Gioacchino Rossini

Die Italienerin in Algier

Komische Oper in zwei Akten

Personen

Mustapha, Dey von Algier

Elvira, seine Gemahlin

Zulma, Sclavin, ihre Vertraute

Aly, Capitain der Algierischen Corsaren

Lindoro, ein Italiener, Mustapha’s Liebling

Isabella, eine Italienerin

Thaddäus, ihr Gefährte

Serail-Wächter

Algierische Corsaren

Matrosen. Italiener. Sclaven

Die Handlung spielt in Algier

Erster Akt.

Kleiner Saal im Pallaste des Dey.

Erste Scene.

Elvira, Zulma, Chor von Haremswächtern; später Aly, dann Mustapha.

CHOR.
Auf, erheitre Deine Blicke,
Und gehorche dem Geschicke,
Fort mit Thränen, fort mit Klagen,
Frauenloos ist Sclaverei.
ELVIRA.
Nur zur Qual bin ich erkoren,
Ach sein Herz hab‘ ich verloren.
ZULMA.
Männerlaunen willig tragen,
Dies besiegt die Tyrannei.
CHOR.
Fort mit Thränen, fort mit Klagen,
Frauenloos ist Sclaverei.
ALY.
Der Dey!
ZULMA.
Jetzt nur ruhig und gelassen.
ELVIRA.
Welches Schicksal harret mein!
CHOR.
(Ha, sein Blick, kaum zu ertragen,
Tilgt der Hoffnung milden Schein.)
MUSTAPHA.
Dieser Stolz, dies Selbstvertrauen,
Dieser Flitter eitles Prangen,
Nichts vermag mein Herz zu fangen,
Nichts erweichet meinen Sinn.
ZULMA.
Auf, Gebiet’rin, zeigt Euch muthig!
ALY.
Wenig ist für sie zu hoffen.
ELVIRA.
Alles, Alles will ich wagen,
Seine Liebe zu ernen’n!
CHOR.
(Ha, sein Blick, kaum zu ertragen,
Tilgt der Hoffnung milden Schein.)
ELVIRA.
O Herr, sieh diese Thränen,
Die längst im Stillen flossen.
MUSTAPHA.
Ach schone meine Ohren,
Du weißt, was ich beschlossen!
ELVIRA.
Weh‘ mir!
MUSTAPHA.
Genug des Jammers,
Ich will nichts mehr von Dir.
ALLE.
Welche Tollheit ohne Gleichen!
Nichts kann seinen Sinn erweichen.
Wie ein Blatt gepeitscht von Winden,
Läßt sein / mein Herz sich nirgends binden,
Und die Schönheit und die Trene
Lohnt er / Lohn‘ ich nur mit Schmach und Hohn.
MUSTAPHA.
Entfernt Euch Alle. Aly, bleibe.
ZULMA.
(Welch‘ hartes Herz!)
ELVIRA.
(Welch grausames Gebot!)

Der Chor, Elvira und Zulma ab.

Zweite Scene.

Mustapha und Aly.

MUSTAPHA.
Laß meinen italienischen Sclaven kommen,
Er soll mich hier erwarten. Ueberdrüssig
Bin ich schon lange meiner Frau,
Ich kann sie nicht mehr leiden. Sie verstoßen
Ist schlimm, doch sie behalten, wär‘ noch schlimmer;
Drum will ich ihr zum Mann den Sclaven geben.
ALY.
Wie? Er ist ja kein Türke!
MUSTAPHA.
Was kümmert’s mich? Ein Weib, wie diese,
Gehorsam, sanft, bescheiden,
Die ihrem Manne nur zu gefallen strebt,
Ist für uns Türken etwas ganz Gewöhnliches.
Allein für einen Italiener (wie ich
Mir von ihm selber hab‘ erzählen lassen)
Ist solche Frau die größte Seltenheit.
Du weißt, ich bin dem Jüngling gut:
Ich will ihn so belohnen.
ALY.
Aber Mahomets
Gesetz verbietet solche Mischung.
MUSTAPHA.
Ich kenne kein Gesetz, als meine Laune.
Verstehst Du mich?
ALY.
Ja, Herr!
MUSTAPHA.
Nun höre weiter.
Ich finde unter meinen Sclavinnen
Auch keine einzige, mit der ich angenehm
Ein Stündchen kann verleben. Ihre Ziererei
Und ihre Zärtlichkeit sind mir zuwider.
ALY.
Was kann ich dabei thun?
MUSTAPHA.
Du sollst
Mir eine Italienerin verschaffen.
Ich möchte gern von jenen Dämchen eine,
Die ihre Liebhaber so recht zu quälen wissen.
ALY.
Herr, meinen Eifer kennst Du – doch meinen Leute –
Des Meeres Unbeständigkeit –
MUSTAPHA.
Wenn in sechs Tagen
Du mir nicht eine schaffst, und Dich noch länger sperrst,
Lass‘ ich Dich spießen.

Er geht ab.

ALY.
Das seh‘ ich schon kommen!

Ab.

Dritte Scene.

Lindoro allein, dann Mustapha.

LINDORO.
Wie sehnt mein Herz voll Liebe
Mit heißem, inn’gen Triebe
Sich hin zu der Geliebten,
Nach langer Trennung Pein.
Werd‘ ich sie wiedersehen,
Soll ich noch glücklich seyn?

O Hoffnung, du Trösterin,
Dir folg‘ ich mit treuem Sinn!
Sanft sprichst du zum Herzen
Bei Unmuth und Schmerzen,
Verscheuchst aus der Seele
Den Kummer, die Qual.

Ach, wann wird mir’s gelingen, nach Italien
Zurückzukehren? Schon drei Monat leb‘ ich
In diesem unglücksel’gen Lande
Als Sclave, fern von der Geliebten.
MUSTAPHA.
Ah, bist Du da? Hör‘, Italiener,
Ich will ein Weib Dir geben.
LINDORO.
Mir? Was hör‘ ich! (Himmel!)
Doch wie? In meiner Lage –
MUSTAPHA.
Das ist nicht Deine Sorge. Nun?
LINDORO.
O Herr,
Wie kann ein Mann wohl ohne Liebe sich
Mit einer Frau verbinden?
MUSTAPHA.
Pah! Ist’s etwa
Bei euch so, in Italien? Kommt dort nie
Das Geld in’s Spiel?
LINDORO.
Kann seyn bei Andern: doch
Mich wenigstens kann Geld nicht –
MUSTAPHA.
Aber Schönheit?
LINDORO.
Gefällt mir, doch genügt sie nicht.
MUSTAPHA.
Nun, was verlangst Du?
LINDORO.
Nur eine Frau nach meinem Sinne.
MUSTAPHA.
Das mein‘ ich eben. Komm nur, Du wirst Schönheit,
Ein gutes Herz, kurz Alles in ihr finden.
LINDORO.
(Von meiner Liebe lassen? Unsel’ge Lage!)
Soll ich meine Hand vergeben,
Muß ich tausend Reize finden,
Und kaum eine ist am Leben,
Die dem Wunsche ganz entspricht.
MUSTAPHA.
Willst Du Schönheit? willst Du Schätze?
Anmuth, Liebe? Sey zufrieden;
Jeder Reiz ist ihr beschieden,
Gleiche Schönheit sahst Du nicht.
LINDORO.
Meine Gattin – sey bescheiden –
Redlich – und offen!
MUSTAPHA.
Du hast’s getroffen.
LINDORO.
Holde Augen –
MUSTAPHA.
Wie zwei Sterue.
LINDORO.
Haare –
MUSTAPHA.
Dunkel.
LINDORO.
Wangen –
MUSTAPHA.
Rosig.
LINDORO.
(Diesem Netze zu entgehen,
Ist kein Ausweg mir bekannt.)
MUSTAPHA.
Hast Du sie nur erst gesehen,
Denkst Du nicht an Widerstand.
LINDORO.
(Jede Hoffnung ist verloren,
Wie soll ich ihm widersteh’n?
Ach, zur Qual bin ich geboren
Und zum Unglück auserseh’n.)
MUSTAPHA.
Ist Dein Herz zu Eis gefroren?
Komm geschwinde, laß uns geh’n!
Die ich Dir zur Frau erkoren,
Wirst Du sicher nicht verschmäh’n.

