Bedrich Smetana
Dalibor
Oper in drei Acten
Personen
Wladislaw, König von Böhmen
Dalibor
Budiwoj, Befehlshaber der Wache
Ein Richter
Benesch, Kerkermeister
Veit, Dalibor’s Knappe
Milada, Schwester des ermordeten Burggrafen
Jutta, ein Waisenmädchen
Zdenko’s Geist, als stumme Erscheinung
Vasallen des Königs, Räthe des königlichen Gerichtes, Männer und Diener, Dalibor’s Volk
Ort der Handlung: Die Burg in Prag und deren Umgebung
Zeit: 15. Jahrhundert.
Erster Act.
Hofraum der Prager Burg, von Wachen besetzt. Im Hintergrunde der Königsthron und die Sitze der Richter, durch eine Barrière vom Volke getrennt; vor den Schranken drängt sich das Volk.
Erste Scene.
Jutta und Chor
CHOR.
Heut‘ hält der König selbst Gericht,
Wohl schont er den Empörer nicht:
Dalibor!
Wie immer auch das Urtheil fällt,
Es bleibt ein Ritter doch und Held:
Dalibor!
JUTTA.
Erbarmen fühlt‘ er mit der armen Waise,
Ihr war die Welt von Freuden leer!
Er nahm mich auf und gab mir Trank und Speise,
Ja, für mich sorgte wie ein Vater er!
Auf sanften Wegen wollt‘ er mich geleiten,
Mit dem Geliebten sehen mich vereint,
Die schönste Zukunft wollt‘ er mir bereiten,
Daß mir des Glückes Sonne wieder scheint!
Doch, ach, wie anders nun!
Er ist in Feindes Macht,
Die Sonne sinkt dahin,
Dahin in schwarze Nacht!
CHOR.
Heut‘ hält der König selbst Gericht,
Wohl schont er den Empörer nicht:
Dalibor!
JUTTA.
Nein, nicht verzagen!
Nein, Alles wagen!
Durch des Kerkers Riegel und Wände
Bricht die Liebe sich Bahn am Ende!
Nimm Flügel, mein Hoffen!
Den Beschützer mußt du befrei’n!
Die Engel des Himmels werden mit dir sein,
Und alle guten Geister stellen sich ein.
Die Getreuen
Werden sich freuen,
Im Lande insgemein,
Und Freiheit soll die Lösung sein!
Zweite Scene.
König Wladislaw mit Richtern und Gefolge hält feierlichen Einzug und besteigt den Thron, während die Richter auf ihren Sitzen Platz nehmen.
KÖNIG.
Ihr, meine Treuen, Rath und Volk der Stadt!
Geister der Zwietracht regen sich im Lande,
Der Krone Feind, der stolze Dalibor,
Störte des Reiches Frieden, welchen ich
Gegeben Euch! Denn er empörte sich
Von Neuem jüngst. Das feste Grafenschloß
An unser’s Reiches Grenze ward verrathen,
Er ließ den Burgherrn tödten!
Da rief herbei mich des Erschlag’nen Schwester,
Ich schwor Milada zu, den Frevel gleich
Zu ahnden, und nahm Dalibor gefangen,
Doch erst nach blut’gem Kampf. Auf Hochverrath
Wird er von mir verklagt. Bevor Ihr ihn
Verurtheilt, hört die Schwester: vor Dalibor
Die arme Milada!
Auf einen Wink des Königs erscheint, in Begleitung ihrer Frauen, die trauernde Milada.
Dritte Scene.
KÖNIG.
Tritt näher, liebes Mädchen,
Und sage, wie es war!
Hier findest Du Dein Recht nur,
Hier droht Dir nicht Gefahr!
MILADA.
Mit mir wird klagen,
Wer mit mir fühlt,
Kaum kann ich sagen,
Was mich durchwühlt!
CHOR.
Ach, armes Kind!
JUTTA für sich.
Mein Blut gerinnt!
MILADA.
O Gott, gieb Kraft mir!
All‘ die Schrecken
Nur Grauen mir erwecken,
O möchte Nacht sie doch bedecken!
