003
Ein güt'ger Will', in welchem stets die Liebe
Sich offenbart, die rechter Weise wehet,
Wie die Begierd' im bösen kund sich gibt,
Benigna volontade in che si liqua
sempre l'amor che drittamente spira,
come cupidità fa ne la iniqua,
006
Gebot Stillschweigen jener süßen Leier
Und ließ die heil'gen Saiten, so die Rechte
Des Himmels spannt und nachläßt, ruhig werden.
silenzio puose a quella dolce lira,
e fece quïetar le sante corde
che la destra del cielo allenta e tira.
009
Wie könnten taub sein den gerechten Bitten
Die Wesen dort, die, um mich zu bestimmen,
Daß ich sie bät', einmüthig stille schwiegen!
Come saranno a' giusti preghi sorde
quelle sustanze che, per darmi voglia
ch'io le pregassi, a tacer fur concorde?
012
Wohl billig ist's, daß ohne Grenzen leide,
Wer jener Liebe sich beraubt, aus Liebe
Zu Dingen, die nicht ew'ge Dauer haben.
Bene è che sanza termine si doglia
chi, per amor di cosa che non duri
etternalmente, quello amor si spoglia.
015
Wie durch die stille, reine, heitre Luft
Bisweilen plötzlich niederfährt ein Schimmer,
Die ruh'gen Augen zur Bewegung reizend,
Quale per li seren tranquilli e puri
discorre ad ora ad or sùbito foco,
movendo li occhi che stavan sicuri,
018
Und dies ein Stern scheint, der den Ort verändert,
Nur daß sich an der Stell', an der er aufflammt,
Kein Stern verliert; auch dauert es nicht lange:
e pare stella che tramuti loco,
se non che da la parte ond' e' s'accende
nulla sen perde, ed esso dura poco:
021
So glitt vom Arme, der nach rechts sich streckte,
Zum Fuße jenes Kreuzes hin ein Stern
Durch's ganze Sterngebild, das dort erglänzte;
tale dal corno che 'n destro si stende
a piè di quella croce corse un astro
de la costellazion che lì resplende;
024
Doch nicht vom Bande trennte der Juwel sich,
Nein, lief des Kreuzes Breite schräg hinunter,
Gleich einem Funken hinter Alabaster.
né si partì la gemma dal suo nastro,
ma per la lista radïal trascorse,
che parve foco dietro ad alabastro.
027
So zeigte sich Anchises' frommer Schatten,
Verdienet Glauben unsre größte Muse,
Als in Elisium er den Sohn erblickte.
Sì pïa l'ombra d'Anchise si porse,
se fede merta nostra maggior musa,
quando in Eliso del figlio s'accorse.
030
»O sanguis meus, o super infusa
Gratia Dei; sicut tibi, cui
Bis unquam coeli janua reclusa!«
«O sanguis meus, o superinfusa
gratïa Deï, sicut tibi cui
bis unquam celi ianüa reclusa?».
033
So jenes Licht; drum ich mich zu ihm wandte;
Dann kehrt' ich meinen Blick auf meine Herrin,
Und hier wie dort erfaßte mich Entzücken;
Così quel lume: ond' io m'attesi a lui;
poscia rivolsi a la mia donna il viso,
e quinci e quindi stupefatto fui;
036
Denn es erglomm in ihrem Aug' ein Lächeln,
Daß ich mit meinem zu berühren glaubte
Den Grund der Gnad' und meines Paradieses.
ché dentro a li occhi suoi ardeva un riso
tal, ch'io pensai co' miei toccar lo fondo
de la mia gloria e del mio paradiso.
039
Drauf, lieblich anzusehen und zu hören,
Fuhr fort der Geist in dem, was er begonnen;
Doch so tiefsinnig, daß ich es nicht faßte.
Indi, a udire e a veder giocondo,
giunse lo spirto al suo principio cose,
ch'io non lo 'ntesi, sì parlò profondo;
042
Allein aus Vorsatz nicht sprach er so dunkel,
Nein, aus Nothwendigkeit: denn was er sagte,
Ging über aller Sterblichen Begriffe.
né per elezïon mi si nascose,
ma per necessità, ché 'l suo concetto
al segno d'i mortal si soprapuose.
