003
Beim Abschiednehmen nach den Würfelspiele
Bleibt der zurück wohl, der verlor, voll Leid,
Und probt zum Lernen Würfe aus. Doch viele
Quando si parte il gioco de la zara,
colui che perde si riman dolente,
repetendo le volte, e tristo impara;
006
Dem andern aber geben das Geleit,
Der will ihn vorn, der will ihn hinten fassen,
Der von der Seite mahnt an früh're Zeit.
con l'altro se ne va tutta la gente;
qual va dinanzi, e qual di dietro il prende,
e qual dallato li si reca a mente;
009
Er aber geht und hat sie reden lassen. -
Der drängt nicht mehr, dem er die Hand gedrückt,
So wehrt er sich des Andrangs jener Massen.
el non s'arresta, e questo e quello intende;
a cui porge la man, più non fa pressa;
e così da la calca si difende.
012
Auch mir ist's so, mich zu befrei'n, geglückt.
Versprechend nährte ich der Hoffnung Funken,
Bis so dem dichten Haufen ich entrückt.
Tal era io in quella turba spessa,
volgendo a loro, e qua e là, la faccia,
e promettendo mi sciogliea da essa.
015
Dort war der Aretiner, der gesunken
Im Kampf durch Ghin de Taccos starke Hand,
Und er, der scharf verfolgend einst ertrunken.
Quiv'era l'Aretin che da le braccia
fiere di Ghin di Tacco ebbe la morte,
e l'altro ch'annegò correndo in caccia.
018
Mit hoch erhob'nen Händen betend stand
Novello dort und des Pisaners Seele,
Durch den Marzuccos Großmut ward erkannt.
Quivi pregava con le mani sporte
Federigo Novello, e quel da Pisa
che fé parer lo buon Marzucco forte.
021
Ich sah des Grafen Orso Schattenseele,
Die einst vom Leib getrennt der Haß und Neid,
Wie er gesagt, und nicht begang'ne Fehle,
Vidi conte Orso e l'anima divisa
dal corpo suo per astio e per inveggia,
com'e' dicea, non per colpa commisa;
024
Pier dalla Broccia, mein' ich. So's noch Zeit,
Mög' die Brabanterin die Seele wahren,
Daß künftig sie nicht treffe schlimm'res Leid.
Pier da la Broccia dico; e qui proveggia,
mentr'è di qua, la donna di Brabante,
sì che però non sia di peggior greggia.
027
Als ich mich nun befreit von diesen Scharen,
Die mich Fürbitten heischend flehten an,
Damit sie schneller hier ihr Heil erfahren,
Come libero fui da tutte quante
quell'ombre che pregar pur ch'altri prieghi,
sì che s'avacci lor divenir sante,
030
Sprach ich: »Mein Licht, denkst du nicht mehr daran,
Daß du bezeugt, daß keines Wesens Flehen
Des Himmels Ratschluß jemals beugen kann?
io cominciai: "El par che tu mi nieghi,
o luce mia, espresso in alcun testo
che decreto del cielo orazion pieghi;
033
Wenn diese doch ihr Heil darin ersehen,
Ist ihr Begehren dann der Hoffnung bar?
Sag', oder konnt' ich dich nicht recht verstehen?«
e questa gente prega pur di questo:
sarebbe dunque loro speme vana,
o non m'è 'l detto tuo ben manifesto?".
036
Zur Antwort gab er: »Meine Schrift ist klar,
Sie aber dürfen wohl ein Hoffen sehen,
Prüft man gesunden Sinn's, was falsch, was wahr.
Ed elli a me: "La mia scrittura è piana;
e la speranza di costor non falla,
se ben si guarda con la mente sana;
039
Bleibt doch der höchste Spruch zu Recht bestehen,
Wenn heißer Liebe das im Nu gerät,
Wofür sonst hier Genüge muß geschehen.
ché cima di giudicio non s'avvalla
perché foco d'amor compia in un punto
ciò che de' sodisfar chi qui s'astalla;
042
Da, wo der Satz in meinen Schriften steht,
Ward nicht gesühnt durch Bitten ein Vergehen,
Weil dort von Gott nichts wußte das Gebet.
e là dov'io fermai cotesto punto,
non s'ammendava, per pregar, difetto,
perché 'l priego da Dio era disgiunto.
