Ruggiero Leoncavallo

Der Bajazzo

Drama in zwei Akten und einem Prolog

Personen

  • Canio (Bajazzo), Haupt einer Dorfkomödiantentruppe (Tenor)
  • Nedda (Colombine), sein Weib (Sopran)
  • Tonio (Taddeo), Komödiant (Bariton)
  • Beppo (Harlekin), Komödiant (Tenor)
  • Silvio, ein junger Bauer
  • Landleute beiderlei Geschlechtes und Gassenbuben

Zeit und Ort der wahren Begebenheit: Bei Montalto in Calabrien am 15. August (Festtag) 1865.

Prolog.

Während der Musik steckt der Taddeo der Gesellschaft den Kopf aus dem Hauptvorhang und harangiert, im bunten Harlekinkleid und spitzer Mütze, das Publikum.

TONIO.

Schau’t her … Ich bin’s.
Doch nah‘ ich ganz ernsthaft
Und grüsse Euch, werte Herren und Frauen
Heut‘ als – Prologus!

Ihr seht die heitern Masken
Mit Staunen wohl im ernsten Spiele!
Und da will es der Brauch,
Dass ich des Dichters Ziele
Euch nenne und kurz erkläre.

Denn nicht wie sonst gilt heut‘ der Satz:
»Die Thränen der Bühne sind falsch, sind Lug,
Falsch alle Seufzer auch, und die Schmerzen Betrug
Nehmt d’rum die Bühne nie ernst …!«

Nein, nein!
Heut‘ schöpfet der Dichter kühn
Aus dem wirklichen Leben
Schaurige Wahrheit!

Ach, nicht die Märchen allein
Sind der Zweck der Kunst,
Auch was er wirklich sieht,
Schild’re der Dichter:
Dann erringt er der Menschen Gunst!

Jüngst taucht in des Autors Seele
Jäh die Erinn’rung auf an ein Erlebniss,
Das tief ihn dereinst erschüttert‘;
Noch heute rinnt die Thräne,
Obgleich er’s nur erzählt im Lied!

Hört denn! Lasst Euch im Stücke rühren
Der Liebenden Schicksal,
Das Eu’rem oft gleicht …
Den Hass sehet wüten
Den Neid sehet nagen;
Bis das Mass der Schuld erreicht ist –
Und die Hölle fordert
Mit heiser’m Lachen ihren Lohn …

O glaubt mir: Wie Euch
Schlägt voll Lust und Leid
Auch in des Gauklers Brust ein Herz;
G’nau wie Euch quillt lindernd ihm die Thräne,
Wenn ihn bedrückt ein Schmerz …

Wir Alle auf Erde.
Wandeln im gleichen Licht,
Bis am Ziele dem Reichen wie dem Aermsten
Einst das Auge bricht …

Wie mein Dichter die Welt sah,
Hab‘ ich verraten! Seht nun sein Werk …

In di Scene rufend:

Macht fort; das Spiel kann beginnen!

Tritt zurück.

Erster Akt.

Die Scene stellt eine Wegkreuzung hart an einem Dorfe dar. Es ist ein Festplatz gedacht mit Buden u.s.w. Die rechte Seite der Bühne wird vom Jahrmarktstheater eingenommen. Eine niedere Mauer trennt die Buden von den Dorfhütten, und hinter dieser Mauer ist ein Pfad, der zum Walde ansteigt.

I. Scene.

Bei’m Aufgang des Vorhangs misstönende Trompetentöne, Lärm der Trommel, Schreien und Lachen von herzueilenden Landleuten und tobenden Gassenjungen. Tonio, als Tölpel der Gesellschaft, sieht verdrossen der herannahenden Menge entgegen und kauert sich dann vor der Spielbude auf den Boden. Ein heisser August-Nachmittag.

Chor der Landleute; Männer, Frauen, Gassenbuben; dann Nedda, Canio, Tonio, Beppo.

Chor.

DIE BUBEN schreiend.
Heh!
FRAUEN.
Sie sind’s, dort nahen sie, die Gaukler
MÄDCHEN.
Macht Platz, die Gaukler nah’n …
BURSCHE.
Sie nah’n, macht Platz …
MÄNNER.
Macht Platz, sie nah’n …
FRAUEN.
Sie Alle, gross und klein,
Sind im Gefolge,
An deren Witz und Spiel
Wir stets uns freu’n.
MÄNNER.
Bajazzo kommt …
Doch blickt er düster
Und im Vorüberzieh’n
Trübselig grüsst er.
FRAUEN.
Dann wieder schlägt
Er die Trommel verzweifelt.
BUBEN hinter die Scene rufend.
Peitschet den Esel,
Erhabener Meister!
ALLE.
Macht Platz – sie nah’n.
BURSCHE UND BUBEN.
Werft hoch die Hüte in die Luft …
CANIO noch unsichtbar.
Scheert Euch zum Teufel doch!
BEPPO hinter der Scene.
Schweigt, ihr Gesindel!

Es kommt nun der von Beppo geführte Wagen; auf demselben Nedda, hinter ihr als Bajazzo Canio.

MÄNNER.
Seht dort den Wagen!
Wie die Verwirrung wächst..
Ist denn das Volk behext?
Er wendet – er naht –
Gott Dank – nun ist er da …
ALLE.
Hoch leb‘ Bajazzo und die Bande
Hoch Canio, hoch, berühmt im Lande
Es lebe hoch Herr Canio, der Herr der Gaukler,
Die uns mit tollem Spiel die Stunden kürzen;
Die Künstler leben hoch, die mit Humor
Das Einerlei des Lebens würzen.

Sie Alle begrüssen wir voll Dankbarkeit,
Die uns so oft mit ihrer Kunst erfreut;
Habt Dank allzeit für Eure Mühen …
Gewiss, Ihr sollt d’raus Vorteil ziehen …
Vivat! Vivat!