Beide ab.

Vierte Scene.

Meeres – Ufer.

Corsaren. Andre kommen mit Aly. Dann Isabella, später Thaddäus.

ERSTER CHOR.
Welche Schätze! Wie viel Sclaven!
ZWEITER CHOR UND ALY.
Reiche Beute! Brav, ihr Leute!
Habt Ihr Mädchen?
ERSTER CHOR.
Keine schlechten!
ZWEITER CHOR.
Das wird Mustapha erfreu’n.
ERSTER CHOR.
Eine Schöne sonder Gleichen
Bracht‘ uns dieser Ausflug ein.
Wie wird Mustapha sich freu’n!
ISABELLA.
Hartes Loos! Grausame Liebe!
Ist dies meiner Treue Lohn?
Ach, nichts gleicht dem bittern Grame,
Der die Seele mir bestürmt.
Welche Leiden, mein Lindoro,
Muß ich nun für dich ertragen!
Ach, wer tröstet die Verlass’ne,
Wer kann lindern meine Pein?
CHOR.
Mustapha wird sich erfreu’n.
ISABELLA.
Doch hier muß Verstellung helfen.
Still, ihr sanften Herzenstriebe!
Nur Verwegenheit und Tücke
Herrsche jetzt in meiner Brust.
Schmachtende Blicke,
Schmeichelnde Worte,
Oft habt den harten Sinn
Ihr schon erweicht,
Der Männer schwaches Herz
Zähmet ihr leicht.
Wem schon des Alters Schnee
Den Scheitel decket,
Wem noch der Jugend Gluth
Die Brust erfüllet, –
Alle erliegen sie
Der gleichen Schwäche:
Der Liebe Zaubermacht
Fesselt ihr Herz.
THADDÄUS von Corsaren verfolgt.
Barmherzigkeit! Zu Hülfe! Habt doch Mitleid!
Ich bin –
ALY.
Still, feige Memme!
Ein Sclave mehr.
THADDÄUS.
Ich bin verloren!
ISABELLA.
Lieber Thaddäus –
THADDÄUS.
Barmherzigkeit! Zu Hülfe!
ISABELLA.
Kennst Du mich nicht mehr?
THADDÄUS.
Ach ja – doch –
ALY.
Sage mir:
Wer ist dies Weib?
THADDÄUS.
(Was soll ich sagen?)
ISABELLA.
Ich bin seine Nichte.
THADDÄUS.
Ja, meine Nichte; und deshalb
Muß ich auch bei ihr bleiben.
ALY.
Aus welchem Lande?
THADDÄUS.
Beide aus Livorno.
ALY.
Also Italiener?
THADDÄUS.
Nun, das versteht sich –
ISABELLA.
Ich bin stolz darauf.
ALY.
O herrlich!
Ihr Freunde, welches Glück!
ISABELLA.
Weshalb die Freude?
ALY.
Ha, ich bin vor Vergnügen außer mir!
Gerade eine Italienerin
Verlangt der Dey. Kam’raden, einige
Von euch gehn mit mir nebst den andern Sclaven.
Die Uebrigen begleiten diese Beiden
Dann hin zum Dey. Auf Dich, Gebieterin,
Wird Glück und Ehre sich in vollem Maaße
Ergießen. Wenn nicht Alles trügt,
Wirst Du die Auserwählte Mustapha’s,
Seines Serails Glanzstern und Sonne werden.

Mit einigen Corsaren ab.

Fünfte Scene.

Thaddäus, Isabella, Corsaren.

THADDÄUS.
Ach, Isabella, da sind wir schlecht angekommen!
ISABELLA.
Weshalb?
THADDÄUS.
Nun, hörtest Du
Nicht das abscheuliche Wort?
ISABELLA.
Was denn?
THADDÄUS.
Serail!
ISABELLA.
Nun?
THADDÄUS.
Also für den Dey,
Für diesen Mustapha bist Du bestimmt?
ISABELLA.
Sey’s wie es will! Das soll
Mir keine Sorge machen!
THADDÄUS.
So leicht nimmst Du’s?
ISABELLA.
Was kann ich thun?
THADDÄUS.
O unglückseliger Thaddäus!
ISABELLA.
So wenig trau’st Du mir?
THADDÄUS.
Wahrhaftig!
Ich habe Proben davon.
ISABELLA.
Elender, sprich!
Worüber kannst Du klagen?
THADDÄUS.
Schon gut, was hilft’s?
Laß uns von etwas Anderm sprechen.
ISABELLA.
Nein, erkläre Dich!
THADDÄUS.
Hältst Du, mein Herzchen, mich für einen Dummkopf?
Mit Deinem Herzgeliebten,
Deinem Lindoro – ich sah ihn zwar nicht mehr,
Doch ich weiß Alles.
ISABELLA.
Ja, ich liebt‘ ihn früher,
Als Dich, ich leugn’es nicht. Doch schon seit Monden
Verschwand er aus Italien: und jetzt –
THADDÄUS.
Und jetzt
Reis’t ihm das Fräulein nach, in Spanien
Ihn aufzusuchen –
ISABELLA.
Und Du –
THADDÄUS.
Und ich
Muß als Gesellschafter sie auf der Reise
Begleiten.
ISABELLA.
Nun, und jetzt?
THADDÄUS.
Jetzt muß ich
Vielleicht als etwas And’res gar
Mit in’s Serail. Ach, schrecklich ist’s zu denken!
ISABELLA.
Des Geschickes schwarze Tücke
Trug ich immer ohne Klagen,
Doch dies läppische Betragen
Ist nicht länger auszusteh’n.
THADDÄUS.
Fein bedachtsam, ohne Brausen,
Ist die Lieb‘ in meinen Jahren;
Doch was früher ich erfahren,
Läßt mich klar die Zukunft seh’n.
ISABELLA.
Unerträglich sind Männergrillen.
THADDÄUS.
Weiberlaunen sind bitt’re Pillen!
ISABELLA.
Ein Thaddäus ist bald gefunden!
THADDÄUS.
Weit vom Schusse bringt keine Wunden.
ISABELLA.
Fort zum Henker! ich befehle;
Satt bin ich der Neckerei’n.
THADDÄUS.
Gott befohlen, holde Seele,
Will nicht mehr Dein Sclave seyn.
ISABELLA.
(Doch ohne Führer hier bei Barbaren,
Wer soll mir rathen, wer mich bewahren?)
THADDÄUS.
(Doch als ein Sclave wilder Corsaren,
Ach wie entgeh‘ ich all‘ den Gefahren?)
BEIDE.
Wer soll in Zukunft mir Beistand leih’n?
THADDÄUS.
Donna Isabella?
ISABELLA.
Nun, Freund Thaddäus?
THADDÄUS.
(Sie scheint schon freundlicher.)
ISABELLA.
(Ich seh‘ ihn lachen.)
BEIDE.
Scheiden im Zorn wir? Bleibt es dabei?
O nein! auf ewig binde
Uns Freundschaft, und es schwinde
Der Zwietracht finst’re Macht.
Du bist / Ich bin der Onkel und ich / Du die Nichte,
Und Jedermann glaubt uns verwandt.
THADDÄUS.
Doch wird der Dey Dich lieben,
Was bleibt alsdann für mich?
ISABELLA.
Das soll Dich nicht betrüben,
Geduld, das findet sich.

