003
Entzückt von seiner Wonne nahm der Hehre
Das Lehramt auf sich, willig, unverweilt,
Und so begann er nun die heil'ge Lehre:
Affetto al suo piacer, quel contemplante
libero officio di dottore assunse,
e cominciò queste parole sante:
006
»Die Wunde, die Maria hat geheilt,
Von jenem Weibe wurde sie geschlagen,
Das jetzt so schön zu ihren Füßen weilt.
«La piaga che Maria richiuse e unse,
quella ch'è tanto bella da' suoi piedi
è colei che l'aperse e che la punse.
009
Im Kreise, wo die dritten Sitze ragen,
Sitzt Rahel, und zu ihrer Rechten sieh
Beatrix, die so hoch dich hat getragen.
Ne l'ordine che fanno i terzi sedi,
siede Rachel di sotto da costei
con Bëatrice, sì come tu vedi.
012
Sara, Rebekka, Judith dann und sie,
Des Sängers Ahnfrau, der, sein schwer Vergehen
Beweinend, miserere mei schrie,
Sarra e Rebecca, Iudìt e colei
che fu bisava al cantor che per doglia
del fallo disse 'Miserere mei',
015
Kannst du von Kreis zu Kreis sich folgen sehen,
Wenn so, wie ich die Namen nenne, wir
Die Ros' abwärts von Blatt zu Blatte gehen.
puoi tu veder così di soglia in soglia
giù digradar, com' io ch'a proprio nome
vo per la rosa giù di foglia in foglia.
018
Unter der siebenten und über ihr
Folgen einander nur Hebräerfrauen,
Die Rose teilend rechts und links von dir.
E dal settimo grado in giù, sì come
infino ad esso, succedono Ebree,
dirimendo del fior tutte le chiome;
021
Denn je nachdem der Glaub' an Christ im Schauen
Gerichtet war, so trennen sie als Wand
Die heil'gen Stufen, die empor sich bauen:
perché, secondo lo sguardo che fée
la fede in Cristo, queste sono il muro
a che si parton le sacre scalee.
024
Dort, wo die Blume reif ist bis zum Rand
Mit allen Blättern, sitzen jene Scharen,
Die Christum als den kommenden erkannt;
Da questa parte onde 'l fiore è maturo
di tutte le sue foglie, sono assisi
quei che credettero in Cristo venturo;
027
Hier, wo wir manche Lücken noch gewahren
Im Halbkreis, stellen jene sich zur Schau,
Die dem gekommnen zugewendet waren.
da l'altra parte onde sono intercisi
di vòti i semicirculi, si stanno
quei ch'a Cristo venuto ebber li visi.
030
Und wie die Bank der hochgelobten Frau
Mit diesen Bänken bis herab zum Grunde
Diesseits die Grenze zieht im halben Bau,
E come quinci il glorïoso scanno
de la donna del cielo e li altri scanni
di sotto lui cotanta cerna fanno,
033
So dort Johannes, welcher Wüst' und Wunde
Des Märtyrtums erlitten, heilig ganz,
Und dann zwei Jahre blieb im Höllenschlunde.
così di contra quel del gran Giovanni,
che sempre santo 'l diserto e 'l martiro
sofferse, e poi l'inferno da due anni;
036
Und unter ihm trennt Benedikt, trennt Franz,
Trennt Augustin und mancher noch den vollen
Von dem noch nicht erfüllten Blätterkranz.
e sotto lui così cerner sortiro
Francesco, Benedetto e Augustino
e altri fin qua giù di giro in giro.
039
Erkenne jetzt der Gottheit hohes Wollen,
Daß beide Arten schau'nder Gläubigkeit
Den Garten hier gleichmäßig füllen sollen,
Or mira l'alto proveder divino:
ché l'uno e l'altro aspetto de la fede
igualmente empierà questo giardino.
042
Und wisse, daß die Sitze weit und breit
Der untren Hälfte beider Sonderungen
Fremdes Verdienst, nicht eigenes verleiht,
E sappi che dal grado in giù che fiede
a mezzo il tratto le due discrezioni,
per nullo proprio merito si siede,
045
Nach festen Regeln und Voraussetzungen;
Denn diese Geister sind der Erd' entflohn,
Eh' sie zur wahren Wahl noch vorgedrungen,
ma per l'altrui, con certe condizioni:
ché tutti questi son spiriti asciolti
prima ch'avesser vere elezïoni.
048
Das merkst du leicht an den Gesichtern schon,
Wenn du dich recht umschaust in ihrem Reigen,
Und auch an ihrer Kinderstimmen Ton.
Ben te ne puoi accorger per li volti
e anche per le voci püerili,
se tu li guardi bene e se li ascolti.
051
Jetzt seh' ich zweifeln dich und zweifelnd schweigen,
Ich aber räume dir den Stein beiseit',
Den dein Verstand und Witz nicht übersteigen.
Or dubbi tu e dubitando sili;
ma io discioglierò 'l forte legame
in che ti stringon li pensier sottili.
