Jacques Fromental Halévy
Die Jüdin
Oper in fünf Aufzügen
Personen
Kaiser Sigismund
Kardinal Johann von Brogni, Präsident des Konziliums (Baß)
Leopold, Reichsfürst (Tenor)
Prinzessin Eudora, Nichte des Kaisers (Sopran)
Ruggiero, Oberschultheiß der Stadt Konstanz (Bariton)
Albert, Offizier der kaiserlichen Leibwache (Baß)
Eleazar, ein Jude, Juwelier (Tenor)
Recha, seine Tochter (Sopran)
Der Majordomus (Bariton)
Ein Offizier (Tenor)
Ein Ausrufer (Bariton)
Kurfürsten, Reichsherzoge und Herzoginnen, Reichsfürsten und Fürstinnen, Edelherren, Ritter, Edeldamen, Kardinäle, Bischöfe, Geistliche, Priester, Ordensbrüder, Büßerinnen, Chorknaben, Vermummte, Ratsherren, Schöppen, Innungsmeister, Bannerträger, Fahnenträger, Offiziere, Herolde, Gehar nischte, Trompeter, Bogenschützen, Hellebardiere, Kaisergarden, Kardinalsgarden, Wachen, Kaiserpagen, Kardinalspagen, Pagen Eudoras, Edelpagen, Hausgenossen Eleazars, Tänzer und Tänzerinnen, Volk, Männer, Weiber, Kinder, Diener, Henker
Ort der Handlung: Konstanz.
Zeit: 1414.
Rechts und links vom Darsteller.
Spielzeit: dreiundeinehalbe Stunde.
Erste Aufführung: Paris, 23. Februar 1835.
Ouvertüre.
Erster Aufzug.
Großer öffentlicher Platz in Konstanz. Rechts vorn Eleazars Haus mit Ladenthür, daneben ein Glasfenster. Links vorn über Stufen der Eingang in den Dom. In der Ecke rechts hinten, von links nach rechts eine Brücke, die in einen tiefer gelegenen Teil der Stadt führt. In der Mitte des Platzes ein Springbrunnen.
Es ist Tag.
Rechts und links vom Darsteller.
Erster Auftritt.
Bürger, Bürgerinnen, Volk andächtig vor dem Dom links vorn knieend. Ein Teil des Volkes im Dom singend.
Nr. 1. Introduktion und Chor.
CHOR bei geschlossenem Vorhang im Dom links vorn.
Te deum laudamus! Te dominum confitemur!
Te aeternum patrem omnis terra veneratur!
Der Vorhang geht auf.
Man hörte rechts vorn im Hause Eleazars arbeiten.
EINER AUS DEM VOLKE.
Wer bewohnt das Haus, wo man heute
Uneingedenk des Festes schnöd Gewerbe betreibt?
VOLK.
Wer ist’s, der ungestraft hier sein Gewerbe treibt?
EIN ANDERER.
Es sind des reichen Goldschmieds Leute,
Die jüd’sche Ketzerbrut, der Hölle einverleibt!
VOLK.
Es sind des reichen Goldschmieds Leute!
Des Goldschmieds Leute, die jüd’sche Ketzerbrut!
Seht nur, seht! seht nur, seht! er ist’s, ja, er ist’s!
Eleazar erscheint mit Recha rechts vorn unter seiner Hausthür.
Zweiter Auftritt.
Eleazar, Recha rechts vorn. Das Volk.
RECHA.
Mein Vater, laß uns gehen, o komm!
O komm! Wir sind nicht gern gesehen!
Beide treten in ihr Haus zurück.
CHOR im Dom links vorn.
Pleni sunt, pleni sunt, coeli et terra
Majestatis gloriae, gloriae tuae.
Leopold in einen Mantel gehüllt, kommt von rechts vorn, vorsichtig nach Eleazars Hause spähend.
Albert kommt gleichzeitig von links und verrät durch Zeichen des Erstaunens, daß er Leopold erkannt.
Dritter Auftritt.
Leopold rechts vorn. Albert sich ihm nähernd. Das Volk.
ALBERT halblaut.
In dieser Kleidung, Herr,
Kehrt zurück Ihr nach Konstanz?
O sagt – seid Ihr es auch?
LEOPOLD leise.
Nur leise! – Du allein, treuer Freund,
Darfst wissen, daß ich hier!
ALBERT.
Des Kaisers Majestät erwartet Euch!
LEOPOLD.
Laßt Sigismund mein Hiersein nicht erfahren,
Bis heute Abend nur! – Doch welch Zusammenströmen?
Alles ist in Bewegung!
ALBERT halblaut.
Hat man Euch nicht gesagt,
Daß noch heute der Kaiser hier in Konstanz einzieht,
Konzilium zu halten mit Fürsten und Prälaten,
Zu schlichten allen Streit gesamter Christenheit,
Zu einen die Parteien, der Ketzerei zu steuern,
Den Lästrer Johann Huß zum Tode zu verdammen?
Gefallen in der Schlacht ist eine große Zahl
Unsrer Feinde durch das Schwert, von frommer Hand geführt.
Ja, Sigismund will heute Euch belohnen,
Der Ihr den Sieg errangt für unsern wahren Glauben!
CHOR im Dom links vorn.
In te domine speravi, non confundar in aeternum.
ALBERT.
Hört Ihr den Lobgesang?
LEOPOLD halblaut.
Jetzt eilig fort von hier!
Eine günst’gere Zeit benützen später wir!
Beide eilen links hinten davon.
Das Volk strömt aus dem Dom auf die Straße.
Edeldamen mit Kindern und Pagen verlassen den Dom und entfernen sich nach verschiedenen Seiten.
Vierter Auftritt.
Volk vor dem Dom. Edeldamen, Kinder, Pagen.
VOLK erhebt sich.
Hosanna, singt Jubellieder,
Preiset, o preist den Herrn der Welt!
Hosanna, gebt ihm die Ehre! –
Laut erschalle bis zum Himmel
Jubelruf und Festgesang,
Und das frohe Volksgetümmel
Erfreue Becherklang!
Singt Jubellieder, o preist den Herrn der Welt!
Laut erschalle bis zum Himmel
Jubelruf und Festgesang,
Und das frohe Volksgetümmel
Erfreue Becherklang!
Hosanna! auf, singt Jubellieder!
Und laut erschalle bis zum Himmel,
Laut erschalle Festgesang!
Hosanna! Hosanna! Hosanna! Hosanna! –
Ruggiero mit einem Edikt, ein Ausrufer mit einem langen weißen Stabe, zwei Trompeter, vier Hellebardiere kommen von rechts hinten vor der Brücke.
Fünfter Auftritt.
Ausrufer rechts, Ruggiero zu seiner Linken Trompeter und Hellebardiere hinter beiden. Das Volk sie umdrängend.
RUGGIERO.
Diesen festlichen Tag mit Jubel zu begehen,
Bin ich vom Magistrat dieser Stadt ausersehen,
Ein Edikt zu proklamieren: achtet euch danach!
Er giebt dem Ausrufer ein Zeichen.
AUSRUFER naht sich ehrerbietig, nimmt das Edikt aus Alberts Hand in Empfang und verkündet den Inhalt der Menge.
»Da mit göttlicher Hilfe der Held Leopold
Der Hussiten verderbliche Rotte gezüchtigt,
Hat das allhier versammelte Konzilium
Wie des Kaisers Majestät und Eminenz Brogni
In Gnaden anberaumt ein stattlich Freudenfest.«
VOLK jubelnd.
Ha, für unsre Stadt, welch unverhofftes Glück!
Unser Kaiser hoch, hoch das Konzilium!
Unser Kaiser hoch! Unser Kaiser hoch!
AUSRUFER weiter lesend.
»In den Kirchen wird Lob und Dank
Dem Ew’gen dargebracht für seiner Allmacht Hilfe!
Später strömet aus allen Brunnen
Statt des Wassers der köstlichste Wein.«
VOLK.
Ha, für unsre Stadt – welch unverhofftes Glück!
Hoch soll der Kaiser leben, unser Kaiser hoch! –
Aus Eleazars Hause rechts vorn sind Hammerschläge hörbar.
RUGGIERO aufmerksam auf die Störung.
Sagt an, woher so nah der Kirche
Hier ein solch Getöse?
Welche Hand wagt es frevelnd,
Diesen Tag zu entweihn?
Ha, wer ist’s, der so kühn
Sein Gewerbe heut treibt?
VOLK empört, in Aufregung.
Wer könnte sich erfrechen zu wagen solch Verbrechen,
Als Eleazar selbst, der reiche Juwelier.
RUGGIERO.
Geht hin und führt ihn eilig her zu mir.
Solch Verbrechen sei streng an ihm bestrast;
Zu den Hellebardieren.
Nehmt schnell ihn in Verhaft! –
Ein Teil der Menge eilt auf Eleazars Haus zu, schlägt das Fenster ein und erbricht die Thür.
Zwei Hellebardiere betreten eilig das Haus.
Einige stürzen ins Haus und schleppen Eleazar und Recha heraus.
Die beiden Hellebardiere folgen ihnen.
Sechster Auftritt.
Recha, Eleazar rechts vorn inmitten von Männern aus dem Volk. Ruggiero Eleazar zur Linken. Ausrufer, Trompeter, Hellebardiere hinter Ruggiero zurückstehend. Volk von allen Seiten her die Gruppe umdrängend.
RECHA wendet sich bittend an die Eleazar festhaltenden Männer.
Ach, mein Vater,
Thut ihm nichts zu Leide!
O Gott, was that er euch?
Laßt ihn, ich fleh euch an!
RUGGIERO.
Sprich schnell, verruchter Jude,
Kennst du nicht deine Pflicht!
Ha, deinen Frevel treffe
Das strengste Strafgericht.
Darfst am Feste du der Arbeit fröhnen?
ELEAZAR ruhig.
Und weshalb nicht? Sprecht, weshalb nicht?
Bin ich ein Sohn nicht Israels,
Und der Gott der Christen
Giebt mir kein Gebot?
RUGGIERO empört.
Ha, schweig! Ihr hört’s,
Den Himmel wagt er zu verhöhnen,
Spottet laut unserm Gott!
ELEAZAR.
Bin ich darum zu verdammen?
Durch euch ward auf dem Holzstoß
Einst meinen teuren Söhnen
Der Tod in grausen Flammen!
RUGGIERO.
Auch dich bedroht dies Los!
Den Tod dir, Gottverächter! Es sterbe der Gotteslästerer.
Ja, dem qualvollsten Tod
Sollst du heute nicht entgehn.
Ha, er wird noch den Glanz
Dieses Festes erhöhn!
VOLK fanatisiert.
Flammen ihn verzehren, sehn wir heute noch.
Unser Kaiser lebe, lebe, lebe hoch!
Die Hellebardiere wollen Eleazar und Recha wegschleppen.
Vier Chorknaben kommen von links aus dem Dom und stellen sich an den Stufen auf.
Brogni folgt, von zwei Priestern begleitet.
Siebenter Auftritt.
Die Vorigen. Brogni, Priester, Chorknaben.
RUGGIERO.
O Himmel! der Präsident des heiligen Konzils,
Der würd’ge Brogni nahet!
VOLK ehrerbietig.
Der Kardinal, der Hochverehrte nahet!
BROGNI noch auf den Stufen vor dem Portal.
Wo bringt ihr jene Leute hin?
RUGGIERO.
Juden sind’s, die zum Tode man führet.
BROGNI.
Ihr Verbrechen -?
RUGGIERO auf Eleazar zeigend.
Selbst am Feiertage trieb der Vermessene
Frech sein Gewerbe.
Brogni tritt herab, zwischen Eleazar und Ruggiero.
Die beiden Priester bleiben auf den Stufen.
BROGNI zu Eleazar.
Nahe dich! Dein Name?
ELEAZAR tritt näher.
Eleazar!
BROGNI.
Ich hörte, irr‘ ich nicht,
Vor langer Zeit dich nennen.
ELEAZAR.
Ohne Zweifel.
BROGNI.
Anderswo hab ich dich einst gesehn.
ELEAZAR.
In Rom. Doch damals, wie ich mich entsinne,
Wart Ihr noch nicht dem Dienst Eurer Kirche geweiht!
Ihr hattet eine Gattin, eine Tochter –
BROGNI.
O schweige – und ehre den Schmerz
Des Vaters und des Gatten;
Entschwunden ist für mich auf Erden jedes Glück,
Gott nur allein blieb meine Zuversicht,
Ihm weiht‘ ich glaubensvoll und vertrauend mein Leben.
ELEAZAR vorwurfsvoll.
Deshalb verfolgt Ihr mich?
BROGNI.
Nein, retten will ich dich!
ELEAZAR.
Nimmer werd‘ ich vergessen,
Daß Ihr mich aus Rom,
Als Haupt des Magistrats,
Gewaltsam einst verbannt.
RUGGIERO empört.
Welche Frechheit!
BROGNI mild.
Und doch erlasse beiden ich die Strafe.
Sei frei, Eleazar,
Näher tretend.
Und sei mein Freund, mein Bruder,
Hab ich dich je gekränkt, nun, so verzeih!
ELEAZAR.
Nein! nie!
Nr. 2. Kavatine.
BROGNI.
Wenn ew’ger Haß, glühende Rache
Sie Christenpflicht verachten lehrt,
Werde, so schwer sie sich vergangen,
Mein Gott, mein Gott, ihnen Gnade von dir gewährt.
RECHA für sich, Brogni bezeichnend.
Groß ist die Huld, Duldung und Güte,
Die Israels Stamm er beweist.
Minder verhaßt sind mir die Christen,
Wenn dies Greisenhaupt Fried‘ verheißt.
ELEAZAR für sich.
Nicht seine Duldung, seine Güte
Versöhnet meinen Rachegeist.
Haß und Verderben jedem Christen,
Wenn er auch Duldung uns verheißt.
RUGGIERO zu Brogni.
So große Duldung, so viel Güte
Entflammt nur der Rachsücht’gen Geist;
Sie bleiben Feinde aller Christen,
Deshalb Schutz ihnen nicht verheißt!
CHOR unter sich.
Wer hat, wie er, uns Bruderliebe
Für unsern ärgsten Feind gelehrt?
Dem Beispiel folgt, hegt fromme Triebe,
Ehrt Gott, so werdet ihr geehrt!
BROGNI.
Würdig der heiligen Lehre zu sein,
Soll jeder Christ auch dem Feinde verzeihn!
Würdig der heiligen Lehre zu sein,
Soll jeder Christ auch dem Feinde verzeihn!
RECHA für sich.
Gott! Gott! Gott, durch deine Gnade
Er Trost verheißt, Frieden uns verheißt!
ELEAZAR für sich.
Nein! nein! nein, Haß und Verderben,
Wenn er auch Trost hier uns verheißt!
BROGNI.
Wenn ew’ger Haß, glühende Rache
Sie Christenpflicht verachten lehrt,
Werde, so schwer sie sich vergangen,
Mein Gott, mein Gott, ihnen Gnade von dir gewährt!
RUGGIERO für sich.
Nein, nein, nein, nein, weder Duldung
Noch Schutz, wenn er auch Schutz verheißt!
BROGNI.
Werde, so schwer sie sich vergehen,
Von dir ihnen Gnade gewährt!
Mein Gott, mein Gott, ihnen Gnade von dir gewährt!
RECHA.
Uns verheißt Frieden er! – Uns verheißt!
ELEAZAR.
Wenn er auch Duldung hier uns verheißt – uns verheißt!
BROGNI.
Ihnen Gnade, werd‘ ihnen Gnade,
Ihnen Gnade von dir gewährt!
RUGGIERO.
Ihnen verheißt, nicht ihnen Schutz – mehr verheißt!
VOLK.
Dem Beispiel folgt, hegt fromme Triebe,
Ehrt Gott, so werdet ihr geehrt!
Brogni geht unter Vorantritt der vier Chorknaben und gefolgt von den zwei Priestern durch die ehrfurchtsvoll zurückweichende Menge, die er segnet, nach rechts hinten über die Brücke ab.
Recha und Eleazar wenden sich nach rechts vorn in ihr Haus.
Ruggiero geht mit dem Ausrufer, den Trompetern und den Hellebardieren rechts hinten vor der Brücke ab.
Die Volksmenge zerstreut sich nach allen Seiten.
Der Platz bleibt im Hintergrunde belebt.
Leopold in schwarzer einfacher Kleidung kommt von links vorn und sieht sich überall ängstlich um.
Achter Auftritt.
Leopold. Vorübergehende.
Nr. 3. Recitativ und Serenade.
Recitativ.
LEOPOLD.
Endlich flieht diesen Platz jene lästige Menge,
Und fern von dem Gedränge
Darf ich mich nahn ohne Gefahr!
Doch nichts zeigt sich den Blicken!
Er wendet sich vorsichtig nach rechts zu dem Fenster in Eleazars Hause und ruft leise.
