Wolfgang Amadeus Mozart

Der Schauspieldirektor

Ein Gelegenheitsstück in einem Aufzuge

Libretto von Johann Gottlieb (der Jüngere) Stephanie

Uraufführung: 07.02.1786, Schlosstheater Schönbrunn, Wien

Personen

Frank, Schauspieldirektor

Eiler, ein Banquier

Puf,
Herz, Schauspieler

Madame Pfeil,
Madame Krone,
Madame Vogelsang, Schauspielerinnen

Hr. Vogelsang, ein Sänger

Madame Herz,
Mademoiselle Silberklang, Sängerinnen

Erster Auftritt.

Frank, gleich darauf Puf.

PUF. Lustig, Herr Direkteur, wir haben Permißion.
FRANK munter. Wo lieber Puf?
PUF. In Salzburg.
FRANK seufzend. In Salzburg! dem Vaterlande des Hannswursts!
PUF. O nur keine Grillen! Seyn Sie froh, daß wir irgendwo unterkommen. Wenn die Kunst nach Brod geht, muß es ihr gleich viel seyn, welche Thüre ihr offen steht. Es sind überdieß noch Bedingungen dabey. Lauter lustige Stücke, Ballette und Opern müssen Sie geben.
FRANK. Und vom besten Gepräge nicht wahr? Was kostet nicht schon eine gute Gesellschaft! dann erst Ballette! Opern! und dafür am Ende eine geringe Einnahme?
PUF. Ja, da müssen Sie sich zu helfen wissen. Sehn Sie mehr auf die Zahl als auf die Güte der Leute, die wohlfeilsten die besten. Ihr erster Akteur muß Ihnen nicht mehr als wochentlich 4 Thaler, und die erste Aktrice 2 Thaler kosten. Hernach schicken Sie eine Ankündigung voraus, und sagen drainn: Sie brächten die stärkste und ausgesuchteste Gesellschaft mit, wie noch keine dort gewesen wäre.
FRANK. Was kann ich aber mit solchen Leuten aufführen?
PUF. Die besten Stücke; 30, 40 Personen stark. Worinn ein Akteur den andern vom Theater verjagt, und der Zuschauer nicht Zeit hat, über irgend eine Scene nachzudenken.
FRANK. Das nennen Sie die besten Stücke?
PUF. Und mit Recht, weil Sie’s meiste Geld eintragen. Ich weis wohl was Sie sagen können. – Aber – legen Sie die Hand auf’s Herz, und reden Sie die Wahrheit: Haben wir nicht gerade mit den Stücken, worüber am meisten geschimpft wurde, das meiste Geld eingenommen? und bey jenen, die alle Welt für Meisterstücke hält, leere Bänke gehabt? Mit Nathan dem Weisen werden Sie das zweytemal nicht so viel einnehmen als die Lichter betragen; den Graf Waltron aber können Sie 20mal geben, und werden immer das Haus voll haben. Ergo? Ein Direkteur muß auf die Kassa sehen – ergo: die schlechtesten Stücke die Besten.
FRANK. Aber lieber Puf, der gute Geschmack geht ja auf die Art vollends zu Grunde
PUF. Ich bitt‘ Sie, bleiben Sie mit ihrem guten Geschmack zu Haus, er hat Sie beynahe an Bettelstab gebracht. Es ist ein Hirngespinnst, das den Kopf aber nicht den Beutel füllt. Die Leute führen ihn deßhalb so häufig auf der Zunge um ihn bey jeder Gelegenheit von sich zu geben, weil sie ihn nicht verdauen können. Den zu gründen gehört für grosse Herren, aber nicht für Privatleute.
FRANK seufzend. Das hab ich leider erfahren!
PUF. Und damit Sie’s nicht wieder erfahren, so machen Sie’s wie andre: hängen Sie ein prächtig Schild aus, mit Torten und Pasteten bemahlt, und setzen Sie Speckknödel und Sauerkraut auf.
FRANK. Das heißt: betrügen Sie die Leute.
PUF. Mundus vult decipi, ergo decipiatur.
FRANK. Nun gut. Aber wenn ich Ihnen auch in Ansehung der Stücke Recht lassen muß, so ist’s doch ganz was anders mit den Schauspielern. Die Gattung Leute wie Sie mir rathen anzunehmen – – –
PUF. Müßen überall für die Vortreflichsten gelten, wenn Sie’s nur anzustellen wissen. Ist ein Schauspieler den die Leute nicht verstehen können und Ihnen deßhalb Vorwürfe machen, so sagen Sie mit einer Weisheitsmine: es ist ein größerer Denker als Redner, es‘ steckt viel hinter dem Manne, daher gehört auch viel dazu um ihn gehörig zu beurtheilen. Von einem Sänger, der schlecht singt, sagen Sie: er ist mehr Akteur als Sänger; und von einem Tänzer, der rechte Bocksprünge macht: das ist der wahre Tanz der Alten, der durch unsre heutige Künsteley völlig verloren gegangen, ächte, reine Natur. Ehe die Leute sich für Dummköpfe halten lassen, glau ben sie es Ihnen aufs Wort und finden’s am Ende selbst vortreflich.
FRANK. Das ist wohl leicht gerathen, aber nicht so leicht auszuführen.
PUF. Eben so leicht. Ey! ey! Herr Frank, Sie sind so lange beym Theater, und wissen noch nicht, daß der größte Theil der Zuschauer nicht selbst urtheilt, sondern nur einigen Aristarchen ängstlich aufs Maul sieht um ihnen nachzubeten! Sobald wir hinkommen, so geben Sie 4 – 5 Skriblern frey Entre’e, alle Tage ein gut Souppee, und bey der ersten Aktrice Dejeunee; die werden Ihnen aus dem elendesten Schneidergesellen einen Roscius, aus dem unartigsten Limmel einen Garrik, und aus dem ersten Kuchelmenschen eine Clairon machen. Der Haufe beth das nach, und so haben Sie gewonnen Spiel.
FRANK. Lieber Herr Puf, was rathen Sie mir! das heißt sich ja feinen Beifall erkanfen.
PUF. Klimpern gehört zum Handwerk. Auf diese Art ist schon mancher elende Charlatan zum Kapitalisten geworden, und Sie sind nach allen Regeln der Kunst und Rechtschaffenheit –
FRANK. Auf den Sand gekommen. Es sey, ich will den guten Geschmack, die Chimaire wie Sie es nennen, an Nagel hängen – –
PUF. Und die Rechtschaffenheit dazu.
FRANK. Aber wo bekomm‘ ich Geld her um anzufan gen?
PUF. Hier haben Sie einmal die Permißion. Giebt ihm einen großen Brief. Darauf nehmen Sie Geld auf, und verschreiben die Einnahme.
FRANK. Aber wenn ich nun mit allen Kunstgriffen nichts einnähme? Es ist doch möglich, daß ich ein klüger Publikum fände als ich vermuthe.
PUF. Ah – Sie müssen aufs Glück mehr als auf die Möglichkeit rechnen. Das Glück ist eine Vormünderinn der Dummheit, und wenn Sie meinem Rath folgen, opfern Sie der Dummheit mehr, als dem Verstande, mithin haben Sie nichts zu fürchten.

Zweyter Auftritt.

Vorige, Eiler.

