Jean-Jacques Rousseau

Der Dorfwahrsager

Ein Nachspiel mit Gesang und Tanz

Personen

Wilhelm

Lisette

Der Wahrsager

Mehrere junge Leute aus dem Dorfe

Das Theater stellt auf der einen Seite das Haus des Wahrsagers, auf der andern Bäume und Springbrunnen dar. Im Hintergrunde ist ein kleines Dorf.

Erste Scene.

LISETTE trocknet sich die Augen mit ihrer Schürze.
Ja, verloren hab‘ ich ihn!
Ach, mein ganzes Glück ist hin,
Da er mich verlassen!

O, wie ändert leicht ein Mann! –
Dächt‘ ich nur nicht mehr daran:
Kann es gar nicht lassen!

Ja, verloren hab‘ ich ihn!
Ach, mein ganzes Glück ist hin,
Da er mich verlassen!

Wie glücklich war ich nicht durch seine Liebe!
Ich glaubte ihm, als er mir Treue schwor!
Ich Thörinn wähnte, daß es stets so bliebe! –
Doch welche Schöne zieht er mir denn vor?
Die muß recht niedlich seyn! O armes Wesen,
Zu meinen Qualen bist auch Du erlesen!
Denn konnt‘ er mir mit leichtem Sinn entsagen,
So wird auch einst an Dir die Reihe seyn! –
Was aber hilft mein Weinen und mein Klagen?!
Was ich nur denke, mehret meine Pein!

Ja, verloren hab‘ ich ihn!
Ach, mein ganzes Glück ist hin,
Da er mich verlassen!

Was soll ich thun? … Ich will ihn hassen! …
Ich fühl‘ es, hassen muß ich ihn! …
Er liebt mich noch vielleicht! … Warum mich fliehn? …
Ach sonst – ja sonst, da wußt‘ er mich zu finden! –
Hier wohnt der alte Klaus, der soll es mir ergründen.
Er steht beim ganzen Dorf‘ in Ehren.
Des Schicksals Buch liegt offen vor ihm da.
Was einst geschehen wird, und Alles, was geschah,
Ist ihm genau bekannt. Ja, ja, ich muß ihn hören.

Zweite Scene.

Klaus, der Wahrsager. Lisette.

Während dieser sich gravitätisch nähert, zählt Lisette einige Stückchen Geld in ihre Hand. Sie wickelt die Münze in ein Papier, und überreicht sie ihm, nachdem sie ängstlich zögerte, ihm nahe zu kommen.

LISETTE mit Stottern.
Ist Wilhelm ewig denn für mich verloren? –
Und ist’s – mit meinen Leiden – bald vorbei?
KLAUS mit Ernst.
Er hatte ew’ge Treue Dir geschworen –
LISETTE.
O Himmel!
KLAUS.
Mäß’ge Dich!
LISETTE.
Er ist?
KLAUS.
Dir ungetreu!
LISETTE.
Ich sterbe, weil er mir mit schnödem Undank lohnet!
KLAUS.
Doch liebt er Dich!
LISETTE lebhaft.
Wär’s möglich?
KLAUS.
Wirst es sehn.
Die Dame, welche hier in unserm Dorfe wohnet …
LISETTE.
Wie? Sie?
KLAUS.
Ist klüger zwar, als Du; doch nicht so schön.
LISETTE.
Und ihr konnt‘ er …
KLAUS.
Für eine kurze Zeit
Fröhnt Wilhelms Herz der Eitelkeit.
Verlasse Dich auf mich! Noch heut zu Deinen Füßen
Wird dieser Flüchtling sein Vergehen büßen.
Darum, Lisette, fasse Muth!
Was auch sein Stolz versah, macht seine Liebe gut.
LISETTE.
Wär‘ ich dazu auserlesen,
Jungen Herr’n Gehör zu leihn;
O, da wär mir’s leicht gewesen,
Eines Andern Weib zu seyn!

Schön geputzt mit reichen Kanten
Könnt‘ ich hier spazieren gehn;
Und von vornehmen Verwandten,
Statt von Euch, umringt mich sehn.

Aber um den Ungetreuen
Hielt ich’s nur für eitlen Scherz.
Lieber mich als Hirtinn freuen,
Dacht‘ ich – hab‘ ich nur sein Herz!
KLAUS.
Bald wird es wieder gänzlich Dein;
D’rum tröste Dich: die Sorg‘ ist mein.
Doch suche nur, es besser zu bewahren.
Sobald Du thust, als liebst Du Wilhelm nicht so sehr,
Liebt er Dich, glaub‘ es mir, um desto mehr.
Der kleine Kunstgriff schützt Dich künftig vor Gefahren.

