Georges Bizet
Carmen
Oper in vier Akten
Personen
Carmen
Don José, Sergeant
Escamillo, Stierfechter
Zuniga, Leutnant
Moralès, Sergeant
Micaëla, ein Bauernmädchen
Dancaïro,
Remendado, Schmuggler
Frasquita,
Mercédès, Zigeunermädchen
Soldaten
Strassenjungen
Cigarrenarbeiterinnen
Zigeuner
Zigeunerinnen
Schmuggler
Volk
Ort und Zeit der Handlung: Spanien 1820.
Erster Akt.
Ein Platz in Sevilla.
Nr. 1. Präludium.
Nr. 2. Scene und Chor.
CHOR DER SOLDATEN.
Diese Menge, im Gedränge!
Wie das kommt, geht und bleibt,
Närrisches Volk umher sich treibt.
MORALÈS.
Müssig hier vor der Wache Halle,
Dass die Zeit geht hin,
Raucht man und schwatzt und mustert alle,
Die vorüberziehn.
CHOR.
Diese Menge, im Gedränge usw.
MORALÈS.
Doch seht, da kommt mit bangem Zagen
Ein Mädchen zu uns – irr ich nicht;
Sie blickt umher, scheint zu zögern und zu fragen.
CHOR.
Ihr beizustehn ist unsre Pflicht.
MORALÈS.
Was suchst du, hübsche Kleine?
MICAËLA.
Ich? ich such einen Sergeant.
MORALÈS.
Sieh ihn hier – in mir!
MICAËLA.
Nein, Ihr seid der nicht, den ich meine,
Don José – so wird er genannt.
MORALÈS.
Don José – ist uns wohl bekannt.
MICAËLA.
Gewiss? So find ich ihn hier? Sie verzeihen!
MORALÈS.
Sergeant ist er, ganz recht, doch nicht in unsern Reihen.
MICAËLA.
Nicht hier? Ich dachte ja.
MORALÈS.
Mein holdes Mädchen, er ist nicht da.
Doch warte hier und sei nicht bang,
Er kommt hierher, ’s dau’rt nicht lang.
Er kommt hierher, wenn wir die Runde machen
Und werden abgelöst durch neue Wachen.
CHOR.
Er kommt hierher usw.
MORALÈS.
Willst du auf dem Platz da bleiben,
Liebes Kind, so zart und fein,
Langeweile zu vertreiben,
Komm unterdes zu uns herein.
MICAËLA.
Zu euch?
CHOR.
Zu uns!
MICAËLA.
Nein, nein, nein, nein,
Ihr Herrn Soldaten, das kann nicht sein.
MORALÈS.
Komm herein nur ohne Bangen,
Ich verspreche dir bestimmt,
Freundlich wirst du hier empfangen,
In allen Ehren, wie sich’s geziemt.
MICAËLA.
Ich weiss wohl zu schätzen diese Ehr,
Doch meine ich, ’s wird besser sein, ich komm hierher
Wieder zurück, wenn Sie die Runde machen
Und werden abgelöst durch neue Wachen.
MORALÈS UND CHOR.
Bleibe doch hier, bis wir die Runde machen
Und werden abgelöst durch neue Wachen.
Bleibe doch da!
MICAËLA.
Nein, nein, nein –
Das kann nicht sein.
MORALÈS UND CHOR.
Bleibe doch da!
MICAËLA.
Auf Wiedersehn, ihr Herrn Soldaten –
Das kann nicht sein –
MORALÈS.
Seht hin sie eilen;
Wir müssen weilen.
Freunde, kommt, lasst uns wieder sehn
Nach Leuten, die vorübergehn.
CHOR.
Diese Menge, im Gedränge usw.
Nr. 3. Chor der Strassenjungen.
Schnell herbeigestürmt wie’s Wetter,
’s kommen die Soldaten ja,
Hört der Trompete Geschmetter:
Trateratatata!
Wenn die Wachen aufmarschieren,
Gehn wir wie Soldaten mit,
Lasst voran uns defilieren:
Eins! Zwei! im gleichen Schritt.
Brust heraus, den Kopf nach oben,
Und die Arme ziehet an;
Rasch! nun die Füsse gehoben,
So marschier’n wir Mann für Mann!
Wir sind da! Tratateratatata!
Nr. 3 a. Rezitativ.
MORALÈS. Ein junges Mädchen, voll Liebreiz in ihrem ganzen Wesen, fragte uns nach dir. Blaues Kleidchen und blonde Zöpfe.
JOSÉ. Das war sie, Micaëla!
ZUNIGA. Ist nicht dort die Fabrik unsrer köstlichen Cigaretten, die beschäftigt so viele Mädchen?
JOSÉ. So ist’s, mein Offizier! Doch glaubet mir, nirgends findet Ihr mehr so flatterhafte Mädchen.
ZUNIGA. Mag’s drum sein, wenn sie nur schön sind.
JOSÉ. Ach, davon weiss ich wahrlich nichts, denn wenig kümmert mich wohl diese Gattung Mädchen.
ZUNIGA. Was dich bekümmert, Freund, ich weiss es wohl! ’s ist ein junges, reizendes Mädchen, Micaëla, so nennt sie sich. Blaues Kleidchen und blonde Zöpfe. Nun, Freundchen, gesteh, hab ich recht?
JOSÉ. Ich gestehe, ’s ist wahr, dass ich sie liebe. Doch wie gerufen kommen von dort die Mädchen der Fabrik. Sehet selbst und urteilt, ob sie Euch gefallen.
Nr. 4. Chor.
JUNGE LEUTE.
Eilen wir herbei mit der Glocke Tönen,
Auf die Mädchen hier warten wir am Ort –
Gehn wir ihnen nach, diesen braunen Schönen,
Flüstern ihnen zu manches süsse Wort!
CHOR DER SOLDATEN.
Seht sie da! wie keck ohne Scheu, diese Koketten,
Kommen lachend, rauchen dabei ihre Cigaretten.
CHOR DER CIGARRENARBEITERINNEN.
Seht, wie Raucheswolken ziehn
In die Lüfte
Kräuselnd dahin
Und verbreiten holde Düfte.
Sanft betäubet, schlürft den Rauch
Mit den Lippen,
Und wie im Hauch
Lasst uns süsse Wonne nippen.
Ist so ein Mann Liebe zu schwören bereit,
Das ist Hauch –
Sagt er, dass uns ist sein Leben geweiht,
Leicht wie Rauch –
Ein treues Herz in der Brust
Ist nur Hauch –
O süsser Schmerz, Liebeslust,
Das ist ein Hauch,
So leicht wie Rauch!
Seht, wie Raucheswolken ziehn
Dahin durch die Lüfte;
Ach! Sie verbreiten die lieblichen Düfte
Und ziehn sanft sich kräuselnd dahin. –
Duftger Rauch
Leicht wie Hauch!
CHOR DER SOLDATEN.
Doch wir sehen nicht Carmen in ihrer Mitte.
ALLGEMEINER CHOR.
Ah! sie kommt! Carmen naht mit flüchtigem Schritte.
CHOR DER JUNGEN LEUTE.
Carmen! sieh, wir folgen am Fusse dir.
Carmen, ach, sei artig, gib Antwort hier
Und nenn uns den Tag, wo dein Sinn endlich bricht,
Und wo dein sprödes Herz uns von Liebe spricht.
CARMEN.
Wann ich Liebe euch schenk? fürwahr, das weiss ich nicht,
Wohl niemals vielleicht – ’s kann morgen schon sein –
Eins weiss ich gewiss: Heute? – Nein!
Nr. 5. Habanera.
CARMEN.
Ja, die Liebe hat bunte Flügel,
Solch einen Vogel zähmt man schwer;
Haltet fest sie mit Band und Zügel,
Wenn sie nicht will, kommt sie nicht her.
Ob ihr bittet, ob ihr befehlet,
Und ob ihr sprecht und ob ihr schweigt,
Nach Laune sie den erwählet,
Und heftig liebt, der stumm sich zeigt.
CHOR.
Ja, die Liebe hat bunte Flügel usw.
CARMEN.
Die Liebe von Zigeunern stammet,
Frägt nach Rechten nicht, Gesetz und Macht;
Liebst du mich nicht, bin ich entflammet,
Und wenn ich lieb, nimm dich in acht.
CHOR.
Die Liebe von Zigeunern stammet usw.
CARMEN.
Glaubst den Vogel du schon gefangen,
Ein Flügelschlag – ein Augenblick,
Er ist fort, und du harrst mit Bangen;
Eh du’s versiehst – ist er zurück.
