Apollo(Gr. u. röm. M.), Sohn des Jupiter und der Latona, Zwillingsbruder der Diana, einer der zwölf grossen Götter der Griechen und Römer. - Vielfache religiöse Vorstellungen fliessen im Begriffe des A. zusammen. Er ist

1)strafender und verderbender Gott, daher es eine sehr gewöhnliche, übrigens immer zweifelhafte Erklärung seines Namens war, ihn von dem griechischen Zeitwort apollyô, ich verderbe, abzuleiten. Als solcher ist er mit Bogen und Pfeilen bewaffnet, heisst daher »der Fernhintreffer, der Silberbognes,« und bestraft jeglichen Uebermuth, erlegt den Drachen Python, die Söhne der Niobe, und sendet Tod und Verderben ins Lager der Griechen vor Troja. Wie er aber Verderben sendet, so vermag er es

2)auch abzuwenden, ist »der Abwehrer des Uebels, der heilbringende Arzt,« daher auch der Vater des Aesculapius, und heisst als solcher Päon oder Päan. Er ist

3)»der Gott der Weissagung,« verkündigt den Willen Jupiters und heisst desshalb Prophet des Vaters Jupiter. Als solcher nimmt er das Orakel zu Delphi in Besitz, dessen Wächter zuvor der von ihm erlegte Drache Python war, und das vorher Gäa mit Neptun, und dann Themis besessen hatte. Weil seine Orakelsprüche den Menschen theilweise dunkel sind, heisst er Loxias, der Verworrene; aber zugleich, da er Alles durchschaut, Lyceus, der Lichthelle. Ausser Delphi sind als seine Orakelorte am berühmtesten: Abä in Phocis, Delos, Didyma bei Milet, Ichnä in Macedonien, Clarus bei Colophon in Jonien, Thymbra in Troas, das Ismenium, Tempel des Apollo am Flusse Ismenus bei Theben. Von jedem dieser Orte führt er einen Beinamen. Ferner ist er

4)Gott des Gesangs und Saitenspiels, der die Menschen durch Musik zum Guten und Rechten antreibt, vornämlich durch die von ihm erfundene Phorminx oder Cither. Nach Einigen soll er auch die Leyer erfunden haben, nach der gewöhnlichen Annahme aber ist diese eine Erfindung des Mercur, der sie dem Apollo erst abgetreten hat. Er spielt die Phorminx bei den Schmäusen der Götter, unterrichtet die Sänger, siegt in musikalischen Wettstreiten über Pan und Marsyas, und wird in der späteren Dichtung Oberhaupt und Führer der Musen, daher Musagetes genannt. A. gehört

5)zu den Hirten-Göttern, und sendet sowohl Seuchen unter die Heerden, als er sie auch abwendet. Er mehrt die Fruchtbarkeit und tödtet die Wölfe. Er weidet, von Jupiter gesandt, die Rinder des Laomedon am Ida, und tritt als Hirte besonders im Dienste des Admetus, auf. Einige wollen in dieser Dienstbarkeit des A. die Idee von der Sühnung des Menschen von Schuld und Sünde durch freiwillige Selbstverläugnung ausgesprochen finden, indem sie den A. vorzugsweise als Reiniger des menschlichen Gemüthes auffassen, wofür sie sich besonders auch auf seine musikalische Wirksamkeit berufen, und in dieser Hinsicht die apollinische Musik, als die zu reiner und besonnener Begeisterung führende, derjenigen, die im Bacchus- und Cybele-Dienst geübt wurde, als der betäubenden, verwirrenden und verwildernden, auf das Schärfste entgegensetzen.

6)A. ist Gründer der Städte und Colonien, und gibt den Staaten weise Verfassungen. Darauf wirkt er sowohl durch seine Orakel, als durch die Kraft der Musik hin. Durch sein Saitenspiel wurden schon die Steine zum Bau der Mauern der Stadt Troja zusammengefügt; er half dem Alcathous bei der Erbauung der Mauern von Megara. Als Führer beim Auszug neuer Colonien verehrte ihn ganz besonders der dorische Stamm der Griechen. So war auch Delphi hauptsächlich durch die hingebende Ehrfurcht der Dorier vor diesem Heiligthum zu seinem Ansehen gelangt. - Bekanntlich ist A.