Recha! Recha! – O Gott, sie hört mich nicht! –
Serenade.
LEOPOLD.
Fern vom Liebchen weilen, welch ein Mißgeschick!
Was kann Schmerzen heilen, als der Liebe Glück?
Ach, welch herbes Leiden bringt langes Scheiden!
Doch heute ist der Tag, da Leid und Schmerz vergehen,
Ich werde, Geliebte, dich wiedersehen,
Erhört ist mein Flehen, mein Glück kehrt zurück! –
Ich der Schönen viele in der Fremde sah,
Doch mied ich ihre Spiele, denn du warst nicht da!
Was bringt größres Leiden, als ein langes Scheiden.
Doch ach, heute ist der Tag, da Leid und Schmerz vergehen,
Ich werde, Geliebte, dich wiedersehen,
Erhört ist mein Flehen, mein Glück kehrt zurück! –
Recha kommt von rechts vorn aus ihrem Hause.
Neunter Auftritt.
Recha, Leopold zu ihrer Linken. Vorübergehende.
RECHA.
Hör‘ ich endlich wieder deiner Stimme Klang,
Die zärtlichen Lieder hör‘ ich endlich wieder,
Des Teuren Gesang.
Es brachte das Scheiden mir bittere Leiden!
Heute ist der Tag, an welchem sie verschwinden,
Heute ist der Tag, der wonnevolle Tag,
Der Tag, wo sie alle verschwinden,
Der Tag, der mein Glück bringt zurück! –
O wonniger Tag! mein Glück kehrt zurück!
LEOPOLD.
Heute ist der Tag, an welchem sie verschwinden,
Heute ist der Tag, der wonnevolle Tag,
An dem wir uns endlich wiederfinden,
Für immer, Geliebte, uns zu verbinden,
O himmlisches Glück! o wonniger Tag! –
Mein Glück kehrt zurück! mein Glück kehrt zurück!
RECHA im Schutz des Hauses, mit Leopold den im Hintergrunde Vorübergehenden nicht sichtbar.
Samuel! Endlich hier?
LEOPOLD.
Ja, ich bin’s, dein Geliebter!
RECHA.
War dir auf deiner Reise
Günstig das Geschick?
LEOPOLD.
Wenn nur du mich liebst,
Ist errungen mein Glück.
RECHA.
Und sprich, wie sollt‘ ich nicht?
Du gehörst unserm Glauben,
Gehörst dem Gott Israels gläubig an.
Und deine Kunst, die ich als herrlich preise,
Hat sie wohl mindern Wert,
Als meines Vaters Gold?
LEOPOLD.
Wann, Recha, Heißgeliebte,
Werd‘ ich dich wiedersehn?
RECHA.
Bei meinem Vater heute noch.
Komm‘ zu ihm.
LEOPOLD.
Nein, ich wag‘ es nicht!
RECHA.
Laß das Bangen!
Das Osterfest feiern wir heute,
Wie seinen Auserwählten
Unser Gott gebeut.
LEOPOLD für sich.
O Gott!
RECHA.
An diesem Tage empfängt er mit Liebe
Die Söhne Israels beim brüderlichen Mahl.
LEOPOLD verlegen.
Nur noch ein Wort –
RECHA.
Geh jetzt! Sieh das Volk sich versammeln,
Dieser Gegend strömt es zu.
LEOPOLD dringend.
Recha, o höre mich!
RECHA.
Nein, heute Abend, leb wohl!
Sie eilt nach rechts vorn ins Haus ab.
Leopold hüllt sich in seinen Mantel und verschwindet nach rechts hinten vor der Brücke.
Man hört Glockengeläute bis zum Einsatz des Chores.
Zehnter Auftritt.
Männer, Frauen und Kinder strömen von allen Seiten herbei. Edelherren und Damen besetzen die Galerien und Balkone der Häuser.
Nr. 4. Chor.
CHOR DER FRAUEN zu welchem das übrige Volk von allen Seiten herbeiströmt.
Eilt herbei, weicht nicht mehr von hinnen,
Denn das Fest wird sogleich beginnen,
Eilt herbei, weicht nicht mehr von hinnen,
Hier allein ist der Zug ganz zu sehn!
Und an diesem beglückten Tage
Stört die Freude durch keine Klage,
Laßt sorglos uns das Fest begehn!
CHOR DER TRINKER.
Wißt ihr schon, aus diesem Brunnen
Springt statt Wasser heute Wein!
Echter Wein, guter Wein! Guter Wein, echter Wein!
Also können wir bis morgen
Wohlgemut und fröhlich sein!
CHOR DER FRAUEN.
Eilt herbei, weicht nicht mehr von hinnen,
Denn das Fest wird sogleich beginnen,
Eilt herbei, weicht nicht mehr von hinnen,
Hier allein ist der Zug ganz zu sehn!
Und an diesem beglückten Tage
Stört die Freude durch keine Klage,
Ja an diesem beglückten Tage
Laßt uns vergnügt zum Tanze gehn!
Zu einander, auf die Männer zeigend.
Fließt erst der Wein, sind sie geborgen,
Zechen wohlgemut bis morgen,
Wie werden sie alle sich erfreun!
Wir wollen auch nicht müßig bleiben,
Tanzend uns die Zeit vertreiben,
Ja tanzen, ja tanzen, lustig sein!
Beim Tanz uns freun, recht lustig sein!
CHOR DER TRINKER.
Freunde, bald springt aus dem Brunnen
Statt des Wassers guter Wein,
Und wir schenken dann bis morgen
Fleißig uns vom Brunnen ein!
Ja, das nenn‘ ich einen Brunnen,
Er giebt statt des Wassers Wein!
Sicher finden wir auch morgen
Wohlgemut uns bei ihm ein!
Ja, die Feier mag beginnen,
Haben wir nur erst den Wein!
Ja, haben wir nur erst den Wein,
Dann schenken wir bis morgen ein! –
Aus dem Brunnen inmitten des Platzes strömt Wein.
Seht, dort strömt schon der Wein, goldner Wein! –
Sie sammeln sich um den Brunnen, füllen die mitgebrachten Krüge und Becher, trinken und jubilieren.
Nr. 5. Trinkchor.
TRINKER.
Hoch preiset das Geschick,
Ihm danken wir diese Lust, dieses Glück!
Den Kaiser schließt mit ein,
Ihm danken wir den Wein!
Auf, trinkt und wenn es tausend wären,
So wollen wir die Becher leeren
Auf solcher Wirte Wohlergehn
Und früher nicht von dannen gehn.
Trinkt, Freunde, trinkt, Freunde,
Trinkt und wenn’s tausend wären,
Wollen wir redlich den vollen Becher leeren!
Trinkt, Freunde und wenn’s tausend wären,
So wollen wir den Brunnen leeren!
Auf solcher Wirte Wohlergehn,
Und alle hier für einen stehn!
Trinkt, Freunde, trinkt wenn’s tausend wären,
Wollen wir den Becher leeren auf der Wirte Wohlergehn!
EINER nimmt dem andern den Krug fort.
Ich habe den Krug mir gefüllt,
Du hast schon den Durst dir gestillt!
DER ANDERE entgegnend.
Ich nahm ihn nicht!
Die Frauen ziehen sich während des Streites zurück und kommen erst zum Schluß des Chores wieder nach vorn.
DER EINE.
Hab’s ja gesehn!
DER ANDERE.
Fürcht‘ meinen Zorn!
DER EINE.
Wirst du nicht gehn,
So möchte ein Leid dir geschehn!
DER ANDERE.
Du drohst mir, erbärmlicher Wicht?
ALLE.
Wie, er ein Wicht? Das ist er nicht!
EIN DRITTER.
Haltet doch Ruh, streitet hier nicht!
Folgt meinem Rat, vereinigt euch
Und trinkt zusammen! Ja trinkt und wiederholt zugleich:
EIN VIERTER.
Ja, ja, vereinigt euch!
EIN FÜNFTER.
Ja, ja, vereinigt euch!
BEIDE.
Ja, ja, vereinigt euch und wiederholt zugleich:
VIER ALLEIN.
Hoch preiset das Geschick,
Ihm danken wir diese Lust, dieses Glück!
VIER ANDERE.
Hoch preiset das Geschick,
Ihm danken wir diese Lust, dieses Glück!
DIE VIER ERSTEN.
Den Kaiser schließt mit ein,
Ihm danken wir den Wein!
DIE VIER ZWEITEN.
Den Kaiser schließt mit ein,
Ihm danken wir den Wein!
Auf, trinkt und wenn es tausend wären,
So wollen wir die Becher leeren –
DIE VIER ERSTEN.
Auf solcher Wirte Wohlergehn
Und früher nicht von dannen gehn.
ALLE ACHTE.
Trinkt, Freunde, trinkt, Freunde,
Trinkt und wenn’s tausend wären,
Wollen wir redlich den vollen Becher leeren!
Trinkt Freunde und wenn’s Tausend wären,
So wollen wir den Brunnen leeren –
ALLE.
Auf solcher Wirte Wohlergehn,
Und alle hier für einen stehn!
Trinkt, Freunde, trinkt, wenn’s tausend wären,
Wollen wir den Becher leeren auf der Wirte Wohlergehn!
Der Wein beginnt die Köpfe zu erhitzen.
Die Frauen kommen nach vorn und fordern zum Tanz auf.
Nr. 6. Ballett Walzer.
Recha und Eleazar kommen von rechts vorn aus ihrem Hause.
Man hört von rechts hinten eine Trompetenfanfare.
Elfter Auftritt.
Recha und Eleazar wenden sich nach der Mitte. Volk sie von allen Seiten umgebend.
Nr. 7. Finale.
VOLK wird aufmerksam und zeigt nach rechts hinten.
Hierher! Hierher! Hierher! –
Seht nur, seht, ganz von fern dort den Zug sich bewegen,
Langsam zwar schreitet er, schreitet er uns entgegen,
Doch bald, doch bald überstrahlt uns sein Glanz,
Ja bald, ja bald, überstrahlt uns sein Glanz.
RECHA.
Großer Gott, sieh, Vater, welch Gedränge
Ist dort vor unsrer Thür!
ELEAZAR.
Fürchte nichts, folge mir!
Er zeigt nach links nach den Stufen zum Dom.
Dort oben ist noch Platz für uns!
Beide versuchen die Treppe zu erreichen und werden von der Menge hinauf bis vor das Portal des Doms gedrängt.
Trommelwirbel.
Ruggiero kommt mit sechs Hellebardieren von rechts hinten über die Brücke, um Raum für den Zug zu schaffen.
Die Hellebardiere bilden eine Gasse von der Brücke zum Dom.
Zwölfter Auftritt.
Die Vorigen. Ruggiero, Hellebardiere.
RUGGIERO.
Platz da, den Weg geräumt,
Stellt euch weiter zurück! –
Er bemerkt beim Zurückdrängen des Volkes Eleazar und Recha vor dem Portal des Doms stehen; entsetzt.
Ha, mein Gott, was seh ich?
O Frechheit ohne Gleichen,
An unsres Domes Thüre
Darf sich ein Jude zeigen?
Zum Volk.
Ihr seht es selbst! O Greul! o Greul!
Er steht auf heil’ger Schwelle
Und ihr duldet, ihr duldet den Greul?
VOLK.
Wir dürfen’s nicht! Wir dürfen’s nicht!
RUGGIERO.
Zu eurer Seelen Heil
Überliefert ihn dem Blutgericht!
Er geht mit seinen sechs Hellebardieren nach rechts hinten über die Brücke ab.
Das Volk reißt wütend Eleazar und Recha, die sich umschlungen hielten, vom Portal weg und von den Stufen herab.
Einige bemächtigen sich Eleazars und schleppen ihn nach rechts vor.
Andere fassen Recha und ziehen sie nach links.
VOLK in fanatischer Wut.
Zum Tod! fort, fort mit ihm zum Tod!
Fort zum Tod! fort zum Tod!
Der Verruchte muß sterben und verderben!
Fort mit ihm! fort zum Tod!
Ja, er stirbt in den Flammen, so will’s das Gebot!
Fort zum Tod! fort zum Tod! mit ihm zum Tod!
ELEAZAR.
Sagt an, was ich gethan, dreimal Vermaledeite?
Eurer Wut werd‘ mein Blut Fluch euch bringend zur Beute!
Säumt nicht mehr, allzuschwer wird die Last zu tragen mir!
O kommt, kommt näher her, Eleazar harrt eurer hier!
VOLK.
Wie, ein solch Betragen darf der Frevler wagen,
Können wir’s ertragen, ungestraft ihn sehn!
Recht soll ihm geschehn, er muß untergehn!
Zum Tod! fort, fort mit ihm zum Tod!
Fort zum Tod! fort zum Tod!
Der Verruchte muß sterben und verderben!
Fort mit ihm! fort zum Tod!
Ja, er stirbt in den Flammen, so will’s das Gebot!
Fort zum Tod! fort zum Tod! mit ihm zum Tod!
Eleazar und Recha werden nach hinten geschleppt.
Leopold kommt von rechts hinten vor der Brücke.
Dreizehnter Auftritt.
Die Vorigen. Leopold empört über den Vorgang, die Mitte nehmend.
LEOPOLD.
Ha, was muß ich sehn!
Er stürmt dazwischen und faßt Rechas Hand.
Recha, bedrohend umgeben!
RECHA zu Leopold.
Fort, fort von hier! fort, fort!
In Gefahr ist dein Leben!
Die Barbaren begehren
Unser aller Blut!
Fort, fort, entflieh‘ der Rache Wut!
LEOPOLD.
Nein, nein! Recha! Heißgeliebte!
Ihr wagt es, feile Knechte,
Die Jungfrau zu beleidigen!
Weg von ihr! – Weg von ihr!
Sonst soll mein Arm die kühne That bestrafen!
Albert kommt mit sechs Hellebardieren von links hinten und bringt durch die Volksmasse.
Vierzehnter Auftritt.
Die Vorigen. Albert, Leopold zur Rechten.
ALBERT auf Eleazar und Recha zeigend.
Verhaftet sie!
Die Hellebardiere wollen sich der beiden Bedrohten bemächtigen.
Leopold tritt zu Albert und flüstert ihm einige Worte zu.
ALBERT erkennt den Prinzen.
O Gott!
Soldaten! Haltet ein! zieht euch zurück!
Zu dem umstehenden Volke.
Gebt die Verfolgten frei,
Denen Schutz ich gewährt!
Gebt sie frei, gebt sie frei!
Sonst züchtigt euch mein Schwert!
Das Volk murrt und läßt Eleazar und Recha los.
Recha eilt ihrem Vater zur Rechten und schließt ihn in die Arme.
Das Volk zieht sich furchtsam von den beiden zurück.
RECHA für sich.
Nicht vermag ich’s zu fassen,
Die Barbaren verlassen
Ihre Beute verzagt.
Strenge Ahndung besorgend,
Seinem Wink gehorchend,
Widerspruch keiner wagt!
O Gott, laß mich erfahren,
Wer verlieh ihm die Macht?
Wie soll ich sonst bewahren
Dieses Herz vor Verdacht!
ELEAZAR für sich.
Gott, laß mich erfahren,
Wer Rettung uns gebracht,
Und wolle uns bewahren
Vor der Geistlichkeit Macht!
ALBERT leise zu Leopold.
Nimmer darf sie erfahren
Euren Rang, Eure Macht!
Nicht drohn ihr Gefahren,
Wenn Treue sie bewacht!
LEOPOLD für sich.
Vor Gewalt zu bewahren
Die Verfolgte sei bedacht,
Kein Leid wird sie erfahren,
Wenn Freundschaft sie bewacht!
VOLK unter sich.
Unerhört ist’s, zu sehn,
Einem Juden gehorchen!
Was können sie besorgen,
Wenn sie ihm widerstehn?
RECHA für sich.
Ha, wie mag es geschehn,
Daß die Krieger gehorchen,
Für unsre Freiheit sorgen
Und erzitternd vor ihm stehn?
ELEAZAR für sich.
Ja, jeder muß gehorchen,
Zitternd hier vor ihm stehn,
Für unsre Freiheit sorgen
Und erzitternd vor ihm stehn!
ALBERT leise zu Leopold.
Ja, jeder muß gehorchen,
Zitternd hier vor Euch stehn!
Ja, jeder muß gehorchen – vor Euch stehn!
LEOPOLD für sich.
Ja, jeder muß gehorchen,
Zitternd hier vor mir stehn!
Ja, jeder muß gehorchen – vor mir stehn!
VOLK unter sich.
Ja, alle ihm gehorchen,
Zitternd sie vor ihm stehn! –
Trommelwirbel.
Der Einzug des Kaisers beginnt.
Seht, es nahet sich der Zug!
Seht nur, seht! Seht nur, seht! Platz gemacht! –
Fünfzehnter Auftritt.