Weit im Kreise siehst du ihn ziehen,
Bald ist er fern, bald ist er nah.
Halt ihn fest, und er wird entfliehen,
Weichst du ihm aus – flugs ist er da.
CHOR.
Glaubst den Vogel du schon gefangen usw.
Nr. 6. Scene.
CHOR DER JUNGEN LEUTE.
Carmen, sieh, wir alle folgen dir.
Carmen, ach, sei artig, gib Antwort hier,
Wann dein Sinn endlich bricht
Und dein Herz von Liebe uns spricht?
CHOR DER CIGARRENARBEITERINNEN.
Die Liebe von Zigeunern stammet usw.
Nr. 6a. Rezitativ.
JOSÉ. Ha, das heiss ich doch Unverschämtheit! Wie mit dem Sträusschen so geschickt sie mich traf, wie mit einer Kugel! Dieser Duft ist berauschend, und die Blume, wie schön! – Und das Mädchen – sollt wirklich Hexen es geben, ist sie eine, ganz gewiss.
MICAËLA. José!
JOSÉ. Micaëla!
MICAËLA. Ich bin da!
JOSÉ. Welche Freude!
MICAËLA. Mich hat die Mutter hergesendet!
Nr. 7. Duett.
JOSÉ. Wie? du kommst von der Mutter? Ach, die Teure, die Gute –
MICAËLA. Als Botin komm ich her und bring mit frohem Mute dieses Schreiben.
JOSÉ. Wie – ein Schreiben?
MICAËLA.
Und noch dies Stückchen Gold,
Um aufzubessern deinen knappen Sold.
Und noch –
JOSÉ.
Was noch?
MICAËLA.
Und noch, – wie soll ich’s sagen, –
Und noch hat mir die Mutter etwas aufgetragen,
Von hohem Wert für einen guten Sohn,
Wohl mehr als Gold und reicher Lohn.
JOSÉ.
So sprich, mein Mädchen, was sie gegeben?
Sag es mir!
MICAËLA.
Nun, wohlan, es sei!
Was sie von Herzen gab, ich überbring es treu!
Sonntag war’s, aus der Kirche gingen wir soeben,
Sie sprach zu mir mit sanftem Ton:
»Nun mach dich auf den Weg, nach der Stadt hinzureisen,
Gott sei mit dir, mein Kind, er wird den Pfad dir weisen.
Er führet sicher dich zu José, meinem Sohn,
Sag dem teuren Kind meiner Schmerzen,
Mutterliebe währt ew’ge Zeit,
Dass sie sein Bildnis trägt im Herzen,
Was er getan, sie gern verzeiht.
Lebe wohl!« sprach mit feuchtem Blicke
Sie zu mir, »und den heissen Kuss,
Den ich auf deine Lippen drücke,
Bring ihn dar als der Mutter Gruss.«
JOSÉ.
Einen Kuss meiner Mutter?
MICAËLA.
Für den Sohn gab sie mir;
Und wie ich ihn empfing, geb ich ihn treulich dir!
JOSÉ.
Ich seh die Mutter dort, sie ruft zurück mir im Bilde
Das stille Tal und das Haus, wo meine Wiege einst stand,
Ach, gerne denk deiner ich, mein teures Heimatland.
Es schlägt mein Herz so stark, und doch wird mir so milde.
Ich seh die Mutter dort, wo meine Wiege stand,
Ruft sie zurück im Bilde. –
MICAËLA.
Er sieht die Mutter dort, sie ruft zurück ihm im Bilde
Das stille Tal und das Haus, sein teures Heimatland.
Wie schlägt sein Herz so stark, und doch wird ihm so milde,
Er sieht die Mutter dort, wo seine Wiege stand,
Ruft sie zurück im Bilde.
JOSÉ.
Wer weiss es, welcher Dämon sich gegen mich wendet?
Selbst in der Ferne schützt mich der Mutter Wort –
Und dieser Kuss, den sie gesendet,
Entreisst mich der Gefahr, er sei mein Schirm und Hort.
MICAËLA.
Die Gefahr dich bedroht? welch Dämon kann das sein?
O vertrau es mir an.
JOSÉ.
Nichts! nein!
Lasse das Fragen, sei ohne Sorgen,
Und sag mir, wann heimwärts du ziehst.
MICAËLA.
Ich? diesen Abend, und bin bei der Mutter schon morgen.
JOSÉ.
Bei meiner Mutter? o sag, wenn du sie siehst;
Dass ich sie lieb aus vollem Herzen,
Mein Dasein nur ihr ist geweiht.
Mög es lindern der Trennung Schmerzen,
Dass sie liebt und verzeiht,
Dass ich treu dir ins Auge blicke,
Sag es ihr, und den heissen Kuss,
Den ich auf deine Lippen drücke,
Bring ihr den, als des Sohnes Gruss.
MICAËLA.
Ich schwör’s, den heissen Kuss, den gegeben du mir,
José, wie ich’s versprach, ich bring‘ ihn treulich ihr.
JOSÉ, MICAËLA.
Ich seh die Mutter dort, usw.
Er sieht die Mutter dort, usw,
Nr. 7a. Rezitativ.
JOSÉ. Bleibe da, während hier den lieben Brief ich lese.
MICAËLA. Nicht doch, ich gehe jetzt und später kehr ich zurück.
JOSÉ. Warum willst du fort?
MICAËLA. Weil ich denke, dass besser es ist, wenn ich gehe; noch manches hab ich zu besorgen.
JOSÉ. Du kehrst zurück?
MICAËLA. Bald bin ich hier.
JOSÉ. Fürchte nichts, o Mutter! Dein Sohn wird deine Wünsche mit Freuden stets erfüllen. Lieb ich doch Micaëla, sie soll mein Weibchen sein, trotz deiner Blumen, du braune Hexe.
Nr. 8. Chor.
ZUNIGA.
Was ist dort geschehen?
CHOR DER CIGARRENARBEITERINNEN.
1. GRUPPE.
Kommt zu Hilf! hört ihr das Geschrei?
2. GRUPPE.
Kommt zu Hilf! Eilet schnell herbei!
1. GRUPPE.
Carmen begann den Streit,
2. GRUPPE.
Nein, nein, sie ist nicht schuldig! ’s ist nicht wahr.
1. GRUPPE.
Sie war es, sie ist so ungeduldig,
Sie hat den ersten Streich getan.
2. GRUPPE.
Nein, höret sie nicht an.
O hört uns an
Carmen hat’s nicht getan,
Herr Soldat, hört uns an.
1. GRUPPE.
Nein, hört sie nicht an,
O hört uns an.
Nein, nein, sie hat’s getan!
Herr Soldat, hört uns an!
2. GRUPPE.
Mercédès beim Wickeln sprach:
Mir ist zuwider das Laufen,
Möchte einen Esel kaufen,
Reiten bis hierher gemach.
1. GRUPPE.
Carmen, wie es schon ihr Brauch,
Hob an mit spöttischen Mienen:
Wozu soll ein Esel dienen?
’s ging mit einem Besen auch.
2. GRUPPE.
Mercédès nichts schuldig blieb,
Ihr Mundwerk geht wie am Schnürchen:
Wünsche ich mir so ein Tierchen,
Geschieht’s ja nur dir zulieb!
1. GRUPPE.
Auf dem Esel kannst verkehrt
In Parade du sitzen,
Aus der Stadt mit Nesselspitzen
Peitscht man dich, wie sich’s gehört.
ALLE.
Kaum heraus dieses Wort war,
Lagen sie sich in dem Haar,
Eh man’s versah, zu spät es war,
Lagen sie sich in dem Haar.
ZUNIGA.
Zum Teufel! mit dem Schrein und Plaudern!
Hinein, José! und nehmt mit Euch zwei Mann,
Sehet nach, was es gibt und schafft Ruh ohne Zaudern.
CHOR.
1. GRUPPE.
Carmen begann den Streit.
2. GRUPPE.
Nein, nein! sie ist nicht schuldig!
1. GRUPPE.
Sie ist so ungeduldig!
2. GRUPPE.
’s ist nicht wahr!
1. GRUPPE.
Sie hat den ersten Streich getan.
ZUNIGA.
Heda! fort mit dem Weibsvolk und schafft freie Bahn.
CHOR.
Mein Herr! nein, höret sie nicht an,
Sie war’s, die es getan!
O hört uns an,
Die hat’s getan.
