Christoph Willibald Gluck
Armida
Große heroische Oper in fünf Akten
Personen
Armide
Phenize,
Sidonie, ihre Vertrauten
Hildroat, König von Damas
Rinald, Unterfeldherr in Gottfried von Bouillons Heer
Aront,
Artemidor, Krieger
Ubald,
Ein Dänischer Ritter, vom Lager der Kreuzfahrer gesandt
Die Furie des Hasses
Ein Dämon, unter den Gestalten einer Najade und der Lucinde
Eine Nymphe
Chöre und Tänze von Furien im Gefolge des Hasses
Chöre und Tänze vom Volke zu Damas
Chöre und Tänze von Schäfern und Schäferinnen
Furien. Najaden. Zephyre etc.
Erster Akt.
Palast.
PHENIZE.
Vom Diadem des Throns umglänzt,
Was bleicht Dir, Königin, mit Harm die Wange?
Die Glorien des Ruhms umstrahlen lange
Magisch Dich, die die Schönheit kränzt.
SIDONIE.
Du kettest an der Liebe Wagen,
Die nie Dein stolzes Herz empfand;
Du hast des Gottes Pfeil entwandt,
Vor dem die Welten zagen.
BEIDE.
Wem lacht so hold das Glück;
O ruf‘ die heitre Lust, die sonst hier weilt, zurück!
PHENIZE.
Flammt des Kreuzzugs Panier,
Auf blutgetränkten Pfaden,
Bebt des Jordanus Strand,
Nur dort ob Mavors Reich;
Unsern sel'gen Gestaden
Blüht ew'ger Palmenzweig.
SIDONIE.
Selbst der Unterwelt Macht
Leiht Dir furchtbare Waffen,
Dein Machtgebot schließt ihre Pforten auf!
PHENIZE.
Doch schönre Feerei
Vermag Dein Blick zu schaffen,
Die Tapferkeit lähmt er oft im Heldenlauf!
BEIDE.
Ha, Bouillons roher Schwarm, winkst Du
nur, entflieht den Fahnen,
Folgt entbrannt der Minne leisem Mahnen.
ARMIDE.
Ha, da nur er sich naht, ist mein Triumph entweiht!
Rinald, den diese Brust aus innerer Tiefe hasset,
Höhnt allein ungestraft die süße Zärtlichkeit!
Nur des Ruhmes Phantom verehrt sein blinder Wahn,
Und der Reiz, den jede Dichtung preiset –
Sein hochverwegner Muth blickt ungerührt ihn an!
Ihm blüht des Lebens Mai,
Wo Jeder Liebe fühlet!
Ha, meiner Schönheit Macht,
Daß ihr Rinald entfliehet,
Sagt, wie ich sieggewohnt es tragen soll?
Ein Schreckens-Traum entflammt zu nie gefühltem Zorn
Wider den verhaßten Feind;
Er stand vor mir – ich zauderte!
Urplötzlich fühlt ich mich von dem Frevler verwundet.
Zu Füßen sank ich ihm, doch er verhöhnte mich;
Nein! – Nein! Nichts beugte des verweg'nen Stolz!
Ach! seiner Reize Zaubermacht,
Unwiderstehlich drang sie mir in's tiefste Herz,
Noch selbst in dem Moment, wo er es kalt durchbohrt!
HILDROAT.
Armide! Heiliger Verwandtschaft zartes Band
Läßt mich Dein Loos mit Vatersorgsamkeit umfassen.
Hoch hebt Dich des Geschickes Hand!
Doch trauernd nur werd‘ ich die Welt verlassen,
Daß Hymenäus Myrthenkranz noch nicht
Dein lockicht Haar umwand. –
Schon seh‘ ich nah‘ der Parze Stahl mir drohen,
Des Lebens Traum ist bald entflohen.
Dies Haar erbleicht, mein Greisenhaupt wird kahl! –
Nur ein Wunsch ist's, nach dem ich lodre:
Eines Gatten Wahl,
Die einen Königsstamm Armidens Reich verheißt,
Von ihrem edlern Blut und weiserm Geist.
Dann, herbstlich Laub, falle ab;
Dann strenges Schicksal fordre!
Folgt dies Bild mir nach, ruhig modre
Ich in deinem Arm, banges Grab. –
ARMIDE.
Wie Rosen am Torus auch glänzen,
Mich schreckt das vielgepries'ne Band;
Wer der Freiheit Reiz erkannt,
Wird allein ihr Bild umkränzen.