Spät war es schon. Vom Tagwerk
Ruhte sich Alles aus,
Friedlichen Schlummer athmend,
Lagen uns Hof und Haus …
Da, von dem Lager aufgeschreckt, fuhr ich empor.
Furchtbar erscholl es plötzlich: Dalibor!
Und Schwerter-Gerassel
Und Flammengeprassel
Und Jammergeschrei!
Man ruft durch die Hallen:
Wir sind überfallen,
Gott stehe uns bei!
In fliegender Eile floh ich,
Kaum wußt‘ ich, wie mir geschah,
Der Bruder … ich sollt‘ ihn finden:
Bleich, todeswund lag er da!
Mich traf sein letzter Blick!
Umnachtet, gebrochen schon
Wollt er mich grüßen, … aber
Die Seele war entfloh’n.
Wohl über Trümmer und Leichen
Fort ging es auf öder Bahn,
Bis Ihr, mein Herr und König,
Dann nahmet meiner Euch an.
Ich, ohne Schutz, der Alles ward geraubt,
Ich neige nun vor Euch mein trauernd Haupt;
Als Klägerin auch tret‘ ich vor.
Was mir geschah, verschuldet Einer: Dalibor!
CHOR.
Tiefes Mitleid faßt mich an.
JUTTA wie oben.
Man verwünscht ihn,
Er ist ein verlor’ner Mann!
KÖNIG zu Milada.
Bald soll er büßen Dir,
Was er Dir angethan!
Er ist in meiner Hand
Und nach dem Recht wird hier von uns erkannt
So gehet hin jetzt und holet den Geklagten.
Einige vom Gefolge ab.
MILADA.
Er wird erscheinen! Weh mir, weh,
Daß ich den Mörder vor mir seh‘!
JUTTA wie oben.
All, Ihr Gottesboten, himmlische Schaar,
Wendet von seinem Haupt die Gefahr!
Vierte Scene.
MILADA erschreckt.
Da ist er schon!
Ihn betrachtend für sich.
Ha, welch‘ ein Mann, voll edler Majestät!
CHOR.
Seht, welch‘ ein schöner Anblick! Seht:
Wie sicher, ruhig, stolz er geht!
KÖNIG zu Dalibor.
Du kennst die Klage, welche Dich bedroht!
Du hast des Grafen Burg verbrannt, zerstört,
Den Herrn der Burg in seinem Haus ermordet! ..
So sage, was Du zu entgegnen weißt!
DALIBOR freimüthig.
Nicht werd‘ ich’s leugnen, meine That vertret‘ ich!
Sie war ein Werk der Rache. Ich schwor es mir
Und hab‘ den Schwur gehalten.
Von allen Gütern dieser weiten Welt
Ein Herzensfreund allein war mir zu Eigen:
Mein Zdenko war ein Sänger und ein Held,
Im Schlagen that’s ihm keiner gleich und Geigen!
Wenn er hervor die traute Fidel nahm,
Erklang es wie ein Gruß aus heitern Höh’n,
Ach, wir vergaßen Noth und Leid und Gram
Bei Zaubersang und sel’gem Lustgetön‘!
Nun hört!
Wir zogen Beide hochgemuth
In’s freie Feld hinaus,
Zu einem lust’gen Strauß.
Wir hatten einen Handel mit dem Grafen,
Fröhlichen Herzens fochten wir ihn aus.
Mein Freund, versprengt im Streite, fiel
Dem Gegner in die Hand –
Ich konnt‘ es hindern nicht –
Er ward gefangen!
Doch als ich Lösung bot, ward mir zum Hohn
Sein blutig Haupt gesandt.
Niemals vergess‘ ich,
Was mir geschehen,
Was ich gesehen!
Nacht und Tag
Geht es mir nach!
Schlaf und Thränen fand ich nicht mehr,
Mein Kopf so heiß, mein Herz so schwer!
MILADA bewegt, für sich.
Inniges Erbarmen
Fühl‘ ich für den Armen!
DALIBOR.
