
SACHS.
Ja, war es das?
BECKMESSER.
Ganz frisch noch die Schrift?
SACHS.
Und die Tinte noch naß?
BECKMESSER.
’s wär wohl gar ein biblisches Lied?
SACHS.
Der fehlte wohl, wer darauf riet!
BECKMESSER.
Nun denn?
SACHS.
Wie doch?
BECKMESSER.
Ihr fragt?
SACHS.
Was noch?
BECKMESSER.
Daß Ihr mit aller Biederkeit
der ärgste aller Spitzbuben seid.
SACHS.
Mag sein; doch hab ich noch nie entwandt,
was ich auf fremden Tischen fand:
und daß man von Euch auch nicht Übles denkt,
behaltet das Blatt, es sei Euch geschenkt.
BECKMESSER in freudigem Schreck aufspringend.
Herr Gott! – Ein Gedicht? Ein Gedicht von Sachs?
Doch halt – daß kein neuer Schad mir erwachs!
Ihr habt’s wohl schon recht gut memoriert?
SACHS.
Seid meinethalb doch nur unbeirrt!
BECKMESSER.
Ihr laßt mir das Blatt?
SACHS.
Damit Ihr kein Dieb.
BECKMESSER.
Und mach ich Gebrauch?
SACHS.
Wie’s Euch belieb.
BECKMESSER.
Doch sing ich das Lied?
SACHS.
Wenn’s nicht zu schwer.
BECKMESSER.
Und wenn ich gefiel?
SACHS.
Das – wunderte mich sehr.
BECKMESSER ganz zutraulich.
Da seid Ihr nun wieder zu bescheiden;
ein Lied von Sachs,
Gleichsam pfeifend.
das will was bedeuten. –
Und seht nur, wie mir’s ergeht,
wie’s mit mir Ärmsten steht!
Erseh ich doch mit Schmerzen,
das Lied, das nachts ich sang –
Dank Euren lust’gen Scherzen! –
es machte der Pognerin bang. –
Wie schaff ich mir nun zur Stelle
ein neues Lied herzu?
Ich armer, zerschlagner Geselle,
wie fänd ich heut dazu Ruh.
Werbung und ehlich Leben,
ob das mir Gott beschied,
muß ich nun grad aufgeben,
hab ich kein neues Lied. –
Ein Lied von Euch, des bin ich gewiß,
mit dem besieg ich jed‘ Hindernis:
soll ich das heute haben,
vergessen, begraben
sei Zwist, Hader und Streit,
und was uns je entzweit!
Er blickt seitwärts in das Blatt: plötzlich runzelt sich seine Stirne.
Und doch! Wenn’s nur eine Falle wär? –
Noch gestern wart Ihr mein Feind: –
wie käm’s, daß nach so großer Beschwer
Ihr’s freundlich heut mit mir meint?
SACHS.
Ich macht Euch Schuh in später Nacht:
hat man je so einen Feind bedacht?
BECKMESSER.
Ja, ja! Recht gut! Doch Eines schwört:
wo und wie Ihr das Lied auch hört,
daß nie Ihr Euch beikommen laßt,
zu sagen, das Lied sei von Euch verfaßt.
SACHS.
Das schwör ich, und gelob es euch
nie mich zu rühmen, das Lied sei von mir.
BECKMESSER sich vergnügt die Hände reibend.
Was will ich mehr? Ich bin geborgen:
jetzt braucht sich Beckmesser nicht mehr zu sorgen.
SACHS.
Doch, Freund, ich führ’s Euch zu Gemüte,
und rat es Euch in aller Güte:
studiert mir recht das Lied;
sein Vortrag ist nicht leicht;
ob Euch die Weise geriet,
und Ihr den Ton erreicht.
BECKMESSER.
Freund Sachs, Ihr seid ein guter Poet;
doch was Ton und Weise betrifft, gesteht,
da tut’s mir keiner vor.
Drum spitzt nur fein das Ohr –
und: »Beckmesser!
Keiner besser!« –
darauf macht Euch gefaßt,
wenn Ihr mich ruhig singen laßt. –
Doch nun memorieren,
schnell nach Haus:
ohne Zeit zu verlieren
richt ich das aus. –
Hans Sachs, mein Teurer,
ich hab Euch verkannt;
durch den Abenteurer
war ich verrannt:
Sehr zutraulich.
(so Einer fehlte uns bloß! –
Den wurden wir Meister doch los!)
Doch mein Besinnen
läuft mir von hinnen!
Bin ich verwirrt
und ganz verirrt? –
Die Silben, die Reime,
die Worte, die Verse!
Ich kleb wie am Leime,
und brennt doch die Ferse.
Ade! Ich muß fort:
an andrem Ort
dank ich Euch inniglich,
weil Ihr so minniglich;
für Euch nun stimme ich,
kauf Eure Werke gleich,
mache zum Merker Euch, –
doch fein mit Kreide weich,
nicht mit dem Hammerstreich! –
Merker! Merker! Merker Hans Sachs!
Daß Nürnberg schusterlich blüh und wachs!
Beckmesser nimmt tanzend von Sachs Abschied, taumelt und poltert der Ladentüre zu; plötzlich glaubt er das Gedicht in seiner Tasche vergessen zu haben; läuft wieder vor, sucht ängstlich auf dem Werktische, bis er es in der eigenen Hand gewahr wird: darüber scherzhaft erfreut, umarmt er Sachs nochmals voll feurigen Dankes und stürzt dann, hinkend und strauchelnd, geräuschvoll durch die Ladentür ab.
SACHS sieht Beckmesser gedankenvoll lächelnd nach.
