003
Vexilla regis prodeunt inferni
Adversum nos. »Schau vor dich,« sprach Virgil,
»Ob du ihn siehst, der aus des Eises Kern nie
"Vexilla regis prodeunt inferni
verso di noi; però dinanzi mira",
disse 'l maestro mio, "se tu 'l discerni".
006
Entweicht. Sei's, daß ein schwerer Nebel fiel,
Sei's, daß es nachtet, und im Windeswehen
Von fern sich zeiget einer Mühle Spiel.
Come quando una grossa nebbia spira,
o quando l'emisperio nostro annotta,
par di lungi un molin che 'l vento gira,
009
So wähnt' ich ein Gebäude jetzt zu sehen.
Und da ich keinen andern Schutz besaß,
Ließ ich im Wind den Führer vor mir stehen.
veder mi parve un tal dificio allotta;
poi per lo vento mi ristrinsi retro
al duca mio, ché non lì era altra grotta.
012
Und schon (in Furcht bring' ich's in Reim und Maß),
Sah ich hier Schatten aus dem Eise scheinen
Wie einen Splitter, der sich zeigt im Glas.
Già era, e con paura il metto in metro,
là dove l'ombre tutte eran coperte,
e trasparien come festuca in vetro.
015
Aufrecht und liegend, auf dem Kopf die einen,
Und auf den Sohlen andre wir dort sahn,
Noch andre krumm, mit eingezog'nen Beinen.
Altre sono a giacere; altre stanno erte,
quella col capo e quella con le piante;
altra, com'arco, il volto a' piè rinverte.
018
Als wir dann weiter schritten und uns nahn,
Gefiel dem Meister es, daß er mich führet
Zu ihm, der einst mit Schönheit angetan.
Quando noi fummo fatti tanto avante,
ch'al mio maestro piacque di mostrarmi
la creatura ch'ebbe il bel sembiante,
021
»Steh still,« sprach er, indem er mich berühret,
»Der dort ist Satanas! Hier ist der Ort,
Wo sich, mit Mut zu wappnen, dir gebühret.«
d'innanzi mi si tolse e fé restarmi,
"Ecco Dite", dicendo, "ed ecco il loco
ove convien che di fortezza t'armi".
024
Wie mir da ward, erstarrt, der Atem fort,
Frag' Leser nicht, da ich es nicht geschrieben,
Denn hier versagt die Feder und das Wort.
Com'io divenni allor gelato e fioco,
nol dimandar, lettor, ch'i' non lo scrivo,
però ch'ogne parlar sarebbe poco.
027
Ich bin dem Tod, dem Leben nicht verblieben.
Begreife, was ich, beider bar, empfand,
Wenn jemals Geistesblüten du getrieben.
Io non mori' e non rimasi vivo;
pensa oggimai per te, s' hai fior d'ingegno,
qual io divenni, d'uno e d'altro privo.
030
Im Eis des Schmerzensreiches Herrscher stand
Bis an die Brust. Eh' könnte noch erreichen
Mein Wuchs Giganten, als daß ein Gigant
Lo 'mperador del doloroso regno
da mezzo 'l petto uscia fuor de la ghiaccia;
e più con un gigante io mi convegno,
033
Sich seines Armes Länge könnt' vergleichen.
Wie groß das Ganze seien muß, erhellt,
Wenn es dem Teil entspricht, dies Maß als Zeichen.
che i giganti non fan con le sue braccia:
vedi oggimai quant'esser dee quel tutto
ch'a così fatta parte si confaccia.
036
War er so schön einst, wie er jetzt entstellt,
Der gegen seinen Schöpfer hob die Brauen,
Muß von ihm ausgehn alles Weh der Welt.
S'el fu sì bel com'elli è ora brutto,
e contra 'l suo fattore alzò le ciglia,
ben dee da lui procedere ogne lutto.
039
Auf seinem Haupt (ein Wunder war's zu schauen,)
Sah drei Gesichter ich, blutrot erscheint
Das vordere, die beiden andern bauen
Oh quanto parve a me gran maraviglia
quand'io vidi tre facce a la sua testa!
L'una dinanzi, e quella era vermiglia;
042
Sich auf der Schultern Mitte auf, vereint
Am Scheitel treffen alle dann zusammen,
Zu einem einz'gen Kopfe dort geeint.
l'altr'eran due, che s'aggiugnieno a questa
sovresso 'l mezzo di ciascuna spalla,
e sé giugnieno al loco de la cresta:
045
Der Rechte strahlt in gelblich weißen Flammen,
Des Linken dunkle Farbe scheint gekürt
Von Schwarzen, die vom Nielgebiete stammen.
e la destra parea tra bianca e gialla;
la sinistra a vedere era tal, quali
vegnon di là onde 'l Nilo s'avvalla.
048
Drei große Flügelpaare, wie's gebührt
Solch einem Vogel, sind ihm angegliedert,
Kein Schiff im Meer so große Segel führt.