045
Bleib' nicht bei solchen schweren Zweifeln stehen,
Sagt sie dir's nicht und läßt sie dich das Licht
Nicht zwischen Wahrheit und Verständnis sehen.
Veramente a così alto sospetto
non ti fermar, se quella nol ti dice
che lume fia tra 'l vero e lo 'ntelletto.
048
Ich weiß nicht, ob dir klar mein Wort, es spricht
Von Beatrice. Sie wird sich dir zeigen
Am Gipfel lächelnd, glückbeseelt.« »Zur Pflicht
Non so se 'ntendi: io dico di Beatrice;
tu la vedrai di sopra, in su la vetta
di questo monte, ridere e felice".
051
Wird's, Meister,« sprach ich, »schneller jetzt zu steigen,
Schon wird des Klimmens Mühe wen'ger schwer
Und tiefer sich des Berges Schatten neigen.«
E io: "Segnore, andiamo a maggior fretta,
ché già non m'affatico come dianzi,
e vedi omai che 'l poggio l'ombra getta".
054
»So weit wir können, geh'n wir heut'«, sprach er,
»Doch wird die Sache anders sich gestalten,
Als wie du denkst. Die Sonne wird noch eh'r
"Noi anderem con questo giorno innanzi",
rispuose, "quanto più potremo omai;
ma 'l fatto è d'altra forma che non stanzi.
057
Als bis wir droben, neu ihr Licht entfalten,
Die jetzt am Hang sich birgt zum Untergeh'n,
Daß sich an dir die Strahlen nicht mehr spalten.
Prima che sie là sù, tornar vedrai
colui che già si cuopre de la costa,
sì che ' suoi raggi tu romper non fai.
060
Doch sieh', uns anschau'nd, eine Seele steh'n,
Einsam, vereinsamt und, wenn ich nicht fehle,
Ist sie zum Führer uns des Weg's erseh'n.«
Ma vedi là un'anima che, posta
sola soletta, inverso noi riguarda:
quella ne 'nsegnerà la via più tosta".
063
Wir gingen zu ihr: Oh, Lombardenseele,
Wie standest stolz du und verachtend dort,
Im Auge Würde und im Blick Befehle!
Venimmo a lei: o anima lombarda,
come ti stavi altera e disdegnosa
e nel mover de li occhi onesta e tarda!
066
Aus ihren stummen Lippen drang kein Wort
Sie ließ uns zieh'n, nur ihre Blicke lagen
Auf uns wie eines Leu'n. Doch meinen Hort
Ella non ci dicëa alcuna cosa,
ma lasciavane gir, solo sguardando
a guisa di leon quando si posa.
069
Sah ich an sie sich dennoch bittend wagen,
Auf daß sie zeige uns mit sichrer Hand
Den rechten Weg. Sie schwieg auf alle Fragen
Pur Virgilio si trasse a lei, pregando
che ne mostrasse la miglior salita;
e quella non rispuose al suo dimando,
072
Und forschte nur nach uns und uns'rem Land.
Da sprach der Führer uns'rer Wanderungen:
»Aus Mantua« - und jener Geist entwand
ma di nostro paese e de la vita
ci 'nchiese; e 'l dolce duca incominciava
"Mantüa ...", e l'ombra, tutta in sé romita,
075
Sich der Versunkenheit. Schnell aufgesprungen
Rief er: »Aus Mantua! Ich bin Sordell,
Dein Landsmann!« Und sie hielten sich umschlungen. -
surse ver' lui del loco ove pria stava,
dicendo: "O Mantoano, io son Sordello
de la tua terra!"; e l'un l'altro abbracciava.
