003
In jenem Teil des neugebornen Jahrs,
da Sonnenstrahl im Wassermann sich stärkt
und schon in Tagesmitte flieht die Nacht
In quella parte del giovanetto anno
che 'l sole i crin sotto l'Aquario tempra
e già le notti al mezzo dì sen vanno,
006
und Morgenreif des weißen Bruders Bild
auf das Gefilde hingebreitet zeichnet
mit seiner Feder leicht und flüchtig nur,
quando la brina in su la terra assempra
l'imagine di sua sorella bianca,
ma poco dura a la sua penna tempra,
009
da steht und schaut das Bäuerlein, dem schon
sein Vorrat schmilzt: es sieht das weite Feld
in weißem Glanz und schlägt sich auf die Hüfte,
lo villanello a cui la roba manca,
si leva, e guarda, e vede la campagna
biancheggiar tutta; ond'ei si batte l'anca,
012
geht in sein Haus und jammert hin und her,
ein armer Wicht, und weiß nicht, was er tun soll.
Dann kommt er wieder, sammelt neue Hoffnung,
ritorna in casa, e qua e là si lagna,
come 'l tapin che non sa che si faccia;
poi riede, e la speranza ringavagna,
015
da schon die Welt ein anderes Gesicht
im Nu ihm zeigt, und greift zum Hirtenstab
und treibt zur Weide seine Schäflein aus: ─
veggendo 'l mondo aver cangiata faccia
in poco d'ora, e prende suo vincastro
e fuor le pecorelle a pascer caccia.
018
so stand auch ich bestürzt, als ich die Stirne
des Meisters ganz von Zorn umwölkt gewahrte,
und so im Nu war Pflaster auf der Wunde.
Così mi fece sbigottir lo mastro
quand'io li vidi sì turbar la fronte,
e così tosto al mal giunse lo 'mpiastro;
021
Denn, als wir zur gestürzten Brücke kamen,
blickte so freundlich mich der Führer an,
wie ich zuerst am Fuß des Bergs ihn sah.
ché, come noi venimmo al guasto ponte,
lo duca a me si volse con quel piglio
dolce ch'io vidi prima a piè del monte.
024
Nach einigem Besinnen und Erwägen,
genau den Felsensturz betrachtend, tat er
die Arme auf und hielt mich schon umfaßt.
Le braccia aperse, dopo alcun consiglio
eletto seco riguardando prima
ben la ruina, e diedemi di piglio.
027
Und wie der Werkmann schafft und schätzt zugleich
und immer schon das Nächste vorbereitet,
so hob er mich auf eine Felsenspitze,
E come quei ch'adopera ed estima,
che sempre par che 'nnanzi si proveggia,
così, levando me sù ver' la cima
030
wobei er, gleich den nächsten Block vermerkend,
mir sagt: »An diesen klammre dann dich fest,
versuch jedoch zuerst, ob er dich trägt.«
d'un ronchione, avvisava un'altra scheggia
dicendo: "Sovra quella poi t'aggrappa;
ma tenta pria s'è tal ch'ella ti reggia".
033
Das war kein Pfad für schwere Mantelträger,
da er, so leicht, und ich, von ihm geschoben,
doch kaum von Block zu Block hinaufgelangten.
Non era via da vestito di cappa,
ché noi a pena, ei lieve e io sospinto,
potavam sù montar di chiappa in chiappa.
036
Und wäre vor uns nicht der Anstieg kürzer
als hinter uns der Abstieg war, gewesen,
wer weiß, ob erʼs gemacht hätt ─ ich gewiß nicht.
E se non fosse che da quel precinto
più che da l'altro era la costa corta,
non so di lui, ma io sarei ben vinto.
039
Doch da die Bösen-Gräben nach der Tiefe
des Brunnenschachtes hin sich alle neigen,
so bringt die Lage jedes Tals es mit sich,
Ma perché Malebolge inver' la porta
del bassissimo pozzo tutta pende,
lo sito di ciascuna valle porta
042
daß äußre Wand die innre überragt:
wir kamen schließlich doch bis auf die Höhe,
von der der letzte Fels hinunterhängt.
che l'una costa surge e l'altra scende;
noi pur venimmo al fine in su la punta
onde l'ultima pietra si scoscende.
045
In meinen Lungen war kein Atem mehr;
ich konnt nicht weiter, als ich oben war,
und gleich am Rand der Höhe setzt ich mich.
La lena m'era del polmon sì munta
quand'io fui sù, ch'i' non potea più oltre,
anzi m'assisi ne la prima giunta.
048
»Hier heißtʼs nun abtun deine Trägheit«, sprach
der Meister, »denn in Federbett und Kissen
hat sich noch niemand seinen Ruhm geholt.
"Omai convien che tu così ti spoltre",
disse 'l maestro; "ché, seggendo in piuma,
in fama non si vien, né sotto coltre;
051
Wer aber ruhmlos seine Zeit verbraucht,
der ist wie Rauch in Luft und Schaum im Wasser,
und keine Spuren läßt er auf der Erde.
sanza la qual chi sua vita consuma,
cotal vestigio in terra di sé lascia,
qual fummo in aere e in acqua la schiuma.