EILER. Ihr Diener lieber Frank. Sie wundern sich mich hier zu sehen? Ja das glaub‘ ich gern. Werden sich aber noch mehr wundern, wenn Sie hören werden warum ich hier bin, und Sie aufgesucht habe?
FRANK. Ich muß gestehn Ihre Gegenwart macht mir so viel Neugierde als Freude.
EILER. Sollen befriedigt werden. Sie wissen doch von meinem Engagement mit Madame Pfeil? – Ich weis was Sie sagen wollen, weis auch, daß ich ein Narr bin; aber Herr, wie ich klug werden soll, weis ich nicht. Die Liebe kann man nicht so abwerfen wie ein Paar übertragene Schuh; – und eine Theaterliebe hat vollends viel ähnliches mit dem ungrischen Fieber, was nichts als Zeit und Klima kuriren kann. Kurz, Madame hat mit ihrem eigensinnigen Köpfchen den guten Leyermann ruinirt, daß er seine Gesellschaft mußte auseinander gehen lassen. Ich hätte sie freylich gern ohne Engagement unterhalten, aber Sie will nun durchaus spielen; – sie merkt wohl, daß ihre Macht über die Herzen nur vom Theater herabwirkt, mithin krieg ich seit der Zeit keine gute Miene, und um ihr nur die Hand küssen zu dürfen muß ich zuvor erst eine Theater scene mit ihr spielen. Ich habe mich schon halb dumm gelernt, kann schon aus jedem Ihrer Stücke die Hauptscenen mit ihr spielen; und wenn sie nicht bald Engagement bekommt, kann ich das ganze Repertoir auswendig. Alle Direkteurs, an die ich geschrieben, haben mir abschlägige Antwort gegeben. Ich weiß mir also nicht mehr zu rathen. Zum Glück erfuhr ich, daß Sie wieder eine Gesellschaft errichten wollen, ich bitte Sie also, nehmen Sie sie an, ich will Sie mit Geld unterstützen so viel Sie brauchen.
PUF heimlich zu Frank. Eine trefliche Gelegenheit! greifen Sie zu.
FRANK. Lieber Herr Eiler, ich errichte nur eine kleine Gesellschaft und dabei würde mir Madam Pfeil zu theuer seyn.
EILER. Ich will ihnen die Gage für sie zahlen, und oben drein tausend Dukaten auf 3 – 4 Jahre ohne Intressen leihen, nehmen Sie sie nur an, damit ich nicht mehr auswendig lernen darf, und andre statt mir die Theaterscenen mit ihr spielen.
PUF wie oben. Itzt besinnen Sie sich keinen Augenblick.
FRANK. Aber lieber Puf; es bleibt mir ja keine Actrice neben ihr.
PUF. Unsre 2 Thaler Aktricen werden schon neben ihr bleiben.
EILER. Nun Herr Frank, Sie stehn noch an? Geschwind entschlüssen Sie sich, ich höre sie schon kommen.

Dritter Auftritt.

Die Vorigen, Madame Pfeil.

MADAME PFEIL. Wie Herr Frank? Sie hören daß die grosse Madame Pfeil hier ist und kommen nicht zu mir? suchen mich nicht auf?
EILER verlegen. Eben war er im Begrif zu Ihnen zu gehen.
PUF für sich. Die steckt uns alle in Pantoffel.
MADAME PFEIL zu Eiler. Nun haben Sie’s ihm schon gesagt? – – Zu Frank. Sie sind in mißlichen Umständen, Herr Frank? ich will Sie herausreißen, will mich bei Ihnen engagiren. Aber alle erste Rollen, von der Subrette bis zur Königinn muß ich bekommen. Was geben Sie mir Gage?
FRANK. Madame. – – –
EILER. Zehn Thaler die Woche.
MADAME PFEIL. Was! der großen Pfeil nur zehn Thaler! Herr, man sieht’s, daß Sie ihren Vortheil nicht verstehn, darum sind Sie auch zu Grunde gegangen. Für meinen Namen allein sollten Sie 10 Thaler geben.
FRANK. Madame! ich habe alle Achtung für Ihre Bedienste, aber meine Umstände erlauben mir überhaupt nicht, Sie –
EILER heimlich zu Frank. Ich bitt‘ Sie um alles in der Welt nehmen Sie sie an!
PUF. Mehr als 12 Thaler kann er Ihnen wahrhaftig nicht geben.
FRANK heimlich zu Puf. Ich mag sie gar nicht.
PUF. Sie müssen die Ehre, daß Sie die ganze Gesellschaft in Leben und Thätigkeit erhalten, und berühmt machen werden, auch in Anschlag bringen.
FRANK für sich. Ja wohl berühmt!
MADAME PFEIL. Nun gut, aus Barmherzigkeit sollen Sie mich für 12 Thaler haben. Von meinen Talenten werden Sie keinen Beweis fordern, das bin ich überzeugt; aber Sie sollen sehen wie weit ich’s im Unterrichten gebracht habe. Sie werden erstaunen, was Herr Eiler unter meinen Händen für ein Akteur geworden. Zu Eiler. Kommen Sie, wir wollen die Scene aus dem aufgehetzten Ehemann spielen. Geht etwas zurück.
EILER heimlich zu Frank. Sehn Sie wohl, da muß ich schon wieder spielen.
PUF. Ich will souflieren.
EILER. O ich hab sie so oft spielen müssen, daß ich keinen Soufleur brauche.
MADAME PFEIL. Nun, wird’s bald?
EILER. Gleich! gleich! Geht etwas auf und ab, und setzt sich in den Charakter. »Nun will ich meines Freundes Lehren in Ausübung bringen. Wenn ich nur den Ton recht treffe – – – Ich will anfangs gar nicht thun, als ob ich sie sähe – Wenn sie aber itzt käme – wahrhaftig, das verrückte mir mein ganzes Konzept. – So wahr ich lebe, da ist sie.«
MADAME PFEIL. »Nun? Wozu brauchen Sie mich Sir Harry?«
EILER. »Ich Sie brauchen? Ich wüßte nicht wozu Sie in Ihrem Leben nutz gewesen wären?«
MADAME PFEIL. »Sie ließen mir ja den Augenblick sagen, Sie hätten was nothwendiges mit mir zu sprechen? sonst wär‘ ich wahrhaftig nicht so bald gekommen.«
EILER bei Seite. »Ich glaube mein Seel, ich fange das Ding unrecht an. Es hätte alles wie von ungefehr kommen sollen. Was Henker soll ich ihr nun sagen?« Laut. »Wie gefällt dir mein neues Kleid Schatz? Macht’s nicht rechten Staat?«
MADAME PFEIL. »Weiter hast du mir nichts zu sagen?« Will fort.
EILER vertritt ihr den Weg. »Nicht von der Stelle bis Sie meine Frage beantwortet haben. Höflich oder unhöflich, wie’s Ihnen beliebt, ich bin auf beides gefaßt.«
MADAME PFEIL. »Wollen Sie etwann mit diesen Grimaßen Ihr Betragen von heute früh wieder gut machen?«
EILER auf und abgehend.
Ihr Götter schenktet mir ein Weib,
aus großer Gunst zum Zeitvertreib.
MADAME PFEIL. »Wissen Sie wohl, daß ich nicht Lust habe eine solche Begegnung länger zu ertragen, und mich wie einen Handschuh aus- und anziehen zu laßen?«
EILER. »Reden Sie mit mir Madame?«
MADAME PFEIL. »Mit wem sonst?«
EILER. »Wahrhaftig Kind, ich wußte nicht, daß du im Zimmer wärst.«
MADAME PFEIL. »Wahrhaftig Kind, das ist eine lächerliche Affektation.«
EILER bey Seite. »Nun fängt’s an zu operiren, wenn ich nur kalt bleiben kann.«

Laut.

