Jules Massenet

Der König von Lahore

Oper in fünf Akten

Personen:

Alim, König von Lahore
Scindia
Timur
Indra
Ein Anführer
Sita
Kaled
Priester, Priesterinnen, Anführer, Soldaten, Volk

Ort der Handlung: Indien zur Zeit der Invasion des Sultans Mohamed. XI. Jahrhundert.

Erster Akt.

Erstes Bild.

In Lahore, vor dem Tempel des Indra. In der Ferne, hoch gelegen, die Gärten und Gebäude der Stadt, von den letzten Strahlen der untergehenden Sonne beleuchtet. Zu den Thüren des Tempels drängen sich betende Männer und Frauen; dazwischen gehen Priester und Tempeldiener. Viele knieen betend am Eingang.

Scene 1.

Timur, Priester, Tempeldiener, Zahlreiches Volk.

Dann Scindia.

CHOR in verschiedenen Gruppen.
Rette uns, allmächtiger Gott!

Timur erscheint mit Priestern: die Menge umgiebt sie besorgt.

Bald ist der Muselmann bei uns mit seinen Heeren;
Sie kommen wie das Meer, nichts hält die Schrecken auf,
Mit ihnen geht der Tod, die Flammen die verzehren
Die Städt‘ und Felder all‘ in ihrem Siegeslauf.
Mohamed, jener furchtbare Sultan
Führt uns die Wilden selbst herauf.
TIMUR ruhig und beschwichtigend.
Füllt euch ihr Nahen auch mit Grauen,
Kämpft gegen sie der König nicht,
Seid ohne Furcht! Mögt ihr doch Indra’s Macht vertrauen,
Deß‘ Arm auch die Feinde zerbricht.
Nur auf ihn sollt ihr bauen,
Zu ihm geh‘ euer Flehen. Vor seiner Macht verfliegt
Der Feind wie leichter Sand der Auen.
CHOR.
Rette uns!

Auf einen Wink Timur’s beginnt die Menge in den Tempel einzutreten. – Nun erscheint Scindia, von Wenigen begleitet, die er sofort entläßt.

SCINDIA ohne Timur zu sehen, für sich.
Dieser Zweifel, o Qualen, der Eifersucht Erbeben!
Sei’s der Tod, sei’s das Leben,
Im nächsten Augenblick hat Gewißheit mein Herz.

Er bemerkt Timur, den die Menge verlassen hat.

Da ist Timur, der Priester!

Timur, Scindia erblickend, naht sich ihm mit allen Zeichen der Ehrfurcht. Der Chor ist in das Sanctuarium abgegangen, dessen Thüren sich schließen. Die beiden Männer bleiben allein auf der Scene.

Scene 2.

Timur, Scindia.

TIMUR.
Minister des Herrn unsres Königs,
Wirst du, o Scindia, endlich verkünden uns,
Daß den Barbar Mohamed gerechte Strafe trifft?
SCINDIA.
Nein! Ein Andres ist’s heut, das hierher mich geführet
Priester, ich will die Jungfrau holen, die du einst
Hier empfingst in dem heil’gen Tempel,
Sita, die Tochter meines Bruders.
TIMUR.
Was verlangst du? Sita, den Göttern nur geweiht?
SCINDIA.
Du wirst von dem Gelübde entbinden sie heut!
TIMUR.
Das darf der König allein.
SCINDIA ungestüm.
Wohl denn! So sei’s der König,
Der Sita nun mir wiedergiebt, sie, die ich liebe,
Sita die hier gar schlecht beschützt durch deine Macht.
Gehorche mir!
TIMUR beleidigt.
Nur der König dürfte so mir nah’n.
Entferne dich!
SCINDIA bitter.
So muß ich deutlich mit dir reden.
Priester, man versichert mir, im Dunkel am Altar,
Trotz deiner Wachsamkeit und trotz der Götter Zorn
Wird stets ein Mann bei ihr gesehen, der der Priest’rin
Jeden Abend ganz heimlich von Liebe spricht.
TIMUR.
Ha, ist das nicht nur schändliche Verleumdung,
Ward der Tempel entweiht durch eine sünd’ge Priest’rin,
Dann weh‘ ihr, wehe!
SCINDIA leidenschaftlich.
Daß sie schuldlos, gern will ich’s glauben,
Ihre Lieb‘ entgehet mir nicht;
Nichts soll die Hoffnung mir rauben,
Die so warm für sie spricht.
TIMUR.
Nicht ihre Schönheit, ihre Jugend
Vertheidigen die Schuld, so groß,
Hat sie vergessen Ehr‘ und Tugend,
Treffe sie mein Arm gnadelos!
SCINDIA.
Bring‘ mich hin zu ihr; sogleich befrag‘ ich sie.
Ach, wär‘ sie lieber todt, als so ehrlos.
TIMUR nach einer Pause.
Du sollst sie sehen; du allein sollst fällen das Urtheil;
Giebst du das Zeichen mir, erschein‘ ich hier.
SCINDIA.
Ist erwiesen die Schuld, dann lief’re ich sie dir!

Nach einer Wiederholung des Ensemble gehen Scindia und Timur mit einander in den Tempel.

Zweites Bild.

Das Sanctuarium des Indra im Tempel. Im Hintergrunde zwischen Pfeilern die Bildsäule des Indra; rechts vor derselben, in einem Pfeiler des Altars, eine geheime Thür. Ein Gong oder Tamtam, bestimmt, die Priester herbeizurufen, hängt an der Seite. An das Sanctuarium stoßen Gärten und andre Theile des Tempels. Hängende Lampen beleuchten die Scene hell. – Beim Aufgehen des Vorhangs ist Sita von Priesterinnen umgeben, welche sie in das Sanctuarium führen.

Scene 1.

Sita, Priesterinnen, nachher Scindia.

PRIESTERINNEN zu Sita.
Seele voll Zagen,
Bange dich nicht,
Er hilft dir tragen,
Führt dich zum Licht.
Was willst du beben?
Der’s treulich meint,
Wird Trost dir geben,
Er ist dein Freund.

Während dieses Chors ist Scindia langsam aufgetreten. Nachdem er einen Augenblick Sita mit Zärtlichkeit betrachtet, sanft zu ihr:

SCINDIA.
Tritt näher!
SITA verneigt sich ehrfurchtsvoll.
O Scindia! es ist der Geist meines Vaters,
Den ich in dir ewig sehe;
Wie mir werth deine Nähe,
In Ehrfurcht beug‘ ich mich vor dir!
CHOR wiederholt.
Seele voll Zagen u.s.w.

Auf einen Wink Scindia’s entfernt sich der Chor.

Scene 2.

Scindia, Sita.

