Wolfgang Amadeus Mozart
Die Hochzeit des Figaro
Oper in vier Aufzügen
Personen
Graf Almaviva (Bariton)
Die Gräfin, seine Gemahlin (Sopran)
Susanna, deren Kammermädchen (Sopran)
Cherubin, Page des Grafen (Sopran)
Figaro, des Grafen Kammerdiener (Baß)
Marcellina, Beschließerin im gräflichen Schlosse (Mezzosopran)
Bartolo, Arzt aus Sevilla (Baß)
Basilio, Musikmeister der Gräfin (Tenor)
Don Curzio, Richter (Tenor)
Antonio, Gärtner des Grafen und Susannas Oheim (Baß)
Barbarina (Bärbchen), Antonios Tochter (Sopran)
Bauern und Bäuerinnen, Jäger, Diener
Ort: Des Grafen Schloß Agaos-Frescas in der Nähe von Sevilla.
Zeit: Ende des 18. Jahrhunderts.
Ouvertüre
Erster Aufzug.
Ein nicht vollständig möbliertes Zimmer mit einem Sessel in der Mitte. Figaro mißt den Fußboden aus; Susanna vor einem Spiegel, setzt einen neuen Hut auf.
Erster Auftritt.
Figaro. Susanna.
Nr. 1. Duett.
FIGARO messend.
Fünfe – zehne – zwanzig –
Dreißig – sechsunddreißig –
Ja, ja, es geht.
SUSANNA in den Spiegel sehend.
Deutlich saget mir mein Spiegel,
Daß der Hut mir herrlich steht!
FIGARO.
Fünfe!
SUSANNA.
Lob‘ ihn doch, mein lieber Figaro!
FIGARO.
Zehne!
SUSANNA.
Lob‘ ihn doch, mein lieber Figaro!
FIGARO.
Zwanzig!
SUSANNA.
Lob‘ ihn doch!
FIGARO.
Dreißig!
SUSANNA.
Lob‘ ihn doch, es macht mir Freude!
FIGARO.
Sechsunddreißig!
SUSANNA.
Lob‘ ihn doch, es macht mir Freude!
FIGARO.
Ja, ja, es geht!
SUSANNA.
Sieh nur diesen Hut, mein Figaro!
Lob‘ ihn doch, es macht mir Freude!
FIGARO.
Ja, ich sehe, bestes Mädchen,
Wie der Hut so schön dir steht!
SUSANNA.
Sieh doch nur!
FIGARO.
Ja, ich sehe!
SUSANNA.
Sieh doch nur!
FIGARO.
Mein bestes Mädchen!
BEIDE.
Süßre Wonne bringt der Sonne holder Schein!
An dem glücklichen herrlichen Tage,
Da ich dir am Altar sage:
Ewig bin ich und bleib‘ ich dein!
SUSANNA spricht. Was mißt du denn da, mein lieber Figaro?
FIGARO. Ich untersuche, ob sich unser Ehebett hier gut ausnehmen wird.
SUSANNA. Hier? Ist das dein Ernst?
FIGARO. Ja freilich! Der Graf räumt uns dieses Zimmer großmütig ein.
SUSANNA. Ich mag es aber nicht.
FIGARO. Und aus welcher Ursache?
SUSANNA zeigt auf die Stirn. Meine Ursache steckt hier?
FIGARO ebenso. Warum läßt du sie nicht auch hierherkommen
SUSANNA. Weil mir’s nicht ansteht. Bist du mein gehorsamer Diener, oder bist du es nicht?
FIGARO. Das begreife ich nicht, warum dir das bequemste Zimmer im ganzen Schlosse so sehr mißfällt!
SUSANNA. Weil ich Susanna bin und du ein Narr bist!
FIGARO. Danke! Bitte keine Komplimente! Sage nur, wo wir an irgendeinem Orte besser wohnen könnten?
Nr. 2. Duett.
FIGARO.
Sollt‘ einstens die Gräfin des Nachts dir schellen:
Kling, kling! kling, kling!
Nur zwei Sprünge und du bist bei ihr.
Und will nun der Graf mir Geschäfte bestellen,
Husch, husch! husch, husch!
In drei Sprüngen erreich‘ ich die Tür.
SUSANNA.
Und wird eines Tages das Glöckchen ertönen:
Kling, kling! kling, kling!
Schickt der Graf dich nun meilenweit fort,
Husch, husch! husch, husch! husch, husch!
Führt der Teufel ihn eilends zu mir, in drei Sprüngen!
FIGARO.
Susanna, gemach! Susanna, gemach! Susanna, gemach!
SUSANNA.
Hör‘ weiter –
FIGARO.
Gemach!
SUSANNA.
In drei Sprüngen –
FIGARO.
Gemach!
SUSANNA.
Kling, kling!
FIGARO.
Gemach!
SUSANNA.
Husch, husch!
FIGARO.
Gemach!
SUSANNA.
Hör‘ weiter!
FIGARO.
Vollende!
SUSANNA.
Willst du mehr noch hören?
So laß mich von bösem Verdacht ungeplagt.
FIGARO.
Ich muß mehr noch hören?
Mein Herz wird von Sorgen und Zweifeln zernagt.
SUSANNA.
Verbanne die Sorgen, verbanne die Zweifel,
Und laß mich von bösem Verdacht ungeplagt!
FIGARO.
Mein Herz wird von Sorgen und Zweifeln zernagt.
SUSANNA spricht. Nun wohl, so höre und schweige.
FIGARO. Rede, was gibt es Neues?
SUSANNA. Der Graf ist es müde, immer nach fremden Schönheiten herumzujagen; er will auch im Schlosse sein Glück versuchen; er hat Lust –
FIGARO. Zu wem denn?
SUSANNA. Zu deiner Susanna.
FIGARO. Zu dir?
SUSANNA. Zu mir selbst, und er hofft, daß diese Nachbarschaft ihm zu seinen Absichten dienlich sein soll.
FIGARO. Bravo! Nur weiter!
SUSANNA. Deswegen erzeigt er dir soviel Gnade, deswegen trägt er soviel Sorge für dich und deine Frau.
FIGARO. Ei sieh doch, welch eigennützige Güte.
SUSANNA. Schweig! Jetzt kommt das beste! Der saubere Herr Basilio, mein Singmeister, ist sein Unterhändler. Während er mich unterrichtet, wiederholt er alle Tage das alte Lied.
FIGARO. Wer? Basilio? O der Schurke!
SUSANNA. Und du konntest glauben, daß du meine Aussteuer deinen Verdiensten zu danken hättest?
FIGARO. Ich hatte mir damit geschmeichelt.
SUSANNA. Er bestimmte sie dazu, von mir ein gewisses Recht zu erkaufen, welches das alte Lehnsrecht –
FIGARO. Wie? Hat es der Graf im Lehnsbriefe nicht aufgehoben?
SUSANNA. Das wohl! aber es hat ihn gereut, und es scheint, als wenn er es von mir wieder einlösen wollte.
FIGARO. Bravo! Das gefällt mir! welch ein lieber Herr, der Herr Graf! Aber er soll sich täuschen!
Man hört eine Klingel.
FIGARO. Wer schellt?
SUSANNA. Die Gräfin. Adieu! Adieu, mein schöner Figaro!
FIGARO. Gib mir doch erst ein Küßchen.
SUSANNA. Morgen soviel du willst, aber heute wird nichts gereicht.
FIGARO. Warum nicht heute?
SUSANNA. Was würde morgen mein Mann sagen, wenn ich heute meinen Liebhaber küßte? Sie geht ab.
FIGARO. O du Schelmin!
Zweiter Auftritt.
Figaro allein.
FIGARO. Bravo, gnädiger Herr! jetzt versteh‘ ich das Geheimnis, ich sehe Ihren Plan deutlich ein. Nach London soll die Reise gehen, nicht wahr? Sie werden Ambassadeur, ich Kurier und Susanna geheime Ambassadrice. Aber daraus wird nichts. Wir wollen doch sehen, wer von uns beiden der schlaueste ist; der feine Herr Graf oder der lustige Figaro.
Nr. 3. Kavatine.
Will einst das Gräflein ein Tänzchen wagen,
Mag er’s nur sagen, ich spiel‘ ihm auf.
Soll ich im Springen ihm Unterricht geben,
Auf Tod und Leben bin ich sein Mann.
Man muß im Stillen nach seinem Willen
Menschen zu lenken, die Kunst verstehn.
Mit muntern Scherzen leit‘ ich die Herzen,
Schweigen und Plaudern, Handeln und Zaudern,
Alles muß so, wie ich’s haben will, gehn!
Will einst das Gräflein ein Tänzchen wagen,
Mag er’s nur sagen, ich spiel‘ ihm auf!
Er geht ab.
Dritter Auftritt.
Bartolo. Marcellina mit einem Kontrakt in der Hand.
BARTOLO spricht. Ja, wenn sich die Sache so verhält – Sie konnten bis zum Tag seiner Hochzeit warten, um mich hiervon zu unterrichten?
MARCELLINA. Lieber Doktor, ich verliere noch nicht allen Mut. Es bedarf ja oft nur eines Verdachtes, um Heiraten rückgängig zu machen, mit denen es schon viel weitter gekommen war, als mit dieser. Der Graf ist in Susanna verliebt. Bringen wir es dahin, daß sie seine Liebe zurückweist, so wird er, schon um sich zu rächen, meinen Einspruch unterstützen, und Figaro wird mein Mann.
BARTOLO nimmt den Kontrakt. Gut, ich gebe Ihnen mein Wort, daß ich alles tun werde, um Ihre Wünsche zu erfüllen. Für sich. Ich würde mich freuen, wenn ich dem Spitzbuben, der meine Rosina entführt hat, jetzt zur Strafe meine alte Haushälterin anhängen könnte.
Nr. 4. Arie.
BARTOLO.
Süße Rache, du gewährest hohe Freuden:
Nur die kleinen Seelen leiden,
Dulden, schweigen, wenn man sie kränkt.
Fein und listig, schnell und rüstig,
Wirk‘ und treib‘ ich große Sachen.
Ich kann Pläne möglich machen,
Die der schwache Kopf kaum denkt.
Und sollt‘ ich alle Gesetze verdrehen,
Und müßt‘ ich auch hundert Register durchsehen,
Mit Ränken und Schwänken muß es mir gelingen,
So leit‘ ich Verderben, Untergang her,
Bald soll sich’s zeigen, wer sich muß neigen:
Bartolo, Figaro! – Ich oder er!
Ab.
Vierter Auftritt.
Marcellina. Dann Susanna, die eine Haube und ein Damenkleid trägt.
MARCELLINA. Ich habe noch nicht alles verloren, wenn mir die Hoffnung bleibt. Aber Susanna nähert sich. Leise. Ich will einen Versuch wagen, ich will tun, als sehe ich sie nicht. Laut. Und dieses schöne Früchtchen will er heiraten?
SUSANNA für sich. Sie spricht von mir.
MARCELLINA. Aber was kann man auch Besseres von Figaro erwarten? Geld tut alles.
SUSANNA. Welche verleumderische Zunge! Es ist gut, daß jedermann weiß, daß man von ihr nichts Besseres zu erwarten hat.
MARCELLINA. Bravo! das nenne ich mit Verstand gesprochen. Mit diesen sittsamen Augen, mit dieser frommen Miene –
SUSANNA. Es ist besser, ich gehe.
MARCELLINA laut. Welch eine niedliche Braut!
Nr. 5. Duett.
MARCELLINA sich verneigend.
Nur vorwärts, ich bitte, Sie Muster von Schönheit!
SUSANNA ebenso.
Nein, das ist nicht Sitte, ich ehre die Weisheit!
MARCELLINA ebenso.
Mamsell, Sie vergeben!
SUSANNA ebenso.
Es wird nicht geschehen!
BEIDE ebenso.
Nein, ich weiß zu leben, muß Ihnen nachgehn!
MARCELLINA ebenso.
Das niedliche Bräutchen!
SUSANNA ebenso.
Die Zierde von Spanien!
MARCELLINA ebenso.
Des Grafen Susannchen!
SUSANNA.
Das Weisheitskräutchen!
MARCELLINA.
Ein holdes –
SUSANNA.
Edles –
MARCELLINA.
Ein schönes –
SUSANNA.
Gesicht!
MARCELLINA.
Ich platze vor Ärger, nein, länger bleib‘ ich hier nicht!
SUSANNA sie verhöhnend.
Mein altes Matrönchen, o ärgre dich nicht!
Marcellina geht wütend ab.
Fünfter Auftritt.
Susanna. Dann Cherubin.
SUSANNA spricht. Geh, aufgeblasene, gelehrte Dame. Weil du einige Bücher gelesen und die gnädige Frau in ihrer Jugend gequält hast, so bist du so stolz wie ein Pfau! Legt das Kleid auf den Sessel.
CHERUBIN. Susannchen! Susannchen! Bist du es?
SUSANNA. Ich bin es. Was willst du?
CHERUBIN. Ach, mein armes Herz! welch ein Zufall!
SUSANNA. Dein armes Herz? Was ist geschehen?
CHERUBIN. Der Graf traf mich gestern allein bei Bärbchen. Er hat mir den Abschied gegeben, und wenn die Gräfin, meine schöne Pate, nicht für mich bittet, so muß ich fort und ich werde dich dann nicht wieder sehen, mein Susannchen.
SUSANNA traurig. Du wirst mich nicht mehr sehen? Und nennst das ein Unglück? Also bin ich es, und nicht die Gräfin, für die dein Herz entbrannt ist?
CHERUBIN. Ach, scherze doch nicht so! Glücklich bist du, die du sie sehen kannst, so oft du willst. Du ziehst sie des Morgens an, du ziehst sie des Abends aus. Ach! Seufzend wäre ich an deiner Stelle! Er bemerkt das Band in Susannas Hand. Was hast du da?
SUSANNA ironisch. Es ist das Band, welches ich der gnädigen Gräfin um die Haare schlinge.
CHERUBIN entreißt ihr das Band. O gib es mir, gib es mir!
SUSANNA. Gleich her das Band!
CHERUBIN. Das liebe, das schöne, das glückliche Band! Nur mit meinem Leben soll man es mir entreißen!
SUSANNA. Unverschämtheit! Gib das Band!
CHERUBIN. Ei, so sei doch ruhig. Er zieht ein Notenblatt aus der Tasche. Nimm das Liedchen dafür!
SUSANNA nimmt es. Und was soll ich damit machen?
CHERUBIN. Lies es der gnäd’gen Frau vor, lies es Bärbchen, Marcelline, lies es allen Menschen im Schlosse vor, nur laß mir dieses Band!
SUSANNA. Armer Cherubin! in deinem Kopfe spukt es gewaltig!
Nr. 6. Arie.
CHERUBIN.
Neue Freuden, neue Schmerzen
Toben jetzt in meinem Herzen!
Ja, ich bebe, ich bebe, ich zittre,
Feuer rinnt mir durch Bein und Mark.
Bei dem süßen Worte Liebe
Fühl‘ ich nie empfundne Triebe,
Wo ich nur ein Mädchen sehe,
Schlägt mein Puls noch eins so stark.
Wo ich auch wand’l und gehe,
Wo ich auch lieg‘ und stehe,
Im Wachen und im Traume,
Im Feld, am Bach, am Baume,
Verlang‘, begehr‘ und wünsch‘ ich;
Es preßt, es jagt, es drängt mich
Schmerzensgefühl und Lust;
Und süßes Schmachten, Sehnsucht
Wechseln in meiner Brust.
Sechster Auftritt.
Der Graf. Die Vorigen.
CHERUBIN. Ach, ich bin verloren! der Graf! Er versteckt sich hinter dem Sessel.
SUSANNA. Der Graf!
GRAF. Susanna! So bestürzt? So furchtsam? Was ist dir? Er setzt sich.
SUSANNA in Verwirrung. Gnädiger Herr – ich bitte um Verzeihung, aber wenn man uns überraschte – Ich beschwöre Sie, entfernen Sie sich.
GRAF. Einen Augenblick nur und ich will gehen. Höre mich an.
SUSANNA. Ich mag nichts hören.