Bajazzo hoch, mit seiner Laune, seinem Schwank!
Die Künstler hoch!
Zollt ihrem Spiel das froh’ste Lachen,
Dann werden sie’s noch besser machen …
Bajazzo hoch! …
Wir preisen die Gaukler,
Wir loben ihr Spiel.
CANIO.
Dank Euch … Ihr wisst..
DIE MENGE.
Bravo, bravo!
Wann fängt denn endlich
Das grosse Spektakelstück an?
CANIO.
So seid doch still!
DIE MENGE.
Wie gräulich, uh, hör‘ auf,
Hör‘ auf, Du machst uns taub!
CANIO sich komisch verbeugend.
So hört denn – mit Verlaub!
DIE MENGE lachend.
Seid ruhig, lasst ihn reden jetzt!
Schweigt still, hört endlich zu!
CANIO mit Emphase.
Ein herrliches Schauspiel bereiten wir heut‘
Abend um neun,
Und laden submissest die Herrschaften
Alle ein!

Gar viel giebt’s zu seh’n
Zuerst der Eifersucht Wut bei Bajazzo,
Dann wie er sich rächt und legt
Der Treulosen listige Schlingen..

Dann seht Ihr den Taddo feig zittern und beben,
Und wie im Intrigengeweb‘ er sich fängt …!

D’rum kommt, Vielverehrte, zu uns
Heut‘ Abend in’s Schauspiel. Das Stück ist ganz herrlich:
Punkt neun Uhr Eröffnung!
DIE MENGE.
Wir kommen zum Spiel;
Doch Du sei dann besserer Laune …
Auf Wiedersehn, Canio.
CANIO.
Seid nochmals geladen …
ALLE.
Um neun Uhr heut‘ Abend!

Canio steigt vom Wagen; Tonio nähert sich zudringlich Nedda, um ihr beim Absteigen behülflich tu sein. Darauf giebt ihm Canio eine tüchtige Ohrfeige und hebt dann selbst Nedda vom Wagen zur Erde.

CANIO.
Scheer‘ Dich fort..
FRAUEN UND MÄDCHEN zu Tonio.
Nimm Dich in Acht,
Willst Du galant sein …
DIE BUBEN spottend.
Ganz ergebenst.

Tonio droht den Buben; Beppo schafft den Wagen hinter die Bühne.

TONIO für sich.
Das sollst Du büssen,
Wart‘, Du Schuft, Du..
EIN BAUER zu Canio.
Du, komm mit; zu einem Glas
Guten Chianti lad‘ ich Dich in die Taverne …
Sprich – Du willst?
CANIO.
Mit Vergnügen …

Beppo erscheint wieder, von hinten kommend.

BEPPO.
Nehm’t auch mich mit Euch …
Gross ist mein Durst!
CANIO hinter die Scene rufend.
Hör‘, Tonio, Du! Gehst Du mit uns?
TONIO von innen.
Ich sorg‘ erst für den Esel.
Geht nur, ich folg‘ Euch schon.
EINIGE BAUERN scherzend.
Glaub’s nicht, Freund Canio!
Allein bleibt er mit Nedda,
Um Dir Dein Weib zu stehlen …
CANIO lächelnd, aber mit Grimm.
Ha, ha! Ihr scherzt wohl?

Arioso.

Scherzet immer – doch eines schont,
Was in der Brust des Mannes
Oft tief verborgen, unsichtbar,
Doch leicht verwundbar wohnt:

Um die Treu‘ seines Weibes
Ist’s der Zweifel, sind’s die Sorgen.
D’rum merkt auf: reizt nie mein Misstrau’n!

Zwar – dort oben

Auf die Bühne weisend.

Bin ich Bajazzo nur! …
Ihr lacht ja und Ihr lobet,
Find’t der sein Weib in Freundes Arm
Und nun verzweifelt tobet,
Dann als Tölpel kläglich nachgiebt
Und zuletzt noch wird geprügelt..

Ei wie schön, wie Ihr Beifall
Klatscht ungezügelt …

Anders jedoch wär’s im Leben!
Fänd‘ ich Nedda je treulos, wär’s ihr Ende:
In ihr Herzblut taucht‘ mit Wollust ich die Hände …
D’rum scherzet nur – doch achtet, dass
Das Spiel nie werde Wahrheit!
NEDDA für sich.
Wie er mich ängstigt …
DIE MÄNNER zu Canio.
Was hast Du?
Was nur bringt Dich so in Wallung?
CANIO.
Mich? Nein, ’s ist nichts …
Verzeihet mir!
Mein Weib bet‘ ich ja an …

Küsst Nedda auf die Stirne.

Scene und Glockenchor.

Schalmeien hinter der Bühne; Zusammenlauf der Menge. Man begrüsst einander, tritt zu Paaren zusammen und ordnet sich zum Kirchgang.

DIE MENGE.
Die Musikanten! Die Musikanten!
Sie zieh’n zur Kirche nach altem Brauch,
Wo sie begleiten die frommen Gesänge
Schon strömt zur Vesper die harrende Menge.

Glockenchor.

CHOR.
Ah! So hört doch die Glocke,
Sie ruft zum Haus des Herrn.
CANIO.
Doch dann, seid gut eingedenk;
Dem Schauspiel bleibt heut‘ nicht fern!
ALLE.
Nun komm’t zum Haus des Herrn!
MÄNNER-CHOR die Glocken nachahmend.
Bim, baum; bim, baum, etc.
FRAUEN-STIMMEN.
Bim, baum, ruft der Glocke Ton
Die Mädchen und Bursche zieh’n herbei
Zu Paaren, in des Lebens Mai;

Bim, baum, wenn die Vesper schallt,
Sinket auch die Sonne bald,
Die Lieb‘ ersehnt die Nacht,
Doch ach, das Aug‘ der Mütter wacht …

Bim, baum, lösch‘ aus, gold’nes Licht,
Die Liebe, ach sie braucht Dich nicht,
Sie leuchtet selber sich und glüh’t,
Wo jemals sie in’s Herze zieht.

