Johann Strauß
Die Fledermaus
Operette in Drei Aufzügen
Libretto von Carl Haffner und Richard Genée
Personen
Gabriel von Eisenstein, Rentier (Tenor)
Rosalinde, seine Frau (Sopran)
Frank, Gefängnisdirektor (Bariton)
Prinz Orlofsky (Mezzosopran oder Tenor)
Alfred, sein Gesangslehrer (Tenor)
Dr. Falke, Notar (Tenor)
Dr. Blind, Advokat (Baß)
Adele, Rosalindes Kammerjungfer (Sopran)
Ida, Adeles Schwester (Sopran)
Ali Bey, Ägypter (Tenor)
Ramusin, russischer Gesandtschaftsattaché (Tenor)
Carikoni, ein Marquis (Baß)
Murray, Amerikaner (Baß)
Melanie,
Faustine,
Felicitas,
Sidi,
Minni,
Hermine,
Sabine,
Natalie, Ballgäste des Prinzen Orlofsky (Sopran und Alt)
Frosch, Gefängniswärter (Sprechrolle)
Ivan, Kammerdiener d. Prinzen Orlofsky (Sprechrolle)
Vier weitere Diener (Tenor und Baß)
Ein Amtsdiener (stumm)
Ballgäste. Masken. Bediente. Tänzer und Tänzerinnen
Ort der Handlung: Badeort in der Nähe einer großen Stadt.
Zeit: Letztes Drittel des 19. Jahrhunderts.
Ouvertüre
Allegro vivace A-Dur 4/4 alla breve
Erster Aufzug
Zimmer mit Mittel- und Seitentüren im Hause Eisensteins.
Erster Auftritt
Alfred hinter der Szene. Später Adele.
Nr. 1. Introduktion
Beim Aufgehen des Vorhangs ist die Bühne leer. Von außen ertönt der Gesang Alfreds.
ALFRED.
Täubchen, das entflattert ist,
Stille mein Verlangen,
Täubchen, das ich oft geküßt,
Laß dich wieder fangen!
Täubchen, holdes Täubchen mein,
Komm, o komm geschwinde,
Sehnsuchtsvoll gedenk ich dein,
Holde Rosalinde!
ADELE lachend mit einem offenen Briefchen in der Hand auftretend.
Hahahaha!
Was schreibt meine Schwester Ida?
Die ist nämlich beim Ballett …
Aus dem Briefe lesend.
»Wir sind heut auf einer Villa,
Wo es hergeht flott und nett.
Prinz Orlofsky, der reiche Suitier,
Gibt heute abend dort ein Grand-Souper.
Kannst du dir eine Toilette von deiner Gnäd’gen annektieren
Und elegant dich präsentieren,
So will ich gern dich ein dort führen.
Mach dich frei nur, und ich wette,
Daß wir gut uns amüsieren.
Langeweile gibt es nie da!« –
So schreibt meine Schwester Ida.
Ach, ich glaub’s, ich zweifle nicht,
Wär‘ gar zu gern von der Partie;
Doch recht schwierig ist die G’schicht‘ –
Könnt ich nur fort, wüßt ich nur wie?
Ach, wenn ich jenes Täubchen wär‘,
Fliegen könnte hin und her,
Mich in Wonne und Vergnügen
In dem blauen Äther wiegen!
Ach, warum schufst du, Natur,
Mich zur Kammerjungfer nur?
ALFRED singt von außen.
Täubchen, das entflattert ist,
Stille mein Verlangen …
ADELE spricht. Was ist denn das für ein Gewinsel? Ob man wohl eine Minute nachdenken kann?
ALFRED fortfahrend. Täubchen, das ich oft geküßt, Laß dich wieder fangen!
ADELE eine Münze in ein Papier wickelnd. Ich muß ihm nur ein Sechserl spendieren, sonst hört der Hofsänger nicht auf! Wirft das Geld aus dem Fenster.
ALFRED wie oben.
Täubchen, holdes Täubchen mein,
Komm, o komm geschwinde,
Sehnsuchtsvoll gedenk ich dein,
Holde Rosalinde!
ADELE. Was, Rosalinde? Das ist kein Straßentenor, sondern ein Verehrer und nicht einmal von mir, sondern von meiner Gnädigen! Ruft zum Fenster hinaus. Eine Adele ist hier und keine Rosalinde, wenigstens nicht für Sie! Verlassen Sie den Garten, sonst wird man einen ganz anderen Tenor mit Ihnen singen. – Er verschwindet samt seinem Tenor. Der ist sicher irgendwo einem Männergesangverein ausgekommen. Schade, ich hätt‘ mir ihn doch näher ansehen sollen; vielleicht kann ich ihn noch erreichen! Läuft ab.
Zweiter Auftritt
Rosalinde. Dann Adele.
ROSALINDE tritt erregt auf. Er ist’s! Alfred, er, der mich vor vier Jahren anbetete, als ich noch frei war! Ich habe ihn gleich erkannt an seinem Tenor und an seiner Keckheit. Nur ein Tenor kann so keck sein, und nur ein kecker Mensch kann so Tenor singen! Er wagt es, hier vor dem Hause meines Gatten mich durch sein hohes A zu kompromittieren!
ADELE eintretend für sich. Keine Seele mehr zu erblicken. – Ah, da ist meine Gnädige! Jetzt heraus mit der Geschichte; sie sei kurz, aber rührend! Laut, kläglich. Gnädige Frau, meine arme Tante ist so krank!
ROSALINDE für sich. Sicher hält er mich für treulos, glaubt vielleicht, ich liebe einen anderen, und ich habe doch bloß geheiratet.
ADELE kläglicher. Gnädige Frau, meine arme Tante ist krank!
ROSALINDE immer noch für sich. Aber wie kommt er, der vor vier Jahren spurlos aus Wien verschwand, so plötzlich in diesen Badeort?
ADELE schluchzend. Gnädige Frau, meine arme Tante ist so krank!
ROSALINDE. Wer ist krank?
ADELE. Meine Tante!
ROSALINDE. Deine Tante?
ADELE. Ja, meine Tante!
ROSALINDE ungeduldig. Aber kann ich sie denn gesund machen?
ADELE. Das verlange ich gar nicht, wenn Sie es auch könnten.
ROSALINDE. Na also!
ADELE weiterschluchzend. Aber es ist doch die Pflicht einer guten Nichte, ihre arme Tante zu besuchen und zu fragen: »Wie geht’s? Wie befinden Sie sich? Noch immer fidel und munter?«
ROSALINDE. Deine arme, kranke Tante?
ADELE. Darum bitte ich Sie, mir aus Rücksicht für meine nichtige Liebe freien Ausgang zu gewähren.
ROSALINDE bestimmt. Unmöglich!
ADELE bittend. Gnädige Frau!
ROSALINDE. Unmöglich, sage ich. Hast du denn vergessen, daß mein Gemahl heute seine fünftägige Arreststrafe antreten muß? Dreimal ist sie schon verschoben worden; aber heute muß er sich stellen, sonst wird er gestellt.
ADELE. Aber ich weiß noch immer nicht, warum der gnädige Herr eigentlich eingesperrt wird?
ROSALINDE. Weil er einem Amtsdiener ein paar Hiebe mit der Reitpeitsche gegeben und ihn einen Stockfisch genannt hat.
ADELE. Wegen so einem bisserl?
ROSALINDE. Er hat schon an alle Instanzen appelliert, aber das wird ihm eher schaden als nützen.
ADELE. Wenn es ihm aber dennoch nützt?
ROSALINDE. So wird es dir nichts nützen, denn ich kann dich nicht eine Stunde entbehren.
ADELE. Nicht? O meine arme, arme Tante! So darf ich dich nicht mehr wiedersehen auf Erden? Eine solche Tante wie diese Tante – noch keine Nichte Tante nannte!
Nr. 1a. Ende der Introduktion
ADELE.
Ach, ich darf nicht hin zu dir,
Und du sehnst dich so nach mir,
Deiner heißgeliebten Nichte.
Gar zu traurig ist die G’schichte!
Ach, warum schuf die Natur
Mich zur Kammerjungfer nur?
ROSALINDE.
Nein, du darfst heut nicht zu ihr,
Und wenn sie sich auch sehnt nach dir!
Wohl traurig klingt die G’schichte
Von der geliebten Nichte.
Ja, warum schuf die Natur
Dich zur Kammerjungfer nur?
ADELE schluchzend ab.
Dritter Auftritt
Rosalinde.
ROSALINDE allein. Wie glücklich die alte Tante ist, eine so liebevolle Nichte zu haben! Es wird nicht so gefährlich sein, hoffe ich. Ich kann sie ja nicht entbehren, weil ich nicht allein bleiben darf, wenn mein Mann in der Tat seine Strafe antreten muß. Und der wird er nicht entgehen, denn jetzt hat er die Richter erst recht erbittert gegen sich. Ihr Blick fällt auf Alfred, der in der Mitteltür erscheint. Himmel, Alfred!
Vierter Auftritt
Rosalinde. Alfred.
ALFRED vortretend. Warum denn nicht: mein Alfred und mir mit offenen Armen entgegengeflogen?
ROSALINDE. Mein Herr, ich bin verheiratet!
ALFRED. Das geniert mich nicht!
ROSALINDE. Aber mich! Entfernen Sie sich!
ALFRED. Ich bin ja nicht gekommen, um mich zu entfernen!
ROSALINDE. Himmel, wenn mein Mann erschiene!
ALFRED. Das geniert mich nicht! Übrigens erscheint er nicht, er muß brummen.
ROSALINDE. Nein, nein! Den Blick erhebend. Vater im Himmel, laß ihn nicht brummen, ich bitte dich!
ALFRED. Er muß brummen, da hilft ihm kein Gott!
ROSALINDE. Ich bitte, ich beschwöre Sie, verlieren Sie sich!
ALFRED. Wohlan, ich verliere mich, jedoch nur unter der Bedingung, daß ich wiederkehren darf, wenn Ihr Gemahl brummt. Schwören Sie mir, daß Sie mich empfangen werden, wenn Sie Strohwitwe sind, und ich entferne mich augenblicklich. Theatralisch. Schwöre!
ROSALINDE. Es sei … ich schwöre!
ALFRED. Nun denn … ich gehe! Bleibt stehen.
ROSALINDE ungeduldig. Sie gehen aber nicht, sondern stehen noch immer! Leben Sie wohl!
ALFRED singt. Kein Lebewohl! Auf Wiedersehen! Bald bin ich wieder da! Ab.
Fünfter Auftritt
Rosalinde.
ROSALINDE allein. Oh, wenn er nur nicht singen wollte! Seinem Dialog bin ich noch allenfalls gewachsen, aber vor seinem hohen B schmilzt meine Kraft dahin! O Schicksal, Schicksal, warum hast du mir das angetan? In dem Augenblick, wo du mir die Gegenwart des Gatten entziehst, führst du mir das Bild der Vergangenheit vor Augen. Was soll aus der Zukunft meiner Pflichten werden? Meine einzige Hoffnung beruht jetzt noch auf dem Ausspruch des Gerichts. Wird meinem Gatten die Arreststrafe erlassen, dann ist alles gut! Oh, wenn die Richter wüßten, welche Verantwortung sie durch seine Verurteilung auf sich laden, sie würden Gnade walten lassen! Horcht. Ha, er kommt! Er zankt mit seinem Advokaten. Ein böses Zeichen!
Sechster Auftritt
Rosalinde. Eisenstein. Blind, Aktenstöße unterm Arm, Augengläser und Perücke.
Nr. 2 Terzett
EISENSTEIN aufgeregt eintretend.
Nein, mit solchen Advokaten
Ist verkauft man und verraten;
Da verliert man die Geduld!
ROSALINDE.
Nur Geduld!
BLIND.
Nur Geduld!
EISENSTEIN.
Statt daß jetzt die Sach‘ beendet,
Hat’s noch schlimmer sich gewendet,
Und daran ist er nur schuld!
BLIND.
Wer ist schuld?
ROSALINDE.
Der ist schuld? Der wäre schuld?
EISENSTEIN.
Ja, der ist ganz allein nur schuld!
ROSALINDE.
Der Herr Notar?
BLIND.
Das ist nicht wahr!
EISENSTEIN.
Du wirst schon sehn!
ROSALINDE.
Was ist geschehn? Erkläre dich!
EISENSTEIN.
So höre mich!
BLIND.
Nein, erst will ich verteid’gen mich!
EISENSTEIN.
Ersparen Sie sich diese Müh!
So etwas ist nicht zu verteid’gen!
BLIND.
Mir scheint, Sie wollen mich beleid’gen?
ROSALINDE.
Nur ruhig Blut! Warum die Wut?
EISENSTEIN.
Der Herr Notar schwatzt wie ein Star.
BLIND.
Herr Eisenstein fing an zu schrein.
EISENSTEIN.
Sie stottern ja bei jedem Wort!
BLIND.
Sie schimpfen ja in einem fort.
EISENSTEIN.
Sie krähen wie ein Hahn!
BLIND.
Sie sind ein Grobian!
EISENSTEIN.
Sie sind ein Dummrian!
BLIND.
Sie sind sehr inhuman!
EISENSTEIN.
Sie reden lauter Lebertran
Und drehn sich wie ein Wetterhahn!
BLIND.
Sie rasen wie im Fieberwahn
Und kollern wie ein Puterhahn!
ROSALINDE zu Eisenstein.
Doch schone dein Organ,
Es sei nun abgetan.
Zu Blind.
Das beste wär‘, Sie gehn hinaus,
Sonst wird noch ein Skandal daraus!
EISENSTEIN.
Ja, sie hat recht! Gehn Sie hinaus,
Sonst wird noch ein Skandal daraus!
BLIND.
Nein, diesen Ton hält man nicht aus.
Ich gehe schon, ich geh hinaus!
Ab.
ROSALINDE.
Beruh’ge endlich diese Wut.
Verurteilt bist du; nun denn – gut!
Ergib dich drein, und nach fünf Tagen,
Schon nach fünf Tagen ist die G’schichte abgemacht.
EISENSTEIN.
Fünf Tage sagst du? Jetzt sind’s gar acht!
Man hat mir drei dazugeschlagen.
So weit hat’s dieser Mensch gebracht!
Noch heute soll ich stellen mich,
Und komm ich nicht, so holt man mich!
ROSALINDE.
Das ist zu stark, das muß ich sagen.
EISENSTEIN.
Nicht wahr?
ROSALINDE.
Ach, mein armer, armer Mann,
Noch heute also mußt du dran?
Was kann ich dir zum Tröste sagen?
Wie soll ich das ertragen?
EISENSTEIN.
Ach, mit solchen Advokaten
Ist verkauft man und verraten!
Da verliert man die Geduld!
ROSALINDE.
Und daran ist der nur schuld!
BLIND tritt wieder ein.
Wer ist schuld?
ROSALINDE.
Sie sind schuld!
EISENSTEIN.
Der ist ganz allein nur schuld!
BLIND.
Wenn Sie nur erst wieder frei,
Prozessieren wir aufs neu,
Und ich werde Ihnen dann schon zeigen, was ich kann:
Rekurrieren, appellieren, reklamieren,
Revidieren, rezipieren, subvertieren,
Devolvieren, insolvieren, protestieren,
Liquidieren, exzerpieren, extorquieren,
Arbitrieren, resummieren, exkulpieren,
Inkulpieren, kalkulieren, konzipieren …
ROSALINDE, EISENSTEIN.
Hören Sie auf, es ist genug!
BLIND.
Und Sie müssen triumphieren!
ROSALINDE.
Ob Sie Berge von Papieren
Auch dabei zusammenschmieren,
Doch Sie werden schließlich sich blamieren
Ja, ach ja, blamieren!
EISENSTEIN.
Wenn Sie jetzt nicht retirieren,
Muß ich Sie hinausbugsieren
Und vielleicht noch schließlich attackieren!
Muß ich Sie hinausbugsieren!
BLIND.
Rekurrieren, appellieren, reklamieren,
Revidieren, rezipieren, subvertieren,
Devolvieren, involvieren, protestieren,
Liquidieren, exzerpieren, extorquieren,
Ja, Sie werden triumphieren,
Triumphieren sicherlich!
ROSALINDE.
Ach, mit solchen Advokaten
Ist man übel oft beraten,
Und fürwahr, man braucht Geduld.
Statt daß jetzt die Sach‘ beendet,
Hat’s noch schlimmer sich gewendet,
Und nur der allein ist schuld!
EISENSTEIN.
Nein, mit solchen Advokaten
Ist verkauft man und verraten
Und verliert man die Geduld.
Statt daß jetzt die Sach‘ beendet,
Hat’s noch schlimmer sich gewendet,
Und daran ist der nur schuld!
BLIND.
Ach, wir armen Advokaten
Sollen immer helfen, raten,
Dazu braucht man viel Geduld.
Statt daß jetzt die Sach‘ beendet,
Hat’s noch schlimmer sich gewendet,
Und daran
Zu Eisenstein.
sind Sie nur schuld!
ROSALINDE spricht. Also noch verschärft die Strafe? Statt fünf Tage – acht Tage!
EISENSTEIN. Diese Zulage habe ich Herrn Dr. Stotterbock zu danken.
BLIND. Rei … rei … reizen Sie mich nicht! Sie allein haben durch Ihr Benehmen die Richter erbittert und mich obendrein ko … ko … konfus gemacht. Aber ich will Ihnen nichts nachtragen, und wenn Sie wieder einmal tüchtig eingesperrt werden sollen, vertret ich Sie abermals!
EISENSTEIN. Ja, ich bitte recht sehr!
BLIND. Wenn Sie wieder einmal mit einem Amtsdiener einen Konflikt haben sollten, genieren Sie sich nicht … Das nächste Mal arbeite ich Sie ganz sicher heraus!
EISENSTEIN. Alle Donnerwetter, ich empfehle mich Ihnen!
