Giuseppe Verdi

Aida

Oper in vier Aufzügen

Personen

Der König (Baß)

Amneris, seine Tochter (Mezzosopran)

Aida, äthiopische Sklavin (Sopran)

Radames, Feldherr (Tenor)

Ramphis, Oberpriester (Baß)

Amonasro, König von Äthiopien und Vater Aidas (Bariton)

Ein Bote (Tenor)

Die erste Priesterin (Sopran)

Priester, Priesterinnen, Minister, Hauptleute, Soldaten, Beamte, Sklaven, gefangene Äthiopier, Volk

Die Handlung spielt in Theben und Memphis zur Zeit der Herrschaft der Pharaonen.
Erster Aufzug

Saal im Königspalast zu Memphis.

Rechts und links ein Säulengang mit Statuen und blühenden Sträuchern. – Im Hintergrund ein großes Tor, durch das man die Tempel und Paläste von Memphis und die Pyramiden sieht.

Erster Auftritt

Radames und Ramphis miteinander sprechend.

Nr. 1. Introduktion und Szene.

RAMPHIS.
Hört, es kam die Botschaft, der Äthiopier wage
Uns noch zu trotzen und das Nilgestade
Und Theben zu bedrohn. – Bald naht der Bote,
Der es uns verkündet.
RADAMES.
Hast Isis
Du schon um Rat gefraget?
RAMPHIS.
Schon hat die Göttin
Den Ägyptern bestimmt, wer sie führen soll.
RADAMES.
Heil dem Erkornen!
RAMPHIS mit Ausdruck Radames anblickend.
Jung ist er, ja jung noch und tapfer. – Der Göttin Willen
Künd‘ ich dem Könige jetzt.

Geht ab.

Zweiter Auftritt

Radames allein.

Nr. 2. Romanze.

RADAMES.
O wäre ich erkoren,
Wenn sich mein Traum so erfüllte!
Eine Heerschar tapfrer Männer,
Von mir geführet … und der Sieg und Beifall
Von Memphis mein! Wenn ich zu dir, Aida,
Dann heim mit Lorbeern kehre
Und sag‘: Ich kämpft‘ für dich, dein ist die Ehre!

Holde Aida, himmelentstammend,
Von Duft und Strahlen zaubrisch verklärt;
Du bist die Königin meiner Gedanken,
Durch dich allein ist das Dasein mir wert.
Möcht‘ in die Heimat dich wieder bringen,
Dort, wo die Luft und der Himmel so schön,
Möchte ins Haar eine Krone dir schlingen,
Ach, deinen Thron bis zur Sonne erhöh’n!

Im letzten Takt tritt Amneris auf.

Dritter Auftritt

Radames. Amneris.

Nr. 3. Duett.

AMNERIS.
Welch unnennbares Feuer
In deinem Auge! Was glänzt
Dein Antlitz so von edel hohem Stolze!
Wie beneidenswürdig
Ach, müßte das Weib sein, dessen holder Anblick
Solch Flammenmeer im Herzen dir entfachte.
RADAMES.
Ein rosiger Traum hat heut mein Herz berauschet:
Heut hat die Göttin
Genannt den Namen des Feldherrn, der Ägyptens
Scharen führen soll zum Kampf. Ach, wär‘ ich doch
Zu solchem Rang erkoren!
AMNERIS.
Und hat kein andrer Traum
Schöner noch, holder noch, dir
Beseligt dein Herz? Hast du in Memphis

Leise.

Nichts zu wünschen? … Zu hoffen?
RADAMES für sich.
Hier? … Seltsam Fragen!
Sollte vielleicht sie ahnen,
Was mir im Herzen glühet?
AMNERIS für sich.
Wehe, wenn er doch hegte
Im Herzen eine andre Liebe!
RADAMES.
Hat sie im Aug‘ den Namen
Der Sklavin mir gelesen?
AMNERIS.
Wenn mein Blick entdecken müßte
Ein Geheimnis, weh mir, weh!
RADAMES.
Im Auge wohl den Namen las sie mir?

Vierter Auftritt

Die Vorigen. Aida tritt auf.

RADAMES Aida erblickend.
Sie hier!
AMNERIS für sich.
Er erbleicht,

Ihn beobachtend.

und welchen Blick
Sendet er nach ihr!
Aida wohl als Rivalin gar
Stände sie vor mir?

Nr. 4. Terzett.

AMNERIS sich zu Aida wendend.
Komm, o Geliebte, nahe dich,
Nicht Sklavin, nicht Verbannte,
Hier, wo in süßer Schwärmerei
Ich oft dich Schwester nannte.
Weinst du? Enthülle mir den Grund,
Sag mir, warum du weinst.
AIDA.
Weh mir, das wilde Kriegsgeschrei
Vernehm‘ ich nur voll Schauer,
Ich fürchte für das Vaterland,
Für mich, für euch nur Trauer.
AMNERIS.
Sprichst du auch wahr, kein andrer Grund,
Daß so betrübt du scheinst?

Aida schlägt die Augen nieder und sucht ihre innere Unruhe zu verbergen.

AMNERIS Aida anblickend, für sich.
Bebe, o Sklavin, bebe!
Hell wird die Wahrheit erscheinen!
Schamröte hältst und Weinen
Du, o Mädchen, nimmermehr zurück!
RADAMES Amneris anblickend, für sich.
Im Angesicht ihr kämpfen
Verdacht und Zorn und Schmerzen.
Weh, wenn geheim im Herzen
Uns lesen könnt‘ ihr Blick!
AIDA für sich.
Weh, weh dem Vaterlande!
Wohl geht meinem Herzen nah sein Schicksal;
Mein Gram, warum ich klag‘ und weine,
Ist Qual der Liebe ohne Glück.

Fünfter Auftritt

Die Vorigen. Der König tritt unter Vortritt seiner Leibwache ein, begleitet von Ramphis, Ministern, Priestern, Hauptleuten. Ein Offizier. Später ein Bote.

Nr. 5. Szene und Ensemble.

KÖNIG.
Ein ernster Grund versammelt euch
Um euren König heut, Ägypter.
Von Äthiopiens Grenzen ist ein Bote
Vor uns erschienen, wichtige Kunde meldend.
Vernehmt die Botschaft …

Zu einem Offizier.