GRAF. Nur zwei Worte. Du weißt, daß mich der König zum Gesandten nach London ernannt hat, ich wollte Figaro mit mir nehmen.
SUSANNA. Gnädiger Herr, wenn ich bitten dürfte –
GRAF. Was willst du? Rede, liebes Mädchen! Bediene dich des Rechts, welches ich dir von heute an auf ewig über mich einräume. Alles, was du willst, will ich dir gewähren! Fordre, befiehl, verlange!
SUSANNA. Lassen Sie mich, gnädiger Herr! O ich Unglückliche!
GRAF. O nein, Susanna! Ich will dich glücklich machen. Du weißt nicht, wie sehr ich dich liebe. Basi lio hat dir dir schon alles gesagt, doch höre! Wie wäre es, wenn du diesen Abend im Garten mit mir davon reden wolltest.
BASILIO hinter der Tür. Er ist eben hinausgegangen.
GRAF steht auf. Wer spricht da?
SUSANNA. O Gott!
GRAF. Geh hinaus und laß niemand herein.
SUSANNA verwirrt. Wie kann ich Sie hier allein lassen?
BASILIO wie oben. Er wird wohl bei der gnädigen Frau sein; ich will ihn suchen.
GRAF. Ich will mich hier verstecken.
SUSANNA. Nein, um Gottes willen nicht!
GRAF. Schweig! und suche seiner los zu werden. Er will sich hinter dem Sessel verstecken. Susanna stellt sich dazwischen. Cherubin kommt hervor und verbirgt sich im Sessel. Susanna bedeckt ihn mit dem Kleide, das sie auf den Sessel gelegt hat.
Siebenter Auftritt.
Basilio. Die Vorigen.
BASILIO. Guten Morgen, Susanna! Hat Sie den Grafen nicht von ungefähr gesehen?
SUSANNA. Was sollte der Graf bei mir? Geh Er hinaus.
BASILIO. Nur Geduld! Nicht so hitzig! Höre Sie mich wenigstens an. Figaro sucht den Herrn.
SUSANNA. O Himmel! Nun, so sucht Er den Mann, der ihn, nächst Ihm, am meisten haßt.
BASILIO. Ich habe nie die Regel gehört, daß der, welcher die Frau liebt, den Mann hasse. Wenn ich sage, daß der Graf Sie liebt –
SUSANNA. Geh, Bösewicht! Ich mag nichts von Seinen Regeln, noch von dem Grafen und seiner Liebe hören.
BASILIO. Nun, nun! nur Geduld! nicht so hitzig! Was ist denn da so Schlimmes dabei. Ist es nicht besser, einen solchen Herrn zum Liebhaber zu haben, als einen jungen, leichtsinnigen Burschen, einen Pagen.
SUSANNA. Cherubin?
BASILIO. Ja, Cherubin, der schon heute ganz früh hier herumkreuzte, um sich gelegentlich zu Ihr zu schleichen.
SUSANNA. Boshafter Mensch! Das ist nur Verleumdung.
BASILIO. Bei Ihr gilt man für einen boshaften Menschen, wenn man Augen im Kopfe hat. Apropos, das Liedchen? Sage Sie mir im Vertrauen, ich bin Ihr bester Freund, und trage nichts aus: ist es für sie, für die gnädige Frau, oder?
SUSANNA. Wer hat Ihm das gesagt?
BASILIO. Weil wir eben davon reden – richte Sie doch den Pagen ein bißchen besser ab, er sieht die Gräfin bei Tisch so oft und so unbescheiden an; daß, wenn der Graf es einmal gewahr wird – Sie weiß, daß der Graf in dem Punkte gewaltig hitzig ist.
SUSANNA. Bösewicht! Warum bringt Er solche Lügen unter die Leute?
BASILIO. Welche Ungerechtigkeit! Ich sage nur nach, was jedermann sagt. Ich setze nicht das mindeste hinzu.
GRAF zeigt sich. Wie? Was sagt jedermann?
BASILIO. Nun, das ist schön! Der Herr Graf!
SUSANNA. O Himmel!
Nr. 7. Terzett.
GRAF zu Basilio.
Wie? Was hör‘ ich? Unverzüglich
Geh und jage den Bösewicht gleich fort.
BASILIO.
Diesmal kam ich ungelegen.
Sie verzeihen, mein gnäd’ger Herr.
SUSANNA.
Welch ein Zufall! O ich Arme,
Halb ohnmächtig.
Ich vergehe fast vor Angst.
BASILIO, GRAF sie unterstützend.
Ach, das arme Mädchen zittert,
Wie das Herzchen im Busen pocht.
BASILIO nähert sich dem Sessel.
Still, ich will den Sessel holen.
SUSANNA.
Gott! wo bin ich?
Erholt sich.-
Wie, was seh‘ ich?
Beide von sich abwehrend.
Welche Frechheit! Laßt mich allein!
GRAF.
Wir sind hier, um dir zu helfen,
Sei nur ruhig, mein liebes Kind!
BASILIO.
Wir sind hier, um Ihr zu helfen,
Sie ist sicher, mein liebes Kind!
Zum Grafen.
Was ich sagte – von dem Pagen,
War Vermutung – war nur ein Argwohn.
SUSANNA.
Tück’sche Bosheit und Verleumdung
Spricht aus dir, du Bösewicht!
GRAF.
Er soll fort, der lose Bube!
BASILIO, SUSANNA.
Armer Knabe!
GRAF spöttisch.
Armer Knabe? Gestern hab‘ ich ihn erwischt –
SUSANNA.
Wo denn?
BASILIO.
Wie?
GRAF.
Bei deiner Muhme –
Ich fand ihre Tür verschlossen –
Klopfte – ungern öffnet Bärbchen
Und scheinet seltsam ängstlich –
Ihr Betragen gibt mir Argwohn –
Ich durchsuchte alle Winkel –
Und hob endlich, leise, leise,
So den Teppich von ihrem Tische,
Fand den Pagen!
Um es deutlicher zu machen, hebt er das Kleid auf und erblickt den Pagen. Überrascht.
Nun, was ist dieses?
SUSANNA furchtsam.
Ach, welch ein Unstern!
BASILIO mit höhnischem Lachen.
Ha, immer besser!
GRAF.
So, mein unschuldsvolles Mädchen –
SUSANNA.
Ärger konnt‘ es gar nicht kommen!
GRAF.
Jetzt begreif‘ ich, wie es steht.
SUSANNA.
Großer Gott! wie wird das gehn?
Ärger konnt‘ es gar nicht kommen,
Großer Gott! wie wird das gehn?
BASILIO.
Ja, so machen’s alle Schönen,
Das ist keine Seltenheit!
GRAF.
So, mein unschuldsvolles Mädchen,
Jetzt begreif‘ ich, wie es steht!
BASILIO boshaft zum Grafen.
Was ich sagte etc.
GRAF spricht. Basilio! Hol‘ Er den Figaro her, er soll sehen –
SUSANNA. Und mich hören. Geh Er.
GRAF. Bleib Er. Nun, was kannst du noch zu deiner Entschuldigung vorbringen, da die Sache so offenbar ist?
SUSANNA. Man hat keine Entschuldigung nötig, wenn man unschuldig ist.
GRAF. Aber wie ist er hierhergekommen?
SUSANNA. Er war bei mir, als Sie kamen, und bat mich, die gnädige Frau zu bewegen, daß sie Gnade für ihn erflehen möchte. Ihre Ankunft machte ihn bestürzt, und er versteckte sich hier.
GRAF. Ich habe ihn aber doch nicht gesehen, als ich auf dem Stuhle saß.
CHERUBIN. Dabei steckte ich hinter dem Sessel.
GRAF. Und als ich mich dahinter versteckte?
CHERUBIN. Da schlüpfte ich darum herum und setzte mich hinein.
GRAF. Verdammt! Also hat er alles gehört, was ich dir gesagt habe.
CHERUBIN. Ich gab mir alle mögliche Mühe, um nichts zu hören.
GRAF. Welche Verräterei!
BASILIO. Mäßigen Sie sich, es kommt jemand.
GRAF zu Cherubin. Und du bleibst so ruhig dasitzen, kleine Schlange? Herunter mit dir! Er zieht ihn vom Sessel.
Achter Auftritt.
Die Vorigen. Figaro. Bauern und Bäuerinnen, welche Blumen streuen. Figaro trägt einen weißen Schleier in der Hand.
Nr. 8. Chor.
CHOR.
Muntere Jugend,
Streue ihm Blumen!
Jauchzt all‘ mit Tanz und Sang
Vor unserm Herrn!
Er schützt die Unschuld,
Ehret die Tugend;
Dankt ihm, dem besten, gnädigen Herrn!
GRAF überrascht. Wozu dieses Possenspiel?
FIGARO leise zu Susanna. Nun geht der Tanz los. Hilf mir nur, mein Kind!
SUSANNA. Ich habe keine Hoffnung!
FIGARO. Gnädiger Herr, verschmähen Sie diesen aufrichtigen und wohlverdienten Zoll unserer Dankbarkeit nicht. Sie geben heute ein Recht auf, das die wahre Liebe empört, und ich und Susanna werden die ersten sein, welche sich dessen erfreuen werden.
GRAF. Ei, wie fein! Ich habe mich dieses Rechts be geben, was wollt ihr mehr?
FIGARO. Wir werden heute die erste Frucht Ihrer Großmut einernten. Unsere Hochzeit ist schon festgesetzt, und es kommt nur auf Sie an, dies junge, liebenswürdige Mädchen, welches Ihre Enthaltsamkeit unbefleckt erhalten, mit diesem weißen Kleide, dem Sinnbild der Unschuld, zu bedecken.
GRAF. Welche verteufelte List! Doch ich muß mich verstellen! Meine Freunde, ich danke euch für dies ehrenvolle Zeichen eurer Zuneigung. Aber ich verdiene für diese Tat weder Dank noch Lob. Als ich dies unbillige Gesetz aus meinem Lehnsbriefe vertilgte, tat ich nur meine Pflicht und setzte die Natur in ihre Rechte wieder ein.
FIGARO. Es lebe unser gnädiger Herr! er lebe! er lebe!
ALLE. Er lebe; er lebe!
SUSANNA. Welche Tugend!
FIGARO. Welche Gerechtigkeit!
GRAF. Euch verspreche ich, daß ich die Zeremonie vollziehen will. Nur einen kleinen Aufschub. Ich will in Gegenwart meiner treuesten Freunde und mit der größten Pracht euer Glück feiern. Ich muß Marcellina holen lassen! Geht, meine Freunde!
FIGARO. Es lebe der gnädige Herr! Hoch!
ALLE.
Es lebe der gnädige Herr!
Hoch! hoch! hoch!
Chor.
CHOR.
Muntere Jugend,
Streue ihm Blumen!
Jauchzt all‘ mit Tanz und Sang
Vor unserm Herrn!
Er schützt die Unschuld,
Ehret die Tugend;
Dankt ihm, dem besten, gnädigen Herrn!
Die Landleute gehen ab.
FIGARO. Nun, wie stehst denn du da? Und du bezeigst keine Freude?
SUSANNA. Der arme Schelm ist betrübt, weil ihn der gnädige Herr wegjagen will.
FIGARO. Ah! an einem so festlichen Tage!
SUSANNA. An unserm Hochzeitstage!
FIGARO. Wo jedermann sich Ihrer Wohltaten freut!
CHERUBIN kniend. Verzeihung, gnädiger Herr!
GRAF. Er verdient sie nicht.
SUSANNA. Er ist noch ein Kind
GRAF. Ich dächte, das müßtest du besser wissen!
CHERUBIN. Ich gestehe, daß ich gefehlt habe, aber nie habe ich mich in Worten der geringsten Unbedachtsamkeit – Verzeihung!
GRAF. Gut, gut, ich verzeihe ihm. Ich will noch mehr tun. Es ist eine Offiziersstelle in meinem Regimente erledigt, ich gebe sie ihm, aber mit dem Beding, daß er sogleich abreist.
FIGARO, SUSANNA. Nur bis morgen.
GRAF. Nein, er muß gleich fort.
CHERUBIN seufzend. Wie Sie befehlen, gnädiger Herr! Ich bin bereit, Ihnen zu gehorchen!
GRAF. Nun, so umarme deine Freundin Susanna zum letztenmale! Beiseite. Der Schlag kam ihnen unerwartet!
Graf und Basilio ab.
FIGARO. Nun, mein junger Kriegsheld, gib auch mir die Hand. Leise. Wir sprechen uns noch, ehe du abreisest. Mit verstellter Freude. Adieu, kleiner Cherubin! Wie geschwind hat sich dein Schicksal geändert! Jetzt, mein Sohn, wirst du eine ganz andere Lebensart anfangen müssen. Sapperment! Da kannst du nicht mehr den ganzen Tag in den Gemächern der Frauen herumkreuzen; da gibt es weder Butterkuchen noch Milchrahm; da ist weder vom Pfänderspiel noch von Blindekuh die Rede; aber gute Soldaten gibt’s da! Braun wie Kastanien, schlecht gekleidet, eine große, schwere Flinte! Rechts, links! vorwärts marsch! zum Triumph! Ich gratuliere dir zu deinem neuen Stande und will dir noch einige gute Lehren mit auf den Weg geben!
Nr. 9. Arie.
FIGARO.
Dort vergiß leises Flehn, süßes Wimmern,
Da, wo Lanzen und Schwerter dir schimmern,
Sei dein Herz unter Leichen und Trümmern
Nur voll Wärme für Ehre und Mut!
Du erscheinst nicht in seidnen Gewändern,
Nicht geziert mehr mit Blumen und Bändern,
Doch zur Rettung von Städten und Ländern
Gibst du willig dein jugendlich Blut.
Im Geklirre wilder Waffen
Wirst du wenig ruhn und schlafen,
Schlecht gekleidet, ohne Strümpfe,
Über Hecken und durch Sümpfe,
Mit der Flinte auf dem Rücken
Springen bald und bald dich bücken!
Statt der bunten Blumenkränze,
Statt der ländlich muntern Tänze
Wird ein Helm die Stirne zieren;
Du wirst brave Männer führen,
Nicht zum Tanze, nein zum Kampfe,
Und im dicken Pulverdampfe,
Bei dem Donner der Karthaunen
Lockt dich der Trompeten Ton;
Deiner Feinde banges Staunen
Sei der edlen Taten Lohn!
Sie gehen militärisch ab.
Zweiter Aufzug.
Ein prächtiges Zimmer mit einem Alkoven.
Rechts die Eingangstür, links ein Kabinett. Links im Hintergrunde eine Tür, welche in die Zimmer der Dienerschaft führt; an der Seite ein Fenster.
Erster Auftritt.
Die Gräfin.
Nr. 10. Kavatine.
GRÄFIN.
Heil’ge Quelle reiner Triebe,
Gib mir wieder des Gatten Herz!
Laß mich sterben, Gott der Liebe,
Oder lindre meinen Schmerz.
Zweiter Auftritt.
Die Gräfin. Susanna. Später Figaro.
GRÄFIN setzt sich. Komm, liebe Susanna! Erzähle deine Geschichte zu Ende.
SUSANNA. Ich bin zu Ende.
GRÄFIN. Er wollte dich also verführen?
SUSANNA. Er warb um meine Liebe!
GRÄFIN. Ach, der Grausame liebt mich nicht mehr!
SUSANNA. Und doch ist er eifersüchtig.
GRÄFIN. Wie alle Männer; treulos aus natürlichem Hange und eifersüchtig aus Stolz. Aber wenn Figaro dich liebt – er allein kann –
FIGARO singt hinter der Mitteltür. La, la, la, la!
SUSANNA. Da ist er. Komm, mein Freund, die gnädige Frau ist so unruhig.
FIGARO. Vermutlich war hier die Rede vom Herrn Grafen. Sie brauchen nicht besorgt zu sein. Was ist’s denn nun weiter? Meine Braut gefällt dem Herrn Grafen. Er wünscht das Lehnrecht heimlich wieder einzulösen. Die Sache ist möglich und natürlich!
GRÄFIN. Möglich?
SUSANNA. Natürlich?