BLIND. Ihr Diener! Schnell zur Tür hinaus.
Siebenter Auftritt
Rosalinde. Eisenstein. Später Adele.
EISENSTEIN. Ist das ein Vertreter! Solch blühender Unsinn hat noch in keinem Gerichtssaal gewuchert!
ROSALINDE. Mein armer Gabriel! Acht lange Tage – und heute noch!
EISENSTEIN. Heute noch! Singt. Es muß geschieden sein!
ROSALINDE. Und mit so einem Tenor haben sie dich verurteilen können, die Barbaren!
EISENSTEIN. Sie haben mich mit meinem Tenor gleich dort behalten wollen, und ich habe verflucht zu Kreuze kriechen müssen, bis man mir noch ein paar Stunden Freiheit bewilligt hat, um mit dir speisen zu können. Klingelt. Verdenken kann ich’s ihnen nicht: dreimal haben sie mich eingeladen; wer aber nicht kam, war ich!
ADELE mit verweinten Augen, gepreßter Stimme. Befehlen?
EISENSTEIN. Was bedeutet das? Du hast geweint? Doch nicht um mich, Adele?
ADELE schluchzt. Meine arme Tante!
ROSALINDE. Die arme Frau ist sterbenskrank!
EISENSTEIN. Sterbenskrank? Ich habe sie ja soeben hoch zu Esel in die Weinberge reiten sehen.
ADELE für sich. O verwünscht!
ROSALINDE blickt auf Adele. So krank ist sie?
ADELE. Wer weiß, ob ihr der Doktor nicht den Esel verordnet hat?
EISENSTEIN. Eile jetzt in den »Goldenen Löwen« und bestelle ein delikates Souper. Was gut und teuer ist, soll man uns liefern. Adele will fort. Noch eins! Wenn du zurückkehrst, suchst du mir aus meinen alten Kleidern den ältesten, schmutzigsten, zerrissensten und miserabelsten Anzug heraus.
ADELE. Wollen Euer Gnaden betteln gehen?
EISENSTEIN. Nein, aber ich will nicht angebettelt werden in der Gesellschaft, deren Mitglied ich heute nacht sein werde. Vor allem das Souper! Ich will mir heute noch bene tun an meinem Familientische.
ADELE meldet im Abgehen. Herr Dr. Falke!
Achter Auftritt
Rosalinde. Eisenstein. Dr. Falke.
FALKE sehr heiter. Ah, da ist er noch! Küßt Rosalinde die Hand. Mein Kompliment, schönste aller Frauen! Ich gratuliere von Herzen, daß Sie den Tyrannen auf acht Tage loswerden. Reicht Eisenstein die Hand. Aber auch dir wünsche ich Glück, denn die Zugabe von drei Tagen ist immerhin eine Errungenschaft, für die du dem Gerichtshofe eine Dankadresse schuldig bist!
ROSALINDE. Aber Herr Doktor!
EISENSTEIN. Laß ihn nur. Wer den Schaden hat, braucht für den Spott nicht zu sorgen! Schicke in den Keller, liebe Frau; die böse Zunge muß genetzt werden, wenn sie nicht zu spitz werden soll.
ROSALINDE. Keine schlechten Witze mehr, lieber Doktor! Wir müssen ja unseren armen Arrestanten ein wenig aufzuheitern suchen. Ab.
Neunter Auftritt
Eisenstein. Falke.
FALKE Rosalinde nachrufend. Freilich, ihn zu zerstreuen und aufzuheitern bin ich ja da, schöne Frau! Leiser zu Eisenstein. Ich komme, dich zu einem fürstlichen Souper mit den reizenden Koryphäen der Oper einzuladen.
EISENSTEIN. Bist du toll? Ich muß ja binnen einer Stunde meine Strafe antreten.
FALKE. Den Arrest kannst du morgen in aller Frühe antreten. Heute gehst du mit mir in die Villa Orlofskys, des jungen russischen Fürsten, der hier im Bade fabelhafte Summen verschwendet. Damen findest du dort, Damen, sag ich dir, ein wahrer Blütenflor, von der Kamelie bis zum Veilchen!
EISENSTEIN. Sind die Damen etwa die alte Garde der Oper?
FALKE. Wo denkst du hin? Zungenschnalzend. Die Eliteder ersten Quadrille und dann einige von dem jugendlichen Nachwuchs, die sogenannten Ratten.
EISENSTEIN. Teufel, mir wässert der Mund! Aber der Prinz …
FALKE…. hat mich dringend ersucht, einige junge Lebemänner meiner Bekanntschaft einzuladen.
EISENSTEIN. Man schmeichelt mir allerdings, daß ich ein liebenswürdiger Gesellschafter bin!
FALKE. Und dabei immer mit den tollsten Einfällen bei der Hand, zum Beispiel vor drei Jahren, als wir den Scheelendorfer Maskenball besuchten …
EISENSTEIN. Ich als Papillon, du als Fledermaus. Haha! Erinnerst du dich noch?
FALKE bedeutungsvoll. Oh, so etwas vergißt man nicht so leicht!
EISENSTEIN. Es war ein kapitaler Spaß!
FALKE. O ja, für den Papillon, aber nicht für die Fledermaus!
EISENSTEIN. Dr. Häring, der heute präsidierte, war auch dabei. Hielt sich den Bauch vor Lachen und konnte mir nicht oft genug zurufen: »Das ist dir gelungen, Bruder!« – Und heute trug er mich: »Wie heißen Sie?« Und diktierte mir acht Tage. Oh, dieser schlechte gute Freund! Zieht seine Uhr aus der Tasche, läßt sie repetieren.
FALKE. Ah, da ist ja der gewisse Rattenfänger!
EISENSTEIN. Was meinst du?
FALKE. Man behauptet, daß du mit dieser niedlichen Repetieruhr alle Kameliendamen köderst, wenn du ihnen den Hof machst. Du versprichst sie einer jeden …
EISENSTEIN…. aber gegeben habe ich sie noch keiner! Lacht.
FALKE. Spitzbube, du wirst heute nacht abermals diesen Köder auswerfen können, denn ich rechne damit, daß du von der Partie bist?
Nr. 3. Duett
FALKE.
Komm mit mir zum Souper,
Es ist ganz in der Näh.
Eh du in der stillen Kammer
Laborierst am Katzenjammer,
Mußt du dich des Lebens freun,
Ein fideler Bruder sein!
Ballerinen, leicht beschwingt,
In den blendendsten Toiletten,
Fesseln dich mit Rosenketten,
Wenn die Polka lockend klingt.
Freundchen, glaub mir, das verjüngt!
Bei rauschenden Tönen im blendenden Saal
Mit holden Sirenen beim Göttermahl,
Da fliehen die Stunden in Lust und Scherz,
Da wirst du gesunden von allem Schmerz.
Soll dir das Gefängnis nicht schädlich sein,
Mußt du etwas tun, dich zu zerstreun.
Siehst du das ein?
EISENSTEIN.
Das seh ich ein. –
Doch meine Frau, die darf nichts wissen.
FALKE.
Du wirst zum Abschied zärtlich sie küssen,
Sagst: Lebewohl, mein süßes Kätzchen!
EISENSTEIN.
Nein, nein! Mein Mauserl, sage ich,
Denn als Katze schleich ich selbst
Aus dem Hause mich.
FALKE.
Denn als Katze schleichst du selbst
Aus dem Hause dich. –
Und während sie schläft ganz fest,
Gehst du statt in deinen Arrest
Mit mir zu dem himmlischen Fest!
EISENSTEIN.
Mit dir zu dem himmlischen Fest!
FALKE.
Ich führe dich als Fremden ein,
»Marquis Renard« sollst dort du sein.
So wird man nichts erfahren können.
Willst du?
EISENSTEIN.
Ach, ich wäre schon erbötig …
FALKE.
Du mußt!
EISENSTEIN.
Wenn nur …
FALKE.
Du mußt dir’s vergönnen,
Zur Gesundheit ist’s ja nötig!
EISENSTEIN.
Ja, ich glaub, du hast recht.
Die Ausred‘ ist nicht schlecht!
FALKE.
Soll dir das Gefängnis nicht schädlich sein …
EISENSTEIN.
Soll mir das Gefängnis nicht schädlich sein …
BEIDE…. Mußt du (Muß ich) etwas tun, dich (mich) zu zerstreun!
FALKE.
So kommst du?
EISENSTEIN.
Wer kann widerstehn? Ja, ich bin dabei.
FALKE.
Zum Teufel mit deiner Leimsiederei!
BEIDE.
Ein Souper uns heute winkt,
Wie noch gar keins dagewesen:
Schöne Mädchen, auserlesen,
Zwanglos man dort lacht und singt.
Lalalala …
Beide tanzen lustig durchs Zimmer, während Rosalinde eintritt.
Zehnter Auftritt
Eisenstein. Falke. Rosalinde.
ROSALINDE mit einem zerrissenen Rock und alten Hut blickt erstaunt auf die Tanzenden. Was ist denn das?
EISENSTEIN, FALKE unterbrechen den Tanz.
ROSALINDE. Was treibt ihr denn, meine Herrn?
FALKE etwas verlegen. Nicht wahr, das ist mir gelungen?
EISENSTEIN. Er hat mich getröstet.
FALKE. Eine schwierige Aufgabe, aber ich habe sie glücklich gelöst.
EISENSTEIN. Jawohl, ich gehe jetzt in meinen Arrest, als ob ich zu einem Lustgelage ginge!
FALKE. Was bringen Sie uns denn da, gnädige Frau?
ROSALINDE. Die Toilette für unseren Arrestanten. Drückt Eisenstein den Hut auf den Kopf. Ist dir der Hut recht?
EISENSTEIN schleudert den Hut fort. Warum nicht gar! Willst du denn einen Räuber aus mir machen?
ROSALINDE. Aber du befahlst ja Adele …
FALKE nimmt den Rock. Und dieser Kittel! Wenn du den anlegst, läßt dich der Gefängnisdirektor gleich mit 25 bewillkommnen!
ROSALINDE erschrocken. Himmel!
FALKE greift nach seinem Hute. Gnädige Frau …
ROSALINDE. Sie wollen uns schon verlassen?
FALKE. Es ist schon spät, und ich will dem Gefängnisdirektor, Herrn Frank, seinen neuen Hausgenossen anmelden. Ich werde dich dort erwarten, Freund Eisenstein! Ab.
EISENSTEIN ruft ihm nach. Meine Empfehlung an die Ratten!
Elfter Auftritt
Rosalinde. Eisenstein.
ROSALINDE. An die Ratten!?
EISENSTEIN. Natürlich an die Ratten! Die Ratten illustrieren die Poesie des Kerkers.
ROSALINDE. Gerechter Gott, bei den Ratten wirst du einquartiert!
EISENSTEIN. Warum denn nicht? Es sind ja ganz possierliche Tierchen. Ich werde mich gut mit ihnen unterhalten. Singt. Juchheissa, hopsassa, trallala!
ROSALINDE. Aber jetzt ist doch nicht Zeit, juchheissa, hopsassa zu singen!
EISENSTEIN. Nein, denn es ist Zeit, an meine Toilette zu denken.
ROSALINDE. Toilette fürs Strafhaus?
EISENSTEIN. Natürlich! Falke meint, es sei leicht möglich, daß ich dort eine geschlossene Gesellschaft finde. Küßt Rosalinde auf die Stirn.
Ich weiß, wie ich mich kleide:
In schwarzen Samt und Seide
Mit einem Chapeau bas –
Gleich bin ich wieder da!
Ab.
Zwölfter Auftritt
Rosalinde. Später Adele.
ROSALINDE allein. Der Mann ist ja wie ausgewechselt! Mir scheint, er freut sich ordentlich, eingesperrtzu werden. Wenn ich nur wüßte, was ich mit dem da unten anfangen soll? Ich habe geschworen, ihn zu empfangen, und wenn man einmal einen solchen schweren Schwur schwört, muß man diesen Schwur halten, sei es noch so schwer!
ADELE bringt auf einer Platte einen Wildschweinkopf mit einem Rosenbukett im Rüssel. Der »Löwe« schickt diesen wilden Schweinskopf.
ROSALINDE. Und du hast das Ungeheuer angenommen?
ADELE. Er hat sonst nichts vorrätig gehabt.
ROSALINDE sinnend vor dem Schweinskopf. So muß ich ihn denn annehmen?
ADELE. Freilich, ich habe ihn ja schon bezahlt!
ROSALINDE ohne auf Adele zu achten. Meinen Schwur muß ich halten. Empfangen werde ich ihn, aber nur, um ihn gleich wieder zu entlassen. Aber Adele muß ich mir aus dem Wege schaffen. Laut zu Adele. Nun, wie befindet sich denn deine alte kranke Tante nach der Eselspartie?
ADELE. I nu … so so! Den Umständen angemes sen …
ROSALINDE. Sollte diese alte kranke Tante nicht ein junger, gesunder Vetter sein?
ADELE. Gnädige Frau, ich bitte recht sehr …
ROSALINDE. Aber gleichviel, Tante oder Vetter, ich gebe dir den Urlaub ohne Fragezeichen.
ADELE.
Wahrhaftig, gnädige Frau? Aber früher haben
Sie mir ihn rundweg abgeschlagen?
ROSALINDE. Weil ich früher verdrießlich war, jetzt bin ich bei besserer Laune.
ADELE. Weil der gnädige Herr eingesperrt wird?
ROSALINDE. Mamsell Naseweis!
ADELE. Bitte um Verzeihung, gnädige Frau!
Dreizehnter Auftritt
Rosalinde. Adele. Eisenstein.
EISENSTEIN in eleganter Balltoilette, parfümiert sich. So: die Haare Violet de Mars, die Wäsche Fleur d’Orange! Jetzt habe ich nur noch den Frack zu wässernmit Eau de Cologne. Hast du nicht gehört, Adele? Eau de Cologne habe ich befohlen.
ADELE holt einen Flakon.
EISENSTEIN sich bespritzend. So, jetzt dufte ich anständig!
ROSALINDE. Und diese strenge Balltoilette hast du für die Gefangenen gemacht?
EISENSTEIN. Damit sie sehen, daß ich ihrer würdig bin! Diese Herren Spitzbuben pflegen uns gleich über die Achsel anzuschauen. Habt ihr nicht eine Rose, Kamelie oder … Bemerkt das Bukett im Rüssel des Schweinskopfes. erlauben schon, Baron Wildschwein! Befestigt die Rosen in seinem Knopfloch.
ROSALINDE. Unbegreiflich!
EISENSTEIN. Aber es ist Zeit. Leb wohl!
ROSALINDE. Wie? Ohne zu soupieren?
EISENSTEIN. Ich werde mit den Ratten soupieren.
ADELE. Und was geschieht mit dem Schweinskopf?
ROSALINDE. Bring ihn deiner armen kranken Tante!
ADELE. Tausend Dank, gnädige Frau! Das wird die arme Frau mit dem schwachen Magen recht erquicken!
EISENSTEIN affektiert die Arme ausbreitend. Rosalinde, meine teure Rosalinde!
ROSALINDE bewegt in seine Arme stürzend. Mein armer Gabriel?
EISENSTEIN. Süße Träume mögen dich umgaukeln, während ich die ganze Nacht ruhelos durchwachen werde. Macht Tanzschritte.
ADELE seufzt. Wie traurig!
EISENSTEIN. In solcher Situation hat man nur die Wahl, entweder in Schmerz zu vergehen oder sich rasch voneinander loszureißen. Reißen wir uns los!
ROSALINDE schluchzt. Unmöglich!
ADELE. Probieren Sie es nur; vielleicht geht’s doch!
EISENSTEIN. Ermanne dich, Weib, ermanne dich!
Nr. 4. Terzett
ROSALINDE.
So muß allein ich bleiben
Acht Tage ohne dich?
Wie soll ich dir beschreiben
Mein Leid so fürchterlich?
Wie werd ich es ertragen,
Daß mich mein Mann verließ?
Wem soll mein Leid ich klagen?
O Gott, wie rührt mich dies!
Ich werde dein gedenken
Des Morgens beim Kaffee,
Wenn ich dir ein will schenken,
Die leere Tasse seh.
Kann keinen Gruß dir winken.
Aus Jammer werd ich g’wiß
Ihn schwarz und bitter trinken! – Ach!
EISENSTEIN.
O Gott, wie rührt mich dies!
ALLE DREI.
O Gott, wie rührt mich dies!
O je, o je, wie rührt mich dies!
ROSALINDE.
Wo bleibt die traute Gruppe,
Kommt Mittag dann heran?
Beim Rindfleisch wie zur Suppe,
Zum Braten – keinen Mann!
Und sinkt der nächt’ge Schleier,
Gibt’s wieder mir ’nen Riß,
Mein Schmerz wird ungeheuer!
ALLE DREI.
O Gott, wie rührt mich dies!
O je, o je, wie rührt mich dies!
EISENSTEIN.
Was soll das Klagen frommen,
Den Kopf verlier ich schier,
ROSALINDE.
Mein Kopf ist ganz benommen.
ADELE den Schweinskopf nehmend.
Den meinen hab ich hier!
EISENSTEIN.
Leb wohl, ich muß nun gehen.
ROSALINDE.
Leb wohl, du mußt nun gehen.
ADELE.
Leb wohl, er muß nun gehen.
ALLE DREI.
Doch bleibt ein Trost so süß:
ADELE.
Es gibt ein Wiedersehen, es gibt ein Wiedersehen!
ALLE DREI.
O Gott, o je, wie rührt mich dies!
Eisenstein tanzt ab. Adele folgt, während Rosalinde zurückbleibt.
Vierzehnter Auftritt
Rosalinde. Später Alfred.