SCINDIA.
Sita, was mich zu dir geführt, ist frohe Kunde;
Dein stilles Loos soll ändern sich mit dieser Stunde,
Ich wählte einen Gatten dir.
SITA schüchtern und bestürzt.
O Herr, soll ich beschließen nicht allhier mein Leben?
SCINDIA.
Zur Freiheit will ich dich, zur Freud‘ erheben;
Was soll der Tempel bergen deiner Schönheit Zier?
Der heiß dich liebt, mein Kind, giebt neues Dasein dir!
SITA für sich, bewegt.
Der heiß mich liebt?
SCINDIA.
Sei’s heut der letzte Tag, der hier dich hielt gefangen!
Sita, komm‘, folge mir!
SITA.
Dir folgen?
SCINDIA.
Kannst widerstehen du?
SITA für sich.
O süßes Sehnen,
Wird dein Geheimniß nun enthüllt?
Bist Erscheinung du wahr? Ist’s nur Wähnen?
Spricht er von dir, du holdes Bild?
SCINDIA sie beobachtend für sich.
Ihr Aug‘ so rein den Argwohn stillt,
Es zeigt der Unschuld heit’res Sehnen.

Laut, sehr zärtlich.

Doch was zitterst du noch, wonnig nur sollst du blicken!
Sita, verstandst du mich, willst mein Herz du beglücken?
Ach, zu dir zog mich längst der Liebe Hochgefühl,
Sieh‘, es winket uns beiden das herrlichste Ziel!
SITA welche betroffen zuhörte, wird verwirrt und schwankt.
Er! O Götter! Wie, er?
SCINDIA.
Komm, theures Kind!
SITA bittend.
Laß ab!
SCINDIA.
Du wankest, du erbleichst!

Er faßt sie bei der Hand.

SITA furchtsam.
Bei dem heiligen Ort,
Bei dem ewigen Gott, dem ich hier angehöre,
Hab‘ Mitleid, lasse mich!
SCINDIA welcher sie immer beobachtet, plötzlich ausbrechend.
Verruchte! So ist’s wahr!

Sita weicht vor Scindia’s drohendem Blick zurück.

Dein Geheimniß, ich kenn‘ es, kenne deine Schande;
Der Schreck, der dich so verwirrt, beweist es klar!
Ein Mann im Priestergewande,
Ein Geliebter kommt hierher jeden Abend und findet dich!
SITA.
Gnade! Bevor du mich beschuldigst, o Herr, höre mich!
An einem Festtag, der sich neigte,
War betend ich nur hier;

Einfach.

da nahen Schritte sich;
Ein junger schöner Mann, der am Altar sich zeigte,
Spricht leis‘ zu mir und ihn hörend faßt ein Beben mich.
Nicht wag‘ ich aufzusehn; dann, ohne zu erspähen,
Ob die Erscheinung irdisch, ob sie stammt aus Himmelshöhen,
Verschwindet er.
SCINDIA.
Doch mehr als einmal sah er dich?
SITA.
Jeden Abend ist er hier an derselben Stelle,
Spricht von Liebe zu mir;
Doch nie hat er’s gewagt, nur meine Hand zu berühren,
Geht wieder leis‘ und schnelle
Nachdem er flüstert: morgen hier!
SCINDIA sich bezwingend, hinterlistig.
Doch der Mensch, dieser Gott, auf dein Geheiß sollt‘ ich meinen
Kommt er am Ende gar?
SITA einfach.
Singe knieend ich am Altar
Das Abendgebet –
SCINDIA.
Wie, das Abendgebet?
SITA.
Seh‘ ich stets ihn erscheinen.
SCINDIA mit verändertem Tone.
Frommer Wahn, denke ich,
Konnt‘ also täuschen dich;
Nicht länger soll er mehr deine Seele betrüben,
Todt ist die Vision; ich leb‘ und will dich lieben!
Komm‘!
SITA.
Gnade! Es fließen meine heißen Zähren;
Ich war so glücklich ja! O sieh‘
Es fließen meine heißen Zähren,
Weshalb willst du das Dasein mir verheeren?
Weshalb durch einen Augenblick
Den holden Traum, mein ganzes Glück
So grausam ewig mir zerstören?
SCINDIA mit zunehmender Leidenschaft.
Deiner Schönheit Allgewalt,
O lasse dich beschwören,
Nicht länger kann sich mein Herz
In heißer Lieb verzehren,
Mein mußt du sein, mußt ewig mir gehören!
Komm‘!

Er will sie fortziehen.

SITA energisch.
Nein, nimmer folg‘ ich Dir!
SCINDIA drohend.
Was ich beschlossen hab‘, das muß geschehen,
Wenn du auch weinst.
SITA.
Nein!
SCINDIA.
Hüte dich!
SITA aufgebracht.
Ich trotze deiner Wuth!
SCINDIA bleibt stehen, dann wüthend.
Nun wohl! Du hast’s gewollt, sollst meine Rache sehn!

Er stürzt nach dem heiligen Gong und schlägt heftig auf demselben. Wenn das Signal durch die Wölbungen des Tempels schallt, erscheinen plötzlich Timur, die Priester und Tempeldiener, Volk von allen Seiten.

Scene 3.

Vorige. Timur, Priester, Tempeldiener, Volk.

CHOR.
Das Erz hat gedröhnt durch die Hallen,
Es rufet unsre Schaar
In den Tempel zum Altar.

Während dieses Chors zeigt Scindia, keuchend, wie gebrochen durch die eigene Heftigkeit, mit rascher Bewegung auf Sita.

TIMUR mit einer Bewegung der Entrüstung gegen Sita.
Priester, hört alle mich! Wollt dies Weib ihr betrachten,
Das Ehr‘ und Pflicht so konnt‘ mißachten,
Das sünd’ger Lieb‘ sich frevelnd geweiht!
Als Priest’rin brach sie den heil’gen Eid,
Jungfrau, schändete sie ihre Seele,
Der Götter Rachestrahl treffe sie allezeit!
CHOR UND SCINDIA.
Zum Tod! Mag Tod sie umnachten,
Die sünd’ger Lieb‘ sich hat geweiht!
Jungfrau, schändete sie ihre Seele,
Als Priest’rin brach sie ihren Eid!
Zum Tod!
SITA sich zu Timur’s Füßen werfend.
O Timur, du glaubst an mein Verbrechen,
Bist hart und ohne Mitleid für mich;
Den Göttern Alles opfert‘ ich,
Welche Schuld denn sollen sie rächen?
Ihnen hab‘ ich stets dargebracht
In dem reinen jungfräulichen Streben
Jene Schönheit, die mir heut‘ vergiftet das Leben,
Die hier mich so furchtbar verklagt.
Will mich Niemand, Niemand vertheid’gen,
Ob mein Herz in Qualen auch bricht,
Nicht lastet auf mir Schmach und Fehle,
Schuldlos rein fühlt sich meine Seele,
Nein, meinen Eid, ihn brach ich nicht!

In diesem Augenblick erklingen aus der Tiefe des Tempels die Stimmen der Priesterinnen, das Abendgebet beginnend.

SCINDIA UND SITA mit verschiedenem Ausdruck.
Das Abendgebet!
PRIESTERINNEN aus der Ferne.
Es naht die Nacht! Kommt zum Gebet!
Schon am Himmel der Stern mit bleichem Strahle steht;
Indra, mächt’ger Gott, hör‘ was unser Mund erfleht!
SCINDIA sich erinnernd.
Das Zeichen!