054
Unmöglich wär' es, daß Zufälligkeit
In dieses weite Reich Einlaß erringe,
Wie auch kein Hunger, Durst und andres Leid;
Dentro a l'ampiezza di questo reame
casüal punto non puote aver sito,
se non come tristizia o sete o fame:
057
Durch ewiges Gesetz sind alle Dinge
Hier festgestellt, und richtig und gerecht
Gibt man das Maß des Fingers jedem Ringe.
ché per etterna legge è stabilito
quantunque vedi, sì che giustamente
ci si risponde da l'anello al dito;
060
Drum hat dies schnellbeförderte Geschlecht
Nicht ohne Ursach hier im wahren Leben
Verschiedne Trefflichkeit, verschiednes Recht.
e però questa festinata gente
a vera vita non è sine causa
intra sé qui più e meno eccellente.
063
Der König, der dies Reich in Wonne schweben,
In Frieden ruhen läßt, in solchem Licht,
Daß höher nie der Wunsch sich kann erheben,
Lo rege per cui questo regno pausa
in tanto amore e in tanto diletto,
che nulla volontà è di più ausa,
066
Und der in seinem heitren Angesicht
Die Geister schuf, gab ihnen nach Belieben
Verschiedne Gnade. Weiter forsche nicht.
le menti tutte nel suo lieto aspetto
creando, a suo piacer di grazia dota
diversamente; e qui basti l'effetto.
069
Klar und ausdrücklich steht dies auch geschrieben
In heil'ger Schrift von jenem Zwillingspaar,
Das in der Mutter focht, vom Zorn getrieben.
E ciò espresso e chiaro vi si nota
ne la Scrittura santa in quei gemelli
che ne la madre ebber l'ira commota.
072
Hat solche Gnad' ungleich gefärbtes Haar,
So reicht das höchste Licht auch, sie zu kleiden,
Den Hut, der ihrer würdig sei, ihr dar.
Però, secondo il color d'i capelli,
di cotal grazia l'altissimo lume
degnamente convien che s'incappelli.
075
Ohn' ihr Verdienst durch Handeln oder Leiden
Sind in verschiedne Stufen eingereiht,
Die nur durch ersten Trieb sich unterscheiden.
Dunque, sanza mercé di lor costume,
locati son per gradi differenti,
sol differendo nel primiero acume.
078
In den Jahrhunderten der frühsten Zeit
Genügten, um zum Heile zu gelangen,
Die Unschuld und der Eltern Gläubigkeit;
Bastavasi ne' secoli recenti
con l'innocenza, per aver salute,
solamente la fede d'i parenti;
081
Dann konnten, als die alte Zeit vergangen,
Unschuld'ge Flügel des, was männlich war,
Nur durch Beschneidung solche Kraft empfangen;
poi che le prime etadi fuor compiute,
convenne ai maschi a l'innocenti penne
per circuncidere acquistar virtute;
084
Und seit die Gnade selbst ward offenbar,
Bleibt ohne die vollkommne Tauf' in Christo
Dort in der Tiefe die unschuld'ge Schar.
ma poi che 'l tempo de la grazia venne,
sanza battesmo perfetto di Cristo
tale innocenza là giù si ritenne.
087
Jetzt blicke nach dem Angesicht, das Christo
Am meisten gleicht; denn dessen Helle leiht
Allein die Kraft, emporzuschaun zu Christo.«
Riguarda omai ne la faccia che a Cristo
più si somiglia, ché la sua chiarezza
sola ti può disporre a veder Cristo».
090
Da sah ich Ströme solcher Fröhlichkeit
Zu ihr getragen von den Engelscharen,
Die jene Höh'n durchfliegen allezeit,
Io vidi sopra lei tanta allegrezza
piover, portata ne le menti sante
create a trasvolar per quella altezza,
093
Daß keins der Wunder, die ich schon erfahren,
In Staunen so mich hinriß, keines mir
Gottähnlich schien, wie diese Wunder waren.
che quantunque io avea visto davante,
di tanta ammirazion non mi sospese,
né mi mostrò di Dio tanto sembiante;
096
Und jener Geist, der erst herabstieg hier,
Ave Maria gratia plena singend,
Breitete seine Flügel aus vor ihr;
e quello amor che primo lì discese,
cantando 'Ave, Maria, gratïa plena',
dinanzi a lei le sue ali distese.
099
Und aus dem Chor der Sel'gen widerklingend
Scholl rings die Antwort auf sein heilig Lied,
Alle mit höh'rer Heiterkeit durchdringend.
Rispuose a la divina cantilena
da tutte parti la beata corte,
sì ch'ogne vista sen fé più serena.