Laßt herein den Sendling!
BOTE.
Bedrohet ist Ägyptens heil’ger Boden
Vom Volk der Äthiopier. Unsre Felder
Wurden verwüstet, öd liegt die Ernte.
Vom leichten Sieg gebläht und stolz ziehen die Plündrer
Im Sturme schon auf Theben.
ALLE.
Oh, welch ein Wagnis!
BOTE.
Tapfren Namen trägt, unbesiegt,
Der Feldherr, der sie anführt, Amonasro.
ALLE.
Ihr Fürst!
AIDA beiseite.
Mein Vater!
BOTE.
Theben, in Waffen, aus seinen hundert Toren
Wird kühn auf die Barbaren stürzen sich
Und Krieg und Tod verbreiten.
KÖNIG.
Ja, Krieg und Tod! Es sei der Schlachtruf aller!
ALLE.
Zum Kampfe! Auf denn!
Ja, furchtbar, ohne Erbarmen!
KÖNIG sich zu Radames wendend.
Schon hat die heil’ge Isis
Den Feldherrn auserkoren
Für unsrer Krieger unbesiegte Scharen.
Radames!
ALLE.
Radames.
RADAMES.
Dank euch, o ihr Götter!
Mein Sehnen ist erfüllt.
AMNERIS für sich.
Er Feldherr!
AIDA für sich.
Ich zittre!
KÖNIG.
Nun zu dem Tempel Vulkans
Eil, Krieger, hin,
Leg die heilige Wehr an, flieg dahin zum Siege!

Zu des Niles heil’gem Ufer
Eilt dahin, Ägyptens Helden,
Jedes Herz erbeb‘ vom Rufe:
Krieg und Tod dem fremden Heer!
RAMPHIS.
Dank der Gottheit, die weise führet,
Die das Weltgeschick regieret,
Preis und Dank, ihr mächtig Walten
Bringt den Waffen Glück und Ehr‘.
CHOR DER MINISTER UND HAUPTLEUTE.
Auf! des Niles heil’ges Ufer
Schützen wir mit unserm Blute.
Alles jauchzt in einem Rufe:
Krieg und Tod dem fremden Heer?
RADAMES.
Heil’ger Ruhmesdrang durchzittert
Bebend meine ganze Seele!
Auf, und eilen wir zum Siege:
Krieg und Tod dem fremden Heer!
AIDA für sich.
Für wen weine und bet‘ ich,
Welche Macht zieht mich zu ihm?
Muß ihn lieben, ach, und er
Ist ein Fremdling, ist ein Feind!
AMNERIS Radames eine Fahne überreichend.
Nimm, o Herr, dies Siegeszeichen,
Nimm es hin aus meinen Händen,
Als dein Leitstern es dich mahne,
Der den Pfad des Ruhms bescheint.
ALLE.
Zum Kampfe! auf denn! zum Sieg! allen Feinden Untergang!
AMNERIS zu Radames.
Als Sieger kehre heim!
ALLE.
Als Sieger kehre heim!

Alle bis auf Aida gehen ab.

Sechster Auftritt

Aida allein.

Nr. 6. Szene und Romanze.

AIDA.
Als Sieger kehre heim! Auch meinem Mund
Entfloh das Wort, so ruchlos! Kehr als Sieger
Meines Vaters, der nur für mich die Waffen
Ergriff, mir neu zu geben
Die Heimat, Macht und Ehren und einen Namen,
Den hier ich muß verbergen! – Kehr als Sieger
Meiner Brüder, daß ich gerötet
Von ihrem Blute dich sehe, im Triumph gefeiert
Von Ägyptens Volke! Am Siegeswagen
Ein Fürst, mein Vater, schwer gebeugt in Ketten!
Die Worte der Törin,
O Götter, schlagt nieder,
Der Liebe des Vaters
Die Tochter gebt wieder;
Die Horden vernichtet,
Zerstreuet den Feind!

Ach! Unglückselige, was sagt‘ ich? und meine Liebe?
Ach, kann ich es je vergessen,
Dies Liebesglühen, das die Verhärmte,
Die Sklavin wie ein Strahl der Sonne wärmte? –
Ich muß den Tod dir wünschen,
Radames, so heiß ich dich auch liebe!
Ach! niemals litt auf Erden
Ein Weib so namenlose Qualen!

Ach, Vater, Geliebter, o heilige Namen,
Hier darf ich keinen nennen, gedenken nicht.
Um eins, ums andere möcht‘ traurig ich weinen,
Für beide mahnt zu beten mich die Pflicht.
Doch mein Gebet wird sich als Fluch erfüllen,
Mein Weinen und mein Seufzen wird zur Schuld;
Nur Nacht und Schwermut den Geist mir umhüllen,
Das Sterben wär‘ mir die höchste Huld!

Götter, erbarmt huldvoll euch mein,
Hoffnung ist nicht für meinen Schmerz,
Trostlose Lieb‘ bricht mir das Herz,
Bringt mir den Tod durch ihre Pein!

Geht ab.

Verwandlung

Inneres des Vulkantempels zu Memphis.

Geheimnisvolles Licht von oben herein. Eine lange Säulenhalle verliert sich im Dunkel. Statuen verschiedener Gottheiten. In der Mitte der Bühne erhebt sich auf einer mit Teppichen bedeckten Erhöhung ein Altar, mit heiligen Emblemen verziert.

Aus goldenen Dreifüßen steigt Weihrauchduft empor.

Siebenter Auftritt

Die erste Priesterin und Chor der Priesterinnen hinter der Szene. Ramphis am Fuße des Altars. Priester. Später Radames. Man vernimmt aus dem Inneren den Gesang der Priesterinnen mit Harfenbegleitung.

Nr. 7. Tempelszene und erstes Finale.

DIE ERSTE PRIESTERIN UND CHOR.
Allmächt’ger Phtà, urew’ger
Lebenshauch der Welt, ach,
Dich rufen wir an!
RAMPHIS UND CHOR DER PRIESTER.
Der aus dem Nichts geschaffen
Himmel, Erde und Meer,
Hör unser Flehen!
PRIESTERIN.
Allmächt’ger Phtà, Befruchtet,
Und Schöpferhauch der Welt, ach,
Dich rufen wir an!
RAMPHIS UND CHOR DER PRIESTER.
Gott, der von eignem Geiste du,
Sohn du und Vater bist,
Hör unser Flehn!
PRIESTERIN.
Dich, unerschaffnes Feuer,
der Sonne Lebenslicht, ach,
Dich rufen wir an!
RAMPHIS UND CHOR DER PRIESTER.
Odem des Universums,
Der ew’gen Liebe Quell,
Dich rufen wir!

Tanz der Priesterinnen.

Radames wird ohne Waffen hereingeführt. Er tritt an den Altar; sein Haupt wird mit einem silbernen Schleier bedeckt.

CHOR DER PRIESTER UND PRIESTERINNEN.
Allmächt’ger Phtà! Dich rufen wir!
RAMPHIS zu Radames.
Heil dir, dem Götterliebling, dem sie vertraut
Ägyptens Leben und Zukunft. Das heil’ge Schlachtschwert,
Vom Gott geschmiedet, flamm‘ in deinen Händen,
Der Feinde Schrecken, Blitzstrahl und Verderben.

Sich zur Gottheit wendend.

Gott, Gott, der du Beschützer bist,
Räche die Schmach Ägyptens,
Breit aus die Hände gnädig
Auf dieses heil’ge Land.
RADAMES.
Gott, Gott, der du die Lose lenkst
Im Krieg der Erdenvölker,
Wahre, behüte du
Ägyptens heil’ges Land.