Bim, baum etc.
MÄDCHEN.
Die Mütter behüten uns,
Ihr Auge sieht scharf;
Sink‘ nieder, Strahl voll Licht,
Die Liebe braucht Dich nicht.
JUNGE MÄNNER.
In stiller Nacht,
Wenn mein Mädchen wacht,
Schleich‘ ich hin zu ihr – facht, facht …
Bim, baum etc.

Immer weiter verschwinden die Paare im Hintergrund.

Bim, baum. Ah …

Chöre ab.

II. Scene.

Nedda allein, dann Tonio.
NEDDA nachdenklich.
Wie flammte auf sein Auge …!
Ich senkt‘ die Blicke zur Erde, voller Angst,
Dass er säh‘ mein böses Gewissen …

Gott – wenn er mich durchschaute!
Jähzornig wie er ist,
Geschäh‘ wohl ein Unglück …

Ah, der Gedanke macht mein Herz erbeben
. . . . . . . .
Noch lacht die Sonne auf meinen Pfaden;
In vollen Zügen athm‘ ich
Des Lebens holdes Sehnen
Und verzehre mich in Liebesgluten …

Oh! Die lustigen Vög’lein!
Wie schön sie singen! Wer lehrt’s euch?
Wohin flieg’t ihr? Sagt an?
Die Mutter konnte die Sprache der Vögel versteh’n.

Und sie weissagt‘ die Zukunft.
Als ich ein Kind noch
Hört‘ ich sie singen:

Vogellied.

Hui! Hui!
Wie die Vöglein schweben,
Hoch im Aetherblau
O sie sind schlau:
Sie wissen von Freiheit und Glück
Und lassen im Nebel die Erde zurück!

Und wenn Frau Sonne
Früh neu ersteht,
Dann grüssen Morgenlieder
Ihr Licht aufjubelnd wieder …

Und rollen die Donner
Und zucken die Blitze rot,
Bergen in Wipfeln sie weise
Ihre Köpfchen – es hat nicht Not:

Ist der Sturm verflogen,
Prangt am Firmament
Der bunte Friedensbogen –

Dann zwitschern sie wieder
Die süssesten Lieder,
Dann trägt ihr Gefieder
Sie hinweg! Wohin?

Zur Erde nieder? Zum Himmel an?
Weit bis zum Lande,
Das sie im Traume suchen,
Wo alle Sehnsucht find’t Frieden und Ruh‘ …

Boten! Fragt doch im Fluge,
Ob er mein denket,
Das Herz mir schenket …
Dann sagt auch ihm, ich sei ihm gut …!

Tonio ist während des Liedes leise eingetreten.

Scene und Duett.

NEDDA barsch, unangenehm berührt.
Was giebt’s? Du sagtest doch,
Du gingst zum Weine!
TONIO.
Mich fesselte Dein Singen!
Du hast bezaubert mich,
Mein ganzes Wesen …
NEDDA spöttisch lachend.
Sieh‘ da, Du spielst wohl den Poëten?
TONIO.
Willst Du mein spotten?
NEDDA.
Fort, geh‘ nur zum Wirtshaus …
TONIO sentimental.
Ich weiss wohl, ich bin Dir
Im Grunde verächtlich,
Bin nichts als der Tölpel,
Der nichts hat und nichts fühlt …

Und doch hab‘ ein Herz ich,
Das warm schlägt wie Allen –
Das schmerzet im Leid …

Drum sei nimmer grausam,
Mein Loos muss Dich rühren;
Doch höhnest Du mich, ist
Verzweiflung mein Schicksal!

Du hast mich bezaubert,
Dich kann ich nie lassen,
Die Liebe verzehrt mich,
Sie wird mich noch töten.

O schenk‘ mir der Hoffnung
Gnädigen Strahl …
NEDDA jäh unterbrechend.
Mich liebst Du?
Bewahr‘ Deine Schwüre doch –
Sag‘ sie abends her …
TONIO.
Nedda!
NEDDA.
Ja, abends auf der Bühne,
Da gehören sie hin …
Dort spiel‘ den Verliebten!
TONIO.
Bei Gott, Du höhnst mich
Du weisst, wie ich leide,
Der Schmerz überwältigt mich!
NEDDA.
Heut‘ Abend …
Da sei der verliebte Tölpel,
Da passt es ja … ha, ha, ha!
TONIO gereizt.
Du! – lache nicht – nicht lachen!
NEDDA ungerührt.
Die Zeit reift die Strafe, Freund!
TONIO.
Du hast mich bezaubert,
Nun trag‘ ich die Qual …
Nedda! Flehend. Nedda!
NEDDA.
Du Tölpel! Du wirst’s noch bereu’n!
TONIO.
Nein. Hör‘ zu, was ich Dir künde jetzt:
Du musst, Nedda, mein eigen sein;
Du bist der Himmel mein,
Auf den ich hoffe!
Schütz‘ vor Verzweiflung mich,
Ich such‘ nur ewig Dich …
NEDDA schroff, beleidigend.
Halt! Sag‘ doch, süsser Tölpel,
Du willst wohl tüchtige Prügel?
Halte Dein Mundwerk im Zügel –
Sonst kühlen Hiebe Deine Glut!
TONIO.
Das droh’st Du?
So vernimm denn:
Bei dem Kreuz des Erlösers,
Nedda, den Schimpf sollst Du mir büssen.
NEDDA.
Du prahlst noch? Gut –
So ruf‘ ich gleich nach Canio!
TONIO auf Nedda zugehend.
Nicht eh’r bis Du mich küssest …
NEDDA zurückweichend.
Hüt‘ Dich! …
TONIO.
O komm‘, sei ganz die Meine..