In der Unruh wächst die Liebe;
In der Ruhe schläft sie ein.
Nährt Dein Stolz des Schäfers Triebe,
Wird er nicht mehr treulos seyn.
LISETTE.
Gedenken will ich Eurer Lehre schon.
KLAUS.
Und folgen! Sprich mit ihm aus einem andern Ton.
LISETTE.
Ich thu‘, und Ihr müßt ihn darin bestärken,
Als hätt‘ ein And’rer meine Gunst.
KLAUS.
Nur mach‘ es nicht zu arg, sonst möcht‘ er Absicht merken. –
So eben sagt mir die geheime Kunst,
Daß Wilhelm kommt. Jetzt tritt in dieses Haus:
Sobald es Zeit ist, ruf‘ ich Dich heraus.

Dritte Scene.

KLAUS.
Sie trauen fest auf meine Zauberkraft,
Und halten für ein Werk der hohen Wissenschaft,
Was mir Lisette selbst gesagt,
Was Wilhelm mir gestanden und geklagt. –
Die Dame dieses Orts ist ein verliebtes Wesen:
Der Bursch ist eitel, putzt sich gern.
So kann ich ja zugleich dem jungen Herrn
Und seiner gnäd’gen Frau den Text verlesen.

Vierte Scene.

Klaus. Wilhelm

WILHELM.
Ich wußt‘ es, Vater Klaus, ich würde mich bekehren.
Die Liebe und die weisen Lehren,
Die Ihr mir gabt, sie führen mich zurück.
Nein, nein, Lisette ist mein höchstes Glück!
Wie oft hört‘ ich sie nicht, mich »lieber Wilhelm« nennen,
Und hatte doch nur Hirtenkleider an:
Würd‘ ich im goldnen Rock wohl mehr erlangen können?
KLAUS.
Du kommst zu spät, da sie Dich nicht mehr lieben kann.
WILHELM in großer Bestürzung.
Lisette konnte ihr Gelübde brechen?!
KLAUS.
Sie ist ein Weib, ist jung und schön,
Und hat, um sich zu rächen,
Sich einen Andern ausersehn.
WILHELM.
Nein, sie kann mich nicht berücken;
Ew’ge Treue schwor sie mir! –
Einen Andern zu beglücken!
Welcher Schäfer wär‘ es hier?
KLAUS.
Nicht ist die Rede von gemeinen Bauern;
Es hat ein großer Herr Lisettens Gunst.
WILHELM.
Wie wißt Ihr das?
KLAUS mit geheimnißvoller Miene.
Die hohe Zauberkunst!
WILHELM.
Ach, Vater Klaus, wie bin ich zu bedauern! –
Was kostet mir mein leichter Sinn!

Zögernd.

Und ist – auf ewig – sie für mich dahin?
KLAUS.
Zugleich der Liebe und dem Stolze huld’gen wollen,
Das sind Versuche, die so leicht nicht glücken sollen.
Du bist nicht ungestraft ein junger, schmucker Mann!
WILHELM tief bewegt.
O sagt mir doch, wie fang‘ ich’s an,
Dem großen Uebel schleunigst zu entgehen?
KLAUS.
Das will ich, Dir zu Liebe, jetzo sehen. –

Der Wahrsager zieht ein Büchelchen und eine kleine Zauberruthe aus der Tasche. Indem er einige unverständliche Worte hermurmelt, und mit dem Stöckchen mehrere Bewegungen in der Luft macht, nähern sich ihm junge Bäuerinnen, welche sich ebenfalls Raths bei ihm erholen wollen. Als sie ihn aber so in Begeisterung erblicken, lassen sie die ihm zugedachten Geschenke fallen, und rennen, ganz erschrocken, ab.

KLAUS.
Nach diesem kleinen Buche sollt‘ ich meinen,
Lisette müßte bald auf diesem Fleck erscheinen.
WILHELM.
Wird sie auch wohl auf meine Bitten hören?
KLAUS.
Ein reuig, zärtlich Herz, das treu es meint,
Läßt uns erlangen, selbst was ganz unmöglich scheint.