Während Radames mit den heiligen Waffen umgürtet wird, wiederholen die Priesterinnen und Priester singend das Gebet.

Zweiter Aufzug

Saal in der Wohnung von Amneris.

Erster Auftritt

Amneris ist von Sklavinnen umgeben, welche sie zum Fest schmücken. Aus Dreifüßen steigen aromatische Düfte auf. Junge Mohrensklaven wehen mit Federfächern.

Nr. 8. Introduktion. Szene. Damenchor und Tanz der Mohrenknaben.

CHOR DER SKLAVINNEN.
Wer steigt beim Klang der Hymnen
Auf in der Glorie Reich,
Gleich einem schreckenvollen Gott,
An Glanz der Sonne gleich?
Komm, lasse Blumen winden
Dir in die Lorbeerkron‘,
Laß Liebesklänge tönen
Zum lauten Jubelton.
AMNERIS für sich.
Geliebter, o komm, berausche mich,
Froh bebt das Herz mir schon!
SKLAVINNEN.
Wo sind die wilden Horden nun
Des kühnen Fremdlings heut?
Es hat der Hauch des Helden
Wie Nebel sie zerstreut.
O komme, Sieggekrönter,
Empfange deinen Lohn.
Der Sieg hat dir gelächelt,
Auch Liebe lacht dir schon.
AMNERIS für sich.
Geliebter, o komm, berausche mich,
Froh bebt das Herz mir schon!

Die Sklavinnen schmücken Amneris noch weiter.

Tanz der kleinen Mohrenknaben.

Zweiter Auftritt

Die Vorigen. Aida tritt auf, die Krone bringend.

AMNERIS.
Kein Wort mehr, Aida seh‘ ich nahen –
Kind der Besiegten, dein Schmerz ist mir heilig.

Auf ein Zeichen von Amneris entfernen sich die Sklavinnen.

Kaum daß sie nahet, quält Zweifel mich aufs neue.
So löse dich endlich, düster Geheimnis! –

Dritter Auftritt

Aida. Amneris.

Nr. 9. Szene und Duett.

AMNERIS zu Aida mit erheuchelter Freundlichkeit.
Wohl war das Los der Waffen feindlich,
Arme Aida! Die Trauer,
Die du fühlst im Herzen, ich will sie mit dir teilen.
Ich bin ja deine Freundin,
Alles geb‘ ich dir gerne, nur lächle wieder.
AIDA.
Kann froh ich wieder werden
So fern von der Heimat Erden,
Hier, wo mir fremd das Geschick
Meines Vaters, meiner Brüder?
AMNERIS.
Fühle mein Mitleid! Einmal aber endet
Die Qualen deines Herzens,
Ein jedes Weh der Welt! – Heilen auch wird die Zeit
Mehr als die Zeit noch – ein mächt’ger Gott, der Liebe.
AIDA tief bewegt, beiseite.
Liebe, Liebe, o Glück, o Beben,
Süße Berauschung, grausame Pein,
In deinen Qualen find‘ ich mein Leben,
Ach, lächelnd zum Himmel führst du mich ein.
AMNERIS Aida scharf ins Auge fassend, für sich.
Jene Blässe voll Verstörung
Ist geheime, fiebernde Glut,
Fühle dieselbe Qual und Betörung,
Sie kaum zu fragen hab‘ ich Mut.

Aida prüfend anblickend.

O sag, warum aufs neue bist
So traurig du, Aida?
Enthülle dein Geheimnis mir,
Vertraue dich mir an,
Vertraue meiner Liebe.
Hat einer von den Tapfern, die gekämpft
Mit deinem Lande,
Vielleicht in süße Bande
Geschlagen dein armes Herz?
AIDA.
Was sagst du?
AMNERIS.
Doch grausam zeigte sich
Der Waffen Los nicht allen,
Ist in dem Kampfe als ein Held
Der Führer auch gefallen.
AIDA.
Was sagst du, Unglückselige? Radames?
AMNERIS.
Ja, Radames erlag im Kampfe.
Und du kannst weinen?
AIDA.
Das brachte mir ew’gen Schmerz!
AMNERIS.
Die Gottheit hat gerichtet.
AIDA.
Ach, feindlich immer war mir die Gottheit.
AMNERIS in Zorn ausbrechend.
Bebe, offen liegt dein Herz:
Du liebst ihn!
AIDA.
Lieben?
AMNERIS.
Keine Lüge!
Noch wen’ge Worte, und alles ist klar!
Blick mir ins Auge;
Mein Wort war Täuschung, Radames lebet!
AIDA in Aufregung auf die Knie stürzend.
Lebt?
O Dank den Göttern!
AMNERIS.
Und wagest noch zu lügen?
Ja, du liebst ihn – vernimm es denn:

In höchster Aufregung.

Ich lieb‘ ihn auch, bin deine Rivalin,
Tochter der Pharaonen!
AIDA sich stolz aufrichtend.
Du, Rivalin!
Wohlan, auch ich bin’s, Rivalin bin ich dir!

Beherrscht sich und fällt Amneris zu Füßen.

Ach, was sagt‘ ich? Mitleid, Verzeihung! Ach!
Empfinde Mitleid mit meinem Leide,
Die Wahrheit ich sprach, ewig lieb‘ ich ihn.
O du bist glücklich – doch weh mir Armen,
In dieser Liebe leb‘ ich allein!
Erbarme, erbarme, erbarme dich mein!
AMNERIS.
Bebe, Sklavin, dein Herze bezwinge,
Daß diese Liebe den Tod dir nicht bringe,
Dein Los hab‘ ich in meinen Händen,
Haß und Rache nehmen mich ein.

Musik hinter der Szene.

CHOR.
Auf, des Niles heil’ges Ufer
Schützen wir mit unserm Blute,
Alles jauchzt in einem Rufe:
Krieg und Tod dem fremden Heer!
AMNERIS.
Zu dem Fest, das sie bereiten,
Sollst du, Sklavin, mich begleiten;
Du im Staub, du vor mir im Staub;
Ich am Thron, dem König nah.
AIDA.
Eine Wüste, weh mir Armen,
Ist mein Dasein, hab Erbarmen!
Leb und herrsche, bald gesühnet
Soll durch mich dein Zürnen sein;
Ich mit meiner Glut, der warmen,
Steige in das Grab hinein.
AMNERIS.
Folge mir und lern in Zeiten,
Ob du mir Rivalin da.

Geht ab.

AIDA.
Götter, erbarmt huldvoll euch mein,
Hoffnung ist nicht für meine Pein.
Erbarmt euch mein.

Geht mühsam von der Bühne.

Verwandlung

Eines der Tore der Stadt Theben.

Davor eine Gruppe Palmen, rechts der Tempel des Ammon, links ein Thron unter einem Baldachin von Purpur. Im Hintergrund eine Ehrenpforte.