Da schwor ich Blut und Rache!
Mit der Getreuen Schaar
Die gräfliche Burg berannt‘ ich,
Alles verbrannt‘ ich,
Sühnte den Mord des Freundes,
Ließ den Grafen tödten! …
Mein Zdenko war von mir gerächt!
KÖNIG.
Dich aufzulehnen hast Du Dich erfrecht!
DALIBOR.
Ich übte nur Vergeltung und that Recht!
KÖNIG.
Das Schwert erhobst Du gegen Deinen König!
DALIBOR.
Mich kümmert’s wenig,
Wer Feind mir ist!
Drohend.
Und daß Ihr’s wißt:
Wär‘ ich gefangen nicht,
Ihr solltet fühlen, daß ich stark noch bin!
Ein König, der das Recht mit Füßen tritt,
Ich sag‘ es frei, ist nicht nach meinem Sinn!
MILADA.
O Gott!
CHOR.
Des Königs Gnade warf er hin!
DIE RICHTER.
Du hast Dein Urtheil selber Dir gesprochen!
DALIBOR.
Straflos bleib‘ ich und frei!
Was könnt Ihr mir thun?
Nicht acht‘ ich mein Leben,
Gern will ich’s Euch geben,
Was soll es mir nun?
Bald ja wär‘ es vorbei,
Ein Wölkchen im Mai!
Ihm nach muß es schweben,
Wo immer er sei!
EIN RICHTER.
Nun, Dalibor, empfange hier Dein Urtheil:
Zu ew’ger Kerkernacht bist Du verdammt!
CHOR.
Ein finst’res Grab, ach, schließt ihn ein!
Nie wieder sieht er lichten Sonnenschein!
DALIBOR entrückt.
Blickst Du, mein Freund, vom Himmel jetzt hernieder?
Zu Ende geht mein kurzer Lebenslauf,
Mir ist, als hört‘ ich Deine alten Lieder,
Sie ziehen mächtig mich zu Dir hinauf!
Ja, das ist Deiner Geige süßes Klingen,
Es lockt mich fort zu lichten Höh’n, zu Dir!
Zu den Richtern.
Und mögt den Leib in ew’ge Nacht Ihr bringen,
Die Seele könnt Ihr nimmermehr bezwingen,
Sie weilt nicht mehr auf Erden, nicht mehr hier!
CHOR.
Ob Freiheit er und Glück verlor,
Er bleibt so stolz als wie zuvor,
Der edle Dalibor!
Dalibor wird abgeführt.
Fünfte Scene.
Die Vorigen ohne Dalibor.
MILADA die sich nicht länger beherrschen kann, zu den Richtern.
Erbarmen! Ach erhört mein Flehen,
Verzeihet ihm, wie ich verzeih‘!
Nicht auf dem Recht will ich bestehen,
Die Klägerin, sie giebt ihn frei!
RICHTER.
Er hat den König dreist bedroht,
Dafür hätt‘ er verdient den Tod!
MILADA fällt dem König zu Füßen.
Erbarmen! Ach, erhört mein Flehen!
Nicht auf dem Recht will ich bestehen,
Ich selber fleh‘: o gebt ihn frei!
KÖNIG.
Er trägt, was er sich selbst beschieden!
Gefährdet wär‘ des Landes Frieden.
Gegen den Thron zog er das Schwert
Und droht: er werde sich empören.
Drum will ich nichts von Schonung hören,
Er zeiht der Gnade sich nicht werth!
Der König verläßt mit den Richtern und dem Gefolge die Bühne. Das Volk hinterdrein. Es bleiben nur Milada mit ihren Frauen im Hintergrunde und Jutta.
Sechste Scene.
Milada. Jutta.
MILADA ohne Jutta zu bemerken.
Was hilft’s, daß ich es länger verhehle!?
Weh‘ mir! Verzweiflung fällt mich an!
Und sag‘ ich mir, wie schwer ich fehle,
Ich fühl’s, daß ich nicht anders kann …
Laß ab, o Bruder, zürnende Seele!