2. GRUPPE.
Carmen hat’s nicht getan,
Herr Soldat, hört uns an,
1. GRUPPE.
Nein, nein, sie hat’s getan
Herr Soldat hört uns an.
Carmen den Streit fing an,
Sie führt den blutigen Streich!
2. GRUPPE.
Mercédès hat’s getan!
Sie ging entgegen ihr gleich.
1. GRUPPE.
Carmen hat’s getan
2. GRUPPE.
Mercédès fing an.
1. GRUPPE.
Ja, ja, ja!
2. GRUPPE.
Nein, nein, nein!
ALLE.
Sie hat zuerst den Streich getan.
1. GRUPPE.
Carmen zuerst fing an
Sie war’s, sie hat’s getan.
2. GRUPPE.
Mércède‘ hat’s getan
Sie war’s, sie hat’s getan.
Nr. 9. Lied und Rezitativ.
CHOR. Mein Offizier, ein Streit entspann sich droben, wohl zuerst nur in Worten, dann kam’s zu Messerstichen, ’s ward ein Mädchen verwundet.
ZUNIGA. Und durch wen?
JOSÉ. Hier durch diese!
ZUNIGA. Du hast’s gehört, was hast du zu erwidern?
CARMEN.
Tralalalala!
Brenne, schneide und foltre, dass reden ich soll,
Tralalalala!
Doch, ich trotze dem Himmel, dem Eisen, dem Feuer.
ZUNIGA. Keine Lieder will hören ich, gib Antwort auf meine Frage sogleich.
CARMEN.
Tralalalala!
Das Geheimnis ist mein, und ich hüte es wohl.
Tralalalala!
Ja, ich lieb ihn, im Tode noch ist er mir teuer.
Rezitativ.
ZUNIGA.
Willst lassen das Singen du nicht,
Nun, so magst im Gefängnis du singen nach Lust.
CHOR.
Ins Gefängnis mit ihr.
ZUNIGA. Beim Teufel! leicht, wie es scheint, führt dein Händchen das Messer!
CARMEN.
Tralalalala.
ZUNIGA.
’s ist doch schade um diese Kleine, reizend das Schmollen ihr lässt.
Doch gilt es hier, Ernst ihr zu zeigen.
Bindet ihr die Hände fest!
CARMEN.
Wo führst du mich hin?
JOSÉ.
Nach dem Befehl folgst du mir ins Gefängnis!
CARMEN.
Und kannst du mich nicht befreien?
JOSÉ.
Leider nein, folgen muss ich dem Befehl.
CARMEN. Doch ich weiss, dass für mich den Befehlen des Chefs du trotzest, alles tust, was ich von dir will, und warum? Weil du mich liebest!
JOSÉ. Ich dich lieben?
CARMEN. Ja, mein Freund! Die Blume, die ich dir geworfen, du weisst, die Blume der Hexe, die du in der Brust noch verbirgst, sie übt den Zauber.
JOSÉ.
Sprich nicht mehr zu mir, schweige still!
Nicht hör ich länger dich an!
Nr. 10. Seguidilla und Duett.
CARMEN.
Draussen am Wall von Sevilla
Wohnet mein Freund Lillas Pastia,
Dort tanze ich die Seguidilla
Und trink Manzanilla!
Dort, bei meinem Freunde Lillas Pastia.
Ach, besser ist es doch zu zweien,
Langweilig ist’s, allein zu sein.
So soll mir, seinen Arm zu leihen,
Der Liebste mein Begleiter sein.
Der Liebste mein? wenn ich ihn hätte!
Ich jagt ihn gestern erst davon.
Mein armes Herz ist ohne Zweifel,
Frei, wie der Vogel in der Luft.
Ich zähl die Liebsten dutzendweise,
Keiner gefällt mir sicherlich.
So schliesst die Woche im Geleise,
Und wer mich mag, den liebe ich.
Wer kommt mir denn liebend entgegen,
Wer findet wohl das rechte Wort?
’s ist nicht Zeit, das zu überlegen,
Mit dem Liebsten muss schnell ich fort.
JOSÉ.
Jetzt schweig – ich hab das Sprechen dir verboten überhaupt.
CARMEN.
Ich sprach ja nicht mit dir, ich sing für mich nur eben,
Dabei denk ich – das Denken, mein ich, ist wohl erlaubt,
Ich denk an den Mann, lieb und wert,
An den Offizier, den ich lieb, mehr als mein Leben
Und dem mein Herz für ew’ge Zeit gehört.
JOSÉ.
Carmen!
CARMEN.
Mein Offizier ist, ich kann’s nicht verhehlen,
Nicht Kapitän, auch nicht Leutnant, er ist nur Sergeant,
Doch, was hat ein Zigeunerkind auszuwählen?
Bin zufrieden mit seinem Stand.
JOSÉ.
Carmen, ach, mir schwinden die Sinne,
Kaum mehr weiss ich, was ich beginne,
Dein Versprechen, es bindet dich,
Wenn ich dich liebe, ach, dann liebst du auch mich?
CARMEN.
Ja.
JOSÉ.
Bei Lillas Pastia!
CARMEN.
Wir tanzen dort die Seguidilla.
JOSÉ.
Wir tanzen dort.
CARMEN.
Trinken vereint Manzanilla.
JOSÉ.
Carmen! Du hältst dein Wort?
CARMEN.
Ach! draussen am Wall usw.
Nr. 11. Finale.
ZUNIGA.
Hier der Befehl! Nun geht und haltet gute Wache.
CARMEN.
Unterwegs geb ich dir einen Stoss
Mit der ganzen Kraft, und der lässet mich los;
Strauchle dann, falle hin, das andre ist meine Sache.
Von José abgeführt, lacht sie Zuniga ins Gesicht.
Die Liebe von Zigeunern stammet,
Fragt nach Rechten nicht, Gesetz und Macht;
Liebst du mich nicht, bin ich entflammet,
Und wenn ich lieb, nimm dich in acht!
Vorhang.
Zweiter Aufzug.
Zigeunerschenke.
Nr. 12. Zigeunerlied.
CARMEN.
Was ist des Zigeuners höchste Lust?
Wenn heimatliche Töne klingen,
Erinnerung mit leisen Schwingen
Ein süss Gefühl weckt in der Brust.
Hört ihr der Tamburinen Klang,
Das Rauschen der Gitarre-Saiten?
Wie lustig sie den Tanz begleiten;
Dazu ertönt Zigeunersang.
Tralalala!
Wie leuchten auf der Haut so braun
Die Ringe und das Goldgeschmeide;
Wie herrlich ist im bunten Kleide
Das Zigeunermädchen anzuschaun.
Der Tanz wird vom Gesang belebt,
Erst schüchtern, unentschlossen, leise,
Dann immer mehr im Wirbelkreise
Das Blut sich brausend in den Adern hebt.
Tralalala!
Zigeuner hält mit starkem Arm
Den Leib der Tänzerin umfangen.
Wie glühen Augen ihr und Wangen,
Ihm wird ums Herz so wohl und warm.
Wie hebet freudig sich der Sinn,
Dem Klang der Instrumente lauschend,
Im Gedränge sich wild berauschend,
Der Zigeuner fliegt im Tanz dahin.
Tralalala!
CARMEN, FRASQUITA, MERCÉDÈS.
Tralala, tralala!
Nr. 12a. Rezitativ.
FRASQUITA. Ihr Herren, Pastia sagt –
ZUNIGA. Was will er denn von uns, der gute Pastia?
FRASQUITA. Er sagt, der Herr Corregidor will, dass man schliesse die Schenke.
ZUNIGA. Nun denn, so gehen wir. Ihr aber kommt doch mit?
FRASQUITA. Nicht doch, wir bleiben hier.
ZUNIGA.
Und du, Carmen, du folgst mir doch?
Du, Schelmin, gesteh es nur ein, dass du mir zürnst.
CARMEN. Ich zürnen Euch? Warum?
ZUNIGA. Der Soldat, den für dich man damals eingesperrt –
CARMEN. Ach, was ist aus dem Armen geworden?
ZUNIGA. Heut verliess er die Haft.
CARMEN. Er ist frei! O wie schön!
CARMEN, FRASQUITA, MERCÉDÈS. Gut Nacht, ihr lieben süssen Herrn!
Nr. 13. Chor.
Ein Hoch dem Torero!
Es leb Escamillo!
Ja, bringt ihm ein Hoch.
ZUNIGA. Seht mit Fackeln man begleitet hier den Sieger des Zirkus von Granada! Schnell, Herr Wirt, bringt uns Wein! Er soll hier mit uns trinken auf seinen letzten Sieg, und auf die Zukunft auch! Ein Hoch dem Torero.