Recha und Eleazar rechts vorn. Albert und Leopold links vorn. Der Zug. Volk.
Großer Einzug von rechts hinten über die Brücke nach links vorn in den Dom, mit dem Allegro brillante sechsachtel Takt beginnend. Zwölf Soldaten kommen von rechts hinten und bilden Spalier; dann ein Herold. Sechs Trompeter der Stadt Konstanz. Zwei Fahnenträger der Stadt Konstanz mit Bannern. Zwölf Meister der verschiedenen Innungen mit Insignien und Fahnen. Sechs Schöppen mit Stäben. Ein Anführer. Sechzehn Bogenschützen. Zwei Herolde des Konzils. Sechszehn Hellebardiere des Kardinals. Zwei Bannerträger des Kardinals. Ein Bannerträger des heiligen Gerichts. Zwölf Kardinäle und Bischöfe, Mitglieder des Konzils. Sechs Pagen des Kardinals. Der Kardinal Brogni zu Pferde; er steigt vor dem Portal ab und betritt den Dom. Vier Träger seines Baldachins. Zwei Führer seines Pferdes. Ein Anführer. Sechzehn Bogenschützen. Vier kaiserliche Trompeter. Zwei Waffenherolde des Kaisers. Ein Waffenherold mit dem kaiserlichen Banner. Sechs kaiserliche Pagen. Der Kaiser Sigismund zu Pferde. Zwei Führer seines Pferdes. Die Prinzessin Eudora zu Pferde. Zwei Führer ihres Pferdes. Vier Geharnischte zu Pferde. Zwei Herolde der Reichsfürsten. Vier Pagen. Zwölf Reichsfürsten. Sechzehn Hellebardiere.
Allegro-brillante-Chor.
VOLK.
Auf die Ritter gebt acht,
Saht ihr je solche Pracht?
Aus dem Auge der Krieger
Strahlt der Mut edler Sieger!
Welch ein Glanz, welch Gepränge,
Gold und Geschmeide die Menge!
Nein, nun und nimmermehr hat
Erlebt solch ein Fest unsre gute Stadt!
Verehrt, verehrt Siegerruhm, Tapferkeit!
Der Gang, der Blick dieser kraftvollen Streiter
Kündet uns schon, daß Sieg ihr Begleiter!
Daß vom Feind sie uns befreit!
RECHA mit Eleazar rechts vorn, für sich.
Laß, o Gott, mich erfahren,
Wer verlieh ihm die Macht?
Wie soll bewahren
Ich dies Herz vor Verdacht?
Laß, mein Gott, mich erfahren,
Wer verlieh ihm die Macht,
Erfahren, wer ihm gab solche Macht! –
ELEAZAR für sich.
Laß, o Gott, mich erfahren,
Wer uns Rettung gebracht?
Wolle uns nur bewahren
Vor der Qual ihrer Macht!
Wolle uns nur bewahren
Vor der Qual, der Qual,
Vor der Qual ihrer Macht!
LEOPOLD mit Albert links vorn, leise zu ihm.
Vor Gewalt die Arme zu bewahren
Sei, o sei mein treuer Freund bedacht!
O Gott, laß sie kein Leid erfahren,
Du hast allein die Macht!
VOLK.
Nimmer hat noch erlebt,
Solch ein Fest unsre Stadt!
Nein, nein, nein, nein!
LEOPOLD.
Ja, du hast allein die Macht!
RECHA für sich.
Laß, o Gott, mich erfahren,
Wer verliehn ihm die Macht?
Wie soll ich bewahren
Dieses Herz vor Verdacht!
ELEAZAR für sich.
Laß, mein Gott, mich erfahren,
Wer gewacht über uns!
Wer gewacht, Rettung uns, Hilf‘ gebracht,
Wer Rettung uns gebracht!
ALBERT leise zu Leopold.
Nimmer darf sie erfahren
Euern Rang, Eure Macht,
Erfahren Eure Macht!
LEOPOLD für sich.
Laß, mein Gott, ihr kein Leid
Widerfahren, du allein hast die Macht!
VOLK.
Nun und nimmer hat
Erlebt ein solches Fest die gute Stadt!
Nein, nimmermehr!
Ehret die tapferen Ritter im Streit!
RECHA, ELEAZAR für sich.
Wie soll die Wahrheit ich erfahren?
ALBERT, LEOPOLD für sich.
Sie darf die Wahrheit nicht erfahren!
VOLK.
Ehret die tapferen Ritter im Streit!
RECHA, ELEAZAR für sich.
Wie unterdrücken den Verdacht?
ALBERT leise zu Leopold.
Entfernen müßt ihr den Verdacht!
LEOPOLD für sich.
Doch wie entfern‘ ich den Verdacht?
VOLK.
Stets waren rühmliche Thaten ihre Begleiter!
RECHA zu Eleazar.
Uns bedrohn noch Gefahren, bedrohn Gefahren!
ELEAZAR zu Recha.
Recha, komm! Recha, komm! laß von hinnen uns gehn!
ALBERT zu Leopold.
Nein, sie darf nimmer es erfahren!
LEOPOLD für sich.
Ihr Vertraun zu bewahren, mir zu bewahren –
VOLK.
Anerkannt ist ihr Ruhm weit und breit!
ELEAZAR zu Recha.
Hörte Gott doch mein Flehn,
Dich noch glücklich zu sehn!
Du nur bist mein höchstes Gut,
Du nur bist mein höchstes Gut!
Hörte Gott doch mein Flehn,
Dich noch glücklich zu sehn!
Komm, mein Kind, komm, mein Kind,
Seine Liebe wacht!
RECHA.
Doch ach, dieses Herz ihm treu bewahren,
Gebietet der Liebe, der Liebe Macht!
LEOPOLD.
Bin allein ich bedacht!
VOLK.
Ja, ja, weit und breit!
Ehret die tapferen Ritter im Streit!
RECHA, ELEAZAR für sich.
Wie soll die Wahrheit ich erfahren?
ALBERT, LEOPOLD für sich.
Sie darf die Wahrheit nicht erfahren!
VOLK.
Ehret die tapferen Ritter im Streit!
RECHA, ELEAZAR für sich.
Wie unterdrücken den Verdacht?
ALBERT leise zu Leopold.
Entfernen müßt Ihr den Verdacht!
LEOPOLD für sich.
Doch wie entfern‘ ich den Verdacht?
VOLK.
Stets waren rühmliche Thaten ihre Begleiter!
RECHA zu Eleazar.
Uns bedrohn noch Gefahren, bedrohn Gefahren!
ELEAZAR zu Recha.
Recha komm, Recha komm, laß von hinnen uns gehn!
ALBERT, LEOPOLD für sich.
Noch bedrohn sie Gefahren, bedrohn sie Gefahren!
VOLK.
Anerkannt ist ihr Ruhm weit und breit!
RECHA für sich.
Doch ach, dies Herz ihm treu bewahren,
Gebietet der Liebe unendliche Macht!
Doch ach, dies Herz ihm treu bewahren,
Gebietet der Liebe Macht!
Das gebietet der Liebe unendliche Macht!
Das gebeut der Liebe Macht!
ELEAZAR zu Recha.
Hörte Gott doch mein Flehn,
Dich noch glücklich zu sehn!
Du nur bist mein höchstes Gut,
Du nur bist mein höchstes Gut!
Hörte Gott doch mein Flehn,
Dich nur glücklich zu sehn!
Ja, mein Kind, ja, mein Kind,
Seine Liebe wacht!
Laß uns gehn, teures Kind
Laß uns gehn, laß uns gehn,
Gott ist groß, sein die Macht!
ALBERT leise zu Leopold.
Nein, nein, nimmermehr
Nenn‘ ich ihr Euern Rang, Eure Macht!
LEOPOLD für sich.
Nimmermehr darf sie erfahren,
Meinen Rang, meine Macht!
Nein, nein, nimmermehr nenn‘ ich ihr
Meinen Rang, meine Macht!
VOLK.
Ja, anerkannt ist ihr Ruhm
Weit und breit!
Der Kaiser erscheint im Zuge zu Pferde von rechts hinten auf der Brücke.
VOLK.
O seht, unser Kaiser im vollem Ornat,
O seht, unser Kaiser!
Glockengeläute mit dem Beginn des Te deum.
VOLK.
Te deum laudamus! Te dominum confitemur!
Te aeternum patrem omnis terra veneratur!
Hosanna! Hosanna! Unser Kaiser hoch!
Hosanna! Hosanna! Hoch! der Kaiser hoch!
Der Kaiser befindet sich am Schlusse des Gesanges inmitten des Platzes, gegenüber dem Dom.
Leopold verhüllt, sobald der Kaiser erscheint, das Gesicht mit seinem Mantel und verschwindet nach links vorn.
Brogni tritt aus dem Dom, die Hände segnend ausstreckend.
Die Menge jauchzt dem Kaiser zu.
Zweiter Aufzug.
Zimmer in Eleazars Hause zu Konstanz.
Links Mitte die Eingangsthür. Rechts eine Thür, die in die innern Räume führt; etwas weiter zurück ein großer Schrank; rechts vorn ein Lehnstuhl. Links vorn ein Fenster, in dessen Nähe ein Tisch, worauf eine brennende Schirmlampe und Malergerätschaften; dahinter ein Stuhl; ein zweiter Stuhl am Fenster. Links hinten führt eine Thür in Eleazars Zimmer. In der Mitte des Zimmers eine lange Festtafel, reich besetzt mit kostbarem Gerät und brennenden Lichtern, von hochlehnigen Stühlen umstellt; eine große Schüssel ist mit einem weißen Linnen bedeckt. Von der Decke herab hängt eine große brennende Lampe.
Es ist Abend und hell im Zimmer.
Erster Auftritt.
Eleazar sitzt in der Mitte der Tafel, Recha auf der rechten Ecke, Leopold auf der linken Ecke; Juden und Jüdinnen nehmen die übrigen Plätze ein.
Nr. 8. Zwischenakt und Gebet.
ELEAZAR.
Kehr‘, o Gott unsrer Väter, heute bei uns ein!
RECHA, CHOR.
Kehr‘, o Gott unsrer Väter, heute bei uns ein!
ELEAZAR.
Laß kein Auge der Verräter die Feier entweihn!
RECHA, CHOR.
Laß kein Auge der Verräter die Feier entweihn!
ELEAZAR.
Du, der uns erleuchtet, schenk uns deine Huld!
RECHA, CHOR.
Du, der uns erleuchtet, schenk uns deine Huld!
ELEAZAR.
Stärke die Bedrängten mit Mut und Geduld!
RECHA, CHOR.
Stärke die Bedrängten mit Mut und Geduld!
ELEAZAR.
Vater, blicke gnädig auf dein Volk herab!
RECHA, CHOR.
Vater, blicke gnädig auf dein Volk herab!
ELEAZAR.
Gott wend‘ seiner Feinde Gewalt,
Gewalt von ihm ab!
RECHA, CHOR.
Gewalt von ihm ab!
ELEAZAR erhebt sich.
Schleicht sich Verrat in unsre Mitte,
Zu stürzen in Schmach uns und Not,
In blindem Haß, wenn er erglühte,
So strafe du ihn, ew’ger Gott!
Er nimmt das weiße Tuch von der Schüssel.
Unsres Bundes heiliges Zeichen,
Moses Gesetz verehrend,
Vergönnet mir, euch zu reichen!
Teilt unter euch das Brot,
Das gesegnet und rein,
Er bricht das flache Brot und verteilt es unter die Anwesenden; Leopold erhält das letzte Stück.
Und dieses Friedensmahl
Bring‘ uns Heil und Gedeihn!
RECHA, CHOR.
Teilt unter euch das Brot,
Das gesegnet und rein,
Und dieses Friedensmahl
Bring‘ uns Heil und Gedeihn!
Leopold läßt das dargereichte Brot unauffällig unter den Tisch fallen.
RECHA die allein es bemerkt.
Was seh ich?
Nr. 8a. Kavatine.
ELEAZAR.
Gott, lasse meine Stimme erheben sich zu dir!
Zu deiner Allmacht Güte fleh in Demut ich hier!
Ach, dein Volk wird erliegen, Zion nimmer besiegen
Feindliche Tyrannei! Wolle Gott dich erbarmen
Der Bedrängten, der Armen; Vater, steh‘ ihnen bei!
Unter dem Fenster links wird an die Hausthür geklopft.
ALLE stehen erschreckt auf.
Man klopft! weh uns!
ELEAZAR halblaut zu Recha.
Löscht die Lichter schnell aus und sieh nach!
RECHA rechts vorn, für sich.
Ach, ich bebe!
Die Anwesenden löschen die Lichter aus, bis auf die auf dem Tisch links stehende Lampe.
Es wird halbdunkel im Zimmer.
Leopold beobachtet inmitten des Zimmers ängstlich das Fenster links.
Eleazar tritt zum Fenster, öffnet es und sieht hinaus.
Von unten dringt Fackelschein ins Zimmer.
ELEAZAR.
Wer klopft in dunkler Nacht
An meines Hauses Thür?
STIMMEN VON AUßEN.
In Kaisers Namen aufgemacht!
ELEAZAR schließt das Fenster, halblaut zu den Anwesenden.
Entfernt, was festlich scheint!
Die Anwesenden entfernen die Festtafel und die Stühle nach rechts.
RECHA nähert sich Leopold, leise.
Du mußt mir Rede stehen,
Folge mir Samuel!
Sie geht nach rechts ab.
LEOPOLD für sich.
Fort von hier, nicht darf ich weilen!
Er wendet sich nach rechts, um ihr zu folgen.
ELEAZAR hält ihn zurück, halblaut.
O bleibe! Verdächtig ist der Besuch!
Nur auf dich darf ich bauen!
Ja, dir und deinem starken Arm
Will ich gläubig vertrauen!
Zu den Übrigen.
Schnell fort! entfernt euch alle!
Die letzten Anwesenden entfernen sich nach rechts.
Leopold zieht sich in die Fensternische links zurück, nimmt Pinsel und Palette zur Hand und kehrt der eintretenden Eudora den Rücken, indem er emsig an einem angefangenen Bilde malt.
Eleazar geht durch die Eingangsthür links Mitte ab, um draußen eine auf die Straße führende Thür zu öffnen.
Zwei Pagen mit brennenden Fackeln treten nach einigen Augenblicken links Mitte ein.
ELEAZAR folgt mit den Worten.
Tretet ein!
Prinzessin Eudora tritt ein.
Zweiter Auftritt.
Eleazar rechts, Eudora Mitte, Leopold am Fenster links. Die Pagen an der Thür links Mitte.
Eudora giebt den Pagen einen Wink.
Die zwei Pagen gehen ab, woher sie gekommen.
LEOPOLD für sich.
Wie, Eudora seh‘ ich hier? Wehe mir,
Wie verberg‘ ich mich ihrem Blick?
ELEAZAR unterwürfig.
Was führt Euch her?
EUDORA freundlich.
Das sollt Ihr gleich erfahren.
Leopold bemerkend.
Doch wer ist dieser?
ELEAZAR.
Ein Künstler, den ein günstig Geschick
Mir kürzlich zugeführt; der mit seltenem Talent
Auf Gold und Pergament die schönsten Bilder malet.
Doch wenn Ihr es befehlt, soll er gehn!
EUDORA.
Nein, fürwahr, kein Geheimnis
Führt mich hierher!
ELEAZAR.
Irr‘ ich nicht, leitet Euch der Befehl
Des Kaisers hierher, wie die Kleidung
Der Diener bezeugt –
EUDORA.
Es sind die meinen.
Als des Kaisers Nichte –
ELEAZAR sinkt in die Knie.
O Himmel,
Welch hohes Glück für mich!
Die Prinzessin Eudora!
EUDORA.
So ist’s, erhebe dich!
Eleazar steht auf.
Nr. 9. Terzett.
EUDORA.
Du verwahrst, hörte ich,
Einen Schmuck selt’ner Schönheit.
ELEAZAR.
Ja, für den Kaiser selbst
Paßt er nach meinem Sinn!
Eingelegt mit edlen Steinen,
Eine Kette ohnegleichen,
Die geziert, die geziert einst
Die Brust Kaiser Konstantins,
Die am festlichen Tag Kaiser Konstantin trug!
EUDORA.
Ich will ihn sehn! ich will ihn sehn!
Mein vielgeliebter Leopold,
Der das Heer der Hussiten schlug –
LEOPOLD für sich.
Weh mir!
EUDORA.
Mit Ruhm gekrönt kehrt heute er zurück!
ELEAZAR.
Heil ihm!
EUDORA.
Nicht fassest du meine Wonne, mein Glück,
Nein, du fassest nicht mein Glück!
Fassest nicht solch‘ ein Glück!
Eleazar entfernt sich durch die Seitenthür links.
EUDORA für sich, mit einigen Schritten nach links.