Vierter Auftritt

Die Bühne ist von Volk angefüllt. Später tritt der König auf, gefolgt von Ministern, Priestern, Hauptleuten, Wedelträgern, Wappenträgern u.a. Hierauf Amneris mit Aida und Sklavinnen. Später ägyptische Krieger. Dann eine Schar von Tänzerinnen. Der König nimmt auf dem Thron Platz.

Amneris setzt sich zu seiner Linken.

Nr. 10. Zweites Finale.

CHOR DES VOLKES.
Heil dir, Ägypten, Isis Heil,
Die unser Land beschützet;
Des heil’gen Deltas König
Ertöne Festgesang.
Komm, Krieger, unser Rächer du,
Die Lust mit uns zu teilen;
Wir streuen Blumen und Lorbeern
Auf unsrer Helden Gang.
Heil dir, Fürst, Festgesang erschalle!
FRAUEN.
Der Lotos wind‘ zum Lorbeer
Ins Haar sich der Befreier,
Ein duft’ger Blumenschleier
Schmück‘ ihre Waffen hold.
Zum Tanz! Ägyptens Mädchen, tanzt,
Tanzt alte Zauberweise,
Wie um die Sonn‘ im Kreise
Das Chor der Sterne rollt.
PRIESTER.
Empor den Blick zu denen auf,
Die krönen und zerschmettern,
Bringet Dank den Göttern
An eurem Siegestag.

Die ägyptischen Krieger, welche die Schätze der Besiegten tragen, ziehen, voran die Fanfarenbläser, an dem König vorüber. Es folgen andere Krieger, die Kriegswagen, die Wappen, die heiligen Gefäße und Götterbilder. Tanz einer Schar Tänzerinnen. Zuletzt Radames unter einem von zwölf Offizieren getragenen Thronhimmel.

CHOR DES VOLKES.
Komm, unser Rächer, komm, o Held,
Die Lust mit uns zu teilen.
Wir streuen Blumen, Lorbeern
Auf unsrer Helden Gang.
Dank den Göttern, Dank!

Fünfter Auftritt

Die Vorigen. Radames.

KÖNIG steigt vom Thron, um Radames zu umarmen.
Dir sei Gruß und Dank, du Retter des Landes,
Komm, meine Tochter soll mit eignen Händen
Den Kranz dir überreichen.

Radames neigt sich vor Amneris, die ihm den Kranz überreicht.

KÖNIG zu Radames.
An diesem Tag verlang,
Was du wünschest, nichts sei dir verweigert
In dieser Stunde, ich schwör‘ es
Bei meiner Königskrone, den heil’gen Göttern.
RADAMES.
Erlaub zuvor, daß die Gefangnen
Dir werden vorgeführt.

Sechster Auftritt

Die Vorigen. Die äthiopischen Gefangenen treten, von Wachen begleitet, auf, zuletzt Amonasro, als äthiopischer Offizier gekleidet.

RAMPHIS UND CHOR DER PRIESTER.
Bringet den Göttern Dank an eurem Siegestag!
AIDA.
Himmel, er ist’s, mein Vater!

Stürzt auf Amonasro zu.

ALLE.
Ihr Vater!
AMNERIS.
In unsern Händen!
AIDA ihren Vater umarmend.
Du, Gefangener!
Amonasro (leise zu Aida.)
Still, kein Wort!
KÖNIG zu Amonasro.
Tritt näher.
Also du bist? –
AMONASRO.
Ihr Vater – ich hab‘ gekämpft.
Wir unterlagen, sucht‘ umsonst den Tod.

Auf sein Kriegsgewand deutend.

Dies Gewand, das ich trage, bezeuge,
Daß für den König mein Schwert ich gezogen;
Doch das Schicksal war uns nicht gewogen.
Ach, umsonst war der Tapferen Mut.
Vor mir im Staube lag sterbend der König,
Hingestreckt von den feindlichen Hieben.
Wenn es Verbrechen, sein Vaterland zu lieben,
Büß‘ ich es gerne mit meinem Blut.

In bittendem Tone zum König.

Doch du, Herr, dem die Macht ist gegeben,
Mögst du gütig die Armen erheben;
Heut sind wir von dem Schicksal geschlagen, ach,
Morgen treffen kann euch sein Strahl.

Aida wiederholt.

CHOR DER GEFANGENEN UND SKLAVINNEN.
Ja, es straften die Götter uns Armen;
Hör unser Flehen, Herr, hab Erbarmen;
Niemals sei dir beschieden zu tragen
Alles, was uns beschieden an Qual.
Ach, dein Erbarmen rufen wir an.
RAMPHIS UND PRIESTER.
Zeig dich, Herr, diesen Horden im Grimme.
Schließ dein Ohr vor der Treulosen Stimme,
Hat der Himmel dem Tod sie geweihet,
Sei der Gottheit Willen erfüllt.
VOLK.
Priester, Priester, besänftigt das Zürnen,
Höret an die Besiegten, sie neigen die Stirnen;
Du bist mächtig, bist stark,
Gnädig öffne, ach! öffne dein Herz und sei mild.
RADAMES Aida anblickend, für sich.
Liebliches Antlitz, die Trauer, das Weinen,
Läßt meinem Aug‘ nur sie holder erscheinen,
Jeder Tropfen der köstlichen Tränen
Nährt im Herzen die liebende Glut.
AMNERIS.
Welch ein Auge voll Entzücken,
Welche Flamme entsprüht seinen Blicken!
Ich verschmäht, vom Geliebten verstoßen,
Rache tobt mir im Herzen und Wut.
KÖNIG.
Jetzt, wo hold sich die Götter auf uns neigen,
Wollen diesen wir mild uns bezeigen;
Milde, Mitleid erfreuet die Götter,
Und den Königen erhöh’n sie die Macht.
RADAMES zum König.
O Fürst, bei den heil’gen Göttern,
Bei dem Glanz deiner Krone
Schwurst meinen Wunsch du zu erfüllen.
KÖNIG.
Ich tat’s.
RADAMES.
Nun wohl, für die gefangenen Äthiopier
Bitt‘ ich, o König, Leben und Freiheit aus.
AMNERIS für sich.
Für alle!
PRIESTER.
Tod den Feinden des Vaterlandes!
VOLK.
Gnade
Für die Geschlagnen!
RAMPHIS.
Vernimm, o Fürst,

Zu Radames.