ALLE.
Ein Hoch dem Torero!
Es leb Escamillo!
Ja, bringt ihm ein Hoch.
Nr. 14. Lied.
ESCAMILLO.
Euren Toast kann ich wohl erwidern.
Mit euch, ihr Herren, sind wir ja nah verwandt,
Und der Torero reicht seinen Brüdern,
Eilt er wie sie zum Kampf, die fröhliche Hand.
Saht ihr wohl schon am heiligen Feste
Den weiten Zirkus von Menschen voll?
Bis hoch hinauf sitzen die Gäste,
Lärmen und schrein, ein Getöse ist es wie toll,
Mancher zittert, und mancher schweiget,
Mancher blickt hinab mit wilder Wut,
’s ist der Tag, wo sich der Tapfre zeiget
Und erprobt den wahren Mut.
Drum rasch voran, mit Mut voran! Ach! –
Auf in den Kampf, Torero!
Stolz in der Brust,
Siegesbewusst.
Wenn auch Gefahren dräun,
Sei wohl bedacht,
Dass ein Aug dich bewacht
Und süsse Liebe lacht.
CHOR.
Auf in den Kampf usw.
ESCAMILLO.
Plötzlich wie im Zauberkreise
Ein bang Entsetzen sich in den Zügen malt,
’s herrscht Totenstille rings in dem Kreise,
Durch den Zwinger bricht heraus der Stier mit Allgewalt.
Er stürzt vor, treibt in die Enge
Ein stolzes Ross – es fällt – begräbt den Picador.
»Ah, bravo Toro!« heulet die Menge.
Wütend rennt der Stier im Kreise umher, Kopf hoch empor.
Die wucht’gen Hörner wild er senket,
Es fliesset rings das Blut – er brüllet fürchterlich.
Alles flieht – an den Pforten rüttelt –
Da tret auf den Kampfplatz ich
Mit Mut voran! Ach!
Auf in den Kampf usw.
CHOR.
Auf in den Kampf usw.
Nr. 14a. Rezitativ.
ESCAMILLO. Du Schöne, o sprich, sag deinen Namen mir, bei meinem nächsten Siege will laut ich ihn nennen.
CARMEN. Carmen, Carmencita, mein Herr, Euch zu dienen.
ESCAMILLO. Sag, wenn ich dich liebte, hätt ich Hoffnung?
CARMEN. Jenun, beim Warten ist nichts zu verlieren.
ESCAMILLO. Die Antwort ist wohl nicht sehr zärtlich, doch ich lasse die Hoffnung nicht schwinden und warte.
CARMEN. Ich kann’s Euch nicht verbieten, auch ist Hoffnung so süss.
ZUNIGA. Da du mir nicht folgst, holdes Kind, so komm ich wieder.
CARMEN. Wagt das nicht, rat ich Euch!
ZUNIGA. Bah! Ich wag es doch!
FRASQUITA. Kommt herein, sagt, was gibt’s Neues!
DANCAÏRO. ’s ist nicht so schlecht, was ich berichte. Heut Nacht sollen wir Waren schaffen zur Stadt, jedoch dazu brauchen wir euch.
FRASQUITA, MERCÉDÈS, CARMEN. Ihr brauchet uns?
DANCAÏRO. Ihr müsst die Zöllner halten uns fern.
Nr. 15. Quintett.
DANCAÏRO.
Ich hab ein Geschäft vorzuschlagen.
FRASQUITA UND MERCÉDÈS.
Ist’s auch was Gutes? saget mir.
DANCAÏRO.
Wunderbar und wird uns was tragen;
Jedoch dabei sein müsset ihr.
FRASQUITA, MERCÉDÈS, CARMEN.
Wie wir? im Ernst? dabei sein müssen wir?
DANCAÏRO, REMENDADO.
Ja, ihr, im Ernst, dabei sein müsset ihr.
Denn wir gestehen es in Demut ein,
Wir sind dafür viel zu schwach, allein.
Wo es sich dreht um Schurkerei,
Spitzbüberei und Prellerei,
Hat man gewonnen sicher viel.
Ist so ein Weib mit in dem Spiel.
Wo das fehlt,
Der Mann sich nur quält,
Und bringt nichts von der Hand
Zu Stand.
FRASQUITA, MERCÉDÈS, CARMEN.
Wo das fehlt, usw.
DANCAÏRO, REMENDADO.
Gesteht es ein,
Es muss so sein.
FRASQUITA, MERCÉDÈS, CARMEN.
Wir sehen es ein,
Es mag so sein!
ALLE.
Wo es sich dreht um Schurkerei usw.
DANCAÏRO.
Nun abgemacht, ihr seid dabei?
FRASQUITA, MERCÉDÈS.
Nun denn, es sei!
DANCAÏRO.
Doch allsogleich!
CARMEN.
Ach! nur ein Wort!
Wenn ihr beide so wollt, geht fort.
Ich wünsch euch viel Glück auf die Reise;
Doch ich bleib da, geht ohne mich!
DANCAÏRO, REMENDADO.
Ach, das ist seltsam, sicherlich.
Hast du bedacht? auf diese Weise,
Carmen, du lässest uns im Stich.
DANCAÏRO.
Doch den Grund sage uns, Carmen, so sprich!
FRASQUITA, MERCÉDÈS, DANCAÏRO, REMENDADO.
Sag den Grund!
CARMEN.
Ich will es ehrlich eingestehn.
DIE VIER ANDEREN.
So sprich! was ist’s?
CARMEN.
Warum ich nicht mit euch will gehn?
DIE VIER ANDEREN.
Nun denn?
CARMEN.
Weil ich innig liebe!
DIE VIER ANDEREN.
Ach, das ist gut, sie spricht von Liebe!
Wie, du liebst?
CARMEN.
Ja, ich liebe!
DANCAÏRO.
Ach, geh! Carmen, wer da ernsthaft bliebe!
CARMEN.
Bin verliebt mit rasender Glut.
DANCAÏRO, REMENDADO.
Ei! wunderbar, ich muss gestehen,
’s ist drollig, wenn so Carmen spricht;
Und ist ja öfters schon geschehen,
Dass du vergessen Liebe, wie Pflicht!
CARMEN.
Ihr Freunde! ehrlich will ich’s sagen,
Ich geh mit euch heut abend nicht.
Ihr müsst darob euch nicht beklagen,
Doch der Lieb selge Lust gilt mir mehr als die Pflicht.
DANCAÏRO.
Das ist doch nicht dein letztes Wort?
CARMEN.
Ei, ganz gewiss.
REMENDADO.
Nur fort!
Auf deine Freunde nimm Bedacht.
DIE VIER ANDEREN.
O komm mit uns, Carmen, in dieser Nacht
Auf dich wir zählen,
Du darfst nicht fehlen,
Wir sagen’s frei.
CARMEN.
Ich weiss es wohl und stimm euch völlig bei.
ALLE.
Wo es sich dreht um Schurkerei,
Spitzbüberei und Prellerei usw.
Auf Ehre, wahrhaftig, es ist gewiss,
Dass man gewinnet viel,
Ist so ein Weib im Spiel,
Denn auf die Frauen
Kann man bauen.
Nr. 15 a. Rezitativ.
DANCAÏRO. Sag, wen erwartest du?
CARMEN. Den Soldat, von dem ich euch erzählt, der sich, um mich zu retten, selber einsperren liess.
REMENDADO. Fürwahr, der Spass war gut!
DANCAÏRO. Wer weiss, ob der sich’s nicht überlegt, her zu kommen. Bist du auch sicher, dass er kommt?
Nr. 16. Lied.
JOSÉ.
He, holla!
Halt! Wer da?
Mann von Alcala!
CARMEN.
Hört ihr ihn? – Er ist da!
JOSÉ.
Wo willst hinaus du da,
Mann von Alcala?
Meinem Feind entgegen,
Mit dem blanken Degen
In den Staub ihn legen.
Ist’s so in der Tat,
Dann passiert, Soldat!
Wo’s die Ehre gilt,
Wo ein holdes Frauenbild,
Sind wir alle da,
Wir von Alcala!
FRASQUITA.
Es ist ein Dragoner.
MERCÉDÈS.
Und wie hübsch er ist!
DANCAÏRO.
Ha, das wär für uns ein wackrer Kamerad.
REMENDADO.
Such ihn zu gewinnen.
CARMEN.
Niemals folgt er uns.