Zu Sita.

Bist in Wahrheit du frei von Sünde,
Daß dein Herz bei Gott Schutz auch finde,
Sink‘ auf die Knie!
SITA zuckend, für sich.
Was sagt er?
SCINDIA.
Dort, am Altare eben
Sollst du jetzt dich neigen, beten wie sie,
Deine Stimme zu Gott erheben!
SITA zu Scindia, bestürzt.
Dieses Gebet – und gerade jetzt –
Ach, Scindia, was willst du thun?
SCINDIA.
Will kennen und strafen, den du liebst!

Befehlend.

Kniee hin, kniee hin und bete!
TIMUR UND CHOR.
Kniee hin, kniee hin und bete!
SITA.
Nein! Tödtet mich! Laßt schwer mich büßen!
Doch nie verrathe ihn mein Wort,
Dem ich durch ein Geheimniß verbunden,
Das die Götter in allen Stunden
So gnädig schützten fort und fort.
SCINDIA, TIMUR UND DER CHOR hart.
Kniee hin! kniee hin! bete!
SITA.
Nein, tödtet mich! Ihn verrath‘ ich nimmermehr!
ALLE.
Zum Tod! Zum Tod!

In dem Augenblick, wo Sita überwältigt auf die Knie sinkt, erscheint Alim, gefolgt von Kaled, plötzlich in der Thür des geheimen Gangs, die sich sofort wieder schließt.

Scene 4.

Vorige. Alim, Kaled.

ALIM schwungvoll.
Nein! Sita, sie ist mein! mein ihr Leben!
SCINDIA für sich, gebrochen.
Der König! Der König war’s!
ALLE.
Der König war’s!
SITA sehr bewegt, für sich.
Der König war’s!

Ruhig und lächelnd geht Alim, während des allgemeinen Staunens, auf Sita zu. Alle weichen ehrfurchtsvoll zurück; nur Scindia gab ein – doch sofort unterdrücktes – Zeichen seiner Bewegung.

ALIM liebevoll zu Sita.
Komm‘, sollst nicht deinen Herrn mich nennen;
Gern will ich harren, mich bemüh’n,
Daß dein unschuldig Herz durch mich lerne erkennen,
Diese Lieb‘, die bis heut vielleicht werthlos Dir schien.

Ensemble.

SITA.
Ach, was ich vernehme, das zu denken
Vermag noch meine Seele nicht;
Ihr wollt Lieb‘ und Gehorsam einem Weib‘ ewig schenken!
Faß‘ ich’s denn, daß der König es ist, der das spricht.
KALED zu Sita.
Du kannst Vertrauen ihm schenken;
Sei standhaft nur und zittre nicht,
Wenn sein Wort dir Gehorsam und Liebe verspricht.
SCINDIA mit Haß, für sich.
Vor ihm machtlos zu stehen,
Da er Lieb‘ ihr verspricht!
Was hier wühlt, er darf’s nicht sehen,
Beugen sich – heischt die Pflicht.
TIMUR UND DIE PRIESTER.
Soll sein Wille geschehen,
Schweiget das Strafgericht.
SITA für sich.
Schon war’s um mich geschehen,
Es traf mich der Priester Gericht;
Hoffnung läßt er mich sehen,
Da der König es verspricht.
TIMUR tritt gegen Alim vor.
König! Wer irdischer Liebe sich hier will erkühnen,
Entweiht diesen Tempel, der heilig uns All’n ewiglich;
Diese Lieb‘ ist Verbrechen; Gott fordert, es zu sühnen.
ALLE.
Diese Lieb‘ ist Verbrechen; Gott fordert, es zu sühnen.
ALIM einfach.
Sprich denn; hören will ich dich!
TIMUR.
Sultan Mohamed haßt unsre Gottheiten schwer;
Er naht, den sie im Wahn Prophet zu nennen wagen;
Seine Schaar, kann sie nicht dein Arm verjagen,
Treibet unsre Völker all‘ bis zu uns vor sich her.
Nun wohl, bekämpf‘, die uns bedräuen,
Ziehe hin zur Wüste gleich,
Daß sie vor deinem Schritt wie Rauch sich zerstreuen,
Vernichte unsern Feind und befreie das Reich!
ALIM stolz.
Nicht bedurft‘ es, mein Vater, des Worts mich zu mahnen,
Den Göttern dienen soll mein Haus,
Ruhm und Ehre erkämpfen will ich meinen Fahnen,
Schon morgen zieht das Heer zu Tausenden hinaus.
Ja, morgen sollen im Felde unsre Waffen blitzen!

Zu Sita, liebevoll.

Gehst du mit mir, Sita?
SITA.
Ihr seid mein Gebieter!
ALIM zu Timur.
Deine Hand soll mich segnen; möge Indra mich schützen!

Er kniet vor Timur.

SCINDIA für sich, mit Haß.
Dein Urtheil ist gefällt; der Tod soll dir erblühn!
Sita wird dennoch mein!
TIMUR.

Welcher über Alim die Hände segnend ausbreitete, erhebt ihn nun.

Geh! Es sei dir verzieh’n!

Wiederholung des Ensembles. – Bild.

Zweiter Akt.

Die Wüste Thol beim Sonnen-Untergang. Weite Ebene sandig und dürr. Lager des Königs Alim. Rechts und links im Vordergrunde die Zelte Alim’s, Sita’s und ihrer Dienerinnen. Vor dem Zelte des Königs, auf Teppichen, spielen Soldaten Schach. Im Hintergrunde tanzen persische Sclavinnen vor den Anführern. Bewaffnete Soldaten, Feldwachen, Sclaven. Kaled, von diesen Gruppen getrennt, horcht auf den fernen Schlachtlärm..

Scene 1.

Sita, Kaled, Soldaten, Frauen u.s.w.

SOLDATEN Schach spielend.
Schach! Schach dem weißen König!
SITA aus ihrem Zelte kommend, tritt zu Kaled und zeigt besorgt nach der Wüste hin.
Horch auf nur, wie der Lärm des Schlachtgetümmels
Zu uns aus der Ferne ertönt!
KALED vertrauungsvoll.
Ja! Das feindliche Herr muß dem unsrigen weichen,
(Und Alim kehrt zurück wie immer sieggekrönt.
SITA wiederholend, wie um sich zu überreden.
Und Alim kehrt zurück! –
SOLDATEN Schach spielend.
Zum Kampfe! Mag die Schlacht beginnen!
So ist’s recht! – Gut gespielt! – Gut! – Nur Muth!
SITA nachdenkend, nähert sich den Spielenden, für sich.
Und Alim kehrt zurück wie immer sieggekrönt.
EIN ANFÜHRER scherzend.
Schwarzer König, er führt brav sich auf!
EIN SOLDAT nach der Wüste zeigend.
Wie gegen Alim dort Mohamed!
DIE SOLDATEN.
Schach! Matt! Der weiße König!