So ganz boshaft doch Keinen ich fand;
er hält’s auf die Länge nicht aus:
vergeudet Mancher oft viel Verstand,
doch hält er auch damit haus;
die schwache Stunde kommt für jeden, –
da wird er dumm und läßt mit sich reden,
Daß hier Herr Beckmesser ward zum Dieb,
ist mir für meinen Plan gar lieb. –
Eva nähert sich auf der Straße der Ladentür. Sachs wendet sich und gewahrt Eva.
Sieh, Evchen! Dacht ich doch, wo sie blieb! –
Vierte Szene
Eva, reich geschmückt, in glänzend weißer Kleidung, etwas leidend und blaß, tritt zum Laden herein und schreitet langsam vor.
SACHS.
Grüß Gott, mein Evchen! Ei, wie herrlich
und stolz du’s heute meinst!
Du machst wohl Alt und Jung begehrlich,
wenn du so schön erscheinst!
EVA.
Meister, ’s ist nicht so gefährlich:
und ist’s dem Schneider geglückt,
wer sieht dann, wo’s mir beschwerlich,
wo still der Schuh mich drückt?
SACHS.
Der böse Schuh! ’s war deine Laun,
daß du ihn gestern nicht probiert.
EVA.
Merkt wohl, ich hatt zu viel Vertraun;
im Meister hatt ich mich geirrt.
SACHS.
Ei, ’s tut mir leid! Zeig her, mein Kind,
daß ich dir helfe gleich geschwind.
EVA.
Sobald ich stehe, will es gehn;
doch, will ich gehn, zwingt mich’s zu stehn.
SACHS.
Hier auf den Schemel streck den Fuß:
der üblen Not ich wehren muß. –
Sie streckt einen Fuß auf dem Schemel am Werktisch aus.
Was ist mit dem?
EVA.
Ihr seht, zu weit!
SACHS.
Kind, das ist pure Eitelkeit;
der Schuh ist knapp.
EVA.
Das sagt ich ja:
drum drückt er mich an den Zehen da.
SACHS.
Hier links?
EVA.
Nein, rechts.
SACHS.
Wohl mehr am Spann?
EVA.
Hier mehr am Hacken.
SACHS.
Kommt der auch dran?
EVA.
Ach, Meister! Wüßtet Ihr besser als ich,
wo der Schuh mich drückt?
SACHS.
Ei! ’s wundert mich,
daß er zu weit, und doch drückt überall!
Walther, in glänzender Rittertracht, tritt unter die Türe der Kammer. Eva stößt einen Schrei aus und bleibt, unverwandt auf Walther blickend, in ihrer Stellung, mit dem Fuße auf dem Schemel. Sachs, der vor ihr niedergebückt steht, bleibt mit dem Rücken der Türe zugekehrt, ohne Walthers Eintritt zu beachten. Walther, durch den Anblick Evas festgebannt, bleibt ebenfalls unbeweglich unter der Türe stehen.
Aha! – hier sitzt’s: nun begreif ich den Fall. –
Kind, du hast recht: ’s stak in der Naht.
Nun warte, dem Übel schaff ich Rat:
bleib nur so stehn; ich nehm dir den Schuh
eine Weil auf den Leisten, dann läßt er dir Ruh!
Sachs hat Eva sanft den Schuh vom Fuße gezogen; während sie in ihrer Stellung verbleibt, macht er sich am Werktisch mit dem Schuh zu schaffen und tut, als beachte er nichts anderes.
SACHS bei der Arbeit.
Immer schustern, das ist nun mein Los;
des Nachts, des Tags, komm nicht davon los.
Kind, hör zu: ich hab mir’s überdacht,
was meinem Schustern ein Ende macht:
am besten, ich werbe doch nun um dich;
da gewänn ich doch was als Poet für mich. –
Du hörst nicht drauf? So sprich doch jetzt;
hast mir’s ja selbst in den Kopf gesetzt? –
Schon gut! – ich merk: – »mach deine Schuh!« –
Säng mir nur wenigstens Einer dazu! –
Hörte heut gar ein schönes Lied: –
wem dazu wohl ein dritter Vers geriet? –
WALTHER den begeisterten Blick unverwandt auf Eva.
»Weilten die Sterne im lieblichen Tanz?
So licht und klar
im Lockenhaar,
vor allen Frauen
hehr zu schauen,
lag ihr mit zartem Glanz
ein Sternenkranz.«
SACHS immerfort arbeitend.
Lausch, Kind! Das ist ein Meisterlied.
WALTHER.
»Wunder ob Wunder nun bieten sich dar:
zwiefachen Tag
ich grüßen mag;
denn gleich zwei’n Sonnen
reinster Wonnen,
der hehrsten Augen Paar
nahm ich da wahr.«
SACHS beiseite zu Eva.
Derlei hörst du jetzt bei mir singen.
WALTHER.
»Huldreichstes Bild,
dem ich zu nahen mich erkühnt!
Den Kranz, von zweier Sonnen Strahl
zugleich geblichen und ergrünt,
minnig und mild
sie flocht ihn um das Haupt dem Gemahl:
dort Huld-geboren,
nun Ruhm-erkoren,
gießt paradiesische Lust
sie in des Dichters Brust –
im Liebestraum.«
SACHS hat den Schuh zurückgebracht und ist jetzt darüber her, ihn Eva wieder an den Fuß zu ziehen.
Nun schau, ob dazu mein Schuh geriet?
Mein‘ endlich doch,
es tät mir gelingen?
Versuch’s, – tritt auf! Sag, drückt er dich noch?
Eva, die wie bezaubert, regungslos gestanden, gesehen und gehört hat, bricht jetzt in heftiges Weinen aus, sinkt Sachs an die Brust und drückt ihn schluchzend an sich. – Walther ist zu ihnen getreten; er drückt begeistert Sachs die Hand. Längeres Schweigen leidenschaftlicher Ergriffenheit. – Sachs tut sich endlich Gewalt an, reißt sich wie unmutig los und läßt dadurch Eva unwillkürlich an Walthers Schulter sich anlehnen.