Ja! dieser Held, morgen schon mein Gemahl,
Ach! meine Seele treu bewahrte sein Bild,
Während fern‘ er von mir!
Den ich erwähle zum Gemahl,
Hoff‘ ich, fesselt die Liebe nun hier!
Mein ganzes Leben will dem Teuren ich weihn,
Immer nur trachten sein Herz zu erfreun.
Eleazar kommt mit einem Schmuckkästchen von links zurück und nimmt die Mitte.
LEOPOLD für sich.
Aus ihrer Seele
Hab‘ ich Ruhe und Glück nun auf ewig verbannt;
Die ich erwähle,
Bleibe ihr immerdar, immerdar unbekannt.
So viele Liebe lohn‘ mit Undank ich ihr,
Ach, meiner Tage Frieden raubt sie mir!
ELEAZAR für sich.
Ja, zu mehren unsre Leiden,
Glaubte ich sie hier zu sehn,
Doch läßt Gold sich hier erbeuten,
Laß ich willig es geschehn!
Wenn uns Christen schwer bedrücken,
Unsre Qualen stets erneun,
Ist es Labung und Entzücken,
Ihnen ew’gen Haß zu weihn!
EUDORA für sich.
O süßes Glück, der Vielgeliebte,
Bald kehrt er nun zurück!
ELEAZAR für sich.
Mein schönes Gold, das stets ich liebte,
Kehrt endlich doch zu mir zurück. –
Er überreicht das Schmuckkästchen mit der Kette.
LEOPOLD für sich.
O Mißgeschick, der Heißgeliebten,
Weh‘ mir! ich raube ihr der Seele Frieden,
Gewissensruh, Freude und Glück!
EUDORA entzückt.
Ha, welch ein Glanz! – Dieser Schmuck, er ist wert
Des Helden, den mein Herz mit heißer Liebe ehrt!
ELEAZAR.
Dreißigtausend Dukaten muß ich dafür begehren!
EUDORA.
Es sei, er ist für ihn!
ELEAZAR.
Dreißigtausend Dukaten!
EUDORA.
Ach, für ihn, für ihn!
ELEAZAR für sich.
Wo die Liebe im Spiel,
Fordert man nie zu viel,
Wer die Regel nicht kennt,
Versteht den Handel nicht!
Leise zu Leopold.
Hab‘ ich nicht recht!
LEOPOLD für sich.
Gott, ende meiner Seele Leiden,
Diese Qualen trag‘ ich nicht!
EUDORA giebt Eleazar das Schmuckkästchen zurück nebst einem Siegelring.
Nimm hin! den Namenszug grabe hier noch ein.
Den Namenszug hörst du wohl?
Es muß bis morgen schon die Arbeit fertig sein,
Sonst bleibt das Kleinod dein.
ELEAZAR.
Diese Hand soll verdorren, halt‘ ich nicht Wort!
EUDORA.
Und morgen -?
ELEAZAR.
Gewiß!
EUDORA.
Erhalt‘ ich ihn?
ELEAZAR hinter ihr weg mit einigen Schritten nach rechts.
Bring‘ ich ihn!
EUDORA gleichzeitig die Mitte nehmend.
Ja, ich will morgen schon
Vor meines Oheims Thron,
Bei hohem Festesglanz
Mit dem gold’nen Siegerkranz
Ihm dies Kleinod überreichen.
Als treues Liebeszeichen
Und Schmuck der Heldenbrust
Sei’s an ein Herz gelegt,
Das allein, das allein für mich schlägt.
Ja, es werde an ein Herz gelegt,
An ein Herz, das allein,
Das allein für mich schlägt,
Das allein für mich schlägt!
Für sich.
Ach! meine Seele treu bewahrte sein Bild,
Während fern er von mir!
Den ich erwähle zum Gemahl,
Hoff ich, fesselt die Liebe nun hier!
Mein ganzes Leben will dem Teuren ich weihn,
Immer nur trachten sein Herz zu erfreun!
LEOPOLD für sich.
Aus ihrer Seele
Hab‘ ich Ruhe und Glück nun auf ewig verbannt!
EUDORA für sich.
Treu bewahrte sein Bild ich,
Als fern er von mir!
LEOPOLD für sich.
Die ich erwähle,
Bleibe ihr immerdar, immerdar unbekannt!
Soviele Liebe
Lohn‘ ich mit Undank ihr,
Ach, meiner Tage
Frieden raubt es mir!
EUDORA für sich.
Den Gemahl, den Gemahl, den ich wähle,
Fesselt Liebe, fesselt Liebe hier!
ELEAZAR für sich.
Noch zu mehren unsre Leiden,
Glaubte ich sie hier zu sehn,
Doch läßt Gold sich hier erbeuten,
Muß ich mich dazu verstehn!
Und nun weicht die Angst der Freude,
Gold die Fülle giebt es hier,
Ja, mein herrliches Geschmeide
Bringet neuen Reichtum mir!
Nun weicht die Angst,
Ja, die Angst weicht der Freude,
Denn Gold giebt es hier!
Und mein herrliches Geschmeide
Bringt Reichtümer mir!
Mein schönes Gold, das ich so liebte,
Es kehrt zu mir zurück!
EUDORA für sich.
Ha, welch Glück, welch Glück, der Vielgeliebte
Kommt zurück, ach, kommt zurück!
O süßes Glück, der Vielgeliebte
Bald kehrt er nun zurück, welch süßes Glück!
Der Vielgeliebte kehrt nun zurück!
LEOPOLD für sich.
Ach, welch Mißgeschick! der Heißgeliebten,
Wehe mir, ach, raub‘ ich Ruhe
Nun und Glück, der Seele Frieden.
Weh‘ mir! – O Mißgeschick! – Der Heißgeliebten
Raub ich ihr Glück, raub ich ihr Glück!
ELEAZAR für sich.
Welches Glück, wenn man so übernacht
Noch ein Profitchen hat gemacht!
Ha, ich betrüge eine Christin,
Welche Freude, welches Glück!
Mein Gold, das ich liebte,
Kehrt nun zurück, o welches Glück!
Ja, mein liebes Gold kehrt nun zurück!
Mein Gold kehrt nun zu mir zurück!
Ach, welches Glück! welches Glück! welches Glück!
EUDORA für sich.
Als treues Liebeszeichen ziere dieser Schmuck
Des teuern Helden Brust! ach, welche namenlose Lust!
O welch ein süßes Glück, der Teure kehrt zurück!
LEOPOLD für sich.
Nicht kann ich mehr zurück,
Ach, dahin ist mein Glück!
Ja, der treu Geliebten raubt das Geschick
Ihr ganzes Glück!
Ach, der treu Geliebten
Raubt mein trauriges Geschick
Ihr ganzes Glück und nimmermehr kehrt es zurück!
Eleazar geleitet Eudora unterwürfig bis zur Thür links Mitte, die er öffnet.
Eudora entfernt sich links Mitte.
Eleazar folgt ihr bis auf die Straße.
Recha kommt, vorsichtig den Abgehenden nachschauend, von rechts.
Dritter Auftritt.
Recha, Leopold zu ihrer Linken.
Nr. 9a. Scene.
RECHA halblaut.
Ich seh, du bist allein, und endlich will ich wissen,
Welch Geheimnis –
LEOPOLD ebenso.
O schweige!
Er tritt ihr näher.
Dein Vater ist uns nahe, drum befrage mich nicht!
Doch willst du heute Nacht
Hier allein meiner harren,
Sei das Rätsel dir gelöst!
RECHA.
Was verlangst du von mir?
LEOPOLD.
So willst du, daß ich sterbe?
RECHA.
Wie, ich – o Gott!
LEOPOLD.
Und hab ich nicht dein Wort?
Deiner Liebe heil’gen Schwur?
Fern von hier sterbe ich,
Versagst du mir die Bitte.
Er legt seinen Arm um Recha.
RECHA.
Ich sollte –
LEOPOLD.
So harrst du mein?
RECHA.
Großer Gott! Ich bebe!
LEOPOLD.
So harrst du mein?
RECHA.
Wohlan, ja!
Eleazar kommt von links Mitte zurück.
Recha und Leopold trennen sich schnell und verlegen.
Vierter Auftritt.
Recha rechts. Eleazar Mitte. Leopold links.
Eleazar sah, daß Recha sich schnell von Leopold entfernte, bemerkt ihre Verlegenheit, tritt zwischen beide und betrachtet sie mit mißtrauischen Blicken.
ELEAZAR für sich.
Sie scheinen mir verwirrt
Und blicken scheu zur Erde
Mit glühendem Gesicht.
Zu Leopold.
Es ist spät!
Leb wohl, mein Freund, gieb dich zur Ruh‘!
Komm näher, liebes Kind,
Und empfange meinen Segen!
Ha, welche eis’ge Kälte!
Und warum zitterst du?
Leopold will sich entfernen.
ELEAZAR.
Entferne dich noch nicht, Samuel!
Du hast vergessen, unsre Andacht
Zu teilen beim Abendgebet!
RECHA.
Gott, blicke gnädig auf mich herab,
Und wende Sünde von mir ab!
Wende, Gott der Gnade, o wende sie ab!
ELEAZAR.
Allmächt’ger, blicke gnädig auf dein Volk herab!
Allmächt’ger, wend‘ seiner Feinde
Gewalt von ihm ab!
LEOPOLD für sich.
Ach, ihr Gebet erhöht meine Qual! –
O Gott! es mehret meiner Leiden Zahl!
Es mehret meiner Leiden Zahl!
ELEAZAR.
Wenn je Verrat, Bosheit und Tücke
Die heil’gen Gebräuche entweihn,
Treffe dein Fluch jeden Verbrecher.
O Gott! Vernichtung werde sein!
RECHA, ELEAZAR.
Wenn je Verrat, Sünd‘ und Vergehen
Die heil’gen Gebräuche entweihn,
So treffe Fluch jeden Verbrecher,
O Gott! Vernichtung werde sein!
O Gott! mein Gott!
LEOPOLD für sich.
Wenn je Verrat, Sünd‘ und Vergehen
Die heil’gen Gebräuche entweihn,
So trifft nur mich ihr Fluch, denn wehe,
Ich trage die Schuld allein!
O Gott! mein Gott!
ELEAZAR.
O blicke gnädig auf dein Volk herab!
Allbarmherz’ger, wende Verrat von uns ab!
Und ich will im Gebet Gottes Gnade erflehn,
Daß er vor Feindes Macht seine Treuen bewacht. –
In dieser heil’gen Nacht, wo jeglicher Gedanke
Den Kindern Israels seine Allmacht offenbart,
Wacht er, daß keiner wanke, zu ihm bet‘ ich für dich!
Leopold entfernt sich links Mitte.
Eleazar geleitet ihn einige Schritte, dann kehrt er zurück, umarmt seine Tochter und geht, einen zärtlichen Blick auf sie zurückwerfend, links ab.
Fünfter Auftritt.
Recha allein.
Nr. 10. Romanze.
RECHA.
Er kommt zurück! –
Ach, wie bebt mein beklommen Herz!
Eine dunkle, traurige Ahnung
Erfüllt die Seele mir als Mahnung
Mit der Reue heimlichem Schmerz;
Doch sagt mein Herz, bald ist er hier!
Schmerzlich süßer Augenblick!
Ach, er kommt, er kommt zurück! –
Man sieht und hört ganz von fern in langen Zwischenräumen leichten Blitz und dumpfen Donner.
Sie tritt zum Fenster links.
Die Nacht mit ihren Schrecken,
Des fernen Donners Rollen,
O Gott, wie fürchterlich
Umgiebt mit schaudervollen
Gebilden alles mich!
Sie öffnet das Fenster.
Er kommt zurück! –
Jeder Laut erstarrt mein Blut!
Konnt ich den Vater hintergehen,
Erhört auch Gott nicht mehr mein Flehen.
Ich muß ihn fliehn, ja, muß ihn fliehn!
Doch sagt mein Herz, bald ist er hier!
Und wie kann seiner Lieb‘ ich mich entziehn?
Ja, ich muß fort, muß entfliehn!
Doch sagt mein Herz, er kehrt zurück!
Schmerzlich süßer Augenblick!
Du bringst mir ihn, wie kann ich fliehn!
Leopold steigt durch das von einem Blitz erhellte Fenster links.
Sechster Auftritt.
Recha wendet sich mit einigen Schritten nach rechts. Leopold zu ihrer Linken.
RECHA für sich.
Er ist’s! Ach, meine Kräfte schwinden!
LEOPOLD.
Recha, mein einzig Leben,
Mein Anblick kann dich schrecken?
RECHA.
Bleib fern von mir! Unheil, schwarzer Verrat
Begleiten dich vielleicht und drohn mir Untergang.
Du, den ein Geheimnis umhüllet,
Du, der bleich und entstellt mir nah’t,
Was zitterst du? –
LEOPOLD.
Ja, schaudre nur zurück!
Meine strafbare That sühnt keine Reu‘,
Sie verdient den Tod!
RECHA.
Samuel!
LEOPOLD.
So wisse denn: dein Gott ist nicht der meine.
RECHA.
Unsel’ges Wort!
LEOPOLD.
Recha, ich bin ein Christ! –
Recha sinkt in den Lehnstuhl rechts, das Gesicht mit den Händen bedeckend.
Nr. 11. Duett.
RECHA erholt sich nach und nach von ihrem Schrecken und steht auf.
Als mein Herz ich dir hingegeben,
Da vergaß ich Ehre und Pflicht!
Doch was verbrach ich Unglücksel’ge
An unserm Gott, das ahnt‘ ich nicht.
LEOPOLD.
Als ich dir geweiht meine Seele,
Da vergaß ich Größe und Pflicht!
Vergaß Beruf und Ehrenstellen,
Scheute selbst ein Verbrechen nicht!
RECHA geht an ihm vorüber nach links.
Du sprachst Hohn den Gesetzen.
Meinen Tod sie gebieten:
Die Jüdin, die einen Christen liebt,
Die ihr Herz zu eigen ihm giebt,
Büßt in Flammen den Gren’l, das wußtest du!
LEOPOLD.
Allzuwahr! allzuwahr! Doch wir flieben! komm!
Recha, Recha, komm! Recha, Recha, komm!
Ach! gieb dein Herz mir zu eigen,
Und der Glaube wird schweigen,
Wird dann schweigen,
Sich vor der Liebe beugen,
Die über Sternen thront, ewig thront!
Des Todes bange Schrecken
Nicht Furcht in mir erwecken;
Was kann uns noch erschrecken,
Da Gott die Liebe lohnt, sie belohnt!
RECHA.
Wär mein Herz auch dein eigen,
Würd‘ mein Glaube nicht weichen
Und vor der Lieb‘ sich beugen,
Die Menschen inne wohnt!
Des Meineids finstre Schrecken
Nur Todesangst erwecken,
Man würde uns entdecken,
Kein Leben blieb verschont!
Ach, kein Leben blieb verschont!
Nein, kein Leben blieb verschont!
Donner und Blitz werden stärker.
LEOPOLD.
Was kann uns noch erschrecken,
Da Gott die Liebe lohnt! –
O komm, laß uns entfliehn!
Ja, fern in einer wilden Gegend
Des Nordens laß blut’ger Rache uns entfliehn!
Dort winkt verlorne Ruh‘
Komm‘, folge mir dahin!
RECHA.
Ich soll den Vater lassen?
LEOPOLD.
Ja, nichts sei schmerzerregend!
Allein auf dieser Welt
Blieb uns der Liebe Glück!
RECHA.
Ich soll den Vater lassen?
LEOPOLD.
Glaubst du, ich lasse nicht
Viel Teures hier zurück?
RECHA.
O so sprich!
LEOPOLD.
Kein Wort! auf ewig laß mich schweigen!
Recha, dein Herz muß hier entscheiden,
Du hast die Wahl, entschließe dich!
RECHA.
O Gott, o Gott, du siehst mein Leiden,
Ach, schütze vor der Liebe mich!
LEOPOLD.
Geschickt zur Flucht ist diese Stunde,
Denn Sturm und Nacht begünst’gen sie!
RECHA.
Des Vaters Fluch folgt unserm Bunde
Und Ruhe wird der Tochter nie!
LEOPOLD.
Recha, dein Herz muß hier entscheiden,
Du hast die Wahl, entschließe dich!
RECHA.
O Gott, o Gott, du siehst mein Leiden,
O schütze vor der Liebe mich!
Blitz und Donner folgen heftig aufeinander.
LEOPOLD.
O komm!
RECHA.
Welche Leiden!
LEOPOLD.
Wir fliehn!
RECHA.
Weh mir!
LEOPOLD.
O komm!
RECHA.
Mein Vater!
LEOPOLD.
Wir fliehn!
RECHA.
Weh mir! –
Hörst du wohl den Donner uns bedrohen?
Sieh, Blitze durchzucken die Nacht!
LEOPOLD.
Bald sind der Rache wir entflohen,
Wenn Gottes Vaterauge wacht!