Vernimm, du jugendlicher Held,
Hört einen weisen Rat:
Feinde sind es, tapfre Degen,
Rache kocht in ihrer Brust.
Eure Gnade macht sie verwegen,
Weckt zu neuem Kampf die Lust!
RADAMES.
Ohn‘ Amonasro, den tapfern Held, bleibt ihnen
Kein Strahl von Hoffnung.
RAMPHIS.
Zum mind’sten
Bleibe als Friedenspfand
Auch mit dem Vater die Sklavin Aida.
KÖNIG.
Ich folge deinem Rate.
Ein beßres Pfand des Friedens
Will ich euch noch geben. – Radames, das Vaterland
Schuldet dir alles – Amneris reich‘ zum Lohn
Ihre Hand dir. Über Ägypten als König
Wirst herrschen du dereinst.
AMNERIS beiseite.
Wage, o Sklavin,
Wage nun, den Teuren mir zu rauben!
KÖNIG.
Heil dir, Ägypten, Isis Heil,
Die unser Land beschützet,
Zum Lorbeer wind‘ der Lotos
Dem Helden sich ins Haar.
GEFANGENE.
Ruhm, Preis und Ruhm Ägyptens Fürst,
Der unsre Bande löste,
Den heimatlichen Gauen uns,
Die Freiheit wiedergibt.
VOLK.
Heil dir, Ägypten, Isis Heil,
Dir unser Land beschützet;
Zum Lorbeer wind‘ der Lotos
Dem Helden sich ins Haar.
RAMPHIS UND PRIESTER.
Der Isis töne Lobgesang,
Die unser Land beschützet,
Es lächle unserm Vaterland
Der Himmel immerdar.
AIDA für sich.
Welch Hoffen, ach, verblieb mir!
Für ihn der Ruhm, die Krone,
Doch mir Vergessen und Gram, mir,
Die ohne Hoffnung liebt.
RADAMES für sich.
Mög‘ seinen Blitz ein Gott
Aufs Haupt herab mir senden,
Ach nein, es wiegt Ägyptens Thron
Aidas Herz nicht auf.
AMNERIS für sich.
Berauscht bin ich vom Glücke,
Auf das ich niemals hoffte;
All‘ meine Träume machte wahr
Ein Tag in seinem Lauf.
AMONASRO leise zu Aida.
Nur Mut, denk an die Zukunft deiner Heimat,
Die Stunde der Rache,
Ja, sie nahet schon fürwahr.

Alle wiederholen ihre Strophen.

Dritter Aufzug

Am Ufer des Nils.

Granitfelsen, zwischen denen Palmbäume wachsen. Auf dem Rücken des Felsens der Isistempel, zur Hälfte im Laub verborgen. Es ist sternenhelle Nacht. Mondschein.

Erster Auftritt

Priesterinnen und Priester im Tempel. Später Amneris, Ramphis, einige dichtverschleierte Frauen und Wachen.

Nr. 11. Introduktion, Gebet und Romanze.

CHOR im Tempel.
O Göttin, die einst Osiris
Zum Leben ließ erwarmen,
Ins Menschenherz die Flamme haucht
Der Keuschheit fort und fort …
EINE PRIESTERIN.
Hilf uns, o hilf uns.
CHOR.
Hilf, hilf uns voll Erbarmen,
Der ew’gen Liebe Hort.

Aus einer Barke, welche am Ufer anlegt, steigen Amneris, Ramphis, einige dichtverschleierte Frauen und Wachen.

RAMPHIS zu Amneris.
Komm in der Isis Tempel, wenige Stunden
Vor deiner Hochzeit erflehe
Dir den Beistand der Göttin. Es schauet Isis
In die Herzen der Menschen; jedes Geheimnis
Hier im Weltkreis, es ist ihr kund.
AMNERIS.
Ja, flehen will ich, daß Radames mir schenke
Sein ganzes Herz, wie ihm das meine
Geweihet ist für immer.
RAMPHIS.
Zum Tempel!
Du wirst beten die Nacht durch, mit mir vereinigt.

Alle treten in den Tempel, der Chor wiederholt das Gebet.

Zweiter Auftritt

Aida tritt vorsichtig ein.

AIDA.
Bald kommt Radames! Was wird er wollen?
Ich bebe! Ach, wenn du kämest
Zum Abschied, zum letzten Lebewohl,
Des Niles dunkle Tiefe wird
Dann mein Grab sein, Ruhe mir geben,
Frieden und Vergessen.
O Vaterland, ich seh‘ dich nimmerdar!
Azurne Bläue, o heimatliche Lüfte,
Wo hell der Morgen schien auf mich herab,
O grüne Hügel, Strand du voll Blumendüfte,
Mein Vaterland, dich seh‘ ich nimmerdar.
Niemals, nein, o nimmermehr!
O kühle Täler, Asyl einst meinen Tagen,
Das von der Liebe mir verheißen war,
Der Liebe Traum, er ist zu Grab‘ getragen,
Mein Vaterland, dich seh‘ ich nimmerdar.

Dritter Auftritt

Amonasro. Aida.

Nr. 12. Duett.

AIDA sich wendend, erblickt den Vater.
Wehe! mein Vater!
AMONASRO.
Zu dir führt mich ein ernster Grund, Aida.
Nichts von allem ist fremd mir.
Du glühst in Liebe
Zu Radames, er liebt dich, er kommt hierher.
Ein Königskind ist deine Rivalin,
Unser Unheil, unser Fluch war stets ihr Geschlecht.
AIDA.
Und ich in ihrer Macht, ich, Amonasros Tochter!
AMONASRO.
In ihrer Macht? Nein, wenn du wünschest,
Besiegen wirst du deine Rivalin,
Und Heimat und Liebe und Thron – alles wird dein sein.

Wiedersehen wirst du die duftigen Wälder,
Die kühlen Täler und unsrer Tempel Gold!
AIDA leidenschaftlich.
Wiedersehen soll ich die duft’gen Wälder,
Die kühlen Täler und unsrer Tempel Gold.
AMONASRO.
Als Gattin dessen, den so sehr du liebest,
Wird unermeßner Jubel dich umwehn.
AIDA leidenschaftlich.
Ein einz’ger Tag in solchen Glückes Zauber,
Nur eine Stunde, und dann vergehn.
AMONASRO.
Denke immer, was der Ägypter grausam
Dem Lande, dem Volke und seinen Tempeln bot,
Jungfraun in Ketten hat er hinweggeführt,
Mütter, Greise und Kinder geweiht dem Tod.
AIDA.
Ach, wohl gedenk‘ ich jener Schreckenstage
Und was mein Herz getragen an Leid.
Götter, laßt uns endlich scheinen
Die Sonne einer beßren Zeit.
AMONASRO.
In Waffen schon erhebt
Sich unser Volksstamm, alles mutbeseelt –
Bringt uns den Sieg; eins zu wissen gilt es,
Welche Pfade des Feindes Heer gewählt.
AIDA.
Wer vermag’s zu ergründen, sag an!
AMONASRO.
Du selber!
AIDA.
Ich?!
AMONASRO.
Radames kommt hierher, ich weiß es,

Mit Nachdruck.