FIGARO. Sehr natürlich! und wenn Susanna will, auch sehr möglich!
SUSANNA. Wirst du bald aufhören!
FIGARO. Ich bin gleich zu Ende! Deshalb ernennt er mich zum Kurier und Susanna zum geheimen Gesandtschaftsrate. Weil sie sich aber für diese Ehre bedankt, so sucht er Marcellina gegen mich zu hetzen. Darin hat er auch recht; an Leuten, die unsern Plänen hinderlich sind, kann man sich nicht besser rächen, als wenn man die ihrigen vereitelt. Das tut jedermann, und das wollen wir auch tun. Das ist alles.
SUSANNA. Und du kannst von einer so wichtigen Sache so leichtfertig reden?
FIGARO. Weil ich ein kleines Gegenprojekt ersonnen habe! Ist es nicht genug, daß ich mich damit beschäftige? Ich habe ihn durch Basilio ein Billett von unbekannter Hand zugespielt, worin man ihn benachrichtigt, daß Sie diesen Abend einem Liebhaber eine Zusammenkunft versprochen hätten.
GRÄFIN. Himmel! was hör‘ ich? Einem so eifersüchtigen Mann?
FIGARO. Fürchten Sie nichts! Um so eher gelangen wir ans Ziel. Um Leuten dieser Art zu nützen, muß man ihnen das Blut in Wallung bringen, und das verstehen die Frauen meisterlich. Wenn sie nun tüchtig aufgebracht sind, schnell eine kleine Dosis Intrige, und damit führt man sie an der Nase, so weit man will. Auf diese Art können wir ihn in Verlegenheit bringen, ihn beschämen, argwöhnisch machen und ihm in den Kopf setzen, daß ein anderer ihm dieselbe neumodische Ehre erzeigen will, die er mir zugedacht hat. Indessen verliert er seine Zeit und unsere Spur, und ehe wir es uns versehen, kommt die Stunde unserer Verbindung heran. In Ihrer Gegenwart wird er es nicht wagen, sich meinen Wünschen zu widersetzen.
SUSANNA. Das ist wahr. Aber Marcellina wird sich widersetzen!
FIGARO. Laß dich bedeuten! Leute, die aus nichts nichts machen wollen, machen nichts und sind zu nichts gut! Das ist mein letztes Wort! Du mußt dem Herrn Grafen sagen, daß du dich diesen Abend im Garten einfinden würdest; dann wollen wir Cherubin, den ich gebeten habe, noch nicht abzureisen, in Frauenkleider stecken und ihn statt deiner hinschicken. Das ist das einzige Mittel! Wenn die gnädige Frau den Herrn Grafen da ertappt, so wird er beschämt sich unsern heißesten Wünschen nicht widersetzen.
GRÄFIN zu Susanna. Was denkst du davon?
SUSANNA. Der Einfall ist so übel nicht.
GRÄFIN. In unserer Lage –
SUSANNA. Wenn er nur nichts merkt. Aber wir haben ja nicht Zeit, Cherubin umzukleiden –
FIGARO. Der Graf ist auf die Jagd geritten, er wird nicht so bald wiederkommen; ich will gehen und Cherubin sogleich herschicken. Ich überlasse es dir, ihn anzukleiden.
GRÄFIN. Und dann?
FIGARO. Und dann? – Dann werde ich dem Herrn Grafen ungefähr zu verstehen geben:
Er singt.
Will einst das Gräflein ein Tänzchen wagen,
Mag er’s nur sagen, ich spiel‘ ihm auf,
Ja, ich spiel‘ ihm auf.
Er geht ab.
Dritter Auftritt.
Die Gräfin. Susanna. Später Cherubin.
GRÄFIN spricht. Es tut mir sehr leid, Susanna, daß der junge Mensch die Torheiten des Grafen mit angehört hat. Ach! Du weißt nicht! – Aber warum wendet er sich nicht an mich? – Wo ist das Liedchen?
SUSANNA. Hier ist es. Wir wollen es ihn singen lassen. Cherubin tritt auf. Still! Es kommt jemand! Er ist es! Nur vorwärts, nur vorwärts, kleiner Offizier!
CHERUBIN. Ach, nenne mich nicht bei diesem kränkenden Namen! Er erinnert mich daran, daß ich eine Pare verlassen soll, die so gütig –
SUSANNA. Und so schön ist.
CHERUBIN seufzend. Ach! – Ja – gewiß –
SUSANNA seinen Ton nachahmend. Ach – ja – gewiß! – Kleiner Heuchler! Singe Er geschwinde der gnädigen Frau das Lied vor, das Er mir diesen Morgen gegeben hat.
GRÄFIN nimmt das Blatt. Wer hat es gemacht?
SUSANNA zur Gräfin. Sehen Sie nicht, wie er rot wird?
GRÄFIN. Nimm eine Gitarre und begleite seinen Gesang.
CHERUBIN. Ich bin so ängstlich; aber wenn Ihro Gnaden befehlen –
SUSANNA. Sie will es, ja, sie will es. Mach nicht so viel Umstände.
Nr. 11. Kanzone.
CHERUBIN.
Ihr, die ihr Triebe des Herzens kennt,
Sprecht, ist es Liebe, was hier so brennt?
Ich will’s euch sagen, was in mir wühlt;
Euch will ich’s klagen, euch, die ihr fühlt.
Sonst war’s im Herzen mir leicht und frei,
Es waren Schmerzen und Angst mir neu.
Jetzt fährt wie Blitze, bald Pein, bald Lust.
Bald Frost, bald Hitze durch meine Brust.
Ein heimlich Sehnen zieht, wo ich bin,
Zu allen Schönen mich traulich hin.
Dann wird von Leiden und innerm Harm,
Und dann vor Freuden mein Busen warm.
Es winkt und folgt mir nun überall,
Und doch behagt mir die süße Qual.
Ihr, die ihr Triebe des Herzens kennt,
Sprecht, ist es Liebe, was hier so brennt?
GRÄFIN spricht. Bravo! Welch schöne Stimme. Ich wußte nicht, daß er so gut singen kann.
SUSANNA. Er macht alles gut, was er macht. Komm, mein schöner Offizier! hat dir Figaro gesagt?
CHERUBIN. Er hat mich von allem unterrichtet.
SUSANNA. Laß sehen. Sie mißt sich mit Cherubin. Es wird wohl gehen. Sie nimmt ihm den Mantel ab. Fort mit dem Mantel!
GRÄFIN zu Susanna. Was machst du?
SUSANNA. Nichts Schlimmes.
GRÄFIN. Und wenn nun jemand hereinkäme?
SUSANNA. So mag er kommen; tun wir denn etwas Böses? Aber ich will doch die Tür verschließen. Sie verschließt die Tür. Was fangen wir mit seinen Haaren an?
GRÄFIN. Hole eine von meinen Hauben aus meinem Zimmer, geschwind.
Susanna geht in das Kabinett.
GRÄFIN. Was ist das für ein Papier?
CHERUBIN. Ach! es ist das Patent.
GRÄFIN. Wie sorgfältig die Leute sind.
CHERUBIN. Basilio hat es mir eben gegeben.
GRÄFIN. Sie haben in der Eile vergessen, das Siegel darunter zu setzen. Sie gibt das Patent zurück.
SUSANNA kommt mit einer Haube zurück. Das Siegel? Worunter?
GRÄFIN. Unter sein Patent.
SUSANNA. Potztausend! Welche Eilfertigkeit! – Da ist die Haube.
GRÄFIN zu Susanna. Eile dich; wir sind verloren, wenn der Graf dazu kommt.
Nr. 12. Arie.
SUSANNA.
Komm näher, kniee hin vor mir,
Und sieh mir ins Gesicht! –
Doch halt dich still, das rat‘ ich dir! –
So recht! – Und rühr‘ dich nicht. –
Nun wende doch auf mich den Blick,
Nicht auf die Dame dort.
Du kleiner Schelm, schau‘ nicht zurück,
Sonst jagen wir dich fort. –
Herrlich! – Jetzt laß dich recht besehen! –
Die Arme in der Mitte! –
Wirst du auch zierlich gehen?
Nur hübsche kleine Schritte;
Steh auf und geh herum!
Leise zur Gräfin.
Es kann dem Schelm nicht fehlen,
Ein jedes Herz zu stehlen.
Welch Auge, welche Blicke,
So schön und doch voll Tücke!
Wenn den die Mädchen lieben,
So wissen sie, warum!
GRÄFIN spricht. Welche Neckerei!
SUSANNA. Ich bin selbst eifersüchtig auf ihn Klei ner Schelm, willst du mir wohl den Gefallen tun und nicht so hübsch sein? Sie saßt Cherubin am Kinn.
GRÄFIN. Laß die Torheiten sein und beende jetzt die Verkleidung. Du mußt die Ärmel höher hinaufstreifen und den Kragen etwas weiblicher legen.
SUSANNA zieht den Ärmel in die Höhe. Es ist geschehen!
GRÄFIN. Was ist das für ein Band?
SUSANNA. Es ist das, welches er mir genommen hat.
GRÄFIN entreißt es ihm. Und voll Blut? Woher das Blut?
CHERUBIN verwirrt. Das Blut? Ich weiß es wirklich nicht! Ich habe mich gestochen und die Wunde hier mit dem Bande verbunden.
SUSANNA. Zeig her. – Es ist so schlimm nicht. – Aber sein Arm ist weißer als der meinige.
GRÄFIN. Neckst du dich noch immer mit ihm? Geh in mein Zimmer und hole ein wenig Englischpflaster. Es liegt auf meinem Toilettentisch.
Susanna geht ins Kabinett.
GRÄFIN. Was das Band betrifft, da es meine liebste Farbe ist, möchte ich es nicht gern entbehren. Sie betrachtet das Band.
SUSANNA kommt zurück und überreicht der Gräfin das Pflaster. Hier! Und was soll er um seinen Arm binden?
GRÄFIN zu Susanna. Wenn du das Kleid holst, so bringe eins von meinen andern Bändern mit.
Susanna geht durch die Tür im Hintergrunde und nimmt Cherubins Mantel mit.
CHERUBIN. Ach, dies Band würde mich augenblicklich geheilt haben.
GRÄFIN. Warum nicht gar. Das Pflaster heilt besser als Bänder, mein junger Freund!
CHERUBIN. Wenn ein Band sich um das Haupt geschmiegt, oder die Haut berührt hat von einer Person –
GRÄFIN unterbricht ihn. Die uns fremd ist, so heilt es Wunden, nicht wahr? Sieh doch! Das habe ich nicht gewußt.
CHERUBIN. Die Frau Gräfin scherzen! Ach, und ich muß fort!
GRÄFIN. Armer Kleiner! welch Schicksal!
CHERUBIN in Tränen. O ich Unglücklicher!
GRÄFIN. Tränen?
CHERUBIN. Warum kann ich nicht sterben? Wäre ich meines unvermeidlichen Todes gewiß, so würde es vielleicht mein Mund wagen –
GRÄFIN. Sei Er klug! Was soll das?
Es wird an die Tür geklopft.
Vierter Auftritt.
Die Vorigen. Der Graf außerhalb.
GRÄFIN. Wer klopft an meiner Tür?
GRAF. Warum sind Sie eingeschlossen?
GRÄFIN erhebt sich. Mein Gemahl! O Himmel! ich bin des Todes! Zu Cherubin. Wenn er Sie hier antrifft, ohne Mantel, in diesem Anzuge – und das empfangene Billett! seine heftige Eifersucht!
GRAF. Warum zaudern Sie?
GRÄFIN. Ich bin allein! Ja – ich bin allein!
GRAF. Mit wem reden Sie denn?
GRÄFIN. Mit Ihnen – nur mit Ihnen.
CHERUBIN. Nachdem, was vorgefallen ist, brächte er mich auf der Stelle um! Ich weiß kein anderes Mittel! Er verbirgt sich im Kabinett.
GRÄFIN zieht den Schlüssel von der Tür des Kabinetts ab und öffnet dem Grafen. Himmel! Schütze mich in dieser Gefahr.
Fünfter Auftritt.
Gräfin. Graf.
GRAF. Das ist ja ganz etwas Neues. Es war sonst niemals Ihre Gewohnheit, sich einzuschließen.
GRÄFIN. Das ist wahr. Aber ich war im Begriff, mich umzukleiden. Susanna war bei mir, sie ging soeben in ihr Zimmer.
GRAF sie ausforschend. Und deshalb sind Sie so bestürzt? Lesen Sie dieses Blatt.
GRÄFIN. Himmel! es ist das Billett, das Figaro ihm geschrieben hat.
Cherubin wirft im Kabinett einen Stuhl um.
GRAF. Was ist das für ein Geräusch?
GRÄFIN. Geräusch?
GRAF. In dem Zimmer fiel etwas.
GRÄFIN. Ich habe nichts gehört.
GRAF. Nichts? Sie müssen an wichtige Dinge zu denken haben.
GRÄFIN. Ich wüßte nicht an was!
GRAF. Es ist jemand in dem Zimmer.
GRÄFIN. Wer sollte denn darin sein?
GRAF. Das frage ich Sie, denn ich bin eben hier hereingekommen.
GRÄFIN. Vermutlich Susanna.
GRAF. Aber Sie sagten ja, daß sie in ihr Zimmer gegangen sei?
GRÄFIN. In ihr Zimmer oder in jenes, ich habe nicht darauf acht gegeben.
GRAF. Also ist es Susanna? Wie kommt es aber, daß Sie so verlegen sind?
GRÄFIN. Verlegen? Wegen meiner Kammerjungfer?
GRAF. Das weiß ich nicht; aber verlegen sind Sie.
GRÄFIN. Ich dächte, wegen Susanna hätten Sie wohl mehr Grund, verlegen zu sein!
GRAF. Meinen Sie? Nun, wir wollen das gleich sehen.
Susanna tritt ein und schlüpft in den Alkoven.
Sechster Auftritt.
Die Vorigen. Susanna, von den anderen ungesehen.
Nr. 13. Terzett.
GRAF.
Nun, nun, wird’s bald geschehen?
Susanna, komm heraus!
GRÄFIN.
Nein, das kann nicht, nicht gehen,
Entrüstet.
Mein Herr, da wird nichts draus!
SUSANNA.
O weh! was ist geschehen?
Ist denn der Pag‘ heraus?
GRAF.
Wer darf sich wiedersetzen? – Wer?
GRÄFIN.
Die Ehre und Höflichkeit so gröblich zu verletzen,
Herr Graf, das geht zu weit.
GRAF.
Ha, ha! da steckt der Handel!
Bald werd‘ ich Wunder sehn.
GRÄFIN.
Wer hilft mir aus dem Handel?
Vor Angst möcht‘ ich vergehn.
SUSANNA.
Nun merk‘ ich schon den Handel,
Allein wie wird das gehn?
GRAF.
Susanna!
GRÄFIN.
Nein! nimmermehr!
GRAF.
Wird’s bald geschehen?
GRÄFIN.
Nein, Herr, nein!
GRAF.
Susanna!
GRÄFIN.
Das kann nicht sein!
GRAF.
So komm heraus!
GRÄFIN.
Nein, nein, da wird nichts draus!
GRAF.
Wohl! bist du in dem Zimmer,
So laß die Stimme hören.
GRÄFIN.
Nein, nein, das leid‘ ich nimmer,
Ich werd‘ es ihr verwehren!
GRAF.
Frau Gräfin, darf ich bitten?
SUSANNA.
O Himmel! welche Sitten!
Was muß die Gräfin leiden,
Und hat schon Gram genug!
GRÄFIN.
Herr Graf, darf ich Sie bitten,
Das Aufsehn zu vermeiden,
Sonst geht das Ding nicht klug!
GRAF.
Frau Gräfin, darf ich bitten,
Das Aufsehn zu vermeiden,
Sonst geht das Ding nicht klug!
SUSANNA.
O Himmel! welche Sitten!
Was muß die Gräfin leiden,
Und hat schon Gram genug!
GRAF spricht. Sie wollen also die Tür nicht öffnen?
GRÄFIN. Nein! Warum soll ich Ihnen meine Zimmer öffnen?