Gefunden, zugleich für ewig verloren!
Verworfen, ach, und auserkoren!
Ich hass‘ und liebe Dich, Du theurer Mann!
JUTTA.
Du liebst ihn? Heil und Segen Dir!
Der Himmel sendete Dich mir.
MILADA.
Was sagst Du?
JUTTA.
Großes wartet Dein!
MILADA.
Was soll ich?
JUTTA.
Dalibor befrei’n!
Mit mir!
Durch des Kerkers Riegel und Wände
Bricht die Liebe sich Bahn am Ende!
Nimm Flügel, mein Hoffen!
Den Beschützer laß uns befrei’n!
MILADA.
Von Eisen die Riegel,
Von Stein die Mauern!
Wir können nur trauern,
Uns’re Kraft ist zu klein!
JUTTA.
Die Engel des Himmels,
Sie werden mit uns sein!
All‘ die Getreuen
Stellen sich ein,
Und Freiheit soll die Losung sein!
Zweiter Act.
Eine Straße der unteren Stadt mit Wirthshaus, aus welchem Lärm und Gesang von Trinkenden erschallt.
Erste Scene.
Chor der Knappen. Später Jutta und Veit.
CHOR.
Ein rechter Soldat lebt immer im Krieg,
Wie lustig der Kampf, wie herrlich der Sieg!
Fröhliches Wagen,
Kräftiges Schlagen!
Und heute wie morgen
Geborgen!
So fest keine Stadt, so stolz keine Maid,
Wir nehmen sie ein, es kommt ihre Zeit!
Mag sie sich sperren,
Wir sind die Herren!
Sie muß sich eben
Ergeben!
Trallala, trallala.
Sie gehen in die Schenke.
JUTTA kommt aus einem der Häuser.
Da ist mein Liebster wohl nicht mehr weit!
Veit aus dem Wirtshause.
JUTTA.
Nun, kommst Du endlich?
VEIT.
Verzeihe mir, Du holde Maid!
Blieb ich so lang‘,
Konnt‘ ich doch eher nicht kommen!
Du hörtest der Trommel werbenden Klang,
Eine neue Schaar von Streitern
Hab‘ ich eben aufgenommen.
JUTTA gekränkt und schmollend.
Wohl auch ein neues Schätzchen nahmst Du Dir?
Muß ich Dich suchen in den Gassen?
VEIT.
O thörichtes Mädchen, Du zweifelst an mir?
Glaub‘ mir, ich werde Dich nie verlassen.
JUTTA.
Ach, schon zu lange mußt‘ ich Dich entbehren,
Es war umsonst mein Lauschen und Schau’n!
Kenntest die Sorgen Du, die mich verzehren,
Und des Alleinseins Bangen und Grau’n!
O kenntest Du mein schweres Herzeleid!
VEIT.
Da ich Dich liebe, wie sollt‘ ich begehren,
Ferner nach andern Mädchen und Frau’n?
Nicht möge Zweifel das Herz Dir beschweren,
Auf meine Treue kannst Du vertrau’n!
ein liebend Herz ist Dir allein geweiht!
JUTTA.
Vernahmst Du schon von Dalibor’s Geschick?
VEIT.
Kaum halt‘ ich unsre Freunde mehr zurück.
JUTTA.
Noch gilt es Vorsicht!
Mit Milada wollen wir ihn retten!
Wohl bereute sie zu spät –
Die Liebe breche seine Ketten!
In Männerkleidern schlich sie zu der Burg sich fort,
Den Kerkermeister Benesch bethörte sie dort:
Mit Liedern und mit Scherzen bald sie ihn gewann,
Nun schwört auf den Burschen der betrog’ne Mann.
Die schlaue Milada
Zähmte den Alten,
Zum Helfer nahm er sie an.
BEIDE.
Wir werden vollenden
Was kühn sie begann:
Befreit sei der Edle,
Bestraft der Tyrann!
Die Knappen kommen wieder aus der Schänke.
CHOR.
Ein rechter Soldat lebt immer im Krieg! u.s.w.
VEIT.