Von dir, Recha, erwart ich Leben
Oder Tod, jetzt wähle zwischen beiden! –
RECHA.
Wenn Gott uns nun verdammt?
LEOPOLD.
Ach! gieb dein Herz mir zu eigen,
Glaube wird der Liebe weichen,
Die über Sternen thront, ewig thront!
RECHA.
Wär‘ auch mein Herz dein eigen,
Der Glaube wird nicht weichen,
Den einst der Himmel lohnt, der Himmel lohnt!
LEOPOLD.
Des Todes bange Schrecken –
RECHA.
Des Meineids Schrecken –
LEOPOLD.
Nicht Furcht in mir erwecken –
RECHA.
Nur Graun erwecken!
LEOPOLD.
Nicht Furcht in mir erwecken!
Was kann uns noch erschrecken,
Da Gott die Liebe lohnt!
RECHA mit rasch gefaßtem Entschluß.
Wohlan, wohlan!
LEOPOLD.
Komm!
RECHA.
Ich will’ge ein!
LEOPOLD.
Recha, o komm!
RECHA.
Bin auf ewig dein!
LEOPOLD.
Sei ewig mein!
RECHA.
Mein Gott wird mir verzeihn!
LEOPOLD.
Sei ewig mein!
RECHA.
Nicht unerbittlich sein!
LEOPOLD.
Treu vereint achten wir kein Verbot!
RECHA.
Treu vereint, kein Verbot!
BEIDE.
Keine Macht trennt uns mehr,
Keine Macht, nur der Tod!
RECHA.
Ja, mein Herz ist dein eigen,
Das Pflichtgefühl muß schweigen,
Wenn Lieb‘ der Liebe lohnt!
LEOPOLD.
Ja, dein Herz ist mein eigen,
Der Glaube selbst muß schweigen,
Wenn Gegenlieb‘ der Liebe lohnt!
BEIDE.
Treu vereint beachten wir kein Gebot,
Keine Macht trennt uns mehr, nur der Tod!
Leopold erfaßt Rechas Hand und will sie nach links Mitte mit sich fortziehen.
Eleazar kommt in demselben Augenblick von links und hält sie zurück.
Siebenter Auftritt.
Leopold rechts. Eleazar Mitte, Recha zu seiner Linken.
Nr. 12. Terzett Finale.
ELEAZAR nimmt die Mitte.
Wo eilt ihr hin?
RECHA mit einigen Schritten nach links, entsetzt.
Mein Vater!
ELEAZAR.
So schnell erliegt ihr wilder Leidenschaft?
Kennt ihr Undankbaren auf Erden ein Asyl,
Einen Zufluchtsort, wohin des Vaters Fluch nicht reiche?
Das Gewitter wird schwächer.
ELEAZAR für sich.
Sie beben, sie erblassen!
LEOPOLD, RECHA für sich, wie vernichtet.
Mein Mut hat mich verlassen!
ELEAZAR für sich.
Und schaudern vor der That!
LEOPOLD für sich.
Ach, wie konnt‘ ich ihn fassen,
Begehen den Verrat?
Wie konnt‘ den Mut ich fassen,
Ich schaudre vor der That!
Soll sie den Vater verlassen,
Begehen den Verrat?
Mein Mut hat mich verlassen,
Wie konnt‘ ich begehen den Verrat!
ELEAZAR für sich.
Der Vater steht verlassen,
Doch straft er den Verrat!
Sie beben, sie erblassen
Und schaudern vor der That!
Zu Recha.
Magst du den Vater lassen,
Mehren die Frevelthat,
Er kann dich zwar nicht hassen,
Doch schmerzt ihn der Verrat!
Für sich.
Sie beben und erblassen,
Entsetzt durch den Verrat!
RECHA für sich.
Ach, wie konnt‘ ich ihn fassen,
Begehen den Verrat?
Ja, mein Mut hat mich verlassen,
Ich schaudre vor der That!
Soll mich der Vater hassen,
Wie kann ich ihn verlassen,
Wie begehn den Verrat! –
Das Gewitter verliert sich nunmehr ganz.
ELEAZAR zu Leopold.
Und du, dem ich vertraut,
Konntest dich noch vermessen,
Jede Pflicht der Dankbarkeit
Freventlich zu vergessen?
Entflieh! – Wärst du als Kind Isracls
Mir nicht wert und schonte ich in dir
Nicht unsern echten Glauben,
So träfe, Frevler, dich, des Vaters Rächerarm!
LEOPOLD.
Töte mich, du kannst beruhigt
Das Leben mir rauben – ich bin ein Christ!
ELEAZAR aufschreiend.
Ein Christ!
Er zückt den Dolch und will Leopold niederstoßen.
RECHA wirft sich dazwischen, umklammert Eleazars Arm, hält den Dolch zurück und sinkt auf die Kniee nieder.
Halt ein! – Nicht er allein ist strafbar!
Hat den Tod er verdient,
So töte erst dein Kind! –
Für ihn, für mich erflehe
Ich dein Erbarmen mir!
Ach, Vater, ich vergehe,
Fleh‘ ich umsonst zu dir!
Des wahren Glaubens Lehre
Wird er sich nicht entziehn,
Auf daß er sich bekehre,
Gieb zum Gatten mir ihn!
ELEAZAR für sich, Recha bezeichnend.
Ach, der Verblendeten Stimme –
LEOPOLD für sich.
Für mich spricht keine Stimme
Des Mitleids, vor dem Grimme
Ihres Vaters flieh‘ ich nicht!
ELEAZAR für sich.
Schützt ihn vor meinem Grimme,
Doch ich verzeih‘ ihm nicht!
Und dies Geheimnis soll ich entdecken,
Ihn stellen vor Gericht?
Des nahen Todes Schrecken
Auch das Herz der Tochter bricht!
RECHA für sich, sich erhebend.
In einer Mutter Armen
Ertrüg‘ ich meinen Schmerz.
Dort fände ich Erbarmen
Und Trost fürs wunde Herz!
Ach, säh‘ sie unter Thränen
Das Leben mir entfliehn,
Bald stillte sie mein Sehnen,
Gäb zum Gatten mir ihn!
LEOPOLD für sich.
Wehe! Ich schuf dies Sehnen,
Sehe ihre Qual, ihre Thränen,
All mein Glück ist dahin!
Mir fließen ihre Thränen,
All mein Glück, ach! ist dahin! –
RECHA.
Ach, säh sie meine Thränen,
Bald stillte sie dies Sehnen,
Gäb zum Gatten mir ihn.
ELEAZAR für sich.
O Gott, sieh ihre Thränen,
Sieh ihr angstvolles Sehnen,
Ihren Schmerz, ihre Thränen –
All ihr Glück ist dahin!
Sieh ihr angstvolles Sehnen,
Ihr sei, ihr sei verziehn!
Ich stille ihre Thränen, ja, ja!
Ihr sei verziehn! –
Nun wohlan, schweigen mag
Das Gefühl meiner Rache!
Glücklich will ich dich sehn!
Mag der Himmel die Wahl,
Die du trafst, dir verzeihen,
Ja, er sei dein Gemahl!
LEOPOLD in dumpfer Verzweiflung.
Nimmermehr!
RECHA.
Du wagst es?!
LEOPOLD.
Muß ich nicht?
RECHA.
Und warum?
LEOPOLD.
Bittres Los! Eid und Pflicht!
Laß mich fliehn, denn verfluchen wirst du den Verräter.
ELEAZAR.
Ha, ich erkannte bald den Verrat, das Verbrechen!
Drum Fluch der Christenheit, ja, ich schwör’s, mich zu rächen!
LEOPOLD.
Meine That richtet Gott; er wird an mir euch rächen!
ELEAZAR.
Drum Fluch der Christenheit, ja, ich schwör’s, mich zu rächen!
Er schleudert Recha an sich vorüber zu seiner Linken.
RECHA knieend.
O Himmel! welch Verbrechen!
Es tötet mich der Schmerz. O welche Qual! Ach!
ELEAZAR.
Dein schändlich Verbrechen
Will ich blutig rächen,
Dich verfolgen bis ins Grab.
Fluch und Schande dir, Verräter!
Fluch im Namen aller Väter,
Schleudre Gott auf dich herab.
LEOPOLD in größter Erregung.
Dein ist die Pflicht, zu rächen
Dies schändliche Verbrechen,
Zu graben mir mein Grab!
Ja, der Fluch aller Väter
Stürzt mich, den Übelthäter,
In die Hölle hinab.
Der Fluch gekränkter Väter
Stürzt zur Hölle mich hinab!
Ach, ich liebe so zärtlich dich!
ELEAZAR ebenso.
Ha, blutig will ich rächen
Dein schändliches Verbrechen,
Martern dich bis ins Grab!
Ew’gen Fluch dir, Verräter,
Ew’gen Fluch aller Väter
Fleh‘ vom Himmel ich herab,
Auf dein Haupt ich herab!
Verräter! erzittre!
RECHA ebenso.
Nein, dies Herz darf nicht mehr für ihn sprechen!
Wehe mir, ich teilte sein Verbrechen,
Ach, was hab ich gethan!
Ja, es folgt dem Verräter
Der Fluch gekränkter Väter,
Sein Vergehn klagt mich an!
Ach, was hab ich gethan!
Verräter! Entfliehe!
LEOPOLD.
Doch diese Ehe, o Gott!
Wär ein Verbrechen, wär ein Meineid,
Doch weiter frage nicht!
Ich muß fliehen weit von hier!
Leb wohl, Recha, und beklage mich!
LEOPOLD leidenschaftlich und schmerzbewegt.
Mein schändlich Verbrechen
Hast du die Pflicht zu rächen,
Mir zu graben mein Grab!
Ja, der Fluch aller Väter
Stürzt mich, den Übelthäter,
In die Hölle hinab!
Ja, der Fluch gekränkter Väter
Stürzt mich zur Hölle hinab!
Ach, verfolgt mich bis ins Grab!
Leb wohl, Recha, uns trennt nun das Grab!
ELEAZAR ebenso.
Dein schändlich Verbrechen
Will ich blutig rächen,
Dich versolgen bis ins Grab!
Ew’gen Fluch dir, Verräter!
Im Namen aller Väter
Schleudre Gott auf dich herab!
Ja, der Fluch aller Väter
Wird dir folgen bis ins Grab!
Fort, meine Rache, meine Rache
Wird dir folgen ins Grab!
RECHA ebenso.
Mein Herz darf nicht sprechen,
Ich teilte sein Verbrechen,
Ach, was hab ich gethan!
Ja, es folgt dem Verräter
Der Fluch gekränkter Väter!
Sein Vergehn klagt mich an,
Ach, was hab ich gethan!
Doch ich folge dem Verräter
Und entdecke seinen Plan!
Eleazar dringt auf Leopold ein.
Recha umklammert, ihn abhaltend, seinen Arm.
Leopold stürmt nach links Mitte davon.
Eleazar der durch Recha verhindert ist, zu folgen, reißt sich los, wirft Leopold seinen Dolch nach und bricht schmerzbewegt an der Thür zusammen.
Dritter Aufzug.
Festlich geschmückte Gartenhalle in Konstanz mit Fernsicht auf die Schweizerberge. Zur Rechten unter einem Thronhimmel die Festtafel des Kaisers auf einer mit prächtigen Teppichen bedeckten und behangenen Estrade; zwei Tafeln für die Großen des Reichs stehen der Kaiserlichen Tafel zur Rechten und Linken etwas tiefer.
Es ist Tag.
Erster Auftritt.
Eudora allein, kommt freudig erregt von rechts hinten.
Nr. 13. Recitativ und Arie.
EUDORA.
Nur allzulang verscheuchten Furcht und Trauer
Aus diesen Hallen froher Feste Glanz!
Mein Glück soll heute jeder teilen,
Und wer mir nahet, atmet Götterlust! –
Der Ruhe genieße, sanft dein Auge schließe,
Rufe dir die süße Erinn’rung zurück!
Im Traume umschwebe dich mein Bild, es lebe
Dir im Herzen, gebe ihm seliges Glück!
Minnegesang, Minnegesang, lieblicher Klang
Zärtlicher Lieder wecke dich wieder,
Bin ja allein ewig nun dein!
Der Ruhe genieße, sanft dein Auge schließe,
Rufe dir die süße Erinn’rung zurück!
Im Traume umschwebe dich mein Bild, es lebe
Dir im Herzen, gebe ihm seliges Glück! – –
Geliebter, nun darf ich dir sagen,
Was mein Lebensglück getrübt,
Darf dir mein Fürchten, mein Sehnen klagen,
Gestehn, wie dieses Herz dich liebt!
Doch nun verschwindet alles Leid,
Ich atme reine Seligkeit! –
Der Liebe Glück kehrt mir zurück,
Ach, du bist mein, auf ewig mein!
Ja, dich umschwebe mein Bild und gebe
Dir der Liebe Glück erneut zurück!
Ich darf ihm sagen, was mein Lebensglück getrübt!
Darf dir mein Fürchten, mein Sehnen klagen,
Gestehn, wie dieses Herz dich liebt!
Nunmehr verschwindet alles Leid,
Ich atme reine Seligkeit!
Majordomus kommt von links hinten, tritt vor und verneigt sich ehrerbietig vor der Prinzessin.
Zweiter Auftritt.
Eudora, Majordomus zu ihrer Linken.
Nr. 14. Recitativ und Duett.
EUDORA.
Was bringst du mir? Hat neues sich ereignet?
Vielleicht der Juwelier Eleazar,
Den ich auf heute früh zu mir bestellte? Eben recht!
MAJORDOMUS.
Nein, Erhabne! Bescheiden und verzagt
Erbittet flehentlich eine mir Unbekannte
Von Eurer Huld sich gnädiges Gehör!
EUDORA winkt.
Sie mag kommen!
Majordomus ab nach links hinten.
Recha und Majordomus kommen von links hinten.
Dritter Auftritt.
Eudora. Recha und Majordomus zurückstehend.
EUDORA für sich.
O könnte ihr Leiden ich mildern,
Ich möchte heut so gerne alle glücklich sehn!
Sie giebt dem Majordomus einen Wink.
Laßt uns allein!
Majordomus ab nach links hinten.
Vierter Auftritt.
Eudora, Recha zu ihrer Linken zurückstehend.
EUDORA zu Recha.
Tritt näher!
RECHA für sich.
Kaum weiß ich mich zu fassen!
Kein Zweifel mehr, ja bis hierher
Verfolgte ich ihn diese Nacht!
Er kam nicht mehr zurück, blieb im Palaste,
Denn an des Thores Schwelle
Hab die Nacht ich durchwacht.
Sie nähert sich.
EUDORA für sich.
Die Wangen bleicht ein tiefer Gram,
Und doch so schön! doch so schön! –
Blendend schön, zum Entzücken!
Glut entströmt ihren Blicken,
Die tiefer Gram umhüllt.
RECHA für sich.
Blendend schön, zum Entzücken!
Huld entströmt ihren Blicken,
Doch Qual mein Herz erfüllt!
Ach, Verzweiflung die Seele erfüllt!
EUDORA für sich.
Was mag sie zu mir führen!
Woher ein Kummer rühren,
Der mit Qual sie erfüllt?
RECHA für sich.
Nicht vermag ich’s zu fassen,
Ist sie’s, die er verlassen,
Blieb deshalb er verhüllt?
EUDORA für sich.
Blendend schön, zum Entzücken!
Glut entströmt ihren Blicken,
Die tiefer Gram umhüllt!
Woher mag der Kummer wohl rühren,
Der ihr Herz mit Gram erfüllt?
RECHA für sich.
Blendend schön, zum Entzücken!
Glut entströmt ihren Blicken,
Doch Qual mein Herz erfüllt!
Ach! Verzweiflung die Seele erfüllt!
Nicht vermag ich den Frevel zu fassen,
Ist sie’s, die er verlassen,
Blieb deshalb er verhüllt? – –
EUDORA.
Und dein Begehren?
RECHA knieend.
Ach, namenloses Leiden,
Herbe Qual zerreißt mir das Herz!
Laßt trostlos nicht von hier mich scheiden,
Sonst unterlieg ich meinem Schmerz!
EUDORA gütig.
Kann ich Trost dir verleihn,
Und deine Thränen trocknen,
So gewähre ich dir Hilfe,
Komm, reiche mir die Hand!
Sie hilft Recha, sich erheben.
RECHA.
Gott!
EUDORA.
Sprich nunmehr!
RECHA.
Wohlan! Nehmt bei Eurem Feste
Nur heut mich huldvoll auf als Sklavin.
EUDORA.
Dich?
RECHA.
Und wenn morgen Ihr der hohen Gnade
Unwert mich erachten solltet –
EUDORA.
Nun, dann?
RECHA.
Entlaßt Ihr mich sogleich!
EUDORA.
