Gioacchino Rossini
Die glückliche Täuschung
Komische Oper in einem Akt
Personen
Herzog Bertrando
Isabella, seine Gemahlin
Ormondo, sein Freund
Batone, Ormondo’s Vertrauter
Tarabotto, Steiger in einem Eisenbergwerke
Bergleute und Soldaten
Der Schauplatz ist in Italien.
Erste Scene.
Die Bühne stellt ein weites Thal dar, dessen Hintergrund eine Kette von Bergen bildet; über einen derselben führt die Landstraße. Auf der einen Seite befindet sich ein Felsen, mit Einfahrten in die Bergwerke versehen; am Felsen gelehnt liegt Tarabotto’s Wohnung, dieser gegenüber steht ein großer Baum und eine Bank darunter.
Tarabotto kommt mit Bergleuten aus den Gruben, später Isabella.
TARABOTTO zu den Bergleuten.
Wie! unser Herzog wär‘ hierher gekommen?
In uns’rer Nähe weilt‘ er wirklich heut‘?
Zu einem Bergmann.
Irrst Du Dich nicht? Hast Du auch recht
vernommen?
Zu einem Andern.
Und Du hast selbst erblickt sein Hofgeleit?
Doch, von der Wahrheit mich zu überzeugen,
Will ich die Höhen eilig jetzt ersteigen;
Ihr aber, lieben Freunde, fahret wieder
Zu fleiß’ger Arbeit in die Schachten nieder.
Er steigt auf einen Berg und verschwindet dort; die Bergleute kehren in die Minen zurück. Isabella tritt auf, ein Portrait in der Hand, in dessen Anschauen sie verloren ist.
ISABELLA.
Warum haft Du von Deinem Herzen
Die Gattin doch verbannt,
Die, treu in Freuden Dir und Schmerzen,
Ihr Glück in Dir nur fand.
Ein Frevler hat Dich frech betrogen,
Erbarmungsloser Mann! …
Du hast mir Deine Lieb‘ entzogen,
Und doch bet‘ ich Dich an;
Ein Wunsch nur füllt mir Seel‘ und Sinn:
Zu zeigen, daß ich treu Dir bin.
Tarabotto, vom Berge herabkommend, spricht, ohne daß ihn Isabella bemerkt.
TARABOTTO.
Der Herzog ist es ohne Zweifel …. ja! …
ISABELLA.
O rede, nenne mir mein schwer Vergehen!
TARABOTTO.
Nun gilt’s ihn zu empfangen (Sie ist da
Und tief betrübt, wie ich sie stets gesehen.)
ISABELLA.
Weshalb bestrafst Du mich durch Haß so schwer?
TARABOTTO.
(Was glänzt in ihren Händen denn so sehr? …
Nun seh‘ ich’s. – Ah! es ist ein Bild … ei, schau! ..
Wie gleicht es uns’rem Herzog doch genau,
Aus seiner Jugend scheint’s ein Conterfei.)
ISABELLA das Gemälde verbergend.
Doch bleib‘ ich Deine Gattin, stets Dir treu.
TARABOTTO.
Was! … seine Gattin? … hör‘ ich recht? …
ISABELLA zieht ein Papier hervor.
Vielleicht
Wird durch dies Blatt mein höchster Wunsch
erreicht …
O Gott! …
Sie gewahrt Tarabotto und verbirgt schnell das Papier.
TARABOTTO.
Was willst Du dort vor mir verstecken?
ISABELLA bestürzt.
Ich? …
TARABOTTO.
Ein Gemälde.
ISABELLA.
Wie?
TARABOTTO.
Und ein Papier;
Auf Nisa! Alles mußt Du mir entdecken:
Was hältst Du mir geheim? steh Rede mir.
ISABELLA.
Ich bin verwirrt …. ich fühle mich erbeben …
Nicht Worte darf ich meinem Grame leih’n …
O Himmel, ende gnädig Du mein Leben,
Und mit ihm meine namenlose Pein.
TARABOTTO.
Vor Schreck und Staunen bin ich ganz betroffen!
Die Wahrheit laß‘ mich hören, fasse Dich;
Enthülle Dein Geheimniß, rede offen;
Du bist Vertrau’n mir schuldig: also sprich. –
Nun? … was verbirgst Du dort vor mir?
ISABELLA.
Ich? … nichts.
TARABOTTO.
Wie! nichts nennst Du ein Bild, mit Edelsteinen
So kostbar eingefaßt? Was mich betrifft,
Ich nenne das ein Etwas, das …
ISABELLA.
Es ist …
TARABOTTO.
Das Bildniß uns’res gnäd’gen Herzogs.
ISABELLA.
Himmel!
TARABOTTO.
Wer gab es Dir? sag‘ an.
ISABELLA.
Wer mir es gab?
TARABOTTO.
Ich habe Grund genug, danach zu fragen …
ISABELLA.
O Gott!
TARABOTTO.
Und, dünkt mich, auch ein Recht dazu.
ISABELLA.
Du! …
TARABOTTO.
Denn ich bin es, der Dich vor zehn Jahren
Am Meeresstrand fast leblos, ganz verlassen
Gefunden hat …
ISABELLA.
Oh, woran mahnst Du mich!
TARABOTTO.
Ich bin’s, der in sein Haus Dich aufgenommen,
Und Jedem hier – weil Du es so gewollt –
Dein seltsam Abentheuer fest verschwiegen;
Der Dich als seine Nichte gelten lassen,
Die Du in Aller Augen heut‘ noch bist.
ISABELLA.
Für so viel Güte nimm zum Dank mein Leben,
TARABOTTO.
Ei, wer begehrt von Frauen solchen Lohn;
Doch soll ich nicht für undankbar Dich halten,
Und preis Dich geben Deinem Loos: so rede.
ISABELLA.
Ich bin noch niemals undankbar gewesen,
Auch gegen Dich bin ich es nicht.
TARABOTTO.
Wohl, sprich denn.
ISABELLA.
Ach! ein Geheimniß würdest Du vernehmen,
Von dessen treuer Hut mein Leben abhängt.
TARABOTTO.
So wünsch‘ ich um so mehr nur, es zu wissen.
ISABELLA.