7)auch Sonnengott: ob aber diese Vorstellung zu seinem ursprünglichen Begriffe gehöre, oder erst später durch willkürliche Vermengung in denselben hineingetragen sei, darüber sind die Alterthumsforscher im Streit; doch ist die grössere Wahrscheinlichkeit auf letzterer Seite, da es entschieden ist, dass die ältesten griechischen Dichter und die ganze griechische Volksreligion einen selbstständigen Sonnengott, Helios, kennen, den sie mit A. durchaus in keine Verbindung bringen. Die erste Spur der Vermengung beider Gottheiten findet sich vielleicht bei Aeschylus, also um 500 v. Chr. Von dieser Zeit an scheint sich die Vorstellung von der Einheit A.s und des Sonnengottes in stetigem Fortschritt ausgebreitet zu haben, so dass sie zur Zeit der Blüthe der römischen Literatur zu allgemeiner Anerkennung gelangt war. Für die entgegengesetzte Ansicht spricht indessen doch, dass man nur durch Zurückgehen auf die Sonne zu einem Punkte gelangt, in welchem möglicher Weise die vielfältigen Vorstellungen von A. alle in ihren Keimen beschlossen liegen können. - Mit dem Streit über diesen Punkt hängt auf's Engste zusammen der über die ursprüngliche Herkunft des A.dienstes. Diejenigen, die A. von Anfang als die Sonne fassen, leiten seinen Dienst von Asien oder Aegypten her, ihre Gegner von Norden, als der Seite, von woher überhaupt die griechische, insbesondere die dorische Cultur nach Süden vorgerückt ist. Sie bringen diese Ansicht mit den zahlreichen Sagen von einer Verbindung des A. mit den Hyperboreern in Zusammenhang. Unter diesen dachte man sich ein Volk, das jenseits des Punktes wohnt, von wo der Nordwind herweht, das daher von diesem nicht berührt wird, und sich desshalb des herrlichsten, fruchtbarsten Landes erfreut. Von ihnen sollte das delphische Heiligthum gegründet sein; von ihnen kam Latona in Gestalt einer Wölfin nach Delos; bei ihnen weilt A. von der Frühlings-Nachtgleiche bis zum Frühaufgang der Plejaden, und kommt von dort nach Delphi um die Mitte des Sommers. - Was die Verehrung des A. betrifft, so wurden ihm hauptsächlich unblutige Opfer, Weihrauch und Kuchen, letztere in allerlei Formen, dargebracht; einen Haupttheil seines Dienstes bildeten aber die Sühnfeste, die ihm in Athen und bei den Ioniern unter dem Namen Thargelien im Monat Thargelion, der um die Mitte Mai's beginnt, gefeiert wurden. Ueberdiess gehörten zu seinen wichtigsten Festen die von Delphi, Creta und Theben, die alle nach einer bestimmten, neunjährigen Periode geordnet waren, weil immer nach 99 Mond-Monaten der Frühaufgang der Plejaden, der einen Hauptpunkt in der apollinischen Festfeier bildete, wieder mit derselben Mondsphase zusammenfällt, wornach man dann Regelmässigkeit in den Kreislauf der Feste zu bringen wusste. - Die Verehrung A.s fand frühe auch in Rom Eingang; der erste Tempel wurde ihm daselbst 430 v. Chr. errichtet, nachdem er, wie man glaubte, die Stadt von einer Pest befreit hatte. Glänzend wurde sein Dienst in Rom indessen erst unter den Kaisern. Augustus schrieb ihm vorzüglich seinen Sieg über Antonius am Vorgebirge Actium zu, baute ihm daher sowohl dort, als in Rom auf dem palatinischen Berge einen Tempel, und stiftete zu seiner Ehre die actischen Spiele. Auch erneuerte er die schon in den sibyllinischen Büchern anbefohlenen, aber in Verfall gerathenen hundertjährigen Spiele zur Ehre A.s und seiner Schwester Diana, zu deren Feier Horaz eines seiner berühmtesten Gedichte verfasst hat. - In der Kunstdarstellung erscheint er als vollendete männliche Schönheit, durch geistigen Ausdruck von Bacchus unterschieden. Das unbärtige Gesicht bildet ein sehr längliches Oval. Am Vorderhaupt zeichnet ihn ein Lockenpaar aus; sein mächtiger Haarwuchs fliesst sanft herab; hoch und schlank ist die Gestalt, die Muskeln nur gelind ausgearbeitet, die Hüften im Verhältniss zur Brust schmal. Als Musagetes ist er bekleidet, sonst nackt, oder er trägt nur die Chlamys, das griechische Kriegerkleid. Das berühmteste erhaltene Bild ist der sogenannte A. von Belvedere in der vaticanischen Sammlung zu Rom, das im Jahr 1503 zu Nettuno gefunden wurde. Dieser Apoll heisst der Pythische, als Besieger des pythischen Drachen. Unser zweites Bild stellt den lycischen Apollo dar; in einem dritten kniet Marsyas gebunden vor Apollo, der, lorbeerbekränzt, selbst die Strafe an jenem vollziehen will. Ein junger Phrygier, der Bogen und Pfeil hält, scheint für Marsyas zu bitten; in der Mitte steht die Statue des Gottes auf einer Säule: Nachbildung eines alten Vasengemäldes. - Attribute A.s sind Bogen und Köcher, die ihn als strafenden Gott; der Hirtenstab, der ihn als Weidegott; die Cither sammt dem Plectrum, womit sie gespielt wird, die ihn als Gott des Gesanges; der Dreifuss, der ihn als Weissage-Gott verkündigt. Geweiht sind ihm, aus dem Thierreich: der Schwan, der Greif, der Rabe, der Hahn, der Habicht, die Cicade, der Wolf, die Schlange; aus dem Pflanzenreich: der Lorbeer, die Palme, der Oelbaum, die Tamariskenstaude.
[Vollmer]

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