SACHS.
Hat man mit dem Schuhwerk nicht seine Not!
Wär ich nicht noch Poet dazu,
ich machte länger keine Schuh!
Das ist eine Müh, ein Aufgebot!
Zu weit dem Einen, dem Andern zu eng;
von allen Seiten Lauf und Gedräng:
da klappt’s,
da schlappt’s;
hier drückt’s,
da zwickt’s; –
der Schuster soll auch Alles wissen,
flicken, was nur immer zerrissen:
und ist er gar Poet dazu,
da läßt man am End ihm auch da keine Ruh;
und ist er erst noch Witwer gar,
zum Narren hält man ihn fürwahr: –
die jüngsten Mädchen, ist Not am Mann,
begehren, er hielte um sie an;
versteht er sie, versteht er sie nicht, –
all eins, ob ja, ob nein er spricht, –
am End riecht er doch nach Pech,
und gilt für dumm, tückisch und frech. –
Ei! ’s ist mir nur um den Lehrbuben leid,
der verliert mir allen Respekt:
die Lene macht ihn schon nicht recht gescheit,
daß aus Töpf und Tellern er leckt.
Wo Teufel er jetzt nur wieder steckt!
EVA indem sie Sachs zurückhält und von Neuem an sich zieht.
O Sachs! Mein Freund! Du teurer Mann!
Wie ich dir Edlem lohnen kann!
Was ohne deine Liebe,
was wär ich ohne dich, –
ob je auch Kind ich bliebe,
erwecktest du mich nicht?
Durch dich gewann ich,
was man preist;
durch dich ersann ich,
was ein Geist;
durch dich erwacht,
durch dich nur dacht
ich edel, frei und kühn;
du ließest mich erblühn!
Ja, lieber Meister, schilt mich nur;
ich war doch auf der rechten Spur.
Denn, hatte ich die Wahl,
nur dich erwählt ich mir;
du warest mein Gemahl,
den Preis reicht ich nur dir. –
Doch nun hat’s mich gewählt
zu nie gekannter Qual;
und werd ich heut vermählt,
so war’s ohn alle Wahl:
das war ein Müssen, war ein Zwang! –
Euch selbst, mein Meister, wurde bang.
SACHS.
Mein Kind,
von Tristan und Isolde
kenn ich ein traurig Stück:
Hans Sachs war klug, und wollte
nichts von Herrn Markes Glück. –
’s war Zeit, daß ich den Rechten fand,
wär sonst am End doch hineingerannt. –
Aha! Da streicht die Lene schon ums Haus:
nur herein! He! David! Kommst nicht heraus?
Magdalene, in festlichem Staate, tritt durch die Ladentüre herein. David, ebenfalls im Festkleid, mit Blumen und Bändern sehr reich und zierlich ausgeputzt, kommt zugleich aus der Kammer heraus.
Die Zeugen sind da, Gevatter zur Hand:
jetzt schnell zur Taufe! Nehmt euren Stand!
Alle blicken ihn verwundert an.
Ein Kind ward hier geboren:
jetzt sei ihm ein Nam‘ erkoren.
So ist’s nach Meisterweis‘ und Art,
wenn eine Meisterweise geschaffen ward,
daß die einen guten Namen trag,
dran Jeder sie erkennen mag. –
Vernehmt, respektable Gesellschaft,
was euch hier zur Stell schafft. –
Eine Meisterweise ist gelungen,
von Junker Walther gedichtet und gesungen:
der jungen Weise lebender Vater
lud mich und die Pognerin zu Gevatter.
Weil wir die Weise wohl vernommen,
sind wir zur Taufe hieher gekommen;
auch daß wir zur Handlung Zeugen haben,
ruf ich Jungfer Lene und meinen Knaben.
Doch da’s zum Zeugen kein Lehrbube tut,
und heut auch den Spruch er gesungen gut,
so mach ich den Burschen gleich zum Gesell.
Knie nieder, David, und nimm diese Schell!
David ist niedergekniet; Sachs gibt ihm eine starke Ohrfeige.
Steh auf, Gesell, und denk an den Streich:
du merkst dir dabei die Taufe zugleich. –
Fehlt sonst noch was, uns keiner schilt;
wer weiß, ob’s nicht gar einer Nottaufe gilt.
Daß die Weise Kraft behalte zum Leben,
will ich nur gleich den Namen ihr geben: –
Die »selige Morgentraum-Deutweise«
sei sie genannt zu des Meisters Preise. –
Nun wachse sie groß, ohn Schad‘ und Bruch.
Die jüngste Gevatterin spricht den Spruch.
Er tritt aus der Mitte des Halbkreises, der von den Übrigen um ihn gebildet worden war, auf die Seite, so daß nun Eva in der Mitte zu stehen kommt.
EVA.
Selig, wie die Sonne
meines Glückes lacht,
Morgen voller Wonne,
selig mir erwacht;
Traum der höchsten Hulden,
himmlisch Morgenglühn:
Deutung euch zu schulden,
selig süß Bemühn! –
Einer Weise, mild und hehr,
sollt es hold gelingen,
meines Herzens süß Beschwer
deutend zu bezwingen.
Ob es nur ein Morgentraum?
Selig deut ich mir es kaum.
Doch die Weise,
was sie leise
mir vertraut,
hell und laut,
in der Meister vollem Kreis,
deute sie auf den höchsten Preis.
SACHS.
Vor dem Kinde, lieblich hold,
mocht ich gern wohl singen:
doch des Herzens süß Beschwer
galt es zu bezwingen:
’s war ein schöner Morgentraum;
dran zu deuten wag ich kaum.