Sie werfen die Figuren um und stehen auf.

SITA zu Kaled.
Unheilvolle Vorbedeutung!
KALED leichthin.
Weshalb willst du daran glauben?

Sita verabschiedet mit einem Winke die Tanzenden; die Soldaten gehen ab.

Scene 2.

Sita, Kaled.

SITA als vernähme sie etwas.
Horch! Wieder Lärm!
KALED sie beruhigend.
Sieg! So schallt’s aus der Ferne!
SITA.
Sprächest du doch wahr, glaub’s so gerne!
KALED.
Alim kehrt zurück –
SITA.
Alim hat gesiegt!

Traurig und muthlos.

In der Wüste hier, wo wir leben,
Unbekannt jeder Ort, der Gefahr preisgegeben,
Ach das Herz dem Schrecken erliegt.
KALED.
Sita, was bebest du?
Alles winket zur Ruh‘!
BEIDE.
Abend ist’s, es weh’n die Winde
Durch die Wolken goldig rein,
Sie besänft’gen leis‘ und linde,
Alles ruht, schlummert ein.
Welch ein süß‘ Ermatten
Nach dem Tag, der ausgeglüht,
Liebe ist’s, die wie ein Schatten
Durch die bange Seele zieht.
Nun auch verstummen alle Klagen,
Und man kämpft nicht mehr,
Auf zum Himmel geht mein Zagen,
Die Götter schenken uns gern Gehör.
SITA einfach.
Er mag das sanfte Regen der Seele erfahren,
Was ich lang‘ mußt‘ bewahren;
Was verschämt ich trug im Herzens Grunde,
Sei ihm Liebeskunde,
Ich segne dich, du schöne Stunde!
BEIDE wiederholen.
Abend ist’s, es weh’n u.s.w. u.s.w.
Alles ruhet, schlummert ein.

Scene 3.

Soldaten, Frauen, Sclaven. Dann Scindia und die Anführer.

Die Scene bleibt leer. Der Tag geht zu Ende.

Nach einer Weile Trompeten-Fanfaren und ferner Lärm. Die Wachen gehen nach dem Hintergrunde, beobachten, horchen. Neuer Lärm. Das Heer stürzt in größter Unordnung auf die Bühne; viele Soldaten werfen die Waffen fort.

CHOR eilig und athemlos, mit Schrecken.
Flieht – alle – flieht!
Geschlagen, vernichtet! Wir weichen der Noth,
Die Unsren verfolget der gierige Tod.
Die schwarzen Schaaren, sie stehn hier und dort,
Wir weichen, wir fliehn – wir weichen – nur fort!

Scindia, von den ersten Anführern gefolgt, tritt auf.

Scene 4.

Vorige, Scindia.

SCINDIA fest.
Soldaten! Ihr seht, der König unterlieget,
Dem Tod geweiht!
SOLDATEN.
Er unterlieget – dem Tod geweiht!
SCINDIA.
Jene Hand, die uns besieget,
Drei Mal schwer traf sie ihn! Ja, sein Stern sinkt in Nacht;
Für eine sünd’ge Lieb‘ straft so der Götter Macht.
Diesem König seid ihr nicht Gehorsam mehr schuldig,
Die Götter straften alsdann auch euch,
Sie ließen von blutdürst’gen Horden
Euch hier ohne Gnade ermorden;
Nun zu Ende ist Alim’s Reich!
Eure Führer alle riefen nach mir,
Seht mich hier!
Ja, höret auf mein Wort, nur ich kann euch erretten
Wollt ihr gehorchen mir?
CHOR.
Ja, ja, wir schwörens hier,
Ja, hier wie in Lahore, dir allein gehorchen wir!
SCINDIA.
Vorsicht gilt’s, nach der Heimath zurückzukehren,
Noch diese Nacht, eh‘ sich röthet der Morgen, Soldaten, ziehen wir ab;
Und vermochten wir nicht, das Unglück abzuwehren,
Finden wir doch nicht unser Grab.
CHOR.
Nicht hält uns Alim länger hier,
Nach Lahore! Nach Lahore!

Während dieser Scene hat Kaled mit Schmerz Scindia’s Worte gehört; nun dringt er durch die Gruppen und stürzt ab.

Alim erscheint bleich, verwundet; er vermag sich kaum aufrecht zu halten. Bewegung. Stille.

Scene 5.

Vorige. Alim.

ALIM mit Unwillen.
Vom Rückzug spricht man hier! Man wagt
Befehle zu ertheilen; noch leb ich!
Feige, die ihr wollt preis mich geben,
Blickt her auf mich! Feige! Floß dahin doch mein Blut,
Daß eure Flucht möglich im Wüstensande!
Feige! Ich bin verwundet, dennoch stehe ich fest,
Und kämpfen will ich, bis die Kraft mich verläßt;
Viel eher den Tod als die Schande!
Nicht durch schwarzes Complott versöhnt ihr das Geschick;
Von Entehrung und Schmach, der ihr euch wollt ergeben,
Zu dem ruhmreichen Ziel führe ich euch zurück!
SOLDATEN.
Dahin ist alles Glück!
Die Götter straften uns durch schweres Mißgeschick;
Deine Macht konnt‘ nicht uns erheben,
Weh uns, dahin ist alles Glück!

Alim will sich gegen sie stürzen, seine Kräfte versagen. Kaled tritt auf, will zum König eilen, wird aber auf Scindia’s Wink von den Soldaten fern gehalten.

CHOR Alim umringend, wild und spöttisch.
Wenn dich, o König, erfasset der Tod,
Deinen Arm das Elend zerbricht,
Ruhmreicher König, besiege die Noth,
Wir Soldaten folgen dir nicht!
SCINDIA zu Alim, mit Haß.
Dein Königthum muß schwinden und verhallen,
Ich bin’s, der dir die Macht entreißt,
Durch meinen Haß bist du allein gefallen,
Ich hasse dich! – daß du es weißt!
ALIM.
Was hör‘ ich?!
SCINDIA.
Du hast mir Sita’s Lieb‘ genommen!
ALIM.
Wie, du liebst sie?
SCINDIA.
Wie mein Stolz ward verletzt, das vergißt sich gar schlecht;
Doch der Tag der Vergeltung ist nun für mich gekommen,
Alim, nun stirb‘, ich bin gerächt!
ALIM klar werdend, mit verzweifelter Wuth.
Ah, ich versteh‘, dir verdank ich des Unglücks Walten;
Und der zum Tod mich traf, bist du!
Verräther! Mörder!

Zu den Soldaten.

Man soll ihn ergreifen, ihn halten!

Die Anführer schweigen unbeweglich. Alim schleppt sich von Einem zum Andern.

ALIM sehr bestürzt.
Wie, nicht Einer der gehorcht dem Worte seines Königs?
SCINDIA kalt zu Alim.
Was willst du dich mühn?! Geh‘ zur Ruh‘!
SOLDATEN.
Die Hand der Götter lastet auf dir!
ALIM vernichtet.
Die Hand der Götter lastet auf mir!