Beide ab.

Sechste Scene.

Saal wie Anfangs.

Elvira, Zulma und Lindoro.

ZULMA.
Verschmähen könntest Du
Eine so schöne, liebenswürd’ge Dame?
LINDORO.
Ich sagte Dir’s: Ich will noch keine Frau.
ZULMA.
Und Du, Gebieterin? Flößt dieser Jüngling
Dir keine Neigung ein?
ELVIRA.
Ich weiß schon, wie die Ehemänner sind.
ZULMA.
Doch hier ist nichts zu ändern mehr. Der Dey
Will Euch als Mann und Frau seh’n. Und was er
Beschlossen hat, muß jedenfalls geschehen.
ELVIRA.
Seltsamer Einfall!
LINDORO.
Laune eines Narren!
ZULMA.
Still, still! Er kommt.

Siebente Scene.

Mustapha, die Vorigen.

MUSTAPHA.
Hör‘, Italiener:
Ein venetianisch Fahrzeug,
Das sich hat ausgelös’t, wird eh’steus
Die Anker lichten. Möchtest Du
Nicht nach Italien zurück?
LINDORO.
Wie, in mein Vaterland?
O welche Güte, Herr! Mehr fordr‘ ich nicht.
MUSTAPHA.
Wenn Du Elviren mitnimmst, magst Du reisen.
LINDORO.
(Was soll ich sagen?)
MUSTAPHA.
So viel Gold bekommst Du mit ihr,
Daß Du ein reicher Mann wirst.
LINDORO.
Bin ich erst
In meiner Heimath wieder – dann – werd‘ ich sie
Vielleicht zur Gattin nehmen können.
MUSTAPHA.
Gut,
Wie Dir’s gefällt. Geh nur indessen
Zum Capitain des Schiff’s, und sag‘ ihm
In meinem Namen, daß er ohne Euch
Nicht unter Segel geht.
LINDORO.
(Um nur von diesem
Verhaßten Orte wegzukommen, geh‘ ich
Auf Alles ein.) Ich eile gleich komm‘ ich zurück.

Ab.

Achte Scene.

Mustapha, Elvira, Zulma; dann Aly.

ELVIRA.
So muß ich Dich verlassen?
MUSTAPHA.
In Italien
Wird Dir’s recht wohl geh’n.
ELVIRA.
Ach, wohin ich auch
Mag geh’n, mein Herz wird stets –
MUSTAPHA.
Schon gut, schon gut:
Ich bin von Deinem Herzen überzeugt.
ZULMA.
(Nein, so hartherzig giebt’s wohl Keinen mehr!)
ALY.
Glück zu, Glück zu, Gebieter!
MUSTAPHA.
Was bringst Du, Aly?
ALY.
Frohe Botschaft.
Eine der schönsten Italienerinnen,
Jung, lebhaft –
MUSTAPHA.
Nun?
ALY.
Ward hier vom Sturm
An’s Land getrieben –
MUSTAPHA.
Weiter!
ALY.
Und ist nun
Mit all‘ den andern Sclaven in unsern Händen.
MUSTAPHA.
Ha, jetzt tausch‘ ich nicht mit dem Großsultan!
Schnell, laß mein ganzes Serail im großen Saale
Zusammenkommen. Da will ich die Schöne
Empfangen. Ha, ich wünschte,
Daß alle jene süßen Herrchen Zeugen
Meines Triumphes wären. Jetzt, Elvira,
Beeile Dich, mit Deinem Italiener
Nun abzureisen. Zulma, Du kannst sie
Begleiten. Ich will jetzt mit diesem Dämchen
Mich nur beschäftigen, und allen Männern
Heut durch mein Beispiel zeigen,
Wie man der Weiber Uebermuth kann zähmen.
Ha, die Gluth, die das Herz mir entzündet,
Scheint der Erde mich schon zu entrücken
Und ein zärtliches, süßes Entzücken
Dringt mit Macht in den Busen mir ein.
Auf, zu Schiffe! fort ohne Verweilen!
Du begleitest sie! – Gehorchet, fort von hinnen,
Kommt, und laßt zu der Schönen uns eilen,
Um ihr Liebe und Ehrfurcht zu weih’n.
Ich erliege den zärtlichen Trieben,
Die wie Flammen die Adern durchrinnen.
Ja, Geliebte! dein Herz zu gewinnen,
Soll Entzücken und Wonne mir seyn!

Ab.

Neunte Scene.

Elvira, Zulma; dann Lindoro.

ZULMA.
Nein, ich muß sagen, ich begreife nicht,
Wie man nur solchem Mann noch gut seyn kann.
ELVIRA.
Ja, ich bin eine Thörin –
Ich lieb‘ ihn doch.
LINDORO.
Das Schiff ist schon bereit
Zur Abfahrt, und man wartet nur
Auf uns noch – wie, Sie seufzen?
ELVIRA.
Könnt‘ ich
Nur Mustapha noch einmal seh’n,
Das ist mein einz’ger Wunsch.
LINDORO.
Wir müssen ja, bevor wir reisen,
Doch von ihm Abschied nehmen. Aber er verstößt Sie,
Und dennoch lieben Sie ihn? Ahmen Sie
Mein Beispiel nach, reisen Sie fröhlich ab.
Sie sind ja jung, sind reich und schön;
In meinem Vaterlande werden Sie
Liebhaber, Männer finden,
So viel Sie sich nur ihrer wünschen mögen.

