003
»Wenn flammend ich im Glühn der Lieb' erglänze,
So daß es deiner Augen Kraft bezwingt,
Weit über eures Erdenmaßes Grenze,
"S'io ti fiammeggio nel caldo d'amore
di là dal modo che 'n terra si vede,
sì che del viso tuo vinco il valore,
006
So staune nicht: vollkommnes Schauen bringt
Dies mit sich, daß es uns, wie wir begreifen,
In dem begriffnen Gut den Fuß beschwingt.
non ti maravigliar, ché ciò procede
da perfetto veder, che, come apprende,
così nel bene appreso move il piede.
009
Auch deinen Intellekt seh' ich von Streifen
Des wahren ew'gen Lichtes schon berührt,
Das, bloß gesehn, stets Liebe treibt zu reifen;
Io veggio ben sì come già resplende
ne l'intelletto tuo l'etterna luce,
che, vista, sola e sempre amore accende;
012
Und wenn zur Lieb' euch andres oft verführt,
Geschieht es, weil man drin von jenem Lichte,
Nur schlecht erkannt, die Spur durchschimmern spürt.
e s'altra cosa vostro amor seduce,
non è se non di quella alcun vestigio,
mal conosciuto, che quivi traluce.
015
Du fragst, wer sein Gelübde nicht verrichte,
Ob der durch andren Dienst sich lösen kann
Und also frei ausgehen im Gerichte.«
Tu vuo' saper se con altro servigio,
per manco voto, si può render tanto
che l'anima sicuri di letigio".
018
Diesen Gesang fing so Beatrix an,
Und wie ein Mann, der ohne Stocken lehret,
Schrift sie den heil'gen Weg, den sie begann.
Sì cominciò Beatrice questo canto;
e sì com'uom che suo parlar non spezza,
continüò così 'l processo santo:
021
»Die größte Gabe, die Gott hat bescheret,
Die seiner Güte und Freigebigkeit
Zumeist entspricht, die er am meisten ehret,
"Lo maggior don che Dio per sua larghezza
fesse creando, e a la sua bontate
più conformato, e quel ch'e' più apprezza,
024
Ist freier Wille, den er allezeit
Nur den vernünft'gen Wesen, diesen allen
Und keinem sonst, verliehn hat und verleiht.
fu de la volontà la libertate;
di che le creature intelligenti,
e tutte e sole, fuoro e son dotate.
027
Drum muß der hohe Wert ins Auge fallen,
Den ein Gelübde solches Inhalts hat,
Der Gott gefällt, nachdem er dir gefallen.
Or ti parrà, se tu quinci argomenti,
l'alto valor del voto, s'è sì fatto
che Dio consenta quando tu consenti;
030
In diesem göttlich-menschlichen Traktat
Wird ja der Schatz, den ich gepriesen habe,
Zum Opfer, und er wird's durch seine Tat.
ché, nel fermar tra Dio e l'omo il patto,
vittima fassi di questo tesoro,
tal quale io dico; e fassi col suo atto.
033
Wie gäb' es wohl Ersatz für solche Gabe?
Auch wenn du guten Zweck damit bezweckst,
So willst du Gutes tun mit fremder Habe.
Dunque che render puossi per ristoro?
Se credi bene usar quel c' hai offerto,
di maltolletto vuo' far buon lavoro.
036
Jetzt ist der Hauptpunkt klar in unsrem Text;
Doch weil die Kirche kann Dispens erteilen
Und scheinbar so ein Widerspruch erwächst,
Tu se' omai del maggior punto certo;
ma perché Santa Chiesa in ciò dispensa,
che par contra lo ver ch'i' t' ho scoverto,
039
Mußt du ein wenig noch bei Tisch verweilen;
Die harte Kost bedarf, die du gespeist,
Der Hilfe, dein Verdauen zu beeilen.
convienti ancor sedere un poco a mensa,
però che 'l cibo rigido c' hai preso,
richiede ancora aiuto a tua dispensa.
042
Eröffne meiner Lehre deinen Geist
Und halt sie fest; denn Wissenschaft verschwindet,
Wenn du Gelerntes nicht zu halten weißt.
Apri la mente a quel ch'io ti paleso
e fermalvi entro; ché non fa scïenza,
sanza lo ritenere, avere inteso.
045
Im Wesen des besagten Opfers findet
Zwei Stücke man: zuerst das Was und Wie,
Sodann die Übereinkunft, die uns bindet.
Due cose si convegnono a l'essenza
di questo sacrificio: l'una è quella
di che si fa; l'altr'è la convenenza.
048
Durch die Erfüllung nur, und anders nie,
Erlischt die letztre, und aus diesem Grunde
Gilt, was ich so bestimmt gesagt, für sie.