Doch mögst Du mitleidsvoll es mir ersparen
Dir meines Kummers Grund selbst zu vertrau’n;
Dies Schreiben wird Dir Alles offenbaren,
So lies denn, und erstarre nicht vor Grau’n.
Sie giebt Tarabotto das Blatt, welches sie verborgen hatte.
TARABOTTO oeffnet es und lies’t. »Ihr, an deren Gefühl für Menschlichkeit und Ehre ich glaube, erfahrt, daß Isabella, Eure Herzogin, die längst Ihr todt gewähnt, in diesem Aufenthalte lebt … Der verbrecherische, doch mächtige Ormondo entflammte für sie in strafbarer Leidenschaft, und schwor ihr, als sie diese mit Abscheu verwarf, furchtbare Rache. Der Verräther erfüllte mit niederem Verdacht das Herz ihres Gemahls, die Unglückliche ward von Batone, dem Schandgenossen Ormondo’s, in ein Boot gesetzt und hülflos dem Spiel der Meereswogen überlassen. Auf, eilt in die Eisenminen, dort harrt Eurer der Triumph der Ehre und Unschuld.«
Ihr … Herrin … ach, verzeiht …
Er will sich zu Isabellens Füßen stürzen, sie umarmt ihn.
ISABELLA.
O, was beginnst Du?
Komm an mein Herz, mein Retter, Freund und
Vater!
TARABOTTO.
So war Batone also jener Bube,
Der Euch auf’s Meer geschleppt?
ISABELLA.
Er war es, ja.
TARABOTTO.
Sagt‘ er Euch nicht warum?
ISABELLA.
Er sagte mir,
Daß dem Befehl des Herzogs er gehorche;
So hab‘ ich diesen Brief denn nun geschrieben,
Damit vielleicht einst noch ein Ehrenmann –
Der uah‘ ist meinem fürstlichen Gemahl –
Geheim dies Blatt in dessen Hände bringe,
Um meine Unschuld vor ihm zu bezeugen.
TARABOTTO.
Wohl ausgedacht.
Er schaut umher.
Potz Blitz! dort geh’n Soldaten!
Ha! wenn der Herzog in die Schachten käme!
ISABELLA.
Gott! wär‘ es möglich! …
TARABOTTO.
Eure Tracht, die Züge
Durch Euren tiefen Kummer so verändert …
Die lange Trennung, … Fürstin, habt Ihr Muth?
ISABELLA mit Entschiedenheit.
Muth, auch dem schwersten Sturme Trotz zu bieten.
TARABOTTO.
Wohl! ein Gedanke fliegt mir durch den Sinn …
Doch gebt Euch nicht zu schnell der Hoffnung hin.
O, wenn mir das gelänge … aber dort
Erscheinen die Soldaten … fort denn, fort!
Beide eilen in das Haus.
Zweite Scene.
Soldaten, vom Berge herabkommend; dann Bertrando.
BERTRANDO.
O höchste Wonne, seligstes Entzücken!
Wenn Sie, für die das Herz in Liebe schlägt,
Als Zauberreiz in ihren reinen Blicken
Den Abglanz einer Engelseele trägt.
Doch Weh, wem sein Geschick, zu herben Schmerzen,
Tyrannisch mit der Liebe Band umschlingt,
Wen es gewaltsam zieht zu einem Herzen,
Das nie der Treue heil’gen Preis erringt.
Wohl ist sie aus dem Leben längst geschieden,
Die Undank mir für heiße Liebe bot;
Doch denk‘ ich ihrer, flieh’n mich Ruh‘ und Frieden,
Sie selbst, allein nicht meine Lieb‘ ist todt.
(Zehn Jahre sind es seit die Meereswelle
Begraben Dich, treulose Isabelle!
Und doch, und doch vergaß ich Deiner nicht! …
O still, Bertrando, denke Deiner Pflicht.)
Ormondo und Batone vom Berge herabsteigend.
Dritte Scene.
Bertrando, Ormondo, Batone, Soldaten.
BERTRANDO.
Was ist des Herzogs, meines Nachbars Absicht?
Nun?
ORMONDO.
Er bewaffnet seine ganze Macht.
BATONE.
Und will, so scheint’s, die Grenzen hier besetzen.
BERTR.
Versuchen wir denn auf geheimen Wegen,
Durch Ueberfall den Plan ihm zu vereiteln.
BATONE.
In jenem Felsen sind die Eisenminen,
Dort ist vielleicht ein Pfad; mir ward berichtet,
Hier wohn‘ ein Steiger, Namens Tarabotto,
Er kann gewiß uns sich’re Auskunft geben.
BERTRANDO.
Man such‘ ihn auf.
BATONE.
Ich will ihn hier erfragen
He! Holla! Rasch herbei … herbei …
Vierte Scene.
Die Vorigen, Tarabotto.
TARABOTTO.
Wer ruft?
ORMONDO deutet auf Bertrando.
Dein gnäd’ger Fürst, der Herzog, steht vor Dir.
TARABOTTO.
O welch‘ ein Glück! … zu Eurer Hoheit Füßen ..
BERTRANDO.
Ein Steiger, ein gewisser Tarabotto,
Soll in der Nähe wohnen; weißt Du wo?
TARABOTTO.
Hier steht er unterthänig zu Befehl,
Und jenes Häuschen dort ist seine Wohnung,
Er lebt darin mit seiner Nichte Nisa
In Armuth zwar, doch immer frohen Sinnes.
BERTRANDO.
Von Dir erwart‘ ich wicht’gen Aufschluß heut‘,
Sogleich fahr‘ mit mir ein denn in den Schacht;
Ormondo und Batone, sorget Ihr,
Daß mein Befehl vollführt sei mit Bedacht.
Ormondo geht ab.
TARABOTTO.
(Batone, Ormond! Ah! willkommen hier.)
Tarabotto und die Soldaten folgen dem Herzog in die Gruben.
Fünfte Scene.
Batone, dann Isabella.
BATONE.
Eh‘ mir dies Felsennest Verderben bringt,
Will ich durch einen Trunk mich noch erquicken;
Fühl‘ ich doch eben brennend heißen Durst; –
Der Mann hat in dem Häuschen eine Nichte,
Die Nisa heißt; nun diese will ich rufen.
Er ruft.
He, Nisa! he!
ISABELLA im Hause.
Wer ruft mich? … Ah! …
Sie will entschlüpfen, Batone verhindert es, sie verbirgt ihr Gesicht.