Er will auf Nedda zustürzen; sie erwehrt sich seiner, hebt Beppo Peitsche von der Erde und schlägt ihn damit in’s Gesicht.

NEDDA.
O Du Elender …
TONIO der zurücktaumelt.
Bei der Jungfrau!
Nun ist voll das Mass.
Dirne! …Dich kenn‘ ich …

Stürzt drohend ab.

Diese Schmach bereust Du!
NEDDA unbeweglich ihm nachblickend.
Drohe nur – Geh‘!
Nun hast Du Dich entlarvt! Wie ich Dich hasse …
In des Heuchlers Maske verbargst Du tierische Lust.
Vorbei nun …! Ungetüm …!

III. Scene.

Silvio, Nedda, später Tonio.

SILVIO auf der Mauer erscheinend.
Nedda!
NEDDA.
Silvio – zu dieser Stunde?

Silvio springt herab.

Wie gefährlich!
SILVIO lächelnd.
Ah bah! Sei ruhig, denn nichts
Verwegenes wag‘ ich!
Canio sitzet bei’m Wein,
Mit Beppo sah ich ihn
In der Taverne brav trinken …
Dann erst schlich ich auf dem Feldweg
Ganz leise zu Dir her …
NEDDA.
Um ein Haar hätt‘ Tonio
Dein Kommen doch gesehen …
SILVIO lachend.
Der Dummkopf!
NEDDA.
Der Dummkopf ist gefährlich!
Er liebt mich! G’rade jetzt gestand er’s
Und wie ein Tier in blinder Wut
Droht‘ mit Gewalt er
Mich zu umarmen, zu küssen!
SILVIO.
Hilf Gott! …
NEDDA.
Da mit der Peitsche
Hab‘ ich ihn gezüchtigt
Nun brütet er Rache?
SILVIO sich Nedda ruhig und liebevoll nähernd
Nedda! jetzt hör‘ an:
Willst Du ewig so leben?
Nedda – folge mir …
Heute fällt mein Geschick …
Nedda – trenn‘ Dich von jenen!
Dein Antlitz wend‘ nicht ab,
Erhör‘ Deines Freundes Sehnen …
Nedda – Nedda …!
Zögst Du mit ihnen nochmals von hinnen,
Was soll ich Aermster auf Erden beginnen?
Wenn der Liebe Licht erlischt?
NEDDA.
Silvio!
SILVIO.
Nedda, o gieb mir Antwort jetzt:
Kannst Du denn achten Deinen rohen Gatten
Wenn nicht – musst Du Dich trennen.
Fliehe zu Silvio! Sieh‘ mich entbrennen,
Dich zu beschirmen treu und fromm …
Zög’re nicht, Nedda, komm!
Diese Nacht lass‘ gemeinsam uns flieh’n!
NEDDA.
Schone mein! Willst Du des Lebens Ruh‘ mir störe
Schweig‘, Geliebter …
Und doch darf ich schwören:
Dich nur liebe ich heiss.

Dir vertraut‘ ich mich an …
Sieh‘ meines Herzens Not,
Ach wende Dich nie von mir,
Denn, Silvio, es wär‘ mein Tod!

Bestürme nicht mein wehrlos Herz
Erbarm‘ Dich mein!
Wie ich Dich lieb‘, weisst Du allein!
Für Dich gäb‘ ich mein Leben hin;
Doch heischt mein Los: – immer weiter zieh’n.
Die Meinen rufen mich, mich rufen ernste Pflichten.
Ich darf mit Dir nicht flieh’n, – müsst‘ ich
Beide uns ewig auch zu Grunde richten!
SILVIO.
Doch, Nedda! Komm … flieh …
NEDDA.
Verzeihe mir! All‘ mein Glück
Bleibt bei Dir zurück …
SILVIO.
Nedda, verlass‘ mich nicht.
NEDDA.
Schweig‘, Geliebter! O fach‘ nicht an
Neu die Gluten!
Siehe, geliebtester Mann,
Mein Herz verbluten … –
Doch – fliehen darf ich nicht.
Mich halten Ehr‘ und Pflicht …
Erbarm‘ Dich mein –
Bestürme nicht mein wehrlos Herz!
SILVIO.
Wie lebt‘ ich ohne Dich,
Ich kann Dich niemals lassen
Entflieh‘, o komm‘ mit mir …

Tonio erscheint im Hintergrund.

SILVIO.
Tot ist Deine Liebe …
NEDDA.
Gott! …
SILVIO.
Du liebst mich nimmer …
TONIO.
Ah – die Buhlen gefangen!

Schleicht sich leise wieder hinweg.

NEDDA.
Ich liebe Dich ewig …
SILVIO.
Und willst nicht mit mir fliehen?
Warum denn hieltst Du mich sehnend umfangen,
Schenkst Du nicht Mitleid meinem Verlangen?
Warum so glühend die Lippen mir küssen,
Wenn wir für immer doch scheiden müssen?
Wenn du bereust die seligen Stunden,
Da sich zum Herzen das Herz gefunden –
Ich kenn‘ nicht Reu‘, kein feiges Zagen,
Für Dich will das Leben selig ich wagen!
NEDDA überwältigt, hingerissen.
Nein, keine Reu‘, kein Zagen, kein Bangen,
Hängt doch an Dir, Freund, mein höchstes Verlang.