078
Italien, Sklavin, aller Schmerzen Quell,
Fahrzeug im Sturme, ohne Mann am Steuer,
Nicht Herrin deiner Gau'n, nein, ein Bordell! -
Ahi serva Italia, di dolore ostello,
nave sanza nocchiere in gran tempesta,
non donna di provincie, ma bordello!
081
Wie hat die edle Seele gleich mit Feuer,
Als nur ein Ton erklang vom Vaterland,
Ihn froh begrüßt, der ihr als Landsmann teuer.
Quell'anima gentil fu così presta,
sol per lo dolce suon de la sua terra,
di fare al cittadin suo quivi festa;
084
Wo ist den deinen heut kein Streit entbrannt!
Im Kampf stehn selbst - ein jeder gegen jeden -
Die eine Mauer undein Graben bannt.
e ora in te non stanno sanza guerra
li vivi tuoi, e l'un l'altro si rode
di quei ch'un muro e una fossa serra.
087
Elende, suche rings an deinen Reeden,
An allen Meeren, blicke unentwegt
Ins inn're Land, sag', wo sind keine Fehden?
Cerca, misera, intorno da le prode
le tue marine, e poi ti guarda in seno,
s'alcuna parte in te di pace gode.
090
Was nützt es, daß den Zügel angelegt
Dir Justinian, wenn leer der Sattel blieben?
Gäb's kein Gesetz, hätt's wen'ger Schmach erregt.
Che val perché ti racconciasse il freno
Iustinïano, se la sella è vòta?
Sanz'esso fora la vergogna meno.
093
O Volk, du solltest Unterwerfung lieben,
Daß sich ein Cäsar schwinge auf sein Pferd,
Verständ'st du recht, was Gott dir vorgeschrieben.
Ahi gente che dovresti esser devota,
e lasciar seder Cesare in la sella,
se bene intendi ciò che Dio ti nota,
096
Sieh', wie das Tier sich jetzt unbändig wehrt,
Da du es nicht gemeistert mit den Sporen,
Nachdem den Zaum zu tragen du's gelehrt.
guarda come esta fiera è fatta fella
per non esser corretta da li sproni,
poi che ponesti mano a la predella.
099
O deutscher Albrecht, was gabst du verloren
Dies jetzt so wild und ungebärd'ge Tier,
Statt daß du seinen Bug zum Sitz erkoren.
O Alberto tedesco ch'abbandoni
costei ch'è fatta indomita e selvaggia,
e dovresti inforcar li suoi arcioni,
102
Gerecht Gericht fall' aus den Sternen dir
Auf dein Geschlecht, das spricht so neu als offen,
Daß sich dein Erbe fürchten muß, doch ihr,
giusto giudicio da le stelle caggia
sovra 'l tuo sangue, e sia novo e aperto,
tal che 'l tuo successor temenza n'aggia!
105
Du und dein Vater, was habt ihr das Hoffen
Getäuscht durch Gier nach fremdem Land und Lehn,
Daß wüst des Reiches Garten angetroffen?
Ch'avete tu e 'l tuo padre sofferto,
per cupidigia di costà distretti,
che 'l giardin de lo 'mperio sia diserto.
108
Montechi, Cappelletti mögst du seh'n,
Monaldi, Philippeschi, Jämmerlicher,
Die hier in Trauer, dort in Schrecken steh'n.
Vieni a veder Montecchi e Cappelletti,
Monaldi e Filippeschi, uom sanza cura:
color già tristi, e questi con sospetti!
111
Komm sieh', wie deine Edlen, Fürchterlicher,
Bedrückt sind, aber heile, was sie plagt,
Und Santafiore, glaube, bleibt dir sicher.
Vien, crudel, vieni, e vedi la pressura
d'i tuoi gentili, e cura lor magagne;
e vedrai Santafior com'è oscura!
114
Komm, daß du siehst, wie sich dein Rom beklagt,
Einsam und Witwe, Tag und Nacht mit Stöhnen
Es flehentlich nach seinem Cäsar fragt.