Alle Drei ab.

Zehnte Scene.

Prächtiger Saal.

Mustapha, Haremswächter; später Aly.

CHOR.
Heil und Glück dem Besieger der Frauen,
Er weiß Tiger zu Lämmern zu weih’n.
Jeder Ehemann mag sich ihm vertrauen,
Mustapha kann ihm Lehren verleih’n.
ALY.
Deines Wink’s harrt die liebliche Schöne.
MUSTAPHA.
Sie komme!
CHOR.
Welcher Reiz, welche Huld!

Elfte Scene.

Isabella, die Vorigen.

ISABELLA.
(Welche Larve, welche Mienen,
Welche Blicke! ich bin entschlossen!
Ha! mein Glücksstern ist erschienen;
Warte, Freund, du sollst dich freu’n!)
MUSTAPHA.
(Selbst ein Sultan darf sie lieben,
Diese Züge, diese Augen!
Sie entflammt zu süßen Trieben,
Doch ich muß behutsam seyn.)
ISABELLA.
Des Geschickes herbe Plagen
Mußt‘ ich Arme stets ertragen,
Doch bei Euch, o mein Geliebter,
Wird mir Trost beschieden seyn.
MUSTAPHA.
(Ha, das Herz hüpft mir vor Freuden!
Mich durchzucket Fiebergluth!)
ISABELLA.
(Der Gimpel ist gefangen,
Er kann mir nicht entgehen.)
MUSTAPHA.
(Ich glühe vor Verlangen,
Ich kann nicht widerstehen.)

Zwölfte Scene.

Thaddäus, die Vorigen.

THADDÄUS.
Ich will zu meiner Nichte,
Zu ihr gehör‘ ich hin.
Man sieht mir’s am Gesichte,
Daß ich ihr Oheim bin.
Euer Liebden, Ihro Gnaden, Hochgeboren,
Weh mir; in sich verloren
Hat er für sie nur Ohren,
Sie thun wie Mann und Weib.
Ach! für mich armen Thoren
Ein art’ger Zeitvertreib.
ALY.
Sprich, Herr, wie straf‘ ich diesen?
MUSTAPHA.
Geschwinde, laß ihn spießen!
THADDÄUS.
Zu Hülf‘! An weh! hörst Du, Nichte!
Welch gräßliche Geschichte!
ISABELLA.
Es ist mein Oheim.
MUSTAPHA.
Dein Oheim?
He, Aly, laß ihn geh’n!
ISABELLA.
Ich seh‘, daß sich auch Türken
Auf Artigkeit versteh’n.
MUSTAPHA.
Was Reiz und Huld bewirken,
Theure, kannst Du hier seh’n.
ALY.
(Ich seh‘ vor Angst und Schrecken
Sein Haar zu Berge steh’n!)
THADDÄUS.
(Am Spieße so zu sterben,
Ei, ei, ich danke schön!)

Dreizehnte Scene.

Lindoro, Elvira, Zulma, die Vorigen.

LINDORO, ELVIRA, ZULMA.
Eh‘ wir, Gebieter, uns von Dir trennen,
Laß uns’re Dankbarkeit ewig Dir weih’n.
Mit heißer Liebe stets denken wir Dein.
ISABELLA.
(O Gott!)
LINDORO.
(Was seh‘ ich!)
ISABELLA.
(Träum‘ ich?)
LINDORO.
(Ist’s möglich?)
(Ha, Isabella!)
ISABELLA.
(Gott! mein Lindoro!)
LINDORO.
(Ich bebe!)
ISABELLA.
(Ich zitt’re!)
ISABELLA, LINDORO.
Ihn / Sie hier zu seh’n!
Liebe, o steh‘ mir bei, höre mein Fleh’n!
ELVIRA, ZULMA, ALY.
Was ist geschehen?
MUSTAPHA, THADDÄUS.
Was fehlt den Beiden?
ELVIRA, ZULMA, ALY, MUSTAPHA, THADDÄUS.
Von Angst befangen, glüh’n ihre Wangen,
Was dies bedeuten soll, versteh‘ ich nicht.
ISABELLA.
Sagt mir, wer ist die Schöne da?
MUSTAPHA.
Sie liebt‘ ich einst als Gattin.
ISABELLA.
Und jetzt?
MUSTAPHA.
Die neue Liebe lös’t
Dies längst erschlaffte Band,
Hier diesen treuen Sclaven
Lohn‘ ich mit ihrer Hand.
ISABELLA.
Sie wolltest Du verbannen,
Und meiner Huld Dich freu’n?
So handeln nur Tyrannen,
Die keinen Richter scheu’n.
Gattin soll sie Dir bleiben –
MUSTAPHA.
Sie will mein Herz betäuben –
ISABELLA.
Der Sclave dort sey mein!
MUSTAPHA.
Nein, nein, das kann nicht seyn!
ISABELLA.
Wohlan! Aus meinen Augen!
Ich hass‘ ein Herz von Stein.
MUSTAPHA.
Ach, nein! – So höre, besänft’ge Dich!
(Sie macht mich ganz verrückt!)
ALLE FÜNF.
Der Löwe wird zum Esel;
So hat sie ihn umstrickt.
ISABELLA, ELVIRA, ZULMA.
So wie helle Glocken tönen,
Klingt’s im Ohre mir, din, din!
MUSTAPHA.
Gleich dem Donner der Kanonen
Kracht es um mich her, bum, bum!
THADDÄUS.
Ich, wie ’ne gerupfte Krähe
Schrei in Einem fort, kra, kra!
LINDORO, ALY.
Wie ein Hammer in der Schmiede
Schlägt’s im Kopfe mir, tak, tak!
ALLE.
Sein / Mein Gehirn dreht sich im Kreise,
Sein / Mein Verstand weicht aus dem Gleise,
Wie ein Schiff in Sturm und Wellen
Wankt er / Wank‘ ich taumelnd hin und her.

Zweiter Akt.

Saal wie zu Anfang des ersten Akts.

Erste Scene.

Elvira, Zulma, Aly, Chor von Haremswächtern.

CHOR.
Mustapha ist nun gefangen,
Von der Fremden schnell bethört;
Er ist in ihr Netz gegangen,
Hat zur Liebe sich bekehrt.
ELVIRA, ZULMA, ALY.
Ja, die Fremde ist verschlagen,
Sie versteht, in’s Netz zu jagen,
Kann auf ihre Reize zählen
Und des Wunsches Ziel ist nah.
CHOR.
Liebe weiß sie zu erwecken,
Schnell bekehrt ist Mustapha.
ELVIRA.
Was meinst Du, Aly, hättest Du
Wohl je geglaubt, daß Mustapha
So sehr, so schnell sich ändern würde?
ALY.
Ich muß mich wundern, und zugleich auch lachen.
ZULMA.
Vielleicht ist’s gut für Dich. Du bist
Ja seine Gattin noch. Wer weiß, wenn diese Schöne
Ihn recht verspottet und verhöhnt,
Wird er am Ende noch ein guter Ehemann.