Diese Weise,
was sie leise
mir anvertraut,
im stillen Raum,
sagt mir laut:
auch der Jugend ew’ges Reis
grünt nur durch des Dichters Preis.
WALTHER.
Deine Liebe ließ mir es gelingen,
meines Herzens süß Beschwer
deutend zu bezwingen:
ob es noch der Morgentraum?
Selig deut ich mir es kaum!
Doch die Weise,
was sie leise
dir vertraut
im stillen Raum,
hell und laut
in der Meister vollem Kreis,
werbe sie um den höchsten Preis!
DAVID.
Wach oder träum ich schon so früh?
Das zu erklären macht mir Müh:
’s ist wohl nur ein Morgentraum?
Was ich seh, begreif ich kaum.
Ward zur Stelle
gleich Geselle?
Lene Braut? –
im Kirchenraum
wir gar getraut?
’s geht der Kopf mir wie im Kreis,
daß ich Meister bald heiß!
MAGDALENE.
Wach oder träum ich schon so früh?
Das zu erklären macht mir Müh:
’s ist wohl nur ein Morgentraum?
Was ich seh, begreif ich kaum.
Er zur Stelle
gleich Geselle?
Ich die Braut,
im Kirchenraum
wir gar getraut?
Ja, wahrhaftig, ’s geht! Wer weiß,
daß ich Meist’rin bald heiß?
SACHS zu den Übrigen sich wendend.
Jetzt alle am Fleck!
Zu Eva.
Den Vater grüß!
Auf, nach der Wies – schnell auf die Füß!
Eva und Magdalene gehen.
Zu Walther.
Nun, Junker, kommt! Habt frohen Mut! –
David, Gesel: schließ den Laden gut!
Als Sachs und Walther ebenfalls auf die Straße gehen und David über das Schließen der Ladentür sich hermacht, wird im Proszenium ein Vorhang von beiden Seiten zusammengezogen, so daß er die Szene gänzlich verschließt.
Fünfte Szene
Die Vorhänge sind nach der Höhe aufgezogen worden; die Bühne ist verwandelt. Diese stellt einen freien Wiesenplan dar, im ferneren Hintergrunde die Stadt Nürnberg. Die Pegnitz schlängelt sich durch den Plan: der schmale Fluß ist an den nächsten Punkten praktikabel gehalten. Buntbeflaggte Kähne setzen unablässig die ankommenden, festlich gekleideten Bürger der Zünfte, mit Frauen und Kindern, an das Ufer der Festwiese über. Eine erhöhte Bühne, mit Bänken und Sitzen darauf, ist rechts zur Seite aufgeschlagen; bereits ist sie mit den Fahnen der angekommenen Zünfte ausgeschmückt; im Verlaufe stecken die Fahnenträger der noch ankommenden Zünfte ihre Fahnen ebenfalls um die Sängerbühne auf, so daß diese schließlich nach drei Seiten hin ganz davon eingefaßt ist. – Zelte mit Getränken und Erfrischungen aller Art begrenzen im Übrigen die Seiten des vorderen Hauptraumes.
Vor den Zelten geht es bereits lustig her: Bürger, mit Frauen, Kindern und Gesellen, sitzen und lagern daselbst. – Die Lehrbuben der Meistersinger, festlich gekleidet, mit Blumen und Bändern reich und anmutig geschmückt, üben mit schlanken Stäben, die ebenfalls mit Blumen und Bändern geziert sind, in lustiger Weise das Amt von Herolden und Marschällen aus. Sie empfangen die am Ufer Aussteigenden, ordnen die Züge der Zünfte und geleiten diese nach der Singerbühne, von wo aus, nachdem der Bannerträger die Fahne aufgepflanzt, die Zunftbürger und Gesellen nach Belieben sich unter den Zelten zerstreuen. – Soeben, nach der Verwandlung, werden in der angegebenen Weise die Schuster am Ufer empfangen und nach dem Vordergrund geleitet.
DIE SCHUSTER mit fliegender Fahne aufziehend.
Sankt Krispin,
lobet ihn!
War gar ein heilig Mann,
zeigt, was ein Schuster kann.
Die Armen hatten gute Zeit,
macht ihnen warme Schuh;
und wenn ihm keiner’s Leder leiht,
so stahl er sich’s dazu.
Der Schuster hat ein weit Gewissen,
macht Schuhe selbst mit Hindernissen;
und ist vom Gerber das Fell erst weg,
dann streck, streck, streck!
Leder taugt nur am rechten Fleck.
Die Stadtwächter ziehen mit Trompeten und Trommeln den Stadtpfeifern, Lautenmachern usw. voraus.
DIE SCHNEIDER mit fliegender Fahne aufziehend.
Als Nürenberg belagert war
und Hungersnot sich fand,
wär Stadt und Land verdorben gar,
war nicht ein Schneider zur Hand,
der viel Mut hatt und Verstand.
Hat sich in ein Bocksfell eingenäht,
auf dem Stadtwall da spazieren geht,
und macht wohl seine Sprünge
gar lustig guter Dinge.
Der Feind, der sieht’s und zieht vom Fleck:
der Teufel hol die Stadt sich weg,
hat’s drin noch so lustige Meck-meck-meck!
Meck! Meck! Meck!
Wer glaubt’s, daß ein Schneider im Bocke steck!
DIE BÄCKER mit fliegender Fahne aufziehend.
Hungersnot! Hungersnot!
Das ist ein greulich Leiden:
gäb euch der Bäcker nicht täglich Brot,
müßt alle Welt verscheiden.
Beck! Beck! Beck!
Täglich auf dem Fleck,
nimm uns den Hunger weg!
DIE SCHUSTER welche ihre Fahne aufgesteckt, begegnen beim Herabschreiten von der Sängerbüh ne den Bäckern.