Er liebt dich, er, das Haupt der Ägypter. Verstehst du?
AIDA.
O Schande!
Was rätst du mir an? Nein, nimmermehr!
AMONASRO in wilder Leidenschaft.
Wohlauf denn, erhebt euch,
Ägyptische Scharen,
Verheert unsre Städte
Mit Feuer und Schwert,
Verbreitet nur Schrecken,
Nur Tod und Verwüstung,
Da nichts euren Sieg mehr,
Ihr Wütriche, wehrt.
AIDA.
Vater, mein Vater! …
AMONASRO sie zurückstoßend.
Noch nennst du
Mein Kind dich!
AIDA furchtsam und flehend.
O Gott, halt ein, Erbarmen!
AMONASRO.
Ströme voll Blutes fließen hin
Durch die besiegten Städte,
Siehe, aus blut’gem Wellenstrom
Steigen die Erschlagnen,
Zeigen auf dich und rufen laut:
Dein Volk, es stirbt durch dich!
AIDA.
O Gott, halt ein, Vater, halt ein!
AMONASRO.
Sieh! welch drohend Schreckgespenst
Nahet dort aus dem Schwarme,
Zittre, die Knochenarme
Legt auf dein Haupt sie dir.
Deine Mutter erkenne,
Siehe, sie flucht dir.
AIDA in höchstem Entsetzen.
Ach, nein, mein Vater, Mitleid, ach, halt ein!
AMONASRO sie zurückstoßend
Du bist mein Kind nicht,
Bist niedre Sklavin der Pharaonen!
AIDA aufschreiend.
Ach! Erbarmen!

Sich mühsam zu den Füßen des Vaters schleppend.

Vater, nicht bin ich ihnen die Sklavin,
Darfst mir nicht fluchen, mich nicht verkennen,
Kannst deine Tochter immer mich nennen,
Wert meines Landes will stets ich sein.
AMONASRO.
Denke, ein Volk, besiegt und zerschlagen,
Es kann sich retten durch dich nur allein.
AIDA.
O Heimatliebe, was muß ich opfern dir, o Vaterland.
AMONASRO.
Fasse Mut, er kommt, ich lausche hier!

Verbirgt sich hinter den Palmen.

Vierter Auftritt

Aida. Radames.

Nr. 13. Duett und drittes Finale.

RADAMES.
Ich seh‘ dich wieder, meine Aida.
AIDA.
Nicht näher – zurück – was hoffst du noch?
RADAMES.
In deine Nähe führt mich die Liebe.
AIDA.
Ach, einer andern gehörst du doch.
Amneris liebt dich!
RADAMES.
Geliebte, nein,
Dich nur, Aida, erkor ich zum Bund,
Ich bin erhöret, du wirst die Meine.
AIDA.
Entweih‘ der Meineid nie deinen Mund!
Ich liebte den Helden, dich, den Meineid’gen nicht.
RADAMES.
An meiner Liebe zweifelt Aida?
AIDA.
Und hoffest du zu entgehen Amneris‘ Reizen,
Des Königs Befehlen, deines Volkes Willen,
Dem Zornesfluch der Priester?
RADAMES.
Höre, Aida!
Aufs neue hat zum Kampf mit Wutgebärde
Äthiopiens Volk vereint der Krieger Reih’n,
Schon überziehn die Deinen unsre Erde,
Ägyptens Heere, ich führe sie.
Bei dem Triumphe, den wir erringen,
Will ich dem König mein Herz vertraun.
Du bist der Kampfpreis, den ich begehre,
Tempel der Liebe wollen wir bau’n.
AIDA.
Und du hegst vor der Rache
Amneris‘ keine Furcht? Ihre Vergeltung,
Wie ein Blitz wird sie furchtbar
Erschlagen mich und meiner Vater, uns alle.
RADAMES.
Ich will euch schützen.
AIDA.
Umsonst, du vermagst es nicht.
Doch liebst du wahr mich, dann bleibet ein Ausweg uns noch.
RADAMES.
Welcher?
AIDA.
Entfliehn!
RADAMES.
Entfliehen?
AIDA in tiefer Bewegung.
Entfliehn aus diesem Lande wir,
Komm; laß uns fliehen;
Dort wird ein neues Vaterland
Für unsre Liebe blühen,
Dort im jungfräulich grünen Wald,
Von Blumenduft umgeben,
Gibt uns ein neues Leben
Die höchste Seligkeit.
In Lieb‘ und Glück gedenken wir
Nicht mehr vergangner Zeit.
RADAMES.
Zur Ferne entfliehn,
Wo fremd ich war,
Verlassen mein Vaterland,
Verlassen seine Altäre?
Der Boden, wo zuerst
Ich Ruhmeskränze pflückte,
Die Liebe uns entzückte,
Vergißt sich nimmerdar.
Unserer Liebe Himmel lacht ewig klar!
AIDA.
Mein Himmel läßt die Liebe
Entfalten schönre Blüten,
Die gleichen Tempel bieten
Dieselben Götter dar.
RADAMES zögernd.
Aida!
AIDA.
Du liebst mich nicht, geh!
RADAMES.
Dich nicht lieben!

Energisch.

Kein Sterblicher, kein Gott
Hat jemals geliebt, wie ich für dich erglühe.
AIDA.
Geh, geh, es harret dein
Amneris.
RADAMES.
Nein, niemals!
AIDA.
Du sagtest niemals?
Dann mög‘ das Richtbeil fallen
Auf mich und meinen Vater.
RADAMES.
Nein, nein, entfliehn wir.

Mit leidenschaftlicher Entschlossenheit.

Laß uns fliehn aus diesen Mauern,
In die Wüste laß uns fliehen;
Hier wohnt Unheil nur und Trauern,
Dort die Liebe, dort das Glück.
Sieh, Aida, die weite Wüste,
Sie bietet uns ein Brautbett gerne,
Reiner werden Mond und Sterne
Glänzen dort vor unserm Blick.
AIDA.
Heitern Himmel, linde Lüfte
Hat die Heimat meiner Väter;
Jede Scholle hauchet Düfte,
Alles Duft und Klang und Glück.
Kühle Täler und grüne Auen,
Sie bieten uns ein Brautbett gerne,
Reiner werden Mond, und Sterne
Glänzen dort vor unserm Blick.
AIDA UND RADAMES.
Komm, o komm, fliehn wir zusammen.
Dieses Land der Qual und Pein,
Komm, o komm, des Herzens Flammen
Führen uns zum Glück allein!

Sie entfernen sich eilig, plötzlich bleibt Aida stehen.

AIDA.
Doch sage, auf welchem Wege
Umgehn wir die Scharen
Der Besatzung?
RADAMES.
Der Pfad, den wir gewählt
Zum Stoß auf den Feind, ist bis morgen
Völlig verlassen.
AIDA.
Und welcher Pfad?
RADAMES.
Die Schluchten
Bei Nàpata.

Fünfter Auftritt

Die Vorigen. Amonasro.

AMONASRO.
Bei Nàpata die Schluchten,
Dort werden die Meinen sein!
RADAMES.
Oh, wer belauscht uns?
AMONASRO.
Aidas Vater, der Äthiopier Fürst.
RADAMES in höchster Aufregung und Überraschung.
Du, Amonasro? du, der Fürst? Götter, was sagt‘ ich,
Nein, es ist Traum, es ist Schein, es ist Wahn,
Nein, nein,

Aufschreiend.