BATONE.
Was ist Dir?
Ein Mann jagt Furcht Dir ein?
ISABELLA.
(Batone! Er!)
BATONE.
Kind, mich verlangt nach einem Glase Wasser.
ISABELLA.
Gleich geh‘ ich …
Sie will gehen, ohne sich umzuwenden, Batone hält sie zurück.
BATONE.
Halt! ich muß vor allen Dingen
Dein hübsch Gesichtchen seh’n.
ISABELLA.
(Muth, Isabella!)
BATONE.
Das heiß‘ ich wahrlich neu! Ich bin ein Mann,
Scherzend.
Machst Du’s mit allen Männern so?
ISABELLA.
Nein, Herr!
Sie enthüllt plötzlich ihr Gesicht.
BATONE zurückfahrend.
Ha!
ISABELLA.
Welch ein Schreck! ich bin ein Frauenzimmer.
Batone nachahmend.
Macht Ihr’s mit allen Frauenzimmern so?
BATONE.
Gewiß nicht … aber …
Er betrachtet Isabella schüchtern und zweifelhaft.
ISABELLA.
Aber? …
BATONE.
Hört …
ISABELLA.
Sprecht frei.
BATONE.
(Was sag ich nur? was denk‘ ich mir dabei?)
Ein Laut verwirrt mir arg die Sinne,
Ich weiß nicht, wie mir ist gescheh’n;
D’rum: wenn ich Thörichtes beginne,
Magst Du mit Nachsicht auf mich seh’n.
(Wenn ich die Blicke zu ihr kehre,
Scheint Sie entstiegen mir dem Grab,
Die hülflos auf dem wilden Meere
Dem Tod ich hin als Bente gab.
Ich höre Stürme mich umbrausen,
Vom Schwindel fühl‘ ich mich erfaßt;
Weh! scheuer Argwohn, tiefes Grausen
Vergönnen nicht mir Ruh‘ noch Rast.)
Ein Scherz … ein kleines Abentheuer …
Nur Dinge, die zum Lachen sind …
Doch reden darf ich jetzt nicht freier …
Verzeihe mir, Du holdes Kind.
Er geht ab.
Sechste Scene.
Isabelle, dann Tarabatto, der eiligst aus dem Schacht kommt.
ISABELLA.
Noch war er seiner Sache nicht gewiß …
Die größte Vorsicht ist hier dringend nöthig;
In jedem Augenblick kann mein Gemahl …
TARABOTTO.
Der Herzog, Fürstin, kehrt jetzt aus den Minen
Hierher zurück. Er will den Grundriß sehen,
Den ich von diesem Bergwerk längst besitze,
Und der ihm heut‘ zu einem Kriegsmanövre
Von ganz besond’rer Wichtigkeit erscheint.
Da meint‘ ich denn, Ihr könnt als meine Nichte
Dem Herzog jene Zeichnung überreichen;
Ihr wißt sie ja zu finden: wenn ich rufe,
So bringt den Plan; was dann zu thun noch übrig,
Das wird am Besten sich bestimmen lassen,
Wenn Euch der Fürst gesprochen. –
ISABELLA tief bewegt.
Gott! ich sollte …
TARABOTTO.
Nur Herz gefaßt! … Ihr habt mir ja versichert …
ISABELLA sich fassend, mit Würde und Entschlossenheit.
Ja, treuer Freund, es gilt mein höchstes Gut,
So soll mir denn nicht fehlen Kraft noch Muth!
Sie geht ab.
Siebente Scene.
Tarabotto, später Bertrando mit den Soldaten zurückkehrend.
TARABOTTO.
Gott! Du der Unschuld Schützer, steh‘ mir bei! …
Ormondo, jenen schändlichen Verräther,
Und seinen würd’gen Helfer, Herrn Batone,
Darf ich durchaus nicht aus den Augen lassen.
O wie sehr wünscht‘ ich …
Soldaten zeigen sich.
Still! der Herzog naht,
Jetzt ist es Zeit; wohlan denn, frisch zur That!
BERTRANDO.
Wo ist der Plan? … Nun?
TARABOTTO.
Eine große Bitte
Hätt‘ ich an Eurer Hoheit Huld zu richten.
BERTRANDO.
Heraus damit.
TARABOTTO.
Ich habe eine Nichte,
Die, fromm und sittsam, fleißig, klug, bescheiden,
Einst meines Alters Stütze werden wird.
BERTRANDO.
Das freut mich; weiter, weiter! …
TARABOTTO.
Eure Hoheit
Ertheile gnädig Jener die Erlaubniß,
Den Plan zu überreichen.
BERTRANDO.
Herzlich gern.
TARABOTTO.
Ich hieß sie, in Bereitschaft ihn zu halten;
Das arme Mädchen wird fürwahr nicht wissen,
Wie ihr geschieht.
BERTRANDO.
Wo bleibt sie nur? sie komme.
TARABOTTO.
Im Hause ist sie.
Rufend.
Nisa! … He! … den Plan.
Achte Scene.
Die Vorigen, Isabella, den Grundriß in der Hand, naht sich langsam mit gesenktem Haupt.
ISABELLA.
(Gott, schütze mich!)
TARABOTTO.
Nur näher, näher, Nisa.
ISABELLA mit bebender Stimme.
Verzeihung …
TARABOTTO zu Bertrando, der verwundert Isabella betrachtet.
Ach, der Armen sinkt der Muth!
BERTRANDO.
Ich höre gern, daß Dich Dein Oheim liebt.
ISABELLA schüchtern.
Er ist so gut …
TARABOTTO nachahmend.
Er ist so gut … nun? schnell!
Reich‘ Deinem gnäd’gen Herzog doch die Zeichnung.
Isabella tritt vor, bleibt aber auf halbem Wege stehen.
Ei, Kind! warum schlägst Du die Augen nieder?
Scheint Dir das Ehrfurcht?
BERTRANDO.
Welch bescheid’ne Haltung!
ISABELLA.
(O Undankbarer!)
TARABOTTO.
Sprich! wo ist Dein Muth?
Was ist aus Deiner Fröhlichkeit geworden?
Du hast ja unserm fürstlichen Gebieter
Noch nicht einmal in’s Angesicht geschaut?
ISABELLA bewegt.