Streck! Streck! Streck!
Leder taugt nur am rechten Fleck!
DIE SCHNEIDER nachdem sie die Fahne aufgesteckt, herabschreitend.
Meck! Meck! Meck!
Wer meint, daß ein Schneider im Bocke steck!
Ein bunter Kahn mit jungen Mädchen in reicher bäuerischer Tracht kommt an. Die Lehrbuben laufen nach dem Gestade.
LEHRBUBEN.
Herrje! Herrje! Mädel von Fürth!
Stadtpfeifer, spielt! Daß ’s lustig wird!
Sie heben währenddem die Mädchen aus dem Kahn. – Das Charakteristische des folgenden Tanzes, mit welchem die Lehrbuben und Mädchen zunächst nach dem Vordergrund kommen, besteht darin, daß die Lehrbuben die Mädchen scheinbar nur an den Platz bringen wollen; sowie die Gesellen zugreifen wollen, ziehen die Buben die Mädchen aber immer wieder zurück, als ob sie sie anderswo unterbringen wollten, wobei sie meistens den ganzen Kreis, wie wählend, ausmessen und somit die scheinbare Absicht auszuführen anmutig und lustig verzögern.
DAVID kommt vom Landungsplatz vor und sieht mißbilligend dem Tanze zu.
Ihr tanzt? Was werden die Meister sagen?
Die Lehrbuben drehen ihm Nasen.
Hört nicht? – Laß ich mir’s auch behagen.
Er nimmt sich ein junges, schönes Mädchen und gerät im Tanze mit ihr schnell in großes Feuer. Die Zuschauer freuen sich und lachen.
EIN PAAR LEHRBUBEN winken David.
David! David! Die Lene sieht zu!
DAVID erschrocken, läßt das Mädchen schnell fahren, um welches die Lehrbuben sogleich tanzend einen Kreis schließen: da er Lene nirgends gewahrt, merkt David, daß er nur geneckt worden, durchbricht den Kreis, erfaßt sein Mädchen wieder und tanzt nun noch feuriger weiter.
Ach! laßt mich mit euren Possen in Ruh!
Die Buben suchen ihm das Mädchen zu entreißen; er wendet sich mit ihr jedesmal glücklich ab, so daß nun ein ähnliches Spiel entsteht wie zuvor, als die Gesellen nach den Mädchen faßten.
GESELLEN vom Ufer her.
Die Meistersinger!
LEHRBUBEN.
Die Meistersinger!
Sie unterbrechen schnell den Tanz und eilen dem Ufer zu.
DAVID.
Herr Gott! – Ade, ihr hübschen Dinger!
Er gibt dem Mädchen einen feurigen Kuß und reißt sich los. Die Lehrbuben reihen sich zum Empfang der Meister: das Volk macht ihnen willig Platz. – Die Meistersinger ordnen sich am Landungsplatze zum festlichen Aufzuge. Wenn Kothner im Vordergrunde ankommt, wird die geschwungene Fahne, auf welcher König David mit der Harfe abgebildet ist, von allem Volk mit Hutschwenken begrüßt. Der Zug der Meistersinger ist nun auf der Singerbühne, wo Kothner die Fahne aufpflanzt, angelangt. – Pogner, Eva an der Hand führend, diese von festlich geschmückten und reich gekleideten jungen Mädchen, unter denen auch Magdalene, begleitet, voran. Als Eva von den Mädchen umgeben, den mit Blumen geschmückten Ehrenplatz eingenommen und alle Übrigen, die Meister auf den Bänken, die Gesellen hinter ihnen stehend, ebenfalls Platz genommen haben, treten die Lehrbuben dem Volke zugewendet, feierlich vor die Bühne in Reih und Glied.
LEHRBUBEN.
Silentium! Silentium!
Macht kein Reden und kein Gesumm!
Sachs erhebt sich und tritt vor. Bei seinem Anblick stößt sich Alles an; Hüte und Mützen werden abgezogen: Alle deuten auf ihn.
ALLES VOLK.
Ha! Sachs! ’s ist Sachs!
Seht, Meister Sachs!
Stimmt an! Stimmt an! Stimmt an!
Alle Sitzenden erheben sich; die Männer bleiben mit entblößtem Haupte. Beckmesser bleibt, mit dem Memorieren des Gedichtes beschäftigt, hinter den anderen Meistern versteckt, so daß er bei dieser Gelegenheit der Beachtung des Publikums entzogen wird. Außer Sachs singen alle Anwesenden die folgende Strophe mit.
»Wach auf, es nahet gen den Tag;
ich hör singen im grünen Hag
ein wonnigliche Nachtigal,
ihr Stimm‘ durchdringet Berg und Tal;
die Nacht neigt sich zum Okzident,
der Tag geht auf von Orient,
die rotbrünstige Morgenröt
her durch die trüben Wolken geht.«
Das Volk nimmt wieder eine jubelnd bewegte Haltung an. Der Chor des Volkes singt wieder allein; die Meister auf der Bühne sowie die anderen vorigen Teilnehmer am Gesange der Strophe geben sich dem Schauspiele des Volksjubels hin.
Heil! Heil!
Heil dir, Hans Sachs!
Heil Nürnbergs Sachs!
Heil Nürnbergs teurem Sachs!
Heil! Heil!
Sachs, der unbeweglich, wie geistesabwesend, über die Volksmenge hinweg geblickt hatte, richtet endlich seine Blicke vertrauter auf sie, und beginnt mit ergriffener, schnell aber sich festigender Stimme.
SACHS.
Euch macht ihr’s leicht, mir macht ihr’s schwer,
gebt ihr mir Armen zu viel Ehr.