Hört an Ihr Freunde! Jutta hier, mein Bräutchen,
Meldet mir, daß reif zur That schon Alles!
CHOR.
Heil Dir, Mädchen!
Hoch des Führers junge Braut!
JUTTA.
Schwerterglanz
Und Waffentanz!
Dir winkt der Kranz
Des Sieges, tapfre Schaar!
Bleibe treu vereint
Zur Stunde der Gefahr!
VEIT UND CHOR.
Freudig bringen wir das Leben
Unserm theuern Herrn dar!
VEIT.
Daß Verdacht nicht schöpft die Wache,
Freunde, hütet jedes Wort!
Alles singe, scherze, lache!
Freunde, trinket lustig fort!
Ab mit Jutta.
CHOR.
Ja wir wollen singen
Und ein Hoch ausbringen
Auf die Schönste hier im Ort!
Gehen in’s Wirthshaus ab.
Verwandlung.
Hof und offene Halle in der Burg mit der Wohnung des Kerkermeisters Benesch. Wachen gehen auf und ab. Es dunkelt.
Zweite Scene.
Budivoj und Benesch.
BUDIVOJ.
Merke Dir alles, was ich sagte!
Nicht ganz undenkbar könnt‘ es sein,
Daß man ihn zu befreien wagte –
Mit Deinem Kopfe stehst Du ein!
BENESCH auf den Thurm zeigend.
Der da drunten liegt gefangen,
Wird nicht mehr an’s Licht gelangen!
Milada kommt, als Knabe verkleidet, und trägt einen Korb mit Speisen und Wein in die Wohnung des Benesch.
BUDIVOJ.
Was will der Junge? ’s ist ein fremd‘ Gesicht!
BENESCH.
O Herr, besorgt Euch um den Kleinen nicht!
Ein armes Blut, ein Waisenkind,
Ergeben mir und treugesinnt,
Das seine Eltern früh verlor; –
Er sang und bettelte am Thor.
Mit Liederspiel und Scherzen
Vertreibt er mir die lange Zeit.
Trost bringt er meinem alten Herzen
Und Leben meiner Einsamkeit!
Beim Tagwerk hilft er manchmal aus,
Besorgt die Wirthschaft mir im Haus.
BUDIVOJ.
Es gönnt Dir gerne Dein Vergnügen,
Wer sich auf Dich verlassen darf,
Nur Alter, laß Dich nicht betrügen,
Den Feind des Reichs bewache scharf!
Ab.
BENESCH.
Zwischen diesen düstern Mauern
Hab‘ ich nichts, was mir gefällt;
Wachen, beten, fürchten, trauern!
Ach, wie eng‘ ist meine Welt!
Trag ich selbst auch keine Bande,
Bin ich doch gefangen auch,
Seh vom schönen Heimathlande
Nur der Häuser Qualm und Rauch!
Dritte Scene.
MILADA aus der Wohnung des Benesch.
Fertig ist Alles,
Geht nur hinein!
Trefflich gerathen
Ist mir der Braten,
Auch aus dem Keller
Holt‘ ich den Wein …
’s ist Muscateller!
Schenket Euch ein!
BENESCH.
Niemals im Keller
Hatt‘ ich so edeln Wein! …
Mag es drum sein!
Ja, mit Dir, mein Junge,
Zog das Glück zu mir in’s Haus herein!
Will gehen, kehrt aber wieder um.
Etwas muß ich noch besorgen,
Unterdessen warte Du!
MILADA liebevoll.
Noch so spät? Verschiebt’s auf morgen
Und vergönnt Euch endlich Ruh‘!
BENESCH.
Nein, es ist ein Werk der Liebe,
Und das eilt, man thu‘ es bald!
MILADA.
Ließ ich Euch im Stiche, wenn es galt?
Das Essen drinnen wird Euch kalt!
BENESCH.
Du willst helfen mir?
MILADA.
Ei, gerne!
BENESCH.
Wenn die Wache davon hört!
MILADA.
Fort ist sie und bleibt auch ferne,
Essen könnt Ihr ungestört!