DANCAÏRO.
Den Versuch mache doch!
CARMEN.
Sei’s! ich will’s versuchen.
JOSÉ.
He, holla!
Halt! wer da?
Mann von Alcala!
Wo willst hinaus du da,
Mann von Alcala?
Treu in Tod und Leben
Zu dem Liebchen eben,
Dem ich mich ergeben.
Ist’s so in der Tat,
Dann passiert, Soldat!
Wo’s die Ehre gilt,
Wo ein holdes Frauenbild,
Sind wir alle da,
Wir von Alcala!
Nr. 16a. Rezitativ.
CARMEN. Bist du endlich da?
JOSÉ. Carmen!
CARMEN. Du kommst aus deiner Haft?
JOSÉ. Zwei Monate sass ich fest.
CARMEN. Du beklagst dich?
JOSÉ. Keineswegs! Zu leiden galt’s für dich! Viel mehr noch würd ich dulden!
CARMEN. So liebst du mich?
JOSÉ. Ob ich dich liebe?
CARMEN. Hier waren heut Offiziere als Gäste, es wurde auch getanzt
JOSÉ. Du hast getanzt?
CARMEN. Ich will wetten, dich quälet Eifersucht.
JOSÉ. Gewiss! Liebt ich dich sonst?
CARMEN. Nur sacht, mein Freund, nur sacht!
Nr. 17. Duett.
CARMEN.
Tanzen will ich zu Eurer Ehr,
Und Ihr sollt sehn, mein Herr,
Mich selber zu begleiten im stande bin ich.
Setzet Euch, Don José!
Nun beginn ich!
Carmen tanzt und schlägt die Castagnetten.
JOSÉ. O halte ein, Carmen! einen Moment, mein Leben!
CARMEN. Und warum? sprich, was gibt’s?
JOSÉ. Hörst du nicht? Das ist – ja, es sind die Trompeten, die das Zeichen geben, zur Heimkehr naht die Frist.
CARMEN.
Bravo! Bravo! will’s nicht behagen
Dem Herrn zu tanzen
Nach der Castagnetten Schlägen,
So schickt zum Glück
Der Himmel selbst die Musik.
JOSÉ. Nein, du verstehst mich nicht, Carmen, es ist das Zeichen, – ich muss nun fort, nach Haus, ins Quartier, zum Appell.
CARMEN.
Ins Quartier? Zum Appell?
Ha! wie töricht ohnegleichen
War doch mein gutes Herz,
Mit Lachen und mit Scherz,
In voller Lust bereit,
Zu kürzen ihm die Zeit.
Bald mit Tanz, bald mit Sang,
Und sag ich’s ohne Zwang,
Selbst mein Herz ward schwach!
Traterata! da beim Trompetenklang!
Traterata! springt er schnell in die Höh
Und will fort. – Nun, so geh!
Da nimm deinen Helm, den Säbel, das Gehänge –
Nun, mein Junge, so geh! zur Kaserne dich dränge!
JOSÉ.
O spotte nicht, Carmen! Wie unrecht tust du mir.
Mir bricht das Herz entzwei, soll ich von dannen ziehen.
Noch hat kein Weib vor dir, bei meinem Eid!
Erfüllt die Seele mir mit solchem heissen Glühen.
CARMEN.
Traterata! da ruft es zum Appelle!
Traterata! Ich komme noch zu spät!
O mein Gott! ’s geht zum Appelle,
Ach, mein Kopf ist verdreht,
Hinweg! nur schnelle!
Ist das deine Liebe zu mir?
JOSÉ.
Du zweifelst noch an meiner Lieb zu dir?
CARMEN.
Lass mich!
JOSÉ.
Wohlan! so hör mich an!
CARMEN.
Nein, nein, ich will nichts hören,
Dein Beteuern und Schwören
Soll mich nimmer betören.
Nein, nein, nein!
JOSÉ.
Ja, ich will es so, höre mich an!
Er zieht aus der Brusttasche den Cassienstrauss hervor.
Hier an dem Herzen treu geborgen,
Die Blume, sieh, von jenem Morgen;
Entblättert, welk in Kerkerluft,
Behielt sie noch den süssen Duft.
Ach, wie bange sind die düstern Stunden
Dem geschlossnen Aug hingeschwunden!
Vom Duft berauschet, lag ich da –
In dunkler Nacht dein Bild ich sah.
Ich fluchte dir in wildem Grimme,
Und grollend sprach hier eine Stimme:
Warum doch fügt es das Geschick,
Dass du erschienst vor meinem Blick?
Dann die bittre Lästerung beklagend,
Dann bald hoffnungsvoll, dann verzagend,
Durchbebt mein Herz der stille Schmerz,
Ich bat zu Gott mit heissem Flehn:
Ach, teures Mädchen, dich wiederzusehn.
Da standest du vor meinen Blicken.
Klar fühlte ich, es war um mich getan,
Du meine Wonne, mein Entzücken!
Dein ist mein Herz, und ewig dir gehör ich an!
Carmen, ich liebe dich!
CARMEN.
Nein, du liebst mich nicht!
JOSÉ.
Ha, was sagst du?
CARMEN.
Nein, du liebst mich nicht, nein!
Denn, von Lieb gerührt,
Hätt’st längst du mich hinweg geführt.
Dort in der Felsen wilde Klüfte
Würdest du fliehen jetzt mit mir;
JOSÉ.
Carmen!
CARMEN.
Auf einem Pferde flögst du schier
Hin, wie ein Sturmwind brausend durch die Lüfte,
Auf dem Sattel die Braut vor dir,
Dort gibt es in der Berge Ferne,
Heimlichen Aufenthalt für dich,
Du folgtest gerne,
Liebtest du mich!
JOSÉ.
Carmen!
CARMEN.
Es hausen dort nur deinesgleichen.
Kein Offizier, dem blindlings gehorchen du musst.
Dort tönt zum Appelle kein Zeichen.
Das den Geliebten reisst von der liebenden Brust,
Offen die Welt, nicht Sorgen drücken,
Unbegrenzt dein Vaterland,
Nur dein Wille gilt als höchste Macht,
Und voran, das seligste Entzücken
Die Freiheit lacht.
JOSÉ.
O Gott! Carmen!
CARMEN.
Dort in der Felsen wilde Klüfte
Würdest du fliehen jetzt mit mir!
JOSÉ.
Ha, schweige!
CARMEN.
Komm, lass uns eilen fort von hier,
Auf einem Pferde flögst du schier
Hin, wie ein Sturmwind durch die Lüfte,
Auf dem Sattel die Geliebte vor dir,
Fühltest du Liebe zu mir.
JOSÉ.
Schweig, o schweig, hab Mitleid doch mit mir,
Mein Gott!
CARMEN.
O teurer Freund! ist bange dir?
O sprich: fühlst du nicht Lieb zu mir?
JOSÉ.
Ach lasse ab, o schweig, hab Mitleid mit mir!
O mein Gott! weh mir.
CARMEN.
Komm, lass uns fliehen weit von hier,
Dort in die Berge folge mir!
O fliehen wir, o folge mir!
JOSÉ.
Carmen, schweig, weh mir.
Nein! ich will nichts hören! o schweig!
Die Fahne verlassen, schnöde feig?
Welche Schande! entehrt mich zu sehen,
Nein! nimmermehr!
CARMEN.
Nun wohl! geh!
JOSÉ.
Carmen! hör mein Flehen!
CARMEN.
Nein! ich lieb dich nicht mehr! geh, ich hasse dich.
Nimmermehr siehst du mich! –
JOSÉ.
O höre, Carmen!
Wohlan! lebe wohl! auf ewig – leb wohl!
CARMEN.
So geh! Hinweg!
Nr. 18. Finale.
ZUNIGA von draussen.
Holla! Carmen – holla!
JOSÉ.
Wer klopft? wer ist da?
CARMEN.
O schweig!
ZUNIGA.
Ich öffne selber und komme!
Ach, pfui, da seht die Fromme!
Nicht glücklich ist die Wahl, ’s macht wenig Ehre dir,
Da den Sergeanten nehmen, wenn dir winkt der Offizier!
Zu José.
Du, geh mach weiter.
JOSÉ.
Nein!
ZUNIGA.
Du gehst im Augenblick!
JOSÉ.
Ich weiche nicht zurück.
ZUNIGA.
Unverschämter!
JOSÉ.
Zum Teufel! es ist um Euch getan!
CARMEN.
Halt ein, rühr ihn nicht an!
Zu mir, zu mir!