Zu diesem Stande nicht,
Scheint mir, bist du geboren;
Du stammst von edlerm Blute!
RECHA.
Erspart mir die Antwort!
EUDORA.
Und deiner Bitte Zweck?
RECHA.
Noch heut erfahrt Ihr ihn! –
EUDORA für sich.
Qualvoll umgeben Sorgen ihr Leben,
Tödlicher Schmerz traf ihr Herz!
Trockne die Thränen, stille ihr Sehnen,
Hoffnung, nur du spendest ihr Ruh!
RECHA für sich.
Qualvoll umgeben Sorgen mein Leben,
Tödlicher Schmerz foltert mein Herz!
Trockne die Thränen, stille mein Sehnen,
Rache, nur du schaffst dem Herzen Ruh! –
Laut.
Verstoßt Ihr mich?
EUDORA.
Nein, ich verlasse dich nicht!
Kann dir meine Nähe Trost gewähren,
Erfüll ich dein Begehren,
Denn helfen ist mir Pflicht!
Bleibe, liebliches Mädchen, bleibe!
RECHA.
Ach, treffe nimmermehr solch ein Gram Euer Herz!
EUDORA für sich.
Qualvoll umgeben Sorgen ihr Leben,
Tödlicher Schmerz foltert ihr Herz!
Trockne die Thränen, stille ihr Sehnen,
Hoffnung, nur du spendest ihr Ruh!
RECHA für sich.
Qualvoll umgeben Sorgen mein Leben,
Tödlicher Schmerz foltert mein Herz!
Trockne die Thränen, stille mein Sehnen,
Rache, nur du, bringst mir Trost und Ruh!
Eudora entläßt Recha mit einer huldvollen und zustimmenden Bewegung.
Recha ab nach links hinten.
Leopold kommt finsteren Blickes und festlich gekleidet nach einer Pause von rechts hinten.
Fünfter Auftritt.
Leopold, Eudora zu seiner Linken.
Nr. 15. Bolero.
EUDORA.
Mein hoher Herr und Meister,
Sprich, was soll der finstre Blick?
Verkümmern böse Geister
Dein lang ersehntes Glück?
Mein ernster Wille geht dahin,
Daß sogleich sie entfliehn!
Ich verbanne diese Geister
Kraft der Liebe jetzt von hier!
Mein hoher Herr und Meister,
Heute noch gehorchst du mir,
Ja, ich befehl‘ es dir! –
Allzulang entzog den Sieger
Mir seiner Thaten Ruhm,
Doch nun empfängt den Krieger
Der Liebe Heiligtum!
Ihn führt das seligste Geschick
Zur Verlobten zurück, ja!
Sie verbannt die bösen Geister
Kraft der Liebe jetzt von hier!
Mein süßer Herr und Meister,
Heute noch gehorchst du mir,
Ja, folge mir, ich befehl es dir!
Leopold und Eudora nehmen ihre Plätze ein.
Der Majordomus, zwölf Hellebardiere, Kaiser Siegismund, vier Kaiserpagen, Kardinal Brogni, vier Kardinalspagen, Ruggiero, Kurfürsten, Herzoge und Herzoginnen, Fürsten und Fürstinnen, Ritter und Damen, zwanzig Hellebardiere kommen im feierlichen Zuge von links hinten.
Das Volk drängt nach und füllt, während der Chor gesungen wird, den Hintergrund und die linke Seite.
Sechster Auftritt.
Kaiser Sigismund. Kardinal Brogni. Reichsfürst Leopold. Prinzessin Eudora. Ruggiero. Majordomus. Kurfürsten. Herzoge und Herzoginnen. Fürsten und Fürstinnen. Ritter und Damen. Hellebardiere. Kaiserpagen. Kardinalspagen. Volk.
Nr. 16. Chor.
CHOR DER ANWESENDEN.
Seltner Tag der Freude, Tag der höchsten Pracht!
Liebe zur Seite pranget die Macht.
O welche Ehre wird uns zu Teil!
Dem Kaiser, dem Heere Segen und Heil!
Tag der Pracht, Tag der Wonne,
Dich umstrahlet die Sonne, kündet uns Heil!
Tag der Pracht, der Freude und Pracht,
Dich umstrahlet Glanz der Sonne, kündet uns Heil!
MAJORDOMUS verkündet mit lauter Stimme.
Mit Genehmigung des Kaisers wird heute allhier,
Ein belustigend Spiel öffentlich abgehalten:
Amor bahnt sich den Weg zu einem Zauberturme!
Ihr Tänzer, eilt herbei, beginnt sofort den Reigen!
Er tritt nach hinten und winkt nach links.
Tänzer und Tänzerinnen eilen von links herbei.
Siebenter Auftritt.
Die Vorigen. Tänzer und Tänzerinnen.
Nr. 17. Pantomime und Ballett.
Tänzer und Tänzerinnen eilen nach dem Ballett links hinten ab.
Kaiser steht mit Beginn des Allegro non troppo auf und hebt mit einem Wink die Tafel auf.
Alle erheben sich und treten herunter.
Majordomus, Kaiser, vier Kaiserpagen, Brogni, vier Kardinalspagen, Ruggiero entfernen sich unter ehrfurchtsvollen Begrüßungen der übrigen Anwesenden nach links hinten.
Die Hellebardiere auf der linken Seite ziehen sich zurück und treten vor die im Hintergrund stehenden.
Die Großen und Damen des Reichs umgeben beglückwünschend Eudora und Leopold.
Achter Auftritt.
Eudora, Leopold zu ihrer Linken. Kurfürsten, Herzoge und Herzoginnen, Fürsten und Fürstinnen, Ritter und Edeldamen, Hellebardiere, Volk zurückstehend.
Nr. 18a. Finale.
CHOR.
Ertönet laut, ihr jubelnden Gesänge,
Preiset und rühmt des Erhabenen Mut!
Dankbar begrüßt ihn hier die frohe Menge,
Denn abgewehrt hat er der Feinde Wut!
EUDORA.
Ach, des Gesanges reges Leben
Mein Herz mit Dank durchdringt!
Hoch wird sein Ruhm mich selbst erheben,
Da ein solcher Held Unsterblichkeit erringt.
Hoch wird sein Ruhm mich selbst erheben,
Da Heldenruhm zum Himmel dringt!
LEOPOLD für sich.
Der Festgesang, dies frohe Leben
Mein Herz mit Todesangst durchdringt!
CHOR.
Es töne laut der Festgesang!
Auf, preiset, rühmet seinen Mut!
Voll Dank begrüßt ihn hier die Menge,
Denn er wagte Gut und Blut!
Voll Dank begrüßt ihn hier die Menge,
Denn er besiegt der Feinde Wut,
Der Held besiegt der Feinde Wut!
EUDORA zu ihrer Umgebung.
Dieser Held, dessen Ruhm man überall verkündet,
Hat seinen Ruf zum Heile unsrer Kirche begründet.
Ihm zu danken, seid, hohe Herren, ihr hier vereint.
Vier Kaiserpagen vorantretend, Majordomus Recha und Eleazar einführend, Recha, Eleazar das Schmuckkästchen in der Hand, kommen von links hinten.
Neunter Auftritt.
Recha rechts vorn, Eleazar zu ihrer Linken. Leopold links vorn, Eudora zu seiner Rechten. Majordomus und die vier Kaiserpagen rechts zurückstehend. Volk links zurückstehend. Die Großen und Damen Mitte zurückstehend.
ELEAZAR.
Dem Befehle gemäß empfangt, erhabne Frau,
Diesen kostbaren Schmuck.
Ein Page tritt vor, nimmt ihm das Kästchen ab, überreicht Eudora die Kette und zieht sich mit dem Kästchen wieder auf seinen Platz zurück.
RECHA Leopold erkennend, für sich.
Er ist’s! Ha, wehe mir! –
Recitativ.
EUDORA zu Leopold.
Im Namen des Monarchen, der Ehre und der Damen,
Die zu mutiger That stets entflammen
Edle Ritter im Kampfe, fordr‘ ich, mein Held,
Daß du beugest das Knie, hier zu empfangen
Deinen Lohn als mein Gemahl.
Leopold kniet vor Eudora.
ELEAZAR UND RECHA.
Ihr Gemahl!
RECHA.
Haltet ein!
Sie eilt zwischen Leopold und Eudora.
Dies hohe Ehrenzeichen schmück nimmer seine Brust!
Sie reißt die Kette, die Leopold von Eudora erhielt, aus seinen Händen und schleudert sie von sich.
Nicht wert ist er’s zu tragen!
Leopold erhebt sich bestürzt.
EUDORA.
Wer? Mein Gemahl?
Zwei Kardinalspagen, Brogni, Ruggiero, zwei Kardinalspagen, zwei Marschälle nahen sich von links hinten.
RECHA.
Dein Gemahl? Nimmermehr!
Ein Verräter, ein Schuldbeladner!
Des Meineids zeih ich ihn!
ALLE UMSTEHENDEN.
Gott!
Zehnter Auftritt.
Die Vorigen. Brogni tritt zwischen Recha und Leopold. Ruggiero Leopold zur Linken. Die vier Kardinalspagen stehen links hinten. Die beiden Marschälle nehmen zurückstehend in der Mitte Aufstellung.
ELEAZAR tritt zwischen Eudora und Recha.
Mein Kind, sei still, o Recha, schweig!
RECHA.
Nein, er muß sie büßen!
BROGNI.
Sag an, was er beging?
EUDORA UND CHOR.
Sag an, was er beging?
RECHA.
Das schrecklichste Verbrechen,
Das eure Gesetze streng
Mit Tod und Schande rächen.
Als Christ schwur ew’ge Treue
Einst der Verruchte
Einer Jüdin, einer Verfluchten!
Und diese Jüdin, diese Verworfne,
Die seine Liebe, sein Verbrechen teilte,
Bin ich, bin ich!
Sie tritt einen Schritt vor, zu Leopold.
Sprich! Kennst du mich nicht mehr?
Nr. 18b. Ensemble.
LEOPOLD wendet in starrer Betäubung sein Gesicht ab, für sich.
Ich erliege meiner Schande! Unerhört, fürchterlich
Sind zerrissen die Bande, die hier gefesselt mich.
EUDORA.
Keine Rettung, ew’ge Schande! Schaudervoll, fürchterlich!
Ach, er trennte die Bande, und all mein Glück entwich!
Schaudervoll, fürchterlich!
Er trennte heil’ge Bande, ach, und vernichtet mich!
Doch soll er trostlos sterben, nicht Vergebung erwerben!
Ach, es stürzt sein Verderben ihn gewaltsam ins Grab!
Keine Rettung, ew’ge Schande, schaudervoll, fürchterlich
Hat getrennt er die Bande und all mein Glück entwich!
O Tag der Qual!
ELEAZAR.
Qualvoll, schrecklich, schrecklich, o Schmach!
Ja, am finstern Grabesrande stehe vernichtet ich!
Ja, bedecket mit Schande seh ich sie und mich!
Bedeckt mit Fluch und Schande seh ich sie und mich!
Sie kann nicht dem Verderben hier entgehen, muß sterben,
Ach, er stürzt sie ins Grab, und zog in sein Verderben
Gewaltsam sie hinab!
Ich erliege dieser Schande, fällt kein Blitzstrahl herab!
Ja, am öden Grabesrande, steh nun verlassen ich!
Ach, bedecket mit Schande seh ich sie und mich!
RECHA.
Ich erliege meiner Schande!
Ach, zerrissen sind die Bande, die sonst gefesselt mich!
Schaudervoll, fürchterlich!
Er trennte heil’ge Bande und tötet sich und mich!
Soll ich trostlos hier sterben, nicht Vergebung erwerben,
Will auch Gott mein Verderben, folgt sein Fluch mir ins Grab!
Ich erliege meiner Schande, schaudervoll, fürchterlich
Sind zerrissen die Bande, die sonst gefesselt mich!
O Tag der Qual!
BROGNI.
Qualvoll, schrecklich, schrecklich, o Schmach!
Bedeckt mit Fluch und Schande hat er sich freventlich!
Ja, belastet mit ewiger Schande, mit Fluch und mit Schande
Um sein Heil betrogen hat er sich!
Zerrissen sind der Liebe Bande, dem Tode weiht er sich!
Stürzend sich ins Verderben deckt mit Schande sein Grab,
Und wird verzweifelnd sterben, wenn Gott ihm nicht vergab!
Keine Rettung, ew’ge Schande, schaudervoll, fürchterlich,
Bedeckt mit Fluch und Schande hat er sich freventlich!
O Tag der Qual!
LEOPOLD.
Qualvoll, schrecklich, schrecklich, o Schmach!
Ja, gelöst sind die Bande, alles vernichtet mich!
Schaudervoll, fürchterlich!
Verachtung und Schande, ach, treffen sie und mich!
Trostlos muß ich nun sterben, stürze sie ins Verderben,
In ein finsteres Grab, in ewiges Verderben
Und in ein finstres Grab!
Keine Rettung, ew’ge Schande, schaudervoll, fürchterlich
Sind zerrissen alle Bande, mein Seelenheil entwich!
O Tag der Qual!
RUGGIERO.
Qualvoll, schrecklich, schrecklich, o Schmach!
Bedeckt mit Fluch und Schande hat er sich freventlich!
Ja, belastet mit Schande und Fluch hat er sich!
Stürzend sich ins Verderben, deckt mit Schande sein Grab!
Er wird verzweifelnd sterben, wenn Gott ihm nicht vergab!
Keine Rettung, ew’ge Schande, schaudervoll, fürchterlich,
Bedeckt mit Fluch und Schande hat er sich freventlich!
O Tag der Qual!
CHOR DER ANWESENDEN.
Qualvoll, schrecklich, schrecklich, o Schmach!
Qualvoll, schrecklich, schrecklich, o Schmach!
O Tag der Trauer, Schreckenstag!
ELEAZAR.
Bedeckt mit Fluch und Schande!
CHOR.
O Gott der Huld!
ELEAZAR.
Bedeckt mit Fluch und Schande seh ich sie und mich!
Doch Gott bestraft Verbrechen!
Er wird die Unschuld rächen, und Kräfte mir verleihn!
Ja, er strafet Verbrechen, wird Kräfte mir verleihn!
EUDORA, RECHA, BROGNI, LEOPOLD, RUGGIERO.
Nur Gott allein erlöset mich (ihn) von dieser Pein!
Gott kann der Retter sein!
EUDORA.
Ach, er allein –
RECHA.
Ach, er allein –
BROGNI.
Ach, er mög ihm gnädig sein!
EUDORA, ELEAZAR, RECHA, LEOPOLD.
Ach, er kann allein der Retter sein!
RUGGIERO.
Doch wir dürfen ihm nimmer verzeihn!
BROGNI.
Baut er auf Gott, so wird er ihm verzeihn!
BROGNI UND ELEAZAR.
Denn Gott allein kann ihm verzeihn,
Nur Gott allein kann ihm verzeihn!
ALLE ANDERN.
Gott nur! Gott nur!
EUDORA, RECHA.
Ach, nur du allein!
BROGNI.
Gott allein kann solche That verzeihn!
ALLE.
Allein!
Nr. 18c. Recitativ und Fluch.
ELEAZAR Recha in seine Arme schließend, zu den Umstehenden, indem er auf Leopold zeigt.
Wohlan, ihr hohen Herrn, übt euer Richteramt!
Was zögert ihr? Laßt Gerechtigkeit walten!
Habt ihr Feuer und Schwert für uns allein zur Hand!
Spricht den Verführer dort, den Rang und Orden zieren,
Auch das Gesetz vom Tode frei?
BROGNI.
Und er schweigt, wehrt ihm nicht?
Also wahr, was jener spricht!
Er tritt einige Schritte zurück und berät sich mit den Kurfürsten.
CHOR.
Und er schweigt, wehrt ihm nicht!
Also wahr, was jener spricht!
BROGNI nimmt die Mitte und erhebt die Arme gegen Eleazar, Recha und Leopold.
Ihr, die ihr Gottes Zorn auf euer Haupt geladen,
Ihr seid verflucht!
Ihr, die zur Schmach vereint den frevlen Bund geschlossen,
Ihr seid verflucht!
Alles Heil’s, aller Gnade des Allmächt’gen seid ihr bar,
Ausgeschlossen von ihm ewiglich!
Zu Leopold.
Stets verschlossen für dich bleibt nunmehr unsre Kirche,
Hoffe nicht, daß ihr Segen je dich wieder beglücke,
Nimmer darfst dem Altare du nah’n!
Dein verpesteter Hauch sei dem Volke ein Greu’l,
Jeder Christ soll voll Abscheu seinen Blick von dir wenden!
Zu allen dreien.
Verflucht auf der Erde, vom Himmel verflucht,
Werde nie euch Verruchten, nachdem ihr gerichtet,
Ein ehrlich Grab gestattet.