Vieni a veder la tua Roma che piagne
vedova e sola, e dì e notte chiama:
"Cesare mio, perché non m'accompagne?".
117
Sieh, wie dein Volk sich liebt! Treibt, zu versöhnen,
Dich Mitleid nicht, dein Ruf, wie jeder glaubt,
Gestattet's nicht, der Scham dich zu entwöhnen.
Vieni a veder la gente quanto s'ama!
e se nulla di noi pietà ti move,
a vergognar ti vien de la tua fama.
120
O höchster Gott, ist mir ein Wort erlaubt
An dich, der du für uns ans Kreuz geschlagen:
Sind deines Richterblickes wir beraubt?
E se licito m'è, o sommo Giove
che fosti in terra per noi crucifisso,
son li giusti occhi tuoi rivolti altrove?
123
Sag', oder hast du Sorge schon getragen
Aus deines Rates Tiefen für Arznei,
Seh'n wir dies Heil auch noch zurzeit nicht tagen!
O è preparazion che ne l'abisso
del tuo consiglio fai per alcun bene
in tutto de l'accorger nostro scisso?
126
Italiens Gau'n sind voll von Tyrannei,
Und ein Marcellus ist dem Land beschieden
In jedem Bauern, der ergreift Partei.
Ché le città d'Italia tutte piene
son di tiranni, e un Marcel diventa
ogne villan che parteggiando viene.
129
O mein Florenz, sei mit dir selbst zufrieden,
Daß dieser Abweg heut dich nicht berührt,
Dank deinem Volk, das dies bisher vermieden.
Fiorenza mia, ben puoi esser contenta
di questa digression che non ti tocca,
mercé del popol tuo che si argomenta.
132
Gerechtigkeit wohl viele Herzen rührt,
Die aber säumt zu spannen ihren Bogen,
Indes das Volk sie auf der Zunge führt.
Molti han giustizia in cuore, e tardi scocca
per non venir sanza consiglio a l'arco;
ma il popol tuo l' ha in sommo de la bocca.
135
Der Ämter haben viele sich entzogen,
Ich aber nehm' es auf mich, ruft der Mund
- Unaufgefordert - deiner Demagogen.
Molti rifiutan lo comune incarco;
ma il popol tuo solicito risponde
sanza chiamare, e grida: "I' mi sobbarco!".
138
So freue dich, denn dazu hast du Grund,
Du Güter-, Frieden- und Verständnisreiche,
Sprech' ich jetzt wahr, so tut's die Wirkung kund.
Or ti fa lieta, ché tu hai ben onde:
tu ricca, tu con pace e tu con senno!
S'io dico 'l ver, l'effetto nol nasconde.
141
Athen und Lacedämon, die dem Reiche
Einst die Gesetze gaben, hatten acht
Der Sitte, doch wenn ich's mit dir vergleiche,
Atene e Lacedemona, che fenno
l'antiche leggi e furon sì civili,
fecero al viver bene un picciol cenno
144
Ward für des Lebens Notdurft nicht vollbracht.
Schon im November brach das meiste nieder,
Was im Oktober sich dein Rat erdacht.
verso di te, che fai tanto sottili
provedimenti, ch'a mezzo novembre
non giugne quel che tu d'ottobre fili.
147
Wie oft schon tat man, seit ich denke, wieder
Gesetze, Münzen, Ämter, Brauch in Bann,
Und deine Bürgerschaft sah neue Glieder.
Quante volte, del tempo che rimembre,
legge, moneta, officio e costume
hai tu mutato, e rinovate membre!
150
Bedenkst du recht und wird es licht dir dann,
So wirst du seh'n, du gleichest einem Kranken,
Der, weil er Ruh' im Pfühl nicht finden kann,
E se ben ti ricordi e vedi lume,
vedrai te somigliante a quella inferma
che non può trovar posa in su le piume,
153
Den Schmerz betäubt durch Auf- und Niederwanken.
ma con dar volta suo dolore scherma.

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