Wahrheit nimmer!
AIDA.
O mein Geliebter, höre mich,
Vertraue meiner Liebe.
AMONASRO.
Dir wird die Hand Aidas
Erbauen einen Thron.
RADAMES.
Weh mir, ich bin entehret,
Um dich verriet ich Land und Volk,
Weh, weh, ich bin entehret.
AIDA.
Sei ruhig!
AMONASRO.
Nein, nein, du bist nicht schuldig,
Der Zufall nur allein, er hat’s gekehret.
Drüben am Ufer stehen
Männer, die uns ergeben,
Ja dort wird die Liebe geben
Dir allen ihren Lohn.

Radames mit sich fortreißend.

Komme, komme!

Sechster Auftritt

Die Vorigen. Amneris und Ramphis aus dem Tempel kommend. Später Wachen.

AMNERIS.
Ha, Verrat!
AIDA.
Meine Rivalin!
AMONASRO sich auf Amneris mit einem Dolch stürzend.
Komm, zerstör, was ich vollbrachte.
Falle! …
RADAMES ihm in den Arm fallend.
Betörter, halt ein! …
AMONASRO.
O verwünscht!
RAMPHIS.
Wachen, herbei!
RADAMES zu Aida und Amonasro.
Eilet und fliehet!
AMONASRO Aida mit sich fortreißend.
Komm, meine Tochter!
RAMPHIS zu den Wachen.
Folgt den Flücht’gen.
RADAMES zu Ramphis.
Sei ruhig, Priester, ich bleibe dir.
Vierter Aufzug

Saal im Königspalast.

Links eine große Tür, die in den unterirdischen Gerichtssaal führt. – Rechts ein Korridor, der zum Gefängnis von Radames führt.

Erster Auftritt

Amneris allein in trauriger Stellung vor der Tür zum unterirdischen Gewölbe.

Nr. 14. Szene und Duett.

AMNERIS.
Entflohn ist die Rivalin, die verhaßte.
Vom Priestermund droht Radames sein Urteil,
Die Strafe des Verräters. – Ein Verräter
Ist er kaum. Doch er verriet des Krieges
Hohes Geheimnis, er wollte fliehn mit ihr,
Mit ihr entfliehen. Alle sind Verräter,
Zum Tode! zum Tode! Doch nein, was sag‘ ich?
Ich lieb‘ ihn noch, noch immer.
Ach zum Wahnsinn, zur Verzweiflung treibt das Feuer dieser Liebe.
Ach, könnte er mich lieben!
Ich wollt‘ ihn retten. Doch wie?

Entschlossen.

Ich tu‘ es! – Wachen: Radames komme!

Zweiter Auftritt

Amneris. Radames, von Wachen begleitet.

AMNERIS.
Schon sind die Priester all vereint,
Wollen dem Tod dich weihen;
Doch von dem Lose, das dir droht,
Noch kannst du dich befreien;
Rechtfertige dich, am Throne
Will ich um Gnade flehen,
Ja frei sollst du dich sehen,
Die Zukunft bleibet dir.
RADAMES.
Die Priester werden meiner Tat
Rechtfertigung nicht hören;
Vor Gott und Menschen kann ich laut
Auf meine Unschuld schwören.
Ein unheilvoll Geheimnis
Entfloh wohl meinem Munde,
Doch blieb im Herzensgrunde
Heilig die Ehre mir.
AMNERIS.
Verteid’ge dich und rette dich.
RADAMES.
Nein.
AMNERIS.
So stirb denn!
RADAMES.
Das Leben hass‘ ich;
Es kann mir Glück
Und Freude nimmer geben
Geflohn von jeder Hoffnung,
Will ich allein den Tod.
AMNERIS.
Du sterben? Nein, du mußt leben,
Leben und mit mir verbunden;
Die grimme Pein des Todes
Hab‘ ich schon um dich empfunden.
O Leid in Liebessehnen,
Die Nächte voll bittrer Tränen,
Das Vaterland, die Krone, Leben,
Ja alles geb‘ ich hin um dich.
RADAMES.
Für sie hab‘ ich auch Vaterland
Und Ehre hingegeben.
AMNERIS.
Kein Wort von ihr!
RADAMES.
Mein harret
Schande und soll noch leben?
Was hab‘ ich leiden müssen,
Aida mir entrissen,
Vielleicht gar getötet –
Was hat noch die Welt für mich?
AMNERIS.
Ich wär‘ an ihrem Tode schuld?
Nein, sie lebet!
RADAMES.
Lebet!
AMNERIS.
Vom Seufzerhauch der Fliehenden,
Verzweifelnden umschwebet,
Fiel nur ihr Vater.
RADAMES.
Und sie?
AMNERIS.
Verschwand, von ihr nicht eine Kunde!
RADAMES.
O führ‘ der Himmel sie
Ins Vaterland zurück,
Unkundig der Geschicke
Dessen, der für sie stirbt.
AMNERIS.
Wenn ich dich rette, schwöre, daß
Du ihr nicht mehr ergeben!
RADAMES.
Ich kann nicht!
AMNERIS.
Entsage ihr
Auf immerdar, dein Leben gilt’s!
RADAMES.
Ich kann nicht!
AMNERIS.
Noch einmal höre:
Entsage ihr.
RADAMES.
Vergebens!
AMNERIS.
So müd bist du des Lebens?
RADAMES.
Ich bin zum Tod bereit.
AMNERIS.
Wer beschützt dich, Unheilvoller,
Vor dem Los, das deiner wartet?
Hast in Zorn und Wut verwandelt
Meine tiefe Zärtlichkeit.
Rächen wird der Himmel selber
Meine Tränen, all mein Leid.
RADAMES.
Ach, das Sterben ist eine Wonne,
Darf ich’s doch um sie erleiden,
So vom Erdendasein scheiden,
Das muß erhabne Wonne sein:
Fürchte nicht den Zorn der Menschen,
Furcht‘ dein Mitleid nur allein.

Radames ab, von den Wachen begleitet. Amneris sinkt trostlos auf eine Bank.

Dritter Auftritt

Amneris allein. Später Ramphis und die Priester.

Nr. 15. Gerichtsszene.

AMNERIS in höchster Verzweiflung.
Weh mir, ich fühl‘, ich sterbe; wer wird ihn retten?

Vom Weinen erstickt.

In ihre Hand gab ich ihn selbst, o wie verwünsch‘ ich,
Eifersucht, dich nun, die sein Verderben
Und meines Herzens ew’gen Gram verschuldet.

Ramphis und die Priester schreiten über die Bühne, um in das unterirdische Gewölbe zu gehen.

Himmel, was seh‘ ich?
Des Todes finstre, unheilvolle Diener!
Sähe ich nie mehr jene weißen Larven!

Verhüllt das Gesicht mit den Händen.