Soll vor der Ehr ich bestehn,
sei’s, mich von euch geliebt zu sehn. –
Schon große Ehr ward mir erkannt,
ward heut ich zum Spruchsprecher ernannt.
Und was mein Spruch euch künden soll,
glaubt, das ist hoher Ehren voll. –
Wenn ihr die Kunst so hoch schon ehrt,
da galt es zu beweisen,
daß, wer ihr selbst gar angehört,
sie schätzt ob allen Preisen.
Ein Meister, reich und hochgemut,
der will heut euch das zeigen:
sein Töchterlein, sein höchstes Gut,
mit allem Hab und Eigen,
dem Singer, der im Kunstgesang
vor allem Volk den Preis errang,
als höchsten Preises Kron
er bietet das zum Lohn. –
Darum, so hört, und stimmt mir bei:
die Werbung steh dem Dichter frei. –
Ihr Meister, die ihr’s euch getraut,
euch ruf ich’s vor dem Volke laut: –
erwägt der Werbung seltnen Preis,
und wem sie soll gelingen,
daß der sich rein und edel weiß
im Werben wie im Singen,
will er das Reis erringen,
das nie, bei Neuen noch bei Alten,
ward je so herrlich hoch gehalten,
als von der lieblich Reinen,
die niemals soll beweinen,
daß Nürenberg mit höchstem Wert
die Kunst und ihre Meister ehrt!
Große Bewegung unter Allen. – Sachs geht auf Pogner zu, der ihm gerührt die Hand drückt.
POGNER.
O Sachs, mein Freund! Wie dankenswert!
Wie wißt Ihr, was mein Herz beschwert! –
SACHS zu Pogner.
’s war viel gewagt; – jetzt habt nur Mut! –
Er wendet sich zu Beckmesser, der schon während des Einzuges und dann fortwährend eifrig das Blatt mit dem Gedicht herausgezogen, memoriert, genau zu lesen versucht und oft verzweiflungsvoll sich den Schweiß getrocknet hat.
Herr Merker! Sagt, wie steht’s? Gut?
BECKMESSER.
O! Dieses Lied! … Werd nicht draus klug,
und hab doch dran studiert genug.
SACHS.
Mein Freund, ’s ist Euch nicht aufgezwungen.
BECKMESSER.
Was hilft’s? Mit dem meinen ist doch versungen:
’s war Eure Schuld! Jetzt seid hübsch für mich:
’s wär schändlich, ließt Ihr mich im Stich!
SACHS.
Ich dächt, Ihr gäbt’s auf.
BECKMESSER.
Warum nicht gar?
Die Andren sing ich alle zu Paar‘;
wenn Ihr nur nicht singt.
SACHS.
So seht, wie’s geht!
BECKMESSER.
Das Lied, bin’s sicher, zwar Niemand versteht;
doch bau ich auf Eure Popularität.
SACHS.
Nun denn, wenn’s Meistern und Volk beliebt,
zum Wettgesang man den Anfang gibt.
KOTHNER hervortretend.
Ihr ledig‘ Meister! Macht euch bereit!
Der Ältest‘ sich zuerst anläßt!
Herr Beckmesser, Ihr fangt an: ’s ist Zeit!
Die Lehrbuben führen Beckmesser zu einem kleinen Rasenhügel vor der Singerbühne, welchen sie zuvor festgerammelt und reich mit Blumen überdeckt haben.
BECKMESSER strauchelt darauf, tritt unsicher und schwankt.
Zum Teufel! Wie wackelig! Macht das hübsch fest!
Die Buben lachen unter sich und stopfen lustig an dem Rasen.
DAS VOLK stößt sich gegenseitig an.
Wie? Der? Der wirbt?
Scheint mir nicht der Rechte!
An der Tochter Stell ich den nicht möchte!
Ach, der kann ja nicht mal stehn!
Wie soll es mit dem gehn?
Seid still! ’s ist gar ein tücht’ger Meister!
Stadtschreiber ist er, Beckmesser heißt er. –
Gott, ist der dumm!
Still! Macht keinen Witz!
Er fällt fast um! –
Der hat im Rate Stimm und Sitz.
Viele lachen.
DIE LEHRBUBEN in Aufstellung.
Silentium! Silentium!
Macht kein Reden und kein Gesumm!
KOTHNER.
Fanget an!
BECKMESSER der sich endlich mit Mühe auf dem Rasenhügel festgestellt hat, macht eine erste Verbeugung gegen die Meister, eine zweite gegen das Volk, dann gegen Eva, auf welche er, da sie sich abwendet, nochmals verlegen hinblinzelt;große Beklommenheit erfaßt ihn; er sucht sich durch ein Vorspiel auf der Laute zu ermutigen.
»Morgen ich leuchte in rosigem Schein
von Blut und Duft
geht schnell die Luft;
wohl bald gewonnen,
wie zerronnen;
im Garten lud ich ein
garstig und fein.«
Er richtet sich wieder ein, besser auf den Füßen zu stehen.
DIE MEISTER leise unter sich.
Mein! Was ist das? Ist er von Sinnen?
Woher mocht er solche Gedanken gewinnen?
VOLK leise unter sich.
Sonderbar! Hört ihr’s? Wen lud er ein?
Verstand man recht?
Wie kann das sein?
BECKMESSER zieht das Blatt verstohlen hervor und lugt eifrig hinein; dann steckt er es ängstlich wieder ein.
»Wohn ich erträglich im selbigen Raum,
hol Geld und Frucht, –
Bleisaft und Wucht.
Er lugt in das Blatt.
Mich holt am Pranger
der Verlanger
auf luft’ger Steige kaum,
häng ich am Baum.«
Er wackelt wieder sehr: sucht im Blatt zu lesen, vermag es nicht; ihm schwindelt. Angstschweiß bricht aus.
DAS VOLK.