HILDROAT.
Das Geisterreich gehorcht Deinem bannenden Stab,
Tief dringst Du in die magischen Regionen,
Stolzer Könige Minnegluth beut Dir Kronen;
Ja, nur Wunder der Liebe ruft Dein Blick herab.
O laß Dein Herz doch auch Paphos Entzücken lohnen.
Willst Du ewig einsam thronen,
Du, der das Leben so viel gab?
ARMIDE.
Hebt die Zwietracht ihr Haupt, darf ich Mächtige rufen.
Der Orkus sendet Hülf‘ empor,
Es nah'n mit huldigendem Chor
Die Liebe Fordernden an meines Tempels Stufen;
Doch ich ziehe, was ich nie verlor,
Die unbeschränkte Freiheit vor.
CHOR.
Es töne im festlichen Liede
Der Name Armide;
Ihn trage laut Gesang empor!
Ihm winde sich der Tanz beim heitern Jubel-Chor!
Der Monarchin Gewalt rief jüngst Schatten zum Leben,
Es donnert ihr Bann tief herab zum Höllenthor;
Auch galt's nur des Blicks Erheben,
Und Anbetung trat aus Feindes Wuth hervor.
So folgt Armiden und schmückt die Altäre,
Erhebt ihr Bildniß, ihr festlichen Heere.
PHENIZE.
Welch lächelnd Glück! Damas Feind liegt im Staub,
Es sind nicht Blut noch Thränen geflossen,
Der Hirtenflur droh'n nicht Schlachten nicht Raub!
Und schöne Siegespalmen sprossen.
SIDONIE.
Gott Amor muß auf Armidens Geheiß
Bezaubernd an die Busen sich ketten;
Nur sie, die Wunderthäterin,
Weiß vor seinem Pfeil die Brust zu retten.
CHOR.
So folgt Armiden und schmückt die Altäre etc.
SIDONIE UND CHOR.
Seltner Ruhm, wenn an Trophäen
Nur die eigenen Kränze wehen.
PHENIZE.
Wir rüsteten kein furchtbar Heer,
Auch waffenlos ward Siegerruhm gefunden,
Huldigend neigte der Schlachtensohn den Speer,
Durch Liebreiz schon allmächtig überwunden.
PHENIZE. SIDONIE. CHOR.
Seltener Ruhm, wenn an Trophäen etc. etc.
ARONT.
Welch Loos, ach wie beugt mich die Schande;
Ich führt‘ Armidens gefang'ne Schaar,
Gehorsam wacht‘ ich ihrer Sclavenbande,
Dies Blut zeigt, daß ich tapfer war.
ARMIDE.
Nun? – sind sie Dir entflohen?
ARONT.
Ach, ein furchtbarer Held
Erschien, sie zu befrei'n!
ARMIDE. HILDROAT. PHENIZE UND SIDONIE. CHOR.
Ein einz'ger Held –
Sie zu befrei'n?
Das kann nicht sein,
Nein, Nein!
ARONT.
Entsetzlich erschien er, ein Dämon des Kampfes,
Der kühnsten Fechter Kraft fiel der höhern Gewalt.
Nichts konnt‘ ihm widersteh'n – nie sah ich solche Thaten.
ARMIDE.
Ihr Götter! Rinald!
ARONT.
Ja, es war Rinald!
ARMIDE. PHENIZE. SIDONIE. HILDROAT. CHOR.
Bringt ihm Schmach und Martertod,
Ihm, der's wagt, uns zu verhöhnen!
Rache! Rache droht!
Ihr Stahl mag ertönen!
Zweiter Akt.
Düsterer Wald.
ARTEMIDOR.
Unbesiegbarer Held,
Nur Dein Muth brachte Rettung uns
Aus der rohen Gewalt eines rasenden Feindes.
Zum Dank sei Dir geweiht mein Arm;
Ja freudig solg‘ ich Dir, mein Dienst sei
Dir geweiht!
RINALD.
Zieh hin, zieh hin zu Bouillons Mannen,
Mich treibt mein hart Geschick von dannen. –
Der Stolz Gernands, der die That nicht gestand,
Die verweg'ne, die er wagte,
Warf sich lastend auf mich – Gottfrieds Zorn untersagte
Sein Lager mir – der Jüngling ward verbannt,
Und schaut nicht mehr die Heldenscenen.