RAMPHIS UND DIE PRIESTER im unterirdischen Gewölbe.
Laß, Geist der Gottheit, laß auf uns dich nieder.
Glüh mit dem Strahl uns an des ew’gen Lichtes,
Tu deine Satzung kund durch unsre Lippen.
AMNERIS.
Götter, erbarmt euch meines armen Herzens,
Er ist frei von Schuld, o rettet ihn, ihr Götter;
Oh, furchtbar ist die Verzweiflung meines Herzens.
Oh, wer beschützt ihn?

Radames schreitet zwischen den Wachen über die Bühne und steigt in das unterirdische Gewölbe. Bei seinem Anblick stößt Amneris einen Schrei aus.

Wer wird ihn retten? Mein Ende ist nah?
Weh mir, mir nahet der Tod!
RAMPHIS im unterirdischen Gewölbe.
Radames, Radames: Du hast des Vaterlands Geheimnisse enthüllet
Dem Fremdling, rechtfert’ge dich.
PRIESTER.
Rechtfert’ge dich!
RAMPHIS.
Seht, er schweiget.
ALLE.
Oh, Verrat!
AMNERIS.
Ach, Erbarmen, frei ist von Schuld er,
Götter, habt Erbarmen!
RAMPHIS.
Radames, Radames: Du hast das Lager
Am Tage vor der Schlacht verlassen.
PRIESTER.
Rechtfert’ge dich!
RAMPHIS.
Seht, er schweiget.
ALLE.
Oh, Verrat!
AMNERIS.
Gnade, Gnade, ach rettet ihn, Götter!
RAMPHIS.
Radames, Radames: Dem Vaterlande,
Dem König und der Ehre brachst du deinen Eid.
PRIESTER.
Rechtfertige dich!
RAMPHIS.
Seht, er schweiget.
AMNERIS.
Gnade, Gnade, ach rettet ihn, Götter!
ALLE.
Oh, Verrat!
Radames, dein Los ist erfüllet,
Ja du stirbst den Tod des Verräters
Unterm Tempel der zürnenden Gottheit
Gehst du lebend, ja lebend ins Grab!
AMNERIS.
Lebend begraben, o Verruchte!
Euer Blutdurst wird niemals gestillet,
Wollet Diener des Himmels noch sein!

Auf die Priester stürzend, die aus dem unterirdischen Gewölbe kommen.

Ihr, o Priester, begingt ein Verbrechen,
Mit des Tigers wilden Gebärden;
O die Götter schändet ihr und Erden,
Da ihr bestrafet, wer schuldlos und rein.
RAMPHIS UND PRIESTER.
Fluch dem Verräter und Tod!
AMNERIS zu Ramphis.
Priester, jenen Mann, den du tötest,
Ach, ich liebt‘ ihn, du weißt es, vor allen;
Mit seinem Blut wird auf dich fallen
Meines Herzens Fluch!
RAMPHIS UND PRIESTER.
Fluch dem Verräter und Tod! Oh, Verrat!

Langsam ab.

AMNERIS.
Schändliche Rotte, auf euch alle mein Fluch!
Und des Himmels Rache fall‘ auf euch herab!
Seid verflucht!

Verzweifelnd ab.

Verwandlung

Die Bühne ist in zwei Etagen geteilt.

Die obere stellt das Innere des Vulkantempels in Gold und Lichterglanz dar; die untere ein unterirdisches Gewölbe. Lange Bogengänge, die sich im Dunkel verlieren. Kolossalstatuen des Osiris mit nach oben gekreuzten Händen stützen die Säulen der Wölbung.

Vierter Auftritt

Radames. Zwei Priester. Später Aida. Priester und Priesterinnen im Tempel. Radames, im unterirdischen Gewölbe auf den Stufen der Treppe, die er hinabgestiegen ist. Über ihm zwei Priester, die den Eingang mit einem Stein verschließen.

Nr. 16. Szene, Duett und letztes Finale.

RADAMES.
Es hat der Stein sich über mir geschlossen.
Vor mir seh‘ ich mein Grab. Das Licht des Tages
Schau‘ ich nicht mehr, schau nimmermehr Aida.
Aida, wo bist du? Ach könntest du doch
Glücklich nur sein, blieb ewig dir verborgen
Mein furchtbar Los! Welch Seufzerlaut! Eine Larve,
Ist es ein Geist? Nein, nein, ein menschlich Antlitz!
Oh, Aida!
AIDA.
Ich bin es.
RADAMES in höchster Verzweiflung.
Du – in diesem Grabe!
AIDA traurig.
Ahnend im Herzen, daß man dich verdamme,
Hab‘ in die Gruft, die sie für dich bereitet,
Ich heimlich mich begeben,
Und hier, vor jedem Menschenaug‘ verborgen,
In deinen Armen sehn‘ ich mich zu sterben.
RADAMES.
Zu sterben! so rein und schön,
Für mich der Welt entsagen,
In holden Blütentagen
Fliehen das Dasein!
Es schuf der Himmel dich zum Glück der Liebe,
Ich bring‘ den Tod dir, weil ich heiß dich liebe!
Nein, nicht den Tod,
Du bist so lieblich, bist so schön!
AIDA schwärmerisch.
Sieh, dort den Todesengel schon
Sich nah’n in Glanz und Strahlen,
Trägt uns auf goldnen Schwingen hold
Zu ew’gen Freuden fort.
Schon öffnet sich des Himmels Tor,
Dort enden alle Qualen,
Frieden und Seligkeit und Glück,
Sie wohnen ewig dort.
PRIESTERINNEN im Tempel.
Allmächt’ger Phtà, der Welten Schöpferhauch, dich rufen wir an.
AIDA.
Welch ein Gesang!
RADAMES.
Ein Triumphgesang
Aus Priestermund.
AIDA.
Für uns das Grabgeläute!
RADAMES versucht den Stein von seiner Stelle zu wälzen.
Meine gewalt’gen Arme
Können den Stein vom Orte nimmer bewegen!
AIDA.
Umsonst! … Für uns ist alles
Hier auf Erden vorbei.
RADAMES mit trostloser Ergebung.
Ist alles vorbei!
AIDA UND RADAMES.
Leb wohl, o Erde, o du Tal der Tränen,
Verwandelt ward der Freudentraum in Leid;
Es schließt der Himmel seine Pforten auf,
Und unser Sehnen schwinget sich empor
Zum Licht der Ewigkeit.

Aida sinkt Radames sanft in die Arme und stirbt.

Fünfter Auftritt

Die Vorigen. Amneris erscheint im Trauergewand im Tempel und wirft sich auf den Stein, der das unterirdische Gewölbe verschließt.

AMNERIS mit tränenerstickter Stimme.
Sei dir der Frieden
Im Tod beschieden;
Öffne dir Isis
Des Himmels Tor.
Werde dir Frieden!
CHOR.
Wir rufen dich, allmächt’ger Phtà!