Schöner Werber! Der find’t wohl seinen Lohn.
Bald hängt er am Galgen! Man sieht ihn schon!
DIE MEISTER.
Was soll das heißen? Ist er nur toll?
Sein Lied ist ganz von Unsinn voll!
BECKMESSER rafft sich verzweiflungsvoll und ingrimmig auf.
»Heimlich mir graut,
weil es hier munter will hergehn:
an meiner Leiter stand ein Weib; –
sie schämt und wollt mich nicht besehn; –
bleich wie ein Kraut
umfasert mir Hanf meinen Leib;
mit Augen zwinkend –
der Hund blies winkend,
was ich vor langem verzehrt,
wie Frucht so Holz und Pferd
vom Leberbaum.«
Alles bricht in ein dröhnendes Gelächter aus.
BECKMESSER verläßt wütend den Hügel und stürzt auf Sachs zu.
Verdammter Schuster, das dank ich dir! –
Das Lied, es ist gar nicht von mir:
vom Sachs, der hier so hoch verehrt,
von eurem Sachs ward mir’s beschert.
Mich hat der Schändliche bedrängt,
sein schlechtes Lied mir aufgehängt.
Er stürzt wütend fort und verliert sich unter dem Volke.
Von Sachs das Lied? Das nähm uns doch Wunder!
VOLK.
Mein! Was soll das sein? Jetzt wird’s immer bunter!
KOTHNER.
Erklärt doch, Sachs!
NACHTIGALL.
Welch ein Skandal!
VOGELGESANG.
Von Euch das Lied?
ORTEL UND FOLTZ.
Welch eigner Fall!
SACHS hat ruhig das Blatt, welches ihm Beckmesser hingeworfen, aufgenommen.
Das Lied, fürwahr, ist nicht von mir:
Herr Beckmesser irrt, wie dort so hier.
Wie er dazu kam, mag selbst er sagen;
doch möcht ich nie mich zu rühmen wagen,
ein Lied, so schön, wie dies erdacht,
sei von mir, Hans Sachs, gemacht.
MEISTERSINGER.
Wie? Schön? Dieser Unsinnswust?
VOLK.
Hört! Sachs macht Spaß! Er sagt es nur zur Lust.
SACHS.
Ich sag Euch Herrn, das Lied ist schön;
nur ist’s auf den ersten Blick zu ersehn,
daß Freund Beckmesser es entstellt.
Doch schwör ich, daß es euch gefällt,
wenn richtig Wort und Weise
hier Einer säng im Kreise;
und wer dies verstünd, zugleich bewies,
daß er des Liedes Dichter,
und gar mit Rechte Meister hieß,
fänd er gerechte Richter. –
Ich bin verklagt, und muß bestehn:
drum laßt mich meinen Zeugen ausersehn. –
Ist Jemand hier, der Recht mir weiß?
Der tret als Zeug in diesen Kreis!
Walther tritt aus dem Volke hervor und begrüßt Sachs, sodann nach den beiden Seiten hin die Meister und das Volk mit ritterlicher Freundlichkeit. Es entsteht sogleich eine angenehme Bewegung; Alles weilt einen Augenblick schweigend in seiner Betrachtung.
So zeuget, das Lied sei nicht von mir;
und zeuget auch, daß, was ich hier
vom Lied hab gesagt,
zuviel nicht sei gewagt.
DIE MEISTER.
Wie fein! Ei, Sachs, Ihr seid gar fein!
Doch mag es heut geschehen sein.
SACHS.
Der Regel Güte daraus man erwägt,
daß sie auch mal ’ne Ausnahm verträgt.
DAS VOLK.
Ein guter Zeuge, stolz und kühn!
Mich dünkt, dem kann was Gut’s erblühn.
SACHS.
Meister und Volk sind gewillt
zu vernehmen, was mein Zeuge gilt.
Herr Walther von Stolzing, singt das Lied! –
Ihr Meister, lest, ob’s ihm geriet.
Er übergibt Kothner das Blatt zum Nachlesen.
DIE LEHRBUBEN in Aufstellung.
Alles gespannt! ’s gibt kein Gesumm:
da rufen wir auch nicht »Silentium!«
WALTHER beschreitet festen Schrittes den kleinen Blumenhügel.
»Morgenlich leuchtend im rosigen Schein,
von Blüt und Duft
geschwellt die Luft,
voll aller Wonnen,
nie ersonnen,
ein Garten lud mich ein, –
An dieser Stelle läßt Kothner das Blatt, in welchem er mit andren Meistern eifrig nachzulesen begonnen, vor Ergriffenheit unwillkürlich fallen; er und die übrigen hören nur noch teilnahmsvoll zu. Wie verzückt.
dort unter einem Wunderbaum,
von Früchten reich behangen,
zu schaun in sel’gem Liebestraum,
was höchstem Lustverlangen
Erfüllung kühn verhieß,
das schönste Weib:
Eva im Paradies.«
DAS VOLK leise flüsternd.
Das ist was Andres, wer hätt’s gedacht;
was doch recht Wort und Vortrag macht!
DIE MEISTERSINGER leise flüsternd.
Jawohl, ich merk, ’s ist ein ander Ding,
ob falsch man oder richtig sing.
SACHS.
Zeuge am Ort,
fahret fort!
WALTHER.
»Abendlich dämmernd umschloß mich die Nacht;
auf steilem Pfad
war ich genaht
zu einer Quelle
reiner Welle,
die lockend mir gelacht:
dort unter einem Lorbeerbaum,
von Sternen hell durchschienen,
ich schaut im wachen Dichtertraum,
von heilig holden Mienen,
mich netzend mit dem edlen Naß,
das hehrste Weib,
die Muse des Parnaß!«
DAS VOLK immer leiser, für sich.