BENESCH.
Wohlan denn! Dort im untersten Gewölbe
Liegt Dalibor.
MILADA kaum ihre lebhafte Bewegung verbergend.
Ha! Dalibor!
BENESCH.
Ist er
Bekannt Dir?
MILADA.
Jeder kennt des Aermsten Unglück.
BENESCH.
Ja, mir auch geht es nah. Noch heute fragte
Der Edle mich, ob ich nicht eine Geige
Ihm schaffen könnte, seine Qual zu lindern?
In Tönen träumt er glücklich sich und frei!
Nun hab‘ vor Jahren selber ich gespielt.
Droben in meinem Kämmerlein hängt noch
Die alte Geige. Eilig hol‘ ich sie;
Du bringst sie ihm!
Ab nach links, kommt gleich zurück mit der Geige.
Vierte Scene.
Milada. Benesch.
BENESCH.
Hier ist die Geige! … Auch die Fackel nimm,
Denn ewig währt die Nacht dort in der Tiefe.
Von Innen schließest Du das erste Thor
Dann hinter Dir. Sechs andere Thüren noch,
Bewahrt mit Eisenriegeln, mußt Du öffnen.
Fürchte Dich nicht, es kann Dir nichts geschehen!
Die Riegel alle legst Du wieder vor …
Doch wie? Du schauderst?
MILADA.
Nein, hinunter geh‘ ich
Und führe pünktlich Euren Auftrag aus.
Benesch ab.
Fünfte Scene.
MILADA allein.
So wär‘ es wahr? … Gewiß, der Augenblick
Ist da, den ich so innig längst ersehnt!
Und den Geliebten soll ich sehen!
O seliges Entzücken!
Es wird mir glücken,
Bald werd‘ ich ihn seh’n!
Ihr ew’gen Mächte, laßt das Werk gelingen,
Hört meiner Seele sehnsuchtsvolles Fleh’n!
Mein ist das Wollen, Euer das Vollbringen!
Ihn zu befreien, leiht der Liebe Schwingen!
Und dankbar will ich preisen Euch, laßt Ihr’s gescheh’n!
Verwandlung.
Ein finsterer Kerker, der nur schwach von der Seite aus beleuchtet ist. Hinten eine Steintreppe mit geschlossenem Gitter.
Sechste Scene.
DALIBOR er schläft auf seinem Lager. Die Wand des Kerkers öffnet sich. Im Traum erscheint ihm sein Freund Zdenko, auf der Geige spielend. Dann verschwindet die Erscheinung wieder. Dalibor erwacht.
Verschwunden bist Du, mein geliebter Zdenko?
Vernahm mein Ohr doch Deiner Saiten Spiel!
Dein Geist umschwebt mich … tritt hervor, o Freund,
Und gieb noch einmal Deine Weise mir
Zu hören; gern in’s Reich der Töne folg‘ ich Dir!
Mein Zdenko! Nacht erfüllt den Schreckensraum,
Deine Gestalt war nur ein schöner Traum!
Dir, einzig Dir gehört mein armes Leben,
Es schmachtet in dem Kerker hier,
Auf Deinen Tönen laß‘ es sanft entschweben
Hinauf zu Dir!
O hätt‘ ich meine Geige hier! Vielleicht
Dann lockt‘ ihr Tönen meines Freundes Geist
Aus seinen lichten Höhen mir herbei!
In Melodien schmölze meine Trauer! …
Man hört ein Geräusch.
Horch! … Klirrte nicht ein Riegel? …
Wer kommt zur späten Stunde noch zu mir?
Siebente Scene.
Dalibor. Milada.
MILADA steigt herab und reicht Dalibor die Geige dar.
Nehmt dies Geschenk von meinen Händen an!
DALIBOR nimmt, wie traumbefangen, die Geige.
Ich könnte kein erwünschteres erhalten!
Die Geige sendet Zdenko!
Sich besinnend und Milada betrachtend.
Doch, sag‘ an:
Woher, o Knabe, kommst Du und wie nennst
Du Dich, mein Freund?