ROSALINDE allein. Er weint und tanzt zugleich. Wie leichtsinnig doch diese Männer sind! Er wird sich schnell zu trösten wissen, während ich arme Frau einsam und verlassen um ihn traure, bis … der andere kommt! Nein, der andere darf nicht kommen; ich gehe hinunter und lasse alle Türen schließen. Geht gegen die Tür. Ja, ich sperre zu! Kehrt langsam wieder um. Ich kann nicht, ich darf aber auch nicht! Ich habe geschworen, und was man geschworen hat, muß man halten, sonst ist man verloren. Horcht gegen die Tür. Man kommt; er ist’s! Setzt sich. Er wird mich trösten wollen, da wird er sich aber irren. Ich bleibe untröstlich!
ALFRED in der Tür. Er brummt!
ROSALINDE mit einem Seufzer. Er brummt!
ALFRED bemerkt den Wein auf dem Tisch. Sie haben, wie ich sehe, schon dafür gesorgt, mich gastlich zu empfangen. Danke für die freundliche Aufmerksamkeit! Füllt ein Glas.
ROSALINDE pikiert. Machen Sie keine Umstände, bitte!
ALFRED. Sie haben recht. Da sind ja auch die Attribute des legitimen Hausherrn: Schlafrock und Kappe! Wohlan, ich will mich auf einen Augenblick in mein verlorenes Paradies zurückträumen. Ich will mir einbilden, Ihr Gemahl zu sein. Zieht seinen Rock aus und bekleidet sich mit Schlafrock und Kappe.
ROSALINDE. Mein Gott, was tun Sie denn?
ALFRED. Kommod mach ich mir’s! Ißt und trinkt. Hast du keinen Appetit, liebes Weibchen?
ROSALINDE. Das ist doch zu arg!
ALFRED. Morgen früh keinen Kaffee, liebe Alte! Ich bitte um ein russisches Frühstück: Kaviar, Roastbeef, Heringssalat …
ROSALINDE. Zum Frühstück! Er wird doch nicht …
ALFRED. Und Rostopschin … ich liebe starke Getränke!
ROSALINDE mit aufgehobenen Händen. Ich bitte, ichbeschwöre Sie, verlassen Sie mich jetzt! Ich habe Sie empfangen, um meinen Schwur zu halten. Doch nun genug! Sie werden durch Fortsetzung dieses Scherzes nicht diejenige kompromittieren wollen, die Ihnen einst teuer war.
ALFRED. Kompromittieren will ich Sie nicht, aber Ihren Wein will ich auch nicht stehen lassen. Also trinken wir Einschenkend. und singen wir dazu!
ROSALINDE. Nein, nicht singen; nur nicht singen!!
ALFRED. Ei, warum denn nicht? Sie haben doch einst meinen Tenor so gern gehört!
ROSALINDE. Ach, das ist’s ja eben! Nur zu gerne!
ALFRED schenkt ein und trinkt. Frisch gesungen!
Nr. 5. Finale
Trinklied
ALFRED.
Trinke, Liebchen, trinke schnell,
Trinken macht die Augen hell.
Sind die schönen Äuglein klar,
Siehst du alles licht und wahr.
Siehst, wie heiße Lieb‘ ein Traum,
Der uns äffet sehr,
Siehst, wie ew’ge Treue Schaum –
So was gibt’s nicht mehr!
Flieht auch manche Illusion,
Die dir einst dein Herz erfreut,
Gibt der Wein dir Tröstung schon
Durch Vergessenheit.
Glücklich ist, wer vergißt,
Was doch nicht zu ändern ist!
Sing, sing, sing, trink mit mir,
Sing mit mir – Lalalala!
ROSALINDE.
Ach, was tut man hier?
BEIDE.
Glücklich ist, wer vergißt,
Was doch nicht zu ändern ist!
ROSALINDE.
Er geht nicht von hinnen,
Schläft hier wohl noch ein.
Was soll ich beginnen?
ALFRED.
Stoß an!
ROSALINDE.
Nein, nein!
ALFRED.
Ach!
Trinke, Liebchen, trinke schnell,
Trinken macht die Augen hell.
Mach doch nur kein bös Gesicht,
Sei hübsch lustig, grolle nicht!
Brachst du einmal auch die Treu,
Das sei dir verziehn.
Schwöre wieder mir aufs neu,
Und ich glaub dir kühn!
Glücklich macht uns Illusion,
Ist auch kurz die ganze Freud.
Sei getrost, ich glaub dir schon
Und bin glücklich heut!
ROSALINDE.
Ach!
BEIDE.
Glücklich ist, wer vergißt,
Was doch nicht zu ändern ist!
ROSALINDE spricht. Ich höre Stimmen; man spricht unten. Weh mir! Zu Alfred. Hören Sie, man kommt die Treppe herauf!
ALFRED. Das geniert mich nicht!
ROSALINDE. Himmel, welche Lage!
Fünfzehnter Auftritt
Rosalinde. Alfred. Frank. Amtsdiener.
FRANK öffnet die Tür, zum Amtsdiener. Bleibt nur noch vorläufig draußen! Tritt ein. Erschrecken Sie nicht, gnädige Frau, ich bin Gefängnisdirektor Frank und kann mir das Vergnügen nicht versagen, Ihren renitenten Herrn Gemahl persönlich in sein Stilleben zu geleiten.
ROSALINDE. Aber mein Gemahl ist ja …
ALFRED singt.
Trinke, Liebchen, trinke schnell,
Trinken macht die Augen hell!
ROSALINDE spricht leise zu Alfred. So schweigen Sie doch, wir sind nicht allein!
ALFRED. Das geniert mich nicht!
Singt.
Kling, kling, sing, sing,
Trink mit mir, sing mit mir!
FRANK spricht. Mein Wagen wartet unten. Ich hoffe, Sie werden keinen Widerstand leisten …
ALFRED singt.
Nein! – Glücklich ist, wer vergißt,
Was doch nicht zu ändern ist!
FRANK spricht. Hahaha! Ganz recht! Ich sehe, Sie fassen die Sache von der humoristischen Seite auf.
ALFRED bietet Frank ein Glas, singt.
Trink mit mir! Sing mit mir! Sing!
FRANK spricht. Meinetwegen, hahaha!
ALFRED, FRANK singen.
Glücklich ist, wer vergißt,
Was nicht mehr zu ändern ist!
FRANK.
Sie sehn, ich kann auch gemütlich sein,
Nun kommen Sie, mein Herr von Eisenstein!
ROSALINDE.
Was soll ich tun? O welche Pein!
ALFRED.
Ich bin nicht Herr von Eisenstein,
Bin nicht der, den Sie suchen!
FRANK. Sie sind es nicht?
ALFRED. Zum Wetter, nein!
FRANK. Nur Ruhe, nicht gleich fluchen!
ROSALINDE leise zu Alfred.
Sie müssen jetzt mein Gatte sein!
FRANK für sich. Sollt ich hier hintergangen sein?
Couplet
ROSALINDE.
Mein Herr, was dächten Sie von mir,
Säß‘ ich mit einem Fremden hier?
Das wär‘ doch sonderbar!
Mit solchen Zweifeln treten ja
Sie wahrlich meiner Ehr zu nah,
Beleid’gen mich fürwahr!
Spricht denn diese Situation
Hier nicht klar und deutlich schon?
Mit mir so spät im Tête-à-tête
Ganz traulich und allein,
In dem Kostüm, so ganz intim,
Kann nur allein der Gatte sein.
ALLE DREI.
Mit ihr (mir) so spät im Tête-à-tête
Ganz traulich und allein,
In dem Kostüm, so ganz intim,
Kann nur allein der Gatte sein.
ROSALINDE.
Gleich einem Pascha fanden Sie
Ihn mir im Schlafrock vis-à-vis,
Die Mütze auf dem Haupt.
Daß man bei solchem Bilde noch
Ein wenig zweifeln könnte doch,
Das hätt‘ ich nie geglaubt.
Sehen Sie doch, wie er gähnt,
Wie er sich nach Ruhe sehnt!
Im Tête-à-tête mit mir so spät
Schlief er beinah schon ein.
So ennuyiert und so blasiert
Kann nur allein ein Ehmann sein!
ALLE DREI.
Im Tête-à-tête mit ihr (mir) so spät
Schlief er beinah schon ein.
So ennuyiert und so blasiert
Kann nur allein der Ehmann sein!
FRANK.
Nein, nein, ich zweifle gar nicht mehr,
Doch da ich fort nun muß,
So geben Sie, ich bitte sehr,
Sich schnell den Abschiedskuß.
ROSALINDE. Den Abschiedskuß?
ALFRED. Den Abschiedskuß!
FRANK. Den Abschiedskuß …
ROSALINDE.
Nun denn, wenn es sein muß …
Da haben Sie den Kuß!
ALFRED wahrend Frank sich abgewendet hat.
Soll ich schon brummen müssen
Für Ihren werten Herrn Gemahl,
Kann ich für ihn auch küssen –
Komm, Weibchen, küß mich noch einmal!
FRANK wendet sich.
Mein Herr, ich bin etwas pressiert,
Da heut ich selbst noch invitiert,
Drum lassen Sie uns gehn,
Ja, lassen endlich Sie uns gehn!
ROSALINDE leise zu Alfred.
Sie finden gewiß dort meinen Gemahl.
ALFRED.
Wir brummen vielleicht in demselben Lokal.
ROSALINDE.
Oh, schonen Sie mich!
ALFRED.
Ganz sicherlich!
FRANK nachdem er sich mit dem Amtsdiener verständigt.
Folgen Sie nun schnell, der Wagen ist zur Stell‘,
Drum fort, drum fort nur schnell!
Mein schönes, großes Vogelhaus,
Es ist ganz nahe hier.
Viel Vögel flattern ein und aus,
Bekommen Freiquartier.
Drum lad ich Sie ganz höflich ein,
Verehrtester, ich bitt,
Dort auch mein werter Gast zu sein,
Verehrtester, ich bitt,
Spazieren S‘ gefälligst mit!
ALFRED.
Wenn es sein muß, so will ich gehn.
ROSALINDE.
Doch schweigen Sie!
ALFRED.
Es soll geschehn!
FRANK.
Nur fort, schnell fort!
ALFRED.
Gleich will ich mich bequemen,
Doch erst noch Abschied nehmen!
ROSALINDE.
Genug, mein Herr, es ist schon gut!
ALFRED.
Ein Küßchen noch, dann hab ich Mut!
ROSALINDE.
Nein, nein, genug; wir müssen scheiden!
ALFRED.
Ein Küßchen gibt Trost mir im Leiden!
FRANK.
Mein Herr, genug der Zärtlichkeit,
Wir kommen nicht zu Ende heut,
Genug, es ist jetzt Zeit!
ALLE DREI.
Sein (Mein) schönes, großes Vogelhaus,
Es ist ganz nahe hier.
Viel Vögel flattern ein und aus,
Bekommen Freiquartier.
Er ladet Sie (Er ladet mich) ganz höflich ein,
(Drum lad ich Sie ganz höflich ein,)
Dort auch sein (mein) Gast zu sein!
ROSALINDE.
Drum bitt ich, fügen Sie sich drein,
Es muß ja leider sein!
Ach ja, leider muß es sein!
ALFRED.
Ich füge vorderhand mich drein,
Das wird das beste sein,
Das wird wohl vorderhand das allerbeste sein!
FRANK.
Ich bitte, fügen Sie sich drein,
Das wird das beste sein,
Es muß geschieden sein!
ROSALINDE.
Nun wohlan, das Schicksal will,
Daß heut allein ich soll soupieren.
Ja, ich füge willig mich darein.
Warum soll man noch vergeblich
Streiten hier und lamentieren?
Fort, nur fort, es muß, es muß ja sein!
ALFRED.
Ach, wie gern möcht ich mit Ihnen hier soupieren,
Aber wie ich sehe, soll’s nicht sein.
Ach, das Schicksal will mich grausam schon von hinnen führen,
Fort denn, fort, es muß ja sein!
FRANK.
Kommen Sie, ich selbst will heute auch soupieren,
Fügen Sie sich endlich doch darein.
Lassen ohne Umständ‘ Sie sich arretieren,
Fort nur, fort, es muß ja sein!
Alfred entwischt mehrfach den Händen Franks und des Amtsdieners und umarmt Rosalinde. Schließlich wird er fortgeführt, während Rosalinde in seinen Sessel sinkt.
Nr. 6. Entreakt
Allegro fuoco G-Dur 2/4
Zweiter Aufzug
Großer Gartensalon und Garten in der Villa Orlofsky, glänzend beleuchtet.
Erster Auftritt
Melanie. Faustine. Felicitas. Sidi. Minni. Hermine. Sabine. Natalie. Weitere Ballerinen. Ali Bey. Ramusin. Murray, Carikoni. Herren.
Nr. 6a. Chor
CHOR DER GÄSTE.
Ein Souper heut uns winkt,
Wie noch gar keins dagewesen,
Delikat, auserlesen
Immer hier man speist und trinkt!
Alles, was mit Glanz die Räume füllt,
Erscheint uns wie ein Traumgebild.
Wie in einen Zauberkreis gebannt,
Ruft alles: ha, charmant, amüsant!
Ein Souper heut uns winkt,
Wie noch gar keins dagewesen,
Delikat, auserlesen
Immer man hier speist und trinkt!
1. DIENER.
Gefrornes!
MELANIE.
Mir ein wenig her!
2. DIENER.
Limonade!
FAUSTINE.
Hier, ich bitte sehr!
3. DIENER.
Konfitüren!
FELICITAS.
Hier!
4. DIENER.
Schokolade!
MINNI.
Hier!
HERMINE.
Mir eine Tasse Tee!
NATALIE.
Ich bitte um Kaffee!
4. DIENER.
Sogleich! Sogleich!
MEHRERE DAMEN.
Hier ein Tee!
MEHRERE HERREN.
Hier Kaffee!
CHOR.
Wie fliehen schnell die Stunden fort,
Die Zeit wird sicher keinem lang,
Es heißt ja hier das Losungswort:
Amüs’ment, Amüs’ment!
MELANIE spricht. Das muß man sagen, diese Villa Orlofsky ist ein wahres Paradies!
FAUSTINE. Eine Oase in der Sandwüste dieses Badeorts!
ALI BEY. Ganz recht, eine Oase in der Wüste! Wir Ägypter kennen das!
FELICITAS. Aber wo ist denn eigentlich unser splendider Wirt, der Prinz?
SIDI. Ich bin schon sehr neugierig, ihn kennenzulernen. Er hätte uns doch eigentlich empfangen sollen.
RAMUSIN. Das tut er nie! Er läßt seine Gäste gern erst ein wenig warm werden. Der Empfang langweilt ihn.
MURRAY. Wir in Kanada werden nicht so leicht warm!
ALI BEY. Die russische Heizung ist aber nicht schlecht!
CARIKONI. Übrigens ist es noch sehr früh, kaum zehn Uhr.
MELANIE. Wir sind noch nicht einmal alle beisammen.
FAUSTINE. Dr. Falke, der die Arrangements übernahm, hat uns für heute ganz besondere Überraschungen versprochen.
FELICITAS. Er selbst ist aber noch nicht da.
CARIKONI. Ich mache der Gesellschaft einen Vorschlag. Folgen Sie mir ins Spielzimmer, ich lege ein Bänkchen.
FAUSTINE zu Murray. Ich habe mein Portemonnaie vergessen. Werden Sie mir das Ihre leihen?
MURRAY. Bedaure, wir in Kanada verlieren unser Geld am liebsten selbst!
MINNI zu Ramusin. Was Sie gewinnen, gehört mir?
RAMUSIN. Und was ich verliere?
CARIKONI. Das gehört mir!
ALLE singen.
Wie fliehen schnell die Stunden fort,
Die Zeit wird sicher keinem lang,
Es heißt ja hier das Losungswort:
Amüs’ment, Amüs’ment!
Gehen ab.
Zweiter Auftritt
Ida. Adele, sehr elegant gekleidet.
IDA erregt. In der Tat, ich kann nicht genug staunen, dich hier zu finden!
ADELE ebenso. Und ich kann nicht genug staunen über dein Erstaunen.
IDA. Hast du denn einen Freund hier?
ADELE. Noch nicht; aber wenn ich ihn hier finden wollte, brauchte ich nicht lange zu suchen.
IDA. Aber um Himmels willen, sag mir nur, wer dich eingeladen hat?
ADELE. Wer? Mir scheint, mein Schwesterchen will sich lustig machen über mich. Oder sollte es den Brief an mich im Schlaf geschrieben haben?
IDA. Ich – ich hätte an dich geschrieben?
ADELE. Mit der dringenden Bitte, mich frei zu machen und in großer Toilette in der Villa Orlofsky zu erscheinen.
IDA. Das hätte ich dir geschrieben?
ADELE. Oder der größeren Deutlichkeit wegen schreiben lassen.
IDA. Ich weiß von nichts. Sicher hat sich jemand einen Spaß gemacht.
ADELE. Wehe dann dem Spaßvogel! Ich lasse unsere alte Tante sterbenskrank werden, lasse ihr erst einen Esel, dann einen Schweinskopf verschreiben, bade mich in Tränenfluten, bis ich einen Ausgang erjammere, mache heimlich eine Zwangsanleihe aus der Garderobe meiner Gnädigen, schwebe reizend wie eine Feenkönigin daher und werde von meiner Schwester empfangen, als ob ich fünf Gulden von ihr ausleihen wollte. Aber so tief sind wir noch nicht gesunken, Gott sei Dank!
IDA. Aber ich bitte dich! Bedenke nur selbst, du … ein Stubenmädchen in unserer Gesellschaft!
ADELE. Nun, gar zu viel darfst du dich nicht mit deinerCharge brüsten, solange du noch im letzten Glied des Korps der Rache figurierst!
IDA. Bitte recht sehr: zweite Quadrille, erste Figur!
ADELE. Alle Hochachtung!
IDA. Indes, du siehst nicht übel aus … da bist du einmal … niemand kennt dich hier. Ich will es wagen, dich als Künstlerin vorzustellen.