Im Abgehn für sich.

Jetzt muß ich sie nur ihre Rolle lehren.

Fünfte Scene.

WILHELM.
So werd‘ ich Dich, o theures Mädchen sehen!
Fahrt hin, Ihr Schlösser! – Welche Höhen!
Da würde mir nur schwindlig seyn. –
O möchte sie nur einen Blick mir weih’n!
O möchten sie doch meine Thränen rühren! –
Geliebte, laß zurück uns führen
Den seeligen Verein! –

Wenn zu lieben, zu gefallen
Man versteht, welch‘ hohes Glück!
Dich hab‘ ich gewählt vor Allen;
Gieb auch mir Dein Herz zurück!

Hirtenstab und Flöte schmücken
Schöner mich, als Band und Stern:
Will Lisette mich beglücken,
Lass‘ ich alle Schätze gern.

Mancher Herr mit Stock und Degen
Möchte tauschen sicherlich;
Mit dem blanken gold’nen Seegen
Ist er nicht so reich, als ich!

Sechste Scene.

Wilhelm. Lisette, geschmückt.

WILHELM für sich.
Ich zitt’re … Kann ich sie in’s Auge sehn?
Ich laufe fort … doch nein, ich darf nicht gehn …
LISETTE für sich.
Wird er es wagen, jetzt mit mir zu sprechen?
Mir schlägt das Herz … Es möchte brechen! …
WILHELM.
Ach, könnt‘ ich ihr doch meine Angst beschreiben! …
Ich weiß nicht, soll ich gehen, soll ich bleiben?
LISETTE.
Das macht‘ ich wahrlich gar nicht gut,
Daß ich so nah ihm rückte …
WILHELM.
Fasse Muth!
Der Augenblick ist günstig!

Mit sanftem Tone; mit halb lächelnder, halb verlegener Miene.

O Lisette…
So sage … Wie, Du glaubst doch nicht, ich hätte …
Was? … Bist wohl böse gar auf mich?
Auf Deinen Wilhelm? Sieh ihn an, ich bitte Dich!
LISETTE mit verlegenem halbem Blicke.
Mich liebte Wilhelm, treu war Wilhelm mir;
Ich sehe Dich – doch Wilhelm ist nicht hier.
WILHELM.
Ich bin der Alte noch! Ein böser Genius.
Ist’s, der mit mir sein Spielchen treiben muß.
Doch hab‘ ich heut den Vater Klaus gefunden,
Der hält mit seinem Zauber ihn gebunden.
Nun bin ich desto mehr in Dich verliebt!
LISETTE.
Was es doch in der Welt für böse Geister giebt!
So treibt auch Einer jetzt mit mir sein Wesen:
Und Vater Klaus gesteht, von dem mich zu erlösen,
Besitz‘ er nicht die Kraft.
WILHELM weinend.
O Gott, das ist entsetzlich!
LISETTE.
Da fand sich plötzlich
Ein junger, schöner Herr, er wohnt dort in der Stadt,
Der ew’ge Treue mir geschworen hat,
Und der sie halten wird.
WILHELM.
So soll der Tod,
Kannst diese Untreu Du begehen,
Noch heute mich befrei’n von aller Noth!
LISETTE.
Das thut mir herzlich leid – es ist nun ‚mal geschehen!
WILHELM.
Nimmer, nimmer werd‘ ich’s glauben!
Nein, Du stöß’st mich nicht zurück!
Kannst das Leben Du mir rauben?
O, Du raubtest Dir Dein Glück!
LISETTE für sich.
Ja wohl!

Laut.

Du selbst, Du brachst die Treue;
Zu spät kommt jetzt die Reue:
Das thut mir herzlich leid – es ist nun ‚mal geschehn!
WILHELM tief bewegt.
So wirst Du nie mich wieder sehn! …
Erfahre, wie das Leben ich verachte! …
Gehab‘ Dich wohl!

Er reicht ihr langsam die Hand, ohne sie anzusehen. Sie giebt ihm die ihre. Jetzt trocknet er seine Augen, und geht ganz niedergeschlagen nach dem Hintergrunde.