Ab.

Zweite Scene.

Mustapha, dann Thaddäus, später Aly mit zwei Wachen und Chor der Haremswächter.

MUSTAPHA.
Ha, bald wird mich die Italienerin
Allein bei sich empfangen. Sie hat mich
So für sich eingenommen,
Daß ich vor Liebe völlig brenne.
THADDÄUS.
Ach, ach, Herr Mustapha!
MUSTAPHA.
Was ist geschehen?
THADDÄUS.
Habt Mitleid doch mit mir Unschuldigen;
Ich habe Euch ja nichts gethan.
MUSTAPHA.
So sprich, was giebt’s?
THADDÄUS.
Der gute Freund verfolgt mich,
Der mich hat spießen wollen.
MUSTAPHA.
Aha, ich merke!
Ist das die Ursach‘ Deines Schreckens?
THADDÄUS.
Ist hier vielleicht das Spießen eine Ehre?
O weh, da ist er!
MUSTAPHA.
Fürchte nichts. Er kommt
Auf meinen Befehl, Dir Ehre zu erzeigen.
Ich möchte Deiner Nichte gern beweisen,
Wie ich sie schätze, deshalb hab‘ ich Dich
Zu meinem Kaimakan ernannt.
THADDÄUS.
Ei, sehr verbunden!
CHOR.
Ruhm und Heil dem Kaimakan!
Heil dem größten Muselmann!
Mögst Du vom Geschick empfangen
Löwenstärke, List der Schlangen,
Muth und Wachsamkeit der Hähne,
Helle Augen, gute Zähne!
Ruhm und Heil dem Kaimakan,
Heil dem größten Muselmann!
THADDÄUS.
Kaimakan? Das versteh‘ ich nicht.
MUSTAPHA.
Das heißt: mein Stellvertreter.
THADDÄUS.
Also
In Folge der Verdienste meiner Nichte hat
Mir Eure Herrlichkeit dies Amt bestimmt?
MUSTAPHA.
So ist’s, mein Freund!
THADDÄUS.
Zu vielem Dank verbunden!
(Armer Thaddäus!) Aber, Herr,
Wenn ich aufrichtig sprechen darf,
Ich bin ein rechter Esel. Ich versich’re Euch,
Daß ich kaum lesen kann.
MUSTAPHA.
Was thut das? Deine Nichte
Gefällt mir, und wenn Du bei ihr in Gunst
Mich setzen kannst, verlang‘ ich weiter nichts.
THADDÄUS.
(Ach, Freund Thaddäus, das ist ein schönes Amt!)
Eine Last von hundert Pfunden
Scheint mir auf den Kopf gebunden,
Darf ich auch ein Wörtchen sagen?
Solch‘ ein Amt ist schwer zu tragen,
Darum nehmet, mein Gebieter,
Mir die Kleider und das Amt.
(Wie er schnaubet! – o weh! welche Blicke!)
Ach habt Mitleid! hört! o höret!
(Nur zur Qual bin ich verdammt.)
Halt, noch muß ich überlegen,
Sag‘ ich nein, läßt er mich spießen,
Sag‘ ich ja, dann hab‘ ich das Entzücken,
Ewig mit dem Kopf zu nicken.
Ach, Thaddäus in der Klemme,
Ach, was wirst du hier beschließen?
Meinen Dank leg‘ ich zu Füßen,
Ja, ich bleibe Kaimakan.
CHOR.
Ruhm und Heil dem Kaimakan!
Heil dem größten Muselmann!
THADDÄUS.
Zu viel Ehre, zu viel Güte!
Danke, danke, meine Herren,
Nur zersprengt mir nicht das Ohr.
Ganz nach eurem Wink zu leben,
Sey nun künftig mein Bestreben.
Jetzt mit Sattel und mit Zeuge
Stell‘ ich mich der Nichte vor.
(Ach, Thaddäus, wohl wär‘ es besser,
Daß dich ein Hayfisch zum Schmaus erkor.)

Ab.

Dritte Scene.

Großer Saal, wie zu Ende des ersten Akts.

Isabella, Elvira und Zulma.

ISABELLA.
Ha, ha! Herr Mustapha will also
Die Ehre mir erzeigen, hier bei mir
Kaffee zu trinken? Gar zu gnädig
Ist doch Herr Mustapha!
He, Sclave! Niemand da?
LINDORO.
Was steht zu Diensten?
ISABELLA.
Esel, muß ich erst zweimal
Dich rufen? Bringe Kaffee.
LINDORO.
Wie viel?
ISABELLA.
Für Drei.
ELVIRA.
Wenn ich es recht verstand,
Will ganz allein mit Euch der Dey
Hier Kaffee trinken.
ISABELLA.
Ganz allein mit mir?
Und seine Gattin übernimmt die Botschaft?
ELVIRA.
Vergebt –
ISABELLA.
O geht doch, geht!
Für Euch muß ich erröthen.
ELVIRA.
Wenn Ihr wüßtet,
Welch‘ eine Art von Mann dies ist.
ZULMA.
Je mehr sie
Ihm zu gefallen sucht, desto gleichgült’ger wird er.
ISABELLA.
Da trägt sie also selbst die Schuld.
ELVIRA.
Was soll ich aber thun?
ISABELLA.
Ich will’s Euch zeigen. Wenn man selbst zum Lamm
Sich macht, geht man dem Wolfe in den Rachen.
Bei uns sind es die Frau’n, die sich die Männer ziehen.
Frisch also! Macht’s wie ich. Doch jetzt zieht Euch zurück
In jenes Zimmer.
ELVIRA.
Und dann?
ISABELLA.
Gebt Acht, wie ich den Kopf
Dem Mustapha zurecht dann werde setzen.
ELVIRA.
Welch‘ muth’gen Geist hat sie!
ZULMA.
Welch‘ eine Frau!

Ab.

Vierte Scene.

Mustapha, Thaddäus, Lindoro, dann Isabella, zuletzt Elvira.