Quest'ultima già mai non si cancella
se non servata; e intorno di lei
sì preciso di sopra si favella:
051
Drum war das Opfern selbst im alten Bunde
Notwendigkeit, obwohl bisweilen man
Den Stoff vertauschte, - dessen hast du Kunde.
però necessitato fu a li Ebrei
pur l'offerere, ancor ch'alcuna offerta
si permutasse, come saver dei.
054
Das zweite Stück, des Opfers Stoff, sodann
Ist so vielleicht, daß ohne fehlzugehen
Man es mit andrem Stoff vertauschen kann;
L'altra, che per materia t'è aperta,
puote ben esser tal, che non si falla
se con altra materia si converta.
057
Doch darf er nie aus Eigenmacht geschehen,
Der Bürde Tausch, die du zu tragen hast;
Erst müssen sich die heil'gen Schlüssel drehen.
Ma non trasmuti carco a la sua spalla
per suo arbitrio alcun, sanza la volta
e de la chiave bianca e de la gialla;
060
Und töricht ist die Änderung der Last,
Wenn der Ersatz nicht die erlaßne Bürde
So wie die Sechs die Vier in sich umfaßt.
e ogne permutanza credi stolta,
se la cosa dimessa in la sorpresa
come 'l quattro nel sei non è raccolta.
063
Daher, wo ein Gelübd' an Wert und Würde
So schwer wiegt, daß es jede Schale schnellt,
Zahlung mit andrem nie genügend würde.
Però qualunque cosa tanto pesa
per suo valor che tragga ogne bilancia,
sodisfar non si può con altra spesa.
066
Gelübde sind kein Spiel, o Menschenwelt!
Seid treu und schielet nicht wie der Hebräer
Jephtha bei seinem ersten Opfergeld.
Non prendan li mortali il voto a ciancia;
siate fedeli, e a ciò far non bieci,
come Ieptè a la sua prima mancia;
069
Er mußte sagen: ich tat übel, eher
Als zahlen und verschlimmern. Solchen Schwur
Tat auch der grolle Feldherr der Achäer,
cui più si convenia dicer 'Mal feci',
che, servando, far peggio; e così stolto
ritrovar puoi il gran duca de' Greci,
072
Drob Iphigeniens schönes Haupt nicht nur
Sie selbst beweinte, sondern weinte jeder,
Wer von so schlimmem Gottesdienst erfuhr.
onde pianse Efigènia il suo bel volto,
e fé pianger di sé i folli e i savi
ch'udir parlar di così fatto cólto.
075
»Ihr Christen, folget nicht wie eine Feder
Jedwedem Winde, wählet festen Grund
Und glaubt nicht, alles Wasser liefre Bäder.
Siate, Cristiani, a muovervi più gravi:
non siate come penna ad ogne vento,
e non crediate ch'ogne acqua vi lavi.
078
Ihr habt den alten und den neuen Bund,
Ihr habt die Kirche, Dunkles hell zu machen;
Was ihr zum Heile braucht, das ward euch kund.
Avete il novo e 'l vecchio Testamento,
e 'l pastor de la Chiesa che vi guida;
questo vi basti a vostro salvamento.
081
Lehrt böse Habsucht anders diese Sachen,
So seid ihr Menschen, seid nicht Herden Viehs,
Daß euch die Juden eurer Stadt verlachen.
Se mala cupidigia altro vi grida,
uomini siate, e non pecore matte,
sì che 'l Giudeo di voi tra voi non rida!
084
Gleicht nicht dem Lamme, das die Milch verließ
Der Mutter und nach eigenem Belieben
Umherschweift, wie die Lust den Weg ihm wies.«
Non fate com'agnel che lascia il latte
de la sua madre, e semplice e lascivo
seco medesmo a suo piacer combatte!".
087
So sprach Beatrix, wie ich hier geschrieben,
Und blickte sehnend nach der Gegend hin,
Wo reicher ist die Welt an Lebenstrieben.
Così Beatrice a me com'ïo scrivo;
poi si rivolse tutta disïante
a quella parte ove 'l mondo è più vivo.
090
Das Schweigen und der Blick der Führerin
Hielt mein begierig Herz zurück von Fragen;
Denn schon auf neue lenkt' ich meinen Sinn.
Lo suo tacere e 'l trasmutar sembiante
puoser silenzio al mio cupido ingegno,
che già nuove questioni avea davante;
093
Und wie ein Pfeil, der schon ins Ziel geschlagen,
Eh' sich der Strang beruhigt, wurden wir
Im zweiten Himmelreich dahin getragen.
e sì come saetta che nel segno
percuote pria che sia la corda queta,
così corremmo nel secondo regno.