GRAF. Sie wollen nicht? Nun gut! so werde ich sie wohl ohne Schlüssel öffnen können. Holla! Ist niemand da?
GRÄFIN. Wie? Sie wollen ein solches Aufsehen machen? vor Ihren Dienern die Ehre Ihrer Familie aufs Spiel setzen?
GRAF. Es ist wahr, ich habe das nicht überlegt! Ich kann ja ohne Geräusch, ohne unsern Leuten ein Ärgernis zu geben, selbst das Nötige holen. Damit aber mein Verdacht ganz gehoben werde, muß ich Susannas Tür verschließen. Er verschließt die Türen. Ich gehe, um Werkzeuge zu holen.
GRÄFIN für sich. Himmel! welche Unbedachtsamkeit!
GRAF. Sie werden die Güte haben, mich zu begleiten, gnädige Frau! Hier ist mein Arm, lassen Sie uns gehen!
GRÄFIN. Lassen Sie uns gehen!
GRAF mit erhobener Stimme. Susanna wird schon so gut sein, zu warten, bis wir wiederkommen.
Beide ab.
Siebenter Auftritt.
Susanna. Cherubin.
Nr. 14. Duettino.
SUSANNA kommt schnell aus dem Alkoven. An der Tür des Kabinetts.
Geschwind die Tür geöffnet,
Geschwind, ich bin Susanna!
Geschwinde fort von hier!
CHERUBIN kommt verwirrt und atemlos heraus.
O weh mir, welch ein Mißgeschick!
O weh, was wird aus mir!
SUSANNA.
Fort, fort von hier!
CHERUBIN.
O weh, was wird aus mir!
BEIDE.
Der Ausgang ist gesperret,
Wie wird das gehn?
Das will ich sehn!
CHERUBIN.
Hier darf ich nicht mehr weilen!
SUSANNA.
Man muß von hinnen eilen!
CHERUBIN nähert sich dem Fenster.
Laß mich doch einmal sehen,
Wie tief liegt wohl der Garten?
Er macht Miene hinabzuspringen.
SUSANNA hält ihn zurück.
Laß ab von dem Gedanken,
Das geht nicht, glaube mir!
CHERUBIN.
Hier darf ich nicht mehr weilen!
SUSANNA.
Laß ab von dem Gedanken!
CHERUBIN.
Ich darf nicht länger schwanken!
SUSANNA.
Es ist zu hoch zum Springen,
Es geht nicht, glaube mir!
CHERUBIN.
Lasse mich! Lasse mich!
Er reißt sich los.
O es wird mir schon gelingen!
Für sie nimm die Umarmung!
Leb‘ glücklich! So ist’s geschehn!
Er springt hinaus.
SUSANNA.
Er springt dem Tod entgegen!
Das heiß‘ ich doch verwegen!
So bleibe! So bleibe!
Spricht.
O der kleine Schelm! wie flüchtig er springt. Er ist schon weit weg. – Herr Graf, der Page erwartet Sie. Sie geht ins Kabinett.
Achter Auftritt.
Die Gräfin. Der Graf mit Werkzeug, die Tür zu sprengen.
GRAF. Es ist noch alles, wie ich es verlassen habe. Wollen Sie nun freiwillig aufmachen oder soll ich –
GRÄFIN. Ehe Sie öffnen, hören Sie mich ruhig an. Halten Sie mich für fähig, meine Pflicht aus den Augen zu setzen.
GRAF. Nach den Umständen. In diesem Zimmer werd‘ ich es sehen.
GRÄFIN. Sie sollen es sehen! Aber hören Sie mich ruhig an.
GRAF aufgebracht. Susanna ist also nicht darin?
GRÄFIN. Nein; aber jemand, der Ihnen ebensowenig Anlaß zum Argwohn geben kann. Wir wollten diesen Abend einen kleinen unschuldigen Scherz machen, und ich schwöre Ihnen, daß die Ehre und der Anstand –
GRAF. Wer ist es denn? Reden Sie. Noch mehr aufgebracht. Ich ermorde ihn!
GRÄFIN. Hören Sie! Ach, ich habe nicht den Mut –
GRAF. Reden Sie!
GRÄFIN. Es ist ein Knabe!
GRAF. Ein Knabe?
GRÄFIN. Ja, Cherubin.
GRAF. Wie? So muß ich diesen Spitzbuben überall treffen? Er ist nicht abgereist? Verräter! Mein Argwohn ist gerechtfertigt! das ist das Komplott, das sind die Betrügereien, wovon das Billett mich benachrichtigte.
Nr. 15. Finale.
GRAF ungestüm an der Tür des Kabinetts.
Komm heraus, verworfner Knabe!
Unglücksel’ger, zaudre nicht!
GRÄFIN.
Welch ein Toben! Bester Gatte,
Schon ihn, ach, ich flehe dich!
GRAF.
Und du wagst, für ihn zu reden?
GRÄFIN.
Nur zwei Worte –
GRAF.
Wohl! laß hören!
GRÄFIN zitternd und erschreckt.
Könnt‘ ich dir nur seine Unschuld –
Zwar sein Anzug scheint verdächtig;
Bloße Arme, offne Haare –
GRAF.
Bloße Arme, offne Haare? Immer besser!
GRÄFIN.
Nur aus Scherz in Weiberkleider –
GRAF.
Schon genug, du falsche Seele,
Strenge Rache wartet sein!
GRÄFIN.
Gott, das hab‘ ich nicht verschuldet,
Und mein Herz ist wahrlich rein!
GRAF sich zurückwendend.
Her den Schlüssel!
GRÄFIN.
Schone die Unschuld!
GRAF.
Her den Schlüssel!
GRÄFIN.
Schone die Unschuld! Laß dir sagen –
GRAF.
Geh, und schweige! –
Geh, Verrät’rin, Ungetreue!
Dich verzehre bittre Reue!
Ewig bleiben wir getrennt!
GRÄFIN.
Nun denn, sei’s!
Sie will ihm den Schlüssel geben.
Doch –
GRAF.
Keine Bitte!
GRÄFIN.
Doch –
GRAF.
Keine Bitte –
GRÄFIN gibt ihm den Schlüssel.
Meine Unschuld –!
GRAF.
Soll bald sich zeigen!
Sterben muß er, der Verräter!
Er, der unsre Bande trennt!
GRÄFIN.
Ach, wie weit führt blinder Eifer,
Der nicht Ziel noch Grenzen kennt!
Graf zieht den Degen und öffnet das Kabinett.
Susanna erscheint in der Tür und bleibt ernsthaft stehen.
Neunter Auftritt.
Susanna. Graf. Gräfin.
GRAF erstaunt.
Susanna?!
GRÄFIN erstaunt.
Susanna!
SUSANNA.
Da bin ich!
Warum dieses Staunen?
Ironisch.
Den Degen gezogen,
Den Pagen ermordet!
Hier ist der Verräter,
Der Page bin ich!
GRAF.
Ist’s möglich?
Für sich.
Da steh‘ ich und schäme mich sehr!
GRÄFIN für sich.
Susanna! Was seh‘ ich!
Wie kommt die hierher?
SUSANNA für sich.
Da steht er und schämt sich,
Der gnädige Herr!
GRAF zu Susanna.
Wie aber?
SUSANNA zum Grafen.
Wenn drinnen noch sonst jemand wär‘?
So sehn Sie, ob drinnen noch sonst jemand wär‘?
GRAF.
Laß sehen, wenn drinnen noch sonst jemand wär‘!
Er geht ins Kabinett.
GRÄFIN.
Susanna – ich zittre,
Nun kommt es heraus!
SUSANNA zur Gräfin.
Nur ruhig, Frau Gräfin,
Er sprang schon hinaus!
GRAF kommt verwirrt aus dem Kabinett.
Wie sehr hatt‘ ich unrecht;
Kaum kann ich es glauben!
Zur Gräfin.
Hab‘ ich dich beleidigt,
So bitt‘ ich: verzeih mir.
Doch so mich zu necken,
Das war auch nicht recht!
GRÄFIN.
Dein sträfliches Mißtraun
Verdiente noch mehr.
SUSANNA.
Ihr sträfliches Mißtraun
Verdiente noch mehr!
GRAF.
Dich lieb‘ ich!
GRÄFIN.
Ich merk‘ es!
GRAF.
Ich schwör‘ es!
GRÄFIN.
Vergebens!
Ich bin die Verrät’rin,
Die untreue Gattin!
GRAF.
Susanna, hilf bitten!
Was hab‘ ich gemacht?
SUSANNA.
Nein, Strafe verdienet
Ihr schwarzer Verdacht!
GRÄFIN.
So muß ich denn leiden!
Zum Lohn meiner Treue
Wird immer statt Freuden
Mir Kummer gebracht!
SUSANNA bittend.
Frau Gräfin!
GRAF bittend.
Rosinchen!
GRÄFIN.
O schweige! die Zeit ist verschwunden! –
Du liebtest mich ehmals;
Jetzt bin ich verlassen, verachtet,
Du bringst zur Verzweiflung mich!
GRAF.
Du siehst meine Reue,
Ich sage aufs neue
Dir Besserung zu!
SUSANNA.
Er ist ja voll Reue,
Er sagt ja aufs neue
Die Besserung zu!
GRÄFIN.
Grausamer! Es raubt dein Betragen
Mir Frieden und Ruh!
GRAF.
Du schienst mir so ängstlich!
GRÄFIN.
Nur um dich zu prüfen!
GRAF.
Dein Zagen, dein Zittern?
GRÄFIN.
War Scherz, war Verstellung!
GRAF.
Allein der verwünschte Brief –
SUSANNA, GRÄFIN.
Der war vom schlauen Figaro.
Basilio übergeben.
GRAF.
Ha, Bösewicht! wartet, ha, wartet!
SUSANNA, GRÄFIN.
Wer andern nicht verzeihen kann,
Verdienet selbst Vergebung nicht.
GRAF.
Nun wohl, es sei Friede
Für sie und uns alle,
Wenn nur unerbittlich
Mein Rosinchen nicht ist!
GRÄFIN.
Ich fühle, Susanna,
Mein Herz sich erweichen;
Wer glaubt nun noch ferner
An weiblichen Zorn?
SUSANNA.
Im Streite mit Männern
Verlieren wir immer,
Man wendet, man dreht sich
Und kommt doch nicht aus!
GRAF zärtlich.
Nur einen Blick!
GRÄFIN.
Grausamer!
GRAF küßt ihre Hand.
Mich reuet ja mein Unrecht!
SUSANNA.
Nun, das muß ich sagen,
Das heißt doch recht listig
Den Mann hintergehn!
GRÄFIN.
Ich will nicht mehr klagen;
Die Sache wird, hoff‘ ich,
Nie wieder geschehn!
GRAF.
Hör‘ auf, mich zu quälen,
Ich schwöre, ich will mich
Nie wieder vergehn!
Zehnter Auftritt.
Die Vorigen. Figaro.
FIGARO.
Herr Graf, uns erwartet
Der fröhliche Haufe.
Beim Schall der Trompeten,
Mit Geigen und Flöten
Schon singen, schon springen
Die lustigen Bauern.
Zur Hochzeit! zur Hochzeit!
Er will Susanna fortführen.
Die Stunden entfliehn!
GRAF ihn zurückhaltend.
Nun, nun, nicht so eilig!
FIGARO.
Man wartet schon unten!
GRAF.
Nun, nun, nicht so eilig!
Erst heb‘ einen Zweifel,
Und dann kannst du gehn!
SUSANNA, GRÄFIN, FIGARO jeder für sich.
Nun wird sich’s wohl finden,
Wer angeführt ist!
GRAF für sich.
Der Zweifel wird schwinden,
Doch brauchen wir List!
Zu Figaro.
Sag‘ mir doch, mein lieber Figaro,
Kennst du diesen kleinen Brief?
Er zeigt ihm den Brief.
FIGARO ausforschend.
Ei, wie sollt‘ ich? Ei, wie sollt‘ ich?
SUSANNA zu Figaro.
Kennst den Brief nicht?
FIGARO.
Nein!
GRÄFIN zu Figaro.
Kennst den Brief nicht?
FIGARO.
Nein!
GRAF.
Kennst den Brief nicht?
FIGARO.
Nein!
SUSANNA, GRÄFIN, GRAF.
Kennst den Brief nicht?
FIGARO.
Nein, nein, nein!
SUSANNA.
Hast ihn nicht Basil gegeben?
GRÄFIN.
Zur Besorgung?
GRAF.
Du verstehst doch?
FIGARO.
Nun ja! nun ja!
SUSANNA.
Und du weißt nichts von dem Pagen?
GRÄFIN.
Der heut abend hier im Garten –
GRAF.
Nun, du hörst doch?
FIGARO.
Ich weiß von nichts!
GRAF.
Nur vergebens willst du lügen,
Deine Miene kann nicht trügen,
Und dein Auge klagt dich an!
FIGARO zum Grafen.
Nun, so lügen meine Mienen!
SUSANNA, GRÄFIN zu Figaro.
Diesmal weiß man deine Taten,
Dein Geheimnis ist verraten,
Das dein Witz nicht retten kann!
GRAF.
Nun, was sagst du?
FIGARO.
Nichts, o gar nichts!
GRAF.
Du gestehest?
FIGARO.
Nichts gesteh‘ ich!
GRÄFIN, SUSANNA zu Figaro.
So gesteh nur, närr’sches Männchen,
Ist der Spaß doch nun geschehn!
FIGARO.
Um ihn fröhlicher zu enden,
Wie sich alle Farcen schließen,
Er faßt Susanna beim Arm.
Laßt uns tanzen, laßt uns küssen,
Und zu unsrer Hochzeit gehn.
FIGARO, SUSANNA.
Gnäd’ger Herr, darf ich Sie bitten,
So erfüllen Sie den Wunsch.
GRÄFIN.
Lieber Graf, darf ich dich bitten,
So erfülle ihren Wunsch.
GRAF.
Marcellina! Marcellina!
O wie lange zauderst du!
Elfter Auftritt.
Die Vorigen. Antonio, halb betrunken, trägt einen Nelkenstock.
ANTONIO entrüstet.
Gnäd’ger Herr! Herr Graf!
GRAF.
Was gibt’s Neues!
ANTONIO.
Welche Frechheit! Wer tat das? Wer war’s?
DIE ÜBRIGEN.
Nun was ist’s denn?
Was fehlt dir? Was hast du?
ANTONIO.
Jetzt erzähl‘ ich’s!
DIE ÜBRIGEN.
Wir hören dir zu!
ANTONIO.
Aus dem Fenster hinab in den Garten
Wirft man täglich verschiedene Sachen,
Doch soeben, es ist nicht zum Lachen,
Warf man gar einen Menschen hinab!
GRAF lebhaft.
Aus dem Fenster?
ANTONIO zeigt ihm die Nelken.
Auf unsre besten Blumen!
GRAF.
In den Garten?
ANTONIO.
Ja!
GRÄFIN, SUSANNA leise zu Figaro.
Figaro, hilf uns!
GRAF.
Wie? Was hör‘ ich?
GRÄFIN, SUSANNA, FIGARO für sich.
Der kommt recht zur Unzeit!
Was will doch dieser Trunkenbold hier?
GRAF zu Antonio.
Also war das ein Mensch, der hinaussprang?
ANTONIO.
Ich weiß nicht, war es Sprung oder Fallen,
Aber schnell lief der Gaudieb davon!
SUSANNA zu Figaro.
Unser Page!
FIGARO.
Ich weiß es! Ich sah ihn!
Laut lachend.
Hahahaha!
GRAF zu Susanna.
Sei doch still!
FIGARO.
Hahahaha!
ANTONIO zu Figaro.
Warum lachst du?
FIGARO.
Hahahaha!
GRAF zu Figaro.
Sei doch still! Sei doch still! Sei doch still!
ANTONIO.
Warum lacht er? Warum lacht er?
FIGARO zu Antonio.
Trinkst du dir schon so früh einen Rausch?
Bist schon wieder betrunken, mein Freund!
GRAF zu Antonio.
Sprich noch einmal, wiederhol‘ es mir:
Ein Mensch aus dem Fenster?
ANTONIO.
Aus dem Fenster!