MUSTAPHA.
Ich kann nicht widersteh’n. Bezaubert hat
Mich diese Isabella ganz und gar.
Ich kann nicht ohne sie mehr leben.
Geht, führt sie zu mir.
LINDORO.
Ja, sogleich.
(So kann ich mit ihr sprechen.)
MUSTAPHA.
Geh‘ auch Du!
Geschwind! Was wartest Du?
THADDÄUS.
Ich meine – jetzt,
Da ich nun Kaimakan geworden bin –
MUSTAPHA.
So ist
Es Deine Pflicht, daß Du sie rufst, sie zu mir führst.
THADDÄUS.
Isabella – Isabella – (Welch‘ ein Geschäft!)
LINDORO.
Herr, meine Gebieterin wird
Im Augenblicke hier seyn.
MUSTAPHA.
Sag‘ mir, hast Du nicht
Bemerkt, wie sie gesinnt ist?
LINDORO.
Im Vertrauen:
Sie fängt schon Feuer, doch muß man behutsam seyn.
MUSTAPHA.
Gut, gut!
Hör‘, Kaimakan, sobald ich niese,
Hebst Du Dich weg, und läßt mich mit ihr allein.
THADDÄUS.
(Unglücklicher Thaddäus!
Wie weit ist es mit dir gekommen!)
MUSTAPHA.
Wo bleibt sie aber nur?
LINDORO.
Da kommt sie eben.
MUSTAPHA.
Sieh, verwandelt ist der Mann,
Ich schuf ihn zum Kaimakan,
Dies, Geliebte, soll Dir zeigen,
Daß mein Herz Dich hoch verehrt.
ISABELLA.
Kaimakan, laß Dich beschauen,
Diese Nase weckt Vertrauen.
Zu viel Gnade, o mein Gebieter,
Hat uns Deine Huld gewährt.
THADDÄUS.
Nur durch Dich, geliebte Nichte,
Steck ich jetzt in diesem Kleide.
Wohl verstanden? ach, vor Freude
Bin ich Armer ganz verrückt.
LINDORO.
Herr, betrachte dies Geschmeide,
Ja, ihr Plan läßt sich erklären:
Den Geliebten hoch zu ehren,
Hat die Schlaue sich geschmückt.
ISABELLA.
Ach, mein Theurer!
MUSTAPHA.
Etzi!
THADDÄUS.
(Da haben wir’s!)
ISABELLA, LINDORO.
Prosit!
THADDÄUS.
(Pereat)!
MUSTAPHA.
Etzi!
THADDÄUS.
(Ich höre nicht!)
MUSTAPHA.
(Nichts kann ihn zum Gehen bringen,
Er ist taub, der dumme Geck.)
THADDÄUS.
(Mag er niesen zum Zerspringen,
Nein, ich gehe nicht vom Fleck.)
ISABELLA, LINDORO.
(Möchte doch der Scherz gelingen,
Beide außer sich zu bringen,
Dieses sey jetzt unser Zweck.)
ISABELLA.
He, Kaffee!
LINDORO.
Wie Du befohlen.
ISABELLA.
Nur herbei in uns’re Mitte!
En’r Gemahl mit sanfter Bitte
Ladet Euch gefällig ein.
MUSTAPHA.
(Ha, was will denn die da machen?)
ISABELLA.
Mit uns scherzen, mit uns lachen!
MUSTAPHA.
(Gift und Galle schlürf‘ ich ein.)
ISABELLA.
(Jetzt läßt er das Niesen seyn.)
LINDORO.
(Spaß gewährt der Augenblick.)
MUSTAPHA.
(Ha, kaum halt‘ ich mich zurück.)
ISABELLA.
Blick‘ sie an.
MUSTAPHA.
Ha, Schelmin Du!
ISABELLA.
Sie ist so traurig!
MUSTAPHA.
Mich so zu höhnen!
ELVIRA.
Nur ein Wörtchen –
MUSTAPHA.
Ich will nichts wissen.
LINDORO.
Ihr befehlt?
ISABELLA.
O hab’t doch Mitleid!
ELVIRA.
Ha, Geliebter!
ISABELLA.
Zu Deinen Füßen!
DIE ANDERN.
Stoßt die Gattin nicht zurück.
MUSTAPHA.
Fort, fort aus meinen Augen,
Ich will nichts weiter hören.
So ließ ich mich bethören
Von dieser Sclaven-Brut.
Du wagtest mich zu äffen,
Weh Deinem Uebermuth!
Die Rache soll euch treffen,
Ha, bebt vor meiner Wuth!
ALLE.
Mich durchschauert ein ängstliches Zagen,
Zorn und Schrecken fühl‘ ich in mir nagen.
Mein Verstand, mein Sinn, die Gedanken
Dreh’n verworren im Kreise sich um.
In so schlimmer, gefahrvoller Lage,
Weiß ich zu helfen, zu rathen mir nicht.

Fünfte Scene.

Saal wie Anfangs.

ALY ALLEIN.
Trotz aller seiner Prahlerei
Hat diesmal doch der Dey den Kopf verloren.
Das macht mir Spaß. Er hatte solche Sucht
Nach einer Italienerin – er wollte
Was And’res als die Weiber hier zu Lande:
Nun lernt er es auf eig’ne Kosten kennen.

Ab.

Sechste Scene.

Thaddäus und Lindoro.

THADDÄUS.
So hast Du also Hoffnung, Isabellen
Dem Dey noch zu entziehen?
LINDORO.
Ja, sie bittet,
Daß Du in ihrem Plane
Sie unterstützest.
THADDÄUS.
Alle Wetter!
Du sollst erfahren, wer ich bin.
LINDORO.
Bist Du denn nicht ihr Oheim?
THADDÄUS.
Meinst Du?
LINDORO.
Ist’s nicht so?
THADDÄUS.
Etwas weißt Du wohl,
Allein das Rechte nicht. Hat Isabella Dir
Von ihrem Geliebten nichts erzählt?
LINDORO.
Ich weiß, sie liebt: und nur für den Geliebten
Will sie –
THADDÄUS.
Nun, siehst Du, der bin ich.
LINDORO.
Das freut mich.
(Ha, ha!)
THADDÄUS.
Ich kann Dir schwören, Freund,
Daß ihre Lieb‘ in diesem schlimmen Handel
Mein einz’ger Trost ist. Anfangs war ich,
Das muß ich Dir gesteh’n, nicht recht
Mit ihr zufrieden. Argwohn hatt‘ ich,
Daß sie in ihren früheren Geliebten,
Einen gewissen Lindoro, noch verliebt sey,
Und ihren Spaß mit mir nur treibe.
Doch jetzt seh‘ ich ganz deutlich,
Daß kein Liebhaber je im Stande ist,
Sie ihrem Thaddäus ungetreu zu machen.
LINDORO.
Glück zu! (Ha, ha!) doch stille! Eben
Kommt Mustapha. Jetzt Muth!
Bestätige nur Alles, was ich sage,
Dann unterricht‘ ich Dich, was Du zu thun hast.

Siebente Scene.

Mustapha, die Vorigen.