Er fällt ohne Besinnung auf die Kissen am Eingang des Zelts.

CHOR.
Wenn dich, o König, erfasset der Tod u.s.w. u.s.w.
Trag‘ deine Pein,
König! Und willst du noch kämpfen, so kämpfe allein!

Alle eilen ab. Sita, welche bebend das Ende der Scene sah, nähert sich rasch Alim und sinkt traurig vor ihm auf die Knie.

Scene 6.

Alim, Sita.

SITA bleibt einen Augenblick unbeweglich und wie vom Schmerz vernichtet vor dem besinnungslosen Alim.
Ich nur, ich bin geblieben in dieser schwersten Stunde!

Mit plötzlichem Entschluß.

Nun wohl! zu deinem Heil! Sei’s denn, ich bleibe hier!
ALIM.

Nach und nach zu sich kommend, langsam und unbestimmt.

Sita – ’s ist deine Stimme –
SITA.
Ja, ich bin hier! Ich lieb‘ dich und Rettung bring‘ ich dir!
ALIM wie träumend.
Du liebst mich!

Wiederholend, wie um sich zu überzeugen.

Du liebst mich!

Sie hilft ihm aufstehen; er betrachtet sie mit Entzücken.

Dies Geständniß, so theuer meinem Herzen;
Was ich ersehnt so lang, das endlich höre ich;
Ich träume ja nicht, sehe dich!
O Kind, welch ein Balsam den Schmerzen,
Deine zaghafte Lippe wiederhol‘ es, sprich, o sprich!
SITA.
Ich lieb‘ dich! Und retten, retten werd‘ ich dich!
ALIM sanft, traurig.
Retten mich – retten mich – es ist zu spät!
Magst du unsrer Lieb‘ immerdar ein treu‘ Gedenken weihn.
Nun geh‘ von mir. Sei’s genug mit meinem Leben,
Versöhnet soll’n die Götter sein!
SITA leidenschaftlich.
So rufe ich auf mich herab die voll Rache!
Verderben, ja es komme über mich allein!
Segnen will ich, was ich leide,
Ist durch dich mein Glück so groß!
ALIM.
Ich litte gern für uns beide,
Theiltest du nicht auch mein Loos.
BEIDE.
Wir sind vereint; laß mich sterben
Nur bei dir!
ALIM.
Sieh‘ mich geweiht dem Verderben,
Giebt dein Herz sich liebend mir.
SITA.
Ach, dich lieb‘ ich, laß mich erwerben
Dein Loos, theilen für und für.
BEIDE.
Wir sind vereint; laß mich sterben
Nur bei dir!

Aus dem Felde ertönen die Rufe: Nach Lahore! Ferne Trompeten-Fanfaren und Trommelwirbel. Das Geschrei kommt näher. Es ist Nacht geworden, der Himmel stürmisch und düster. Zwischen dem Lärm der Soldaten vernimmt man das dumpfe Rollen des Donners.

SOLDATEN in der Ferne.
Nach Lahore! Nach Lahore!
ALIM ergriffen.
Ah – dieser Ruf – so ist’s wahr!
Die Schande, man verläßt mich!
O Verrath – entsetzlich – ich bin verflucht!
Flieh‘ Sita – du sollst leben!
SITA warm.
Nein, Hoffnung lacht uns;
Es ist Indra, der uns erhört,
Mitleid hat er mit unsrer Lieb‘
Sein Schutz wird uns gewährt!
ALIM der wankt.
Weh mir – ich sterbe – leb‘ wohl!
SOLDATEN hinter der Scene.
Nach Lahore!
ALIM verwirrt.
Nur fort – ich hol‘ sie ein, will folgen!
SITA verzweifelnd in die Ferne blickend.
Das Heer!
ALIM.
Das Heer! – o man hat mich verrathen! Wie – sie gehen!

Mit dem Schrei der Verzweiflung.

Ah – Sita – ich bin verflucht!

Er stürzt zu Boden.

SITA wirft sich über Alim’s Körper.
Todt! – todt – er ist todt!

Scene 7.

Vorige, Scindia, Anführer, Soldaten.

SCINDIA beim letzten Schrei Sita’s auftretend.

Für sich.

Er ist todt!

Strahlend.

König bin ich!
SITA erhebt sich und fährt mit Abscheu zurück.
Ah – Scindia – fürchterlich!

Auf einen Wink Scindia’s bemächtigen sich Soldaten der zusammensinkenden Sita.

SOLDATEN.
Nach Lahore! – Nur fort!

Dritter Akt.

Der Hain der Seligen im Paradiese des Indra auf dem Berge Meru. Prachtvolle Vegetation. Strahlendes Licht.

Scene 1.

Indra und die untergeordneten Gottheiten; die glücklichen Seelen der Könige und Anderer; die Apsaras Houris.

CHOR.
Wie schön im Paradies!
Ach, dieser Hain wunderbar
Unvergänglich Jugend uns beut,
Und ihr lacht ew’ges Genießen,
Ew’ger Freuden Trunkenheit.
Uns erstrahlen Himmelssonnen,
Sind befreit von dem ird’schen Band;
In dem Licht wir selig schweben,
Wer läßt nicht das bittre Leben,
Der hier den Himmel fand!
Morgenroth aus blauen Höhen
Auf unser Haupt strahlt herab,
Ewigkeiten auf und ab
Sie werden kommen und gehen,
Ungesehen!
Ach dieser Hain u.s.w. u.s.w.
Es erstrahlen Himmelsonnen
Unversiegbar ew’ge Wonnen.

Divertissement.

I und II. Tänze der Apsaras während des Chors.

III und IV. Die Apsaras und die glücklichen Seelen suchen, rufen sich und spielen unter Blumen. Andante.

V. Tanz. (Walzer-Rhythmus.)

VI. Episode: Der junge Gott Nareda bezaubert die Seelen und zieht sie an durch sein Flötenspiel.

VII, VIII, IX, X. Variationen über eine Hindu-Melodie Nareda’s.

XI. Finale-Ensemble.

Indra erhebt sich. Alle verneigen sich vor ihm, seiner Rede gewärtig.

Scene 2.

Die Vorigen, Indra, dann Alim.

INDRA.
Wer ist es, der dort naht? Dessen Stirn gramumnachtet,
Der, wie es scheint, des Himmels Freudigkeit verachtet,
Wohl gar zurück sich sehnt nach dem Elend jener Welt?

Alim kommt langsam und traurig. Indra tritt auf ihn zu.

Mensch, wer bist du, deß‘ Haupt vom Schmerz gebeugt sich hält?
ALIM.
Noch gestern, eh‘ mir nahte das Scheiden,
Glücklich war ich, mächtig und groß,
Ein König, den alle beneiden,
Die Lieb‘ gab durch süßeste Freuden
Dem Herzen das seligste Loos!
INDRA.
Unsterblichkeit sei deine Hoffnung!
ALIM zu Indra’s Füßen.
O Herr des Himmels, erhöre mein Flehn,
Gieb mir wieder sie, die ich liebe!
INDRA ruhig.
Noch nicht um ist ihre Zeit!
ALIM.
Doch, da dir Herr des Himmels muß gehorchen der Tod,
Kannst du mich glücklich sehn.