GRAF.
In den Garten?
ANTONIO.
In den Garten!
GRÄFIN, SUSANNA, FIGARO.
Ja, man hört, daß der Wein aus ihm redet!
GRAF zu Antonio.
Sprich nur weiter! sprich nur weiter! –
War er dir nicht kennbar?
ANTONIO.
Nein, er eilte –
GRAF.
Wie?
GRÄFIN, SUSANNA zu Figaro.
Holla, Figaro, Achtung!
FIGARO zu Antonio.
Nun, so schweige doch einmal, du Schreier!
Welch ein Lärm um die elenden Blumen!
Er zeigt mit Verachtung auf die Nelken.
Muß der Täter sich nennen, so wisse:
Ja, ja, ich sprang zum Fenster hinaus!
GRAF.
Wie? Du selber?
FIGARO.
Wer denn sonst?
GRÄFIN, SUSANNA für sich.
Der Schalk! o wie listig!
ANTONIO zu Figaro.
Wie? Du selber?
FIGARO.
Wer denn sonst? Wer denn sonst?
GRÄFIN, SUSANNA.
Der Schalk! O wie listig!
GRAF.
Das scheint mir nicht glaublich!
ANTONIO zu Figaro.
Nun, so bist du auf einmal viel größer!
Vorhin schienst du mir kleiner zu sein!
FIGARO.
Ja, beim Springen, da geht das so her!
ANTONIO.
Wer das glaubte!
GRÄFIN, SUSANNA zu Figaro.
Und er wagt es, zu zweifeln?
GRAF zu Antonio.
Sprich, was meinst du?
ANTONIO.
War’s nicht etwa der Page?
GRAF heftig.
Cherubin?
GRÄFIN, SUSANNA für sich.
Zum Verzweifeln! zum Verzweifeln!
FIGARO.
Ja, ganz richtig! ja, ganz richtig!
Ironisch.
Drum kam er von Sevilla zu Pferde,
Denn dahin ist er heute gereist!
ANTONIO einfältig.
Wie, zu Pferde? So war’s nicht gemeint.
Nein, er sprang aus dem Fenster zu Fuß!
GRAF.
Keine Possen!
GRÄFIN, SUSANNA für sich.
Welche Pein!
GRAF.
Ich bin’s endlich müde!
GRÄFIN, SUSANNA.
Ach, wer hilft uns heraus!
GRAF zu Figaro.
Also du?
FIGARO.
Ja, ich sprang!
GRAF.
Und warum?
FIGARO.
Ei, aus Furcht.
GRAF.
Wie, aus Furcht?
FIGARO.
Dort im Zimmer sucht‘ ich heimlich
Dies liebe Gesichtchen, als mich plötzlich
Ihr Kommen erschreckte! –
Ihre Stimme – ich dacht‘ an das Briefchen –
Sprang hinaus voller Furcht und voll Schrecken,
Und verrenkt‘ eine Sehne am Fuß.
Er tut, als ob er sich das Bein beschädigt hätte.
ANTONIO zeigt Figaro das Patent des Pagen.
So gehört also Ihm diese Briefschaft,
Die Er verloren?
GRAF nimmt es ihm weg.
Holla! laß mich doch sehn!
FIGARO leise zur Gräfin und Susanna.
Jetzt ist alles aus! Jetzt ist alles aus!
GRÄFIN, SUSANNA leise.
Figaro, hilf uns! Figaro, hilf uns!
GRAF öffnet das Blatt und macht es schnell wieder zu.
Sag‘ einmal – was ist das für ein Blatt?
FIGARO nimmt einige Papiere aus der Tasche.
Ja, das kann ich –
Doch hab‘ ich so viele Schriften –
ANTONIO.
Ist’s vielleicht ein Register von Gläubigern?
FIGARO.
Nein, vom Gastwirt die Rechnung.
GRAF zu Figaro.
So sprich denn!
Zu Antonio.
Und du laß ihn gehn!
GRÄFIN, SUSANNA, FIGARO zu Antonio.
Fort mit dir! Verlaß uns!
ANTONIO.
Ja, ich geh‘, aber treff‘ ich dich wieder –
GRÄFIN, SUSANNA, GRAF.
Verlaß uns!
FIGARO zu Antonio.
Geh nur, dich fürchtet man nicht!
GRÄFIN, SUSANNA, GRAF.
Verlaß uns!
ANTONIO.
Ja, ich geh‘, aber treff‘ ich dich wieder –
GRÄFIN, SUSANNA, GRAF.
Fort mit dir, verlaß uns!
FIGARO.
Geh nur, dich fürchtet man nicht!
Antonio ab.
Graf schlägt das Blatt wieder auf.
GRAF zu Figaro.
Also?
GRÄFIN leise zu Susanna.
O weh! das Patent für den Pagen!
GRAF.
Also?
SUSANNA leise zu Figaro.
Das Patent für den Pagen!
GRAF.
So rede!
FIGARO stellt sich, als ob er sich besänne.
Ha, jetzt weiß ich’s! ha, jetzt weiß ich’s! –
Des Pagen Patent ist’s,
Das der Kleine vor kurzem mir gab!
GRAF.
Und warum denn?
FIGARO verwirrt.
Es fehlte –
GRAF.
Was fehlte?
GRÄFIN leise zu Susanna.
Noch das Siegel!
SUSANNA leise zu Figaro.
Das Siegel!
GRAF.
Gib Antwort!
FIGARO tut, als ob er nachdächte.
Es ist üblich –
GRAF.
Warum so verlegen?
FIGARO.
Ei, man pflegt die Patente zu siegeln!
GRAF zerreißt das Blatt, für sich.
Dieser Schelm macht mich toll, macht mich rasend!
SUSANNA für sich.
Kommt sie glücklich aus diesem Gedränge,
Hat sie nichts mehr zu fürchten für sich!
GRÄFIN für sich.
Komm ich glücklich aus diesem Gedränge,
Dann ist nichts mehr zu fürchten für mich!
FIGARO für sich.
Lärme, tobe und stampf‘ mit dem Fuße,
Du bist doch noch nicht schlauer als ich!
GRAF.
Alles dies bleibt ein Rätsel für mich!
Dieser Schelm macht mich toll, macht mich rasend,
Alles dies bleibt ein Rätsel für mich!
Zwölfter Auftritt.
Die Vorigen. Marcellina. Bartolo. Basilio.
MARCELLINA, BARTOLO, BASILIO zum Grafen.
Gnäd’ger Herr, von Ihren Händen,
Fordern wir Gerechtigkeit!
GRAF für sich.
Endlich kann ich mich noch rächen,
Dies kommt mir zu rechter Zeit!
FIGARO, SUSANNA, GRÄFIN für sich.
Diese kommen, sich zu rächen,
Welche neue Verlegenheit!
FIGARO zum Grafen.
Sie sind Narren, sie sind Schelme!
Ihre Frechheit geht zu weit.
GRAF.
Ich verbiete alles Lärmen,
Jeder sprech‘ zu seiner Zeit!
MARCELLINA.
Gegen diesen Hauptverräter,
Der mir heut sein Eh’versprechen
Im Begriffe ist, zu brechen,
Bitt‘ ich um Gerechtigkeit!
FIGARO, SUSANNA, GRÄFIN.
Wie denn? Wie denn?
GRAF.
Holla! Seid ruhig! seid ruhig! seid ruhig!
Antwort mit Bescheidenheit!
BARTOLO.
Obbesagtes Eh’versprechen
Ist die Jungfer Marcellina,
Der ich hier als Beistand diene,
Zu erfüllen gern bereit!
FIGARO, SUSANNA, GRÄFIN.
Hört den Schurken! hört den Schurken!
GRAF.
Holla! Seid ruhig! seid ruhig! seid ruhig!
Ehrfurcht und Bescheidenheit!
BASILIO.
Ich erscheine hier als Zeuge,
Den bei solchen Eh’standsklagen
Weisen Rat nicht zu versagen,
Fordert Pflicht und Menschlichkeit.
FIGARO, SUSANNA, GRÄFIN.
Seh‘ man doch nur die drei Schelme!
GRAF.
Holla! seid ruhig! Wir wollen sehen!
Man muß den Kontrakt durchgehen.
Alles nach Gerechtigkeit!
FIGARO, SUSANNA, GRÄFIN.
Wie sie höhnen, wie sie lachen!
GRAF, MARCELLINA, BARTOLO, BASILIO.
Das muß helfen, das muß gehen!
FIGARO, SUSANNA, GRÄFIN.
Was ist nun für uns zu machen?
GRAF, MARCELLINA, BARTOLO, BASILIO.
Wie sie staunen, wie sie stehen!
FIGARO, SUSANNA, GRÄFIN.
Hält der Teufel solche Sachen
Denn allein für uns bereit?
Das ist ja ein Höllenstreit!
GRAF, MARCELLINA, BARTOLO, BASILIO.
Nichts hilft jetzt ihr Wenden, Drehen,
Figaros Verschlagenheit!
Dritter Aufzug.
Ein großer, zur Hochzeitsfeier geschmückter Saal.
Erster Auftritt.
Der Graf allein, auf und ab gehend.
GRAF. Sonderbar! In welcher Verlegenheit bin ich da. Das Billett von einem Unbekannten – die Kammerjungfer in dem Zimmer eingeschlossen, meine Gemahlin in Verwirrung – ein Mensch, der aus dem Fenster springt – ein anderer behauptet, er wäre es gewesen – ich weiß nicht, was ich davon halten soll! Könnte nicht vielleicht einer meiner Untertanen – solche Leute sind gewöhnlich unverschämt. Aber die Gräfin – o ein solcher Verdacht kann nicht auf sie fallen. Sie achtet sich selbst zu sehr und meine Ehre – doch wohin verleitet mich menschliche Schwäche? Er steht abgewendet links vorn. Wie komme ich aus diesem Labyrinth.
Zweiter Auftritt.
Der Vorige. Gräfin und Susanna im Hintergrunde.
GRÄFIN leise zu Susanna. Fasse Mut. Sage ihm, daß er dich im Garten erwarten soll.
GRAF. Ich werde erfahren, ob Cherubin in Sevilla angekommen ist. Deshalb hab‘ ich Basilio abgeschickt –
SUSANNA. Aber was wird Figaro denken?
GRÄFIN. Dem mußt du nichts davon sagen; ich will statt deiner hingehen!
GRAF. Er sollte doch diesen Nachmittag wieder zurückkehren!
SUSANNA. O Gott! ich darf es nicht wagen!
GRÄFIN. Bedenke, daß meine Ruhe in deiner Hand liegt! Sie zieht sich zurück.
GRAF. Und Susanna? Wer weiß, ob sie mein Geheimnis nicht verraten hat? O wenn sie geplaudert hat, so muß er die Alte heiraten.
SUSANNA. Wirklich? Gnädiger Herr!
GRAF. Was willst du?
SUSANNA. Sie scheinen aufgebracht zu sein.
GRAF. Verlangst du etwas?
SUSANNA. Gnädiger Herr – Ihre Frau Gemahlin hat ihre gewöhnlichen Kopfschmerzen, und da soll ich Sie bitten, mir das Riechfläschchen zu geben.
GRAF. Da ist es.
SUSANNA. Ich bringe es Ihnen gleich wieder.
GRAF. O nein, du kannst es für dich behalten.
SUSANNA. Für mich? Verzeihen Sie, diese Krankheiten sind nicht für Mädchen von meinem Stande.
GRAF. Je nun, eine Braut, die eben auf dem Punkte steht, ihren Bräutigam zu verlieren, könnte wohl dergleichen nötig haben.
SUSANNA. Wenn wir aber Marcellina mit dem Brautschatze bezahlen, den Sie mir versprochen haben?
GRAF. Den ich versprochen habe?
SUSANNA. Ich glaube Sie so verstanden zu haben.
GRAF. Ja, wenn du mich hättest verstehen wollen –
SUSANNA. Es ist ja meine Pflicht, den Herrn Grafen immer zu verstehen!
GRAF. Wirklich? Ah!
Nr. 16. Duett.
GRAF.
So lang‘ hab‘ ich geschmachtet,
Ohn‘ Hoffnung dich geliebt.
SUSANNA.
Die wird gar leicht verachtet,
Die sich zu früh ergibt.
GRAF.
Kommst du zu mir in’n Garten?
SUSANNA.
Um die bestimmte Zeit.
GRAF.
Werd‘ ich umsonst dein warten?
SUSANNA.
Sie finden mich bereit.
GRAF.
So kommst du?
SUSANNA.
Ja.
GRAF.
Läßt mich nicht warten?
SUSANNA.
Nein.
GRAF.
Umsonst nicht warten?
SUSANNA.
Sie finden mich bereit.
GRAF freudig.
So atm‘ ich denn in vollen Zügen
Der Liebe süßes Glück.
SUSANNA.
Wie schwer fällt mir’s zu lügen,
Doch will es mein Geschick.
GRAF. Und warum warst du diesen Morgen so widerspenstig?
SUSANNA. Cherubin war ja dabei!
GRAF. Und Basilio, der bei dir für mich sprach?
SUSANNA. Ist es denn nötig, daß Basilio –
GRAF. Das ist wahr! das ist wahr! Und du versprichst mir also? O wenn du nicht Wort hältst! Aber die Gräfin wird das Riechfläschchen erwarten.
SUSANNA. Ohne diesen Vorwand hätte ich Sie ja nicht sprechen können.
GRAF. Liebes Mädchen!
SUSANNA. Es kommt jemand!
GRAF. Sie ist mein!
SUSANNA im Abgehen, für sich. Wischen Sie sich den Mund, mein schlauer Herr!
Dritter Auftritt.
Die Vorigen. Figaro.
FIGARO. Susanna! Wo gehst du hin?
SUSANNA. Still! Komm, mein Freund! Du hast keinen Advokaten mehr nötig! Dein Prozeß ist gewonnen. Sie gehen ab.
Vierter Auftritt.
Der Graf Allein.
Nr. 17. Rezitativ und Arie.
GRAF.
Der Prozeß schon gewonnen?
Wie? Was hör‘ ich?
Also war dies ein Fallstrick?
Treulose! – Ich will euch, will euch
Schon streng genug bestrafen. –
Nach meiner Willkür
Wird der Urteilsspruch sein. –
Doch wenn mit Gelde
Man Marcellina abkauft? –
Mit Gelde? Mit was für Gelde?
Auch muß Antonio jetzt dem Landstreicher Figaro
Verweigern, Susanna, seine Nichte,
Zur Frau zu geben.
Ich erwecke den Hochmut
Des alten, eitlen Toren. –
Sicher wird er mir folgen. –
Es muß gelingen!
Ich soll ein Glück entbehren,
Das mir ein Knecht entziehet?
Der Wonne, die mich fliehet,
Soll sich ein Sklav‘ erfreun?
Das Herz, das ich begehre,
Verschmähet meine Liebe,
Begünstigt niedre Triebe.
Und ich soll ruhig sein?
Nein, nein! nein, nein! nein, nein! nein, nein!
Du sollst dein Spiel verlieren,
Verräterische Rotte!
Ihr sollt nicht triumphieren,
Noch dien‘ ich euch zum Spotte;
Doch bald wird über Figaro
Der Stab gebrochen sein.
Ich will durch Marcellina
An euch mich zehnfach rächen,
Das wird mir Wonne sein.
Fünfter Auftritt.
Der Graf. Don Curzio. Marcellina. Figaro. Bartolo. Später Susanna.
CURZIO stotternd. Nun gut! Wir wo-wollen also wörtlich da-davon reden.
BARTOLO. Es betrifft eine Eheversprechung –
MARCELLINA. Und einen Vorschuß an Geld.
CURZIO. Ich ver-verstehe, et cetera, das übrige.
MARCELLINA. Nein, mein Herr, keine et cetera.
CURZIO. Ich ver-verstehe ganz gut; sie hat die ganze Summe –
MARCELLINA. Nein, mein Herr! ich habe den Vorschuß getan.
CURZIO. Ich verstehe sehr wohl. Sie wi-will Ihr Geld wiederhaben?
MARCELLINA. Nein, mein Herr! ich will, daß er mich heirate.