MILADA.
Ihr fragt mich, wer ich bin?
Ach, bangend frag‘ ich selbst mich: darf ich’s Euch
Gesteh’n? … Sei’s drum! Die hier vor Euch Ihr sehet,
Ist jenes Mädchen, das Euch haßte, ja,
Euch tödtlich haßte, das Euch angeklagt.
Das Schuld daran, daß Ihr im Kerker schmachtet!
DALIBOR.
Was hör‘ ich? Du, Milada?
MILADA.
Ja, Milada.
Erfaßt von Mitleid und von Reue, bat
Um Gnade ich … umsonst war all mein Fleh’n!
Doch gab ich Euch noch nicht verloren, nein,
Auf Gott baut‘ ich und meine Kraft!
Der Wächter nahm in seine Dienste mich,
Er glaubte mir und schenkte seine Gunst mir,
Ja, in den Thurm zu Euch hinab hat er
Mich selbst geschickt … Verständigt sind die Euern,
Alles bereit, Euch beizusteh’n. Sie warten
Nur auf ein Zeichen, das Ihr gebet.
Dann stürmen sie die Thore, Ihr seid frei!
Sie kniet vor ihm nieder.
Seht mich zu Euern Füßen,
Ein Euch hingegeb’nes Weib,
Leiden will ich gern und büßen
Euer sein mit Seel‘ und Leib!
DALIBOR.
Mein schöner Traum,
Er will zur Wahrheit werden;
Neu blüht mein Glück auf Erden!
Ach, ist es wahr? Ich faß es kaum.
Danke Dir, Du rettender Stern,
Der lieblich lacht,
Daß Du mir Trost gebracht!
Zur Dämmerzeit stiegst Du hernieder!
Nicht scheide wieder,
O Liebesblick der Nacht!
MILADA.
Dank Dir, Du ewige Liebesmacht!
BEIDE.
Fühl‘ ich Dein Herz an meinem schlagen,
Dann sind vergessen alle Plagen,
Vergessen ist, was uns entzweit!
Was sind die Leiden, die ich ertragen?
Wie goldenes Frühroth seh‘ ich es tagen,
Der Freiheit Sonn‘ ist nicht mehr weit!
Halt‘ ich, Geliebte(r), Dich umfangen,
Scheint Alles wie ein Traum vergangen,
Und abgethan der letzte Streit!
Kein Sehnen ferner, kein Verlangen!
Dein bin ich ganz in Ewigkeit!
Dritter Act.
Die festlich erleuchtete Königshalle. Wladislaw sitzt auf dem Throne, um ihn her die Räthe und Richter. Vor dem Throne stehen Budivoj und Benesch, der einen Zettel und einen Goldbeutel in der Hand hält.
Erste Scene.
Der König, ein Richter, Budivoj und Benesch. Zuletzt Dalibor.
BUDIVOJ.
Mein Herr und König! Edle Herr’n des Landes!
Gar schlimme Nachricht bring‘ ich: neuer Aufruhr
Steht uns bevor. Wohl unterm Volke gährt‘
Es längst im Stillen; fremde Krieger kamen,
Und laut ertönt der Name Dalibor!
Glaubt mir, ein Anschlag ist im Werke wieder,
Drängte doch der Verrath bis zu der Burg
Des Königs sich heran. Beizeiten hat
Man ihn entdeckt. Hier dieser Mann wird, was
Ich sprach, beweisen.
BENESCH zum König.
Ihr seht mich, Herr, bin alt und schwach,
Jedoch mit Ehren ward‘ ich grau!
Im harten Dienst blieb weich mein Herz,
Hab‘ ich auch Kinder nicht noch Frau.
Einst kam zu mir ein armer Knabe,
Er sah so bleich und elend aus,
Ich labte ihn mit milder Gabe,
Mitleidig nahm ich ihn in’s Haus.
Und bald besaß er mein Vertrauen,
Ich nannt ihn Sohn, ich alter Thor!
Zu spät erkannt ich dann mit Grauen:
Er war ein Freund des Dalibor.