Pflicht … Ehrerbietung …
BERTRANDO.
(Himmel, welche Stimme!)
TARABOTTO.
Den Plan … den Plan sag‘ ich … verstehst Du mich?
Vergebung, Eure Hoheit … reich‘ die Zeichnung.
Isabella tritt vor und bleibt dann wieder stehen.
Potz böse Wetter! willst Du endlich nah’n?
Den Kopf hoch … halt Dich g’rade!
ISABELLA.
Hier … der Plan …
Sie schlägt die Augen auf und überreicht die Zeichnung, Bertrando in höchster Ueberraschung achtet nicht darauf, der Riß fällt zu Boden.
BERTRANDO.
(O Himmel! darf ich meinen Augen trauen?
Der Blick …. das Autlitz …. all‘ mein Blut erstarrt.)
TARABOTTO.
(Gleich einem Schuld’ner ist er anzuschauen,
Geplagt durch seines Gläub’gers Gegenwart.)
ISABELLA.
Ach! ob er grausam auch getrübt mein Leben:
Ich kann für Kränkung nur ihm Liebe geben.)
BERTRANDO.
Ihr! …
Als ob er etwas Wichtiges Isabella mittheilen wolle, doch plötzlich einhaltend.
ISABELLA.
Herr! …
TARABOTTO unterbricht Isabella absichtlich.
Der Plan hier …
BERTRANDO zu Tarabotto.
Deine Nichte wär‘? …
TARABOTTO mit gleichgültiger Miene.
Sie, zu Befehl. Der Plan …
BERTRANDO.
Davon nachher.
Er bleibt in Isabella’s Anblick verloren.
Alle Drei.
BERTRANDO.
(Wie! Sie … Sie wär’s, die meine Leiden …
Nein! … todt ist jene Falsche ja …
Sie anzuschau’n will ich vermeiden …
Nur Einmal noch … Sie ist es … ha!
Welch einen Kampf bewegter Triebe
Bereitest Du mir, blinde Liebe!)
ISABELLA.
(Warum mich opfern fremder Tücke,
Und nicht Gehör der Gattin leih’n? …
Hinweg von ihm, ihr Sehnsuchtsblicke …
Nur Einmal noch … o Folterpein!
Welch einen Kampf bewegter Triebe
Bereitest Du mir, blinde Liebe.)
TARABOTTO.
(Ah! der Herr Herzog fangen Grillen …
In süßen Traum ist sie gewiegt …
Mein Mittel wirkt ganz gut im Stillen ..
Für jetzt bin ich damit begnügt.
Leise zu Isabella.
Auf! prüfet seiner Seele Triebe,
Erspäht, ob er Euch treu noch liebe.)
ISABELLA ehrerbietig.
Mit Recht wohl fürcht‘ ich, meine Nähe
Werd‘ Eurer Hoheit lästig sein;
Erlaubt, mein Fürst, denn, daß ich gehe …
BERTRANDO.
Du lästig mir? Behüte! nein! …
Im heftigen Kampfe mit sich.
Ich seh‘ Dich hier mit Wohlbehagen …
Im Gegentheil … entferne Dich! …
Nein, nein … verweile, wollt‘ ich sagen …
Zu Tarabotto.
So ist dies Deine Nichte? sprich!
TARABOTTO.
Ja, Hoheit! denn sie ist geboren
Als Kind Torello’s – das ist klar –
Des Bruders, den ich früh verloren,
Der ihrer Mutter Gatte war;
Und wahrlich! weit und breit im Land
Ward Nisa’s Vater er genannt.
BERTRANDO.
Wie ähnlich Ihr! ich kann’s nicht fassen …
Ein Wunder scheint’s …
Leidenschaftlich sich Isabella nahend.
Bleib‘, Nisa, hier.
ISABELLA sich von ihm entfernend.
Geruht mich, Hoheit, zu entlassen.
BERTRANDO befehlend.
Nein!
ISABELLA bleibt stehen und antwortet mit Würde.
Und was will mein Fürst von mir?
BERTRANDO milder werdend.
Dich sehen.
ISABELLA.
Und weshalb, Gebieter?
BERTRANDO rasch.
Du bist …
ISABELLA unterbricht ihn.
Getreu der Ehre Pflicht;
Ihr, deren hocherhab’ner Hüter,
Versagt gewiß ihr Beistand nicht;
So wag‘ ich kühn Euch anzuflehen,
Laßt ungehindert jetzt mich gehen.
BERTRANDO.
Bleib, Nisa, bleib; laß Dich beschwören …
Entzückend süße Stimme Du! …
Ich wähne Sie zu seh’n, zu hören …
O, schließe Dich, mein Auge, zu;
Soll nicht mein Herz das Opfer sein
Verhängnißvoller Zauberei’n.
(O Himmel! Du hast mir hienieden
Ein allzu herbes Loos beschieden.)
ISABELLA.
(Ach! tief ergreift ihn schwere Reue)
Ich gehe, edler Fürst, verzeiht; –
(Der Hoffnung Glück fühl‘ ich auf’s Neue)
Ich weiß nicht, was dem Gram Euch weiht:
Doch innig Mitleid fühlt mein Herz
Mit Eurer Scele heißem Schmerz.
(O Himmel! Du hast mir hienieden
Ein allzuherbes Loos beschieden.)
TARABOTTO bald laut, bald leise
Nach Haus nun … (Es ist Zeit zu gehen)
Herr Herzog … (Schweigen ist jetzt klug.)
Fort, fort … (Wollt Ihr mich nicht verstehen?)
Demüth’ger Knecht … (Es ist genug.)
Zu Bertrando.
Glaubt, innig Mitleid fühlt mein Herz,
Mit Eurer Seele heißem Schmerz.
(Mag Er auch zürnen und sich sträuben;
Wir werden dennoch Sieger bleiben.)
Isabella geht in das Haus mit Tarabotto, der bald zurückkehrend, sich versteckt, um zu beobachten.
Neunte Scene.
Bertrando, Tarabotto versteckt, später Ormondo.
Nachdem Isabella sich entfernt hat, geht Bertrando in Gedanken versunken umher.
TARABOTTO.
Mir scheint, der erste Eindruck sei uns günstig.
BERTRANDO.
Nein, es ist Nisa, Tarabotto’s Nichte,
Todt, todt ist Isabella.