Nun ruht mein gutes Schwert; ich allein ausgestoßen vom Kampf
Mit wilden rauhen Sarazenen,
Und das Grab, Zions Heiligthum!
Vereine Dich bald mit den Helden,
Schmücke Dich mit dem Kreuze der Schaar;
Es mag Klio einst von Dir melden,
Ich traure weit entfernt vom hehren Ruhm-Altar!
ARTEMIDOR.
O Held! Deinen Arm braucht der Feldherr!
Er ruft Dich bald in's Feld
Und sein Dank lohnt dem Helden.
Du kehrest froh, kehrst gern zurück. –
Doch künde mir, wohin Dich Deine Schritte leiten,
Gewähre, o Rinald, mir dies eine Glück!
RINALD.
Mich durchglüht der Durst nach Thaten,
Der Ehre Glanz hebt die sehnende Brust;
Schirmen will ich mit Manneskraft
Leidende Brüder, verfolgte Christen;
Ich schütze sie durch meinen Arm.
ARTEMIDOR.
Doch flieh den Zauberkreis Armidens,
Wenn friedlich Leben Du begehrst,
Ach dem unbewachten Herzen
Entreißt sie bald die Ruh‘ und das Glück!
Sie bekämpft durch Zauberwaffen unser Volk –
Sei auf Deiner Hut.
Möge der Himmel Dich gnädig beschirmen
Und schützen Dich vor ihres Zornes Wuth.
RINALD.
Noch nie der Liebe hingegeben,
Sah ich der Schönheit Reiz mit kaltem freien Herzen
Ohne Lust, und gewiß ohne Furcht nah ich ihm.
Ihr werdet nie wanken, erbeben mich sehen.
Ich trotze ihr und der Schönheit Gewalt.
Gold'ner Freiheit Glück will ich kühn mir erringen,
Verspotten Liebe, deine Macht.
Wer vor lockendem Reiz das reine Herz bewacht,
Was darf der Starke dann noch scheuen?
Der ist frei von allen Qualen und Schmerzen.
Landschaft.
HILDROAT.
Verweile, Fürstin, hier, in der Beschwörungsnacht
Hab‘ ich nach diesen fernen Pfaden
Zum Dienst unsrer waltenden Macht
Die Schrecklichen geladen.
ARMIDE.
Wir harren noch umsonst, kein Ungethüm erscheint!
HILDROAT.
So rufen wir denn hier den Zauberspruch vereint.
BEIDE.
Der Rachlust nächtliche Geister,
Herauf aus des Orkus Gluth,
Den Feind bringt unsrer Wuth,
Laut erschallt der Ruf der Meister!
ARMIDE.
Ihr Schaaren auf und umwallt,
Liebliche verklärte Wesen,
Nach der Himmel Urbild erlesen,
Voller Trug den verweg'nen Rinald.
BEIDE.
Der Rachlust nächtliche Geister,
Herauf aus des Orkus Gluth,
Den Feind bringt unsrer Wuth,
Laut erschallt der Ruf der Meister!
ARMIDE.
Sein böser Genius führt schon den Feind hieher.
HILDROAT.
Die Krieger sind versteckt dort im nahen Gebüsch!
Leicht ist er übermannt, nicht des Verraths bewußt.
ARMIDE.
Dies Opfer hab‘ ich mir erkoren,
Ihn darf kein fremder Arm durchbohren;
Zu meiner Rache Lust
Schliff ich vorlängst den Dolch
Für des Verhaßten Brust.
RINALD.
Paradiesischer Hauch umweht die stillen Fluren,
Wie ruhig fließt der Bach dahin.
O, wie wölbt sich im Hain ein traulich Schattendach,
Der Blumen frischer Duft, von leisem Wind getragen,
Erfüllet süß die reinen Lüfte.
Sinnend verweil‘ ich gern am schön geschmückten Ort.
Im Blüthenlispel tönt der Himmel Melodie,
Es horchen schweigend ihr des Tempe Nachtigallen.
Mein Haupt ermüdet sinkt, es neiget sich zum Schlummer –
Milde Luft – lispelndes Getön –
Alles ladet zur Ruh‘ mich, zum süßen Schlaf mich ein.
NAJADE.
Durch Paradiese führt das Leben.
NAHER NACHHALL.
Das Leben!
FERNER NACHHALL.
Das Leben!
NAJADE.
Wenn Jugendlust die Liebe krönt!
NAHER NACHHALL.
Die Liebe krönt!
FERNER NACHHALL.