054
So raff dich auf, vergiß die Atemnot!
Es siegt in jeder Schlacht der starke Mut,
der unter plumpem Körper nicht erschlafft.
E però leva sù; vinci l'ambascia
con l'animo che vince ogne battaglia,
se col suo grave corpo non s'accascia.
057
Noch höhre Treppen gilt es zu ersteigen,
ʼs ist nicht genug, von Heuchlern sich entfernen.
So du mein Wort verstehst, laß es dich spornen!«
Più lunga scala convien che si saglia;
non basta da costoro esser partito.
Se tu mi 'ntendi, or fa sì che ti vaglia".
060
Da rafft ich mich empor, als wär ich besser
bei Atem schon als ich mich fühlte, und
»geh zu!«, sagt ich, »ich habe Kraft und Mut«.
Leva' mi allor, mostrandomi fornito
meglio di lena ch'i' non mi sentia,
e dissi: "Va, ch'i' son forte e ardito".
063
Die Felsenbrück hinauf ging unser Weg,
war voller Zacken, eng und unbequem
und merklich steiler als die früheren.
Su per lo scoglio prendemmo la via,
ch'era ronchioso, stretto e malagevole,
ed erto più assai che quel di pria.
066
Ich sprach im Gehen, wollt nicht schwach erscheinen,
worauf vom neuen Graben eine Stimme
aufstieg ─ und keine Worte formen konnte.
Parlando andava per non parer fievole;
onde una voce uscì de l'altro fosso,
a parole formar disconvenevole.
069
Ich konnte nichts verstehn, obgleich ich schon
auf dieses Brückenbogens Scheitel stand;
doch klangʼs, als wär der Sprecher sehr erzürnt.
Non so che disse, ancor che sovra 'l dosso
fossi de l'arco già che varca quivi;
ma chi parlava ad ire parea mosso.
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Ich spähte abwärts, doch mein Auge drang
mit irdischer Kraft durch dieses Dunkel nicht.
Drum bat ich: »Meister, willst du nicht hinüber
Io era vòlto in giù, ma li occhi vivi
non poteano ire al fondo per lo scuro;
per ch'io: "Maestro, fa che tu arrivi
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zum andern Damm, daß wir hinunter kommen?
Was ich von hier aus hör, versteh ich nicht,
und schau hinab und kann es nicht erkennen.«
da l'altro cinghio e dismontiam lo muro;
ché, com'i' odo quinci e non intendo,
così giù veggio e neente affiguro".
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»Kein andre Antwort«, sprach er, »geb ich dir,
als daß ichʼs tu, denn eine brave Bitte
verdient, daß man ihr nachkommt ohne Worte.«
"Altra risposta", disse, "non ti rendo
se non lo far; ché la dimanda onesta
si de' seguir con l'opera tacendo".
081
Wir stiegen nach dem Brückenkopf hinab,
wo er zum achten Grabenrand sich fügt:
da lag die Kluft nun sichtbar unter mir.
Noi discendemmo il ponte da la testa
dove s'aggiugne con l'ottava ripa,
e poi mi fu la bolgia manifesta:
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So fürcherliche Schlangenknäuel sah ich,
fremdartige Rassen, durcheinanderwimmeln,
daß mir noch heut davon das Blut gerinnt.
e vidivi entro terribile stipa
di serpenti, e di sì diversa mena
che la memoria il sangue ancor mi scipa.
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Hier muß der Ruhm von Libyens Wüste schweigen,
denn, bringt sie Ottern, Ringler, Brillenschlangen
und Vipern, Lanzennattern auch hervor,
Più non si vanti Libia con sua rena;
ché se chelidri, iaculi e faree
produce, e cencri con anfisibena,
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so hat sie so viel giftiges Gezücht
doch nie erzeugt, mit ganz Äthiopien nicht,
noch samt der Wüstenei am Roten Meer.
né tante pestilenzie né sì ree
mostrò già mai con tutta l'Etïopia
né con ciò che di sopra al Mar Rosso èe.
093
Und zwischen diesen bösen ekeln Haufen
lief nackt und zitternd menschlich Volk umher
─ kein Zaubermittel, keine Zuflucht half ihm ─
Tra questa cruda e tristissima copia
corrëan genti nude e spaventate,
sanza sperar pertugio o elitropia:
096
die Hände festgebunden auf dem Rücken
mit Schlangen, die sich durch die Lenden fraßen
und ringelten und vorne sich verknüpften.
con serpi le man dietro avean legate;
quelle ficcavan per le ren la coda
e 'l capo, ed eran dinanzi aggroppate.
099
Da sieh! in unsrer Nähe wird ein Mann
von einer Natter angefallen und
gebissen mitten zwischen Hals und Schulter.
Ed ecco a un ch'era da nostra proda,
s'avventò un serpente che 'l trafisse
là dove 'l collo a le spalle s'annoda.
102
So flink ward noch kein O, kein I geschrieben,
wie der in Flammen aufging und verbrannte
und ganz zu Asche auseinanderfiel.