MUSTAPHA.
He, sag mir doch: wen glaubt denn Deine Nichte
Vor sich zu haben? Hält sie mich vielleicht
Für einen Dummkopf?
LINDORO.
Nein, Verzeihung!
Sie ist zu Allem willig.
THADDÄUS.
Und Ihr beklagt Euch?
MUSTAPHA.
Sagst Du die Wahrheit?
LINDORO.
Hört nur! Im Vertrauen
Hat sie mir aufgetragen, Euch zu sagen,
Daß sie vor Liebe glüht.
MUSTAPHA.
Vor Liebe?
THADDÄUS.
Und wie!
LINDORO.
Und daß von Eurer Seite sie
Erwied’rung hofft –
MUSTAPHA.
Ja, ja!
LINDORO.
Wo eilt Ihr hin?
MUSTAPHA.
Zu ihr!
THADDÄUS.
Nein, wartet noch!
LINDORO.
Ein Wort noch!
MUSTAPHA.
Nun?
LINDORO.
Sie sagte mir zuletzt,
Daß sie, um ihrer würd’ger Euch zu machen,
Sich vorgenommen habe,
Euch feierlichst bei Klang und bei Gesang,
Bei’m Schimmer heller Liebesfackeln
Zu ihrem Papataci zu ernennen.
MUSTAPHA.
Papataci? ei, was hör‘ ich?
Schöner Name, ja auf Ehre,
Doch nun rede und erkläre
Wie bei Euch dies Wort entstand.
LINDORO.
Wer die Frauen niemals kränket,
Ihre Wünsche nie beschränket,
Der erhält bei uns den Namen,
Den ich Dir vorher genannt.
THADDÄUS.
Ein würd’ges Amt ward mir gegeben,
Der Compagnon steht jetzt daneben,
Kaimakan und Papataci
Wandeln billig Hand in Hand.
MUSTAPHA.
Eure Mädchen sind zum Küssen,
Setzen schnell das Herz in Brand.
LINDORO, THADDÄUS.
Holde Frau’n, dies sollt Ihr wissen,
Komm‘ ich einst in’s Vaterland!
MUSTAPHA.
Papataci!
LINDORO.
Ein schöner Stand.
THADDÄUS.
Bald wird man mit ihm bekannt.
MUSTAPHA.
Doch nun saget, welche Pflichten
Papataci muß verrichten.
LINDORO, THADDÄUS.
Unter Scherzen, unter Küssen
Seine Tage froh genießen,
Essen, Trinken und dann schlafen,
Und so stets von Neuem an.
MUSTAPHA.
Welch ein Leben voll Entzücken,
Mehr als ich mir wünschen kann.

Alle ab.

Achte Scene.

Aly und Zulma.

ALY.
Deine Gebieterin tran’t also
Der Italienerin?
ZULMA.
Ja, was will sie machen?
So wie es scheint, will ja die Fremde
Vom Dey nichts wissen; sie bemüht sich
Sogar, von seiner Thorheit ihn zu heilen,
Und ihn mit seiner Gattin zu versöhnen.
Was will sie mehr?
ALY.
Mag seyn! Jedoch weshalb
Läßt sie so viel Getränk den Haremswächtern
Und Mohren reichen!
ZULMA.
Das geschieht
Des Festes wegen, das dem Dey
Sie geben will.
ALY.
Ha, ha! Ich wette,
Sie macht dem Dey was weis.
ZULMA.
Was schadet das?
Laß doch den Dummkopf machen, was er will.
ALY.
Ich sage nichts und sehe ruhig zu.

Ab.

Neunte Scene.

Zimmer mit der Aussicht auf eine Gallerie, die an’s Meer führt.

Thaddäus, Lindoro; dann Isabella mit italienischen Sclaven.

THADDÄUS.
Hofft Isabella denn, vom Dey
All‘ unsre Italiener zu bekommen?
LINDORO.
Gewiß gelingt es ihr.
THADDÄUS.
Ach, das wär‘ schön.
Wie aber will sie’s machen?
LINDORO.
Mit der Festlichkeit,
Die sie hat angeordnet.
THADDÄUS.
Ha, ha!
LINDORO.
Einige
Von ihnen müssen sich verkleiden
Als Papataci, und die andern werden
Zu rechter Zeit dann mit dem Schiffe kommen.
THADDÄUS.
Ha, ha! Der Spaß ist wirklich
Ganz allerliebst. Da kommt sie – ja, wahrhaftig!
Sie hat die Sclaven schon.
LINDORO.
Das wußt‘ ich wohl.
THADDÄUS.
Die weiß sich gut zu helfen!
LINDORO.
Mit zwei Worten
Bringt sie den Dummkopf dahin, wo sie will.
CHOR.
Muthig schwingen wir die Waffen,
Sind zur Flucht mit Dir bereit:
Was Italiens Söhne vermögen,
Zeigt sich in Gefahr und Streit.
ISABELLA.
Ihr Freunde, was auch geschehe,
Auf euch will ich bauen. Noch wenig Augenbicke,
Dann sind zerrissen diese Bande,
Und unser Muth führt uns zum Vaterlande.
Du lachst, Thaddäus? Es kann leicht gescheh’n,
Daß ich Dich noch verlache. Du erblassest,
Du armer Jüngling? Beklagt Dein fühlend Herz
Meine Gefahr? Rührt meine Liebe Dich?
Kennst Du die heil’gen Worte:
Vaterland, Ehre, Pflicht? O dann bewähre,
Daß Dich Italien geboren. In wilden Kämpfen
Wird Dir ein Mädchen zeigen,
Daß nicht Gefahr und Tod den Tapfern beugen.
Denk‘ an Dein Vaterland, erfülle,
Was Pflicht und Ruhm verlangen.
Sieh hin auf die Gefährten:
Rings glühen Blick‘ und Wangen
Von Muth und Tapferkeit.
Schwachkopf! Du lachst noch immer?
Fort, Du bist mir verächtlich.
Theurer, Dein Herz erglühe
Für Ehre, Lieb‘ und Pflicht.
Ihr Freunde, was auch geschehe –
CHOR.
Kühn magst Du auf uns bauen.
ISABELLA.
Wie auch das Glück sich drehe –
CHOR.
Wir folgen mit Vertrauen.
ISABELLA.
Doch wenn Gefahren drohen?
CHOR.
Zum Kampf sind wir bereit.
ISABELLA.
Welche Lust! Nach trüben Tagen
Soll der Freiheit Stunde schlagen.
(Den Geliebten zu beschützen,
Mir die Liebe Kraft verleiht.)
CHOR.
Was Italiens Söhne vermögen,
Soll sich zeigen in dem Streit.

Alle ab.

Zehnte Scene.

Thaddäus, dann Mustapha.

THADDÄUS.
Was für ein Herz! Wer hätte wohl gedacht,
Daß sie mit solcher Zärtlichkeit
Ihren Thaddäus liebe? Solches Wagstück
Zu unternehmen, diesen Dey zu täuschen,
Um mein zu seyn –
MUSTAPHA.
Kaimakan!
THADDÄUS.
Mein Gebieter!
MUSTAPHA.
Sag‘, wo ist Deine Nichte?
THADDÄUS.
Sie trifft Anstalt,
Daß zu dem Feste alles Nöthige
Bereit sey. Sieh, da kommt ihr Sclave
Und bringt den Chor der Papataci
Schon mit.
MUSTAPHA.
Hat sie denn solche Eile,
Mit dieser Würde mich zu schmücken?
THADDÄUS.
Die Liebe treibt sie an.
MUSTAPHA.
O, welch Entzücken!

Elfte Scene.