So hold und traut, wie fern es schwebt,
doch ist es grad, als ob man selber Alles miterlebt!
DIE MEISTERSINGER.
’s ist kühn und seltsam, das ist wahr:
doch wohlgereimt und singebar.
SACHS.
Zeuge, wohl erkiest!
Fahret fort, und schließt!
WALTHER sehr feurig.
»Huldreichster Tag,
dem ich aus Dichters Traum erwacht!
Das ich erträumt, das Paradies,
in himmlisch neu verklärter Pracht
hell vor mir lag,
dahin lachend nun der Quell den Pfad mir wies;
die, dort geboren,
mein Herz erkoren,
der Erde lieblichstes Bild,
als Muse mir geweiht,
so heilig ernst als mild,
ward kühn von mir gefreit,
am lichten Tag der Sonnen,
durch Sanges Sieg gewonnen
Parnaß und Paradies!«
VOLK.
Gewiegt wie in den schönsten Traum,
hör ich es wohl, doch faß es kaum.
Zu Eva.
Reich ihm das Reis;
sein sei der Preis!
Keiner wie er so hold zu werben weiß!
DIE MEISTER sich erhebend.
Ja, holder Sänger, nimm das Reis;
dein Sang erwarb dir Meisterpreis!
POGNER mit großer Rührung und Ergriffenheit zu Sachs sich wendend.
O Sachs! Dir dank ich Glück und Ehr:
vorüber nun all Herzbeschwer!
Walther ist auf die Stufen der Singerbühne geleitet worden und läßt sich dort vor Eva auf ein Knie nieder.
EVA zu Walther, indem sie ihn mit einem Kranz aus Lorbeer und Myrte bekränzt, sich hinabneigend.
Keiner wie du so hold zu werben weiß!
SACHS zum Volk gewandt, auf Walther und Eva deutend.
Den Zeugen, denk es, wählt ich gut:
tragt ihr Hans Sachs drum üblen Mut?
DAS VOLK bricht schnell und heftig in jubelnde Bewegung aus.
Hans Sachs! Nein! Das war schön erdacht!
Das habt Ihr einmal wieder gut gemacht!
DIE MEISTERSINGER feierlich sich zu Pogner wendend.
Auf, Meister Pogner! Euch zum Ruhm,
meldet dem Junker sein Meistertum!
POGNER mit einer goldenen Kette, dran drei große Denkmünzen, zu Walther.
Geschmückt mit König Davids Bild,
nehm ich Euch auf in der Meister Gild!
WALTHER mit schmerzlicher Heftigkeit abweisend.
Nicht Meister! – Nein!
Er blickt zärtlich auf Eva.
Will ohne Meister selig sein! –
Alles blickt mit großer Betroffenheit auf Sachs.
SACHS schreitet auf Walther zu und faßt ihn bedeu tungsvoll bei der Hand.
Verachtet mir die Meister nicht,
und ehrt mir ihre Kunst!
Was ihnen hoch zum Lobe spricht,
fiel reichlich Euch zur Gunst.
Nicht Euren Ahnen, noch so wert,
nicht Eurem Wappen, Speer noch Schwert, –
daß Ihr ein Dichter seid,
ein Meister Euch gefreit,
dem dankt Ihr heut Eu’r höchstes Glück.
Drum, denkt mit Dank Ihr dran zurück,
wie kann die Kunst wohl unwert sein,
die solche Preise schließet ein? –
Daß unsre Meister sie gepflegt
grad recht nach ihrer Art,
nach ihrem Sinne treu gehegt,
das hat sie echt bewahrt:
blieb sie nicht adlig, wie zur Zeit,
wo Höf und Fürsten sie geweiht,
im Drang der schlimmen Jahr
blieb sie doch deutsch und wahr;
und wär sie anders nicht geglückt,
als wie, wo Alles drängt und drückt,
Ihr seht, wie hoch sie blieb in Ehr: –
was wollt Ihr von den Meistern mehr?
Habt Acht! Uns dräuen üble Streich: –
zerfällt erst deutsches Volk und Reich,
in falscher welscher Majestät
kein Fürst bald mehr sein Volk versteht,
und welschen Dunst mit welschem Tand
sie pflanzen uns in deutsches Land;
was deutsch und echt, wüßt Keiner mehr,
lebt’s nicht in deutscher Meister Ehr.
Drum sag ich Euch:
ehrt Eure deutschen Meister!
Dann bannt Ihr gute Geister;
und gebt Ihr ihrem Wirken Gunst,
zerging in Dunst
das heil’ge röm’sche Reich,
uns bliebe gleich
die heil’ge deutsche Kunst!
Während des folgenden Schlußgesanges nimmt Eva den Kranz von Walthers Stirn und drückt ihn Sachs auf; dieser nimmt die Kette aus Pogners Hand und hängt sie Walther um. Nachdem Sachs das Paar umarmt, bleiben Walther und Eva zu beiden Seiten an Sachsens Schultern gestützt; Pogner läßt sich, wie huldigend, auf ein Knie vor Sachs nieder. Die Meistersinger deuten mit erhobenen Händen auf Sachs, als auf ihr Haupt. Alle Anwesenden – schließlich auch Walther und Eva – schließen sich dem Gesange des Volkes an.
VOLK.
Ehrt eure deutschen Meister,
dann bannt ihr gute Geister;
und gebt ihr ihrem Wirken Gunst,
zerging in Dunst
das heil’ge röm’sche Reich,
uns bliebe gleich
die heil’ge deutsche Kunst!
Als es hier zu der bezeichneten Schlußgruppe gelangt ist, schwenkt das Volk begeistert Hüte und Tücher; die Lehrbuben tanzen und schlagen jauchzend in die Hände.
Heil! Sachs!
Nürnbergs teurem Sachs!