Die Liebe krönt!
NAJADE.
Warum, o stolzer Held, der die Gefahren höhnt,
Warum eilst Du, getäuscht dem Ruhm Dich hinzugeben?
NAHER NACHHALL.
Dich hinzugeben?
FERNER NACHHALL.
Dich hinzugeben?
NAJADE.
Nach trügendem Wahne zu streben!
NAHER NACHHALL.
Zu streben!
FERNER NACHHALL.
Zu streben!
NAJADE.
Versäumtest, was den Tag verschönt.
NAHER NACHHALL.
Den Tag verschönt.
FERNER NACHHALL.
Den Tag verschönt.
NAJADE.
Kehrte ohne Blumendüfte uns der Frühling wieder,
Und ihm folgten nicht Zephyre nach,
Minder wär‘ es wunderbar, als ohne Lieder,
Ohne Scherz des Jünglings Rosentag.
Laßt die Altäre, zarte Liebende, lodern,
Weil noch Maja mit Kränzen die Locken umschlingt.
Noch rufet die Freude, o scherzet und singt!
Bald wird die Weisheit ihre Opfer fordern,
Die nur zu zeitig winkt.
ARMIDE.
Ha, endlich ist der Wurf gefallen,
In die rächende Hand gab das Schicksal den Feind;
Der sorgenlose Schlaf, er opfert ihn der Rache!
Durchbohrt sei nun sein trotzig Felsenherz!
Die Ketten jener Schaar hat er gewußt zu brechen!
Ha! Armide wird es rächen!
Welch Wanken stört die That! nun, was zaudert mein Arm?
Ein fremd Gefühl durchbebt den wuthgestählten Busen!
Es sei! Ha! was hält mich zurück – fort! es sei!
O mein Herz – Rache denn – ich zage –
War es so, was ich Zürnende beschloß?
Welch milderes Gefühl, das in mein Herz sich goß? –
Ach, jeder Blick ruft mir das Mitleid wieder,
Es wankt mein Fuß, der Dolch entsinkt der Hand!
Ach, wer vertilgte ihn wohl von des Daseins Spur,
Dieser reizende Held, ihm muß das Herz erbeben!
Wer wähnte ihn bestimmt, nur allein das Schwert zu heben?
Zur Liebe schuf ihn die Natur!
Gäb's ohne seinen Tod kein Mittel ihn zu strafen?
Kann nicht der Liebe Macht rächend ihn umfassen?
Ha, daß des Stolzen Brust mein Reiz noch niemals traf!
Sink‘ er durch Zauberei in Sclaverei!
So kann ich noch – wenn ich's vermag – ihn hassen! –
Erscheint des Gebotes Gewalt!
Dämonen, zephyrleicht und prangend an Gestalten!
Der Rache Wahn verschwand; ach, Rinald hat's gewonnen!
Verbergt euch, daß ich der Scham entronnen!
Wo in Wüsten kein Lichtstrahl fällt,
Tragt uns auf Wolken weg
Weit durch den Raum der Welt!
Dritter Akt.
Düstere Halle
ARMIDE.
Ach! kämpft der Freiheit Stolz
In Armiden vergebens –
Sollst Du mein Sieger sein? –
Du – nur zu furchtbarer Feind
Meiner Ruhe des Lebens,
Muß selbst die Brust voll Haß,
Tyrann, Dir Liebe weih'n? –
Nur Dein Tod war mein Flehen,
Den Mordstahl wollt‘ ich heben!
Was war es, was mich da
So niegefühlt durchdrang?
Umsonst hat mich die Schaar
Von tausend Liebenden umgeben.
Nicht einer, der mich bezwang!
Und Rinald! ist's ein Wahn,
Ein verschmäht Gefühl
Will des Busens Inn'res heiß durchbeben!
PHENIZE.
Wie groß ist Deine Macht!
Sie schafft das Wunderbare,
Die Liebe erweichte schon
Den starren Heldensinn,
Und höher hat keine Flamme Dir gestrahlt!
SIDONIE.
Tritt auf der Minne Thron,
Bezaubernde erfahre,
Wie schön sich Dein Triumph
Auf seiner Wange malt.
ARMIDE.
Er liebt mich, Rinald glüht für mich?
O Flamme, die mich schmähet!
Hohn, so verehrt zu sein!
Hier fleht nicht freie Liebe,
Sie folgt dem Machtgebot der Zauberei allein,
Wie anders ist die Gluth, die mich für ihn entbrannt.