Sotto ciascuna uscivan due grand'ali,
quanto si convenia a tanto uccello:
vele di mar non vid'io mai cotali.
051
Die Fledermaus schwingt solche, ungefiedert.
Drei kalte Winde wehn, wenn er sie schlägt,
Erstarrung diesen eis'gen Gruß erwidert,
Non avean penne, ma di vispistrello
era lor modo; e quelle svolazzava,
sì che tre venti si movean da ello:
054
Der den Cocytus fest in Banden legt.
Sechs Augen weinten, und es flossen Tränen
Von Blut und Geifer. Jeder Mund sich regt,
quindi Cocito tutto s'aggelava.
Con sei occhi piangëa, e per tre menti
gocciava 'l pianto e sanguinosa bava.
057
Wie eine Breche bricht. Mit scharfen Zähnen
Zermalmt er einen Sünder. Dreien flößt
Er Qualen ein, weit über Menschenwähnen.
Da ogne bocca dirompea co' denti
un peccatore, a guisa di maciulla,
sì che tre ne facea così dolenti.
060
Der vorn fühlt kaum den Zahn, der ihn zerstößt,
Denn von den Krallen wird er so zerschunden,
Daß sich die Haut von seinem Rücken löst.
A quel dinanzi il mordere era nulla
verso 'l graffiar, che talvolta la schiena
rimanea de la pelle tutta brulla.
063
»Die Seele, der die größte Pein erfunden,
Judas Ischariot ist's,« mein Meister sprach,
»Sein Bein hängt frei, sein Kopf im Schlund gebunden.
"Quell'anima là sù c' ha maggior pena",
disse 'l maestro, "è Giuda Scarïotto,
che 'l capo ha dentro e fuor le gambe mena.
066
Den Kopf unten, Brutus folgt darnach,
Sieh, aus dem schwarzen Rachen hangt er nieder,
Wie er sich windet, sieh, in stummer Schmach.
De li altri due c' hanno il capo di sotto,
quel che pende dal nero ceffo è Bruto:
vedi come si storce, e non fa motto!;
069
Cassius, zuletzt, der zeigt so starke Glieder.
Du sah'st, was hier zu seh'n, doch unser Ziel
Drängt uns zum Aufbruch, denn die Nacht kommt wieder.
e l'altro è Cassio, che par sì membruto.
Ma la notte risurge, e oramai
è da partir, ché tutto avem veduto".
072
Den Hals umschlang ich ihm, wie's ihm gefiel,
Und da er Zeit und Ort zu wählen wußte,
Griff, als die Flügel offen, schnell Virgil
Com'a lui piacque, il collo li avvinghiai;
ed el prese di tempo e loco poste,
e quando l'ali fuoro aperte assai,
075
Der Rippen Zotteln, die er fassen mußte,
Um dran von Flies zu Flies hinabzugeh'n
Dicht zwischen Fell und der gefrorenen Kruste.
appigliò sé a le vellute coste;
di vello in vello giù discese poscia
tra 'l folto pelo e le gelate croste.
078
Dort angelangt, wo sich die Schenkel drehn
Am stärksten Teil der Hüfte, sein Gebahren
Furcht und Ermüdung wies. Ich konnte seh'n
Quando noi fummo là dove la coscia
si volge, a punto in sul grosso de l'anche,
lo duca, con fatica e con angoscia,
081
Den Kopf, wo erst die Füße. An den Haaren
Stieg er hinan, so schien's. Ich glaubte schier,
Ich sollte wieder in die Hölle fahren.
volse la testa ov'elli avea le zanche,
e aggrappossi al pel com'om che sale,
sì che 'n inferno i' credea tornar anche.
084
»Halt dich an mich,« sprach keuchend da zu mir
Mein Meister. »Aus der Hölle Dunkelheiten
Entfliehn wir nur auf dieser Stege hier.«
"Attienti ben, ché per cotali scale",
disse 'l maestro, ansando com'uom lasso,
"conviensi dipartir da tanto male".
087
Und als wir aus dem Felsentore schreiten,
Setzt mich mein Führer nieder an den Rand
Und bleibt mit sicherm Tritt an meiner Seiten.
Poi uscì fuor per lo fóro d'un sasso
e puose me in su l'orlo a sedere;
appresso porse a me l'accorto passo.
090
Ich hob den Blick, zu Luzifer gewandt,
Wie ich ihn ließ, so glaubt' ich ihn zu sehen,
Doch sah ich, daß sein Bein nach oben stand.
Io levai li occhi e credetti vedere
Lucifero com'io l'avea lasciato,
e vidili le gambe in sù tenere;
093
Daß ich verwirrt, der Pöbel wird's verstehn,
Der nicht begreift, daß wir den Punkt durchquert,
Von dem wir aufwärts und nicht abwärts gehn.
e s'io divenni allora travagliato,
la gente grossa il pensi, che non vede
qual è quel punto ch'io avea passato.