Lindoro mit dem Chor der Papataci, die Vorigen.

LINDORO.
Der Papataci lustige Menge
Naht zu des Festes frohem Gepränge,
Laßt uns beginnen, zögert nicht lang‘!
CHOR.
Blas’t in die Hörner mit vollem Munde,
Sie sind das Symbolum von unserm Bunde,
Füllet die Lüfte mit hellem Klang.
THADDÄUS.
Aus Bauch und Wangen läßt sich ermessen,
Wie gut sie trinken, wie gut sie essen.
LINDORO, THADDÄUS.
Hi! hi! vor Lachen muß ich vergeh’n.
MUSTAPHA.
Wollet, ihr Freunde, Bruder mich nennen,
Werd‘ ich als Gnade hoch es erkennen,
In eurem Bunde mich nun zu seh’n.
CHOR.
Folge den Satzungen in jedem Stücke,
Weg mit dem Turban, nimm die Perrücke,
Es wird das Bundeskleid herrlich Dir steh’n.

Zwölfte Scene.

Isabella, die Vorigen.

ISABELLA.
Also Du verlangst mit Sehnen,
Dieses Bundes Glied zu seyn.
Ja, zum Liehling aller Schönen
Wird Dich dieser Orden weih’n.
Doch vor Allem mußt Du schwören,
Die Statuten hoch zu ehren.
MUSTAPHA.
Laß mich die Artikel hören,
Dann schwör‘ ich mit frohem Muth.
CHOR.
Herrlich, schön, so geht es gut.
LINDORO.
Seyd nur still, spitzt eure Ohren,
Auf die Formeln gebet Acht.
Das Buch nur lies; was Du jetzt hörest,
Wiederholst Du mit Bedacht.
THADDÄUS lies’t, Mustapha spricht ihm nach.
Augen haben und nicht sehen,
Gute Tafeln nicht verschmähen,
Ohren haben und nicht hören,
Sich an And’rer Thun nicht kehren,
Ja, das will ich, das beschwör‘ ich,
Papataci Mustapha.
CHOR.
Herrlich, schön, so geht es gut.
THADDÄUS.
Ferner will ich ohne Klagen
Jeden Hauptschmuck willig tragen.
Werd‘ ich treulos meinen Schwüren,
Will ich meinen Bart verlieren.
Das gelob‘ ich, das beschwör‘ ich,
Papataci Mustapha.
CHOR.
Herrlich, schön, so geht es gut.
LINDORO.
Tragt den Tisch an diese Stelle.
ISABELLA.
Ihr Beide setzt Euch, Kaimakan und Papataci.
CHOR.
Laßt die andern nur gewähren,
Du bleib ruhig, iß und trinke;
Dies ist eine von den Lehren,
Die dem Bunde Kraft verleih’n.
THADDÄUS, MUSTAPHA.
Willig geb‘ ich mich darein.
ISABELLA.
Laßt die Probe nun beginnen.
Theurer!
LINDORO.
Theure!
MUSTAPHA.
Ha! was ist das?
THADDÄUS.
Weißt Du nicht, was Du geschworen?
Will Dir’s zeigen, sieh mir zu.
ISABELLA, LINDORO.
Komm, Geliebter! / Geliebte!
THADDÄUS.
Papataci.
ISABELLA, LINDORO.
Komm, o Theurer! / o Theure!
THADDÄUS.
Iß und trinke.
MUSTAPHA.
Ei, das ist nicht schwer zu machen,
Das treff‘ ich so gut wie Du.
LINDORO, THADDÄUS.
(Ha, der Thor, er macht mich lachen,
Seh‘ ich lang‘ dem Spiele zu.)
ISABELLA.
Ein so würd’ger Papataci,
Lebte sicher nie wie Du.

Dreizehnte Scene.

Matrosen und europäische Sclaven.

CHOR.
Es wehen die Winde, die Lüfte gelinde,
Auf, lichtet die Anker, laßt fröhlich uns seyn.
LINDORO.
So folg‘ mir, Geliebte!
ISABELLA.
Komm, theurer Lindoro,
Und führe die Liebe zur Heimath zurück.
THADDÄUS.
Lindoro, was hör‘ ich, man hat uns betrogen.
Herr, sieh‘ doch nur zu, wir sind ja belogen.
MUSTAPHA.
Ich bin Papataci.
THADDÄUS.
Doch sie –
MUSTAPHA.
Iß und schweige.
THADDÄUS.
Doch Ihr –
MUSTAPHA.
Laß sie machen!
THADDÄUS.
Und ich –
MUSTAPHA.
Laß sie reden.
THADDÄUS.
(Was thu‘ ich? Weh mir! geh‘ ich mit, bleib‘ ich hier?
Wenn ich bleibe, drohen Spieße,
Wenn ich gehe, Spott und Hohn.)
Lindoro, Isabelle,
Allein wollt Ihr gehen?
O höret mein Flehen,
Ach nehmt mich doch mit.
LINDORO, ISABELLA.
Willst Du mit uns gehen,
Beflügle den Schritt.

Letzte Scene.

Elvira, Zulma, Aly, Mustapha und Chor von Haremswächtern.

ZULMA.
Mein Gebieter!
ELVIRA.
O mein Gatte!
ELVIRA, ZULMA, ALY.
Was beginnt Ihr?
MUSTAPHA.
Papataci!
ELVIRA, ZULMA, ALY.
Seht Ihr denn nicht?
MUSTAPHA.
Iß und schweige.
Augen haben, und nicht sehen,
Ohren haben, und nicht hören,
Ja, das will ich, das beschwör‘ ich,
Papataci Mustapha.
ELVIRA, ZULMA, ALY.
Er ist toll!
ISABELLA, LINDORO, THADDÄUS.
Es ist gelungen.
ALLE, AUßER MUSTAPHA.
Seht, die Italienerin entflieht!
MUSTAPHA.
Ha, was hör‘ ich, Ihr wollt entfliehen?
Eilet, Wachen, Mohren, Soldaten!
ELVIRA, ZULMA, ALY.
Schlaf und Wein hat sie betäubet.
MUSTAPHA.
Ha, ich berste noch vor Wuth!
CHOR.
Wenn Ihr nicht zurücke bleibet,
Zahlet Ihr’s mit Eurem Blut.
MUSTAPHA.
Laß die Sclavenbrut entrinnen,
Kannst Du, Theure, mir verzeih’n?
ELVIRA, ZULMA, ALY.
Deine Liebe zu gewinnen,
Wird nur mein / ihr Bestreben seyn.
ALLE, NEBST DEM CHORE.
Wohlan, schnell zu Schiffe!
Reis’t glücklich! Lebt wohl denn!
Wir lichten die Anker, wir stoßen vom Strande,
Und steuern dem Lande der Heimath nun zu.
Italiens Schöne, sie giebt uns die Lehre,
Daß Eifersucht nimmer zur Liebe bekehre,
Und weibliche Schönheit beherrsche die Welt.