»Doch wenn zu einem grössern Glück
Sie eure Gnade will erheben,
Gehorch ich gern. – Nehmt sie zurück.
Ich hoffe ohne sie zu leben.«
MADAME PFEIL. »Abgeschmackt!«
EILER hart an ihr vorbeygehend. »Ohne sie zu leben! ohne sie zu leben!«
MADAME PFEIL stößt ihn von sich. »Einfältig!«
EILER. »Ja Madame!«
MADAME PFEIL. »Ja mein Herr, ja!«
EILER. »In Ihr Zimmer! Sogleich! den Augenblick! Und lassen Sie sich das ein für allemal gesagt seyn, nicht wieder in das Zimmer zu kommen, wo ich mich anziehe. Eines Mannes ernsthafte Stunden müssen nicht durch weibliche Unverschämtheiten gestöhrt werden.«
MADAME PFEIL. »Eines Mannes? ha ha ha!«
EILER. »Solche freche Mienen schicken sich gar nicht für Sie Madame! – – Aber so ein albernes Ding ist meines männlichen Zorns unwerth! – Gehn Sie mit Ihrem Spielwerk, ich will allein seyn.«
MADAME PFEIL. »Itzt bleib ich ihnen zum Trotz da.«
EILER. »Soll ich Sie den Gehorsam lehren, den eine Frau den Befehlen Ihres Mannes schuldig ist?«
MADAME PFEIL. »Mannes? Der Himmel behüte jede Frau für so einem Manne! – – Ein Federball schickt sich besser für Sie als eine Frau.«
EILER. »Und – Erlauben mir Ew. Naseweisheit Ihnen zu sagen: Eine Puppe schickt sich besser für Sie als ein Mann. – Da haben Sie’s wieder.«
MADAME PFEIL. »Sie bleiben doch zeitlebens ein Fratz!«
EILER. »Und Sie zeitlebens eine Närrinn Frau Schnipps.«
MADAME PFEIL. »So bin ich gerade die rechte Gesellschaft für Sie.«
EILER. »Tschu! Tschu! Tschu!«
MADAME PFEIL. »Auserordentlich artig! wo haben Sie gesehn, daß ein Mann seiner Frau so begegnet?«
EILER. »Wo haben Sie gesehen, daß eine Frau Ihrem Manne so begegnet? Der Henker hohle mich, man thäte besser, man würde ein Galerensclave, als daß man sich so ein einfältig Ding an Hals hängt, das zu nichts nütze ist als ein Schnupftuch zu säumen.«
MAD PFEIL. »Und wahrhaftig eine Frau thäte besser, sie würde eine Bänkelsängerinn, als daß sie sich einen solchen Laffen auf den Hals ladet, der Zeitlebens das Schulbuch auf dem Rücken tragen sollte.«
EILER. »Es geschieht mir ganz recht.«
MADAME PFEIL. »Mir auch! Ich hätte bedenken sollen, daß man einen Mann so wenig nach dem Augenmaaß beurtheilen kann als einen Schuh; diesen muß man erst anprobiren, jenen kennen lernen.«
EILER. »Und ich hätte nicht so einen schlechten Geschmack haben, und meine Frau in der Maske wählen sollen.«
MADAME PFEIL. »Wie? Sie haben mich in der Maske gewählt?«
EILER. »Ja, und noch dazu in der gefährlichsten von der Welt.«
MADAME PFEIL. »Die ist?«
EILER. »Das bloße Gesicht.«
MADAME PFEIL. »Mein Gesicht wär‘ eine Maske? Nein, so laß ich mich nicht schimpfen – Ich will’s meinem Papa sagen« – Bey Seite. So hat er noch nie mit mir gesprochen! Er muß von jemand aufgehetzt seyn.
EILER. »So recht. Weinen Sie sich hübsch die Augen roth, damit’s ihnen Jederman ansieht, daß Sie vor Ihrem Mann im Gericht gestanden, und Sie hübsch über ihn klagen können, wie ein kleines Kind.«
MADAME PFEIL weinend. »Unartiger Mann! hab ich solch eine Begegnung verdient?«
EILER bey Seite. »Itzt weiß ich mir nicht zu rathen. Wenn doch itzt Lord Medway da wäre! Für Thränen hat er mir keine Lection gegeben.«
MADAME PFEIL. »Ich opferte ihm alle Männer auf, und noch! das ist mein Dank!«
EILER bey Seite. »Ein verdammter Pfeil! der greift ein! das fällt mir so verteufelt angenehm aufs Herz, daß ich meine ganze Lection vergesse.«
MADAME PFEIL. »Ich will ihn nun aber auch herausreißen aus meinem Herzen.«
EILER. »Nein, nein, das will ich nicht. Das will auch Lord Medway nicht. Ich muß einlenken. Wenn ich nur wüßte wie?« Geht in komischer Unentschlossenheit auf sie zu. »Hilf Himmel, wie barbarisch ist dein Kopf aufgesetzt?«
MADAME PFEIL für sich. »Ich will nachgeben, vielleicht komm ich dahinter, wer ihn gegen mich verhetzt hat.«
EILER. »Du siehst wie zehn Furien aus, auf Ehre eine wahre Meduse!«
MADAME PFEIL ganz sanft. »Die Frisur gefällt dir also nicht? so will ich morgen meinen Frieseur abdanken.«
EILER. »So steht er dir gewiß selber nicht mehr an. Denn mein Urtheil hat sonst eben nicht das Glück dir sehr zu gefallen.«
MADAME PFEIL. »Ich versichere dich, ich glaube die Frisur steht sehr gut, wenn ich also den Frieseur abschaffe, thu‘ ich’s blos dir zu Gefallen.«
EILER für sich. »Ich glaube, ich werfe mit meinem Projekt um! – Standthaft!« Laut. Spöttisch. »Ich kann mirs einbilden! Das ist dein einziges Dichten und Trachten.«
MADAME PFEIL. »Wahrhaftig mein Schatz, das würd‘ es seyn, wenn du mir’s nur erlauben wolltest.«
EILER. »Liebstes Weib! Sag das noch einmal, es klingt gar zu gut, wenns auch nicht wahr ist.«
MADAME PFEIL. »Auf Ehre, mein Schatz! Ich wünsche mit meinem Putz niemand lieber zu gefallen als dir.«
EILER. »Was für ein verhenkert angenehmes Gefchöpf wären Sie, wenn Sie immer bey der Laune blieben.«
MADAME PFEIL. »Das wird nur auf Sie ankommen. Mein unartiger Engel!«
EILER. »Nun ich will wahrhaftig diese Freude so lange zu erhalten suchen, als Sie sich nur will halten lassen.«
MADAME PFEIL. »Ich will wenigstens nie wieder mit dir zanken.«
EILER »Gewiß?«
MADAME PFEIL. »Auf Ehre!«
EILER. »Auch ich nicht mit dir, so war ich lebe! Wollen wir uns auch lieben?«
MADAME PFEIL. »Unaussprechlich!«
EILER. »Topp! Ich will an allem was du thust, nichts aussetzen.«
MADAME PFEIL. »Und ich nichts an allem, was du sagst.«
EILER. »Ich will dir in nichts widersprechen.«
MADAME PFEIL. »Und ich dir in allem Recht geben.«
EILER. »O du allerliebstes kleines Herz du!« Er küst ihr die Hand.
MADAME PFEIL. »O du allerliebster kleiner Schelm du!« Sie klopft ihn auf die Backen.
EILER. »Warum haben wir uns denn gezankt mein Engel?«
MADAME PFEIL. »Das mußt du wissen, mein Schatz!«
EILER. »Ja ich weis wohl; Lord Medway bedauerte mich immer so – -«
MADAME PFEIL. »Weswegen?«
EILER. »Daß ich dich geheurathet hätte.«
MADAME PFEIL. »Im Ernst?«
EILER. »Auf mein Wort!«
MADAME PFEIL. »Der Verräther! Mir machte ers eben so, und sagte: du warst mich nicht werth.«
EILER. »Der Bösewicht!«
MADAME PFEIL. »Und trug mir seine Liebe an.«
EILER. »Der Treulose!«
MADAME PFEIL. »Hör mein Kind, komm in mein Kabinet, wir wollen uns rächen, und ihm ein Billet schreiben.«
EILER nimmt sie um den Leib und führt sie zurück. »Ja das wollen wir.«
MADAME PFEIL zu Frank. Nun, was sagen Sie?
FRANK Ihr Schüler macht Ihnen Ehre.
PUF. Gezankt haben Sie ganz unvergleichlich Madame!
MADAME PFEIL mit einem zornigen Blick. Und die Liebhaberinn?
FRANK ironisch auf Eilern zeigend. Davon haben wir hier den besten Beweiß.