Dir vereint, sinkt die Welt
In ein Meer von Liebe,
Bin zum Licht neu erwacht,
Weih‘ Dir die höchsten Triebe …

Sieh‘ mich, Geliebter, fügsam Deinem Willen,
Du nur kannst mein Sehnen, die heissen Wünsche stillen …
BEIDE.
Wir sind vereint!
Ewig nur Dein!
Sieh‘ mir selig in’s Auge,
Dein Bild ist d’rin.
Küss‘ fort die Thränen,
Nimm Geliebter, / Geliebte, ganz mich hin.

Canio und Tonio erscheinen am Eingang.

TONIO.
Schleich‘ leise, Canio,
Willst Du sie überraschen …

Er hält Canio immer zurück.

SILVIO.
Auf nächste Nacht denn …

Er geht, durch den Körper Nedda’s gedeckt, so dass er nicht erkannt werden kann, zur Mauer. Dieser nähern sich von der andern Seite Canio und Tonio, ohne das Liebespaar zu sehen.

SILVIO halb auf der Mauer.
Dort unten erwart‘ mich …
Gleich bin ich drüben …
Du weisst, wo Du mich findest …
NEDDA zu Silvio, der leise verschwand
Diese Nacht denn … und für ewig die Deine …

Canio stösst einen Wutschrei aus.

NEDDA hört den Schrei, wendet sich, erblickt Canio und ruft rasch gegen die Mauer:
Fliehe!

Canio will über die Mauer dem Flüchtling nacheilen. Nedda wirft sich ihm entgegen. Nach kurzem Ringen steigt Canio über die Mauer.

NEDDA ängstlich aufhorchend.
Beschirm‘ ihn – grosser Gott …
CANIO hinter der Mauer, rufend.
Bube – steh‘ Rede …
TONIO lacht cynisch.
NEDDA.
Bravo, Du edler Tonio …
TONIO.
Ich that, was ich konnte …
NEDDA.
Und ich durchschau‘ Dich, Schurke!
TONIO sie unterbrechend.
Nun, ich hoff‘, dass ich mehr noch
Dir kann schaden!
NEDDA.
Wie ich tief Dich verachte!
TONIO.
O wie Musik klingt’s,
Wenn Du mir fluchst …
CANIO kommt zurück.
Bei der Hölle Rache: Nichts!
Der Schuft kennt die Wege mehr als ich …
Mag’s d’rum sein.

Gedämpft.

Nenn‘ mir des Buhlen Namen;
Dann magst Du geh’n …
NEDDA sich rasch umwendend
Ich?
CANIO höchst heftig.
Du! beim ew’gen Gotte …
Wenn ich nicht im Momente
Auf frischer That Dich erwürgt‘ –
Nicht des Dolches Klinge befleckte
Mit der Schändlichen Herzblut … –
So war’s nicht Schonung …
Denn seinen Namen musst‘ ich erst wissen …
Nenn‘ ihn!!
NEDDA.
Magst Du mir drohen:
Mein Mund bleibt fest verschlossen …
CANIO wütend.
Den Namen – den Namen!
Mache schnell, sag‘ den Namen …
NEDDA.
Nein, nicht bis zum jüngsten Tag!

Beppo tritt ein.

CANIO.
Nun, bei der Hölle …

Er stürzt mit gezücktem Dolch auf Nedda; Reppo entreisst ihm die Waffe und schleudert sie weit weg.

BEPPO.
O Meister! Was thut Ihr?
Um der Liebe Christi -!
Die Vesper ist beendet,
Seht, das Volk strömt schon
Zu unser’m Schauspiel …
Kommt schleunig rasch,
Beruhigt Euch …
CANIO abwehrend.
Lass mich nur, Beppo …
… Den Namen – Den Namen!
BEPPO zu Tonio.
Tonio – hilf Canio halten!
CANIO.
… den Namen …!

Tonio fasst Canio unter den Arm und führt ihn gewaltsam zur Linken.

BEPPO.
Jetzt Fassung – schon naht das Publikum …
Später erfahrt Ihr …

Sich zu Nedda wendend.

Und Ihr … macht rasch!
Schnell kleidet Euch …
Zieht Euch für jetzt zurück …

Sie zum Theater drängend.

Herr Canio ist wohl heftig,
Wie Ihr wisst, doch gut …
CANIO den Kopf zwischen die Hände pressend.
Verworf’ne … O Schande …!
TONIO leise zu Canio.
Beruhigt Euch für jetzt. Hört:
Ich bilde fest mir ein, der Bursche kehrt zurück.
Gebt Euch in meine Hut! Nicht aus den Augen
Lass‘ ich Eu’r Weib, vertraut mir! …
Wer weiss: kommt er in’s Schauspiel,
So verrät er sich! Haltet Euch tapfer.
Denn seht: nur wenn wir ruhig sind,
Wird er gefangen …

Tonio geht nach hinten.

BEPPO.
Was ist das, Herr? Noch nicht im Kostüm?
O eilet …
… Und Du

Zu Tonio.

Schlag‘ auf die Trommel – Vorwärts …!

Tonio und Beppo ab hinter die Bühne.

Bajazzo’s Lied.

CANIO allein.
Jetzt spielen? Wo mich Wahnsinn umkrallet?
Wo kaum ich weiss zu stammeln, noch klar zu sehn!
Und doch: es muss sein –
Das Schicksal will’s.
Bah – bist Du denn ein Mensch?

Bitter lachend.

Bist nur Bajazzo!
Hüll‘ Dich in Tand und schminke Dein Antlitz:
Man hat bezahlt ja – will lachen für’s Geld.

Du bist Hanswurst nur; raubst Du Colombine,
Schreit man: Bajazzo, der kennet die Welt.

Die vielen Thränen, die im Spiel wir verhüllen,
Geknicktes Hoffen, – ein todwundes Herz:

Ah – lach‘ doch, Bajazzo, schneid‘ tolle Grimassen,
Kennst kein Gefühl, bist ein Spielzeug zum Scherz!