Né O sì tosto mai né I si scrisse,
com'el s'accese e arse, e cener tutto
convenne che cascando divenisse;
105
Und wie er so zersetzt am Boden lag,
da lief der Aschenstaub von selbst zusammen:
im Nu ward wiederum der gleiche Mann. ─
e poi che fu a terra sì distrutto,
la polver si raccolse per sé stessa
e 'n quel medesmo ritornò di butto.
108
Der Phönix, künden uns die großen Weisen,
vergehe und erstehe ebenso
in Flamm und Asche all fünfhundert Jahr.
Così per li gran savi si confessa
che la fenice more e poi rinasce,
quando al cinquecentesimo anno appressa;
111
Er fresse, sagen sie, kein Kraut noch Korn
und lebe nur von Weihrauch und Amom
und baue sich sein Grab aus Nard und Myrrhe. ─
erba né biado in sua vita non pasce,
ma sol d'incenso lagrime e d'amomo,
e nardo e mirra son l'ultime fasce.
114
Der Sünder stand vom Boden auf, sah aus
wie einer, demʼs geschieht, er weiß nicht wie,
daß ihn der Teufel auf den Boden wirft,
E qual è quel che cade, e non sa como,
per forza di demon ch'a terra il tira,
o d'altra oppilazion che lega l'omo,
117
oder vielleicht ein Krampf ihn plötzlich lähmt,
und wie er aufsteht, starrt er um sich her
von einer großen Angst, die ihn beklemmt,
quando si leva, che 'ntorno si mira
tutto smarrito de la grande angoscia
ch'elli ha sofferta, e guardando sospira:
120
noch ganz verwirrt und seufzt und schaut sich um.
So streng ist Gottes Macht, so fürchterlich
sausen herab die Hiebe seiner Rache!
tal era 'l peccator levato poscia.
Oh potenza di Dio, quant'è severa,
che cotai colpi per vendetta croscia!
123
Mein Führer fragtʼ ihn, wer er sei, und er:
»Ich bin hieher geregnet aus Toskana
vor nicht sehr langer Zeit in diese Wildnis.
Lo duca il domandò poi chi ello era;
per ch'ei rispuose: "Io piovvi di Toscana,
poco tempo è, in questa gola fiera.
126
Zu leben wie ein Vieh, nicht wie ein Mensch
gefiel dem Bastard, der ich war. Ich bin
die Bestie Vanni Fucci aus Pistoia.«
Vita bestial mi piacque e non umana,
sì come a mul ch'i' fui; son Vanni Fucci
bestia, e Pistoia mi fu degna tana".
129
Ich bat den Führer: »Laß ihn nicht entschlüpfen
und frag, warum in dieser Kluft er steckt.
Ich sah ihn zornig nur und händelsüchtig.«
E ïo al duca: "Dilli che non mucci,
e domanda che colpa qua giù 'l pinse;
ch'io 'l vidi omo di sangue e di crucci".
132
Der Sünder hört es und verstellt sich nicht,
vielmehr mit Absicht blickte er mich an,
aus Scham und Bosheit mußte er erröten
E 'l peccator, che 'ntese, non s'infinse,
ma drizzò verso me l'animo e 'l volto,
e di trista vergogna si dipinse;
135
und sprach: »Daß du im offenbaren Elend
mich hier ertappen mußtest, tut mir weher
als einst mein Ende in der Welt mir tat.
poi disse: "Più mi duol che tu m' hai colto
ne la miseria dove tu mi vedi,
che quando fui de l'altra vita tolto.
138
Ich kann dir nicht verleugnen, was du fragst.
Ich fiel so tief, weil ich gestohlen habe
das kostbare Gerät der Sakristei,
Io non posso negar quel che tu chiedi;
in giù son messo tanto perch'io fui
ladro a la sagrestia d'i belli arredi,
141
und fälschlich wurd ein anderer beschuldigt.
Froh werden sollst du der Entdeckung nicht,
wofern du je aus dieser Nacht herauskommst.
e falsamente già fu apposto altrui.
Ma perché di tal vista tu non godi,
se mai sarai di fuor da' luoghi bui,
144
Mach auf die Ohren, höre meine Botschaft!
Erst stößt Pistoia seine Schwarzen aus,
sodann erneut Florenz Sitten und Volk;
apri li orecchi al mio annunzio, e odi.
Pistoia in pria d'i Neri si dimagra;
poi Fiorenza rinova gente e modi.
147
der Kriegsgott braut in Valdimagra Dunst,
um dessen Hitze sich die Wolken sammeln,
ein wildes Wetter stürmt dagegen an,
Tragge Marte vapor di Val di Magra
ch'è di torbidi nuvoli involuto;
e con tempesta impetüosa e agra
150
und Kämpfe gibt es über Camp Piceno,
die Wolke reißt, der Wetterschlag fährt nieder
und schlägt die Weißen allesamt aufs Haupt.
sovra Campo Picen fia combattuto;
ond'ei repente spezzerà la nebbia,
sì ch'ogne Bianco ne sarà feruto.
153
Das soll dich wurmen, drum hab ichʼs gesagt.«
E detto l' ho perché doler ti debbia!".

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