Zigeuner und Schmuggler erscheinen plötzlich von allen Seiten.
Mein Kapitän! Mein Offizier! es spielt die Liebe Euch
Fürwahr da einen schlechten Streich.
Denn, seht, Ihr kommet heut
Zu ungelegner Zeit;
Und leider sind gezwungen wir,
Soll nicht Verrat uns drohen hier,
Ein Stündchen Euch der Freiheit zu berauben.
DANCAÏRO UND REMENDADO.
Mein lieber Herr, wir bitten sehr,
Verlassen müssen wir dies Haus, Ihr wollt erlauben,
Ihr geht doch mit sogleich,
Wenn wir ersuchen Euch?
CARMEN.
Die Abendluft geniesset.
DANCAÏRO UND REMENDADO.
Ihr willigt ein?
Nun sprecht, was Ihr beschliesset.
ZUNIGA.
Ei, ganz gewiss, um so mehr,
Als ihr höflich seid!
Und so gewichtgen Gründen widersteht man schwer.
Doch hütet euch, treff ich euch in spätrer Zeit.
DANCAÏRO.
Du mein Gott! ’s ist so Kriegsgebrauch,
Doch, unterdes, mein Offizier,
Ist’s Euch gefällig – gehen wir!
REMENDADO UND DIE MÄNNER.
Ist’s Euch gefällig – gehen wir!
CARMEN.
Nun, bist du uns ganz zugewandt?
JOSÉ.
Ja, weil ich muss!
CARMEN.
Ach, das klingt nicht sehr galant.
Doch was liegt daran? Ganz unser du bist,
Wenn du erst siehst:
Offen die Welt – nicht Sorgen drücken
Unbegrenzt dein Vaterland.
Nur dein Wille gilt als höchste Macht,
Und voran: das seligste Entzücken,
Die Freiheit lacht!
ALLE.
O folg uns in felsige Klüfte,
Wilder, doch rein wehn dort die Lüfte,
Entschliess dich mit uns zu gehn,
Und du wirst mit Staunen sehn:
Offen die Welt, nicht Sorgen drücken;
Unbegrenzt dein Vaterland!
Nur dein Wille gilt als höchste Macht,
Und voran: das seligste Entzücken,
Die Freiheit lacht!
Vorhang.
Dritter Aufzug.
Wilde Gebirgsgegend, dunkle Nacht.
Nr. 19. Sextett und Chor.
CHOR.
Nur mutig die Schlucht hinab, ihr Kameraden,
Dem, der waget, reicher Lohn gebührt,
Doch behutsam, auf rauhen Pfaden
Ein falscher Tritt zum Abgrund führt.
CARMEN, FRASQUITA, MERCÉDÈS JOSÉ, DANCAÏRO, REMENDADO.
Trefflich belohnt sich die Mühe fürwahr,
Doch eh‘ man an das Ziel gelangt, gilt’s klug sein und verwegen,
Wir führen hier ein Leben voll Gefahr.
So winket uns auf sonniger Höh, in tiefer Schlucht entgegen,
Ob uns Blitze bedrohn oder tobt der Orkan,
Ob uns Felsen umstarren und Giessbäche schäumen,
Ob Soldaten wir finden auf unserer Bahn,
Die, in Dunkelheit spähend, die Pfade umsäumen!
Ohne Sorgen, nur mutig voran.
VORIGEN UND CHOR.
Nur mutig die Schlucht hinab usw.
Nr. 19 a. Rezitativ.
DANCAÏRO. Ihr ruhet hier ein Stündchen aus, Kameraden. Wir wollen uns erst überzeugen, ob der Weg auch frei ist, ob die Bresche im Walde nicht besetzt mit Wachen ist.
CARMEN. Worüber sinnest du?
JOSÉ. Ich erinnerte mich, dass nicht weit von hier lebt eine brave Frau, die noch für ehrlich mich hält. – Ach, leider täuscht sie sich.
CARMEN. Wer ist denn dieses Weibchen?
JOSÉ. Höre, Carmen, darüber lass jeden Scherz! ’s ist meine Mutter!
CARMEN. Ei nun, geh doch wieder heim zu der Mutter, denn unser Handwerk passt doch nicht für dich, und das beste wär wohl, wenn du gingest noch heute.
JOSÉ. Verlassen soll ich dich?
CARMEN. Und noch heute!
JOSÉ. Von dir mich trennen, Carmen?! Sprichst du noch einmal solch ein Wort –
CARMEN. Willst du wohl gar mich töten? – Seine Blicke! sie verzehren mich! Doch was liegt wohl daran? Das Geschick mag sich erfüllen!
Nr. 20. Terzett.
MERCÉDÈS, FRASQUITA.
Mische, hebe, weissagen wir!
Drei Karten sind da, viere hier.
So lasset uns die Karten befragen,
Ja, ganz gewiss die Zukunft sie uns sagen,
Zeigt uns den Mann, der Lieb gesteht,
Und wer dies treue Herz verrät.
Nun denn – fang an.
FRASQUITA.
Da, ein Jüngling, schmuck von Gestalt,
Sein Herz fühlt für mich süsses Wehe.
MERCÉDÈS.
Der Meine ist reich, doch sehr alt,
Aber dennoch spricht er von Ehe.
FRASQUITA.
Er entführt mich auf seinem Ross,
Sprengt mit mir in felsige Klause.
MERCÉDÈS.
Ich sehe ein herrliches Schloss,
In dem ich als Königin hause.
FRASQUITA.
Ewig währt die Liebe zu mir,
Jeder Tag bringt Lust nur und Freude.
MERCÉDÈS.
Von Silber und Gold strotz ich schier,
Edelgestein, Perlen und Seide.
FRASQUITA.
Wohl hunderte folgen ihm nach,
Banditenchef ist sein Gewerbe.
MERCÉDÈS.
Da sieh, und der Meinige!
Ach ja!
Er stirbt – Ach!
Ich bin Witwe und erbe!
FRASQUITA, MERCÉDÈS.
Ach, wie gut das ist, die Karten zu fragen.
Ja, ganz gewiss die Zukunft sie uns sagen!
Zeigt uns den Mann, der Lieb gesteht,
Und wer dies treue Herz verrät!
MERCÉDÈS.
Das Glück!
FRASQUITA.
Die Lieb!
CARMEN.
Lasst sehn, was für mich übrig blieb?
Carreau, Pique! – der Tod!
Wohl les ich, was uns droht,
Früher für mich – später für ihn – der Tod.
Wenn dir die Karten einmal bittres Unheil künden,
Vergebens mische sie,
So oft du frägst, du wirst die gleiche Antwort finden,
Die Karten lügen nie.
Ist dir bestimmt im Schicksalsbuch das Glück, der Segen,
So mische unverzagt,
Stets auf dieselbe Art wird sich die Karte legen
Und dir nur Gutes sagt.
Hat aber prophezeit den Lebenslauf zu enden,
Des Schicksals Machtgebot,
Die Karten unerbittlich magst du drehn und wenden,
Sie künden stets den Tod.
Dann mische zwanzigmal mit zitternd bangen Händen
Die Karten, unerbittlich, sie künden stets den Tod.
Mir droht der Tod, ewig der Tod.
FRASQUITA, MERCÉDÈS.
Wie schön das ist, die Karten zu fragen usw.
Das Glück, die Lieb, wie schön – o Gott!
CARMEN.
O düstres Los, mir droht – der Tod.
Nr. 20 a. Rezitativ.
CARMEN. Was gibt’s?
DANCAÏRO. Wir wollen versuchen durchzukommen, hoffentlich wird’s gehn. Ihr bleibet hier, José, bewachet unsre Waren.
FRASQUITA. Der Weg ist nicht ganz frei?
DANCAÏRO. Nein! Am Walle die Bresche, sie ist besetzt, drei Zöllner wachen dort, ich sah sie selbst. Ihr müsst uns von ihnen befrein.
CARMEN. Nehmet nur die Waren und geht, ihr kommet durch, wir stehn dafür.
Nr. 21. Ensemble.
FRASQUITA, MERCÉDÈS, CARMEN.
Ach, die Zöllner sind nur Sünder,
Lieben ja die Frau’n und hübsche Kinder,
Und mancher spielt gerne den Galan,
Ach, lasst uns, wir schaffen freie Bahn!
ZIGEUNERINNEN.
Ach, die Zöllner sind nur Sünder usw.
ALLE.
Zöllner sind Sünder!
MERCÉDÈS.
Aber öfters zart und fein.
ALLE.