TARABOTTO.
(Falsch gedacht.)
BERTR.
So also …
Ormondo tritt auf.
ORMONDO.
Hoheit, Alles ist bereit.
BERTRANDO.
Gut! … aber sprich: hat wirklich Isabella
Im Schooß des Meeres einst ihr Grab gefunden?
ORMONDO zögernd.
Warum, mein hoher Herr …
BERTRANDO heftig.
Gieb Antwort mir.
ORMONDO.
Die Herzogin ist todt.
BERTRANDO.
Und doch so eben …
Er hält ein.
(Still! schweigen will ich noch.)
Zu Ormondo.
Ich geh‘, Ormondo,
Wohin ich Dich bestellt, dort harr‘, ich Dein.
O, meine Seele leidet Folterpein!)
Entfernt sich mit dem Gefolge.
Zehnte Scene.
Ormondo, Tarabotto versteckt, dann Batone.
ORMONDO.
Weshalb die Frage? Sein erregt Gemüth …
Wie deut‘ ich das? …
Batone tritt auf.
Batone, komm, Du Treuer.
TARABOTTO.
(Schön! hören wir, was jene würd’gen Männer
Beschließen werden.)
BATONE.
Was befehlt Ihr, Herr?
ORMONDO.
Du haft doch Isabella sterben sehen?
BATONE.
Unzweifelhaft; allein warum die Frage?
ORMONDO.
Weil sie, voll Ernst, vor wenig Augenblicken
Der Herzog selbst an mich gerichtet hat.
BATONE.
So sah er wohl die Nichte Tarabotto’s
Des Steigers dieser Minen?
ORMONDO.
Und was dann?
BATONE.
Was dann? Hm! wißt: gleich einer Zwillingsshwester
Sieht Nisa der verstorb’nen Fürstin ähnlich.
ORMONDO hastig.
So ist Dir Nisa schon begegnet?
BATONE.
Freilich.
ORMONDO.
Ha! wenn ein tückisch Schicksal doch vielleicht
Die Herzogin gerettet?
BATONE.
Wie! … was sagt Ihr?
ORMONDO zieht Batone so dicht an sich, daß es Tarabotto unmöglich wird, Ormondo zu verstehen.
Merk‘ auf! Sobald die Nacht herangekommen,
Entführst Du schnell von hier des Steigers Nichte
Und bringst sie dann zu mir.
TARABOTTO.
(Ich höre nichts.)
ORMONDO.
Nimm Leute Dir dazu so viel Du brauchst;
Ich will doch selbst das große Wunder sehen.
BATONE mit Besorgniß.
Doch kann dies ungehindert hier geschehen,
Weshalb bei Nacht …
ORMONDO.
Still! … selbst geb‘ ich mir Rath,
Wenn ich gewahre, daß Gefahr mir naht.
Du kennst mich, brauch‘ ich noch Dir sagen:
Sei folgsam Deiner Pflicht;
Vollzieh‘, was ich Dir aufgetragen,
Und widersprich mir nicht.
Gehorche ohne Widerstreben,
Wahr‘ das Geheimniß treu;
Sonst büßest Du mit Deinem Leben
Mir die Verrätherei.
Er geht ab.
Elfte Scene.
Batone, Tarabotto zuerst versteckt, dann zuweilen hervortretend.
TARABOTTO.
(Geheimniß … diese Nacht … die Todesdrohung …
Da kommt gewiß ein Schurkenstreich heraus.)
BATONE.
(Und wäre diese Nisa nun die Fürstin,
Vom Zufall einst gerettet …)
TARABOTTO.
(Hm! er grübelt,
Das muß nur meinen Argwohn noch vermehren.)
BATONE.
(Von Tarabotto könnt‘ ich es erfahren,
Er ist ein Dummkopf, leicht mach‘ ich ihn
schwatzen.)
TARABOTTO.
(Durch List will ich versuchen, diesem Buben
Das wichtige Geheimniß zu entlocken.)
Er schleicht aus seinem Versteck nach der Einfahrt des Bergwerks.
BATONE.
(Entdeck‘ ich wirklich hier die Herzogin,
So eil‘ ich es dem Herzog zu berichten,
Dann ist’s mit der Entführung gleich vorbei.)
TARABOTTO.
(Verstanden! wohl! …
Als ob er in den Schacht hineinspreche und in das Haas gehen wolle.
Ich geh‘ und komme wieder.
BATONE.
Hört, guter Freund! … ein Wort …
TARABOTTO.
Ergeb’ner Diener,
Steht etwas zu Befehl?
BATONE.
Wißt, so viel Gutes
Wird Euch, mein würd’ger Mann, hier nachgerühmt,
Daß ich von Euch ganz eingenommen bin.
TARABOTTO.
Ah, welches Glück! und ich, wenn ich Euch sehe …
Ich denke, das sei Euch genug gesagt.
BATONE.
Ei, welche Sympathie!
TARABOTTO.
Seltsamer Zufall!
BATONE.
Mein Wort zum Pfand: kann ich Euch Dienste leisten,
So thu‘ ich es mit innigstem Vergnügen.
TARABOTTO.
Und ich versprech‘ Euch herzlich gern dasselbe.
BATONE nachdem er Tarabotto mitleidig betrachtet.
Doch! … Jeder will Euch nicht so wohl als ich.
TARABOTTO Batone nachahmend.
Wir sind im gleichen Falle, werther Herr.
BATONE.
Sprecht Ihr im Ernste?
TARABOTTO.
Redet Ihr die Wahrheit?
BATONE.
Ich hätt‘ hier Feinde?
TARABOTTO.
Einer von den Euren
Will mir nicht wohl?
BATONE.
Fürwahr, ich bin erstaunt.
TARABOTTO.
Mir stockt das Wort im Munde vor Verwund’rung.
BATONE.
(Wo will er nur hinaus? das muß ich wissen.)
TARABOTTO.
(Gelt, wie Du mir, mein Würd’ger: so ich Dir.)
Frisch, soll ich glauben, daß Ihr wohl mir wollt:
So sagt mir Alles.
BATONE.
Und Ihr thut desgleichen.
TARABOTTO.
Nun, so beginnt zu reden, wack’rer Mann.
Ich folg‘ Euch nach.
BATONE.
Gut denn: so fang‘ ich an.