Warm bittend.

Indra, o gieb zurück mir das Leben,
Daß mich Sita’s Lieb‘ kann zur Wonne erheben,
Daß mein Herz noch einmal sich berauschen mag!
Ach, zehn Jahrhundert der Höllenqual, laß mich Mensch wieder werden!
INDRA mitleidig.
Zehn Jahrhundert der Höllenqual und für ein Dasein auf Erden!
Wahnbethört!
ALIM angstvoll.
Ich flehe!
INDRA.
Nun es sei! Die Götter haben dich erhört,

Mit Hoheit.

Du wirst leben!
ALIM.
Güt’ger Gott!
ALLE.
Er wird leben!
INDRA.
Er sei Er, und sei nicht mehr Er!
Er ruhe in dem Grabe und wandle auf der Erde,
Der unsterblichen Seele aus Staub der Körper werde
Und die Sprache wie bis heut;
Ihm werde Leben, Liebe und Leid!
ALLE wiederholen.
Er sei Er u.s.w. u.s.w.
ALIM während der Beschwörung.
Ja lieben, leben – o himmlisch‘ Glück!
Ja, lieben, süße Hoffnung!
INDRA zu Alim.
Nicht König bist du mehr; in schmucklosem Gewande
Sollst du bescheiden gehn in deinem früh’ren Lande,
Schutz wird dir allein aus Indra’s Reich!
Mag Sita treu dich lieben, mag sie sich von dir wenden,
Ein gemeinsam‘ Geschick doch verbindet euch,
Und wenn Sita stirbt, muß auch dein Leben enden!
Fürchtest du nicht das Loos, das die Zukunft dir beut?
ALIM fest.
Nein! Ich bin bereit!
ALLE.
Er sei Er u.s.w. u.s.w.

Während des Ensembles scheint Alim, in der Mitte der Apsaras und der Gottheiten, welche ihn umgeben, einzuschlummern.

Vierter Akt.

Erstes Bild.

Ein Zimmer im Palast. Divans, Kissen, Teppiche. Eine Seitenöffnung läßt ein Stückchen des Himmels sehen. Im Hintergrunde oder links Eingang mit Vorhängen.

SITA.
O Nacht, furchtbare Nacht! Oft wendet sich mein Herz
Von der Erinnerung zurück; als hätt‘ ich schwer geträumt,
Und es endet‘ mein Leid; als müßte das Erwachen
Nur froh sein und glücklich und verleihn
Meiner Liebe auf ewig den Sieg.

Mit ausbrechendem Schmerz.

Weh mir! Alim ist todt und Niemand schützt mich.
Ich bin Gefangne!

Erschreckt.

Man kommt! Ach, das ist wohl Scindia!

Beruhigt.

Nein, Timur.
TIMUR.
Den Befehl des Herrn soll ich dir künden,
Scindia, König, will morgen schon dein Gatte sein.
SITA mit Verachtung.
Wie, du bist’s, du, der kommt mir die Botschaft zu bringen?
Du, der das Wort einst führte für einen zorn’gen Gott,
Priester, hast du nicht Stolz und Kraft, Scindia zu zwingen?
TIMUR väterlich, im Tone des Vorwurfs.
O Sita, meinst du wohl, daß ich dich je verließe?
Nein, der Unwille ist’s, der mich führte zu dir.
Bei dem, der nicht mehr ist, verhallte meine Stimme,
Als ich für Indra sie erhob.
Doch da sie mächt’ger heute, soll sie entreißen dich
Dem Arm des Gottvergeß’nen und seinem sünd’gen Streben;
So nur der Götter Schutz mich noch erhält am Leben,
O dann verzweifle nicht!
SITA freudig.
Ach, sei gesegnet mir; Timur, Dank!
Hier das Asyl, das mich errette,
Wo den Traum ich weinend und still
Wie auf ewig an heil’ger Stätte,
Wo ich meine Lieb‘ begraben will.
Kann den theuren Schatten beschwören,
Willkommen ihr Orte der Pflicht,
Die des Himmels Trost mir gewähren,
Wo Alles, Alles von ihm spricht.
Dort schaut auf mich die Jugend nieder,
Ach, in Erinnerung schöner Zeit
Finde ich unsre Liebe wieder,
Find‘ auf’s Neu‘ meine Seligkeit.
TIMUR.
Komm‘ o Tochter, ich allein rette dich,
Durch die Macht, die mir die Götter spenden,
Die den Königen selbst gebeut.
Zweites Bild.

In Lahore. Großer Platz; auf einer Anhöhe die Stadt Rechts der Palast der Könige. Alim schläft auf den Stufen, er ist gekleidet wie ein Mann aus dem Volke.

Scene 1.

Alim. Unsichtbarer Chor, dann mehrere Anführer.

UNSICHTBARER CHOR.
Er sei Er, und sei nicht mehr Er!
Er ruhe in dem Grabe und wandle auf der Erde,
Der unsterblichen Seele aus Staub ein Körper werde!
Ihm werde Leben, Lieb‘ und Leid!

Während des Chors erwacht Alim, horcht, steht auf und tritt vor.

ALIM wie in Verzückung zum Himmel gewandt.
Klänge unsagbar hehr, die wonnig mich erfüllen,
Stimmen, die mir vom Himmel verkünden mein Glück;
Ach, endlich klar wird mir nun der göttliche Willen:
Ja, das ist mein Palast; ich leb‘, Alles kehrt zurück!

Verwirrt.

Mein Palast! Was sprach ich?

Mehrere Anführer kommen aus dem Palast. Alim hält sich beobachtend seitwärts.

EIN ANFÜHRER zu dem andern.
Die letzte Nacht hat Scindia unser König nur betend im Tempel gewacht;
Heut naht er, froh begrüßt; die Stadt, des Volkes Menge
Jauchzt entgegen dem Zug, der Krönung Glanz und Pracht.
ALIM für sich.
Ha, der Verräther!
ANFÜHRER.
Nun kommt zu dem Empfang!

Die Anführer gehen ab.

ALIM.
Dieser Mensch, augenblicklich mehr gefürchtet als ich,
Er thronet dort in dem Palaste,
Das ganze Volk huldigt ihm feierlich.
Doch Sita, Sita! Ewig treu dir ergeben,
Alim er herrscht nicht mehr, der König ging zur Ruh‘,
Doch Alim, der so heiß dich liebt, er ist am Leben,
Freudig kehrt er zurück, sein Gedanke allein bist nur du!
In jener Nacht, der furchtbar letzten,
Als kraftlos mir still brach das Herz,
Als deine Thränen mich benetzten,
Da sah ich dich in deinem Schmerz.
Ein neues Dasein soll beginnen
Nach unsrer Götter Machtgebot!
Ja, dein Geliebter kehrt zurück,
Sein Gedanke allein bist nur du!

