003
So ging's hinab vom ersten Kreis zum zweiten,
Der kleinern Raum, doch größres Weh umringt, :
Das antreibt, Klag' und Winseln zu verbreiten.
Cosí discesi del cerchio primaio
giú nel secondo, che men luogo cinghia,
e tanto piú dolor, che punge a guaio.
006
Graus steht dort Minos, fletscht die Zähn' und bringt
Die Schuld ans Licht, wie tief sie sich verfehle,
Urteilt, schickt fort, je wie er sich umschlingt.
Stavvi Minòs orribilmente, e ringhia :
essamina le colpe ne l'entrata ;
giudica e manda secondo ch' avvinghia.
009
Ich sage, wenn die schlechtgeborne Seele
Ihm vorkommt, beichtet sie der Sünden Last;
Und jener Kenner aller Menschenfehle,
Dico che quando l'anima mal nata
li vien dinanzi, tutta si confessa ;
e quel conoscitor de le peccata
012
Sieht, welcher Ort des Abgrunds für die paßt,
Und schickt sie soviel Grad' hinab zur Hölle,
Als oft er sich mit seinem Schweif umfaßt.
Vede qual loco d'inferno è da essa :
cignesi con la coda tante volte
quantunque gradi vuol che giú sia messa.
015
Von vielem Volk ist stets besetzt die Schwelle,
Und nach und nach kommt jeder zum Gericht,
Spricht, hört und eilt zu der bestimmten Stelle.
Sempre dinanzi a lui ne stanno molte :
vanno a vicenda ciascuna al giudizio ;
dicono e odono, e poi son giú volte.
018
"Du, der in diese Qualbehausung bricht,"
So rief mir Minos, als er mich ersehen,
Und ließ indes die Übung großer Pflicht;
« O tu che vieni al doloroso ospizio, »
disse Minòs a me quando mi vide,
lasciando l'atto di cotanto offizio,
021
"Schau', wem du traust! Leicht ist's hineinzugehen,
Doch täusche nicht dich ein verwegner Drang."
Mein Führer drauf: "Laß dir den Groll vergehen!
« Guarda com' entri e di cui tu ti fide :
non t'inganni l'ampiezza de l'entrare ! »
E 'l duca mio a lui : « Perché pur gride?
024
Nicht hindre den von Gott gebotnen Gang,
Dort will man's, wo das Können gleicht dem Wollen.
Nicht mehr gefragt, denn unser Weg ist lang."
Non impedir lo suo fatale andare :
vuolsi cosí colà dove si puote
ciò che si vuole, e piú non dimandare. »
027
Bald hört' ich nun, wie Jammertön' erschollen,
Denn ich gelangte nieder zu dem Haus,
Zur Klag' und dem Geheul der Unglückvollen.
Or incomincian le dolenti note
a farmisi sentire ; or son venuto
là dove molto pianto mi percuote.
030
Jedwedes Licht verstummt' im dunkeln Graus,
Das brüllte, wie wenn sich der Sturm erhoben,
Beim Kampf der Winde lautes Meergebraus.
Io venni in luogo d'ogni luce muto,
che mugghia come fa mar per tempesta,
se da contrari venti è combattuto.
033
Nie ruht der Höllenwirbelwind vom Toben
Und reißt zu ihrer Qual die Geister fort
Und dreht sie um nach unten und nach oben.
La bufera infernal, che mai non resta,
mena li spirti con la sua rapina :
voltando e percotendo li molesta.
036
Ihr Jammerschrei, Geheul und Klagewort,
Nah'n sie den trümmervollen Felsenklüften,
Verlästern fluchend Gottes Tugend dort.
Quando giungon davanti a la ruina,
quivi le strida, il compianto, il lamento ;
bestemmian quivi la virtú divina.
039
Daß Fleischessünder dies erdulden müßten,
Vernahm ich, die, verlockt vom Sinnentrug,
Einst unterwarfen die Vernunft den Lüsten.
Intesi ch' a cosí fatto tormento
ènno dannati i peccator carnali,
che la ragion sommettono al talento.
042
So wie zur Winterszeit mit irrem Flug
Ein dichtgedrängter breiter Troß von Staren,
So sah ich hier im Sturm der Sünder Zug
E come li stornei ne portan l'ali
nel freddo tempo, a schiera larga e piena,
cosí quel fiato li spiriti mali :
045
Hierhin und dort, hinauf', hinunterfahren,
Gestärkt von keiner Hoffnung, mindres Leid,
Geschweige jemals Ruhe zu erfahren.
Di qua, di là, di giú, di su li mena ;
nulla speranza li conforta mai,
non che di posa, ma di minor pena.
048
Wie Kraniche, zum Streifen lang gereiht
In hoher Luft die Klagelieder krächzen,
So sah ich von des Sturms Gewaltsamkeit
E come i gru van cantando lor lai,
faccendo in aere di sé lunga riga,
cosí vidi venir, traendo guai,
051
Die Schatten hergeweht mit bangem Ächzen.