Doch, was wird nun aus meiner Rache?
Leih‘ ich dem süßen Trug das Ohr? Nein!
Zeit ist's! daß endlich ich erwache!
Ja, die Hölle sende mir den grimmen Ha empor!
Verdoppelt sei der Oede Schrecken,
Durch neuen schwarzen Zauber!
Gespielen, eilt hinweg, daß Ihr das Grau'n nicht hört
Und wacht nur, daß Rinald mein Werk nicht stört.
So höre mich, des Hasses Megäre,
Auf, sende Deine Furienheere
Aus der ewigen Nacht der Unterwelt empor.
Ach, errette mein Herz vor der Liebe Gefahr,
Die ich zagend Dir nenne.
Wider einen Feind, dem ich entbrenne,
Gieb die Wuth mir zurück die ich liebend verlor.
Empor! des Hasses nächtliche Megäre!
DIE FURIE DES HASSES.
Ist's Armide, die ruft?
Ich vernahm Deine Stimme
Hinab in den Abgrund der Nacht.
Gern leih‘ ich wider Amors Gewalt mich dem Grimme,
Bleibt Dein stolzes Herz nur voll Muth,
So will ich von der Schmach Deiner Fesseln Dich befreien. –
Fluch jeder Opfergluth
Vor Amors Pracht-Altären,
Auf, des nächtlichen Orkus Brut!
Zur Verheerung herbei, Megären!
Stürzt nieder sein Bild
In des Tartarus Nacht!
Zerstöret wild
Seinen Pfeil, seine Macht.
CHOR.
Fluch jeder Opfergluth u.s.w.
DIE FURIE DES HASSES.
Wohlan! höre mein Droh'n:
Dies Herz sollst Du verlassen,
Mächtig will ich's nun umfassen,
Hinweg! hinweg! ihr Martern ohne Zahl!
Nein, selbst mein Reich
Birgt keine Qual
Der Liebe gleich.
CHOR.
Vernimm denn unser Droh'n, u.s.w.
DIE FURIE DES HASSES.
Flieh‘, flieh‘ Armidens Busen!
Hinweg! brich Deine Bande!
CHOR.
Flieh‘, flieh‘ Armidens Busen! u.s.w.
ARMIDE.
Halt ein, mich tödtet diese Qual!
Laßt mir ihn den geliebten, ach! so holden Schmerz.
Zu spät ist's, Dich zu hören,
Zu spät ist's, die Liebe zu zerstören.
Ha! Du durchbohrst mein Herz.
DIE FURIE DES HASSES UND CHOR.
Nur darum riefst Du mich herauf,
Daß Du mich verachtend verhöhnst?
Dem Gesang der Sirene, folg‘ ihm nach, unglückliche Armide;
Folg‘ ihm nach in des Verderbens Schmach,
Nimmermehr sei erhört von dem tückischen Gott,
Er zerreiße Dein Herz mit endloser Qual;
Umsonst sei Dein Flehen zu ihm,
Er verhöhne Deinen Schmerz
Und alle Pein, die er glühend erschafft,
Schleudre er grimmig auf Deine Brust.
Dann rufst Du mich zurück.
Wohl mir, es ist zu spät.
Du wirst vergeblich zu mir flehen,
Ich lasse Dich ganz seiner Macht;
Ich weihe Dich dem schrecklichsten Geschick zur Beute;
Dich trifft mein schwerster Fluch: er selbst rächet mich!
ARMIDE.
Welch ein Droh'n! – welch ein Grau'n erwecken! –
Banger starrt all mein Blut vor Schrecken.
O Gott der Zärtlichkeit,
Dem die Schwache sich weiht,
Ich flehe: wend‘ es ab
Das unerhörte Leid!
Vierter Akt.
Zauberwald.
UBALD UND DER DÄNISCHE RITTER.
Wohin der Blick sich hebt,
Gähnt ein Abgrund mich an;
Der Erde Tiefe bebt
Furchtbar hier aufgethan.
Ha, welch prasselndes Feuer!
Welch schwarze Ungeheuer;
Welch ein Grau'n, welch ein Schrecken?
UBALD.
Die Todgefahr sah wohl
Unser Sender vorher;
Und verlieh dem Arm
Die kräft'ge Gegenwehr.
Fürchten wir nicht
Armidens Zaubereien;
Eine höh're Macht
Wird uns befreien.
Es ist die Pflicht, die in's Schreckniß uns ruft!