CURZIO. Nun gut! ich verstehe vollkommen; wi-will er Sie aber heiraten?
MARCELLINA. Nein, mein Herr, darin besteht ja eben meine Klage.
CURZIO. Glaubt Sie, daß ich Sie nicht ver-verstehe, die Klage?
MARCELLINA. Nein, mein Herr! Zu Bartolo. Da kommen wir schön an. Zu Curzio. Sie sind also Richter in der Sache?
CURZIO. Wozu hätte ich denn sonst mein Amt gekauft?
MARCELLINA. Es ist gar nicht gut, daß dergleichen käuflich ist!
CURZIO. Freilich. Man täte besser, es umsonst zu geben! Gegen wen führt Sie denn Klage?
MARCELLINA. Gegen den Bösewicht Figaro da.
FIGARO für sich. Da ist ja die ganze saubere Rotte beisammen! Laut. Ich störe Sie doch nicht? Mein Herr Richter, der Herr Graf wird gleich hier sein.
CURZIO. Ich habe den Menschen irgendwo gesehen.
FIGARO. In Sevilla bei Ihrer Frau Gemahlin, zu Ihren Diensten.
CURZIO. Ist es schon lange?
FIGARO. Etwas weniger als ein Jahr vor der Geburt Ihres jüngsten Sohnes.
CURZIO. Das ist ein recht hübsches Kind, des kann ich mich rühmen.
FIGARO. Es freut mich, wenn es Ihnen gefällt.
CURZIO. Ja, es ist das hübscheste von allen. Wie ich höre, so machst du hier artige Streiche?
FIGARO. Nichts als Kleinigkeiten!
CURZIO. Ein Eheversprechen eine Kleinigkeit? Er wird bald sehen, ob das eine Kleinigkeit ist. – Ah! der Herr Graf!
GRAF zu Curzio. Nun, Herr Richter, zur Sache. Haben Sie alles erwogen? Wollen Sie jetzt das Urteil sprechen?
CURZIO. Ja, da-das Urteil will ich kurz sprechen: – Fi-Figaro muß bezahlen oder heiraten.
MARCELLINA. Ich erhole mich wieder.
FIGARO. Und ich ersticke!
MARCELLINA für sich. Endlich werd‘ ich doch den Mann besitzen, den ich anbete.
FIGARO. Ich appelliere! ich bin ein Edelmann!
GRAF. Das Urteil ist gerecht: bezahlen – oder heiraten. Schön, Herr Richter!
BARTOLO. Welch ein schönes Urteil!
FIGARO. Worin besteht das Schöne?
BARTOLO. Wir sind alle gerächt!
FIGARO. Ich werde sie nicht heiraten.
BARTOLO. Du wirst sie heiraten.
CURZIO. Du be-bezahlst oder du hei-heiratest.
MARCELLINA. Ich habe ihm zweitausend Dukaten geliehen.
FIGARO. Ich bin von Adel, und ohne Einwilligung meiner adeligen Eltern –
GRAF. Wo sind sie? Wer sind sie?
FIGARO. Lassen Sie mich sie suchen, ich hoffe sie binnen zehn Jahren gefunden zu haben.
BARTOLO. Es ist ein gefundenes Kind.
FIGARO. Ein verlornes, Herr Doktor, oder vielmehr ein gestohlenes.
GRAF. Wie?
MARCELLINA. Was?
BARTOLO. Den Beweis?
CURZIO. Das – das Zeugnis?
FIGARO. Gold, Edelsteine und gestickte Teppiche, die in meiner zarten Jugend die Räuber bei mir gefunden haben, sind die wahren Beweise meiner vornehmen Geburt, und vor allem ein Mal, das ich hier am Arm habe.
MARCELLINA. Ein Mal am rechten Arm?
FIGARO. Wer hat Ihr das gesagt?
MARCELLINA. O Himmel, er ist’s!
FIGARO. Freilich bin ich’s.
CURZIO. Wer? Wer?
GRAF. Wer?
MARCELLINA. Emanuel!
BARTOLO. Du bist von Räubern gestohlen worden?
FIGARO. Nahe bei einem Schlosse.
BARTOLO auf Marcellina zeigend. Dies ist deine Mutter.
FIGARO. Amme?
BARTOLO. Nein, deine Mutter.
GRAF, CURZIO. Seine Mutter?
BARTOLO. Komm in meine Arme, du bist der Sohn deines Vaters!
Nr. 18. Sextett.
MARCELLINA umarmt Figaro.
Laß mein liebes Kind dich nennen,
Laß ans Mutterherz dich drücken.
FIGARO zu Bartolo.
Und auch Sie, Vater, erkennen
Heute mich für Ihren Sohn?
BARTOLO umarmt Figaro.
Lange sprach zu deinem Vorteil
Eine inn’re Stimme schon.
CURZIO.
Mit dem alten Eh’versprechen
Ist’s vorbei, es wird nichts draus!
GRAF.
Neue Ränke, neue Schwänke;
Länger halt‘ ich es nicht aus.
MARCELLINA.
Kind der Liebe!
BARTOLO.
Sohn der Liebe!
FIGARO.
Geliebte Eltern!
Graf will abgehen.
SUSANNA tritt auf mit einer Börse und hält den Grafen zurück.
Darf ich bitten, nicht zu eilen,
Noch ein wenig zu verweilen?
Ich bezahle tausend Gulden
Lösegeld für Figaro.
GRAF, CURZIO.
Nur Geduld, das Ding ist wichtig,
Stille doch, das geht nicht so.
MARCELLINA.
Kind der Liebe!
BARTOLO.
Sohn der Liebe!
FIGARO.
Geliebte Eltern!
SUSANNA sieht, wie Figaro Marcellina umarmt.
Gott, was seh‘ ich? Alles richtig?
Ungetreu ist Figaro?
Fort, Verräter!
Sie will abgehen.
FIGARO hält sie zurück.
Laß dich belehren!
SUSANNA.
Mag nichts hören!
FIGARO.
Laß dich belehren!
Höre, Geliebte! Höre! höre!
SUSANNA gibt ihm eine Ohrfeige.
Du magst fühlen!
FIGARO, BARTOLO.
Nur aus liebevollem Herzen
Kommen diese Küsse her.
MARCELLINA.
Nur aus reinem Mutterherzen
Kommen diese Küsse her!
GRAF.
Vor Verzweiflung, Wut und Schmerzen
Hör‘ und seh‘ ich fast nichts mehr!
CURZIO.
Vor Verzweiflung, Wut und Schmerzen
Hört und sieht sie fast nichts mehr!
SUSANNA für sich.
Vor Verzweiflung, Wut und Schmerzen
Hör‘ und seh‘ ich fast nichts mehr!
MARCELLINA zu Susanna.
Sei ruhig und wisse, ich bin seine Mutter,
Dein Gatte ist mein und ist Bartolos Sohn.
SUSANNA.
Die Mutter?
ALLE ANDERN.
Die Mutter!
FIGARO.
Und der ist mein Vater, er sagt es ja selbst.
SUSANNA.
Sein Vater?
ALLE ANDERN.
Sein Vater!
FIGARO.
Und sie meine Mutter, sie sagt es dir selbst.
CURZIO.
Der redet von Freuden,
Der andre von Leiden,
Ich weiß nicht, ist’s Ernst,
Oder ist es nur Scherz.
GRAF.
Es fliehen die Freuden,
Es drücken mich Leiden.
Es trifft mich Beschämung
Und bitterer Schmerz!
BARTOLO, SUSANNA, FIGARO, MARCELLINA.
O Wonne, o Freuden,
Nach Unruh‘ und Leiden
Schlägt jetzt mir von froher
Empfindung mein Herz.
Der Graf und Don Curzio gehen ab.
Sechster Auftritt.
Susanna. Marcellina. Figaro. Bartolo.
MARCELLINA. Ja, liebster Freund, dies ist die Frucht unserer alten Zärtlichkeit.
BARTOLO. Lassen Sie uns von so lange vergangenen Dingen nicht mehr sprechen. Er ist mein Sohn, und Hochzeit soll sein, sobald Sie wollen.
MARCELLINA. Heute, und es wird ein doppeltes Fest sein. Zu Figaro. Nimm. Dies ist die Verschreibung über das Geld, welches du mir schuldig warst; sie sei dein Heiratsgut.
SUSANNA. Nimm auch dies!
BARTOLO. Und auch diesen!
FIGARO. Schön. Werft nur, ich hebe immer auf!
SUSANNA. Welches Glück ist dem meinigen gleich!
FIGARO. Das meinige!
BARTOLO. Nein, das meinige!
Alle gehen ab.
Siebenter Auftritt.
Cherubin. Bärbchen.
BÄRBCHEN. Laß uns gehen, schöner Page! Komm in unser Haus, da wirst du die schönsten Mädchen des Schlosses versammelt finden und du wirst sicher von allen der Schönste sein!
CHERUBIN. Ach, wenn mich der Graf ertappt, so bin ich verloren. Du weißt, daß er mich in Sevilla glaubt.
BÄRBCHEN. Und was täte das weiter. Wenn er dich auch bei mir findet, so ist es doch nicht das erstemal. Wir wollen dich in eines meiner Kleider stecken und dann alle der gnädigen Frau Blumensträuße bringen Vertraue dich Bärbchen an, Cherubin, ich verrate dich nicht.
CHERUBIN. Wenn du es wünschest, so will ich mit dir gehen; ich weiß, daß du mich liebst, ich will mich dir anvertrauen. Wenn ich nur der Gräfin schönes Antlitz wiedersehe, so fürchte ich keine Gefahr.
Beide gehen ab.
Achter Auftritt.
Die Gräfin allein.
Nr. 19. Rezitativ und Arie.
GRÄFIN.
Und Susanna kommt nicht?
Ach, was heißt das?
Wüßt‘ ich nur, wie mein Gatte
Den Antrag aufgenommen!
Kühn scheint es immer, was ich heut wagen will.
Der Graf ist heftig, voll von Mißtraun;
Er wird toben. –
Bestimmt.
Allein, was tut’s? Ich wechsle meine Kleider;
Nehme die von Susanna –
Sie nimmt die meinen, und die Nacht ist uns günstig.
O Himmel! zu welch einer niedrigen Rolle
Bin ich gezwungen durch des Gatten Schuld.
Er macht mir unerhörte Pein,
Hintergeht mein ihm treues Herz, und darf noch eifern?
Einst war ich angebetet,
Dann verabsäumt und nun betrogen;
Jetzt muß ich gar zu unwürd’gen Künsten schreiten!
Nur zu flüchtig bist du verschwunden,
Freudenvolle, o sel’ge Zeit,
Hin sind jene Rosenstunden,
Treuer Liebe nur geweiht!
O daß noch für den Verräter
Dieses Herz so zärtlich spricht;
Schone seiner, großer Rächer,
Strafe seinen Meineid nicht!
Liebe! führ‘, ach! aus Erbarmen,
Ihn an meine Brust zurück!
Stehst du mir nicht bei, mir Armen,
O dann stirbt mein ganzes Glück!
Sie geht ab.
Neunter Auftritt.
Der Graf. Antonio.
ANTONIO. Ich sage Ihnen, gnädiger Herr, Cherubin ist gewiß noch im Schlosse; das beweist ja sein Hut, den ich hier habe.
GRAF. Aber wie, wenn er ebenjetzt in Sevilla angekommen wäre?
ANTONIO. Verzeihen Sie, heute ist Sevilla in meinem Hause; dort hat er Weiberkleider angezogen und die seinigen dort liegenlassen.
GRAF. Der Bösewicht!
ANTONIO. Kommen Sie nur mit mir, gnädiger Herr, und Sie werden es selbst sehen!
Beide gehen ab.
Zehnter Auftritt.
Die Gräfin. Susanna.
GRÄFIN spricht. Nun, was sagte der Graf dazu?
SUSANNA. Zorn und Ärger zeigten sich auf seiner Stirn.
GRÄFIN. Nun, so wird er um so eher in die Falle laufen. Wo soll die Zusammenkunft sein, die du vorgeschlagen hast?
SUSANNA. Im Garten.
GRÄFIN. Bestimme ihm einen Ort. Schreibe ihm.
SUSANNA. Ich soll schreiben? Aber, gnädige Frau!
GRÄFIN. Schreib, sag‘ ich dir, ich nehme alles auf mich. Sie diktiert.
Nr. 20. Duettino.
SUSANNA. Nun, soll ich?
GRÄFIN. Wenn die sanften Abendlüfte –
SUSANNA. Sanften Abendlüfte –
GRÄFIN. Über unsre Fluren wehn –
SUSANNA. Über unsre Fluren wehn,
GRÄFIN. Wollen wir durch süße Düfte –
SUSANNA fragend. Süße Düfte?
GRÄFIN. Wollen wir durch süße Düfte –
SUSANNA schreibt. Wollen wir durch süße Düfte –
GRÄFIN. In den stillen Garten gehn.
SUSANNA. In den stillen Garten gehn.
BEIDE. Nun, das kann er schon verstehn.
GRÄFIN. Zeige, was du geschrieben!
SUSANNA liest. Wenn die sanften Abendlüfte –
GRÄFIN ebenso. Über unsre Fluren wehn,
SUSANNA. Wollen wir durch süße Düfte –
GRÄFIN. In den stillen Garten gehn.
BEIDE. Ja, das wird er schon verstehn!
SUSANNA spricht. Wie soll ich das Billett versiegeln?
GRÄFIN. Hier! nimm diese Nadel! Sie kann zum Siegel dienen. Warte! Schreib auf den Rand des Blattes: Schicken Sie das Siegel zurück.
SUSANNA. Das ist noch wunderbarer als das Siegel unter dem Patent.
GRÄFIN. Verbirg es geschwind, ich höre Leute kommen.
Susanna versteckt den Brief
Elfter Auftritt.
Die Vorigen. Cherubin als Landmädchen gekleidet. Bärbchen und andere Mädchen, alle mit Blumensträußen.
Nr. 21. Chor.
CHOR.
Gnäd’ge Gräfin, diese Rosen,
Die wie Sie, so sanft und schön,
Pflückten wir am frühen Morgen,
Dieses Fest heut zu begehn!
Nehmen Sie von unsern Händen,
Was ein armes Bauernmädchen
Voll von Ehrfurcht und voll Liebe,
Voll von Ehrfurcht geben kann,
Diese Blumen huldreich an!
BÄRBCHEN. Gnädige Frau! Das sind junge Mädchen des Ortes, die Ihnen das wenige, was sie haben, anbieten. Verzeihen Sie gnädig unsere Kühnheit!
GRÄFIN. O schön! Ich danke euch, meine lieben Kinder!
SUSANNA. Wie hübsch sie sind!
GRÄFIN. Wer ist denn das liebenswürdige Mädchen mit der sittsamen Miene dort?
BÄRBCHEN. Sie ist meine Verwandte und gestern abend hier angekommen, um der Hochzeit beizuwohnen.
GRÄFIN. Wir müssen der schönen Fremden den Vorzug geben. Komm her, mein Kind, gib mir deine Blumen. Wie sie errötet! Susanna, findest du nicht, daß sie jemand ähnlich sieht?
SUSANNA. Ja, sehr ähnlich.
Zwölfter Auftritt.
Die Vorigen. Graf. Antonio.
ANTONIO schleicht sacht herbei, nimmt Cherubin die Haube ab und setzt ihm den Offiziershut auf. Ei, der Henker, da steht der Offizier!
GRÄFIN. O Himmel!
SUSANNA. Der verwünschte Mensch!
GRAF. Nun, gnädige Frau? Was sagen Sie dazu?
GRÄFIN. Ich bin ebenso erstaunt als Sie.
GRAF. Aber diesen Morgen?
GRÄFIN. Diesen Morgen? – Wir wollten ihn zu dem heutigen Feste ebenso ankleiden, wie er jetzt angekleidet ist.
GRAF. Und warum ist er nicht abgereist?
CHERUBIN. Gnädiger Herr!
GRAF. Ich werde seinen Ungehorsam zu bestrafen wissen.