Vierter Auftritt.

Vorige, Madame Krone.

MADAME PFEIL mit einem verächtlichen Blick auf Madame Krone. Kommt die Prinzeßinn auch?
EILER ängstlich. Wir wollen gehen. Auf Wiedersehen, Herr Frank. Heimlich zu Frank. Oefnen Sie nur Ihr Theater bald, damit ich ja nicht mehr die Liebhaber Rolle spielen darf.

Eiler und Madame Pfeil Ab.

FRANK. Beste Madame Krone, was führt Sie zu mir?
MADAME KRONE. Der Ruf, daß Sie eine neue Gesellschaft errichten wollen. Ich hoffe, Sie werden mir doch Engagement geben? Sie wissen, daß ich in der hohen Tragödie meines Gleichen suche.
PUF heimlich zu Frank. Die ist nichts für uns.
MADAME KRONE. Zayre, Alzire, Kleopatra, Rodogüne und dergleichen sind Eigenthums-Rollen von mir.
FRANK. O beste Madame Krone, damit ist’s vorbey. Korneille, Racine, Voltäre, diese Väter der ächten Tragödie sind hinter den Ofen geworfen, und ihre Stücke, die wahren Probiersteine tragischer Schauspieler, für unbrauchbar erklärt. Der Shakesparismus hat uns ergriffen, und Helden – und Staatsak tionen sind die Produkte, womit wir jetzt paradiren. Ein Trauerspiel ohne Lustigmacher, ohne Tollhausnarren, Donnerwetter und Gespenster wird für fades Gewäsche erklärt, die Zuschauer gähnen, und die Kasse bleibt leer.
PUF. Ja, ja, das haben wir alles erfahren. Ich als lustiger Bedienter, habe eine Schellenkappe aufsetzen, mich als Pickelhäring kleiden, und die Tragödie aufrecht halten müssen. Heimlich zu Frank. Schicken Sie die tragische Prinzeßinn fort.
MADAME KRONE. Das weiß ich leider alles! Aber, Sie hoffte ich nicht so sprechen zu hören, Herr Frank. Ich glaube es kommt immer auf den Direkteur an, sein Publikum zu haben wie er will. Gewöhnt er es an gute Sachen, wird es nichts schlechtes verlangen. Nur muß er ihm nichts auftragen, woran es sich den Geschmack verderben kann; Lieber eine Zeitlang laviren –
PUF. Und nichts geben was ihm Geld bringt? so muß er desto geschwinder aufhören.
MADAME KRONE. Wie die Sache liegt, haben Sie dem Schein nach Recht; aber wer ist Schuld daran? eben Sie und ihre Kollegen. Denn, wären die lustigen Bedienten aus dem Trauerspiel geblieben, so wäre es noch in seinem alten Werth. Doch ich will mich mit Ihnen in keinen Wortwechsel einlassen. Herr Frank, ich habe einen der besten tragischen Schauspieler bey mir, es ist Herr Herz. Wir wollen Ihnen eine Scene aus Bianka Tapello spielen. Urtheilen Sie dann, ob es nicht möglich wäre die reine Empfindung auf dem Theater wieder geltend zu machen.

Sie geht an die Scene und führt Herren Herz heraus.

Fünfter Auftritt.

Vorige, Herz.