"Wer sind die, Meister, welche her und hin
Der Sturmwind treibt, und die nach Ruhe lechzen?"
Ombre portate da la detta briga :
per ch' i' dissi : « Maestro, chi son quelle
genti che l'aura nera sí gastiga? »
054
So ich - und er: "Des Zuges Führerin,
Von welchem du gewünscht, Bericht zu hören,
War vieler Zungen große Kaiserin.
« La prima di color di cui novelle
tu vuo' saper, » mi disse quelli allotta,
« fu imperadrice di molte favelle.
057
Sie ließ von WoIlust also sich betören,
Daß sie für das Gelüst Gesetz' erfand.
Um nur der tiefen Schmach sich zu erwehren.
A vizio di lussuria fu sí rotta,
che libito fe' licito in sua legge
per tòrre il biasmo in che era condotta.
060
Sie ist Semiramis, wie allbekannt,
Nachfolgerin des Ninus, ihres Gatten,
Einst herrschend in des Sultans Stadt und Land.
Ell' è Semiramís, di cui si legge
che succedette a Nino e fu sua sposa ;
tenne la terra che 'l Soldan corregge.
063
Dann Sie, die, ungetreu Sichäus' Schatten,
Aus Liebe selber sich geweiht dem Tod"
Sieh dann Kleopatra im Flug ermatten."
L'altra è colei che s'ancise amorosa,
e ruppe fede al cener di Sicheo ;
poi è Cleopatràs lussuriosa.
066
Auch Helena, die Ursach' großer Not,
Im Sturme sah ich den Achill sich heben,
Der allem Trotz, nur nicht der Liebe, bot.
Elena vedi, per cui tanto reo
tempo si volse, e vedi il grande Achille,
che con amore al fine combatteo.
069
Den Paris sah ich dort, den Tristan schweben,
Und tausend andre zeigt' und nannt' er dann,
Die Liebe fortgejagt aus unserm Leben.
Vedi París, Tristano ; » e piú di mille
ombre mostrommi, e nominommi, a dito
ch' amor di nostra vita dipartille.
072
Lang hört' ich den Bericht des Lehrers an,
Von diesen Rittern und den Frau'n der Alten,
Voll Mitleid und voll Angst, bis ich begann:
Poscia ch' io ebbi il mio dottore udito
nomar le donne antiche e ' cavalieri,
pietà mi giunse, e fui quasi smarrito.
075
Mit diesen Zwei'n, die sich zusammenhalten,
Die, wie es scheint, so leicht im Sturme sind,
Möcht' ich, o Dichter, gern mich unterhalten.
I' cominciai : « Poeta, volontieri
parlerei a quei due che 'nsieme vanno,
e paion sí al vento esser leggieri. »
078
Und er darauf: "Gib Achtung, wenn der Wind
Sie näher führt, dann bei der Liebe flehe,
Die beide führt, da kommen sie geschwind."
Ed elli a me : « Vedrai quando saranno
piú presso a noi ; e tu allor li priega
per quello amor che i mena, ed ei verranno. »
081
Kaum waren sie geweht in unsre Nähe,
Als ich begann: Gequälte Geister, weilt,
Wenn's niemand wehrt, und sagt uns euer Wehe.
Sí tosto come il vento a noi li piega,
mossi la voce : « O anime affannate,
venite a noi parlar, s' altri nol niega ! »
084
Gleich wie ein Taubenpaar die Lüfte teilt,
Wenn's mit weitausgespreizten steten Schwingen
Zum süßen Nest herab voll Sehnsucht eilt;
Quali colombe dal disío chiamate,
con l'ali alzate e ferme al dolce nido
vegnon per l'aere dal voler portate ;
087
So sah ich sie dem Schwarme sich entringen,
Bewegt vom Ruf der heißen Ungeduld,
Und durch den Sturm sich zu uns niederschwingen.
Cotali uscir de la schiera ov'è Dido,
a noi venendo per l'aere maligno,
sí forte fu l'affettuoso grido.
090
"Du, der du uns besuchst voll Gut' und Huld
In purpurschwarzer Nacht, uns, die die Erde
Vordem mit Blut getüncht durch unsre Schuld,
« O animal grazioso e benigno
che visitando vai per l'aere perso
noi che tignemmo il mondo di sanguigno,
093
Gern bäten wir, daß Fried' und Ruh' dir werde,
War' uns der Fürst des Weltenalls geneigt,
Denn dich erbarmt der seltsamen Beschwerde.
Se fosse amico il re de l'universo,
noi pregheremmo lui de la tua pace,
poi c' hai pietà del nostro mal perverso.
096
Wie ihr zu Red' und Hören Lust bezeigt,
So reden wir, so leih'n wir euch die Ohren,
Wenn nur, wie eben jetzt, der Sturmwind schweigt.