Langsam und weinend schleicht Canio zu seiner kleinen Bühne.

Der Vorhang fällt sehr langsam.

Zweiter Akt.

Dieselbe Scenerie wie vorher. Abend.

I. Scene.

Beppo kommt mit Tonio aus dem Theater. Von allen Seiten strömt das Volk herbei, um der »grossen Vorstellung« beizuwohnen.

CHÖRE.
Hoheh – hoheh!

Vorwärts – eil’t Euch,
Doch seh’t Euch vor …

Drängt nur nicht so,
’s ist Platz für Alle!
EINIGE FRAUEN.
Herrlich, das Schauspiel seh’n,
Bleibt nicht so ferne.
Wenn Colombine weint,
Das sieht man gerne …
ANDRE.
Ruhig, immer weise,
Schlimm ist’s Gedränge,
Nur sein geduldig sein –
Platz giebt’s in Menge.
TONIO schreihend.
Herbei, herbei – zum Spiele!
EINIGE MÄNNER.
Nur frisch gedrängt
Auf unsern Platz …
ANDRE.
Wer Glück im Suchen hat,
Find’t seinen Schatz!
ANDRE.
Wann endlich fängt der Zauber an?
TONIO.
Gleich wird begonnen!
FRAUEN.
Ihr hör’t – gleich fängt das Schauspiel an.
ANDRE.
Schweigt still, damit man lauschen kann!
TONIO.
Schnell noch herbei,
Gleich schellt’s zum Anfang!
MÄNNER.
Nein, sehet doch die Jugend,
Wie sie drängt und Spässe macht …
ANDRE.
Bei Gott, ’s ist zu viel! Nur sacht,
Es lacht am besten, wer am letzten lacht …
TONIO.
Nehmt ein die Plätze!
FRAUEN.
Längst sind wir fertig!
Wollt Ihr uns foppen?
Seit einer Ewigkeit
Lasst Ihr uns harren,
Euer Spectaculum hält uns zu Narren …
ANDRE.
Beeilt Euch doch!
Was nur noch
Zögert Ihr
Frisch zu beginnen?
EINIGE.
Wenn Ihr noch lange macht,
Geh’n wir von hinnen.
TONIO aus dem Theater kommend.
Herbei, herbei, zum Spiele!
FRAUEN.
Hier fehlen Sitze noch. –
ANDRE.
Geb’t Euch zufrieden doch …
EINIGE.
Und heiss ist’s! Ah … Luft!..
ANDRE.
Ja heiss wahrlich, Ah … Luft!..

Es entsteht hinten Zank um die Plätze.

MÄNNER.
Seh’t nun gar raufen sie.
ANDRE.
Halt! Streit gemieden!
FRAUEN.
Wir nahmen hier zuerst den Platz –
ANDRE.
Nein, hart dabei sind Eure Sitze!
ANDRE.
Wir sitzen schon zu eng.
ANDRE.
Hilf, Beppo – schaff‘ uns Lust!
Matt macht uns die Hitze …
MÄNNER.
Schweig’t endlich still
Und haltet Ruh …

Nedda, als Colombine gekleidet; erscheint.

SILVIO leise zu Nedda.
Nedda!
NEDDA.
Sei wachsam! Er brütet Rache.
SILVIO.
Schon gut! – Doch harr‘ ich Dein …
Sei pünktlich da!
ALLE von neuem ungeduldig.
Fang’t endlich an! Worauf noch warten?
BEPPO.
Beim Teufel … Seht Ihr nicht?
Erst müsst Ihr zahlen,
Nedda kassiert noch …
MÄNNER ihr Geld bringend.
Nun wohl, da nimm
Und mach‘ mit dem Geschäft
Nun bald ein Ende.
ALLE.
Schnell jetzt – zum Anfang!
Wer nur begreift,
Dass sie nicht spielen wollen?
Vielleicht lernt man noch
Heimlich an den Rollen!

Fahr‘ hin, Geduld,
Mach’t Lärm mit Händ‘ und Füssen,
Und prellt man uns,
Soll es die Bande büssen …

Um ist die Zeit,
Poltert und schreit,
Macht endlich Ernst,
Lasst seh’n den Anfang …

Langes, starkes Klingeln im Innern des Bühnentheaters.

DIE MENGE mit Genugthuung – schnell beruhigt
Ah! ’s hebt sich der Vorhang!
Seid still, ganz still …
O seht, jetzt fängt man an …

Die Komödie der Colombine.

Der Vorhang der kleinen Bohne öffnet sich. Ein ärmliches Gemach mit zwei Seitenthüren und einem Fenster im Hintergrund. Ein alter Tisch und zwei Strohstühle sind das ganze Mobiliar. Colombine (Nedda) sitzt vor dem Tisch, mit Zeichen der Ungeduld. Sie steht endlich auf, sieht spähend durch das Fenster und macht unruhige Schritte hin und her.

COLOMBINE (NEDDA).
Bajazzo, mein Gemahl,
Weilt fern meiner Schwelle …
Kehr’t heim erst zur Nacht;
Und dieser träge Schlingel, der Taddeo …
Wo nur bleibt er?
Was er wohl macht …

Man hört eine Guitarre hinter der Scene präludieren.

HARLEKIN (BEPPO).

Von hinten.

Ständchen.