FRANK zu Herz. Mich freut es recht sehr Sie kennen zu lernen, ich habe viel rühmliches von Ihnen gehört.
HERZ. Ich wünsche nur, daß Sie es auch finden.
MADAME KRONE. Wir wollens versuchen. Ich bin Bianka Capello, Sie Bonaventuri! Sie stellt oder sezt sich in eine schwermüthige Lage.
HERZ. »Warum so äußerst ernsthaft – wohl gar traurig, liebe Bianka?«
MADAME KRONE. »Ich denke diesem Abend nach.«
HERZ aufmerksam werdend. »Diesem Abend?«
MADAME KRONE mit einem ernsthaften Kopfschütteln. »O es ist eine feyerliche Nacht Bonaventuri, diese heutige Nacht! – Nicht sowohl ihrer selbst willen – Sie müst’es denn noch werden – als vielmehr ihres Andenkens halber.«
HERZ. »Ich verstehe dich nicht liebstes Weibchen.«
MADAME KRONE. »Was mir wehe genug thut! Man vergißt seinen oder eines Freundes Geburtstag nicht leicht, und sie war einst die Geburtsnacht unser ehelichen Verbindung.«
HERZ. »So?«
MADAME KRONE. »Zwey Jahre nun, daß ich mit einem Schauder, der alle Gebeine durchbebte, bey der Rückkehr unsrer zärtlichen Unterredung, die väterliche Hausthüre verschlossen fand – umkehrte – und, du weißt’s ja in wessen Arme flog!«
HERZ seinen Arm lächelnd um ihre Schultern schlingend. »Was dich doch hoffentlich jetzt nicht reut?«
MADAME KRONE mit einem starren Blick in sein Auge, den er kaum aushält. »Und auch wohl nicht reuen darf! Nicht wahr Bonaventuri, du liebst mich noch?« Indem sie seine Hand ergreift.
HERZ. »Wie das Bianka fragen kann!«
MADAME KRONE immer seine Hand haltend, mit noch ernsterm liebevollen Blick. »Wenigstens kann sie fragen: ob noch so rein, so heiß wie damals?«
HERZ mit dem Tone des sich mühsam zwingenden Gewißens. »So rein und heiß!«
MADAME KRONE »Und so einzig? Nein Bonaventuri, verbirg deine Verlegenheit nicht länger! Ein Fehlender ist mehr noch als ein Heuchler werth. – Einzig! Dies Wort also vermagst du nicht zu widerholen; jene vorigen erzwangst du noch.«
HERZ der seine Betretung unter beleidigt seyn verbergen will. »Erzwang? Fehler? Gewiß Bianka, ich weiß nicht, wie ich zu diesem Vorwurf komme.«
MADAME KRONE. »Bonaventuri! unsere Liebe ist nicht mehr ganz wie sie ehemals war, nicht mehr so wechselseitig.«
HERZ. »Wenigstens auf meiner Seite.«
MADAME KRONE. »Lieber, sprich diese Unwahrheit nicht aus! ich haße jeden Mund, welcher lügt, und den deinigen möcht ich gern ewig lieben und achten zugleich. Sieh, schon wirst du bald roth, bald bleich, schon stammelst du und stockst, und doch hab ich das Wort noch nicht einmal ausgesprochen, was weit mehr deine Farbe wechseln, und dich stammeln machen könnte.«
HERZ immer verlegner. »Welches Wort?«
MADAME KRONE. »Kassandra Bongiani.«
HERZ. »Kassandra? Was soll das? was meinst du mit ihr?«
MADAME KRONE. »Du wolltest es, und meine Vorherverkündigung ist eingetroffen.«
HERZ sich fassend. »Nein Bianka, die Röthe, die du mir vorwirfst, und die ich selbst gar wohl fühle, ist nicht von Scham, sondern von dem Erstaunen erzeugt, daß meine sonst so billig denkende Gattinn endlich auch ein Mährchen glauben kann, das blos müßige Pagen und Jagdjunker sich an irgend einem Regentage ausgedacht haben; Leute welche glauben, man sey verliebt in jede Dame mit der man etwa zweymal an einem Balle tanzt, oder übern an dern Tag je zuweilen zwanzig Worte spricht.«
MADAME KRONE. »Und du beharrst auf deinem Läugnen? Warnung auf Warnung erschüttert dich nicht? Damit bey längern Umschweifen nicht stärkere Schuld des Trugs über dein Haupt komme, so schau her! Wessen ist dies Siegel?« Zeigt ihm einen Brief.
HERZ erschrocken. »Das meinige.«
MADAME KRONE ihn unwendend. »Und die Hand dieser Aufschrift?«
HERZ für sich. »Gott! wenn es der verloren gegangene Brief, die Ursache von schon mancher meiner Sorgen wäre?« Laut und zitternd. »Es scheint meine Hand zu seyn.«
MADAME KRONE. »Und ist es. Ist dein Brief an ein Weib mit dem nur müssige Pagen und Jagdjunker dich ins Gerede bringen. Bonaventuri! bey dem Allwissenden! nicht meine Mühe, nicht List der Eifersucht verschaffte mir diesen Brief! Bloß der Haß deiner Feinde bracht‘ ihn in meine Hände, und ich geb ihn dir wieder, wie ich ihn empfieng. Ich dürfte das Siegel nur erbrechen, und ich hätte dann sichre Beweise deiner Untreu tausendfältig; aber nein – -«
HERZ der gleichsam wie aus einem Traum auffährt und aufmerksam den Brief betrachtet. »Wie! – Götter! – Bianka! – ists möglich! – dies Siegel?«
MADAME KRONE mit schmerzhaftem Lächeln. »Nun ja, ist ganz.«
HERZ mit Feuer ihre Hand ergreifend und küßend. »Bianka, Weib ohne Gleichen! Engel der durch Scham mich niederwirft! O wüßtest du was dieser Brief enthält!« Mit dem Ton der Reue. »Welche Vorschläge? welche Hirngespinnste?«
MADAME KRONE. »Mag ich sie doch nicht wissen! Besser freylich, dies Schreiben wäre nie geschrieben, aber da es dies einmal ist, so vergeh‘ es so« Zerreißt den Brief.
HERZ. »Edelstes Weib auf Gottes weiter Erde?« Indem er Sie umarmen will, bebt er zurück. »Nein ich bin es nicht werth dich zu berühren!« Er fällt aufs Knie. »nicht werth, ach nicht werth einmal den tiefsten Saum dieser Gewänder – -«
MADAME KRONE. »Bonaventuri! Mann! steh auf!« Sie hebt ihn auf. »Fliegst du nur anders mit inniger Reue, mit verjüngter Zartlichkeit in meine Arme; O so haben diese Arme nie dich zärtlicher umschlungen.« Sieht ihn mit liebvollem Drohen an. »Böser, lieber böser Mann! wie viel opfert‘ ich dir nicht auf?«
HERZ. »Ja wohl viel! Vaterland, Eltern, Wohlstand, Rang und Sicherheit gabst du hin, um Verbannung, Elend und Niedrigkeit mit mir zu theilen. Und ich – ich -«
MADAME KRONE. »Guter Bonaventuri! alles was du so eben nanntest, klingt freylich rauh; ertrug sich freylich ehemals hart, aber doch war es mir nicht so schwer, als mein jetziges Loos.«
HERZ der sie falsch versteht. »Was von nun an dir keinen weitern Stof zu Klag‘ und Kummer geben soll.«
MADAME KRONE. »Nicht? weißt du das so gewiß? kennst du meine ganze Lage?«
HERZ dem dieß etwas auffällt. »Wie? sollt ich sie nicht kennen? Welch ein Geheimniß verschlüßt Bianka noch vor mir?«
MADAME KRONE. »Das peinlichste, was sie jemals hatte. Ja, Bonaventuri! es ist unumgänglich nöthig, daß ich endlich einen Schleyer dir vom Auge reiße; bey dem ichs kaum begreiffe, wie er nicht schon längst dir von selbst entsank.« Mit schnell starrwerdendem Blick. »Oder wär es vielleicht schon geschehen? und du hättest nur aus Kaltsinn oder Staatsklugheit geschwiegen? Schande! unauslöschliche Schande über dir, wenn dem so wäre!«
HERZ. »Bey Gott ich verstehe dich nicht!«
MADAME KRONE. »Das erste, das einzigemal daß eine Blindheit von dir mir lieb ist, wenigstens lieber als ein vorsetzliches Uebersehen. – So wiße dann: eben die geringfügigen Reize, die einst das Glück dich zu besiegen hatten, haben auch schon seit geraumer Zeit das Unglück gehabt, die Begierden unsers Herzogs zu reizen.«
HERZ erstaunt. »Wie? der Herzog liebt dich?«
MADAME KRONE. »Wenigstens spricht er so.«
HERZ. »Zwar wer müßte dich nicht lieben, Engel in Weibsgestalt.« Sein Haupt auf seine Hand stützend. »Er dich lieben! dich? Wie so natürlich, und doch wie so schrecklich für mich!« Sich vor die Stirne schlagend. »Ha! nun bebegrief ich alles! nur das nicht, daß ichs nicht eher greif! Aber woher weißt du es? vonhim selbst?«
MADAME KRONE. »Von ihm selbst! Ließ diesen Brief. In ihm, wie du siehst, beut er alles auf, was er für fähig hält, meine Tugend zu erschüttern; läßt mir von allem die Wahl sobald ich ihn zu wählen mich entschlüße; Wahl, ob ich verstohlener Liebe fröhnen, oder als erklärte Günstlinginn mit meiner Schande prahlen wolle. Der Arme, er ahndet nicht das Blut einer venetianischen Edeltochter, nicht das Blut einer Kapello in mir. – Auch stellt ers ganz auf meinen Ausspruch, ob er dich höher heben, oder tiefer stürzen soll, als du jemals standest. – Ob ich die Buhlschafft mit Kaßandern an dir bestrafen, oder nur durch gleiche mit ihm vergelten wolle. – Dieß sein Brief, den ich vorgestern erhielt! Begreifst du nun, warum ich gestern bei seinem Jagdmahle durchaus mich zu erscheinen weigerte? Warum er, deinem eigenen Ausdrucke nach, sich so zweydeutig gegen dich betrug? Begreifst du’s nun?«
HERZ. »Ach ich begreife nur allzuviel, gleiche ganz dem Unglücklichen, den unbekannte Räuber mit verbundenen Augen in ihre Mörderhöhle geschleppt haben; und dem itzt eine mitleidige Hand den Verband wegnimmt. Er steht zwar nun wieder, aber was er sieht, sind Bilder des Schreckens.«
MADAME KRONE. »So will ich dir von einer andern Seite her die reizenden Aussichten einer sichern, sich gnügsamen Liebe zeigen. Bonaventuri! Mann meines Herzens, gedenk an jene Zeiten unsrer Armuth. Waren sie, trotz unsrer Armuth, nicht die Zeiten unsers Glücks? Spendete nicht eben damals das Schicksal gegen uns seine größten Schätze, da es mit uns zu kargen schien? O Lieber, wir, nur wir allein können reich und arm, beglückt und unbeglückt uns machen; machen daß uns eine Hütte zur Welt, und eine Welt, zur Hütte wird. Laß uns jenes thun, da es noch hoch am Tage ist.«
HERZ. »Und wie dieß anfangen?«
MADAME KRONE. »Kurzsichtiger! fragst du noch? Wir flohen aus Venedig über hohe Gebürge, ohne Geld und Schutz, als wir Verfolgung besorgten, müßen wir denn Nun hier bleiben, wo sie wirklich schon da ist?«
HERZ nach einer Pause. »Meine Theure! weder die Furcht der Armuth noch selbst des Todes soll mich von einer Flucht an deiner Seite abhalten. Aber nur eine Furcht, die Furcht der Schande wünscht‘ ich nicht mitzunehmen, und eben ihrentwegen glaub‘ ich, daß wir nicht ganz so eilen können, wie wir wünschen.«
MADAME KRONE. »Welcher Schande?«
HERZ. »Du weißt, daß des Herzogs anscheinende Großmuth mir eine Menge Geschäfte von größter Wichtigkeit anvertrauet hat; itzt fliehn, eh sie vollendet worden, schiene treulos gehandelt; gäbe unsern Feinden ein zweyschneidiges Schwert in die Hand.«
MADAME KRONE den Kopf schüttelnd. »Schiene treulos gehandelt! und warten bis sie geendet, scheint sehr unklug oder vielleicht sehr unmöglich. Ich bürge für meine Standhaftigkeit. Aber Mann mit der wachsweichen Seele, wer bürgt dir für dich selbst?« Will fort.
HERZ sie haltend. »Liebstes, theurestes Weibchen, wohin?«
MADAME KRONE. »Laß mich auf einige Minuten allein; du kennst die Art meines Grams. Auch habe ich dir ja wohl Stof genug zur Unterhaltung mit dir selbst gegeben.« Zeigt das die Scene vorbey sey.
FRANK. Vortreflich! Ja wohl Madame sind solche Schauspieler fähig die reine Empfindung auf dem Theater wieder geltend zu machen. Wollen Sie bey mir bleiben? Zu Herz. Auch Sie? so schätz ich mich glücklich. Aber mehr als vierzehn Thaler die Woche kann ich jedem von nen nicht geben.
MADAME KRONE. Vollkommen zufrieden. Die Art, mit der Sie solche anbiechen, ist hinlänglicher Ersatz.
PUF heimlich. Herr Frank, da haben Sie einen dummen Streich gemacht, die Leute wollen lachen nicht ächtzen.
FRANK. Es gibt auch welche, die noch Herzen haben.