BÄRBCHEN. Gnädiger Herr, Sie sagen so oft, wenn Sie so kommen und mich küssen: Bärbchen, wenn du mich liebst, so will ich dir alles geben, was du verlangst –
GRAF. Ich hätte das gesagt?
BÄRBCHEN. Ja freilich. Geben Sie mir nur Cherubin zum Manne, und ich will Sie recht herzlich liebhaben.
GRÄFIN. Nun, Herr Graf, was sagen Sie dazu?
ANTONIO. Bravo, meine Tochter! Du bist bei einem guten Meister in die Schule gegangen.
GRAF. Ich weiß nicht, welcher Mensch, welcher Teufel mir alles zum Verdruß wendet?
Dreizehnter Auftritt.
Die Vorigen. Figaro.
FIGARO. Gnädiger Herr! Wenn Sie die Mädchen noch länger aufhalten, dann gute Nacht Fest und Tanz.
GRAF. Wie kannst du an den Tanz denken, da du dir diesen Morgen den Fuß verrenkt hast?
FIGARO. O es geht schon! Er schmerzt nicht mehr. Kommt, meine schönen Kinder!
GRAF. Es war ein rechtes Glück, daß das Erdreich so weich war!
GRÄFIN zu Susanna. Wie wird er sich aus der Verlegenheit ziehen?
SUSANNA zur Gräfin. Lassen Sie ihn nur machen.
GRAF. Zum guten Glück standen die Blumentöpfe unten.
FIGARO. Ja, das war sehr gut. Kommt doch, kommt doch mit!
ANTONIO. Und daß er sich beim Hinunterspringen so zuzusamennehmen konnte?
FIGARO. Einer, der geschickter gewesen wäre als ich, wäre in der Luft hängengeblieben, meinst du?
ANTONIO. Und indes galoppierte der Page nach Sevilla.
FIGARO. Galoppierte oder ritt im Schritt! Glückliche Reise!
GRAF. Und sein Patent war in deiner Tasche zurückgeblieben?
FIGARO. Ja freilich! Aber welche Wut zu fragen?
ANTONIO zu Susanna, die Figaro Zeichen macht. Mache ihm keine Zeichen mehr, er versteht dich nicht. Hier ist jemand, der behauptet, daß mein künftiger Neffe ein Lügner sei. Er führt Cherubin herbei.
FIGARO. Cherubin.
ANTONIO. Richtig! Ja, er ist es. Er nimmt Cherubin bei der Hand und führt ihn Figaro zu.
FIGARO zu dem Grafen. Welch ein Märchen?
GRAF. Kein Märchen. Cherubin sagt selbst, er sei diesen Morgen aus dem Fenster gesprungen.
FIGARO. Er sagt es? – Es kann sein! Wenn ich hinuntergesprungen bin, so ist es möglich, daß er es auch getan hat; denn wenn ein Hammel über die Brücke springt, so springen die übrigen alle nach.
GRAF. So? Wirklich? Meinst du?
FIGARO. Warum nicht? das Springen ist ansteckend. Ich streite nie über Dinge, wovon ich nichts weiß, und am wenigsten mit dem Herrn Grafen!
Nr. 22. Finale.
FIGARO.
Laßt uns marschieren! In Ordnung!
Ein jeder trete an seine rechte Stelle!
Gib mir den Arm, Susanna!
SUSANNA.
Da hast du ihn.
Sie gehen ab.
GRAF.
Unverschämte!
GRÄFIN.
Ich Unglücksel’ge!
GRAF.
Frau Gräfin –!
GRÄFIN.
Laß uns jetzt schweigen.
Dort nahn sich beide Paare,
Geschmückt zu ihrem Fest,
Sie werden ihnen Ihren Schutz
Nicht versagen! Wir bleiben!
GRAF.
Sehr gerne.
Für sich.
Um Rache auszudenken!
Er reicht der Gräfin die Hand, geleitet sie nach links und beide nehmen auf den Ehrensitzen der Estrade Platz.
Vierzehnter Auftritt.
Die Vorigen. Jäger mit Büchsen. Gerichtsdiener. Bauern und Bäuerinnen. Zwei Mädchen, die den mit weißen Federn geschmückten Brauthut tragen. Zwei andere mit dem weißen Schleier, noch zwei andere mit Handschuhen und Blumenstrauß. Figaro und Marcellina. Susanna wird von Bartolo zum Grafen geführt, sie kniet nieder, er setzt ihr den Kranz auf; Figaro führt Marcellina zur Gräfin in derselben Absicht. Antonio. Bärbchen usw.
ZWEI MÄDCHEN.
Ihr treuen Geliebten, mit Kränzen geschmückt,
Besinget ihn herzlich, der euch so beglückt!
Er schützt eure Ehre, er schont eure Unschuld
Und sichert auf immer das häusliche Glück!
CHOR.
Wir singen und danken dem gütigen Herrn,
Er macht uns so glücklich, er hört uns so gern!
Auf, singet dem Herrn, dem gütigen Herrn!
Tanz.
Susanna indem sie vor dem Grafen kniet, zupft ihn am Kleide und zeigt ihm das Briefchen, wobei sie dem Grafen, welcher tut, als befestige er den Kranz, das Briefchen gibt. Der Graf verbirgt es schnell. Susanna steht auf und verneigt sich. Figaro empfängt sie vom Grafen; Marcellina steht später auf, Bartolo empfängt sie von der Hand der Gräfin.
GRAF nimmt das Billett hervor und sticht sich mit der Nadel in den Finger.
Ja, so machen’s alle Weiber,
Man ritzt sich, wo man hingreift,
An ihren Nadeln!
Doch halt! nun erst begreif‘ ich’s!
FIGARO zu Susanna.
Ganz gewiß war’s ein Briefchen,
Das man ihm im Vorbeigehn übergeben,
Ein Liebesbrief, versiegelt mit einer Nadel!
Ha, die stach ihn in den Finger!
Doch jetzt sucht sie der Stutzer;
O welche Torheit!
GRAF.
Nun geht, ihr Freunde,
Bestellt auf diesen Abend
Das Nötige zum fröhlichen Feste!
Pracht und Glanz soll da herrschen
Und Überfluß in Getränken und in Essen.
Man schmause, man singe, man tanze, man springe!
Auf meine Kosten sei ein jeder von euch
Heut lust’ger Dinge!
CHOR.
Ihr treuen Geliebten, mit Kränzen geschmückt,
Besinget ihn herzlich, der euch so beglückt!
Er schützt eure Ehre, er schont eure Unschuld
Und sichert auf immer das häusliche Glück!
Wir singen und danken dem gütigen Herrn,
Er macht uns so glücklich, er hört uns so gern!
Auf, singet dem Herrn, dem gütigen Herrn!
Vierter Aufzug.
Garten.
Zur rechten und linken Seite ein Pavillon. Es ist Nacht.
Erster Auftritt.
Bärbchen mit einer Laterne.
Nr. 23. Kavatine.
BÄRBCHEN sucht etwas auf dem Fußboden.
Unglücksel’ge kleine Nadel,
Daß ich dich nicht finden kann!
Nirgends bist du, nirgends bist du!
Ach! ich habe dich verloren,
Du bist fort, was fang‘ ich an?
Weh mir Ärmsten! weh mir Ärmsten!
Du bist fort, was fang‘ ich an?
Und meine Base? Der Herr Graf?
Wie wird mir’s gehn? Was fang‘ ich an?
Zweiter Auftritt.
Bärbchen. Marcellina. Figaro.
FIGARO spricht. Was machst du da, Bärbchen?
BÄRBCHEN. Ich habe etwas verloren, lieber Vetter.
MARCELLINA, FIGARO. Was denn?
BÄRBCHEN. Die Stecknadel, die mir der gnädige Herr gegeben hatte, damit ich sie Susanna bringen sollte.
FIGARO. Susanna? Die Stecknadel? So, du kleines Ding? Du treibst ja schon ein allerliebstes Handwerk in deinen Jahren! Er faßt sich. Das heißt alles gut, was du machst!
BÄRBCHEN. Was fehlt Ihm? Warum ist Er denn so böse?
FIGARO. Siehst du nicht, daß ich scherze? Warte ein wenig. Er nimmt eine Nadel von Marcellinas Kleid. Dies ist die Stecknadel, die dir der Graf gab, um sie Susanna zu überbringen. Und sie diente zum Siegel eines Billetts, nicht wahr?
BÄRBCHEN. Und warum fragt Er mich denn, wenn Er alles weiß?
FIGARO. Ich wollte nur hören, wie sich der Graf ausdrückte, als er dir den Auftrag gab?
BÄRBCHEN. Als wenn das so etwas Wunderbares wäre! Er sagte: »Hier, mein Kind, bring‘ diese Stecknadel der schönen Susanna und sage ihr, es sei das Siegel der Rosenlaube.«
FIGARO. Ho, ho! Der Rosenlaube?
BÄRBCHEN. Ja, so sprach er und setzte noch hinzu: »Nimm dich in acht, damit dich niemand sieht.« Aber, lieber Vetter, Er wird doch schweigen können?
FIGARO. Ganz gewiß.
BÄRBCHEN. Die Sache geht Ihn ja nichts an.
FIGARO. Gar nichts, gar nichts!
BÄRBCHEN. Adieu, mein schöner Vetter! Erst gehe ich zu Susanna und dann zu Cherubin. Sie hüpft ab.
Dritter Auftritt.
Marcellina. Figaro.
FIGARO. Mutter!
MARCELLINA. Sohn!
FIGARO. Ich bin des Todes!
MARCELLINA. Beruhige dich, mein Sohn!
FIGARO. Ich bin des Todes, sage ich!
MARCELLINA. Ruhig, ruhig, sage ich! Die Sache ist ernsthaft, man muß kaltblütig darüber nachdenken. Aber sieh, du weißt ja noch nicht, wer von euch beiden der Betrogene ist: der Graf oder du.
FIGARO. Ach, diese Stecknadel war die nämliche, die er vorhin aufhob.
MARCELLINA. Das ist wahr. Aber das gibt dir höchstens ein Recht, auf deiner Hut zu sein und Verdacht zu hegen. Aber du weißt nicht, ob wirklich –
FIGARO. Also aufgepaßt, Figaro! ich weiß den zu der Zusammenkunft bestimmten Ort.
MARCELLINA. Wo gehst du hin, mein Sohn?
FIGARO. Ich will allen Männern ein Beispiel der Rache geben! Er geht wütend ab.
Vierter Auftritt.
Marcellina allein.
MARCELLINA. Ich muß Susanna von allem benachrichtigen. Ich glaube, daß sie unschuldig ist, denn welch ein Gesichtchen, welche sittsame Miene! Und wenn sie mit dem allen doch nicht unschuldig wäre? Ach, wenn persönliches Interesse uns nicht gegeneinander waffnet, so sind wir immer bereit, uns unseres Geschlechtes anzunehmen, das von den undankbaren Männern unterdrückt wird.
Nr. 24. Arie.
Es knüpfen auf den Fluren und in des Waldes Schatten
Der Liebe sanfte Bande die Gattin an den Gatten.
Den Löwen und die Löwin, den Wolf und seine Wölfin
Sieht freundlich man und friedlich, belebt von Lust und Scherz.
Doch uns lohnet mit Grausamkeit für unsre treue Zärtlichkeit
Das ungetreue Männervolk und täuschet unser Herz!
Sie geht ab.
Fünfter Auftritt.
Bärbchen allein mit einem Körbchen.
BÄRBCHEN. In dem Pavillon zur Linken, sagte er. Sie zeigt nach links. Dieser ist es. Wenn er aber nun nicht käme? Die garstigen Offizianten. Sie wollten mir nicht einmal eine Orange, eine Birne und einen Kuchen geben »Für wen, Mamsell?« fragten sie. Ei nun, es ist für jemand, meine Herren! »Haha, wir merken schon!« Und was ist denn weiter? Freilich, der gnädige Herr haßt ihn, aber ich bin ihm gut. Es hat mich doch schon einen Kuß gekostet. Was tut’s? Vielleicht gibt ihn mir jemand wieder. Himmel! Sie geht in den Pavillon zur Linken.
Sechster Auftritt.
Figaro. Dann Bartolo und Basilio.
FIGARO. Das war Bärbchen – Wer geht da?
BASILIO. Es sind die, die du dir daherbestellt hast.
BARTOLO. Wozu denn die fürchterlichen Anstalten?
FIGARO. Sie werden es bald sehen. Hier auf diesem Platz wollen wir dem gnädigen Herrn zu Ehren ein Fest feiern!
BASILIO. Aha, ich verstehe! Der gnädige Herr und Susanna sind ohne mich des Handels eins geworden.
FIGARO. Entfernt euch nicht zu weit von hier. Ich gehe, noch einige Aufträge zu geben, werde aber gleich wieder hier sein. Auf ein gewisses Zeichen müßt ihr alle erscheinen. Er geht ab.
Siebenter Auftritt.
Bartolo. Basilio.
BASILIO. Der Figaro hat den Teufel im Leibe.
BARTOLO. Aber was hat er denn vor?
BASILIO. Nichts! Susanna gefällt dem Grafen, sie versteht sich mit ihm und gibt ihm eine Zusammenkunft, die Figaro nicht ansteht.
BARTOLO. Das finde ich natürlich!
BASILIO. Ach, warum nicht gar! Man muß in der Welt zu leben wissen, sich bücken, kriechen, erniedrigen; das schnellt den Menschen empor. Eine kleine Arie wird euch meine Ansichten über diesen Punkt noch besser auseinandersehen, hört!
Nr. 25. Arie.
In den Jahren, wo die Stimme
Der Vernunft vergebens spricht
War auch ich voll wilden Feuers
Hörte ihre Stimme nicht.
Doch ich lernte durch Erfahrung,
Alles dies sei eitler Dunst;
Mich zu fügen und mich zu schmiegen,
Das ist jetzo meine Kunst.
Laß ein Märchen dir erzählen,
Es bekräftigt meine Sätze.
Einstens träumte ich: ich suchte
In der Erde reiche Schätze,
Groß und schwer war meine Mühe;
Endlich fand ich auch; doch siehe,
Es war eine Eselshaut.
Höhnisch verachtet‘ ich, was ich gefunden,
Alle meine Hoffnung war verschwunden,
Als schnell am Firmament der Donner krachte,
Es floß ein ganzes Meer von Hagel und Regen
Voll Angst und Sorgen des Wetters wegen
Zog ich die Eselshaut her über mich.
Das Wetter legte sich, ich eilte weiter,
Als ich ein wildes Tier bei mir erblickte!
Ich sah den Rachen, was sollt‘ ich machen?
Allein das alte Fell half mir auch hier.
Die garst’ge Eselshaut, worin ich steckte,
Hielt von mir abgelenkt, was mich erschreckte;
Denn mit Verachtung ging das Tier vorbei.
Drum ist es doch kein übles Ding,
Sich in die Zeit zu schicken,
Sich krümmen, erniedrigen,
Bescheiden sich bücken.
Dadurch gewinnen wir mehr, als man denkt.
Beide ab.
Achter Auftritt.
Figaro allein.
Nr. 26. Rezitativ und Arie.
FIGARO.
Alles ist richtig; auch kann die Stunde
Nicht mehr fern sein.
Ich höre kommen! – Sie ist es.
Nein, ’s war nichts. – Die Nacht ist dunkel.
Ich treibe also heute das allerliebste Handwerk
Eines eifersücht’gen Eh’manns!
Verrät’rin, in der Stunde
Vor der Hochzeit mich zu täuschen!
Als er las, schien er fröhlich,
Ich lachte mit ihm, wußte nicht,
Daß die Sache mich selbst anging. –
O Susanna! Susanna!
Hältst du so deine Treue?
Wer hätt‘ auf deine Augen,
Auf die ehrliche Miene,
Auf dein Herz nicht geschworen?
Ach, einem Mädchen zu trauen
Ist eitle Torheit!
Ach! öffnet eure Augen,
Blinde, betörte Männer,
Und sehet, wie das Weibervolk
Euch durch Bezaub’rung täuscht!
Sie, die ihr so vergöttert,
Sie sind der reichen Opfer,
Sie sind des teuren Weihrauchs
Wahrhaftig gar nicht wert.