LISETTE.
Ein Wort!
WILHELM.
Was ist?
LISETTE.
Du könntest gehn?!
WILHELM.
Ich soll wohl gar das schmucke Herrchen sehn,
Das mich um Dich, um all‘ mein Glück mich brachte?!
LISETTE duett.
Als ich noch Dir gefallen konnte,
Ja, da war noch schöne Zeit!
WILHELM.
Wann ich in Deinem Blick mich sonnte,
Fühlt‘ ich Engels Seeligkeit!
LISETTE.
Doch nun, da Wilhelm mich verlassen,
Fand ein And’rer dieses Herz.
WILHELM.
Nur Thränen hast Du mir gelassen!
Gleicht ein Schmerz wohl meinem Schmerz?!

Mit großem Gefühl.

Könntest Du mich so betrüben?!
LISETTE.
Könnt‘ ich solchen Flüchtling lieben?
BEIDE.
Gleichst Du mir nicht auf ein Haar?
Untreu macht Dir wenig Ehre! –
Ich vergäß, wenn’s möglich wäre,
Den, der / Die, die mir einst theuer war!
WILHELM.
Was man mir auch für großes Glück verspricht
In der Verbindung, die mir angetragen;
So kann ich Dir doch ganz aufrichtig sagen:
Lisetten will ich – mehr verlang‘ ich nicht!
LISETTE.
Obgleich ein junger Herr recht zärtlich spricht:
»Lisette, liebe mich, ich mach‘ Dich glücklich!«
So sagt‘ ich heute noch, ob’s schon nicht schicklich:
»Nein, gehn Sie nur – das Alles rührt mich nicht!«
WILHELM entzückt.
Wie, Mädchen, wie? Du wär’st mir treu geblieben?
LISETTE mit einem Seufzer.
Ich muß Dich wider meinen Willen lieben!

Er wirft sich ihr zu Füßen; sie läßt ihn an seinem Hute ein reiches Band bemerken, das er von der Dame erhalten hat. Wilhelm wirft es mit Verachtung weg. Lisette giebt ihm ein einfacheres, womit sie selbst geschmückt war. Er empfängt es mit großer Freude.

BEIDE, Duett.
Heute knüpfen wir auf’s Neue
Unser Liebesband.
Nimm den Schwur der Treue
Als ein heil’ges Pfand! –
Wann ich Deines Blick’s mich freue,
Schwindet mir der Erde Tand!

Siebente Scene.

Klaus. Wilhelm. Lisette

KLAUS.
Von bösen Geistern hab‘ ich Euch befreit.
Ihr habt gesiegt! Sie stehn beschämt!
WILHELM.
Und überwunden!

Sie bieten Jeder dem Wahrsager ein Geschenk an.

KLAUS indem er die Geschenke zurückweiset.
Ich hab‘ in Euerm Glück den schönsten Lohn gefunden:
Nicht Gold, nein Gutes thun gewährt Zufriedenheit!
Herbei, Ihr junges Volk! Herbei, Ihr guten Leute!
Versammelt Euch! Hier sehet, wie man liebt!
Herbei Ihr Schäfer! Kommt! Nur näher! Lernet heute,
O lernt, welch‘ hohes Glück uns treue Liebe giebt!

Letzte Scene.

Klaus. Wilhelm. Lisette. Jünglinge und Mädchen aus dem Dorfe.

CHOR DER JUNGEN LEUTE.
Er kehrt zur Schäferinn zurücke;
Seht, wie sie sich der Liebe freu’n! –
Mag jeder Tag, zu ihrem Glücke,
Für sie so schön, als dieser, seyn!
Singt auch zu unsers Zaub’rers Ehre:
»Es lebe unser Vater Klaus!« –
Wenn uns’re Hochzeit doch so nahe wäre;
Dann giengen wir recht froh nach Haus!

Ballet.

WILHELM.
In meiner kleinen Hütte,
Da fehlen Sorgen nie:
Denn fast bei jedem Tritte
Giebt’s Arbeit oder Müh.
Doch ist mir erst beschieden,
Lisettens Mann zu seyn;
Dann will ich schon in Frieden
Mich meiner Tage freu’n.
In gold’ner Abendröthe
Kehr‘ ich zu ihr zurück,
Und blas‘ auf meiner Flöte
Mein immer neues Glück:
Und wann die Morgensonne
Auf unser Fenster scheint,
Gedenken wir mit Wonne
Des Tag’s, der uns vereint!

Ballet.

KLAUS.
Wir müssen heut ein Jeder hier uns zeigen;
So wird auch Vater Klaus nicht schweigen.
Von denen da wird Euch was vorgesprungen:
Von mir wird Euch ein munt’res Lied gesungen.