ADELE. Als Künstlerin? Nun, vielleicht akzeptiert man mich dafür.
IDA. Man kommt! Spiel deine Rolle gut, sonst blamierst du mich und dich!
ADELE. Ich werde mir alle Mühe geben.
Dritter Auftritt
Adele. Ida. Orlofsky. Dr. Falke.
ORLOFSKY eine Zigarette rauchend. Ich habe in meinen achtzehn Jahren vierzig durchlebt, Doktor. Alles langweilt mich; ich kann nicht mehr lachen. Seufzt. Meine Millionen sind mein Unglück!
FALKE. Das Unglück will ich gern mit Ihnen teilen, Durchlaucht!
ORLOFSKY. Und meinen Sie, daß wir heute lachen werden?
FALKE. Ich hoffe es, Durchlaucht. Sie haben mir plein pouvoir gegeben, und ich war bemüht, einen kleinen dramatischen Scherz vorzubereiten.
ORLOFSKY. Wie heißt das Stück?
FALKE. Rache einer Fledermaus!
ORLOFSKY. Der Titel ist originell genug!
IDA leise zu Adele. Der Junge ist der Prinz.
ADELE. Noch so klein und schon Prinz?
FALKE bemerkt Adele, für sich. Da ist sie; mein Briefchen hat gewirkt. Zum Prinzen, auf Adele deutend. Das ist schon eine meiner handelnden Personen.
ORLOFSKY fixiert Adele durchs Lorgnon. Wahrscheinlich die Soubrette?
IDA vorstellend. Fräulein Olga, mein Fräulein Schwester Olga, Durchlaucht.
ORLOFSKY. Olga? Das ist ein Name aus meinem Kalender. Zu Adele. Sprechen Sie russisch?
ADELE. Nein, das ist mir zu kalt.
ORLOFSKY. Natürlich auch Künstlerin?
IDA. Und was für eine! Ich sage nichts als theaterakademische Spezialität!
ORLOFSKY. Das lasse ich mir gefallen! Ich liebe die Künstlerinnen, besonders die angehenden. Sind Sie also eine angehende?
ADELE. Man hat wenigstens schon öfters bei meinen Leistungen gesagt: »Es geht an!«
Lachen hinter der Szene.
FALKE. Ah, unsere Gesellschaft unterhält sich schon beim Spiel. Sicher ist Carikoni der Verführer. Wollen Durchlaucht nicht teilnehmen?
ORLOFSKY. Nein, ich könnte zufällig gewinnen, und das langweilt mich. Aber Sie, meine Damen, hätten vielleicht die Güte, ein paar tausend Francs für mich zu wagen? Adele eine Brieftasche reichend. Wollen Sie mit dem Inhalt dieser Brieftasche mein Glück auf die Probe stellen?
ADELE. Mit Vergnügen! Aber wenn wir Unglück haben sollten?
ORLOFSKY. So werde ich das Glück haben, Sie bald wieder hier zu sehen.
IDA abgehend zu Adele. Wie gefällt dir der Russe?
ADELE. Er amüsiert mich mit seiner Langeweile.
Beide ab.
Vierter Auftritt
Orlofsky. Falke. Später Ivan. Zuletzt Eisenstein.
ORLOFSKY. Nun erklären Sie mir doch, Doktor, was Sie vorhaben?
FALKE. Gönnen mir Durchlaucht das Vergnügen der Überraschung. Vorläufig nur das eine: diese Olga ist die Kammerjungfer unseres Helden.
IVAN meldet. Der Marquis von Renard!
FALKE. Das ist unser Held selbst!
EISENSTEIN tritt ein. Ah, da bist du ja! Du siehst, ich habe mich beeilt. Das Souper hat doch noch nicht begonnen?
FALKE. O nein.
EISENSTEIN. Und die Damen, die reizenden Damen, die du mir versprochen hast?
FALKE. Sind alle hier im Speisezimmer versammelt.
EISENSTEIN mit einem Schritt nach rechts. Hier?
ORLOFSKY ihm entgegen. Sie wollen die Güte haben, mit uns zu soupieren, mein Herr? Ich heiße Sie willkommen.
EISENSTEIN verbeugt sich, dann leise zu Falke. Wer ist denn das junge hübsche Bürschchen?
FALKE vorstellend. Prinz Alexander Orlofsky, unser Gastgeber.
EISENSTEIN. Das … das wäre …
ORLOFSKY. Woher dies Staunen?
EISENSTEIN. Verzeihen Durchlaucht, aber die Tscherkessen, die ich bis jetzt kennenlernte, waren sämtliche größer und umfangreicher.
FALKE leise zu Orlofsky. Ich habe eine göttliche Idee. Ich lade seine Frau ein.
ORLOFSKY. Sie wird nicht kommen.
FALKE. Sie kommt! Ich habe ein Mittel. Beschäftigen Sie nur einen Augenblick den Mann. Im folgenden schreibt Falke einen Brief und läßt ihn durch einen Diener expedieren.
ORLOFSKY sehr ernst zu Eisenstein. Eine Frage, Herr Marquis.
EISENSTEIN. Bitte, bitte …
ORLOFSKY. Ich ersuche Sie als Mann von Ehre zu antworten – aufrichtig – offenherzig – ohne Rückhalt!
EISENSTEIN. Wa – was?
ORLOFSKY. Trinken Sie ein Gläschen Madeira mit mir?
EISENSTEIN. Und das ist alles?
ORLOFSKY ungeduldig. Trinken Sie!?
EISENSTEIN. Mit dem größten Vergnügen.
ORLOFSKY ruft. Madeira, Ivan!
EISENSTEIN für sich. Und zu dieser Frage eine Einleitung, als ob der durchlauchtigeste Grünschnabel mein Beichtvater wäre!
ORLOFSKY. Setzen Sie sich. – Nun, so setzen Sie sich doch!
EISENSTEIN fällt in einen Sessel. Ich sitze schon!
Fünfter Auftritt
Orlofsky. Eisenstein. Falke. Ivan mit Wein und Gläsern.
ORLOFSKY. Trinken Sie!
EISENSTEIN. Zu dienen! Schenkt sich hastig ein, für sich. Wie der mit mir herumkommandiert!
ORLOFSKY. Hören Sie mich an! Ich muß Sie vor allen Dingen mit meinen nationalen Eigentümlichkeiten bekannt machen.
Nr. 7. Couplet
ORLOFSKY.
Ich lade gern mir Gäste ein,
Man lebt bei mir recht fein,
Man unterhält sich, wie man mag,
Oft bis zum hellen Tag.
Zwar langweil ich mich stets dabei,
Was man auch treibt und spricht,
Indes, was mir als Wirt steht frei,
Duld ich bei Gästen nicht.
Und sehe ich, es ennuyiert
Sich jemand hier bei mir,
So pack ich ihn ganz ungeniert,
Werf ihn hinaus zur Tür.
Und fragen Sie, ich bitte,
Warum ich das denn tu?
’s ist mal bei mir so Sitte:
Chacun à son goût!
EISENSTEIN spricht. Gehorsamer Diener! Ein echt russisches, drastisches Mittel! Wenn jeder, der sich langweilt, hinausgeworfen wird, werden sich sicher alle Gäste amüsieren!
ORLOFSKY.
Wenn ich mit andern sitz beim Wein
Und Flasch‘ um Flasche leer‘,
Muß jeder mit mir durstig sein,
Sonst werde grob ich sehr.
Und schenke Glas um Glas ich ein,
Duld ich nicht Widerspruch.
Nicht leiden kann ich’s, wenn sie schrein:
»Ich will nicht, hab genug!«
Wer mir beim Trinken nicht pariert,
Sich zieret wie ein Tropf,
Dem werfe ich ganz ungeniert
Die Flasche an den Kopf!
Und fragen Sie, ich bitte,
Warum ich das denn tu?
’s ist mal bei mir so Sitte:
Chacun à son goût!
EISENSTEIN spricht. Wie harmlos! Wenn einer nicht mehr trinken will, fliegt ihm die Flasche an den Kopf! Das sind allerdings nationale Eigentüm lichkeiten, die man beachten muß!
ORLOFSKY. Schmeckt Ihnen der Madeira?
EISENSTEIN. Ausgezeichnet!
ORLOFSKY. Mir leider nicht! Früher wirkten noch derlei Reizmittel; jetzt aber mundet mir gar nichts mehr. Ich habe nicht einmal Appetit auf die Liebe.
EISENSTEIN. Oh, auf die Liebe habe ich noch immer gesegneten Appetit!
ORLOFSKY leert hastig sein Glas. Ach, ich möchte noch einmal jung werden!
EISENSTEIN. Wünschen Durchlaucht vielleicht noch einmal in den hochfürstlichen Windeln zu liegen?
ORLOFSKY. Ich möchte lachen, herzlich lachen, und das kann ich so selten. Aber Dr. Falke hat mir versprochen, daß ich heut über Sie lachen soll.
EISENSTEIN verblüfft. Über mich?
ORLOFSKY. Ja, über Sie! Zu Falke. Nicht wahr, Falke, wir werden über den Herrn Marquis lachen?
FALKE. Ich hoffe es, Durchlaucht!
EISENSTEIN. Wieso wollen Sie denn über mich … Betrachtet sich von allen Seiten.
FALKE leise zu Orlofsky. Es ist alles besorgt.
EISENSTEIN für sich. Was flüstern sie da miteinander?
Sechster Auftritt
Vorige. Adele. Ida.
ADELE Orlofsky die leere Brieftasche überreichend. Mein Prinz, ich stelle Ihnen Ihr Portefeuille zurück; es ist leer!
IDA. Der gerissene Carikoni hat uns alles abgenommen.
EISENSTEIN Adele erblickend. Alle Wetter!
ORLOFSKY. Was gibt’s?
EISENSTEIN. Das ist ja … Für sich. Das ist mein Stubenmädchen!
ADELE leise zu Ida. Mein gnädiger Herr!
IDA. Was sagst du?
EISENSTEIN für sich. Und noch dazu in der Robe meiner Frau!
ADELE zu Ida. Und die arme Frau glaubt, er schmachtet im Arrest!
FALKE stellt vor. Fräulein Olga … Fräulein Ida … Herr Marquis Renard!
ADELE für sich. Jetzt heißt’s alle Keckheit zusammennehmen!
IDA. Zeig, daß du Komödie spielen kannst!
EISENSTEIN zu Adele. Fräulein Olga heißen Sie?
ORLOFSKY. Marquis, Sie machen so ein verteufelt verdutztes Gesicht. Falke hat recht, ich werde la chen!
EISENSTEIN sucht sich zu fassen. Nur keine Blamage!
ORLOFSKY. Fräulein Olga scheint einen tiefen Eindruck auf Sie zu machen.
EISENSTEIN. O nein! Wieso? Ich glaubte nur … eine Ähnlichkeit … Entschlossen zu Adele. Mein Fräulein, sind Sie immer Fräulein Olga gewesen?
ADELE. Mein Herr Marquis, sind Sie immer Marquis Renard gewesen?
FALKE. Brava, ganz gut!
EISENSTEIN. Nein, diese Ähnlichkeit!
ADELE. Mit wem, mein Herr, mit wem?
EISENSTEIN. Mit … meinem Stubenmädchen!
ORLOFSKY, FALKE losplatzend. Hahaha!
ADELE. Ich einem Stubenmädchen ähnlich? Impertinent! Wollen Sie mich beleidigen?
EISENSTEIN. Beruhigen Sie sich! Das Stubenmädchen,dem Sie ähnlich sehen, ist ein reizendes, seltenes Exemplar, die Krone aller Stubenmädchen!
ADELE. Ach so, das ist etwas anderes!
ORLOFSKY. Immer besser! Hahaha!
Siebenter Auftritt
Vorige. Die ganze Gesellschaft.
Nr. 8. Ensemble und Couplet
ORLOFSKY.
Ach, meine Herrn und Damen,
Hier gibt es einen Spaß!
FALKE. Zur rechten Zeit Sie kamen!
MELANIE, FAUSTINE. Was gibt’s?
RAMUSIN, ALI BEY, MURRAY, CARIKONI.
Was gibt’s, was gibt’s?
HERMINE, NATALIE. Was gibt’s?
ALLE. Erzählt doch, was?
ORLOFSKY deutet auf Adele.
Sehn Sie, dies Fräulein zierlich,
Die hält der Herr Marquis für …
Nein, es ist possierlich!
DAMEN. Für was denn?
FALKE. Raten Sie!
ADELE.
Für eine Zofe hält er mich!
Ist das nicht lächerlich?
ORLOFSKY, FALKE UND CHOR.
Hahahaha!
Das ist sehr lächerlich!
Hahahaha!
ORLOFSKY.
Mein Herr, das ist nicht sehr galant,
Wie kann man sich so irren!
Wie ungalant!
FALKE UND CHOR.
Wie ungalant!
EISENSTEIN.
Die Ähnlichkeit ist zu frappant!
CHOR.
Wie ungalant! Wie ungalant!
EISENSTEIN.
Das mußte mich verwirren!
Couplet
ADELE.
Mein Herr Marquis, ein Mann wie Sie
Sollt‘ besser das verstehn!
Darum rate ich, ja genauer sich
Die Leute anzusehn.
Die Hand ist doch wohl zu fein, ah,
Dies Füßchen so zierlich und klein, ah,
Die Sprache, die ich führe, die Taille, die Turnüre,
Dergleichen finden Sie bei einer Zofe nie!
Gestehen müssen Sie fürwahr,
Sehr komisch dieser Irrtum war.
Ja, sehr komisch, hahaha, ist die Sache, hahaha,
Drum verzeihn Sie, wenn ich lache, hahaha,
Sehr komisch, Herr Marquis, sind Sie.
ALLE.
Ja, sehr komisch, hahaha, ist die Sache, hahaha.
ADELE.
Mit dem Profil im griech’schen Stil
Beschenkte mich Natur.
Wenn nicht dies Gesicht schon genügend spricht,
So sehn Sie die Figur!
Schaun durch die Lorgnette Sie dann, ah,
Sich diese Toilette nur an, ah,
Es scheint mir wohl, die Liebe macht Ihre Augen trübe.
Der schönen Zofe Bild hat ganz Ihr Herz erfüllt!
Nun sehen Sie sie überall,
Sehr komisch ist fürwahr der Fall.
Ja, sehr komisch, hahaha, ist die Sache, hahaha,
Sehr komisch, Herr Marquis, sind Sie.
ALLE.
Hahaha! Hahaha!
EISENSTEIN spricht. Alle Wetter, jetzt ist’s aber genug mit dem Lachen! Ich bitte um Pardon, meine Herrschaften, seien Sie großmütig!
ADELE. Wenn Sie um Gnade bitten, sei Ihnen verziehen. Aber nehmen Sie sich in Zukunft vor schönen Kammerzofen in acht!
Achter Auftritt
Vorige. Ivan. Gleich darauf Frank.
IVAN meldet. Der Chevalier Chargrin!
ORLOFSKY leise zu Falke. Chargrin?
FALKE ebenso. Der Gefängnisdirektor Frank.
ORLOFSKY. Ah so!
FALKE Frank entgegen. Ich heiße Sie willkommen im Namen Ihrer Durchlaucht!
ORLOFSKY. Willkommen, Chevalier!
FRANK in Balltoilette. Sie verzeihen, Durchlaucht, daß ich etwas spät …
ORLOFSKY. Ohne Umstände, meine Gäste sind bei mir zu Hause.
FALKE vorstellend. Chevalier Chargrin … Marquis Renard!
ORLOFSKY. Also Landsleute?
EISENSTEIN für sich. O verflucht, der redet vielleicht französisch mit mir!
FRANK schüttelt Eisenstein die Hand. J’ai l’honneur, Monsieur le Marquis!
EISENSTEIN. J’ai l’honneur … serviteur! Für sich. Will er noch mehr, gibt’s ein Malhör!
FRANK. Vous êtes aussi Français?
EISENSTEIN. Aussi, aussi, aussi! Für sich. Außi möcht ich!
FRANK. Je suis charmé de trouver un compatriot!
EISENSTEIN zu Falke. Ich bitte dich, mach, daß er mich mit dem Französischen in Ruhe läßt – ich bin damit am Ende.
FALKE. Wir bitten aber deutsch, meine Herrn!
IDA. Ach ja, uns ist die deutsche Konversation geläufiger!
EISENSTEIN. Ich spreche zwar mit einem Landsmann nicht gern deutsch, indes, da die Damen es wünschen, meinetwegen.
FRANK leise zu Falke. Ich danke Ihnen für den Titel »Chevalier«! Als Gefängnisdirektor kann ich doch in dieser Gesellschaft nicht auftreten!
EISENSTEIN. Sind Sie schon länger in diesem Badeort, Chevalier?
FRANK. Seit drei Tagen, Herr Marquis.
FALKE. Die Herren sind sich früher noch nicht begegnet?
EISENSTEIN. Nein, ich bedaure.
FRANK. Ich zeige mich selten öffentlich, ich bin ein großer Freund von geschlossenen Zirkeln. In Zukunft aber hoffe ich …
EISENSTEIN…. werden wir uns öfter sehen! Reicht ihm die Hand.
FRANK einschlagend. Und unsere Bekanntschaft fortsetzen!
FALKE. Ganz gewiß.
EISENSTEIN zu Falke. Ein liebenswürdiger Mann, dieser Chevalier!
FRANK ebenso zu Falke. Der Marquis gefällt mir ungemein!
FALKE zu Orlofsky. Was werden die Herren erst sagen, wenn sie sich näher kennenlernen!
ORLOFSKY. Sehr gut.
IDA. Warum soupieren wir denn aber nicht? Ich habe schon schrecklichen Hunger.
MEHRERE DAMEN. Ich auch! Ich auch!
MURRAY. Wir in Kanada haben niemals Hunger, nur Durst!