Hinweg! eröffnet uns die Bahnen.
Larven, Phantome, weg!
Zurück in's Reich der Schatten
In die Tiefen hinab
Eurer nächtlichen Gruft!
Landschaft.
DER DÄNISCHE RITTER.
Erspäh'n wir nun Rinald,
Die Hoffnung dämmert schon;
Sie sind entfloh'n
Die Nachtgestalten.
Doch, es nah't die neue Gefahr,
Ein süßes Gaukelbild, uns zu verleiten,
In hoher Schönheit prangt Armidens Schaar,
Jetzt gilt's den Reiz der Anmuth zu bestreiten.
BEIDE.
Raschen Flugs zur That!
Hohn dem lockenden Reiz der Gefahren!
Mächtig drohet der Schreckenspfad,
Laßt den Muth uns bewahren.
UBALD.
Wir sehen das Zaubergefild‘,
Wo seine Heldenkraft erlag;
Dort der Palast verbirgt
Des Jünglings Schmach.
Einst der Heroen Stolz,
Das Entsetzen der Heiden!
Wie furchtbar war die Macht,
Die selbst des Ruhmes Sohn
Von höh'rer Bahn trügend entfernte,
Die den Sieger bezwang
Mit nicht'ger Liebe Traum,
Mit üpp'gem Wahn und Müßiggang.
DER DÄNISCHE RITTER.
Umsonst sei die Hölle verschworen,
Und Rinald opfre schon
An Amors Tempelbild;
Ein Blick auf Gottfrieds Schild,
Der heil'gen Schlacht erkoren,
Wird das getroff'ne Herz durchbohren.
Erröthend folgt der Held
Nach Bellonens Gefild.
LUCINDE.
Des Friedens ew'ge Milde
Grüßt dieses Hains Gefilde,
Hier schwelgt das frohe Herz
In Lieb und süßem Scherz.
CHOR.
Des Friedens ew'ge Milde u.s.w.
UBALD.
Dahin, wo uns die Sendung fordert,
Nur fort! Was hält Dich noch länger zurück!
DER DÄNISCHE RITTER.
Ich sehe sie, der mein Busen lodert!
Sie ist's! ich fühle Götterglück!
LUCINDE.
In diesem sel'gen Hain
Tönt kein Wunsch vergebens.
Schon trifft er ein,
Eh‘ ihn das Herz erfleht.
Wir fühlen hohen Reiz des Lebens,
Dem nichts hier widersteht.
CHOR.
In diesem sel'gen Hain u.s.w.
LUCINDE.
Erblick‘ ich endlich Dich, für den mit lauten Schlägen
Mein liebend Herz so innig wallt!
DER DÄNISCHE RITTER.
Hier Lucindens Aufenthalt?
Träumt‘ ich das Glück mir so verwegen?
UBALD.
Nein, es ist ein Blendwerk nur,
Waffne Dich, betrogner Freund!
DER DÄNISCHE RITTER.
Fern von der Heimath Strand,
Welch ein Wunder, Geliebte,
Daß hier mein Arm Dich fand!
LUCINDE.
Das Zauberwort Armidens
Rief freundlich mich nach des Eilands Flur
Voll Götterlust;
Und mir fehlt im Gefilde des Friedens
Nur noch das Glück an des Liebenden Brust.
UBALD.
Fort! eile dem Wahn zu entrinnen!
LUCINDE.
O! weile Arm in Arm, wo Himmelsfreude lohnet,
Wo ew'gen Frühlings Hand Dir Blüthen bricht;
Nimmer trennt, wo die Ruhe wohnet,
Liebende die rauhe Pflicht.
UBALD.
Fort! eile dem Wahn zu entrinnen!
DER DÄNISCHE RITTER.
Ihr Zauberbild hält mich zurück.
Er, der mir Paradiese schafft,
Läßt nimmer mich von hinnen!
UBALD.
Nennst Du dies die stolze Kraft,
Womit Du oft so laut geprahlt?
LUCINDE UND DER DÄNISCHE RITTER.
Laß den Himmel uns genießen,
Ach! an treuer Brust
Voll entzückender Lust
Den Trauten / Die Traute zu schließen!
Was kann noch die Liebe erhöh'n,
Als die Lust, Dich zu seh'n!
UBALD.
Stieg‘ schon das Gespenst aus nächtlicher Kluft empor,
Ich muß Dich retten, Freund!