Er stürzt in den Palast. Nun hört man das Schreien der Menge, Scindia’s Ankunft begleitend. Fanfaren. Der Platz füllt sich mit Volk.

Scene 2.

Scindia, Timur, Priester, Repräsentanten aller Kasten, Soldaten, Sclaven, Priesterinnen, Bayaderen, Volk, Scindia’s Gefolge.

Einzug. – Marsch.

CHOR während des Einzugs.
Mächt’ger König der Kön’ge!
Sieh‘, wir huld’gen Dir im Staube,
Dir und deiner Majestät.

Scindia und sein Gefolge treten aus der Mitte des sich zur Erde beugenden Volkes in den Vordergrund.

SCINDIA.
Die Heere Mohamed’s, die es kühn wollten wagen
Sich Lahore zu nah’n,
Durch unsre Macht sind sie zurückgeschlagen!
Als hätte sie verjagt eine unsichtbare Hand,
Sind sie nun aus der Wüste wieder verbannt.

Zu sich selbst.

Das Volk kann sicher sein,
Wie die Feier verkündet;
Da Ruhe mein Innres nun findet,
Will ich dem Glück mich weih’n
Was mir die Zukunft hold gezeigt,
Den Traum der Liebeslust gewährte
Und den man schmachvoll mir zerstörte,
Nun endlich wird mein Ziel erreicht.
O Sita, entzücke nun mein liebend Herz,
Dir lachen soll der Glanz auf Erden!
Komm‘ Sita, und deiner Lieb‘ zum Lohne
Giebt meine Hand dir eine Krone.
O Sita, ich harre dein,
Sei mein,
Und Kön’gin sollst du werden!

Er schreitet nach dem Palast. Da erscheint Alim, von den Wachen des Innern verjagt, in der Thür und steht vor Scindia. Staunen und Bestürzung des Volks beim Erblicken Alim’s. Der Zug steht still.

Scene 3.

Vorige. Alim.

ALIM aufschreiend.
Scindia!
SCINDIA.
Himmels Rache!
TIMUR, CHOR DER PRIESTER, SOLDATEN, VOLK.
O Wunder! Welch‘ Geheimniß!
Das ist Alim’s Gesicht und sein Wort und sein Blick;
Ist’s Gespenst, giebt die Erde
Unsern König, der todt, lebend jetzt uns zurück?
SCINDIA.
O schreckliches Geheimniß!
Ich tödtete ihn selbst, sah sterbend seinen Blick;
Ist’s kein Traum, daß die Erde
Wie ein rächend Gespenst ihn giebt zurück?
ALIM.
Scindia, du erbleichst, starrst mich an, hörst mich sprechen;
Ja, ich steh‘ hier für den, der im Grab Ruhe fand,
Du nahmst ihm Thron und Macht; hast Furcht, er möcht‘ sich rächen;
Verzeihen kann er dir Beleid’gung und Verbrechen,
Nur gieb wieder das höchste Gut, das ihm entschwand,
Sita’s Liebe, nur sie will ich zurückverlangen!
SCINDIA.
Sita!
ALLE.
Was spricht er? Welch‘ ein Unterfangen!
SCINDIA.
Ergreifet ihn! Den Verleumder ergreift!
ALIM.
Nicht fürchte ich mich!

Die Soldaten weichen vor Alim’s Herrscher-Geberde zurück.

Wer zweifelt hier? Wollt ihr mich nicht erkennen?
Alim bin ich, euer König!
ALLE.
Er ist toll!
TIMUR mit den Priestern.
‚S ist ein Gott, der ihn sendet!
SCINDIA vor Wuth außer sich.
Ergreifet ihn! Er sterbe!
TIMUR.
Nein, von Gott kommt, was er spricht.
CHOR.
Ueb‘ Gnade gegen ihn, nicht Zorn lenk‘ deinen Willen,
Das Schicksal führt‘ ihn her, ein Fremdling ist er nicht,
Ein schwer Geheimniß scheint die Brust ihm zu erfüllen,
Milde sei, o gieb nach, von Gott kommt, was er spricht.
TIMUR.
Gott ist’s, der ihn erleuchtet, der allein aus ihm spricht.
Ehr‘ der Götter Willen!
CHOR.
Gieb ihn frei! Er ist toll!
TIMUR zu Scindia, sehr fest.
König! Dieser Mann fordert Sita, befolge seine Worte!
Sie, von Gott uns geweiht, bestimmt dem heil’gen Orte!

Sita, auf einem Tragsessel, erscheint begleitet von Frauen und Garden. Der Zug geht nach dem Palaste. Bewegung des Volkes.

ALLE.
Die Kön’gin! Es naht die Kön’gin!
SCINDIA.

Zeigt dem Timur mit verachtendem Lächeln und triumphirend Sita.

Da ist die Kön’gin!

Er eilt dem Zuge nach.

ALIM aufschreiend.
Sita! Kön’gin! Treulose!
TIMUR zu Alim.
Komm‘, rette dich, o flieh‘!
ALIM.
Ah, wieder treff‘ ich sie!

Alim, außer sich, will dem Zuge nachstürzen; die Garden sind im Begriff, ihn festzuhalten, Timur und die Priester schützen ihn, indem sie ihn in ihre Mitte nehmen.

Fünfter Akt.

Das Sanctuarium des Indra. Decoration des ersten Akts [Zweites Bild] doch nicht so tief und in der Diagonale gesehen.

Scene 1.

SITA athemlos und sehr aufgeregt.
Dem Brautgemach bin ich entflohen!
Scindia ruft wohl nach mir im Augenblick!
Mag er im Zorn mit Qualen, mit Tod mich bedrohen,
Ach, mir ist seine Lieb‘ furchtbarstes Mißgeschick!
Er, mitleidslos, wird nimmermehr verzeihen;
Ein Mensch allein konnte noch von ihm mich befreien,
Er bot selbst Timur Trotz! Nichts hält ihn mehr zurück!
Man wird mich suchen überall! Mag er sich rächen,
Laß‘ er doch die Soldaten auch diese Thür erbrechen,
Der Tod, er bietet Schutz, er bleibt mein letztes Glück.
Wohl! Da ist die Stunde, wo müde des Lebens
Mein liebkrankes Herz sich sehnet nach Ruh‘,
Dich ruf‘ ich vergebens,
Heißgeliebter Du!
Der Tod entlastet uns von Furcht und Bangen,
Lebe wohl, ferne Trauerzeit,
Will mit Wollust dich, o Tod, empfangen,
Du giebst mir wieder Lieb‘ und Seligkeit.
Dort, wo aller Schmerz sich ausgeweint,
Dort sind wir beide immerdar vereint!

Sich an die Bildsäule des Indra wendend.

Du kennst meiner Brust keusches Regen,
Dir nur sollt‘ ich’s gestehn,
O Bild des güt’gen Gott’s, das aus seligen Höh’n
Mir lächelt freundlich mild entgegen,
Dich wollt‘ ich wiedersehn,
Und vor dir still vergehn.