FALKE. Die Herrschaften müssen sich noch ein wenig gedulden. Wir erwarten noch eine Dame.
ALLE. Eine Dame?
FALKE. Ja, eine Dame, und zwar eine wirkliche Dame, wegen der ich die Diskretion der ganzen Gesellschaft in Anspruch nehmen muß.
ALLE. Wieso?
CARIKONI. Das müssen Sie erklären!
FALKE. Es ist nämlich eine Dame aus den höchsten aristokratischen Kreisen, eine ungarische Gräfin, die gern unserem amüsanten Souper beiwohnen möchte, aber gewisse Rücksichten zu nehmen hat.
EISENSTEIN. Die Ärmste ist wohl verheiratet?
FALKE. Jawohl, und dazu an einen Mann, der so eifersüchtig ist, daß er seine Frau am liebsten im Zi garettenetui mittragen möchte. Obwohl nun ihr Krampus einige Tage entfernt von Madrid der süßen Ruhe pflegt, ist die Dame doch vorsichtig genug, so lustige Gesellschaften nur maskiert zu besuchen.
ALLE. Maskiert?
FALKE. Ja, und ich habe ihr versprochen, daß sie in vollem Vertrauen auf unsere Diskretion erscheinen könne. Schwören Sie mir also, ihre Maskenfreiheit zu achten.
ALLE. Wir schwören!
EISENSTEIN. Maskiert! Das ist interessant!
IDA. Wahrscheinlich ist sie häßlich!
MELANIE. Hat vielleicht nichts als ein Paar schöne Augen!
FAUSTINE. Und will uns damit Konkurrenz machen!
ALLE DAMEN. Lächerlich!
ORLOFSKY zu Falke. Hören Sie, die Lästerzungen sind schon in voller Tätigkeit!
FALKE. Ich schlage vor, daß die Herrschaften noch eine kleine Promenade im Garten machen.
ALLE durcheinander. Ja, ganz recht! Das wollen wir! Kommen Sie! Die Gesellschaft verliert sich in den Garten.
ADELE zu Eisenstein, der sie noch immer fixiert. Mein Herr Marquis, wie lange soll ich Ihnen denn noch als Orientierungsplan dienen?
EISENSTEIN für sich. Diese Ähnlichkeit ist horrend! Sie ist aber dennoch viel hübscher als Adele. Ich muß experimentieren. Manövriert mit seiner Uhr vor Adeles Augen.
FALKE zu Frank, auf Ida deutend. Herr Chevalier, hier ist eine Stelle vakant.
FRANK Ida den Arm bietend. Habe ich keinen Refus zu befürchten, wenn ich mich um eine so schöne Anstellung bewerbe?
IDA. Es kommt darauf an, ob Sie solchem Amte gewachsen sind.
Beide ab in den Garten.
EISENSTEIN läßt seine Uhr repetieren.
FALKE. Ah, du willst gewiß wieder wissen, wieviel’s geschlagen hat?
ADELE. Welch niedliche, allerliebste Uhr!
EISENSTEIN ihr den Arm bietend und den andern folgend. Sie ist eigentlich eine Damenuhr. Vielleicht bin ich heute so glücklich, sie einer liebenswürdigen Künstlerin verehren zu dürfen!
Neunter Auftritt
Falke. Dann Rosalinde.
FALKE allein. Der Spitzbube! Wenn ihm nur einmal das Experiment mißlänge und der Köder an irgendeinem Gürtel hängenbliebe! – Ah, da ist schon die Frau, die hat sich beeilt! Zieht sich etwas zurück.
ROSALINDE in Balltoilette, eine schwarze Halbmaske in der Hand. So werde ich hoffentlich unerkannt bleiben, auch von meinem saubern Herrn Gemahl, der dieses Abendkleid noch nicht kennt!
FALKE tritt ihr entgegen. Ich bedaure, gnädige Frau …
ROSALINDE. Ach, Sie, Herr Doktor! So wäre wirklich wahr, was Sie mir geschrieben haben?
FALKE. Ein Blick in den Garten wird Sie überzeugen. Sehen Sie dort Ihren Herrn Gemahl, wie er seinen Arrest abbüßt!
ROSALINDE. Am Arm einer Dame – abscheulich! Doch was ist das? Nein, ich irre mich nicht! Das ist ja Adele, mein Kammermädchen!
FALKE. Allerdings, das ist Adele, Ihr Kammermädchen!
ROSALINDE. In solche Gesellschaften geht er!?
FALKE scheinheilig. Mich hat er auch dazu verführt!
ROSALINDE maliziös. Armer Verführter! – Und wie sie sich in meiner Robe brüstet! Na warte, Mamsell, dir werde ich ein Rezept für deine alte Tante verschreiben!
FALKE. Nur heute nicht, gnädige Frau, ich bitte!
ROSALINDE. Besorgen Sie nichts! Das Pulverfaß wird erst morgen explodieren, aber dann wird es einen fürchterlichen Krach geben!
FALKE. Pst, man kommt!
Rosalinde setzt die Maske auf.
Zehnter Auftritt
Rosalinde. Falke. Eisenstein. Frank.
EISENSTEIN Arm in Arm mit Frank aus dem Garten. Haha, das ist eine köstliche Unterhaltung!
ROSALINDE für sich. Was seh ich? Auch der Gefängnisdirektor hier!
FRANK. Ihre Uhr, Marquis, ist ein wahrer Talisman!
ROSALINDE für sich. Für einen Marquis gibt sich der Spitzbube aus!
EISENSTEIN. Nicht wahr? Ja, ich habe ihr schon unzählige Eroberungen zu danken!
FALKE. Wenn das deine Frau wüßte!
EISENSTEIN. Haha, mein armes Weibchen träumt jetzt wahrscheinlich von ihrem Gabriel!
ROSALINDE für sich. Und ihr Gabriel macht sich lustig über sie!
FRANK. Sie wohnen in der Nähe, Marquis?
EISENSTEIN. Ganz in der Nähe; zehn Minuten von hier … da rechts herum.
FRANK. Gerade wie ich … nur links herum. Sonderbar, daß wir uns bis jetzt noch nirgends getroffen haben! Aber in Zukunft hoffe ich, Sie recht bald bei mir zu sehen.
FALKE lacht. Jawohl, und das schon morgen!
EISENSTEIN bietet Frank die Hand. Wir wollen Freunde sein!
FRANK. Von Herzen gern!
EISENSTEIN, FRANK umarmen sich. Ein Herz und eine Seele!
FALKE lacht laut. Haha!
EISENSTEIN. Was gibt’s denn wieder zu lachen?
FALKE indem er auf Rosalinde deutet. Ich finde es immer lächerlich, wenn Männer sich in Gegenwart schöner Frauen umarmen.
FRANK. Alle Wetter …
EISENSTEIN. Das ist wohl …?
FALKE. Die ungarische Gräfin, von der ich sprach. Sie soll bezaubernd schön sein.
EISENSTEIN. Donnerwetter, das wäre was für mich! Überlaßt sie mir, meine Herren!
FALKE. Meinetwegen, du Nimmersatt!
FRANK. Ich habe auch nichts dagegen. Nimmt Falke unterm Arm.
EISENSTEIN. In zehn Minuten ist sie mein! Mir widersteht keine!
FALKE. Viel Glück, Marquis, viel Glück!
FRANK im Abgehen zu Falke. Dieser Marquis ist ein ebenso lustiger Freund wie Ihr Eisenstein, lieber Doktor!
Elfter Auftritt
Rosalinde. Eisenstein.
EISENSTEIN der das letzte gehört hat, für sich. Ich bin gerade so lustig wie ich? Was weiß er denn von Eisenstein? Er kennt mich ja als Eisenstein gar nicht!
ROSALINDE tritt auf Eisenstein zu, ergreift ihn beim Arm, sieht ihm lange und scharf ins Gesicht.
EISENSTEIN verlegen. Nanu?
ROSALINDE läßt von ihm ab, grimmig für sich. Wie gern ich ihn beim Schopfe nehmen möchte; aber ich darf mich nicht verraten!
EISENSTEIN für sich. Sapperlot, die scheint Feuer zu haben! Ungarisch Blut! An das Märchen von der Gräfin und der hohen Aristokratie glaube ich nicht. Sie wird auf die Uhr anbeißen wie die andern! Zieht die Uhr hervor.
ROSALINDE für sich. Was hat er vor? Ah, er sprach ja vorhin von seiner Uhr, der er unzählige Eroberungen verdankt!
EISENSTEIN läßt die Uhr repetieren.
ROSALINDE mit verstellter Stimme. Welch allerliebste Damenuhr!
EISENSTEIN. Ja, sie ist niedlich.
ROSALINDE. Wo kauft man denn so niedliche Uhren?
EISENSTEIN. Ich habe sie beim Juwelier gekauft, um sie einer liebenswürdigen Künstlerin als Zeichen meiner Huldigung darzubringen.
ROSALINDE. In der nächsten Woche werde ich debütieren.
EISENSTEIN für sich. Also nicht Gräfin, sondern Künstlerin!
ROSALINDE. Der Herr Intendant hat mir viel Schönes auf der Probe gesagt.
EISENSTEIN für sich. Auf mein Experiment kann ich mich verlassen!
ROSALINDE. Um Vergebung, Herr Marquis, sind Sie verheiratet?
EISENSTEIN. Ich? Wie können Sie so etwas glauben!
ROSALINDE für sich. Du Erzheuchler!
EISENSTEIN. Erlauben Sie auch mir eine Frage: wäre es nicht endlich an der Zeit, ein wenig die Maske zu lüften?
ROSALINDE. Heute nicht; aber morgen will ich mich Ihnen ohne Maske zeigen.
EISENSTEIN ärgerlich. Morgen ist es nicht möglich.
ROSALINDE. Warum nicht morgen?
EISENSTEIN. Ich … ich … habe Sitzung morgen.
ROSALINDE. Sitzung?
EISENSTEIN. Eine geheime Sitzung unter Ausschluß der Öffentlichkeit!
ROSALINDE. Vielleicht werde ich auch dabeisein!
EISENSTEIN. Sie scherzen! Für sich. Sie ist wirklich zum Entzücken! Läßt die Uhr repetieren.
ROSALINDE für sich. Wenn ich nur die Uhr erwischen könnte! Das wäre ein treffliches Corpus delicti!
Nr. 9. Duett
EISENSTEIN für sich.
Dieser Anstand, so manierlich,
Diese Taille, fein und zierlich
Und ein Füßchen, das mit Küssen
Glühend man bedecken sollt,
Wenn sie’s nur erlauben wollt!
ROSALINDE für sich.
Statt zu schmachten im Arreste
Amüsiert er sich aufs beste,
Denkt ans Küssen statt ans Büßen;
Warte nur, du Bösewicht,
Du entgehst der Strafe nicht!
EISENSTEIN.
Ach, wie leicht könnt es entschweben,
Dies holde Zauberbild!
Willst du nicht die Maske heben,
Die dein Antlitz mir verhüllt?
ROSALINDE.
Ei, mein schöner Herr, ich bitte,
Nicht verwegen, nichts berührt;
Denn es heischt die gute Sitte,
Daß man Masken respektiert.
Für sich.
Wie er girret, kokettieret,
Wie er schmachtend mich fixieret!
Keine Mahnung, keine Ahnung
Kündet ihm, wer vor ihm steht!
Ja, bald werd ich reüssieren,
Will den Frevler überführen,
Will’s probieren, ob er in die Falle geht!
EISENSTEIN für sich.
Halb verwirret, halb gerühret,
Retirieret sie vor mir!
Laßt doch sehn, ob es geht,
Ob sie widersteht?
Ja, bald werd ich reüssieren,
Ich will doch sehn, ob sie mir widersteht,
Ob sie in die Falle geht?
Läßt die Uhr repetieren.
ROSALINDE plötzlich.
Ach, wie wird mein Auge trübe,
Wie das Herz so bang mir schlägt!
EISENSTEIN triumphierend.
Ha, schon meldet sich die Liebe,
Die das Herz ihr bang bewegt!
ROSALINDE.
Leider ist’s ein altes Übel,
Doch vorübergehend nur.
Stimmen meines Herzens Schläge
Mit dem Tiktak einer Uhr?
EISENSTEIN. Ei, das können wir gleich sehn!
ROSALINDE. Zählen wir, ich bitte schön!
BEIDE. Ja, zählen wir, ja, zählen wir!
EISENSTEIN indem er die Uhr ans Ohr, die Hand auf ihr Herz legt. Eins, zwei, drei, vier …
ROSALINDE. Fünf, sechs, siebn, neun!
EISENSTEIN.
Nein, das kann nicht sein,
Denn nach der Sieben kommt erst die Acht!
ROSALINDE.
Sie habn mich ganz verwirrt gemacht,
Wir wollen wechseln.
EISENSTEIN. Wechseln? Wie?
ROSALINDE.
Den Schlag des Herzens zählen Sie
Und ich das Tiktak Ihrer Uhr.
Ich bitt auf fünf Minuten nur!
Nimmt die Uhr, die ihr Eisenstein reicht.
Jetzt zählen Sie, mein Herr Marquis!
EISENSTEIN.
Bin schon dabei!
BEIDE.
Eins, zwei, drei, vier
Fünf, sechs, siebn, acht!
ROSALINDE.
Neun, zehn, elf, zwölf,
Dreizehn, vierzehn, fünfzehn, sechzehn,
Siebzehn, achtzehn, neunzehn, zwanzig,
Dreißig, vierzig, fünfzig, sechzig,
Achtzig, hundert!
EISENSTEIN.
Sechs, siebn, acht, neun, zehn, elf, zwölf,
Hopp, hopp, hopp, hopp, das geht im Galopp:
Sechshundertundneun!
ROSALINDE.
So weit können wir noch nicht sein!
EISENSTEIN.
Oh, ich bin weiter schon!
ROSALINDE.
Nein, nein!
EISENSTEIN.
Eine halbe Million, ja, eine halbe Million!
ROSALINDE.
Wie kann man gar so grob nur fehlen?
EISENSTEIN.
Da mag der Teufel richtig zählen!
ROSALINDE steckt die Uhr ein.
Heute wirst du nimmer repetieren!
EISENSTEIN.
Sie will die Uhr sich annektieren,
Meine Uhr!
ROSALINDE. Ich danke von Herzen!
EISENSTEIN. Ich wollte nur …
ROSALINDE. Belieben zu scherzen!
EISENSTEIN.
Sie ist nicht ins Netz gegangen,
Hat die Uhr mir abgefangen.
Dieser Spaß ist etwas teuer,
Hab blamiert mich ungeheuer.
Ach, meine Uhr, ich bitte sehr,
Ich wollte nur …
Sie ist nicht ins Netz gegangen,
Ach, meine Uhr, hätte ich sie wieder nur.
O weh, o weh, dieser Spaß ist etwas teuer,
Hab blamiert mich ungeheuer.
Meine Uhr ist annektiert,
Ach, ich bin blamiert! Weh mir!
ROSALINDE begleitet Eisensteins Gesang mit einem übermütigen Ach, ja, ja!
Zwölfter Auftritt
Vorige. Orlofsky. Adele. Ida. Falke. Frank. Herren und Damen. Später Diener.
MELANIE zu Falke. Den Spaß müssen Sie uns erzählen, Doktor!
FAUSTINE bemerkt Rosalinde. Ah, da ist ja das Mädchen aus der Fremde!
IDA. Die interessante Unbekannte, die uns der Doktor angekündigt!
ADELE. Ich wäre doch sehr begierig, ihr ins Auge zu blicken.
DIE DAMEN. Ich auch! Ich auch!
ADELE. Wir wollen den Sturm wagen. Zu Rosalinde. Schöne Unbekannte, wenn Sie nicht gar zu häßlich …
FAUSTINE…. oder die Prinzessin mit dem Totenkopf sind …
ADELE…. möchten wir Sie bitten, sich zu demaskieren!
ALLE. Demaskieren! Demaskieren!
ORLOFSKY. Halt, meine Herrschaften, das ist wider die Abrede. In meiner Villa hat jede Dame das Recht, sich zu verhüllen oder zu enthüllen, so weit es ihr beliebt. Zu Rosalinde. Ganz ungeniert, meine Holde!
EISENSTEIN nach seiner Uhr blickend. Oh, die Holde geniert sich gar nicht. Meine Uhr ist futsch!
ADELE. Übrigens könnte ich zehn gegen eins wetten, daß sie keine Ungarin ist. Eine Dame jenseits der Leitha hat mehr Feuer und wäre in unserer Gesellschaft längst explodiert!
ORLOFSKY. Und dennoch ist sie eine Ungarin!
MELANIE. Und wer verbürgt uns das, Durchlaucht?
ROSALINDE. Die Musik verbürgt es!
ALLE. Die Musik?
ROSALINDE. Ja, die nationalen Töne meines Vaterlands mögen für mich sprechen!
Nr. 10. Csárdás
ROSALINDE.
Klänge der Heimat, ihr weckt mir das Sehnen,
Rufet die Tränen ins Auge mir!
Wenn ich euch höre, ihr heimischen Lieder,
Zieht mich’s wieder, mein Ungarland, zu dir!
O Heimat, so wunderbar, wie strahlt dort die Sonne so klar,
Wie grün deine Wälder, wie lachend die Felder,
O Land, wo so glücklich ich war!
Ja, dein geliebtes Bild meine Seele so ganz erfüllt,
Und bin ich auch von dir weit,
Dir bleibt in Ewigkeit doch mein Sinn immerdar
Ganz allein geweiht!
O Heimat, so wunderbar, wie strahlt dort die Sonne so klar,
Wie grün deine Wälder, wie lachend die Felder,
O Land, wo so glücklich ich war!
Feuer, Lebenslust schwellt echte Ungarbrust,
Hei, zum Tanze schnell, Csárdás tönt so hell.