Sechster Auftritt.

Die Vorigen, Madame Vogelsang.

PUF. Ah! Madame Vogelsang! Willkommen, willkommen. Eben recht! wollen Sie Engagement haben?
MADAME VOGELSANG. Deswegen komm ich her. Ich höre – –
PUF. Herr Frank, da machen Sie eine acquisition. Etwas heimlich auf Madame Krone deudent. Wenn Madame das Publikum mit lauter Empfindung eingewiegt hat, wekt die es wieder auf. Ich will Ihnen gleich eine Probe machen. Zu Madame Vogelsang. Madame! wißen Sie noch die Scene aus der galanten Bäurinn, die wir so oft zusammen gespielt haben?
MADAME VOGELSANG. Was sollt‘ ich nicht! Es ist ja eine meiner Lieblingsscenen, meine Hauptscene; ist ja auf mich geschrieben worden.
PUF. Nun so bitten wir um Platz. Madame Krone, Frank und Herz treten zurück. »Guten Morgen Röschen! Wohin so früh?«
MADAME VOGELSANG. »In die Stadt.«
PUF. »Und so geputzt?«
MADAME VOGELSANG. »Es hat seine Ursachen.«
PUF. »Ey! was denn für welche?«
MADAME VOGELSANG. »Must du’s denn wißen?«
PUF. »Das versteht sich, als dein zukünftiger Mann.«
MADAME VOGELSANG seufzend. »Ja, da ist noch eine gute Weile hin.«
PUF. »Hm! So gar lange ist’s doch eben nicht bis auf den Herbst.«
MADAME VOGELSANG. »Mein guter Michel deine heurige Fechsung wirst du wohl noch ohne mich verzehren.«
PUF seufzend. »So? Ey! wie käm‘ denn das?«
MADAME VOGELSANG. »Ja schau mein lieber Michel, man muß weiter hinaus denken, als auf heute und morgen. Ich habe nichts und du hast nicht viel, was kommt da heraus? Siebzehn Jahr bin ich auch erst alt, und wenn man gar so jung heurathet, wird man gar geschwind alt, hab ich gehört.«
PUF. »So! so!«
MADAME VOGELSANG. »Es ist also besser, wir lassens noch stehn.«
PUF. »Kurios! Wie kommt dir denn das auf einmal in Kopf?«
MADAME VOGELSANG. »Ganz natürlich! Wenn man ein wenig weiter gegukt hat als in seine Schüßel, so sieht man ja, daß das Geld heut zu Tage das nothwendigste Hausgeräthe ist, und wenn man das nun nicht hat, so muß man sich doch erst darum umsehn.«
PUF. »Meinst du? Gehst etwan deswegen in die Stadt?«
MADAME VOGELSANG. »Grade deswegen. Ich will mein Glück probiren.«
PUF. »Nun, und wie willst du denn das anstellen? Sag einem doch auch ein bischen was, vielleicht lernt man noch ein und anders.«
MADAME VOGELSANG. »Du darfst weiter nicht spitzig thun, es hat alles seine gute Richtigkeit. Schau, da hab ich einen Korb Aepfel?«
PUF. »Das seh ich. Nun?«
MADAME VOGELSANG. »Der muß machen, daß ich noch einmal mit Kutsch und Pferden fahre.«
PUF greift ihr an die Stirne. Bist gestern gewiß zu viel in der Sonne gestanden?«
MADAME VOGELSANG. »Gar nicht Herr Michel. Nu – die Aepfel trag ich zu der alten Anne Bruder, der ist fürstlicher Gärtner – -«
PUF. »Und der wird dir so viel dafür geben, daß du – -?«
MADAME VOGELSANG. »Plump mir nur nicht drein. Da hab ich auch ein Briefchen an ihn, wo sie mich ihm recommandirt, damit er mich bey sich behält. Der hat nun das ganze Jahr hindurch eine Menge Pomeranzen und Pfirschen. Er giebt mir also alle Tage ein Körbel voll zu verkaufen. Die trag ich in der Früh aus, in die Kanzeleyen, auf die Reitschule, und was mir noch übrig bleibt, gegen Mittag zu den vornehmen Herren, wenn sie Ballen spielen. Nun, mit einem hübschen Mädel handeln solche Leute nicht: jeder giebt mir was ich fodre, mancher schenkt mir wohl gar noch was dazu. Da kann ich mir also leicht in einem Vormittage ein paar Gulden verdienen.«
PUF. »Manchmal auch mehr, nachdem du eine Kundschaft trifst. hm! hm!«
MADAME VOGELSANG. »Rümpf du nur die Nase, ich weiß schon, was ich zu thun habe. Wenn mir einer sagt, ich soll ihm Pomeranzen ins Haus bringen, so versprech ich ihms wohl, weil er mir desto mehr zahlt, aber ich finds Haus nicht, und so behalt‘ ich lange eine gute Kundschafft an ihm.«
PUF. »Schau, schau! Freylich, bey Handel und Wandel kommt viel auf die Kundschaften an. Nu, weiter?«
MADAME VOGELSANG. »Das geschieht nun alles Vormittag. Nachmittag lern ich Näh’n, Putzmachen und Friesieren. In einem Jahr bin ich fertig, da leg ich denn mein Bauerngewandel ab, kleid mich nach der Mode, und komm zu einer Gräfinn als Kammerjungfer.«
PUF. »Potztausend, wie geschwind!«
MADAME VOGELSANG. »Du darfst gar nicht zweifeln, ein hübsch Gesicht wird überall recommandirt.«
PUF. »Und da fährst du also mit Kutsch und Pferden? Richtig, mit der Bagage, wenn die Herrschaft auf die Güter fährt.«
MADAME VOGELSANG. »Nein Herr Michel, ich sitz bey der Gräfinn in der Kutsche. Das ist aber alles noch nicht, was ich meyne.«
PUF. »Nicht? Hören wir also weiter!«
MADAME VOGELSANG. »Nun hat mich gleich alles im Hauß zum freßen lieb. Der junge Graf streicht mir erschrecklich nach; aber den laß ich ablaufen, damit ichs mit der alten Gräfinn nicht verderbe.«
PUF. »Eine gute Ursache.«
MADAME VOGELSANG. »Aber mit dem Hofmeister von der jungen Herrschaft geb ichs ein bischen gelinder. Der kann Musik und lernt mich singen, damit ich also seine Kundschaft nicht verliere, laß ich ihn hoffen, daß ich ihn heurathen werde.«
PUF. »Wieder nur wegen der Kundschaft.«
MADAME VOGELSANG. »In zwey Jahren kann ich singen wie eine Nachtigall, da komm ich auf die Komödie als Sängerinn, und krieg’s Jahr tausend Dukaten.«
PUF. »Auf die Komödie! O liebes Röschen, was fängst du an? Weist du nicht, daß die Leute nicht seelig werden?«
MADAME VOGELSANG. »Vor Alters wohl; aber nach der neuen Einrichtung kommen sie so gut in Himmel als der Schulmeister.«
PUF. »Ich hab noch keinen dort gesehen.«
MADAME VOGELSANG. »Das glaub ich, du bist auch noch nicht dort gewesen. Nun ists gar aus; itzt verliebt sich die ganze Welt in mich; ich schick‘ aber alle spatzieren, ich weiß schon auf wen ich warte.«