Eure Körper giebt man den wilden Stürmen preis,
Vermodernd unterm Himmel, der ewig für euch verschlossen bleibt
ALLE wenden sich mit Abschen von den mit dem Bann belegten.
Ach!
Nr. 18d. Ensemble.
EUDORA für sich.
Ihn sollt ich hassen, der mich verlassen,
Verraten, verlassen, Wort und Treue brach!
Doch fühlet Erbarmen mein Herz mit der Armen
Verrat’nen Schmach!
ELEAZAR zu Recha.
Mein ewiges Hassen, ihm, der dich verlassen,
Dich schändlich verlassen, Wort und Treue brach!
Er reißt dich ohn‘ Erbarmen aus deines Vaters Armen
In Schimpf und Schmach!
RECHA zu Eleazar.
Ihn müßt ich nicht hassen, der mich verlassen,
Verraten, verlassen, Wort und Treue brach?
Wer wird sich erbarmen und rächen der Armen
Erlittne Schmach!
LEOPOLD für sich.
Wie muß sie mich hassen, mich, der sie verlassen,
Sie schändlich verlassen, Wort und Treue brach!
Bereitet der Armen hab ohne Erbarmen
Ich Schimpf und Schmach!
BROGNI UND RUGGIERO zu den Dreien.
Verstoßen von allen, dem Tode verfallen
Trifft euch Bann und Fluch!
Nicht wird euch vergeben im ewigen Leben
Nach Gottes Spruch!
CHOR.
Ja, ihn trifft Bann und Fluch!
Verstoßen von allen trifft ihn Fluch!
Trifft den Frevler der Kirche Fluch! –
Nicht wird ihm vergeben dort im ew’gen Leben
Heil’ger Eide Bruch!
DIE ÜBRIGEN.
O Gott!
CHOR.
Ja, ein solch Verbrechen muß der Himmel rächen,
Auf ihm ruht der Fluch!
DIE ÜBRIGEN.
Welch ein Tag!
CHOR.
Ja, ein solch Verbrechen muß der Himmel rächen,
Auf ihm ruht der Fluch, ruht ew’ger Fluch!
EUDORA eilt zwischen Recha und Brogni.
Ach, entzieht ihn dem Grimme
Der Wutentbrannten,
O laßt den Verbannten,
O laßt den Armen dem Tod entgehn!
Ja, nehmt mein Leben, nur rettet ihn!
Erhört mein Flehn, mein heißes Flehn!
RECHA zu Eleazar.
Ach, entziehe dich dem Grimme
Der Wutentbrannten,
Du kannst dem Tode sonst nicht entgehn.
O rette dich, erhör mein Flehn!
ELEAZAR zu Recha.
Ich will nicht zagen, trotz ihrem Grimme,
Erflehe nimmer des Mitleids Stimme!
Ich will ohne Beben dem Tode entgegen gehn,
Nicht Gnade erflehn!
LEOPOLD zu Rugg.
Hier schweigt bei allen des Mitleids Stimme,
Wer schützt die Arme nun vor dem Grimme
Der Wutentbrannten?
Wie soll die Teure dem Tod entgehn?
O Tag des Schreckens,
So muß sie dennoch mit mir untergehn!
RUGGIERO UND BROGNI.
Die Strafe folge auf ihr Verbrechen!
Wer es zu üben sich konnt erfrechen,
Muß untergehn! O Tag des Schreckens!
Nunmehr ist’s um ihr Leben geschehn!
Umsonst ist ihr Flehn,
O Gott, es ist um sie geschehn!
CHOR.
Verwirkt hat er das Leben,
Ja, um ihn ist’s geschehn!
Es folgt die Strafe auf solch Verbrechen,
Wer es begangen, muß untergehn!
Brogni giebt den Hellebardieren ein Zeichen.
Ein Offizier, sechs Hellebardiere treten vor, um Eleazar, Recha und Leopold gefangen zu nehmen.
Leopold zieht und überreicht dem Offizier seinen Degen.
Eudora, Brogni und die Kurfürsten heben die Hände betend zum Himmel.
Vierter Aufzug.
Gotisches Gemach im Gerichtsgebäude zu Konstanz. Mittelthür nach dem Gerichtssaal führend, Seitenthüren rechts und links. Links vorn ein Fenster. Rechts vorn ein schwerer Tisch und ein Lehnstuhl.
Es ist Tag.
Erster Auftritt.
Eudora. Ein Offizier. Wachen an der Mittelthür.
Nr. 19. Recitativ und Duett.
EUDORA tritt durch die Mitte ein und zeigt dem Offizier einen schriftlichen Befehl.
Nach des Kaisers Befehl und Willen
Ist mir vergönnt, Recha allein zu sehn!
Offizier nimmt ehrerbietig den Befehl in Empfang und geht nach rechts ab.
EUDORA.
O Gott! den Ungetreuen vom Tode zu befreien,
Gieb meinen Worten Kraft und erweiche ihr Herz.
Rette ihn vom Verderben,
Und lass‘, o Gott, mich sterben!
Offizier tritt mit Recha von rechts ein.
Zweiter Auftritt.
Recha, Eudora zu ihrer Linken. Ofzier zurückstehend. Wachen an der Mittelthür.
Eudora giebt, sobald Recha eingeführt ist, dem Offizier ein Zeichen.
Offizier geht mit den Wachen durch die Mitte ab.
Wachen bleiben draußen auf dem Gange.
RECHA im Eintreten zur Wache.
Warum entreißt man mich den dunkeln Kerkermauern?
Erwartet mich der Tod? Er sei willkommen mir!
Eudora bemerkend.
Wen seh ich, o Gott! meine Feindin!
EUDORA.
Und eine Feindin, ach! die zu dir flehet.
RECHA.
Zwischen uns findet nie ein Wort der Sühne statt!
EUDORA.
Für mich verlang ich nichts; ach, nur für ihn
erzittr‘ ich!
Das heil’ge Gericht hat sich bereits versammelt,
Und wisse: nur du allein kannst der Furchtbaren Zorn
Das Opfer noch entreißen.
Ach, sie verdammen ihn!
RECHA.
Dann verehr‘ ich die Richter!
Ihr Urteil ist gerecht und verdient meinen Dank!
Duett.
EUDORA.
Ach, rette ihn! birg sein Vergehen,
Mildre die Strafe, die ihn bedroht.
Rührt dich nicht mein Bitten, mein Flehen,
Erreicht martervoll ihn der Tod!
RECHA.
Nein, nimmer werd‘ ich ihm vergeben,
Die Qual verdient er, die ihm droht!
Teilen wollt er mit dir sein Leben,
Nun teile er mit mir den Tod!
EUDORA flehend.
Recha! Recha!
RECHA.
Sprich, was darfst du begehren,
Unsre Rechte sind gleich
Und du solltest sie ehren!
EUDORA.
Allem hab ich entsagt,
Allem, denn er liebt mich nicht!
Nur dem Leben, dem Leben, dem Leben!
Ach, du nur kannst das Leben,
Kannst ihm zurück es geben!
Erhör mein heißes Flehn!
Mein Glück ward dir gegeben,
Gieb mir dafür sein Leben,
Ja, du nahmst mir mein Glück,
Gieb mir dafür sein Leben zurück!
RECHA.
Ich? Seine Schuld vergeben?
Ich? Retten ihm das Leben?
Der mir den Tod gegeben,
Ihn sollt ich glücklich sehn?
Nein, nicht mehr darf er leben,
Nicht zu dir sich erheben,
Umsonst ist all dein Flehn,
Ich will bestraft ihn sehn!
Nein, nicht mehr darf er leben,
Nicht zu dir sich erheben,
Umsonst ist all dein Flehn,
Ich will bestraft ihn sehn! ja! ja! ja!
EUDORA immer dringender.
Das Leben sollst du zurück ihm geben,
Erhör mein heißes Flehn!
Laß ihn dem Tod entgehn,
Recha, Recha, erhalte ihm das Leben!
Recha geht an Eudora vorüber nach links.
EUDORA.
Du allein kannst vom Tode den Armen noch befrein,
Erklärst du heut, daß schuldlos er und rein!
RECHA.
Ihn schuldlos? Und weißt du,
Daß er mich verriet,
Daß noch der Liebe Qual,
Mein armes Herz durchglüht?
Dumpfe Glockenklänge und Wutgeschrei des Volks dringen durch das Fenster links herein.
EUDORA.
O hörst du nicht der Glocke Ton?
Dringt er – ins Herz – dir nicht? Man nahet schon!
Sie hat ihren Blick durch das Fenster gerichtet.
Er ist’s! ja, man führt ihn vor die Schranken!
Ach, keine Rettung mehr,
Wirst länger du noch schwanken! Er stirbt!
RECHA.
O Gott!
EUDORA.
Er stirbt!
RECHA.
O Gott!
EUDORA.
Ach, erhöre mein Flehn! Recha!
Recha, erhör mein Flehn!
RECHA.
Es ist um mich geschehn!
EUDORA mit erhobenen Händen und zum Himmel gerichtetem Blick.
Vater, erhöre mein Gebet
Und gewähre, Vater,
Gewähre seine Rettung ihr!
RECHA ebenso.
Vater, erhöre mein Gebet
Und gewähre, Vater,
Gewähre, was sie fleht von dir!
EUDORA.
Welche Qual, welches Leiden,
Lieb ihn noch, seh ihn scheiden,
Seh ihn scheiden, entrissen mir!
RECHA.
Seh ihn scheiden, entrissen mir!
Welche Qual, welches Leiden
Lieb ihn noch und entreißt
Sich mir!
EUDORA.
Auf ewig mir!
O Recha, was darf ich hoffen?
Kennt dein Herz nur Haß und Wut?
RECHA.
Nicht sei ein Christenweib
An Großmut überlegen
Der armen Jüdin. Ja, ich will verzeihn!
EUDORA.
Ach! –
Wie oben.
Vater, erhöre mein Gebet
Und gewähre, Vater,
Gewähre seine Rettung ihr!
RECHA.
Vater, erhöre mein Gebet
Und gewähre, Vater,
Gewähre, was sie fleht von dir!
EUDORA.
Welche Qual, welches Leiden,
Lieb ihn noch, seh ihn scheiden,
Seh ihn scheiden, entrissen mir!
RECHA.
Seh ihn scheiden, entrissen mir!
Ach für mich, welche Leiden,
Lieb ihn noch, seh ihn scheiden!
BEIDE.
Ach, welche Leiden,
Welche bittre Qual!
Welche Qual, lieb ihn noch!
Muß scheiden, entrissen wird er
Auf ewig mir!
Sie umarmen sich.
Die Mittelthür öffnet sich.
Offizier tritt mit zwei Mann von der Wache durch die Mitte ein.
Dritter Auftritt.
Eudora, Recha zu ihrer Linken. Offizier zurückstehend.
Nr. 20. Scene.
OFFIZIER.
Der Kardinal wird sich
Sogleich hierher verfügen!
EUDORA.
So will ich gehn! Leb wohl, Recha!
Leise zu ihr.
Gedenk der Pflicht!
Du mußt ihn verteid’gen, ihn retten!
RECHA leise.
Entscheide jetzt, wenn du’s vermagst,
Wer ihn von uns am meisten liebt!
EUDORA ebenso.
Ach, er lebe, lebe nur,
Und der Tod wird, ich hoffe,
In kurzer Zeit mein traurig Dasein enden!
RECHA ebenso.
Nein, nein, ich sterb allein,
Leb wohl, gedenke mein!
Brogni kommt durch die Mitte.
Eudora geht durch die Mitte ab und begegnet Brogni.
Gegenseitige ehrerbietige Begrüßung.
Vierter Auftritt.
Brogni, Recha zu seiner Linken. Offizier zurückstehend.
BROGNI zu Recha.
Vor unserm Tribunal
Wirst du nunmehr erscheinen.
RECHA.
Wohlan, das Tribunal
Soll mein Geständnis hören.
BROGNI lebhaft.
Und welches denn?
RECHA nach der Mitte auf den Gerichtssaal zeigend.
Nur dort sollt ihr es erfahren!
Ich erfülle meine Pflicht
Und baue fest auf Gott!
BROGNI mit Interesse und Unruhe.
Könnte wohl dies Geständnis
Die Gefahr noch entfernen?
RECHA.
Ja! Von seinem teuren Haupt
Wende ich sie ab!
BROGNI.
Und nicht dich selbst vermags zu retten?
RECHA.
Ach nein, als Opfer falle ich!
BROGNI.
Und so gehst du zum Tode,
Rettungslos, unverteidigt?
RECHA.
Es ist der Tod mein einz’ger Wunsch!
BROGNI.
Jede Hoffnung wäre verschwunden?
RECHA.
Nur eine bleibt mir noch,
Rettung ihm, mir den Tod! –
Sie geht, von den Wachen begleitet, durch die Mitte ab.
Fünfter Auftritt.
Brogni. Offizier zurückstehend.
Recitativ.
BROGNI für sich.
So jung des Todes Beute?
Es giebt zu ihrer Rettung nur ein letztes Mittel noch.
Der Vater kann allein ihr das Leben erhalten:
Er schwöre ab seinen Glauben und sie ist frei!
Zum Offizier.
Führt den Juden hierher,
Dann geht, laßt uns allein!
Offizier geht durch die Mitte ab.
Brogni setzt sich an den Tisch rechts.
Offizier öffnet die Mittelthür.
Eleazar tritt durch die Mitte ein.
Offizier zieht sich durch die Mitte zurück.
Sechster Auftritt.
Brogni rechts sitzend, Eleazar zu seiner Linken stehend.
Nr. 21. Duett.
BROGNI.
Vor ihren Richtern steht deine Tochter, und verloren
Ist sie, wenn der Spruch sie verdammt.
Du, gleichfalls schuldig, von Christenhaß entflammt,
Bringst ihr und dir den Tod,
Welchen du dem Verführer geschworen.
Sie retten kannst du noch vom nahen Flammentod:
Schwör deinen Glauben ab, erkenn der Christen-Gott!
Nur du kannst sie retten noch
Vom nahen Flammentod, nur du!
Schwör deinen Glauben ab,
Und rette sie vom Flammentod!
ELEAZAR empört.
Hör ich recht, solchen Spott
Treibst du mit unserm Gott?
Ich den Glauben der Väter verleugnen?
Wie? Fremden Götzen sollt ich eignen?
Der wahren Lehre untreu sein?
Lieber mich dem Tode weihn!
BROGNI.
Doch der Gott, den du leugnest, wird einst dich richten!
ELEAZAR.
Nein, der Gott Israels kann allein mich vernichten!
BROGNI.
Trostlos läßt er euch schmachten,
Erbarmt sich eurer nicht.
ELEAZAR mit Begeisterung.
Früh habt den Siegerkranz
Den Juden ihr entrissen,
Gott wird sein treues Volk
Dereinst zu rächen wissen,
Harrt es nur mutig aus,
Ehrend Gesetz und Pflicht!
BROGNI für sich.
Seh das Schwert, das Schwert erheben,
Und die Flamme ihn umgeben,
Mein Herz erbebet, von Mitleid erfüllt!
Ach, sein Los, ach, sein Los ist entschieden,
Statt Versöhnung und Frieden
Wird die Rache gestillt!
ELEAZAR für sich.
Seh das Schwert, das Schwert erheben,
Und die Flamme mich umgeben,
Seh endlich, seh endlich mein Sehnen gestillt!
Ja, mein Geschick, mein Geschick hat entschieden,
Was versagt mir hienieden,
Wird dort oben, wird dort oben erfüllt! –
BROGNI.
So wünschest du den Tod?
ELEAZAR.
Er ist mein einzig Hoffen! –
Recitativ.
ELEAZAR näher tretend.
Doch vorher, kurz vorher
Nehm an einem Christen Rache ich,
Rache ich! – Nehme sie an dir!
Als einst Neapels Heer auch Rom so hart bedrängte,
Fielst du der Grausamkeit der Plünderer anheim,
Und deine Wohnung ward ein Raub der Flammen.
Eine sterbende Gattin, eine liebliche Tochter,
Die kaum das Licht erblickt, entriß man grausam dir.
BROGNI sich erhebend.
O schweig, o schweig von jener Zeit! –
Könnt diesen Schreckenstag, der alles mir geraubt,
Für immer ich vergessen!
ELEAZAR.
Nein, nein, nicht alles ward dir geraubt.
BROGNI.
Was sagst du?
ELEAZAR.
Nicht alles ward dir geraubt!
BROGNI.
O Gott!
ELEAZAR.
Ein Jude rettete dein Kind,
Ein Jude zog es lebend aus den Flammen hervor!
Den Juden kenn‘ ich!
BROGNI in immer zunehmender ängstlicher Erwartung.
Ach rede, sprich, sein Name, nenn ihn mir!
ELEAZAR.
Nein, nein!
BROGNI.
Vor Gott beschwör ich dich!
ELEAZAR.
Nein, du erfährst ihn nie! –
BROGNI.