Braunes Mägdelein, mußt meine Tänz’rin sein,
Reich den Arm geschwind, dunkeläugig Kind!
Zum Fiedelklingen tönt jauchzend Singen: ho, ha, ha!
Mit dem Sporn geklirrt, wenn dann die Maid verwirrt
Senkt zur Erd‘ den Blick, das verkündet Glück!
Durst’ge Zecher, greift zum Becher,
Laßt ihn kreisen schnell von Hand zu Hand!
Schlürft das Feuer im Tokaier,
Bringt ein Hoch dem Vaterland!
Feuer, Lebenslust schwellt echte Ungarbrust,
Hei, zum Tanze schnell, Csárdás tönt so hell.
Lalalala!
ALLE applaudierend. Brava! Bravissima!
MELANIE zu Falke. Was ist’s mit dem versprochnen Spaß, Doktor?
FALKE. Sie meinen?
RAMUSIN. Die Geschichte von der Fledermaus!
EISENSTEIN. Von der Fledermaus ist die Rede? Das war ja meine Komödie, in der ich dem armen Dok tor die Titelrolle zuteilte. Ein köstlicher Spaß, dem er zum Opfer fiel. Seine Blamage kann er euch doch nicht selbst beschreiben!
FAUSTINE. So erzählen Sie, Marquis!
EISENSTEIN zu Falke. Darf ich?
FALKE. Ohne Bedenken!
EISENSTEIN. Vor drei Jahren waren Falke und ich noch ein paar lustige, fidele Brüder …
ADELE. Oh, das seid ihr noch!
ROSALINDE leise zu Falke. Unverschämt!
FALKE. Pst! Verraten Sie sich nicht!
EISENSTEIN. Wir wohnten beide in dem Städtchen Weinberg. Falke war damals schon Notar, ich aber war noch unverheiratet.
ALI BEY. Wie? Sie sind verheiratet, Marquis?
ROSALINDE. Entsetzlich! Eine Frau haben Sie? Oh, meine Hoffnungen!
EISENSTEIN. Hoffen Sie deswegen ungeniert, holde Uhrabzwickerin! Meine Frau ist steinalt und häßlich wie eine Nachteule.
ROSALINDE zu, Falke. Was für ein schmeichelhaftes Porträt!
EISENSTEIN. Auf einem Schlosse, zwei Meilen von unserem Städtchen, gab die Herrschaft einen Maskenball, zu dem wir auch eingeladen waren. Ich maskierte mich als Papillon, und der Doktor als Fledermaus.
ALLE. Falke als Fledermaus! Haha!
EISENSTEIN. Ganz eingenäht in ein braunes Fell, lange Krallen, breite Flügel und einen ungeheuren gelben Schnabel …
MURRAY. Bei uns in Kanada haben die Fledermäuse keine gelben Schnäbel!
EISENSTEIN. Das ist möglich, aber er hatte einen und sah famos aus als Gelbschnabel.
ALLE. Wir glauben’s.
EISENSTEIN. Wir fuhren in einem Fiaker miteinander auf den Ball, unterhielten uns köstlich; ich wollte mir jedoch einen Extrajux leisten und trank unserem Doktor fleißig zu, so daß er gegen Morgen kanonenvoll betrunken war. Dann legte ich ihn in den Wagen, fuhr mit ihm in ein kleines Gehölz, bettete ihn unter einen Baum und machte mich aus dem Staub. Er merkte davon nichts, sondern schlief wie ein Murmeltier.
ALLE. Haha, der arme Doktor!
EISENSTEIN. Als er endlich erwachte, mußte er bei hellem, lichtem Tag als Fledermaus zum Gaudium aller Schulkinder in die Stadt marschieren, bis er endlich unter starker Begleitung seine Wohnung erreichte.
ALLE. Hahaha!
EISENSTEIN. Seitdem wurde er in Weinberg nur noch Dr. Fledermaus genannt.
IDA. Und er hat sich nicht gerächt für den groben Spaß?
EISENSTEIN. Oh, ich bin auf meiner Hut!
FALKE. Aufgeschoben ist nicht aufgehoben! Vielleicht erleben wir schon morgen, wer von uns den ersten Preis als Spaßmacher verdient.
FRANK. Marquis, diese Fledermaus-Idee war süperb! Einen solchen Spaß kann nur ein Marquis erfinden!
FALKE zur Gesellschaft. Trinkt dem Marquis und dem Chevalier fleißig zu, ich bitte euch.
ORLOFSKY. Vorwärts, zu Tische, meine Damen und Herren!
ALLE. Zu Tisch, zu Tische!
Man setzt sich zur Tafel. Diener servieren.
EISENSTEIN zu Rosalinde. Wird auch jetzt noch nicht die Maske fallen?
ROSALINDE. Auch jetzt noch nicht, aber morgen!
1. DIENER zu Eisenstein. Château Laroie oder Champagner?
EISENSTEIN. Beides, mein Freund, beides!
2. DIENER zu Frank. Château Laroie oder Champagner?
FRANK. Nicht »oder«, sondern »und«! Gleiches Recht für beide!
EISENSTEIN singt. »Freut euch des Lebens …«
MELANIE. Erlaubt Ihnen denn aber auch Ihre Marquise, sich hier Ihres Lebens zu freuen?
EISENSTEIN. Oh, Sie liebe Unschuld! Glauben Sie denn, ich sage ihr immer, wohin ich gehe? Meine Alte glaubt mich jetzt ganz wo anders.
ROSALINDE erbost. Seine Alte!
MELANIE. Sie soll leben, Ihre Alte!
ALLE heben die Gläser. Hoch!
ORLOFSKY auf Rosalinde deutend. Auch die schöne Helena dort!
ALLE. Hoch, hoch!
EISENSTEIN. Vielleicht hat sie auch einen recht dummen Menelaus!
ORLOFSKY. Sagt mir doch, Kinder, woran liegt es, daß die Soupers auf dem Theater das Publikum so wenig amüsieren?
ADELE. Weil das Publikum mit trockenem Munde zusehen muß!
FALKE. Um auf dem Theater ein amüsantes Souper darzustellen, müßte man auch dem Publikum Champagner servieren lassen und jedem Herrn erlauben, seine Nachbarin zu umarmen!
DIE HERREN. Wie wir zum Beispiel! Umarmen ihre Damen.
ORLOFSKY erhebt sich, das Glas in der Hand. Champagner, König aller Weine! Hoch die sprudelnde Majestät und ihre Untertanen!
ALLE. Hoch!
Nr. 11. Finale
ORLOFSKY.
Im Feuerstrom der Reben, trala, la la la la la la,
Sprüht ein himmlisch Leben, trala, la la la la!
Die Könige, die Kaiser,
Sie lieben Lorbeerreiser,
Doch lieben sie daneben
Den süßen Saft der Reben.
Stoßt an, stoßt an und huldigt im Vereine
Dem König aller Weine!
ALLE.
Stoßt an, stoßt an, stoßt an!
ORLOFSKY.
Die Majestät wird anerkannt rings im Land,
Jubelnd wird Champagner der Erste sie genannt.
ALLE.
Die Majestät wird anerkannt rings im Land,
Jubelnd wird Champagner der Erste genannt,
Es lebe Champagner der Erste!
EISENSTEIN.
Der Mönch in stiller Zelle, trala, la la la la la la,
Labt sich an dem Quelle, trala, la la la la la!
Zu netzen seine Lippen,
Muß viel und oft er nippen
Und holt sich aus dem Glase
Rubinen auf die Nase.
Stoßt an, stoßt an und huldigt im Vereine
Dem König aller Weine!
ALLE.
Stoßt an, stoßt an, stoßt an!
EISENSTEIN.
Die Majestät wird anerkannt rings im Land usw..
ALLE.
Die Majestät wird anerkannt usw..
ADELE.
Dir huldigen Nationen, trala, la la la la la la,
Bis zu den fernsten Zonen, trala, la la la la la!
Champagner schwemmt mitunter
Gar mancherlei hinunter.
Drum lassen weise Fürsten
Die Völker niemals dürsten.
Stoßt an, stoßt an und huldigt im Vereine
Dem König aller Weine!
ALLE.
Stoßt an, stoßt an, stoßt an!
ADELE.
Die Majestät wird anerkannt rings im Land usw..
ALLE.
Die Majestät wird anerkannt rings im Land,
Jubelnd wird Champagner der Erste genannt!
EISENSTEIN zu Frank.
Herr Chevalier, ich grüße Sie!
FRANK.
Merci, merci, merci!
Auf Ihr Spezielles, Herr Marquis!
FALKE. Auf Ihr Wohl, Chevalier und Marquis!
EISENSTEIN, FRANK.
Merci, merci, merci!
ROSALINDE, ADELE, IDA, ORLOFSKY.
Hahaha!
ALLE.
Merci, merci, merci!
FALKE.
Halt, hört mich an, was ich ersann!
ALLE. Hört ihn an!
FALKE.
Ich seh, daß sich die Paare gefunden,
Daß manche Herzen in Liebe verbunden,
Drum lasset uns alle ein großer Verein
Von Schwestern und von Brüdern sein!
ORLOFSKY.
Eine große Brüderschaft, es sei!
ALLE.
Eine große Brüderschaft, es sei!
EISENSTEIN zu Rosalinde.
Auch Ihr, schöne Maske, seid dabei?
ROSALINDE.
Wo alle küssen, werd ich’s auch müssen!
FALKE.
Folgt meinem Beispiel, das Glas zur Hand,
Und jeder singe, zum Nachbar gewandt:
Brüderlein, Brüderlein und Schwesterlein
Wollen alle wir sein, stimmt mit mir ein!
Brüderlein, Brüderlein und Schwesterlein,
Laßt das traute Du uns schenken
Für die Ewigkeit, immer so wie heut,
Wenn wir morgen noch dran denken!
Erst ein Kuß, dann ein Du, Du, Du immerzu!
ALLE.
Brüderlein, Brüderlein und Schwesterlein,
Stimmet alle mit uns ein.
Laßt das traute Du uns schenken
Für die Ewigkeit, immer so wie heut,
Wenn wir morgen noch dran denken!
Erst ein Kuß, dann ein Du, Du, Du immerzu!
Duidu, Duidu, la la la!
Ballett
a) Spanisch
b) Russisch
c) Böhmisch (Polka)
CHOR zur Polka.
Marianka, komm und tanz me hier!
Heut ist’s schon vsecko jedno mir!
Me tanzen’s Polka alle zwei,
Wo is e Hetz‘, is Böhm dabei.
Toje heski musitschku,
Auf Trumpetel, Klarinettel
So wie cesky Musikant
Blast me in kein andre Land!
Marianka, komm und tanz me hier usw..
d) Ungarisch
ORLOFSKY nach dem ungarischen Tanz.
Genug damit, genug! Diese Tänzer mögen ruhn.
Bei rauschender Weise im fröhlichen Kreise
Lasset uns selbst hier tanzen nun!
ALLE.
Stellt euch zum Tanz!
Ja, ein Tanz, ein wirbelnder Tanz
Erhöht des Festes Glanz!
ALLE.
Ha, welch ein Fest, welche Nacht voll Freud‘!
Liebe und Wein gibt uns Seligkeit.
Ging’s durch das Leben so flott wie heut,
Wär‘ jede Stunde der Lust geweiht!
EISENSTEIN sich an Frank haltend.
Du bist meine Stütze, Freund!
FRANK ebenfalls taumelnd.
Ja, deine Stütze fürs Leben!
ROSALINDE, ORLOFSKY, FALKE.
Welch ein rührend Wiedersehen
Wird das im Arreste geben!
ALLE.
Ha, welch ein Fest, welche Nacht voll Freud‘!
Liebe und Wein gibt uns Seligkeit.
Ging’s durch das Leben so flott wie heut,
Wär‘ jede Stunde der Lust geweiht!
FRANK zu Eisenstein.
Brüderl, meine Uhr geht schlecht,
Schau, wieviel’s auf deiner ist?
EISENSTEIN.
Brüderl, meine geht auch nicht recht,
Weil sie schon gegangen ist!
Zu Rosalinde.
Holde, hier vor allen
Laß die Maske endlich fallen,
Daß ich seh, wer mich besiegt
Und wer meine Uhr gekriegt!
ROSALINDE.
Verlang nicht zu schaun, was hier verhüllt,
Erbeben würdest du vor diesem Bild!
EISENSTEIN.
Huhu, was heißt denn das?
ADELE, IDA.
Haha, ein guter Spaß!
ALLE.
Fürwahr, ein prächtiger Spaß!
ADELE.
Bist du ein Mann, schau dir sie an!
DAMEN UND HERREN.
Schau sie an!
IDA.
Zurück jetzt zu weichen, wäre Blamage!
DAMEN UND HERREN.
Schau sie an, schau sie an!
EISENSTEIN.
Oh, ich habe schon Courage!
Schätzchen, sträub dich länger nicht!
ROSALINDE.
Hab ein Wimmerl auf der Nase,
Drum verberg ich mein Gesicht!
EISENSTEIN.
An das Wimmerl glaub ich nicht!
ADELE, FALKE, FRANK.
Nein, das Wimmerl schreckt ihn nicht!
EISENSTEIN.
Sehen muß ich dies Gesicht!
ADELE, IDA, ORLOFSKY, FALKE, FRANK.
Er muß sehen dies Gesicht!
Während er auf Rosalinde eindringt, hat sich Falke an der Standuhr am Kamin zu schaffen gemacht und läßt diese schlagen; der Tanz hört auf.
EISENSTEIN, FRANK zählen die Schläge der Uhr.
Eins! Zwei! Drei! Vier! Fünf! Sechs!!
Meinen Hut, meinen Hut, ’s ist die höchste Zeit!
ALLE.
Seinen Hut, seinen Hut, hört doch, wie er schreit!
EISENSTEIN.
Der Arrest wartet mein!
FRANK.
Längst sollt‘ ich zu Hause sein!
Meinen Rock, meinen Rock, gebt mir meinen Rock!
ALLE.
Seinen Hut, seinen Rock, hahaha,
Seinen Rock, gebt ihm seinen Hut! Hahaha!
FRANK sich an Eisenstein lehnend.
Eine kurze Strecke gehst du mit mir!
EISENSTEIN.
An der nächsten Ecke, da scheiden wir!
BEIDE.
So laß uns gehn!
ALLE.
Auf Wiedersehn, haha!
Ha, welch ein Fest, welche Nacht voll Freud‘!
Liebe und Wein gibt uns Seligkeit!
Ging’s durch das Leben so flott wie heut,
Dann wäre jede Stund‘ der Lust geweiht!
ROSALINDE, ADELE, ORLOFSKY.
Lala, lala, lala, lala!
Eisenstein und Frank bewegen sich schwankend dem Ausgang zu, umringt von den Tanzenden.
Nr. 12. Entreakt
Tempo di marcia C-Dur 2/4
Dritter Aufzug
Kanzlei des Gefängnisdirektors Frank. Im Hintergrund blickt man ins Vorzimmer. Links ein Fenster. Auf beiden Seiten Türen. Rechts ein Schreibtisch mit Teegeschirr, Wasserflasche usw.
Erster Auftritt
Frosch. Hinter der Szene Alfred.
FROSCH schließt mit einem großen Schlüsselbund die Mitteltüre auf, tritt mit einer brennenden Laterne in der Hand ziemlich betrunken ein.
ALFRED singt hinter der Szene.
Täubchen, holdes Täubchen mein usw..
FROSCH. Hoho, das ist ein fideles Gefängnis. Der Gefangene auf Numero 12 singt schon wieder. Ich bin erst seit ein paar Tagen mit dem Herrn Direktor hierher versetzt worden, aber es gefällt mir ganz gut. So ein fideles Gefängnis wie hier ist mir noch gar nicht vorgekommen. Und der Slibowitz, der ist hier auch sehr gut! Ja, ich habe gefunden, daß er hier sogar noch besser ist! Im Kopf hab ich nichts, der ganze Geist hat sich in die Stiefel gesenkt, darum sind sie so schwer. Und dann ist mir, als hör ich immer Musik!
ALFRED hinter der Szene trällert wieder.
FROSCH. So lustig und fidel kommt mir hier alles vor. Ist das der Slibowitz? Horcht. Nein, das ist der Gefangene von Numero 12, der singt schon wieder. Ruft. Ruhe, Ruhe, mein Herr! Das Singen ist gegen die Hausordnung! Na wart, verdammter Slibowitz! Stolpert ab. Verflucht fidel ist’s hier im Gefängnis!
Zweiter Auftritt
Frank allein.
Nr. 13. Melodram
Es wird hell. Wenn Frosch verschwunden ist, öffnet sich die Tür links. Frank hat den Hut etwas zerdrückt tief in der Stirn sitzen und den Mantel schief geknöpft. Während er nach vorn kommt, sucht er vergeblich seinen schwankenden Schritten Festigkeit zu geben. Nach vorn gekommen, nimmt er den Zylinder ab und schleudert ihn in eine Zimmerecke. Energisch sucht er seinen Mantel auszuziehen. Frank, immer an dem Rock zerrend, fängt allmählich an, sich leicht im Walzertakt zu wiegen, und pfeift vor sich hin. Er wird immer lebhafter und walzt mit seinem halbausgezogenen Mantel durchs Zimmer. Plötzlich hält er inne, besinnt sich, wo er sich befindet, und bemüht sich, ernst zu sein. Es gelingt ihm, den Mantel loszuwerden. Die gute Laune gewinnt die Oberhand. Er glaubt sich noch im Ballsaal und lallt.
FRANK. Olga, komm her! Ida auch! Ihr gefallt mir! Marquis, reich mir die Hand, sei mein Freund! Singt.
Die Majestät wird anerkannt rings im Land,
Jubelnd wird Champagner der Erste sie genannt!
Es lebe Champagner der Er … Pst!