Der Talisman
Läßt jeden gaukelnden Trug verschwinden.
DER DÄNISCHE RITTER.
Vergebens irrt mein Sehnsuchtsblick umher,
Sie zu erspähn, die mich unnennbar rührte –
Sie schwand, ein leichter Duft,
Den Zephyrs Hauch entführte.
UBALD.
Wer stolz zum Ruhme eilt,
Läßt das Herz nicht in Banden.
Freund! länger nicht geweilt;
Zum nahen Ziele hin!
BEIDE.
Auf, Freund! laß uns flieh'n, laß uns eilen,
Der buhlenden Lockung nicht weilen;
Hohn dem Schwachen, der ihr erliegt,
Preis dem, der sie als Held besiegt.
Fünfter Akt.
Palast.
RINALD.
Armide, Du enteilest mir?
ARMIDE.
Sieh‘ die Fluren, die Dich umgeben.
RINALD.
Prangt mir ein Reiz noch außer Dir?
ARMIDE.
Heitre Lust soll lächelnd Dich umschweben.
RINALD.
Ach! umsonst, fehlt die Liebende mir.
ARMIDE.
Von unruhvoller Pein die Seele umgetrieben,
Weissagt nur zu laut
Mir des Schicksals Droh'n,
Dies sel'ge Götterglück im Lieben,
Ach, ich fürchte, ist bald entfloh'n!
RINALD.
Wie! ein nichtiger Traum
Kann die Mächt'ge erschüttern,
Die, wenn hehr sie gebeut,
Die Geisterwelt verehrt?
ARMIDE.
Glühte der Ruhmsucht nicht
Der stolzere Rinald,
Früher suchte er sie,
Ach, nur spät erst, Armiden!
Der Ruhm stört meinen Frieden,
Dem noch Dein Busen wallt.
RINALD.
Glaube mir, ich verachte im Herzen
Des eitlen Ruhmes Glanz und Schimmer
Ich fühle entzückt der Liebe Macht.
Jeder Blick aus Deinen Augen entzückt,
Begeistert mich.
Birgt wohl die Welt ein so reines Entzücken,
Wie der Preis, den die selige Liebe mir reicht!?
ARMIDE.
Armide fühlte nie so selige Freuden.
RINALD.
Welch ein Stolz,
Daß Dein Herz mir entgegen schlägt!
ARMIDE.
Welch ein Stolz,
Daß Rinald Armidens Ketten trägt!
RINALD.
Götter selbst mich werden beneiden.
BEIDE.
Arm in Arm, himmelwärts
Lehrt die Liebe streben;
Wallte mir dereinst nicht mehr
Dein Götterherz,
Ha – raubtest Du mein Leben!
RINALD.
Nein, ich umarmte eh‘ den Tod,
Als der Liebe entsagen.
ARMIDE.
Ja! ewig wird mein Herz Dir schlagen.
BEIDE.
Nein, ich umarme eh‘ den Tod,
Als nicht die Himmelslust, die mir die Liebe bot.
ARMIDE.
Gespielen der harmlosen Tage,
Ihr ausgewählten Treuen
Im Festasyl der Lust,
Bis ich zurückkehre, eilt,
Mir des Geliebten Brust
Durch Tanz und Spiele zu erfreu'n!
CHOR.
Holder Tanz und ergötzende Spiele
Winken uns in Armidens Asyle,
Süße Lust, froh geweih't
Der schönen Festlichkeit!
EINE NYMPHE.
Liebe singt froh entzückt Philomele
Durch den Hain,
Bei Aurorens und Hesperus Licht.
CHOR.
Liebe singt froh entzückt u.s.w.
EINE NYMPHE.
Lohnte Liebe nicht göttlich die Seele,
O, die Nachtigall
Sänge so reizend nicht!
CHOR.
Lohnte Liebe nicht göttlich u.s.w.
RINALD.
O geht, entfernet Euch von mir,
Ach, umsonst singt Ihr Lust;
Denn ohne sie erblühet mir,
Armide, ohne Dich kein Glück.
UBALD.
Er ist allein – der Augenblick
Darf nicht vorübergeh'n.
RINALD.
O Himmel, welchen Glanz
Durchzuckt das Auge mir.
UBALD.
Dich mahnet die ernstere Sendung
Dahin nach der hehreren Bahn!
RINALD.
Ha, welcher schimpflichen Verblendung,
Thatenlos verträume ich den Tag.
UBALD.
Höre die Drommete erschallen!