Lieben die Frau’n –
CARMEN.
Werden uns auch günstig sein.
ALLE.
und hübsche Kinder
FRASQUITA.
Wollen ihrer Huld sich freun!
MERCÉDÈS.
Ein braver Zöllner lässt uns zur Stadt hinein.
ALLE FRAUEN.
Ach, die Zöllner sind auch Sünder usw.
DANCAÏRO, REMENDADO, MÄNNER.
Die Zöllner sind ja doch nur Sünder,
Sie lieben Frau’n und hübsche Kinder,
Und mancher spielet den Galan,
Drum lasset sie gewähren, denn sie schaffen freie Bahn.
FRASQUITA, MERCÉDÉS, CARMEN.
Hier gilt es nicht Kämpfe, nicht Schlachten,
Es ist ein Krieg anderer Art,
Ein wenig schwärmen oder schmachten
Ein süsses Wort, freundlich und zart
Sollten sie gar Küsschen verlangen,
Gibt man sie auch, was liegt daran?
ALLE FRAUEN.
Doch zum Ziele wird man gelangen,
Wir kommen durch, frei ist die Bahn.
ZIGEUNERINNEN.
Die Conterbande langet an!
ALLE.
Die Zöllner sind ja doch nur Sünder,
Lieben Frau’n und hübsche Kinder,
Und mancher spielet den Galan.
ALLE FRAUEN.
Lasset uns, wir schaffen freie Bahn,
Lasset uns voran!
Ja, voran
Frei ist, die Bahn!
Nr. 22. Rezitativ und Arie.
MICAËLA. Hier in der Felsenschlucht sollen hausen die Schmuggler. Hier soll er sein, ich werd ihn sehn. – Mir wird so bang an diesem Schreckensorte. O mein Gott, gib Kraft mir, ihn zu retten!
Ich sprach, dass ich furchtlos mich fühle,
Und, trotz Gefahr, Mut meine Seele belebt. –
Doch wenn ich auch die Tapfre spiele,
Vor Angst und Schreck mir das Herz erbebt.
Wild ist der Ort, voll Grauen,
Und ich bin hier allein; doch Mut – was zag ich mehr?
Ja, nur auf ihn dort will ich bauen,
Du wirst mich schützen, Gott, mein Herr!
Jenem Weibe nah‘ ich mit Bangen,
Das frech sein reines Herz getrübt,
In ihrem Netze hält sie gefangen
Den Mann, den ich so heiss geliebt.
Man sagt, sie sei schön und gefährlich,
Ach, sie zu sehen, welche Pein!
Doch darf ich erbeben? Nein, o nein!
Vor sie tret ich offen und ehrlich:
Ach, nur Mut wird Gott der Schwachen leihn,
Mein Gott, du wirst mir Mut verleihn,
Ja, ich sprach usw.
Nr. 22a. Rezitativ.
MICAËLA. Doch täusch ich mich nicht? – Dort, dort auf jenem Felsen, er ist’s, José – José! – Er scheint mich nicht zu sehn. Doch was ist das? – Er legt an sein Gewehr – Gott, meiner Kraft hab ich allzuviel zugetraut!
ESCAMILLO. Eine Linie tiefer, und alles wär vorbei!
JOSÉ. Wer da? Stehet still!
ESCAMILLO. Ei, sachte nur, mein Freund!
Nr. 23. Duett.
ESCAMILLO.
Ich bin Escamillo – in dem Stierkampfe Sieger!
JOSÉ.
Escamillo?
ESCAMILLO.
Ich bin’s!
JOSÉ.
Hab gehört schon von Euch.
Willkommen seid Ihr hier, doch wahrlich, es wär klüger,
Wenn nicht hierher Ihr kämt.
ESCAMILLO.
Es war ein dummer Streich.
Aber ich bin verliebt, mein Freund, will’s ehrlich sagen,
Und in der Tat, es däucht kein echter Spanier mir,
Der für sein Liebchen nicht das Leben wollte wagen.
JOSÉ.
Dieses Liebchen, o sprecht – ist es hier?
ESCAMILLO.
Ganz gewiss. – Zigeunerin, so wie es scheint.
JOSÉ.
Wie ist ihr Name?
ESCAMILLO.
Carmen!
JOSÉ.
Carmen!
ESCAMILLO.
Carmen – ja, mein Freund.
Es hat bis jetzt ihr Herz einem Soldaten angehört,
Der ihr zulieb verliess des Regimentes Fahne.
JOSÉ.
Carmen!
ESCAMILLO.
Sie liebten sich – vorbei ist’s, wie ich ahne.
Carmens Liebe nie länger als sechs Wochen währt.
JOSÉ.
Und doch seid Ihr verliebt?
ESCAMILLO.
Ei, freilich.
Verliebt, mein teurer Freund, zum Wahnsinn,
Ihr findet’s wohl verzeihlich.
JOSÉ.
Doch wenn man ein Zigeunerkind dem Stamme entrissen
So zahlt man auch, das müsst Ihr wissen!
ESCAMILLO.
Wie? Man bezahlt? Sei’s – desto besser!
JOSÉ.
Nur eine Münze gilt: »Das blinkende Messer«.
ESCAMILLO.
Das blinkende Messer?
JOSÉ.
Versteht Ihr wohl?
ESCAMILLO.
Ach, der Fall ist ja klar.
Und der Soldat, Ihr seid es ohne Zweifel,
Der Carmens Liebster ist – oder war.
JOSÉ.
Ja, alle Teufel!
ESCAMILLO.
Das freut mich wirklich sehr.
So wagen wir den Kampf, er gereicht mir zur Ehr.
JOSÉ.
Ha! er wagt es, mich zu höhnen,
Wild erwacht in mir die Wut –
Sein Blut kann nur den Schimpf versöhnen,
Fliessen soll sein Blut!
ESCAMILLO.
Eitler Liebe wollt ich frönen,
Und nun gilt es Kampfesmut,
Ich finde statt der Schönen
Den Liebsten, das ist gut!
BEIDE.
Mag der Kampf entscheiden;
Nun wehre dich!
’s gilt einem von beiden –
Sei’s Hieb – sei’s Stich.
Nr. 24. Finale.
CARMEN.
Halt ein! halt ein! José!
ESCAMILLO.
Ach! der Gedanke macht mich beben,
Dass Carmen selbst es war, die rettete mein Leben! zu José
Mein Soldat! lebe wohl! Auf bald’ges Wiedersehen.
Das Messer in der Hand – wir uns entgegenstehen,
Bestimm den Tag, wo sich der Kampf erneuern soll.
DANCAÏRO.
Es ist genug, lasst jetzt den Streit!
Wisst, wir müssen nun fort, mein Freund,
Entferne dich, es ist Zeit!
ESCAMILLO.
Nur noch ein Wort, bevor ich zu gehn bin bereit:
Ich lad euch alle ein, dort in Sevillas Mauern
Zum nächsten Stiergefecht, wo gefeiert ich bin,
Und ich sag nur ein Wort:
Wer mich liebt, der ist dort!
Mein Freund, was soll das Lauern?
Was ich sprach, ja, hat offnen Sinn,
Hier meine Freundeshand zum Abschied nehmet hin.
JOSÉ.
Hüte dich wohl, Carmen, müde bin ich der Qual!
ESCAMILLO von fern.
Auf in den Kampf, Torero,
Stolz in der Brust, siegesbewusst;
Wenn auch Gefahren dräun,
Sei wohl bedacht,
Dass ein Aug dich bewacht
Und süsse Liebe lacht!
Vorhang.
Vierter Aufzug.
Platz in Sevilla. Es ist der Tag eines Stiergefechtes. Auf dem Platze herrscht grosse Bewegung.
Nr. 25. Chor.
VERKÄUFER, VERKÄUFERINNEN.
Nur zwei Cuartos, nur zwei Cuartos!
Fächer zum fächeln kühler Luft,
Hier Orangen, welch süsser Duft,
Hier Programme, deutlich genau,
Hier Wein, hier Wasser, hier Cigaretten,
Nur zwei Cuartos, nur zwei Cuartos.
Señoras und Caballeros!
ZUNIGA.
Gebt Orangen, schnell.
VERKÄUFERINNEN.
Nehmet hier, den Damen mag es wohl bekommen!
EINE VERKÄUFERIN.
Schön Dank, mein schmucker Herr Offizier,
ALLE.
Hättet ihr die schönren genommen
Fächer zum fächeln kühler Luft usw.
ZUNIGA.
Zwei Fächer gib, gute Frau!