096
So fröhlich sah ich meine Herrin hier,
Als in das neue Licht der Flug sie brachte,
Daß der Planet an Glanz gewann von ihr.
Quivi la donna mia vid'io sì lieta,
come nel lume di quel ciel si mise,
che più lucente se ne fé 'l pianeta.
099
Und wenn der Stern verwandelt ward und lachte,
Wie ward mir selber erst, den die Natur
Veränderlich in allen Stücken machte!
E se la stella si cambiò e rise,
qual mi fec'io che pur da mia natura
trasmutabile son per tutte guise!
102
Wie durch den klaren Teich, sobald sich nur
Von außen naht, was sie für Futter halten,
Die Fische gleich nachziehen solcher Spur,
Come 'n peschiera ch'è tranquilla e pura
traggonsi i pesci a ciò che vien di fori
per modo che lo stimin lor pastura,
105
So sah ich mehr denn tausend Glanzgestalten
Heranziehn, und ein Ruf aus allen klang:
»Der wird noch reicher unsre Lieb' entfalten!«
sì vid'io ben più di mille splendori
trarsi ver' noi, e in ciascun s'udia:
"Ecco chi crescerà li nostri amori".
108
Und als der Glanz in unsre Nähe drang,
Sah man jedweden Schatten voll Entzücken
Im lichten Blitze, der aus ihm entsprang.
E sì come ciascuno a noi venìa,
vedeasi l'ombra piena di letizia
nel folgór chiaro che di lei uscia.
111
Denkt, Leser, daß aufhörte, vorzurücken,
Was hier anhebt, welch bange Hungerpein,
Mehr zu erfahren, würd' euch dann bedrücken!
Pensa, lettor, se quel che qui s'inizia
non procedesse, come tu avresti
di più savere angosciosa carizia;
114
Bedenkt ihr das, so seht ihr selber ein,
Daß ich vom Durst zu wissen ward verzehret,
Als mir sich darbot solcher Augenschein.
e per te vederai come da questi
m'era in disio d'udir lor condizioni,
sì come a li occhi mi fur manifesti.
117
»Du Wohlgeborner, welchem Gott gewähret,
Zu schaun die Throne ew'ger Herrlichkeit,
Obwohl für dich noch Kriegs- und Dienstzeit währet,
"O bene nato a cui veder li troni
del trïunfo etternal concede grazia
prima che la milizia s'abbandoni,
120
Das Licht entzündet uns, das weit und breit
Den Himmel füllt, und sollen wir dir dienen,
Dich zu erleuchten, sprich, wir sind bereit.«
del lume che per tutto il ciel si spazia
noi semo accesi; e però, se disii
di noi chiarirti, a tuo piacer ti sazia".
123
Der Sel'gen einer, die mir dort erschienen,
Sprach's, und Beatrix: »Zaudre, zaudre nicht;
Sprich ohne Furcht und glaub wie Göttern ihnen.« -
Così da un di quelli spirti pii
detto mi fu; e da Beatrice: "Dì, dì
sicuramente, e credi come a dii".
126
»Wohl seh' ich, wie ihr euch im eignen Licht
Einnistet, das ihr aus den Augen ziehet;
Denn, wann ihr lächelt, blitzt eu'r Angesicht.
"Io veggio ben sì come tu t'annidi
nel proprio lume, e che de li occhi il traggi,
perch'e' corusca sì come tu ridi;
129
Doch wer ihr seid, weshalb ihr hier verziehet,
Das weiß ich nicht, auf dieser Sphäre hier,
Die unsrem Blicke fremder Glanz entziehet.«
ma non so chi tu se', né perché aggi,
anima degna, il grado de la spera
che si vela a' mortai con altrui raggi".
132
So sprach ich zu der Seele, die zu mir
Zuerst geredet hatt', und wie mir deuchte,
Ward nur noch glänzender das Licht in ihr.
Questo diss'io diritto a la lumera
che pria m'avea parlato; ond'ella fessi
lucente più assai di quel ch'ell'era.
135
Wie durch zu hellen Schein die Tagesleuchte
Sich selbst verbirgt, wann ihrer Glut Gewalt
Die Dämpfungen verzehrt der dunst'gen Feuchte,
Sì come il sol che si cela elli stessi
per troppa luce, come 'l caldo ha róse
le temperanze d'i vapori spessi,
138
So barg sich mir die heilige Gestalt
Durch größre Freude, ganz vom Strahl umringet.
Dann sprach sie, so von Hülle dicht umwallt,
per più letizia sì mi si nascose
dentro al suo raggio la figura santa;
e così chiusa chiusa mi rispuose
141
Das, was der folgende Gesang euch singet.
nel modo che 'l seguente canto canta.

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