O Colombine, hör‘ den treuen Harlekin
Lass‘ sein Lied zärtlich zu Dir zieh’n …
Lass‘ Dich die Klage seines Herzens rühren,
Zeig‘ Dein holdes Antlitz,
Reich‘ den Mund zum Kuss,
O zög’re nicht!
Dass ich an liebesbittern Qualen
Nicht sterben muss …

Schenk‘, Liebste, mir Gehör,
O Colombine!
Oeffne Dein Fensterlein,
Ich bin Dir nah‘,
Lass mich herein …
Der arme Harlekin,
Er schmilzt vor Liebe hin …!
Lass mich herein,
Ich bin da!
COLOMBINE.
Das wohlbekannte sich’re Zeichen
Zu geben, zögr‘ ich noch.
Dann – Harlekin … gut aufgepasst!
TADDEO Tonio tritt mit einem Marktkorb durch die Thür, die er weit öffnet, ein.
Sie selber! Götter – wie schön!
DIE ZUSCHAUER vor der Bühne lachen laut.
Ha, ha, ha, ha, ha …
TADDEO fortfahrend.
Den Aufruhr möcht‘ ich Dir schildern,
Den die Lieb‘ in meinem Herzen angerichtet
Ach, dürft‘ ich sprechen,
So wie ich wollte,
Doch bin ich zaghaft,
Ob ich es wagen sollte …
Wohlan – versucht sei’s …
Ah …
COLOMBINE.
Bist Du’s – Dummkopf?
TADDEO.
Meint Ihr mich? – Ja.
COLOMBINE.
Ist mein Mann wirklich fort?
TADDEO.
Ich sah ihn geh’n …
COLOMBINE.
Was stehst Du so und gaffest?
Sag‘ – kauftest Du das Huhn denn?
TADDEO.
Seh’t nur her, himmlisches Wesen.

Er präsentiert niederknieend den Korb.

Vorerst doch – –
Sieh‘ mich hier liegen
Zu Deinen Füssen.
Diese Stunde ist heilig!
O Colombine,
Ich enthüll‘ Dir mein Herz!
Sprich! Werd‘ ich erhört?
Als ich …
COLOMBINE unterbrechend.
Sagst Du nun endlich,
Was Du zahltest?
TADDEO.
Einundeinhalb nur …

Colombine reisst ihm den Korb aus der Hand, stellt ihn auf der Tisch und giebt am Fenster ein Zeichen.

Doch … ich sprach ja von Liebe,
Vom Herzen, wie es leidet …
COLOMBINE.
Hört der Unsinn jetzt auf?
TADDEO.
Du bist die Tugend selbst,
Du bist die Keusche, die Reine,
Bist, ach – die Eine!
Weiss wie Schnee … der frisch gefallen.

Harlekin, durch’s Fenster eingestiegen, stellt eine Flasche Wein auf die Erde und schleicht sich dann hinter Taddeo.

Mög’st Du so bleiben …
Ein Beispiel Allen,
An das Verleumdung sich nicht wagt.
HARLEKIN.
Wag‘ Du Dich selbst nicht …
TADDEO.
Götter – ihn liebt sie?
Seh’t, wie ich mich bescheide,
Ich segn‘ Euch Beide,
So! Ich räum‘ das Feld Euch.

Ab.

Duettino.
COLOMBINE.
Harlekin!
HARLEKIN.
Colombine!
Heut‘ krönt der Himmel
Der Liebe heisses Fleh’n …
COLOMBINE unterbrechend.
… doch vorher – Vespern!

Nimmt aus der Tischlade zwei Bestecke und legt sie auf.

COLOMBINE.
Acht‘ wohl, Du süsser Mann,
Wie gut ich Dir das Mahl bereitet.
HARLEKIN.
Und Du denk‘, dass des Weines Geist
Den Wert des Mahl’s bestreitet.
BEIDE.
Die Liebe mag nicht fasten,
Sie schätzt, was gut und teuer.
HARLEKIN.
Ein Leckermäulchen bist Du.
COLOMBINE.
Du liebst des Weines Feuer.
HARLEKIN ein kleines Fläschchen aus der Brusttasche ziehend.
Gieb, Geliebte, von diesem Trank
Deinem Mann ein wenig;
Wenn er schlummert, fliehen wir.
Erwacht er …
COLOMBINE.
… Ich versteh‘ Dich!
TADDEO herbeistürzend, sich aufgeregt zitternd stellend.
He, Hollah! Bajazzo naht!
Ganz ausser Fassung, er sucht nach Waffen,
Weiss schon Alles..
Schnell will ich mich verbergen …

Geht ab und schliesst die Thür hinter sich.

COLOMBINE zu Harlekin.
Eil‘ Dich …
HARLEKIN schwingt sich auf’s Fensterbrett, steigt hinüber und ruft von aussen.
Giess‘ den Saft alsbald in sein Getränk!
COLOMBINE.
Auf die Nacht denn …
… Und für ewig … bin ich die Deine …
BAJAZZO Canio, eintretend, für sich.
Bei allen Heil’gen – genau dieselben Worte!
Nur Mut jetzt!

Zu Colombine, laut.

Ein Mann war hier bei Dir!
COLOMBINE.
Ihr träumt wohl? Seid berauscht gar?
BAJAZZO krampshaft an sich haltend.
Berauscht? Ich? –
Ja!

Sie fixierend.

Seit jener Stunde …
COLOMBINE.
Ihr kamt schnell wieder …
BAJAZZO.
Zur Zeit grad!…
Was quält Dich? Du sorgst Dich?

Mit verbissener Wut.

Süsse Gefährtin …

Mißtrauisch umherblickend.

Dennoch nicht alleine?
Denn für zwei ist gedeckt!
COLOMBINE.
Taddeo war der Zweite …
Er hat sich dort aus Furcht verschlossen.
Hör‘ an, – sprich jetzt …
TADDEO von innen, scheinbar vor Erregung zitternd.
O glaubet ihr – Sie lüget nicht,
Sie ist engelsrein …
Der Mund, er wär‘ verflucht,
Der anders spricht …

Die Zuschauer lachend: ha ha ha ha …

BAJAZZO entrüstet ins Publikum.
Bei der Hölle …

Schnell gefasst zu Colombine.