Der unsterbliche Ruhm läßt die Banner Dir wehen!
Der Feldherr ruft zurück Dich zur Schlacht!
Des Kampfes Tuba hallt,
Es eilen die Helden,
Nur von Rinald
Darf nicht Klio melden!
Ein Weichling sinkt
Bei'm feigen Schwarm
In ermattender Wollust Arm! –
RINALD.
Falsches Gepränge, verlockender Zauber,
Weichet von mir, laßt frei mir den Sinn.
Ha, in das Feldgericht zurück, wo mir winkt
Des Sieges geweihter Kranz, dahin
Wo dem Helden der Lorbeer erblüht.
DER DÄNISCHE RITTER.
Entfliehe bald Armidens Zähren,
Strebe rasch der Gefahr
Dich als Held zu erwehren,
Die der Liebe Nektar bringt;
Hier umzaubern Dich hold
Buhlender Lockung Sphären;
Fort, daß der glorreiche Kampf gelingt!
ALLE DREI.
Dahin, wo die Palme mir / Dir winkt!
ARMIDE.
Rinald, ach! mich durchbebt Entsetzen! Du entfliehst?
Nein! das Göttergefühl schöner, entzückender Liebe,
Nie empfand es Dein Herz, unerflehter Tyrann.
Meine Qual blickst Du an,
Den Strom der bangen Zähren
Ohne heilenden Trost, ohne Mitleid gewähren,
Bei der heiligen Natur beschwör‘ ich Dich umsonst;
Du hörst nur rauhe Pflicht, Du willst sie soll uns trennen.
Nein nein, nicht menschlich fühlt Dein Herz,
Ich darf den Tiger milder nennen.
Ich ein Opfer dem Gram, durchbohrt von wildem Schmerz.
Barbar! ach ohne Dich kann ich nicht leben.
Doch aus nächtlicher Gruft
Dringt mein Schatten empor,
Er verfolgt Dich mit rächendem Zorn!
Bewaffnet zuckt sein Arm nach des Verräthers Brust,
Unerbittlich ist sein Grimm,
Wie dein Herz unerbittlich war.
Und seine Wuth, wenn sie's vermag, erreicht der Liebe Qual,
Die mich für Dich verzehrt.
Ach, dieses Herz ist vernichtet,
Verräther! hast Du genug!
Ja, Du fühlst, eh‘ Du fliehst,
Noch die Lust an der Qual meines Todes.
RINALD.
Ha, zu Beklagenswerthe,
Dein Loos, Dein banges Loos läßt mich erbeben!
UBALD UND DER DÄNISCHE RITTER.
Hinweg, hinweg, entflieh‘, entflieh‘!
Der Ehre Stimme ruft! Du mußt von hinnen eilen!
RINALD.
Nein, sie wehrte dem Edlen nie
Ein Gefühl, ach so hold, zu theilen.
UBALD UND DER DÄNISCHE RITTER.
Entreißen müssen wir
Den Helden der Gefahr;
Länger darfst Du nicht weilen.
RINALD.
Ha, zu Beklagenswerthe,
Dein Loos, Dein banges Loos läßt mich erbeben!
UBALD UND DER DÄNISCHE RITTER.
Hör‘ die Drommeten erschallen!
ARMIDE.
Der Verräther Rinald entflieht.
Ha, so treulos er ist, ihm folgt mein schwaches Herz.
Da der Verräther noch mir nahe weilte,
O warum hört‘ ich nicht des Hasses Stimme,
Durchbohrte ihn mit rascher Hand;
Er entfloh, er enteilte auf ewig diesem Strand.
Schon ist er nah‘ an dem Gestade,
Höhnt meinem Zorn auf fernem Pfade,
Läßt mich allein zurück, zerreißt der Liebe Band.
Bleib, mir Verhaßter!
Er ist da! ich morde seine Brust!
Ja ja, im Zerfleischen des schwarzen Herzens
durchbebt mich Lust!
Wo bin ich? Was that ich?
Weh mir? Unselige Armide!
Ach! wohin reißt dich des Irrthums Nacht?
Die Rachlust nur allein giebt mir hoffen – den Trost!
Ihr Freuden eilt zu fliehn, tilgt jeden Reiz der Flur.
Dämonen stürzt den Palast herab!
Zerstört die stolze Pracht!
Ihr, der Verwüstung Spuren,
Du trauernder Ruin,
Seid meiner Liebe ein Grab.