Schaut sich erschrocken um, ob niemand ihn gehört, erblickt das Teegeschirr; das kommt ihm sehr erwünscht. Er beginnt Tee zu machen, zündet nach einigen vergeblichen Versuchen die Spiritusflamme an, schüttet Tee in die Kanne. Es wird ihm heiß, er fächelt sich Luft zu, sucht nach einem Stuhl, erhascht ihn endlich, setzt sich, versucht die Zeitung zu lesen, hält sie jedoch schief und nickt darüber ein.
Dritter Auftritt
Frank. Frosch.
FROSCH erblickt Frank schlafend, für sich. Ah, der Herr Direktor ist schon da! Er scheint sehr vertieft inseine Lektüre. Bemüht sich, stramme Haltung anzunehmen. Ich muß ihm meinen Rapport machen. Sehr laut. Herr Direktor, ich komm zum Rapport!
FRANK fährt auf. Was gibt’s? Nun, Frosch, quake deinen Rapport! Komm näher!
FROSCH verlegen, da er sich nicht zu rühren wagt. Näher soll ich kommen?
FRANK. Nun freilich! Frosch macht zwei wankende Schritte, für sich. Der verdammte Champagner! Alles hüpft mir vor den Augen. Auch der Frosch hüpft! Laut. Was gibt’s Neues?
FROSCH. Nichts, Herr Direktor. Nur Numero 12 verlangt einen Advokaten.
FRANK. Der Herr von Eisenstein? Meinetwegen, das ist sein gutes Recht.
FROSCH. Ich habe ihm einen gewissen Dr. Blind bestellt, den man mir anempfohlen. Taumelt etwas. Verdammter Slibowitz!
FRANK. Warum schwankst du denn so?
FROSCH immer schwankend. Ich schwanke ja nicht!
FRANK für sich. Verfluchter Champagner! Alles schwankt mir vor den Augen!
FROSCH hat einen Stuhl als Halt gefunden. Sehen Sie, Herr Direktor, ich schwanke nicht!
FRANK heftig. Wer sagt denn, daß du schwankst? Für sich. Verfluchte Geschichte.
FROSCH. Niemand, Herr Direktor, niemand sagt es. Für sich. Mir kam es so vor, als ob er’s gesagt hätte!
FRANK. Nun, wie gefällt es dir in diesem Hause?
FROSCH stützt sich mit beiden Armen auf Franks Tisch. Wie es mir hier gefällt? Sehr gut! Recht fidel ist es! Wahrhaftig, ein so fideles Gefängnis ist mir noch gar nicht vorgekommen. Meinen Sie nicht auch, Herr Direktor?
FRANK. Ja, du hast recht; sehr fidel ist’s hier! Es läutet. Was gibt’s? Man läutet an der Tür.
FROSCH bleibt ruhig stehen. Ja, mir war’s auch so!
FRANK. Schau aus dem Fenster, wer da ist. Es läutet wieder.
FROSCH. Aus dem Fenster? Für sich. Bis dorthin komm ich ja gar nicht! Schwankt im Zickzack zum Fenster.
FRANK für sich. Nur kein Besuch jetzt!
FROSCH am Fenster. Zwei Damen sind da!
FRANK aufspringend. Zwei Damen, sagst du?
FROSCH. Vielleicht ist es auch nur eine. Ich sehe alles doppelt. – Soll ich öffnen?
FRANK. Nein … ja … das heißt … nein!
FROSCH. Es sind zwei hübsche feine Damen!
FRANK. So öffne doch! Warum öffnest du denn nicht?
FROSCH. Ich gehe ja schon? Im Abgehen. Eine lustige Geschichte! Zwei schöne junge Damen schon in aller Früh! Ich sag’s ja, ein fideles Gefängnis! Ungeheuer fidel! Torkelt ab.
FRANK. Wenn ich nur schnell etwas Niederschlagendes … Entdeckt auf dem Tisch die Wasserflasche, schenkt sich ein Glas ein, stürzt es hinunter. Ah, das tut gut! Taucht sein Taschentuch ein und befeuchtet sich die Stirn.
Vierter Auftritt
Frank. Frosch, der Adele und Ida hereinführt.
FROSCH. Die beiden Damen wollen den Herrn Chevalier Chargrin sprechen.
FRANK zuckt zusammen. Chevalier Chargrin!?
FROSCH. Ich habe Ihnen schon gesagt, daß wir keinen Herrn dieses Namens hier haben.
ADELE. Aber da ist er ja!
IDA. Dr. Falke hat uns die Wohnung ganz richtig beschrieben.
FRANK für sich. Die Olga mit der Ida, das fehlte noch! Zu Frosch. Laß uns allein!
FROSCH. Zu Befehl! Im Abgehen. Ein lustiges Gefängnis hier! Ungeheuer fidel!
ADELE. Der Herr Chevalier wundern sich gewiß über diesen Besuch?
FRANK. Allerdings … ich hatte nicht gehofft, so früh schon …
ADELE. Wir haben Ihnen eine Bitte vorzutragen.
IDA. Und meine Schwester meinte, frisch gewagt ist halb gewonnen. Da der Herr Chevalier sich heute ganz besondersfür meine Schwester zu interessieren schienen …
FRANK verlegen. Allerdings! Für sich. Sie sind übrigens alle beide allerliebst!
ADELE. Da hielt ich es für meine Pflicht, Ihnen ein Geständnis zu machen!
FRANK. Oho! Für sich. Mir wird ganz heiß!
ADELE. Daß ich nicht das bin, was ich scheine!
FRANK. Sie sind ganz allerliebst, und das genügt mir, mein Engel!
IDA. Meine Schwester ist aber keine Künstlerin.
FRANK galant. Was nicht ist, kann noch werden!
ADELE. Das meinte meine Schwester auch, und deswegen kommen wir zu Ihnen.
IDA. Sie sind ein vornehmer Herr und könnten ihr leicht behilflich sein.
FRANK. Ich! Wieso?
IDA. Wie gesagt, meine Schwester ist noch nicht Künstlerin …
ADELE. Auch noch nicht einmal Elevin, sondern bis jetzt nur Stubenmädchen des Herrn von Eisenstein.
FRANK. Ein Stubenmädchen! Und Sie haben sich von mir die Hand küssen lassen?
ADELE. Den Mund ja auch!
FRANK. Pst, nichts ausplaudern!
ADELE. Es bleibt unter uns! Aber da Sie Herrn von Eisenstein sprechen werden, hätte ich noch eine Bitte.
FRANK. Nun?
ADELE. Der Herr weiß, daß ich ohne Erlaubnis der gnädigen Frau in ihrem Kleide die Villa Orlofsky besucht habe. Schluchzend. Ich bitte, ich beschwöre Sie, legen Sie ein gutes Wort für mich ein!
FRANK. Daß er Ihnen verzeiht?
ADELE. Nein, daß er mir das Kleid schenkt, weil es mir gar so gut steht!
FRANK. Das ist doch ein bißchen viel verlangt! Augenblicklich entlassen wird Sie Ihre Herrschaft.
IDA. Ach, wenn es weiter nichts ist, entlassen hat sie sich schon selbst.
ADELE. Ich habe nämlich die Idee, mich fürs Theater ausbilden zu lassen.
IDA. Und da sollten uns der Herr Chevalier behilflich sein. Mich hat auch so ein vornehmer Herr ausbilden lassen.
FRANK. Ich soll Sie ausbilden lassen? Ja, haben Sie denn auch Talent?
ADELE. Ob ich Talent habe? Sonderbare Frage!
Nr. 14. Couplet
1
ADELE.
Spiel ich die Unschuld vom Lande,
Natürlich im kurzen Gewande,
So hüpf ich ganz neckisch umher,
Als ob ich ein Eichkatzerl wär‘.
Und kommt ein saubrer junger Mann,
So blinzle ich lächelnd ihn an,
Durch die Finger zwar nur
Als Kind der Natur,
Und zupf an meinem Schürzenband;
So fängt man Spatzen auf dem Land.
Und folgt er mir, wohin ich geh,
Sag ich naiv: »Sö Schlimmer, Sö!«
Setz mich zu ihm ins Gras sodann
Und fang auf d’Letzt zu singen an:
La la la la la la la la!
Wenn Sie das gesehn, müssen Sie gestehn,
Es wär‘ der Schaden nicht gering,
Wenn mit dem Talent ich nicht zum Theater ging‘!
2
Spiel ich eine Königin,
Schreit ich majestätisch hin,
Nicke hier und nicke da,
Ja, ganz in meiner Gloria.
Alles macht voll Ehrfurcht mir Spalier,
Lauscht den Tönen meines Sangs.
Lächelnd ich das Reich und Volk regier,
Königin par excellence!
La la la la la la la la!
IDA die Trompete nachahmend.
Tratatatata! Tratatatata!
FRANK die Trommel nachahmend.
Rem, pem, plem, prrr, rem, pem, plem, prrr!
ADELE.
Wenn Sie das gesehn, müssen Sie gestehn,
Es wär‘ der Schaden nicht gering,
Wenn mit dem Talent ich nicht zum Theater ging‘!
3
Spiel ich ’ne Dame aus Paris, ach, ach,
Die Gattin eines Herrn Marquis, ach, ach, –
Da kommt ein junger Graf ins Haus, ach, ach,
Der geht auf meine Tugend aus, ach!
Zwei Akte lang geb ich nicht nach,
Doch, ach, im dritten werd ich schwach.
Da öffnet plötzlich sich die Tür:
O weh, mein Mann! Was wird aus mir? Ach!
»Verzeihung!« flöt ich; er verzeiht, ach!
Zum Schlußtableau, da weinen d’Leut‘, ach! Ja!
FRANK spricht. Zum Stubenmädchen sind Sie allerdings etwas zu emanzipiert!
IDA. Sie wollen also meine Schwester ausbilden lassen, Herr Chevalier?
Es läutet.
FRANK ans Fenster gehend. Ich muß doch sehen, wer da ist? Prallt erschrocken zurück. Donnerwetter, Marquis Renard! Was mach ich nun?
FROSCH ist gekommen. Soll ich öffnen?
FRANK. Ja … nein … warte noch! Für sich. Ich bin ganz konfus! Zu Frosch. Führe die Damen in ein anderes Zimmer!
FROSCH. Ich habe nur noch Numero 13 frei!
FRANK. So führe sie auf Nummer 13!
Es läutet wieder.
FROSCH leise. So werden sie also eingesperrt?
FRANK. Nein … das heißt ja! Meinetwegen! Sperre sie ein, mach nur, daß sie fortkommen! – Was mag der Marquis hier wollen?
FROSCH. Wollen Sie die Güte haben, meine Damen?
ADELE. Ist Numero 13 Ihr Empfangssalon?
FROSCH. Freilich! Oh, wir haben mehrere solche Salons, weil wir oft längeren Besuch bekommen.
IDA. Also führen Sie uns auf Nummer 13!
FROSCH beiden Damen den Arm bietend. Wenn’s gefällig? Adele und Ida hängen sich ein. Fideles Gefängnis bei uns! Ungeheuer fidel!
Ab mit Adele und Ida.
Fünfter Auftritt
Frank. Dann Eisenstein.
FRANK allein. Der Herr Marquis Renard wird schon ungeduldig. Was soll ich machen? Ich muß ihn hereinlassen auf die Gefahr hin, daß die Sache mit einer ungeheuren Blamage für mich endet. Öffnet die Tür.
EISENSTEIN tritt ein. Ist’s möglich, teurer Chevalier, dich find ich hier? Bist du wegen nächtlicher Ruhestörung arretiert worden?
FRANK. Erst sag mir, lieber Marquis, was du hier zu tun hast?
EISENSTEIN. Ah, du bist beim Tee, das kommt mir sehr apropos. Du erlaubst schon! Setzt sich.
FRANK. Bitte, bediene dich ungeniert. Tu, als ob du zu Hause wärst!
EISENSTEIN. Das bin ich eigentlich jetzt auch!
FRANK. Du hier zu Hause? Das könnte ich doch wohl eher von mir behaupten.
EISENSTEIN. So sag mir doch endlich, was hast du denn getrieben, daß du hier eingesperrt wurdest, Chevalier?
FRANK. Ich bin ja gar nicht eingesperrt!
EISENSTEIN. Zum Henker, was machst du dann aber hier?
FRANK. So hör denn, ich muß endlich die Wahrheit bekennen; ich bin nicht der Chevalier Chargrin, sondern heiße Frank und bin Direktor dieses Gefängnisses!
EISENSTEIN. Haha, ein guter Spaß! Ein prächtiger Spaß, haha!
FRANK. Kein Spaß, sondern bitterer Ernst!
EISENSTEIN. Mein Gott, Chevalier, bist du denn noch so arg betrunken, daß du dir wirklich einbildest, hier Gefängnisdirektor zu sein? Nimm noch eine Tasse Tee!
FRANK. Keiner mehr da: kein Tee, kein Chevalier!
EISENSTEIN. Geh, Bruder, geh; du willst mich zum besten haben!
FRANK. Du zweifelst daran? Läutet. Sollst dich gleich überzeugen!
Sechster Auftritt
Frank. Eisenstein. Frosch.
FROSCH. Herr Direktor befehlen?
FRANK. Pack den Herrn Marquis!
FROSCH. Sehr wohl! – Soll ich ihm Handschellen anlegen? Packt Eisenstein.
EISENSTEIN. Was soll das heißen?
FRANK. Laß ihn wieder los! Es war nur ein Spaß.
FROSCH läßt los. Ah so, nur ein Spaß!
FRANK. Geh und laß uns jetzt allein!
FROSCH. Kuriose Späße! Ich sag’s ja, ein fideles Gefängnis, ungeheuer fidel! Ab.
Siebenter Auftritt
Frank. Eisenstein.
FRANK. Bist du nun endlich überzeugt?
EISENSTEIN. Allerdings, nach so handgreiflicher Beweisführung …
FRANK. Du wirst mir nicht böse sein, Marquis, daß ich ein so drastisches Mittel anwendete.
EISENSTEIN. Ich kann dir um so weniger böse sein, als du vollkommen das Recht hättest, mich einkasteln zu lassen.
FRANK. Was willst du damit sagen, Bruder Marquis?
EISENSTEIN. Vor allem laß mich mit deinem Marquis zufrieden. Ich bin kein Marquis.
FRANK. Du scherzest!
EISENSTEIN. Ich bin ebensowenig Marquis Renard wie du Chevalier Chargrin bist!
FRANK. Was sagst du?
EISENSTEIN. Ich heiße Eisenstein und komme, meine achttägige Arreststrafe abzubüßen. Sei also so gut, Bruder Gefängnisdirektor, mir meine Chambre séparée anzuweisen.
FRANK. Haha, der Witz ist nicht schlecht ausgedacht!
EISENSTEIN. Wieso Witz?
FRANK. Du willst mir mit gleicher Münze dienen. Aber unglücklicherweise geht die Geschichte nicht.
EISENSTEIN. Was heißt das?
FRANK. Das heißt, wie ich dir bewiesen habe, daß ich Gefängnisdirektor bin, kann ich dir auch beweisen, daß du nicht Eisenstein bist!
EISENSTEIN. Ich bin nicht Eisenstein? Auf den Beweis wäre ich doch neugierig!
FRANK. Nun denn, ich habe Eisenstein gestern abend persönlich arretiert!
EISENSTEIN. Du hast ihn arretiert! Wo und wann?
FRANK. Gestern abend zehn Uhr in seiner Wohnung.
EISENSTEIN. War er denn zu Hause?
FRANK. Natürlich, er saß ganz gemütlich im Schlafrock mit seiner Frau beim Souper.
EISENSTEIN erregt. Im Schlafrock? Mit seiner Frau?
FRANK. Sie nahmen so zärtlichen Abschied, daß ich ganz gerührt wurde.
EISENSTEIN. Zärtlichen Abschied? Im Schlafrock! Nein, nein, das ist unmöglich! Und wo … wo ist dieser Herr von Eisenstein jetzt?
FRANK. Er sitzt auf Numero 12!
EISENSTEIN. Auf Numero 12? Ich muß ihn sogleich sehen!
FRANK. Es tut mir leid, aber ohne Erlaubnisschein darf niemand zu den Gefangenen.
Achter Auftritt
Frank. Eisenstein. Frosch.
FROSCH. Immer fideler wird’s bei uns im Gefängnis! Jetzt ist schon wieder eine da!
FRANK. Was willst du?
FROSCH. Es ist wieder eine Dame.
FRANK. Was sagst du? Eine Dame?
FROSCH. Jawohl, eine Dame! ’s ist ja nicht die erste heut!
FRANK. Wie sieht sie aus?
FROSCH. Sie ist zwar verschleiert, aber aus ihrem Gehaben schließe ich, daß sie hübsch ist. Ich habe sie ins Sprechzimmer geführt.
FRANK. Eine verschleierte Dame? Zu Eisenstein, der vor sich hinbrütet. Du entschuldigst mich einen Augenblick. Ab.
FROSCH. Wenn ich die auch wieder einsperren soll, weiß ich wahrhaftig nicht, wohin. Es läutet. Schon wieder etwas! Keinen Augenblick Ruhe hat man; aber fidel ist’s heute bei uns, das muß wahr sein, ungeheuer fidel! Ab.
Neunter Auftritt
Eisenstein. Dann Frosch und Dr. Blind.
EISENSTEIN allein. Ein anderer wurde also in meiner Wohnung arretiert und hier eingesperrt! Dieses zweite Ich hat mit meiner Frau soupiert, während ich … Diese Entdeckung hat mich auf einmal ganz nüchtern gemacht! Ich brauche keinen Tee mehr, aber einen Erlaubnisschein brauche ich, wenn ich mich besuchen und mit mir selbst reden will! Es ist zum Tollwerden!
FROSCH führt Blind, der wie im 1. Akt gekleidet ist, herein. Bitte, nur hier zu warten, Herr Doktor. Ich hole den Herrn von Eisenstein. Ab.