Rondeau.

I.

Der Liebe hilft zwar oft die Kunst;
Doch braucht’s nicht immer ihrer Gunst.
In Städten liebt man mit Manier;
In Dörfern ohne Prunk und Zier. –
Niemals zählt die Liebe
Nach dem Takt die Triebe;
Ja, ja, die Liebe macht es so:
Sie macht es so!
WILHELM wiederholt Mit dem Chor.
Niemals zählt die Liebe
Nach dem Takt die Triebe;
Ja, ja, die Liebe macht es so:
Sie macht es so!
WILHELM.
Das ist ein herrlich Lied! – Lisette, mache Du
Uns gleich den zweiten Vers dazu!
LISETTE.

II.

Wir folgen hier der reinen Spur,
Dir, güt’ge Mutter, Dir, Natur!
Wir lieben ohne Heuchelei,
D’rum steht der Gott der Lieb‘ uns bei. –
Denn die wahre Liebe
Kennt nur reine Triebe;
Ja, ja, die Liebe macht es so:
Sie macht es so!
CHOR.
Sie macht es so!
WILHELM.

III.

Wirft man auf And’re ‚mal den Blick,
Kehrt man doch bald zur Pflicht zurück;
Allein in Städten geht es frei,
Da lieben sie oft zwei und drei. –
Niemals zählt die Liebe
Nach dem Takt die Triebe;
Ja, ja, die Liebe macht es so:
Sie macht es so!
CHOR.
Sie macht es so!
KLAUS.

IV.

Vor allen Dingen nehmt in Acht,
Daß Eifersucht viel Kummer macht.
Ist nur der eig’ne Acker rein;
So braucht Ihr nicht in Angst zu seyn. –
Nur die schnöde Liebe
Kennt verhaßte Triebe;
Ja, ja, die Liebe macht es so:
Sie macht es so!
CHOR.
Sie macht es so!
WILHELM.

V.

Das ist schon Recht; doch manchmal auch
Ist’s in der Ehe anders Brauch.
Da liebt das Weib den Herrn Galan
Weit mehr, als ihren treuen Mann. –
Doch nur Städter Liebe
Kennt dergleichen Triebe;
Ja, ja, die Liebe macht es so:
Sie macht es so!
CHOR.
Sie macht es so!
LISETTE.

VI.

Noch öfter ist es umgekehrt,
Wie vieler Männer Beispiel lehrt:
Mit Schönen ohne Sorg‘ und Noth;
Zu Hause weint das Weib nach Brodt! –
BEIDE.
Doch nur Städter Liebe
Kennt dergleichen Triebe;
Ja, ja, die Liebe macht es so:
Sie macht es so!
CHOR.
Sie macht es so!

Ballet.

LISETTE.
Wann ich bei meinem Wilhelm bin,
So fließen, ohne Sorg‘ und Plage,
Bei heiterm Scherz, des Lebens Tage,
Gleich einem Bache, sanft dahin. –
Wohl dem, der lieben kann: für ihn verstummt die Klage;
Er freut des Lebens sich, hat immer frohen Sinn!
Befreit von Kummer und von Plage
Ergießen, gleich dem Bach, sich seines Lebens Tage!

Ballet.

LISETTE.
Laßt uns nach jenem Rasen gehn,
Und froh in bunten Reihen springen!
Seht Ihr die schöne Linde stehn?
Da soll man erst das Tanzen sehn!
Die Mädchen wiederholen diese vier Verse.
LISETTE.
Das aber will ich mir bedingen:
Es darf heut Keiner müßig stehn.
Wir wollen uns recht wacker drehn;
Die Alten pfeifen, blasen, singen! –
Laßt uns nach jenem Rasen gehn, u.s.w.
DIE MÄDCHEN.
Laßt uns nach jenem Rasen gehn, u.s.w.
LISETTE.
Die Städter machen mehr Geschrei;
Doch sind sie auch so froh dabei?
Nein, nein, nein, nein!
Das kann nicht seyn!
Nie sind sie so
Ganz seelenfroh,
Weil sie mit tausend Sorgen ringen. –
Laßt uns nach jenem Rasen gehn,
Und froh in bunten Reihen springen!
Seht Ihr die schöne Linde stehn?
Da soll man erst das Tanzen sehn!

Die Mädchen wiederholen die vier letzten Verse, und der Vorhang fällt.