EIN ZIGEUNER.
Sehet hier die schönen Lorgnetten!
ALLE.
Nur zwei Cuartos usw.
Ballett.
Nr. 26. Marsch und Chor.
KINDER.
Ha, sie naht, es ist die Quadrilla!
CHOR.
Seht sie da, sie kommt herbei – es ist die Quadrilla.
Seht sie hier mit Schwert und mit Lanze,
Die Quadrilla der Toreros,
Wie das strahlt im sonnigen Glanze!
Schwingt hoch empor Mützen und Sombreros,
Ha, sie naht, es ist die Quadrilla der Toreros!
KINDER.
Ach, da kommen auch Alguazile!
Wo’s ein Fest gibt, fehlen die nie,
Leider sind es ihrer zu viele,
Hole doch der Teufel sie.
Hurra!
CHOR.
Hol der Teufel sie – hurra!
Grüssen wir die tapferen Reihn
Jener Männer, genannt »Chulos«.
Bravo! Viva! Lasst uns schrein:
Jenen tapfern Reihn Chulos,
Ein Hoch den Banderilleros!
Die Mienen tollkühn und verwegen,
Da seht! Geschmückt mit Bändern wunderbar,
Mit Golde ausgelegt die Degen,
Da seht! Begrüsst die wackre Schar!
Ein Hoch den Banderilleros!
Was sehn in der Sonne wir blitzen?
Es sind die Picadors – wie sind sie schön,
Wenn mit blanken, eisernen Spitzen
Kühn dem Stier sie entgegengehn.
Da kommt er! Der Tapfre! Escamillo!
Hoch ruft dem Torero!
Stolz in der Brust,
Siegesbewusst!
Dem in blutig heisser Schlacht
Stets das Glück treulich hat gelacht.
Escamillo erscheint. Neben ihm Carmen.
CHOR.
Hoch Escamillo!
Seht sie hier mit Schwert und mit Lanze usw.
Bravo, viva, bravo!
ESCAMILLO zu Carmen.
Liebst du mich treu und innig und willst mir angehören,
Dann sieh hin; dort im Kampf, sollst du stolz sein auf mich,
Wenn du wahrhaft liebst.
CARMEN.
Escamillo, ich lieb dich und ich kann dir es schwören,
Noch nie hab ich geliebt einen Mann, so wie dich.
BEIDE.
Ja – ich liebe dich!
MEHRERE STIMMEN.
Platz! Platz für den Señor Alkalde!
FRASQUITA.
Carmen, darf ich dir raten?
Geh fort und bleib nicht da!
CARMEN.
Und warum? sprich, was gibt’s?
MERCÉDÈS.
Er ist da!
CARMEN.
José?
MERCÉDÈS.
Ja! Don José,
In der Menge dort lauernd verbirgt er sich.
CARMEN.
Ja, ja, ich seh ihn.
FRASQUITA.
O, hüte dich! –
CARMEN.
Ich bin nicht das Weib, das sich fürchtet und zagt,
Ich erwart ihn – hör ihn an, was er sagt.
MERCÉDÈS.
Carmen, glaub mir und hüte dich.
CARMEN.
Ich fürchte nichts!
FRASQUITA.
O, hüte dich!
Nr. 27. Duett und Finale.
CARMEN.
Du bist’s?
JOSÉ.
Ich bin’s!
CARMEN.
Es ward mir schon die Kunde,
Dass du nicht weit entfernt, dass du mir stelltest nach;
Selbst Gefahr für mein Leben brächte diese Stunde,
Doch ich bin furchtlos – feige Flucht wäre Schmach.
JOSÉ.
Ich will dir ja nicht drohn – ich bitte – sieh mich beben.
Ich fleh zu dir, o Carmen! Die Vergangenheit sei vergeben.
Komm, ziehn wir beide fort,
Wir beginnen ein neues Leben
Weit von hier, an fernem Ort.
CARMEN.
Was du verlangst, es ist unmöglich!
Fern von mir ist Heuchelei,
Es bleibt mein Herz unbeweglich,
Und zwischen uns ist es vorbei,
Und was mein Los auch sei,
Zwischen uns ist es vorbei!
JOSÉ.
O Carmen, nur ein Wort noch höre,
Ach, zu mir wiederkehre;
Ich reisse ja aus diesem Abgrund dich
Und deine Ehre!
O folge mir, ich rette dich und mich.
CARMEN.
Nein, all dein Flehn ist vergebens,
Mag mir Tod auch künden dein Blick.
Und wär’s das Ende meines Lebens,
Nein, nein! ich weiche keinen Schritt zurück.
JOSÉ.
Carmen, nur ein Wort noch höre usw.
CARMEN.
Nicht länger mein Herz betör,
Es schlägt nimmermehr für dich,
Mag der Tod ereilen mich.
Eh‘ ich zu dir wiederkehre,
Fest unwandelbar ist mein Entschluss;
Verlasse mich!
JOSÉ.
Wie, du liebst mich nicht mehr?
CARMEN.
Nein, ich liebe dich nicht mehr!
JOSÉ.
Doch all mein Hoffen und mein Lieben
Ist ewig treu nur dir geblieben.
CARMEN.
Wozu die Worte noch? sie klingen hohl und leer.
JOSÉ.
Carmen, mein Herz ist treu geblieben,
Wohlan! ich bleibe treu den Scharen,
Und bin Bandit wie sie,
Ich tue, was du willst,
Ja, höre wohl:
Wenn du der Liebe heisses Sehnen stillst.
Ach, denke doch vergangner Zeit zurück,
Wo wir so selig waren.
Zu deinen Füssen lieg ich hier,
Carmen, geh nicht von mir.
CARMEN.
Es weichet Carmen keinem Gebot!
Frei will ich sein, frei selbst noch im Tod.
CHOR im Zirkus.
Viva! Viva! ach, wie so herrlich!
In dem blutgen Sand wie gefährlich
Rennt der Stier dem Kämpfer entgegen,
Seht da, wie Escamillo zieht seinen Degen –
Wie das Tier gereizt auf ihn springt –
Ob der Stoss ihm glücklich gelingt?
Seht da, seht da, Victoria!
JOSÉ.
Wohin eilst du?
CARMEN.
Lasse mich!
JOSE.
Dem dort man Beifall schreit –
Ha! Er ist es, den du liebst!
CARMEN.
Lasse mich!
JOSÉ.
Bei meiner Seligkeit,
Du gehest nicht von hier!
Carmen! nein, folgen musst du mir.
CARMEN.
Lasse mich, Don José, ich kann nicht mit dir ziehn.
JOSÉ.
Du gehst zum Stelldichein? sprich! so liebst du ihn?
CARMEN.
Ich lieb ihn und selbst im letzten Augenblick
Sag ich’s laut: »Er nur ist all mein Glück.«
CHOR im Zirkus.
Viva! Viva! ach, wie so herrlich!
In dem blut’gen Sand wie gefährlich
Rennt der Stier dem Kämpfer entgegen,
Seht da, Escamillo zieht seinen Degen,
Siegsbewusst
Ihm zielt nach der Brust.
JOSÉ.
Dahin, was mir wert war und teuer,
Das Heil meiner Seele entflohn,
Indessen du – ein Ungeheuer,
In seinen Armen lachest Hohn!
Bei meinem Blut! – das darf nicht sein!
Carmen! du folgst mir! du bist mein!
CARMEN.
Nein, nimmermehr!
JOSÉ.
Zauderst du – ist’s um dich getan.
CARMEN.
Wohlan! so töte mich oder gib frei die Bahn!
CHOR im Zirkus.
Victoria!
JOSÉ.
So sprich dein letztes Wort,
Dämon! folgest du mir?
CARMEN.
Fort! Fort!
Diesen Ring, den du einst als Liebespfand gegeben,
Da!
JOSÉ.
Nun denn, so stirb!
Zieht seinen Dolch und stürzt auf Carmen los.
CHOR im Zirkus.
Auf in den Kampf, Torero!
Stolz in der Brust
Siegesbewusst!
Wenn auch Gefahren dräun,
Sei wohl bedacht, –
Dass ein Aug dich bewacht
Und süsse Liebe lacht.
JOSÉ stösst ihr den Dolch in die Brust. Sie sinkt nieder und stirbt.
Seht mich hier, blutgerötet,
Ja, ich hab sie getötet! –
Ach, Carmen! du mein angebetet Leben!
Alguazils und Soldaten treten vor, um José festzunehmen. Allgemeine Gruppe.
Ende.