… Lass‘ geh’n nur.
Nun ist’s genug,
Ich spiel‘ mit Höllenqualen,
… den Namen sag‘ …!
NEDDA lachend.
Von wem?
CANIO.
Jenen Namen muss ich wissen
Des Schurken, der Dich meinem Arm entrissen
O falsche Teufelin –
NEDDA neckisch.
Bajazzo, Bajazzo!
CANIO.
Nein, bin Bajazzo nicht blos!
Wohl ist mein Antlitz bleich,
Doch blick‘ ich schmerzenreich:
Die Scham ist’s, sie ringt nach Rache.

Als Mensch jetzt fordr‘ ich meine Rechte!
Erlag auch mein Glück diesem Schlag –
So kann Blut doch die Ehre sühnen,
Kann löschen die tiefe Schmach.

Nein, Bajazzo nicht mehr! –
Ein armer Thor war ich, der im Elend
Die Waise fand an der Strasse …

Der voll Schonung die Herkunft
Mit feinem Namen deckte,
Der heiss Dich liebte
Mit rührender Güte …
DIE ZUSCHAUER.
Wie spielt er? Mir wird schauerlich!
Wie wahr die düst’re Scene.
ANDRE.
Zum Henker auch – seid doch still,
Seid still! – Ist das noch Spiel?
SILVIO.
Ich halt‘ mich kaum gefasst noch …
CANIO.
Ich wünscht‘ ach, dass im Fieber
Ich irrig gesehen!
Wenn nicht die Lieb‘, so dacht‘ ich doch,
Sollt‘ Mitleid und Schonung Dich
Mit mir verbinden.

So fest war mein Glaube
An Dein schuldloses Herz!

Vorbei – Vorbei!
Jetzt hat das Laster Dich umgarnt,
Dein Leichtsinn spielt schrecklich
Mit den heiligsten Gefühlen.

Geh‘! zu schlecht meinem Schmerz
Bist Du. Du wardst zur Dirne! – – –
Mein Fluch folgt Dir, wo Du auch bist,
Für Deine That.

Die Zuschauer applaudieren ganz aufgeregt.

NEDDA kalt, Ruhe heuchelnd.
Nun wohl! Wenn Du sagst,
Dass ich Deiner unwert –
So weise mir die Thür!
CANIO bitter auslachend.
Ja, so –
Damit Du g’radeswegs von hier
Zu Deinem Buhlen könntest laufen!
Wie listig! – Nein. – Bei Gott:
Du bleibst, Verworfne.
Den Namen Deines Buhlen will ich wissen!
NEDDA heftig.
Nein!

Schnell wieder in die Rolle übergehend, gezwungen lächelnd.

Gavotte.
Nein, so schlimm ist alles nicht,
Man muss das Beste hoffen.
Als just Du kamst, wen denkst Du wohl,
Wen fast Du getroffen?

Zeug‘, Taddo, wen ich verleugnet!
(Er ist als Galan zu nüchtern!)
’s war ja: Unser Harlekin …
So unschuldsvoll wie schüchtern …

Lacht plötzlich wie eine Tolle.

CANIO.
Ah – Willst Du spotten?
Wir sind noch nicht zu Ende,
Mich willst Du reizen?

Wütend.

Den Namen oder Dein Leben!
Entscheide! – –
NEDDA ausbrechend.
Ah! – – Nein, bei der Jungfrau,
Du darfst treulos mich schelten,
Magst mich hassen – –
Doch nie werd‘ ich Verräterin!
EINIGE ZUSCHAUER.
Was wird er machen?
Ernst wird die Sache. Schweiget still.
SILVIO.
Ich halt‘ mich länger nicht!
O die herbe Komödie …!

Beppo erscheint, wird aber von Tonio zurückgehalten.

BEPPO.
Zeit wär’s zu gehen, Tonio!
TONIO Beppo immer festhaltend.
Dummkopf! Schweige!
BEPPO.
Ich erbebe …
ZUSCHAUER (MÄNNER.)
Ernst kann dies Schauspiel enden …
ANDRE.
Still, still …
NEDDA.
Je mehr Du schmäh’st,
Je fester wird meine Liebe.
Nun ist’s genug:
Nein, und gält‘ es mein Leben.
Nein!
CANIO.
Den Namen! Ausser sich. Den Namen!

Er stürzt zum Tisch und ergreift ein Dolchmesser.

SILVIO.
Bei allen Heil’gen, er macht Ernst!
ALLE in grösster Verwirrung aufspringend und aufschreiend
Ah!

Nedda versucht vor Canio in’s Publikum zu fliehen. Aber er holt sie ein, erfasst sie und stösst ihr das Dolchmesser tief in den Rücken.

CANIO.
Nimm das – für Dich!
NEDDA tödlich getroffen, schreit auf.
Ach …
ALLE mit Beppo, den Tonio immer noch zurückhält.
Was thust Du! Halt‘ ein!
DIE FRAUEN.
Halt‘ ein …
Zu Hilfe!
CANIO zu Nedda.
In Deiner letzten Stunde, Weib, gesteh‘!
NEDDA.
Zu Hilfe – Silvio!

Bricht röchelnd zusammen.

SILVIO.
Nedda …

Bei dem Namen »Silvio« wendet sich Canio blitzschnell um und sticht Silvio in das Herz, dass dieser lautlos niederstürzt.

CANIO.
Ha! – Du bist’s? –
Gut so …!
DIE MÄNNER.
Nehmt fest ihn …
DIE FRAUEN.
Heil’ger Gott …

Canio, nun wie versteinert ruhig, lässt die Mordwaffe zur Erde gleiten und steht wehrlos und gebrochen da. Mit scheuem Mitleid blickt man ihn an.

TONIO zur Menge.
Geht ruhig heim – Das Spiel ist aus …!

Ende der Oper.