Mit erheuchelter Vertraulichkeit.
Man flüstert in das Ohr sich hier zu Lande,
Ihr hättet keine Nichte – ach! das schmerzt!
Es wäre Fräulein Nisa Contrebande,
Die Ihr zu Eurem Unheil eingeschwärzt.
TARABOTTO mit scheinbar größester Unbefangenheit.
Und von Euch, Bester, sagt man sich im Stillen,
Ihr wärt ein Schelm, mehr: ein Erzbösewicht;
Der sklavisch folge einem fremden Willen.
Doch ging der Krug zu Wasser, bis er bricht.
Sie blicken sich einander an und brechen in ein schallendes Gelächter aus.
BATONE.
Erfand man je wohl größ’re Albernheiten?
TARABOTTO.
Hat man je ärgern Unsinn noch erdacht?
BEIDE.
Nichts als ein leer Geschwätz von müß’gen Leuten,
Das mich mit vollem Recht nur lachen macht.
Jeder bei Seite.
(Erz-Schelm! da nehm‘ ein Jeder sich in Acht!)
Sie nähern sich wieder einander und sprechen geheimnißvoll.
BATONE.
Doch schon so sehr vertraut man dem Gerüchte …
TARABOTTO.
Der schlechte Spaß hat so die Leut‘ erschreckt …
BATONE.
Daß man behauptet, die bewußte Nichte
Hab‘ in dem Herzog den Verdacht erweckt …
TARABOTTO.
Daß bis zu mir die Kunde schon gedrungen,
Ein Opfer hättet Ihr bereits erseh’n …
BATONE.
Abscheulich! die verwünschten Lästerzungen!
TARABOTTO.
Sprecht, kann die Narrheit wohl noch weiter geh’n?
BEIDE.
Nichts als ein leer Geschwätz von müß’gen Leuten,
Das mich mit vollem Rechte lachen macht.
(Spiel nur den Trotzkopf, ich kann mir es deuten,
Der lacht am Besten, der der Letzte lacht.)
Batone geht ab.
Zwölfte Scene.
Tarabotto, später Isabella, die vorsichtig überall umherblickt.
TARABOTTO.
Ja, ja! es ist gewiß; sie schöpfen Argwohn,
Und denken noch im Laufe dieser Nacht
Der Fürstin einen bösen Streich zu spielen.
ISABELLA.
Mein treuer Freund, so eben wähnt‘ ich hier
Batone’s Stimme deutlich zu vernehmen.
TARABOTTO.
Ganz recht; hat Euch der Bube schon erblickt?
ISABELLA.
Ach, erst vorhin.
TARABOTTO.
O, dann begreif‘ ich Alles.
ISABELLA.
Schöpft er Verdacht?
TARABOTTO.
Ja, doch seid unbekümmert.
Ich trage einen Plan mit mir umher …
Die Nacht bricht an … Der Herzog kehrt zurück.
ISABELLA.
Ich fliehe.
TARABOTTO.
Nein, im Gegentheil: ihr bleibt.
Ihr sollt ihm Euer Mißgeschick erzählen.
ISABELLA.
Was sagst Du! Wie? Ich soll …
TARABOTTO.
Ja! es ist wichtig,
Daß Ihr des Fürsien Antheil tief erregt.
ISABELLA.
Da ist er! … Gott! mein Mörder ihm zur Seite …
Bei dessen Anblick schon mein Blut erstarrt.
TARABOTTO.
Muth! Hofft!
ISABELLA.
Auf was soll ich noch Hoffnung bauen?
TARABOTTO.
Auf Gott! dem Himmel muß man fest vertrauen.
Dreizehnte Scene.
Die Vorigen, Ormondo, Bertrando und Gefolge.
BERTRANDO.
Du wirst den Plan besprechen mit Ormondo,
Sobald der erste Morgenstrahl sich zeigt.
TARABOTTO.
Ja, Hoheit.
Er spricht leise zu Isabella.
ISABELLA.
(Kaum kann ich mich aufrecht halten.)
BERTRANDO heimlich zu Ormondo.
(Blick nur sie an.)
ORMONDO.
(Die Aehnlichkeit ist tänschend.)
TARABOTTO.
(Wir sind doch einig?)
ISABELLA.
(Gott wird Kraft mir leihen.)
BERTRANDO.
Wie, holde Nisa, auch noch jetzt betrübt?
ISABELLA.
Ich werd‘ es immer bleiben.
BERTRANDO.
Und warum?
ISABELLA.
Aus großer und nur zu gerechter Furcht.
BERTRANDO.
Furcht? und vor wem?
ISABELLA.
Vor Menschen.
ORMONDO Isabella anstarrend.
Wie! vor Menschen?
TARABOTTO.
Ja! sie hat Grund dazu.
BERTRANDO.
Und dieser Grund?
TARABOTTO.
Zum Altar wollte sie dem Bräut’gam folgen …
Ja … nein … da mischte sich der böse Feind
Geschickt hinein … und dann … und dann … sprich Nisa …
Du kannst viel besser das als ich erzählen.
ISABELLA.
Nein! Nein! ich mag nicht des Verraths gedenken.
BERTRANDO.
Verrathen … Ihr?
ISABELLA.
Zu meinem tiefsten Leide.
BERTRANDO.
Und wer war der Verräther?
ISABELLA.
Fragt mich nicht.
TARABOTTO.
Wie kann die Arme ohne herbe Pein
Sich der erlitt’uen Kränkung wohl erinnern?
Selbst ich kann ohne Schmerz nicht davon reden.
BERTRANDO.
Jetzt macht es Euer Schutzherr Euch zur Pflicht,
Euch widerfahr’nes Unrecht ihm zu nennen.
ISABELLA.
O Gott! was fordert Ihr von mir, mein Fürst! –
In mir erblickt Ihr ein verlass’nes Wesen,
Ein niedriger Verräther hat das Herz
Des treu geliebten Freundes mir geraubt:
Das schwerste Unglück traf mein schuldlos Haupt.
Wenn Ihr Erbarmen fühlt im Herzen,
O so bedauert mein Geschick;
Nur Ihr könnt‘ lindern meine Schmerzen,
Nur Ihr gebt Ruhe mir zurück.