PUF. »Auf wen denn?«
MADAME VOGELSANG. »Auf einen alten Kavalier. Den laß ich mir an die linke Hand antrauen; in einem Monath stirbt er, und vermacht mir eine Herrschaft, die mir des Jahrs hundert tausend Gulden einträgt.«
PUF. »Ach Röschen! Herzens-Röschen! mach mich doch hernach zum Verwalter!«
MADAME VOGELSANG eine hohe Miene annehmend. »Ihr könnt ja nicht schreiben guter Freund.«
PUF. »Ach liebe gnädige Frau, ich werds schon lernen, wenn ich nur einmal Verwalter bin. Und mit ihrem Mann werden Sie’s ja auch nicht so genau nehmen.« Will sie umarmen.
MADAME VOGELSANG stößt ihn von sich. »Grober Knopf! Wißt ihr wen ihr vor euch habt?«
PUF zu sich kommend. »Potz tausend Sapperment! thust du doch als ob du schon eine Dame wärst.«
MADAME VOGELSANG sich ebenfalls erholend. »Ha, ha, ha! Gelt ich weiß mich drein zu schicken?«
PUF. »Ja, ja. Wenn nur der Kavalier schon gestorben wäre!«
MADAME VOGELSANG. »Das geht alles wie ich gesagt habe. Nun was sagst du? Ist das nicht klug ausgedacht?«
PUF. »Ja ja, wenns nur alles so gienge! Aber sag mir nur Röschen (denn jetzt bist doch noch keine Dame) woher hast du denn das Zeug alles?«
MADAME VOGELSANG. »Von der alten Anne. Du weist, die hat viel gesehn, da hat sie mir denn immer so erzählt; und ich hab mir das so zusammen buchstabirt.«
PUF. »Schau Röse, ich hätte nichts dagegen. Aber, wenn nun alles so gienge, wie du sagst, wie käm‘ denn ich hernach an dich?«
MADAME VOGELSANG. »Das will ich dir gleich sagen: du gehst itzt mit mir in die Stadt. Annens Bruder muß dich in ein groß Haus als Kucheltrager bringen; tragen kannst du, das weiß ich; nun da lernst du daneben schreiben und lesen. In ein paar Jahren wirst du Kuchelinspektor. Nun legst du dir was auf die Seite; hernach wirsst du irgend einem Hofrath was ins Maul, der bringt dich zu einer rechten großen Herrschaft als Hofmeister. Itzt hast du schon gewonnen. Denn in der Zeit bin ich schon auf der Komödie; ich geb dir mein Erübrigtes, du legst deine Sporteln dazu und leibst aus. Zwanzig vom hundert sagt die alte Anne wär‘ immer noch christlich. Das häuft sich nun von Tag zu Tag. Endlich braucht dein Graf ein funfzig taufend Gulden, die leihst du ihm, und er verschreibt dir seine Herrschaft. Du giebst ihm jährlich zehn tausend Gulden, und wenn er stirbt, gehört alles dein. Itzt ist gerade mein Kavalier auch gestorben. Du wirst ein Herr Von, und wir heurathen uns.«
PUF. »Ah! Rubenfikerment! Ich ein Herr Von! Nun Röse, du sollst sehn, wie ich mich patzen will. Ich will dir gewiß meinen Herrn Von vorstellen trotz einem. Da hast meine Hand drauf, ich geh mit dir, verkauf meine Wirthschaft, und werd ein Kucheltrager.«
MADAME VOGELSANG. »Aber Michel, daß du nur gescheit bist. Das erste Jahr können wir noch zusammen kommen, aber hernach müssen wir thun als ob wir uns nicht kennten.«
PUF. »Was? ich sollt‘ dich nicht sehen?«
MADAME VOGELSANG. »Nur heimlich; das werden wir schon ausmachen, bis du Herr Von bist und ich Wittwe; hernach gehts schon.«
PUF. »Und was unterdessen vorfällt? – – Nun, geht eins mit dem andern auf.« Er nimmt sie in Arm und kehrt sich gegen die Anwesenden. Nun Herr Frank?
FRANK. Mit auserordentlich viel Natur.
MADAME VOGELSANG. Also werden Sie mir doch Engagement geben?
PUF. Können Sie noch fragen?
MADAME VOGELSANG. Nun, ich will billig seyn, achzehn Thaler die Woche.
FRANK verlegen. Madame – rechtgern –
MADAME KRONE Was! und ich soll mit Vierzehn Thalern zufrieden seyn?
PUF zu Madame Krone. Madame, Sie werden erlauben – es ist immer schwerer das Publikum mit Anstand lachen zu machen als Thränen zu erregen. Ueber das ist auch eine komische Aktrice immer brauchbarer als eine bloß tragische.
MADAME VOGELSANG. Ich habe noch einen Vorzug. Ich habe einen Mann der singen kann.
HERZ. Und ich eine Frau die singt.
MADAME VOGELSANG. Ich will meinen Mann gleich holen. Ab.
HERZ. Und ich meine Frau. Ab.
MADAME KRONE. Nein, das heißt die Kunst zu weit herabsetzen. Ab.
FRANK. Warten Sie doch Madame!
MADAME KRONE. Nicht einen Augenblick.
FRANK. Da haben wirs, die Gesellschaft ist noch nicht beysammen, und die Uneinigkeit herrscht schon in vollem Maaß.
PUF. Warum sind Sie mit der Gage gestiegen. Sie treiben Sie noch auf zwanzig Thaler hinauf, wenn Sie nicht fest halten.

Siebenter Auftritt.

Frank, Puf, Herr und Madame Herz.

HERZ. Hier hab ich das Vergnügen Ihnen meine Frau vorzustellen. Sie ist bereit Ihnen mit einer kleinen Arie eine Probe von Ihrer Stimme zu geben.
FRANK. Sie werden mir ein auserordentliches Vergnügen machen.
MADAME HERZ singt.
Da schlägt des Abschieds Stunde
Um grausam uns zu trennen;
Wie werd ich leben können
O Damon! ohne dich!
Ich will dich begleiten
Im Geist dir zur Seiten
Schweben um dich!
Und du! – – vielleicht auf ewig
Vergißt dafür auf mich!
Doch nein, wie fällt mir so was ein!
Du kannst gewiß nicht treulos seyn.
Ein Herz das so der Abschied kränket,
Dem ist kein Wankelmuth bekannt
Wohin es auch das Schicksal lenket!
Nichts trennt das festgeknüpfte Band.
FRANK. Göttlich! unvergleichlich! ich bin Ihnen für das Vergnügen unendlich verbunden, Madame! Er küßt Madame Herz die Hand.
HERZ der ihm seiner Frauen Hand wegnimmt. Um Vergebung Herr Frank, Sie bewundern zu lebhaft! Ich mag das nicht gern leiden. Sie sind also mit dem Talent meiner Frau zufrieden?
FRANK. Wer würde das nicht seyn?
HERZ. Nun denn, so werden Sie auch unsre Foderung nicht zu hoch finden. Sie geben meiner Frau sechzehn Thaler die Woche, und mir, weil ichs schon eingegangen bin, vierzehn.
FRANK. Recht gerne.
PUF. Wir steigen.