BLIND erblickt Eisenstein. Was sagt der Mensch? Er holt Sie? Sie sind ja schon da!
EISENSTEIN. Das geht Sie gar nichts an! Ich bin nicht nur da, sondern auch dort! Was wollen Sie hier, rechtsverdrehender Aktenwurm?
BLIND. Was ich hier will? Sie haben mich doch rufen lassen.
EISENSTEIN. Ich hätte Sie rufen lassen?
BLIND. Aber der Amtsdiener sagte doch ausdrücklich, daß mich Herr von Eisenstein zu sich bescheiden lasse!
EISENSTEIN. Weil Herr von Eisenstein ein Dumm kopf ist!
BLIND. Wohl möglich, aber …
EISENSTEIN. Das heißt, nicht ich, sondern der andere ist der Dummkopf! – Halt, eine Idee! Sie müssen mir Ihre Stelle abtreten!
BLIND. Meine Stelle? Herr von Eisenstein stehen sich doch viel besser!
EISENSTEIN. Nur bei der Zusammenkunft mit Herrn von Eisenstein; so kann ich ihn kennenlernen und ihn zugleich aufs genaueste inquirieren.
BLIND. Sie reden ja lauter konfuses Zeug!
EISENSTEIN. Um so mehr werde ich Ihnen gleichen! Ihren Rock brauche ich, Ihre Perücke, Brille und Akten! Vorwärts, Sie armseliger Aufklauber von Milderungsgründen, sonst erdroßle ich Sie! Treibt ihn rückwärts ab.
Zehnter Auftritt
Frosch. Alfred. Später Rosalinde.
FROSCH. Herr Notar Blind, hier ist der Herr von Numero 12, der Sie zu sprechen wünscht!
ALFRED in Eisensteins Schlafrock und Kappe. Es ist aber niemand zu sehen.
FROSCH. Das ist auch unmöglich, denn der ist ja – Blind! Für sich. Verdammter Slibowitz! Ab.
ALFRED allein. Ich muß gestehen, mein Abenteuer fängt an, mich zu langweilen. Es ist bereits Tag, und, wie es scheint, kümmert sich kein Mensch um mich. Ist das der Lohn meiner Diskretion? Rosalinde tritt herein. Aber nein, ich bin nicht verlassen; die Himmlische kommt selbst, mich in meinem Kerker zu trösten. Fürwahr, das ist edel, das ist geradezu romantisch!
ROSALINDE. Hier ist von keiner Romantik die Rede! Hören Sie!
ALFRED. Ich höre.
ROSALINDE. Sie müssen so bald wie möglich fort von hier!
ALFRED. Ach ja, darum möchte ich auch bitten!
ROSALINDE. Mein Gatte kann jeden Augenblick hier erscheinen; er darf Sie nicht finden, am wenigsten in diesem Aufzuge!
ALFRED. Richtig, er könnte mir übelnehmen, daß ich seinen Schlafrock annektierte!
ROSALINDE. Er hat sich zwar unwürdig benommen, unverantwortlich …
ALFRED. Ja, unverantwortlich, daß er mich so lange schmachten ließ in diesem Arreste!
ROSALINDE. Während er sich bei einem Souper des Prinzen Orlofsky amüsierte!
ALFRED. Bei meinem Prinzen! Oh, der Schlankel!
ROSALINDE. Aber nichtsdestoweniger ist meine Lage entsetzlich, und ich weiß mir keinen Rat.
ALFRED. Vielleicht weiß der Notar Rat, den ich mir eben herholen ließ.
ROSALINDE. Ein Notar!
ALFRED zur Tür blickend. Hier ist er schon!
Elfter Auftritt
Rosalinde. Alfred. Eisenstein in der Maske Blinds.
EISENSTEIN für sich. Ha, die Treulose ist bei ihm! Jetzt Fassung und Ruhe; ich muß erfahren, wie sie miteinander stehen!
Nr. 15. Terzett
ROSALINDE.
Ich stehe voll Zagen,
Was wird er mich fragen?
Darf ich es wohl wagen,
Ihm alles zu sagen?
Die Situation
Erheischt Diskretion!
ALFRED.
Um Rat ihn zu fragen,
Muß alles ich sagen,
Warum denn verzagen?
Wir werden ihm klagen
Die Situation.
Er hilft uns dann schon!
EISENSTEIN.
Pack ich ihn beim Kragen,
So wird er nichts sagen.
Möcht nieder ihn schlagen,
Doch darf ich’s nicht wagen,
Darf nicht einmal drohn
Dem falschen Patron! –
Mit verstellter Stimme.
Jetzt bitte ich, die ganze Sache
Mir haarklein zu erzählen,
Nicht das geringste zu verhehlen,
Indeß ich mir Notizen mache.
ROSALINDE.
Der Fall ist eigentümlich,
Wie Sie gleich werden sehn.
ALFRED.
Sogar verwickelt ziemlich,
Das muß man eingestehn.
EISENSTEIN.
Nun denn, so geben Sie zu Protokoll,
Worin ich Sie verteid’gen soll!
ALFRED.
Ein seltsam Abenteuer
Ist gestern mir passiert,
Man hat mich aus Versehen
Hier in Arrest geführt,
Weil ich mit dieser Dame
Ein wenig spät soupiert.
EISENSTEIN heftig.
Ein Glück, daß es so kam,
Sie handelten infam!
ALFRED.
Was kommt denn Ihnen in den Sinn?
Sie soll’n mich ja verteid’gen!
EISENSTEIN faßt sich.
Verzeihn Sie, wenn ich heftig bin,
Der Gegenstand reißt so mich hin.
Ich wollt‘ Sie nicht beleid’gen, nein,
Ich will Sie ja verteid’gen!
ROSALINDE, ALFRED.
Mein Herr Notar, das war fürwahr
Sehr sonderbar, sehr sonderbar!
Nur ruhig Blut, denn solche Wut
Macht sich fürwahr nicht gut!
EISENSTEIN.
Was ich erfahr, verwirrt fürwahr
Mich ganz und gar.
Drum ruhig Blut,
Ich muß die Wut
Verbergen jetzt noch gut!
ROSALINDE.
Das Ganze war ein Zufall,
Nichts Übles ist passiert,
Doch würd‘ bekannt es werden,
Wär‘ ich kompromittiert,
Da sicher mich mein Gatte
Für schuldig halten wird!
EISENSTEIN heftig.
Da hätt‘ er auch ganz recht;
Sie handelten sehr schlecht!
ROSALINDE.
Was kommt denn Ihnen in den Sinn?
Sie soll’n mich ja verteid’gen!
EISENSTEIN faßt sich.
Verzeihn Sie, wenn ich heftig bin,
Der Gegenstand reißt so mich hin.
Ich wollt‘ Sie nicht beleid’gen, nein,
Ich will Sie ja verteid’gen!
ROSALINDE, ALFRED.
Mein Herr Notar usw..
EISENSTEIN.
Was ich erfahr usw.. –
Ich bitt, mir alles zu gestehn
Und nichts zu übergehn.
Ist kein Detail mehr übersehn,
Ist weiter nichts geschehn?
ALFRED.
Was sollen diese Fragen hier?
ROSALINDE.
Mein Herr!
EISENSTEIN.
Ich bitte zu gestehn,
Ist weiter nichts geschehn?
ROSALINDE.
Mein Herr, was denken Sie von mir?
Was sollen diese Fragen hier?
EISENSTEIN.
Ich frag Sie aufs Gewissen,
Ist weiter nichts geschehn?
Denn ich muß alles wissen!
ROSALINDE, ALFRED.
Mein Herr! Mein Herr!
ROSALINDE.
Es scheint fast, als empfinden Sie
Für meinen Gatten Sympathie.
Drum muß ich Ihnen sagen,
Ein Ungeheuer ist mein Mann,
Und niemals ich vergeben kann
Sein treulos schändliches Betragen.
Er hat die vor’ge ganze Nacht
Mit jungen Damen zugebracht,
Lebt‘ herrlich und in Freuden.
Doch schenk ich’s nicht dem Bösewicht,
Und kommt er wieder mir nach Haus,
Kratz ich ihm erst die Augen aus
Und dann laß ich mich scheiden!
ALFRED, EISENSTEIN.
Sie kratzt ihm (mir) erst die Augen aus
Und dann läßt sie sich scheiden!
ALFRED.
Da Sie alles wissen nun,
Sagen Sie, was soll man tun?
Geben Sie uns Mittel an,
Wie man diesem Ehemann
Eine Nase drehen kann!
EISENSTEIN schlägt auf den Tisch.
Das ist zuviel!
ALFRED.
Was soll das sein?
EISENSTEIN.
Welch schändlich Spiel!
ROSALINDE.
Was soll das sein?
ROSALINDE, ALFRED.
Mein Herr, wozu dies Schrein?
ALFRED.
Nun halt ich mich nicht länger,
Was mischen Sie sich drein?
Zum Henker, Herr, wer sind Sie denn?
EISENSTEIN demaskiert sich.
Ich bin Eisenstein!!
ROSALINDE, ALFRED. Er selbst ist Eisenstein?!
EISENSTEIN.
Ja, ich bin’s, den ihr belogen,
Ja, ich bin’s, den ihr betrogen.
Aber rächen will ich mich
Jetzt fürchterlich!
ROSALINDE.
Hat er selbst mich doch betrogen,
Treulos hat er mich belogen
Und nun tobt er: rächen will er sich!
ALFRED.
Erst hat sie der Mann betrogen,
Dann hat ihn die Frau belogen,
Folglich hebt ja die Geschichte sich!
EISENSTEIN.
Ja, ich bin’s, den ihr belogen,
Ja, ich bin’s, den ihr betrogen,
Aber rächen will ich mich!
ROSALINDE.
Kein Verzeihn! Kein Bereun!
Ich allein will Rache schrein!
ALFRED, EISENSTEIN.
Der Eisenstein will Rache schrein!
ROSALINDE.
Kein Verzeihn, Herr Eisenstein,
Kein Bereun, Herr Eisenstein,
Rache schreie ich!
ALFRED, EISENSTEIN.
Der Eisenstein, der Eisenstein
Will Rache fürchterlich!
ROSALINDE.
So hören Sie mich endlich an!
ALFRED.
So nehmen Sie Vernunft doch an!
EISENSTEIN.
Sie wagen noch zu reden, Mann,
Und haben meinen Schlafrock an?
ALFRED.
Dies ist Ihr Schlafrock, ich gesteh …
ROSALINDE.
Verhängnisvoller Schlafrock, weh!
EISENSTEIN.
Ha, dies Indizium
Macht sie beide blaß und stumm!
ROSALINDE.
Hat er selbst mich doch betrogen,
Treulos hat er mich belogen,
Und nun tobt er: rächen will er sich!
Kein Verzeihn, kein Bereun,
Ich allein will Rache schrein,
Rache, Rache will ich!
ALFRED.
Erst hat sie der Mann betrogen,
Dann hat ihn die Frau belogen,
Folglich hebt ja die Geschichte sich!
Der Eisenstein, der Eisenstein
Will Rache schrein,
Der Eisenstein will Rache fürchterlich!
EISENSTEIN.
Ja, ich bin’s, den ihr belogen,
Ja, ich bin’s, den ihr betrogen,
Aber rächen werd ich mich.
Der Eisenstein, der Eisenstein
Will Rache schrein,
Der Eisenstein will Rache fürchterlich!
ROSALINDE spricht. Also du willst mir Vorwürfe machen, du willst von Treulosigkeit sprechen, nachdem ich doch ganz genau weiß Ihm seine Uhr unter die Nase haltend. wieviel es bei dir geschlagen hat!
EISENSTEIN verblüfft. Meine Uhr! Alle Teufel, an die dachte ich gar nicht mehr!
ROSALINDE. Wollen Sie wieder die Schläge meines Herzens zählen, Herr Marquis?
EISENSTEIN für sich. Sie war meine Ungarin? O ich Einfaltspinsel!
ALFRED. Also Sie sind Herr von Eisenstein?
EISENSTEIN. Ja, ich bin Eisenstein, der Besitzer dieses samtenen Weibes und dieses meineidigen Schlafrocks!
ALFRED. Ich stelle Ihnen beides mit Dank zurück.
EISENSTEIN. Sie werden mir Satisfaktion geben, und zwar sogleich!
ALFRED. Sogleich? Unmöglich! Erst werden Sie die Güte haben, sich in die Zelle Numero 12 zu begeben, deren legitimer Besitzer Sie gleichfalls sind!
ROSALINDE. Was sagen Sie?
ALFRED. Ich sage, daß Ihr Herr Gemahl seine übri gen sieben Tage absitzen soll; ich habe an dem einen genug!
Zwölfter Auftritt
Rosalinde. Eisenstein. Alfred. Falke. Frank.
FALKE. Ah, wie ich sehe, hat’s hier schon eine Erkennungsszene gegeben!
ROSALINDE. Doktor, was haben Sie angestellt?
ALFRED. Allerdings, der wahre Herr von Eisenstein hat sich dekuvriert und brennt vor Verlangen, den von mir unrechtmäßig okkupierten Platz in seiner Zelle einzunehmen.
EISENSTEIN. Niemals! Ich bin nicht Herr von Eisenstein! Wer will mir beweisen, daß ich Eisenstein bin? Ins Gefängnis – nimmermehr!
FRANK. Es sollte mir leid tun, wenn ich gegen meinen Duzbruder und Landsmann Gewaltmittel anwenden müßte!
Dreizehnter Auftritt
Vorige. Frosch. Dann Adele und Ida.
FROSCH. Herr Direktor, die beiden Damen auf Numero 13 machen einen Mordsspektakel.
FRANK. Ach, die hatte ich vergessen! Laß sie heraus und führe sie hierher!
FROSCH im Abgehen. Fideles Gefängnis!
ROSALINDE. Wer sind die beiden Damen?
FRANK. Keine Unbekannten, gnädige Frau. Die eine besonders kennen Sie gut!
ADELE aufgeregt herein. Abscheulich!
IDA hinter ihr. Schändlich!
ADELE zu Frank. Wie, mein Herr, Sie lassen mich und meine Schwester in ein Gefängnis sperren?
IDA. Was haben wir denn verbrochen?
FRANK. Ich bitte um Entschuldigung. Ein Versehen dieses Menschen! Deutet auf Frosch.
FROSCH. Aber der Herr Gefängnisdirektor sagten ja …
ADELE. Gefängnisdirektor?
FRANK. Allerdings, und als solcher frage ich Sie Deutet auf Eisenstein. kennen Sie diesen Herrn?
ADELE. Herr von Eisenstein und meine verflossene Gnädige!
EISENSTEIN. Was kümmert mich dieses Zeugnis? Ich gehe nun einmal nicht ins Gefängnis!
FALKE. Nun, dann müssen wir noch weitere Zeugen kommen lassen! Öffnet die Mitteltür.
FROSCH. Noch mehr? ’s wird immer fideler bei uns!
Vierzehnter Auftritt
Vorige. Orlofsky und die ganze Ballgesellschaft.
Nr. 16. Finale
ROSALINDE, ADELE, IDA, FRANK, CHOR.
O Fledermaus, o Fledermaus,
Laß endlich jetzt dein Opfer aus.
Der arme Mann, der arme Mann
Ist gar zu übel dran!
EISENSTEIN.
Woll’n Sie mir erklären nicht,
Was soll bedeuten die Geschicht‘?
Noch werd ich nicht klug daraus!
FALKE. So rächt sich die Fledermaus!
ALLE.
So rächt sich die Fledermaus!
O Fledermaus, o Fledermaus,
Laß endlich jetzt dein Opfer aus.
Der arme Mann, der arme Mann
Ist gar zu übel dran!
EISENSTEIN. So erklärt mir doch, ich bitt …
FALKE.
Alles, was dir Sorgen macht,
War ein Scherz, von mir erdacht.
ALLE. Und wir alle spielten mit!
EISENSTEIN. Wie, der Prinz?
ORLOFSKY. Ich spielte mit!
EISENSTEIN. Und Adele?
ADELE. Ich spielte mit!
EISENSTEIN zu Alfred. Ihr Souper?
ALFRED. War nichts als Mythe!
EISENSTEIN. Doch, mein Schlafrock?
ROSALINDE. Requisite!
EISENSTEIN.
Wonne, Seligkeit, Entzücken!
Oh, wie macht dies Wort mich froh!
Gattin, laß ans Herz dich drücken!
ALFRED leise zu Orlofsky.
War auch grad nicht alles so,
Wir wollen ihm den Glauben,
Der ihn beglückt, nicht rauben!
ADELE.
Nun, und was geschieht mit mir?
FRANK.
Bleiben im Arrest Sie hier,
Will ich Sie als Freund und Vater
Bilden lassen fürs Theater.
ORLOFSKY Adeles Arm nehmend.
Nein, ich laß als Kunstmäzen
Solch Talent mir nicht entgehn.
Das ist bei mir so Sitte:
Chacun à son goût!
ALLE.
’s ist mal bei ihm so Sitte:
Chacun à son goût!
EISENSTEIN spricht. Rosalinde, vergib deinem treuen Gabriel! Du siehst, nur der Champagner war an allem schuld!
ROSALINDE.
Champagner hat’s verschuldet, tralalalala,
Was wir heut erduldet, tralalalala!
Doch gab er uns auch Wahrheit
Und zeigt‘ in voller Klarheit
Mir meines Gatten Treue
Und führte ihn zu Reue.
Stimmt ein, stimmt ein
Und huldigt im Vereine
Dem König aller Weine!
ALLE.
Stimmt ein, stimmt ein!
ROSALINDE.
Die Majestät wird anerkannt rings im Land,
Jubelnd wird Champagner der Erste sie genannt!
ALLE.
Die Majestät wird anerkannt rings im Land,
Jubelnd wird Champagner der Erste genannt!