Di quel che udire e che parlar vi piace,
noi udiremo e parleremo
mentre che 'l vento, come fa, ci tace.
099
Ich ward am Meerstrand in der Stadt geboren,
Wo Seinen Lauf der Po zur Ruhe lenkt,
Bald mit dem Flußgefolg im Meer verloren.
Siede la terra dove nata fui
su la marina dove 'l Po discende
per aver pace co' seguaci sui.
102
Die Liebe, die in edles Herz sich senkt,
Fing diesen durch den Leib, den Liebreiz schmückte,
Der mir geraubt ward, wie's noch jetzt mich kränkt.
Amor, ch' al cor gentil ratto s'apprende,
prese costui de la bella persona
che mi fu tolta ; e 'l modo ancor m'offende.
105
Die Liebe, die Geliebte stets berückte,
Ergriff für diesen mich mit solchem Brand,
Daß, wie du stehst, kein Leid ihn unterdrückte.
Amor, ch' a nullo amato amar perdona,
mi prese del costui piacer sí forte,
che, come vedi, ancor non m'abbandona.
108
Die Liebe hat uns in ein Grab gesandt -
Kaina harret des, der uns erschlagen."
Der Schatten sprach's, uns kläglich zugewandt.
Amor condusse noi ad una morte :
Caina attende chi a vita ci spense. »
Queste parole da lor ci fur' pòrte.
111
Vernehmend der bedrängten Seelen Klagen,
Neigt' ich mein Angesicht und stand gebückt.
Was denkst du? hört' ich drauf den Dichter fragen.
Quand' io intesi quell' anime offense,
chinai 'l viso, e tanto il tenni basso,
fin che 'l poeta mi disse : « Che pense? »
114
Weh, sprach ich, welche Glut, die sie durchzückt,
Welch süßes Sinnen, liebliches Begehren
Hat sie in dieses Qualenland entrückt?
Quando rispuosi, cominciai : « Oh lasso,
quanti dolci pensier, quanto disío
menò costoro al doloroso passo ! »
117
Drauf säumt' ich nicht, zu jener mich zu kehren.
"Franziska," So begann ich nun, "dein Leid
Drängt mir ins Auge fromme Mitleidszähren.
Poi mi rivolsi a loro e parla' io,
e cominciai : « Francesca, i tuoi martíri
a lacrimar mi fanno tristo e pio.
120
Doch sage mir: In süßer Seufzer Zeit,
Wodurch und wie verriet die Lieb' euch beiden
Den zweifelhaften Wunsch der Zärtlichkeit."
Ma dimmi : al tempo de' dolci sospiri,
a che e come concedette amore
che conosceste i dubbiosi desiri ? »
123
Und sie zu mir: Wer fühlt wohl größres Leiden
Als der, dem schöner Zeiten Bild erscheint
Im Mißgeschick? Dein Lehrer mag's entscheiden.
E quella a me : « Nessun maggior dolore
che ricordarsi del tempo felice
ne la miseria ; e ciò sa 'l tuo dottore.
126
Doch da dein Wunsch so warm und eifrig scheint,
Zu wissen, was hervor die Liebe brachte,
So will ich tun, wie wer da spricht und weint.
Ma s' a conoscer la prima radice
del nostro amor tu hai cotanto affetto,
dirò come colui che piange e dice.
129
Wir lasen einst, weil's beiden Kurzweil machte,
Von Lanzelot, wie ihn die Lieb' umschlang.
Wir waren einsam, ferne von Verdachte.
Noi leggiavamo un giorno per diletto
di Lancialotto come amor lo strinse :
soli eravamo e sanza alcun sospetto.
132
Das Buch regt' in uns auf des Herzens Drang,
Trieb unsre Blick' und macht' uns oft erblassen,
Doch eine Stelle war's, die uns bezwang,
Per piú fiate li occhi ci sospinse
quella lettura, e scolorocci il viso ;
ma solo un punto fu quel che ci vinse.
135
Als das ersehnte Lächeln küssen lassen,
Der, so dies schrieb, vom Buhlen schön und hehr.
Da naht' er, der mich nimmer wird verlassen,
Quando leggemmo il disiato riso
esser baciato da cotanto amante,
questi, che mai da me non fia diviso,
138
da küßte zitternd meinen Mund auch er -
Galeotto war das Buch, und der's verfaßte -
An jenem Tage lasen wir nicht mehr.
La bocca mi baciò tutto tremante.
Galeotto fu il libro e chi lo scrisse :
quel giorno piú non vi leggemmo avante. »
141
Der eine Schatten sprach's, der andre faßte
Sich kaum vor Weinen, und mir schwand der Sinn
Vor Mitleid, daß ich wie im Tod erblaßte,
Mentre che l'uno spirto questo disse,
l'altro piangea sí, che di pietade
io venni men cosí com' io morisse ;
144
Und wie ein Leichnam hinfällt, fiel ich hin.
E caddi come corpo morto cade.

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