Mit zunehmender Erregung.

Indra, nimm‘ meine Seele!
Der Tod befreit von Furcht u.s.w. u.s.w.
Bald ist’s geschehen,
Dich wiedersehen,
Zu dir, Geliebter mein!

Sie will sich erstechen. Da erschallen aus der Tiefe des Tempels Stimmen, welche das Abendgebet des ersten Akts singen. Sita fährt zurück.

CHOR.
Es naht die Nacht! Kommt zum Gebet!
Schon am Himmel der Stern mit bleichem Strahle steht;
Indra, mächt’ger Gott, hör‘ was unser Mund erfleht.
SITA.
Das Gebet!
Wenn im Dunkel der Tag entschwand,
Ich einst auch also sang, dann nahte er von ferne;

Alim erscheint im Hintergrunde zwischen den Säulen; er kommt nach vorn ohne von der in Träumerei versunkenen Sita gesehen zu werden.

Niemals berührt‘ er meine Hand.
Lächelnd ging er von mir
Und flüstert leis‘: morgen hier!

Scene 2.

Alim, Sita.

ALIM Sita erblickend.
Sita!
SITA Schrei der Freude und des Staunens.
Alim!
ALIM.
Geliebte! Erkenne mich!
SITA in seinen Armen.
Alim! Er lebt!

Sinkt ohnmächtig an seine Brust.

BEIDE.
Ach, endlich bist du mein! Unaussprechliche Wonne!
O komm‘ zu dir!
ALIM erinnert sich und tritt unwillig zur Seite.
Nein nein, die Lieb‘ verwirrt mich; geh‘, geh, Meineid’ge,
Fort von mir! So geh‘, Scindia erwartet dich.
SITA lebhaft.
Scindia! Ihm entflohn, hast du mich hier gefunden,!
Dort! Sterben wollte ich, und du zweifelst an mir?

Wird ohnmächtig.

ALIM fängt sie in seinen Armen auf.
Ach, verzeih‘ mir, endlich wird mir alles klar.
Verzeih‘ mir, theures Kind!
SITA kommt zu sich, wagt zuerst kaum Alim anzusehen, welcher ihre Hände mit Küssen und Thränen bedeckt.
Er ist’s! Bin vom Traum ich erwacht?
Er lebt! In den strahlenden Blicken
O hoffnungsreiches Entzücken,
Das mich überselig macht!
ALIM.
Ja, dich lieb‘ ich!
SITA.
Ach, welch ein mächt’ges Walten
Hat dich, den ich heiß beweint,
Errettet vom Tod?
ALIM.
Durch ein Wunder ward ich erhalten,
Ich leb‘, Sita!
SITA.
Bleibe nur
O welch Entzücken!
BEIDE.
Dich lieb‘ ich! Nun ewig mein!
Ein neues Leben soll erblühn,
Komm‘, wir fliehn!
O Wonne! Sel’ges Entzücken!
Sieh‘, welche Zukunft dem Herzen lacht.
Nun kommt der Lenz!
Die güt’gen Götter, sie sah’n unsre Thränen,
Ewiglich fern der Welt, fern den Menschen,
Leben wir der Lieb‘ allein,
Nun ist der Himmel mein!

Sie wollen fort; da erschallen die Gongs aus der Tiefe des Tempels; zwischen den Säulen wird es hell. Alim und Sita bleiben besorgt stehn.

ALIM.
Dieses Licht! Der Lärm dringt hierher!
SITA außer sich.
O, welch Elend! Ich vergaß – Scindia – nichts rettet uns mehr!
ALIM erschreckt.
Ach, was sagst du?
Nein! Dies hier der Gang gehüllt in Dunkel,
Durch den ich kam zu dir. Laß uns fliehn!

Sie stürzen zu dem geheimen Gang; da tritt ihnen Scindia aus demselben drohend entgegen.

ALIM, SITA aufschreiend.
Scindia!

Scene 3.

Die Vorigen. Scindia.

SCINDIA.
Er! Ihn treff‘ ich und mit ihr!
SITA dazwischen tretend, zu Scindia.
Ach, schweig still, du Verbrecher
Und senke deinen Arm, der durch Blut den Thron erschlich,

Befehlend.

Dein König steht vor dir, gehorsam beuge dich,
Daß er dir mög‘ verzeihn; zittre du vor dem Rächer!
ALIM.
Gehorche mir, Scindia!
SCINDIA mit furchtbarem Hohn.
Dir gehorchen? Toller Wahn!
Ihr wollt im Ernst mir drohn, hier gebiet‘ ich allein,

Gegen Sita.

Und du, du sollst gar bald meinem Willen dich fügen!
ALIM wüthend.
Feiger!
SCINDIA.
Ich bin ihr Herr!

Will Sita ergreifen.

ALIM.
Wagtest du es doch?
SCINDIA.
Ja, die Macht ist mein!
Soldaten, her zu mir!
SITA wild und entschlossen.
Nein Verräther! Nimmermehr gehör‘ ich dir!

Sie ersticht sich und wirft ihren Dolch von sich.

ALIM aufschreiend.
Sita! Götter! – was thatst du?

Er wankt, von demselben Stoß wie Sita getroffen.

SCINDIA zu Alim.
Rächen werde ich mich!
ALIM Sita unterstützend, zu Scindia.
Erreichbar nicht für dich!
Güt’ge Götter habt Dank! Ja, ihr Tod ist der meine,
Mit ihr sterb‘ auch ich!
SCINDIA mit frommem Schauder.
Ja, ich fühl’s, hier um uns schwebt ein höheres Walten.
ALIM, SITA entzückt, sich umschlungen haltend.
Ewig bist du nun mein!
O Gott, du bescheerst Himmelsfreud‘,
Wir sind vereint!
So zu sterben, ist! Seligkeit
SCINDIA.
Ihnen bleibt der Sieg!
Ja, Gott ist es, der sie befreit;
Glücklich sind sie noch selbst im Tod,
Sie sind vereint allezeit.

Licht erstrahlt. Das Sanctuarium öffnet sich im Hintergrunde. Glänzendes Bild des Paradieses mit Indra und den Glückseligen. Sita und Alim, erbleichend, sind, einander umschlungen haltend bei dem Altar Indra’s auf die Knie gesunken.

ALIM UND SITA in Verzückung sterbend.
O, neuer Glanz der Sonnen!
Das sind himmlische Wonnen!
O nimm‘ uns auf, mein Gott,
Heil dir, Heil für und für!
UNSICHTBARER CHOR.
In dem Licht das ewig strahlet
Schweben wir!
Ach, dieses Reich, wunderbar,
Uns erblüh’n Himmelswonnen.

Alim und Sita sinken zusammen; sanft fallen sie entseelt auf die Stufen des Altars. Himmlisch verklärt erscheinen sie im Paradiese zu den Füßen des Indra.

SCINDIA kniet, das Gesicht mit den Händen bedeckend.
Ach, mein Lohn ew’ge Qualen!
Die Götter fluchen mir!

Ende.