Heut‘ ist er plötzlich mir verschwunden,
Den Zettel hier in meinem Schrank,
Dies Geld auch hab ich aufgefunden.
Da steht geschrieben: »Dies zum Dank!«
Des Kerkers Riegel waren offen,
Ich sah es mir zum Heile gleich,
Schwer hat das Schicksal mich getroffen,
Ward auch vereitelt jener Streich.
Budivoj führt auf einen Wink des Königs Benesch ab und kommt dann wieder.
KÖNIG erhebt sich.
Ihr seht, umsonst nicht rief ich Euch hierher!
Hart drängt die Zeit. Es falle der Verräther!
Zum Tod noch heute gehe Dalibor! …
Was dünket Euch, Ihr Herren, laßt mich hören!
RICHTER.
Du sagtest, König, was auch wir gedacht;
Es sterbe Dalibor noch diese Nacht!
KÖNIG.
Ja, der Empörung Schlange
Zertret‘ ich jetzt das Haupt,
Ich zögerte zu lange,
Zuviel hab‘ ich erlaubt!
Des Aufruhr’s wilde Wogen
Theil‘ ich mit starker Hand,
Bis Frieden eingezogen
In das entzweite Land!
RICHTER.
Des Königs würdig ist dies Wort,
Es stärkt des Rechtes Freund,
Erschreckt den Feind
Und reißt den Schwachen mit sich fort.
KÖNIG.
Ihr mögt es weiter tragen,
Daß jedermann es hört,
Zu Boden wird geschlagen,
Wer immer sich empört.
Der thront ob allen Thronen,
Verzeihung mir gewährt,
Nicht darf den Feind ich schonen,
Hier hilft allein das Schwert!
Es ist gerichtet! Der Verräther sterbe!
Rust ihn herbei, er hör‘ es selbst von mir!
Budivoj holt Dalibor, der in Fesseln erscheint.
KÖNIG zu Dalibor.
Zum Tode wurdest Du verdammt –
So will’s der Staat –
Für den Verrath!
Doch weil Du edlem Blut entstammt,
Wird ein Geleit
Von Edlen hier
Gegeben Dir.
Bald ist es Zeit,
Mach‘ Dich bereit!
Der König und der Rath verlassen feierlich den Saal.
Zweite Scene.
Dalibor. Budivoj und Wache im Hintergrunde.
DALIBOR.
Was säum‘ ich noch?
Milada, nicht das Zeichen, ach, kann ich Dir geben …
Denn Alles ist dahin! Einmal zu neuem Leben
Noch wollte sich mein müder Geist erheben,
Es bat so schmeichelnd, war so hold, so schön,
Hielt mich so lind mit weichem Arm umschlossen!
Das seligste Glück wohl hab‘ ich da genossen …
Was kaum begann, muß nun zu Ende geh’n!
Doch darf ich nimmer mich beklagen,
Als Mann, das Letzte will ich tragen,
Auch jetzt dem Tode frei in’s Auge seh’n.
Ich fahre hin in Frieden
Und faß mich in Geduld,
War doch vor Andern mir beschieden,
Was Freundschaft geben kann und Frauenhuld.
Bald werden droben neu vereinigt wir:
Mein Zdenko, meine zärtliche Milada!
Du, theu’rer Freund, gingst uns voran,
Wir folgen Dir!
Dalibor wird von Budivoj abgeführt.
Verwandlung.
Freier Platz vor der Burg, von welcher man links noch einige Mauern und Thüren sieht. Heller Sternenhimmel.
Dritte Scene.
Milada in kriegerischer Rüstung. Jutta, Veit und Dalibor’s Knappen. Volk.
MILADA auf die Burg deutend.
Habt Ihr kein Zeichen noch von dort vernommen?
CHOR.
Alles ist still und ruhig wie das Grab.
DALIBOR sich halb aufrichtend.
Ich bringe selbst mein Haupt Euch dar!
Als Freund soll mir der Tod erscheinen,
Mit der Geliebten mich vereinen.
Ersticht sich.
Ende der Oper.