102
»O Vater, der den niedren Ort nicht mied,
Um meinethalb, verlassend jenen hohen,
Den ewig Los zum Sitze dir beschied,
«O santo padre, che per me comporte
l'esser qua giù, lasciando il dolce loco
nel qual tu siedi per etterna sorte,
105
Wer ist der Engel, der den seligfrohen
Blick richtet auf das hehre Angesicht,
Und seine Liebe gleicht den Feuerlohen?«
qual è quell' angel che con tanto gioco
guarda ne li occhi la nostra regina,
innamorato sì che par di foco?».
108
So wandt' ich mich an dessen Unterricht,
Der schöner ward im Anblick unsrer Frauen,
Wie Morgenstern schön wird vom Sonnenlicht.
Così ricorsi ancora a la dottrina
di colui ch'abbelliva di Maria,
come del sole stella mattutina.
111
Und er zu mir: »Anmut und kühn Vertrauen,
Soviel davon sein mag in Seel' und Engel,
Ist ganz in ihm, wie wir ihn gerne schauen,
Ed elli a me: «Baldezza e leggiadria
quant' esser puote in angelo e in alma,
tutta è in lui; e sì volem che sia,
114
Weil er es war, der einst den Palmenstengel
Trug zu Maria, als das ew'ge Wort
Auf sich die Last nahm unsrer schweren Mängel.
perch' elli è quelli che portò la palma
giuso a Maria, quando 'l Figliuol di Dio
carcar si volse de la nostra salma.
117
Jetzt meiner Stimme folgend, wandre fort
Mit deinen Augen, und des Reiches weise
Patrizier erkenn an ihrem Ort.
Ma vieni omai con li occhi sì com' io
andrò parlando, e nota i gran patrici
di questo imperio giustissimo e pio.
120
Zwei sitzen hoch, die seligsten im Kreise,
Weil sich Augustas Thron an ihren schließt,
Die ich als Wurzeln dieser Blume preise.
Quei due che seggon là sù più felici
per esser propinquissimi ad Agusta,
son d'esta rosa quasi due radici:
123
Der eine ist, den du zur Linken siehst,
Der Vater, der sich jenes Mahls getraute,
Darob die Menschheit bittre Kost genießt.
colui che da sinistra le s'aggiusta
è il padre per lo cui ardito gusto
l'umana specie tanto amaro gusta;
126
Der Vater, auf den Christ die Kirche baute,
Sitzt ihr zur Rechten, er, dem Gottes Sohn
Die Schlüssel zu der Rose anvertraute.
dal destro vedi quel padre vetusto
di Santa Chiesa a cui Cristo le chiavi
raccomandò di questo fior venusto.
129
Und jener, der vor seinem Tode schon
Der schönen Braut das Leiden prophezeite,
Die man erwarb mit Kreuz und Dornenkron',
E quei che vide tutti i tempi gravi,
pria che morisse, de la bella sposa
che s'acquistò con la lancia e coi clavi,
132
Sitzt neben ihm, und an des andren Seite
Der Führer, der sein Volk genährt mit Manna,
Daß er die Störr'gen durch die Wüste leite.
siede lungh' esso, e lungo l'altro posa
quel duca sotto cui visse di manna
la gente ingrata, mobile e retrosa.
135
Dem Petrus gegenüber siehst du Anna,
Zufrieden, hinzublicken auf Marien,
Kein Aug' abwendend, singend Hosianna.
Di contr' a Pietro vedi sedere Anna,
tanto contenta di mirar sua figlia,
che non move occhio per cantare osanna;
138
Dem Urahn gegenüber sieh Lucien,
Die deiner Herrin Mitleid hat erweicht,
Als schon zum Sturz du wanktest mit den Knieen.
e contro al maggior padre di famiglia
siede Lucia, che mosse la tua donna
quando chinavi, a rovinar, le ciglia.
141
Jedoch die Zeit des Traumgesichts verstreicht,
Drum brech' ich ab hier, wie des Schneiders Schere
Den Rock so zustutzt, wie das Laken reicht.
Ma perché 'l tempo fugge che t'assonna,
qui farem punto, come buon sartore
che com' elli ha del panno fa la gonna;
144
Zur ersten Lieb' empor die Augen kehre,
Daß schauend du in ihre Tiefen dringst,
Soweit ihr Glanz erlaubt, der allzu hehre.
e drizzeremo li occhi al primo amore,
sì che, guardando verso lui, penètri
quant' è possibil per lo suo fulgore.
147
Und daß du nicht umsonst die Flügel schwingst
Und rückwärts weichst im Wahn, emporzuschweben,
Ist's nötig, daß du betend Gnad' erringst,
Veramente, ne forse tu t'arretri
movendo l'ali tue, credendo oltrarti,
orando grazia conven che s'impetri
150
Gnade von ihr, die Macht hat, Kraft zu geben;
Und wie das Wort von meinen Lippen weht,
So laß dein Herz sich mit dem Wort erheben.«
grazia da quella che puote aiutarti;
e tu mi seguirai con l'affezione,
sì che dal dicer mio lo cor non parti».
153
Und er begann dies heilige Gebet.
E cominciò questa santa orazione:

Schreibe einen Kommentar