Hat ein Traum mich umfangen?
Ha, zaudre nicht, zaudre nicht, vollende!
Duett.
BROGNI.
Ach, laß dein Vaterherz mich erweichen,
Laß meiner Wünsche Ziel mich noch erreichen,
Sei unerbittlich nicht!
Knieend.
fleh ich zu dir!
Ach, sprich ein Wort, sonst vergehe ich hier!
Meine Tochter, o Gott! das teure Kind,
Es wäre noch am Leben?
Tod würde rettungslos Täuschung mir geben!
Sei unerbittlich nicht, knieend fleh ich zu dir;
Sprich ein Wort, sonst vergehe ich hier!
ELEAZAR.
Und welch ein Recht hast du, der du mein Blut vergießest,
Auf mein Erbarmen, da du uns dein Herz verschließest?
Nein, nein, es mag nunmehr das Ärgste auch geschehn,
Ich erwarte den Tod und achte nicht dein Flehn!
Deine Tochter, ach, dein einzig Kind, ja, sie ist noch am Leben.
Ich nur allein, ich kann sie dir wiedergeben;
Doch an des Grabes Rand erklär ich schaudernd dir,
Mein Geheimnis, mein Geheimnis stirbt mit mir!
BROGNI für sich, sich erhebend.
Seh das Schwert, das Schwert erheben
Und die Flamme ihn umgeben,
Mein Herz erbebet, von Mitleid erfüllt!
Ach, sein Los, ach, sein Los ist entschieden,
Statt Versöhnung und Frieden
Wird die Rache gestillt!
Zu Eleazar.
Laß mein Hoffen, meinen Wunsch,
Nicht lasse ihn unerfüllt.
ELEAZAR für sich.
Seh das Schwert, das Schwert erheben,
Und die Flamme mich umgeben,
Seh endlich, seh endlich mein Sehnen gestillt!
Ja, mein Geschick, mein Geschick hat entschieden,
Was versagt mir hienieden,
Wird dort oben, wird dort oben erfüllt!
Man vernimmt Glockenklänge.
Ruggiero kommt durch die Mitte.
Siebenter Auftritt.
Die Vorigen. Ruggiero zurückstehend.
RUGGIERO.
Hoher Herr, man erwartet Euch zum Urteilsspruch!
BROGNI halblaut zu Eleazar.
Ein Wort und Gnade findest da!
ELEAZAR ebenso.
Nein, ohne Beben erwarte ich mein Urteil!
BROGNI ebenso.
Dir drohen Höllenqualen!
ELEAZAR ebenso.
Wohlan! den Tod!
Brogni geht gesenkten Hauptes durch die Mitte ab.
Ruggiero folgt ihm.
Achter Auftritt.
Eleazar allein.
Nr. 22. Arie mit Chor.
ELEAZAR.
Das Todesurteil sprich,
Ich vollzieh meine Rache,
Ich bin’s, der dich verdammt,
Zu erdulden ew’ge Qual! –
Es lastet nun auf dir
Der Haß, den ich genähret
Und lebenssatt sink ich ins Grab.
Doch meine Tochter, o Recha, welch ein Schreckensgedanke
Zerreißt mir von neuem das Herz.
Ha, Raserei, unsinnige Rache! ich fröhne dir,
Und opfre rücksichtslos mein Kind!
Arie.
Recha, als Gott dich einst zur Tochter mir gegeben,
Und zitternd diese Hand dem Kinde Nahrung bot,
That ich den heil’gen Schwur, zu wachen für dein Leben,
Und ich gebe dir nun selbst den Tod! –
Doch ich höre angsterfüllt dich klagen:
Rette mich aus der Todesgefahr!
Soll ich schuldlos diese Qual ertragen?
Teurer Vater, mein Leben bewahr!
Ach! Recha, als Gott dich einst zur Tochter mir gegeben,
Und zitternd diese Hand dem Kinde Nahrung bot,
That ich den heil’gen Schwur, zu wachen für dein Leben
Und ich gebe dir nun selbst den Tod!
Recha, ja! ich gebe dir den Tod!
Recha, Recha! – Ich selbst, ich
Gebe, ja gebe dir selbst den Tod!
Und ein Wort, ja ein Wort,
Rettet sie vom Verderben! –
Entreißt sie schnell dem Flammentod!
Fort von mir, finstre Rachegedanken,
Ein Wort endet deine Not!
Von seinem besseren Gefühl besiegt.
Recha, nein sterben sollst du nicht! Nein!
CHOR von außen unter dem Fenster links.
Aufs Schafott, aufs Schafott!
Den Tod, den Tod in den Flammen!
Ja, sterben muß die Judenbrut!
Der Tod, der Tod vernichte diese Brut!
ELEAZAR.
Wem droht des Volkes wilde Stimme?
CHOR von außen.
Ohne Gnad‘ den Tod,
Den Tod in den Flammen! Ja, ja, ja!
Den Tod, den Tod der Judenbrut!
ELEAZAR.
Ha, sie wollen mein Blut! –
Ha, sie dürsten nach Blut!
Und ich war schon bereit, Recha zurückzugeben!
Mit dem Ausdruck eines leidenschaftlich gefaßten Entschlusses.
Nein, nein, nimmermehr! –
Gott, erleuchte meine Sinne,
Deine Gnade fleh ich an!
Daß den Himmel ich gewinne,
Zeige mir die rechte Bahn!
Laß die holde Tochter sterben
An des Vaters treuer Brust,
So den Himmel sich erwerben,
Ist der Seele höchste Lust!
Gott, erleuchte meine Sinne,
Deine Gnade fleh ich an!
Daß den Himmel ich gewinne,
Zeige mir die rechte Bahn!
CHOR von außen.
Aufs Schafott, den Tod in den Flammen!
ELEAZAR.
Ich verachte ihr Wüten!
CHOR von außen.
Den Tod, den Tod der Judenbrut! den Tod!
ELEAZAR.
Israel fordert dräuend die Tochter nun von mir,
Die ich für ihn erzogen!
CHOR von außen.
Zum Schafott! zum Schafott!
Sie müssen sterben!
ELEAZAR.
Mein ist sie, mein ist unser Kind!
Und ich sollte mutlos werden,
Könnt für eine Spanne Leben
Um ihr Seelenheil sie bringen,
Wenn ein Paradies ihr winkt? –
Nein, nimmermehr!
Gott erleuchte meine Sinne,
Deine Gnade fleh ich an!
Daß den Himmel ich gewinne,
Zeige mir die rechte Bahn!
Laß die holde Tochter sterben
An des Vaters treuer Brust,
So den Himmel sich erwerben,
Ist der Seele höchste Lust!
Gott erleuchte meine Sinne,
Deine Gnade fleh ich an!
Daß den Himmel ich gewinne,
Zeige mir die rechte Bahn!
Er sinkt mit einigen Schritten nach hinten zu Boden.
Fünfter Aufzug.
Ein großes Zelt, welches auf vergoldeten Säulen ruht und über einen öffentlichen Platz gespannt ist, von welchem aus sich die Ansicht des schönsten Teils der Stadt Konstanz darbietet. Am Ende des Platzes befindet sich ein Kessel von großem Umfange, zu dem Stufen hinaufführen; er ist von unten durch ein starkes Feuer geheizt und Wasserdämpfe steigen aus ihm empor. Zur Rechten und Linken sind Tribünen für das Volk errichtet und von der schaulustigen Menge besetzt. Links vorn ein Sitz für Brogni. Morgenröte.
Der Vorgang ist düster und schauerlich.
Erster Auftritt.
Das Volk auf den Tribünen rechts und links. Die beiden Henker schürend am Kessel.
Nr. 23. Chor.
CHOR.
Welche Lust, welch Vergnügen!
Sie werden unterliegen,
Finden hier ihren Tod!
Ehr‘ und Preis dem großen Gott!
Jetzt giebt es viele Feiertage,
Wo man die Arbeit ruhen läßt;
Hier sieht sich, das ist keine Frage,
Am besten an das Gott geweihte Fest!
MÄNNER.
Hört ihr es wohl, sie kommen schon!
Stellt euch fein hoch, sonst seht ihr nichts davon!
EINER DER MÄNNER.
Ein solches Schauspiel muß man sehen!
ANDERE.
Denn wir erlebten es noch nie!
EIN ANDERER.
Den Juden wird ihr Recht geschehen,
In siedend Wasser wirft man sie!
CHOR.
Dies Schauspiel muß jeder sehen,
Denn wir erlebten es noch nie!
Jubelt, nunmehr giebt’s Feiertage!
Ein schönes Fest, wo man vergnügt
Quitt aller Plage uns ruhen läßt!
Solch Schauspiel muß man sehen,
Denn wir erlebtens nie!
Sie werden untergehen,
Ins Wasser stürzt man sie!
Jubelt laut, ihnen wird recht geschehn,
In siedend Wasser stürzt man sie!
Der Zug der Verurteilten nähert sich von rechts hinten.
Nr. 24. Marsch.
Zwei Offiziere, zwölf Kardinalsgarden mit gesenkten Hellebarden, sechs Kaiserpagen ohne Überwurf, ein Offizier mit der Stadtfahne, zwei Kardinalspagen, Kardinal Brogni, zwei Kardinalspagen, zwölf Geistliche, ein Priester mit einer Fackel, ein Priester mit einer schwarzen Fahne, zwölf Ordensbrüder, Ruggiero mit dem Stabe der Verurteilten, vier Ratsherren, sechs Kaisergarden, zwei Vermummte, Recha, zwei Vermummte, zwölf Büßerinnen, Eleazar, zwei Vermummte, sechs Kaisergarden, sechzehn Soldaten mit gesenkten Hellebarden.
Zweiter Auftritt.
Die Vorigen. Die Personen des Zugs.
Nr. 25. Finale.
RUGGIERO zu Eleazar und Recha.
Euer Urteil ist nun durch die Richter gefällt:
Euch erwartet der Tod!
ELEAZAR.
Alle drei?
RUGGIERO.
Nur euch beide!
ELEAZAR.
Und Leopold?
RUGGIERO.
Ein höherer Befehl verbannte
Ihn aus dem deutschen Reich.
Verlustig aller Würden verließ der sonst
So hoch gepriesne Held voll Verzweiflung die Stadt,
Mit Fluch und Bann beladen.
ELEAZAR.
Also stirbt er nicht,
Er, der Unschuld Verführer?
Geben eure Gesetze
Dem Schuldigen die Freiheit?
RUGGIERO.
Der unverwerflichste Zeuge erklärt schuldlos ihn!
ELEAZAR ironisch.
Wer wagt es zu thun?
RECHA.
Ich!
ELEAZAR entsetzt.
Recha!
CHOR.
Gott! ihr Herz hat zur Wahrheit gelenket
Deiner Allmacht ew’ge Huld.
ELEAZAR.
Wie, Recha! Wie, du selbst?
RUGGIERO.
Hier erkläre vor Zeugen der Wahrheit getreu,
Daß niemand dich gezwungen, sag es nochmals frei.
RECHA.
Ja, vor Gott steh ich hier, treu meinem Wunsch zu sterben;
Er kennt mein Herz, verzeiht, wenn endlich allzu schwach
Es der Liebe erlag, stürzend sich ins Verderben.
Drum hört: Verleumdung war, was beim Feste ich sprach!
CHOR.
Frevel! O Frevel und Trug ohne Gleichen!
Der Tod strafe ihren Verrat!
RUGGIERO.
Ihr habt in blinder Wut, schlimmen Zweck zu erreichen,
Den Feldherrn angeklagt der ärgsten Frevelthat,
Habt selbst die Majestät geschmäht durch falsches Wort:
Er zeigt auf das schriftliche Urteil, welches einer der Ratsherren in der Hand hält.
Das Urteil ist gerecht, der Tod harrt eurer dort.
Er zeigt nach hinten, bricht seinen Stab entzwei und wirft ihn den Verurteilten vor die Füße..
Der Priester mit der Fackel senkt seine Fackel, die verlischt, zu Boden.
BROGNI sich erhebend, mit gefalteten Händen.
Ihre Schuld wolle Gott vergeben!
Zu ihm bete der Engel Chor,
Damit er zum ewigen Leben
Die Reuigen rufe hervor!
CHOR leise nachbetend.
Gott wolle ihre Schuld vergeben,
Es fleh zu ihm der Engel Chor,
Damit er einst zum ew’gen Leben
Die Reuigen rufe hervor!
RECHA für sich.
Ach, ich zittre vor Angst, ihre leisen Gebete
Sind mir so schauerlich!
ELEAZAR für sich.
Wozu mich nun entschließen?
Mein Gott, erleuchte mich!
RECHA zu Eleazar.
Vom Leben muß ich scheiden,
Werde bald nicht mehr sein;
Verbirg mir deine Leiden,
Geliebter Vater mein!
ELEAZAR für sich, mit einigen Schritten nach links.
O Gott, welch Geschick!
Laß ich sie hier auf Erden?
Raub‘ ich ihr himmlisch Glück!
BROGNI nähert sich Eleazar, leise zu ihm.
Nun auf immer wir scheiden,
Laß mir Kunde zurück,
Mehre nicht meine Leiden,
Nicht mein traurig Geschick.
Lasse länger nicht mich flehen,
Nimm die Schuld nicht ins Grab!
Eleazar macht eine abwehrende Bewegung.
RECHA.
Gott, erhöre du mein Flehen,
Nicht dein Opfer woll‘ verschmähen!
Entschlossen zu Eleazar.
Fort in die Flammen hinab!
Verlaß mich nicht, mein Vater.
O bleib, o bleib bei mir!
Es stirbt dein Kind mit dir!
ELEAZAR.
Gott, dein Wille mag geschehen!
Ach, unser harrt das Grab!
Was soll ich thun? Ach, welch Geschick!
Mein Gott, erleuchte mich!
BROGNI für sich.
Weh mir! Beharrt er noch im Schweigen,
Verzweifle sterbend ich!
CHOR DER FRAUEN.
Gott, erhöre unser Flehen,
Woll‘ dies Opfer nicht verschmähen,
Fort, fort, stürzt sie hinab!
Während der Generalpause drei Tamtamschläge.
Die beiden Henker treten vor und ergreifen Recha.
RUGGIERO.
Es ist Zeit! – Es ist Zeit! –
ELEAZAR zu den Henkern.
Haltet ein! Haltet ein!
Zu Brogni.
Nur ein Wort!
Brogni erteilt durch einen Wink seine Genehmigung.
Die beiden Henker lassen Recha los und treten zurück.
ELEAZAR führt Recha einige Schritte vor.
Recha, ich sterbe jetzt, willst du leben?
RECHA.
Wozu? Um zu lieben und zu leiden?
ELEAZAR.
Nein, um im Glanz dich zu erheben!
RECHA.
Mit dir?
ELEAZAR.
Allein!
RECHA.
Allein!
ELEAZAR.
Du sollst bekehrend dich,
Die Taufe hier empfangen:
Sprich, mein Kind, willst du das?
RECHA.
Wie, ich eine Christin, ich?
Zum Tode will ich gehen,
O komm!
ELEAZAR.
Ihr Gott verzeihet.
RECHA.
Und der unsre belohnt!
ELEAZAR.
Ha!
RECHA.
Ja, ich scheide in Frieden
Und versöhnet von hier,
Was versagt mir hienieden,
Beut der Himmel mir!
ELEAZAR.
Leuchtend strahlt von den Höhen
Mir sein göttliches Licht,
Muß ich auch untergehen,
Wankt mein Glaube doch nicht.
Recha eilt nach hinten.
Die beiden Henker ergreifen sie und schleppen sie über die Stufen nach dem Kessel hinauf.
CHOR.
Gott wolle ihre Schuld vergeben,
Es fleh zu ihm der Engel Chor!
BROGNI ist Eleazar, während man Recha die Treppe besteigen sieht, die zur Höhe des Kessels führt, nahe gekommen und flüstert ihm mit halber Stimme zu.
An Grabes Rand wirst du doch
Meine Bitte gewähren.
Jenes Kind, das der Jude
Den Flammen entriß –
ELEAZAR.
Nun?
BROGNI.
Dies Kind,
Mein alles, ist sie noch am Leben?
ELEAZAR nach Recha hinblickend, die sich eben auf dem Rande des Kessels befindet.
Ja!
BROGNI.
Gott, wer kann mein alles zurück mir geben?
Die beiden Henker stürzen Recha in diesem Augenblick in den Kessel.
ELEAZAR nach dem Kessel zeigend.
Sieh dort dein Kind!
Er geht mit einem triumphierenden Blick auf Brogni festen Schrittes nach hinten, seinem Tode entgegen.
Brogni sinkt mit einem Laut des Entsetzens auf die Knie nieder, sein Gesicht mit den Händen bedeckend.
CHOR.
Es ist geschehn, es ist geschehn,
Wir sind gerächt an Israel!