Schon hält mich Hoffnung sanft umfangen,
Die Trost mir in die Seele spricht;
Schon klopft die Brust mit minder’m Bangen,
Vor meinem Auge wird es Licht;
O Huld des Himmels! süßen Frieden
Hast Du noch Einmal mir beschieden.
Sie geht ab.
Vierzehnte Scene.
Bertrando, Tarabotto, Ormondo.
BERTRANDO in sich versunken.
(Mein eig’nes Schicksal! Tief bin ich ergriffen.)
ORMONDO.
(Verwünschter Zufall! Ha! jetzt muß ich schleunigst
Selbst zur Entführung Alles vorbereiten;
Ich traue Keinem mehr.)
TARABOTTO.
(Ja, grüb’le nur.)
ORMONDO.
Wenn Eure Hoheit gnädig mir vergönnt,
So geh‘ ich, was Ihr mir am nächsten Morgen
Zu thun befohlen habt, jetzt anzuordnen.
BERTRANDO.
Geh.
Leise zu Ormondo.
Aber sag‘, mein Treuer, dünkt es Dich
Nicht auch ein Wunder? hast Du sie gehört?
ORMONDO.
Warum nur dies? Und was, mein hoher Herr
Läßt Euch für Jene so viel Sorge tragen?
Im Abgehen für sich.
(Hinweg mit ihr, eh‘ es beginnt zu tagen.)
Funfzehnte Scene.
Die Nacht bricht an.
Bertrando und Tarabotto.
TARABOTTO.
(Für uns scheint Alles günstig sich zu wenden,
D’rum, muthig an das Werk! Der Herzog selbst
Muß den Verräther auf der That ertappen.)
Tarabotto wirft sich dem Herzog zu Füßen.
Ach, Hoheit!
BERTRANDO.
Was beginnst Du? Schnell, steh‘ auf!
TARABOTTO spricht leise, um von dem Gefolge des Herzogs nicht verstanden zu werden.
Nicht eher bis mein gnädigster Gebieter
Für meine Nichte Schutz mir zugesagt.
BERTRANDO.
Was sagst Du? Wie? Ja, Schutz verheiß‘ ich Dir.
Tarabotto steht auf.
Wer aber wagt auf’s Neue sie zu kränken?
TARABOTTO.
Derselbe Bösewicht, von dem so eben
Mit Euch, Herr Herzog, Nisa noch gesprochen.
Ein günst’ger Zufall nur ließ mich entdecken,
Daß Jener schon im Dunkel dieser Nacht,
Ich weiß nicht welchen Anschlag gegen Nisa
Frech zu vollführen denkt; die Nacht ist nah‘,
Und ich, um Nisa’s Angst nicht zu vermehren,
Verschwieg ihr die Gefahr, doch ist sie dringend.
BERTRANDO.
Wer ist der Frevler? Wo? Ha, er soll zittern …
TARABOTTO.
Ich schwör‘ es Euer Hoheit, nur mit List,
Nicht mit Gewalt erhaschen wir den Frevler.
BERTRANDO.
Wie!
TARABOTTO.
Ja so ist’s; ich schwör‘ es Euch noch Einmal.
BERTRANDO feurig.
Wohlan denn; ohne Sorge darfst Du sein
Für Nisa stellt ein Retter hier sich ein;
Weh‘ dem, der gegen sie ersinnt Verrath,
Denn Jener straft den Thäter und die That.
Mit dem Gefolge ab.
TARABOTTO.
Kein And’rer als er selbst wird Schutz ihr leih’n;
Doch – eilig fort jetzt zur Gebieterin,
Schnell schlüpfe durch den Hof die Herzogin.
Dann will ich lauernd mich hier still verstecken,
Um so des Buben Absicht zu entdecken.
Letzte Scene.
Dunkle Nacht.
Alle, nacheinander auftretend.
Batone, mit bewaffneten Begleitern; Einer derselben trägt eine Blendlaterne.
BATONE.
Ha! laß mich an mein Ziel gelangen,
Du dunkle, tief verschwieg’ne Nacht;
Und willst Du Dank von mir empfangen,
So hilf mir treu mit Deiner Macht.
Zu den Begleitern.
Was hier mit Vorsicht soll geschehen,
Das, meine Freunde. wisset Ihr;
Laßt uns dem Hause näher gehen.
Lauschend.
Kein lebend Wesen regt sich hier …
Er spricht zu dem, welcher die Laterne trägt.
Leucht‘ her … Zum Eingang! … er ist frei …
An’s Werk! es steht das Glück uns bei.
Er geht mit seinen Leuten in das Haus; Isabella und Tarabotto treten von der andern Seite auf und verstecken sich hinter den Baum; Isabella ist edel doch einfach gekleidet.
ISABELLA.
Warum, mein Freund, laß‘ es mich wissen,
Soll ich heut‘ tragen dieses Kleid?
TARABOTTO.
Als einst ich Euch dem Tod entrissen,
War’t Ihr gekleidet, so wie heut‘.
ISABELLA.
Doch willst Du mir den Grund nicht sagen? …
TARABOTTO.
Den Grund lehrt der Erfolg Euch leicht;
Wir werden siegen, laßt uns wagen,
Zagt nicht, das Ziel ist bald erreicht.
ISABELLA.
Gott! mir umflort sich Blick und Sinn;
Mein letztes Hoffen ist dahin.
Sie verbergen sich; Bertr. kommt mit seinem Gefolge. Mehrere tragen ausgelöschte Fackeln, Einer hat eine Blendlaterne.
BERTRANDO.
Laß uns in diese Gruben gehen,
Gar wohl versteckt uns ihre Nacht …
Warum nur mußt‘ ich Nisa sehen?
Was ist es, das mich beben macht?
Er geht mit den Seinen in den Schacht.
ISABELLA leise.
(Laut klopft mein Herz vor Furcht und Bangen.)
TARABOTTO.
(Er ist’s, hab‘ ich es nicht gesagt!)
Ormondo tritt mit einem Begleiter auf und spricht in Bertrando’s Nähe.
ORMONDO nachdenkend.
Ob schön Baton‘ hineingegangen?
Ob er den Raub bereits gewagt?
BERTRANDO.
(Ormondo! …)
TARABOTTO.
(Ich hab‘ ihn gesehen,
Husch! in die Falle läuft die Maus.)