Sie fangen durch Hexerei’n
Und martern das Herz,
Sie locken zum Abgrund
Durch Sirenengesang.
Die Hand rupft euch Federn aus,
Die euch so freundlich streichelt.
Ihr Irrlicht verleitet euch
Und stürzt euch dann in Gruben.
Wie Rosen sind sie lieblich,
Doch auch wie sie voll Stacheln;
Bald Tiger und bald Tauben,
Bald Wölfe und bald Lämmer.
Sie leben und weben
In Trug und Verstellung;
Für sie ist nichts heilig,
Nichts fesselt ihr falsches,
Ihr treuloses Herz.
Das Weitre verschweig‘ ich,
Doch weiß es die Welt!
Er geht ab.
Neunter Auftritt.
Die Gräfin, Susanna, beide verschleiert. Marcellina.
SUSANNA spricht. Gnädige Frau! Marcellina hat mir gesagt, daß Figaro auch hierher kommen würde.
MARCELLINA. Ja, er ist schon hier. Sprich ein wenig leiser.
SUSANNA. Also werden wir von dem einen behorcht und von dem andern gesucht. Lassen Sie uns anfangen!
MARCELLINA. Ich will mich hier verbergen. Sie geht in den Pavillon zur Linken.
Zehnter Auftritt.
Die Gräfin. Susanna. Figaro ungesehen.
SUSANNA. Gnädige Frau, Sie zittern? Ist das vor Kälte?
GRÄFIN. Ich glaube, ja. Die Nacht ist kühl. Ich will hineingehen.
FIGARO beiseite. Jetzt naht der fürchterliche Augenblick heran.
SUSANNA. Wenn die gnädige Frau es erlauben, so bleibe ich noch ein wenig hier.
GRÄFIN. Bleib so lange du willst. Sie verbirgt sich.
SUSANNA. Der Schelm ist auf der Lauer, ich will ihm den Lohn seines Argwohnes geben.
Nr. 27. Rezitativ und Arie.
SUSANNA.
Endlich naht sich die Stunde,
Wo ich dich, o Geliebter,
Bald ganz besitzen werde! –
Ängstliche Sorgen, entfliehet, weicht auf immer!
Störet nicht mehr die Freude meines Herzens! –
Ha, um mich her scheint alles mir so heiter!
Hesperus blickt so freundlich auf meine Liebe!
Komm doch, mein Trauter, Stille der Nacht beschützt uns!
O säume länger nicht, geliebte Seele!
Sehnsuchtsvoll harret deiner hier die Freundin.
Noch leuchtet nicht des Mondes Silberfackel,
Ruh‘ und Frieden herrschen auf den Fluren!
Des Westwinds Säuseln und des Baches Rieseln
Stimmen jede Nerve zur Entzückung,
Die Blumen duften auf den bunten Wiesen,
Alles lockt uns zur Liebe, Freud‘ und Wonne.
Komm doch, mein Trauter!
Laß länger mich nicht harren,
Komm, o Trauter, daß ich mit Rosen kränze dein Haupt!
Sie verbirgt sich.
Elfter Auftritt.
Susanna. Figaro. Dann Cherubin. Gräfin. Graf.
FIGARO spricht. Schändliche! in solcher Weise mich zu betrügen! Noch scheint es mir, als träumt‘ ich.
CHERUBIN kommt singend. Tralalalala!
GRÄFIN. Der Page!
CHERUBIN. Ah! ich sehe Frauenkleider!
GRÄFIN. Ach, ich bin verloren!
CHERUBIN. Nach der Kleidung zu urteilen, scheint es Susanna zu sein.
GRÄFIN. Wenn der Graf jetzt käme? Ich wäre verloren!
Nr. 28. Finale.
CHERUBIN.
Still, nur still, ich will mich nähern,
Eh‘ der Augenblick verstreicht!
GRÄFIN.
Ach, wenn mein Gemahl jetzt käme,
Ja, dann wär’s um uns geschehn!
CHERUBIN zur Gräfin.
Mein Susannchen! – Keine Antwort?
Ei, laß dein Gesicht nur sehen!
Er nimmt sie bei der Hand und liebkost sie.
O das ist ja ein lust’ger Spaß!
GRÄFIN sucht sich loszumachen.
Unverschämter! Ungezogner!
Gleich entferne dich von mir!
CHERUBIN.
Susannchen! Loses Mädchen!
Komm nur her und zier‘ dich nicht!
GRÄFIN.
Unverschämter! Ungezogner!
Gleich entferne dich von hier!
CHERUBIN.
Susannchen! Loses Mädchen!
Komm nur her und zier‘ dich nicht!
GRAF von weitem.
Ha, da ist ja mein Susannchen!
SUSANNA, FIGARO jedes für sich.
Ha, da kommt der Vogelsteller!
CHERUBIN.
Spiele nicht mit mir die Spröde!
GRAF, SUSANNA, FIGARO.
Ach, wie schlägt mein Herz im Busen!
GRÄFIN.
Fort von mir, sonst ruf‘ ich Hilfe!
SUSANNA.
Er ist wahrlich nicht allein!
GRAF, FIGARO.
Sie ist wahrlich nicht allein!
CHERUBIN.
Nur ein Küßchen, dann will ich gehn.
GRAF, SUSANNA, FIGARO.
Nach der Stimme ist’s der Page.
GRÄFIN.
Wie, ein Kuß? O welche Frechheit!
CHERUBIN.
Warum willst du mir verweigern,
Was dem Grafen du erlaubst?
Wer wird sich zieren?
Glaube mir, wir kennen uns!
DIE ÜBRIGEN.
Unverschämter!
GRAF, SUSANNA, FIGARO, GRÄFIN.
Wenn er sich nicht bald entfernet,
So ist alles, alles aus.
CHERUBIN.
Nimm indessen –
Er will die Gräfin küssen.
Graf bekommt den Kuß.
GRÄFIN beiseite.
O weh, mein Gatte!
CHERUBIN.
O weh, der Graf hier!
Er geht ab.
FIGARO nähert sich dem Grafen.
Ich muß hören, was es gibt.
GRAF.
Damit dir die Lust vergehe, So empfange diesen Lohn!
Er glaubt dem Pagen eine Ohrfeige zu geben und gibt sie Figaro.
FIGARO.
Ha, da hat denn meine Neugier
Einen schönen Fang getan.
Er zieht sich zurück.
GRAF, GRÄFIN, SUSANNA lachend.
Ha, da hat denn seine Frechheit
Einen schönen Fang getan.
GRAF.
Fort ist nun der Verwegne;
Jetzt komm zu mir, mein Herzchen!
GRÄFIN.
Sie haben es befohlen,
Hier bin ich, gnäd’ger Herr!
FIGARO.
Das nenn‘ ich recht gefällig sein!
O welch ein treues Weib!
GRAF.
Reich‘ mir dein kleines Händchen.
GRÄFIN.
Da ist die Hand.
GRAF.
Mein Liebchen!
FIGARO.
Sein Liebchen!
GRAF.
Wie zart ist dieses Händchen,
Und dieses feine Ärmchen!
O wäre doch die Gräfin
Nur halb so schön wie du!
SUSANNA, GRÄFIN, FIGARO.
Das Vorurteil macht albern,
Es täuscht Gefühl und Augen
Und blendet die Vernunft!
GRAF.
Nebst dem versprochnen Brautschatz
Ihr einen Ring an den Finger steckend.
Soll dieser Ring auch dein sein,
Zum Zeugnis meiner Liebe,
Die keine Grenzen kennt.
GRÄFIN.
Dankbar empfängt Susanna,
Was Ihre Großmut schenkt.
SUSANNA, GRAF, FIGARO.
Nun geht es recht nach Wunsche,
Doch fehlt das Beste noch.
GRÄFIN.
Ich sehe Fackeln schimmern,
Hier sind wir nicht sicher mehr!
GRAF.
So komm mit mir, mein Engel,
Dort stört uns niemand mehr!
SUSANNA.
O ihr betörten Weiber,
Kommt und lernet Männertreu!
GRAF.
So komm mit mir, mein Engelchen,
Dort stört uns niemand mehr!
FIGARO.
O ihr betörten Männer,
Lernt kennen Weibertreu!
GRÄFIN.
Allein, dort ist’s ja dunkel.
GRAF.
Je dunkler, desto besser,
Du weißt, daß ich nicht lesen will;
Komm nur getrost mit mir!
GRÄFIN, SUSANNA.
Gefangen ist der Bösewicht,
Jetzt geht die Sache gut.
FIGARO.
Sie folgt dem frechen Bösewicht,
Mein Unglück ist gewiß.
Figaro geht vorüber.
GRAF.
Wer geht da?
FIGARO aufgebracht.
Menschen gehen.
GRÄFIN.
Ha, Figaro! Jetzt fort!
Sie geht in den Pavillon rechts.
GRAF.
Geh nur, ich folge bald.
Er geht ins Gebüsch.
FIGARO.
Es scheint ja alles still zu sein.
Die schöne Venus wird wohl nun
Dem neuen Mars im Arme ruhn;
Dann fang‘ ich nach Vulkanens Art
Im Garn das Pärchen zart.
SUSANNA mit verstellter Stimme.
He, Figaro, nur ruhig!
FIGARO.
Haha! Da ist die Gräfin.
Sie kommen wie gerufen;
Kaum kann ich mich erholen,
Susanna ist mit dem Grafen.
Jedoch Sie sollen alles
Mit eignen Augen sehn.
SUSANNA vergißt sich, die Stimme zu verändern.
So sprech‘ Er doch nur leiser!
Ich geh‘ nicht von der Stelle,
Bis ich gerächet bin!
FIGARO für sich.
Susanna!
Zu ihr.
Wie, gerächet?
SUSANNA.
Ja!
FIGARO.
Aber – wie wollen Sie sich rächen?
SUSANNA für sich.
Den Bösewicht erwisch‘ ich jetzt,
Dann weiß ich, was ich tu‘!
FIGARO für sich.
Wie schlau sie mir die Falle stellt!
Ich tu‘, als glaub‘ ich ihr! –
Komisch affektiert.
Ach, wüßten Sie, Frau Gräfin –
SUSANNA für sich.
So recht, jetzt fängt er Feuer!
FIGARO.
Zu Ihren Füßen schwör‘ ich,
Mein Herz ist voll von Liebe.
O dürft‘ ich Hoffnung fassen!
Der Graf hat Sie getäuscht.
SUSANNA für sich.
Wie mich die Hände jucken!
FIGARO.
Wie klopft mein Herz im Busen!
SUSANNA.
Schon brenne ich vor Wut!
FIGARO.
Ich fühle heiße Glut!
SUSANNA.
Schon brenne ich vor Wut!
Sie verändert die Stimme.
Wie? Ohne mich zu lieben?
FIGARO.
Warum nicht? Bloß aus Rache!
Die Zeit verstreicht. Ich bitte
Nur um dies kleine Händchen.
SUSANNA mit natürlicher Stimme.
Hier ist sie schon, mein Herr!
Sie gibt ihm eine Ohrfeige.
FIGARO.
Du schlägst mich?
SUSANNA ohrfeigt ihn weiter.
Zu dienen! – Und nochmals! –
Und hier noch einmal!
Und wieder, und hier noch einmal!
FIGARO.
Nun, schlage nicht so heftig!
SUSANNA.
Und dies noch, Ungetreuer!
Und nochmals, hier hast du deinen Lohn.
FIGARO.
Willkommen sind die Streiche mir –
SUSANNA.
Das ist der wohlverdiente Lohn –
FIGARO.
Von so geliebter Hand!
SUSANNA.
Der den Verführer trifft!
FIGARO.
Friede! Friede! Du einzig Geliebte!
O ich kannte die reizende Stimme,
Die die Seele mit Wonne erfüllt!
SUSANNA überrascht und lachend.
Meine Stimme?
FIGARO.
Die Engelsstimme.
SUSANNA.
Frieden! Frieden! Du ewig Geliebter!
FIGARO.
Frieden! Frieden! Du ewig Geliebte!
BEIDE.
Frieden kehr‘ uns nun wieder zurück!
Frieden, o du mein einzig Glück!
GRAF.
Nirgends ist sie, ich suche vergebens!
FIGARO, SUSANNA.
Jetzt sei stille! Ich höre den Grafen.
GRAF.
Pst! Susanna, wo bist du? So sprich doch!
SUSANNA.
Gut! Er weiß nicht, wer mit ihm geredet.
FIGARO.
Wer?
SUSANNA.
Die Gräfin!
FIGARO.
Die Gräfin?
SUSANNA.
Die Gräfin.
FIGARO, SUSANNA.
Laß das Gaukelspiel uns nun beschließen,
Wie beschämt wird der Liebhaber sein!
FIGARO fällt Susanna zu Füßen.
Ja, Frau Gräfin, ich schwör’s,
Sie nur lieb‘ ich!
GRAF.
Wie? Die Gräfin? Ha, ich bin ohne Waffen!
FIGARO.
Darf nach langer Pein mein Herz endlich hoffen?
SUSANNA.
Nun, es sei denn! Ich will mich ergeben!
GRAF.
Ha, Verräter! Verräter!
FIGARO, SUSANNA.
Laß uns eilen, die süßesten Freuden
Harren unser! Ich lebe für dich.
Du, du lebest für mich!
Sie gehen nach dem Pavillon links.
Letzter Auftritt.
Die Vorigen. Dann Basilio. Don Curzio. Antonio. Bartolo. Bärbchen. Marcellina.
GRAF.
Holla! Holla! Hilfe! Hilfe!
FIGARO.
Welche Stimme!
GRAF.
Zu den Waffen! Hilfe! Hilfe!
FIGARO.
Weh mir Armen!
BASILIO, CURZIO, BARTOLO, ANTONIO.
Nun was ist’s! Was ist geschehen?
GRAF.
Sehet den Schurken! Der mich kränket,
Mich beschimpfet! Und mit wem?
Das sollt ihr sehn!
BASILIO, CURZIO, BARTOLO, ANTONIO.
Welch ein Aufruhr, welch ein Toben!
Nein, das kann nicht möglich sein!
FIGARO.
Welch ein Aufruhr, welch ein Toben!
Schöner kann kein Spaß wohl sein!
GRAF.
Hier hilft gar kein Sträuben!
Nur hierher, Frau Gräfin! Der Lohn
Ihrer Taten erwartet Sie schon! –
GRAF.
Der Page!
ANTONIO.
Meine Tochter!
FIGARO.
Meine Mutter!
BASILIO, ANTONIO, BARTOLO.
Die Gräfin!
GRAF.
Entdeckt ist die Schandtat!
Da seht ihr sie knien.
SUSANNA.
Verzeihung! Verzeihung!
GRAF.
Nein, nein! Keine Hoffnung!
FIGARO.
Verzeihung! Verzeihung!
GRAF.
Das wird nicht geschehen!
SUSANNA, BÄRBCHEN, CHERUBIN, MARCELLINA, BASILIO, ANTONIO, FIGARO.
Verzeihung! Verzeihung! Verzeihung!
GRAF.
Nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein, nein!
GRÄFIN.
Wird meine Bitte denn
Auch ohne Wirkung sein?
GRAF, BASILIO, CURZIO, ANTONIO, BARTOLO.
O Himmel, was seh‘ ich!
Verblendung! Verwirrung!
Ist’s Wahrheit? Ist’s Wahrheit!
Ist’s Traum? Ist’s Traum? Ist’s Traum!
GRAF.
O Engel, verzeih mir!
GRÄFIN.
Wie könnt‘ ich denn zürnen?
Mein Herz spricht für dich!
ALLE.
Nun blüht für uns alle
Das herrlichste Glück!
Alles, was an diesem Tage
Uns verwirrte, uns betrübte,
Jede Sorge, jede Plage
Tilget jetzt der Liebe Hand!
Lachet und singet, und scherzet und springet,
Kommet Freunde und Geliebte!
Ewig sei aus unserm Herzen
Gram und Traurigkeit verbannt!
Lacht und singet,
Scherzt und springet!
Uns beglückt der Liebe Hand!
Lacht und singet,
Scherzt und springet!
Ewig sei der Gram verbannt!