Achter Auftritt.

Die Vorigen, Mademoiselle Silberklang.

MADEMOISELLE SILBERKLANG. Ihre Dienerinn Herr Frank. Sie errichten, wie ich höre, eine deutsche Oper? Ich will mich also bey Ihnen als Sängerinn melden. Ich bin Mademoiselle Silberklang, Sie müssen mich ohne Zweifel per ronommée kennen – Weil der Ruf aber oft betrüglich ist, so will ich Ihnen ein kleines Rondeau singen, damit Sie selbst urtheilen können.

Bester Jüngling! mit Entzücken
Nehm‘ ich deine Liebe an;
Da in deinen holden Blicken
Ich mein Glück entdecken kann.
Nichts ist mir so werth und theuer
Als dein Herz und deine Hand;
Voll vom reinsten Liebes-Feuer
Geb‘ ich dir mein Herz zum Pfand.
Aber, ach! wenn düstres Leiden
Unsrer Liebe folgen soll,
Lohnen dieß der Liebe Freuden?
Jüngling das bedenke wohl!
FRANK. Bravo! Bravo! Zwey so vortrefliche Sängerinnen müssen meiner Gesellschaft einen besondern Werth geben. Wenn Sie um Sechzehn Thaler bey mir bleiben wollen – –
MADEMOISELLE SILBERKLANG. Da haben sie meine Hand – Ich mache nicht viel Umstände.
PUF heimlich zu Frank. Accordiren Sie zugleich, wie oft sie in einer Woche den Karthar haben will.

Neunter Auftritt.

Vorige, Madame und Herr Vogelsang.

MADAME VOGELSANG. Hier Herr Frank hab ich die Ehre Ihnen meinen Mann aufzuführen.
FRANK. Willkommen, willkommen. O nun hab‘ ich ja schon eine Oper beysammen. Nur Einigkeit bitt ich, meine Kinder.
MADEMOISELLE SILBERKLANG. Ueber mich werden Sie deshalb nicht klagen können, ich bin das beste Mädchen, ich thue alles, was man will. Sagen Sie mir, wie viel hat Madame Auf Madame Herz zeigend. Gage?
FRANK. So viel wie Sie.
MADEMOISELLE SILBERKLANG. Das hätt‘ ich wissen sollen.
MADAME HERZ. Sie glauben doch wohl nicht mehr zu verdienen als ich?
PUF. O Einigkeit!
MADEMOISELLE SILBERKLANG zu Frank. So müssen Sie wenigstens mich als erste Sängerinn annehmen.
M. HERZ. Dagegen protestir‘ ich.
MADEMOISELLE SILBERKLANG.
Ich bin die erste Sängerin.
M. HERZ spöttisch.
Das glaub ich, ja nach Ihrem Sinn.
MADEMOISELLE SILBERKLANG.
Das sollen Sie mir nicht bestreiten.
MADAME HERZ spöttisch.
Ich will es ihnen nicht bestreiten.
MONSIEUR VOGELSANG.
Ey! lassen Sie sich doch bedeuten.
MADEMOISELLE SILBERKLANG.
Ich bin von keiner zu erreichen
Das wird mir jeder eingestehn.
MADAME HERZ spöttisch.
Gewiß ich habe ihres gleichen
Noch nie gehört und nie gesehn.
MONSIEUR VOGELSANG.
Was wollen Sie sich erst entrüsten,
Mit einem leeren Vorzug brüsten,
Ein jedes hat besondern Werth
MADEMOISELLE SILBERKLANG. MADAME HERZ.
Mich lobt ein jeder der mich hört.
MADAME HERZ
Adagio! adagio!
MADEMOISELLE SILBERKLANG.
Allegro! allegrissimo;
MONSIEUR VOGELSANG.
Piano! Pianissimo!
Kein Künstler muß den andern tadeln
Es setzt die Kunst zu sehr her ab.
MADAME HERZ
Wohlan! nichts kann die Kunst mehr adeln
Ich steh von meiner Fodrung ab.
MADEMOISELLE SILBERKLANG.
Ganz recht! nichts kann die Kunst mehr adeln
Ich stehe ebenfalls nun ab.
PUF ironisch.
Es lebe die Einigkeit!

Letzter Auftritt.

Die Vorigen, Eiler, Madame Pfeil und Madame Krone.

MADAME PFEIL. Was hab ich gehört, Herr Frank, Sie geben andern sechzehn Thaler, und mir nur zwölfe? da wird nichts draus. Ich muß die höchste Gagehaben; denn ich bin in allen Fächern zu brauchen.
EILER heimlich zu Frank. Gestehn Sie ihrs nur ein. Ich zahle ja so alles.
FRANK heimlich zu Madame Pfeil. Beruhigen Sie sich nur; Sie sollen einen Separat-Kontrakt haben.
MADAME PFEIL. So laß ichs gelten.
MADAME KRONE UND MADAME VOGELSANG. Was ist das?
MADAME HERZ UND MADEMOISELLE SILBERKLANG. Was ist das?
FRANK. Daß ich gar keine Gesellschaft errichten will; wenn ich gleich anfangs so viel Hinderdernisse finde.

Nach einer kleinen Pause.

MADAME KRONE. Herr Frank, ich will der Kunst mein Intresse aufopfern.
MADAME VOGELSANG. Ich will mich am Beyfall schadlos halten.
MADAME HERZ. Ich auch.
MADEMOISELLE SILBERKLANG. Daran wird mirs auch nicht fehlen.
PUF. Nun so wäre alles wieder in Ruhe. Bey Seite. Bis es wieder ausbricht. Herr Frank, ich wünsche Ihnen Glück zu ihrer Gesellschaft. Ich fürchte nichts – als daß sie lauter erste Aktrisen und erste Sängerinnen haben.

Schlußgesang.

MADEMOISELLE SILBERKLANG.
Jeder Künstler strebt nach Ehre,
Wünscht der einzige zu seyn;
Und wenn dieser Trieb nicht wäre,
Bliebe jede Kunst nur klein.
ALLE.
Künstler müssen freylich streben
Stets des Vorzugs werth zu seyn;
Doch sich selbst den Vorzug geben,
Ueber andre sich erheben,
Macht den größten Künstler klein.
MONSIEUR VOGELSANG.
Einigkeit rühm ich vor allen
Andern Tugenden uns an;
Denn das Ganze muß gefallen
Und nicht bloß ein einzler Mann.
ALLE.
Künstler müssen freylich streben etc.
MADAME HERZ.
Jedes leiste was ihm eigen,
Halte Kunst, Natur, gleich werth;
Laßt das Publikum dann zeigen
Wem das größte Lob gehört.
ALLE.
Künstler müssen freylich streben etc.
PUF.
Ich bin hier unter diesen Sängern
Der erste Buffo das ist klar;
Ich heiße Puf – nur um ein O
Brauch ich den Namen zu verlängern,
So heiß ich ohne Streit: Buffo.
Und daß, wie ich, keins singen kann,
Sieht man den Herren doch wohl an?
ALLE.
Künstler müssen freylich streben. etc.