ORMONDO nähert sich dem Hause, aus welchem dann Batone mit seinen Begleitern tritt.
Am Besten thu‘ ich, selbst zu gehen.
Batone …
BATONE.
Herr! ich war im Haus.
ORMONDO.
Ist Dir’s gelungen, sie zu rauben?
BATONE.
Gebieter, nein: denn sie ist fort.
ORMONDO.
Nur wenn ich’s sehe, werd‘ ich’s glauben.
Er geht mit den Leuten in das Haus.
BATONE.
Gewiß, Ihr werdet seh’n …
Bertrando erscheint in diesem Augenblicke und ergreift Batone.
Ha! … Mord! …
BERTRANDO.
Du stirbst, verlierst Du noch Ein Wort!
Bald wird Ormondo wiederkommen,
Dann frag‘ ihn wohl verständlich Du,
Weshalb den Raub er unternommen;
Ich bleibe hier und höre zu.
BATONE.
Herr … ich gehorche … weh‘ mir … wehe! …
(Ach! mit mir Armen ist es aus; …
Mich packt das Fieber … ich vergehe …
Ich kann nicht athmen mehr vor Graus.)
ISABELLA UND BERTRANDO.
(Wohin verirrt sich meine Seele
In ihrem unermeß’nen Schmerz.)
TARABOTTO leise zu Isabella.
(O faßt Euch Fürstin! Hoffnung stähle
Zur That jetzt Euer zagend Herz.)
Bertrando kehrt in seinen Versteck zurück.
BATONE.
Batone, Muth! es gilt Dein Leben,
Dein höchstes Gut, so zaud’re nicht;
Ha, wahrlich! deutlich Antwort geben,
Soll mir der schlaue Bösewicht.
Ormondo kommt mit den Begleitern aus dem Hause.
ORMONDO.
Verdammt!
BATONE.
Nun?
ORMONDO.
Fort! … leer jede Stelle.
BATONE.
Warum raubt Nisa Ihr bei Nacht?
ORMONDO.
Fest glaub‘ ich, es sei Isabelle,
Die meine Lieb‘ einst kalt verlacht;
Und ist sie’s nicht, so gleicht sie ihr
Zu sehr nur, und bringt Unheil mir.
BATONE.
So habt Ihr über sie entschieden?
ORMONDO.
Sie stirbt von meiner Hand noch heut‘ …
Beider Gespräch wird immer lauter.
BATONE.
Denn stören könnt‘ es Euren Frieden …
ORMONDO.
Wär‘ lebend sie; – gewiß bereit …
BATONE.
Der Rache Lust Euch zu vernichten …
ORMONDO.
Der Rache, die mir Wonne … ja!
BATONE.
Dem Herzog könnte sie berichten …
ORMONDO.
Daß ich ihn einst getäuscht … Ha! Ha!
Bertrando kommt mit den Soldaten, welche brennende Fackeln tragen; die Bühne wird erhellt.
BERTRANDO.
Du irrst Dich, feiger Missethäter.
Ormondo wird entwaffnet, die Soldaten umringen ihn.
Wo weilst Du, treue Gattin! sprich?
Betrogen hat mich ein Verräther! …
Geopfert, Theure, hab‘ ich Dich.
Nichts kann ich als mein Blut, mein Leben,
Zur Sühne solcher Schuld Dir geben.
Er greift zum Schwert, Isabella und Tarabotto eilen herbei und halten ihn zurück.
ISABELLA UND TARABOTTO.
Gott! … Haltet ein! … Nein, nimmermehr! …
BERTRANDO zu Isabella.
O Du! wer bist Du? … rede! … wer?
ISABELLA.
Ein Weib, das treu des Gatten Bild im Herzen,
Wie auf dem Herzen trägt: in Freud‘ und Schmerzen.
Sie zieht das Portrait des Herzogs hervor.
BERTRANDO.
Ha! Du dies Bild! … Du meiner Isabelle
Geliebtes Antlitz … und Du ihr Gewand?
TARABOTTO mit Feuer.
Sie ist es, die, als Spiel der Meereswelle,
Fast leblos ich gefunden einst am Strand,
Sie, die ich neu gerufen in das Leben;
Sie, die, mein Fürst, gerettet ich für Euch;
Mit wachsender Hast.
Sie, der ich dies Gewand zurückgegeben …
Für die ich heut‘ enthüllt den Bubenstreich …
Sie … nun?
BERTRANDO breitet die Arme nach Isabella aus, zieht sich aber wieder zurück.
O Du, so rein von jeder Schuld,
Nie würdig kann ich sein mehr Deiner Huld!
ISABELLA.
Du willst voll Reue Dich dem Tode weihen,
Nein! für mich lebe; dann will ich verzeihen.
Sie breitet ihre Arme dem Herzoge entgegen, die Gatten umfangen sich.
BATONE.
(Weh‘ mir! Gern macht‘ ich jetzt mich aus dem
Staube.)
TARABOTTO.
Hoch lebe Lieb‘ und Treu‘! Gott ist ihr Hort!
BERTRANDO zu Batone.
Und warum hast Du Dich zu jenem Raube
Verbunden mit dem Bösewichte dort?
BATONE.
Er schwor mir zu, wenn ich nicht folgsam wär‘,
Daß dann mein Leben auf dem Spiele stände;
Ach! ist es mit dem Leben erst zu Ende,
Erkauft man nirgend sich ein zweites mehr:
Daher … darum habt, Hoheit, mit mir armen
Geplagtem Unglücksvogel mild Erbarmen.
Er wirft sich zu des Herzogs Füßen.
ISABELLA.
Verzeihe, mein Gemahl, ihm seine Schuld.
TARABOTTO UND BATONE.
O Fürstin, Segen Euch und Eurer Huld!
BERTRANDO zu Tarabotto.
Der Ehre schönster Schmuck, die Bürgerkrone
Aus meiner Hand, harrt, Du Getreuer, Dein;
Doch jener Bube mag vor meinem Throne
Des strengsten Richterspruchs gewärtig sein.
Ormondo wird abgeführt.
ALLE.
Wie fest auch der Verrath sich mög‘ umschleiern,
Früh oder spät bringt Gott ihn an das Licht;
Er läßt die Unschuld heil’ge Siege feiern,
Und zieht den Frevler vor Sein Strafgericht.
Ende der Oper.