096
»Steh auf und komm!« mein Meister mich belehrt,
»Der Weg ist lang, die Pfade ungerichtet,
Die Sonne schon zur halben Terze kehrt.
"Lèvati sù", disse 'l maestro, "in piede:
la via è lunga e 'l cammino è malvagio,
e già il sole a mezza terza riede".
099
Nicht wie in Schlössern ist der Grund geschlichtet,
Nein, die Naturschlucht die wir hier durchziehn,
Hat rauhen Boden und ist schlecht belichtet.«
Non era camminata di palagio
là 'v'eravam, ma natural burella
ch'avea mal suolo e di lume disagio.
102
»Doch eh' wir diesem Abgrund jetzt entfliehn,«
Sprach ich zum Meister, als ich mich erhoben,
Sag', um aus einem Irrtum mich zu ziehn,
"Prima ch'io de l'abisso mi divella,
maestro mio", diss'io quando fui dritto,
"a trarmi d'erro un poco mi favella:
105
Wo ist das Eis? Wie steht zu unterst oben
Er auf dem Kopf? Wie ward von Tag zur Nacht
Der Sonne Lauf so schnell vollendet droben?«
ov'è la ghiaccia? e questi com'è fitto
sì sottosopra? e come, in sì poc'ora,
da sera a mane ha fatto il sol tragitto?".
108
Und er: »Hast du dich jenseits noch gedacht
Des Punkts, wo abwärts an dem Fell wir schritten
Des Untiers, das durchbohrt der Welten Schacht?
Ed elli a me: "Tu imagini ancora
d'esser di là dal centro, ov'io mi presi
al pel del vermo reo che 'l mondo fóra.
111
Jenseits warst du, so lang' wir niederglitten.
Als ich gedreht, verließt du die Region,
Die alle Schwere zieht nach ihrer Mitten.
Di là fosti cotanto quant'io scesi;
quand'io mi volsi, tu passasti 'l punto
al qual si traggon d'ogne parte i pesi.
114
Du bist auf jener andern Hälfte schon
Der Kugel, abgekehrt den trocknen Gründen,
Auf denen hinstarb einst des Menschen Sohn,
E se' or sotto l'emisperio giunto
ch'è contraposto a quel che la gran secca
coverchia, e sotto 'l cui colmo consunto
117
Empfangen unbefleckt und frei von Sünden.
Es ist ein kleiner Kreis, auf dem du bist.
Der Gegenpol zu der Judecca Schlünden.
fu l'uom che nacque e visse sanza pecca;
tu haï i piedi in su picciola spera
che l'altra faccia fa de la Giudecca.
120
Hier ist es Morgen, wenn's dort Abend ist.
Er, der uns Treppe war mit seinen Haaren,
Steht, wie er stets gestanden, noch zur Frist.
Qui è da man, quando di là è sera;
e questi, che ne fé scala col pelo,
fitto è ancora sì come prim'era.
123
Vom Himmel ist er hier herabgefahren,
Land, das einst'ge, sich in das Meer verlor.
Aus Furcht vor ihm, um seiner sich zu wahren,
Da questa parte cadde giù dal cielo;
e la terra, che pria di qua si sporse,
per paura di lui fé del mar velo,
126
Und trat auf unserer Erdenhälfte vor.
Vielleicht um ihn zu fliehn, ließ sich's bewegen
Zu dieser Flucht, doch jenseizs stieg's empor.
e venne a l'emisperio nostro; e forse
per fuggir lui lasciò qui loco vòto
quella ch'appar di qua, e sù ricorse".
129
Dort ist ein Ort, vom Belzebub gelegen
So weit, als wie sich tief die Gruft erschließt.
Man sieht ihn nicht, doch hört man dort sich regen
Luogo è là giù da Belzebù remoto
tanto quanto la tomba si distende,
che non per vista, ma per suono è noto
132
Ein Bächlein, das aus einem Felsen fließt,
Den es durchhöhlt. Das hat sich dann gewunden
Durch das Gestein, wo's langsam sich ergießt.
d'un ruscelletto che quivi discende
per la buca d'un sasso, ch'elli ha roso,
col corso ch'elli avvolge, e poco pende.
135
Hier haben wir den dunklen Pfad gefunden
Und sind zurück zur hellen Welt gewallt,
Erst er, dann ich; so stiegen wir verbunden
Lo duca e io per quel cammino ascoso
intrammo a ritornar nel chiaro mondo;
e sanza cura aver d'alcun riposo,
138
Hinan, hinauf und ohne Aufenthalt,
Bis ich erblickte an des Himmels Ferne
Das schönste Bild durch einen runden Spalt.
salimmo sù, el primo e io secondo,
tanto ch'i' vidi de le cose belle
che porta 'l ciel, per un pertugio tondo.
141
Wir traten vor, und sahen wieder Sterne.
E quindi uscimmo a riveder le stelle.

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