045
Und als der Bogen seiner glühnden Liebe
So weit war abgespannt, daß seine Rede
Zu unsrer Einsicht Fassungskraft sich senkte,
E quando l'arco de l'ardente affetto
fu sì sfogato, che 'l parlar discese
inver' lo segno del nostro intelletto,
048
Da war das erste Wort, das ich verstand:
»Gebenedeiet seist du, Dreimaleiner,
Der meinem Samen sich so hold erwiesen!«
la prima cosa che per me s'intese,
«Benedetto sia tu», fu, «trino e uno,
che nel mio seme se' tanto cortese!».
051
Drauf fuhr er fort: »Die lange, süße Sehnsucht,
Geschöpft durch Lesen aus dem größten Buche,
Drin nie sich ändert weder Schwarz noch Weiß,
E seguì: «Grato e lontano digiuno,
tratto leggendo del magno volume
du' non si muta mai bianco né bruno,
054
Hast du gestillt, o Sohn, in diesem Lichte,
Aus dem ich zu dir spreche, Dank sei Jener,
Die dir zum hohen Flug die Schwingen lieh.
solvuto hai, figlio, dentro a questo lume
in ch'io ti parlo, mercé di colei
ch'a l'alto volo ti vestì le piume.
057
Du glaubst, daß zu mir komme dein Gedanke
Vom Urgedanken aus, wie aus der Eins,
Wenn man's versteht, die Fünf und Sechs entspringet.
Tu credi che a me tuo pensier mei
da quel ch'è primo, così come raia
da l'un, se si conosce, il cinque e 'l sei;
060
Und deshalb, wer ich sei, fragst du mich nicht,
Noch weshalb ich dir freudiger erscheine,
Als jeder Andr' in dieser heitern Schaar.
e però ch'io mi sia e perch' io paia
più gaudïoso a te, non mi domandi,
che alcun altro in questa turba gaia.
063
Wahr glaubest du, daß die geringern Geister,
So wie die großen in den Spiegel schauen,
Drin, eh du denkst, sich dein Gedanke zeiget.
Tu credi 'l vero; ché i minori e ' grandi
di questa vita miran ne lo speglio
in che, prima che pensi, il pensier pandi;
066
Doch daß die heil'ge Lieb', in der ich wache
Mit stetem Schaun, und die mich dürsten machet
Von süßer Sehnsucht, besser sich erfülle,
ma perché 'l sacro amore in che io veglio
con perpetüa vista e che m'asseta
di dolce disïar, s'adempia meglio,
069
So spreche deine Stimme sicher, freudig
Und kühn den Willen aus, sprich aus den Wunsch,
Auf welchen meine Antwort schon bereit ist.« -
la voce tua sicura, balda e lieta
suoni la volontà, suoni 'l disio,
a che la mia risposta è già decreta!».
072
Hin sah ich auf Beatrix, die mich hörte,
Noch eh ich sprach, mir einen Wink zulächelnd,
Der meinem Wunsch die Flügel wachsen ließ.
Io mi volsi a Beatrice, e quella udio
pria ch'io parlassi, e arrisemi un cenno
che fece crescer l'ali al voler mio.
075
Und ich begann: »Es wurden Lieb' und Einsicht,
Sobald sich euch das Urgleichmaß gezeiget,
In jeglichem von euch in gleichem Maße.
Poi cominciai così: «L'affetto e 'l senno,
come la prima equalità v'apparse,
d'un peso per ciascun di voi si fenno,
078
Denn in der Sonne, die euch wärmt und leuchtet
Mit Wärm' und Licht, sind sie so gleich vorhanden,
Daß alle sonst'ge Gleichheit unvollkommen.
però che 'l sol che v'allumò e arse,
col caldo e con la luce è sì iguali,
che tutte simiglianze sono scarse.
081
Doch bei den Sterblichen sind Wunsch und Einsicht
Aus jener Ursach, die euch offenbar ist,
Verschiedentlich befiedert an den Schwingen:
Ma voglia e argomento ne' mortali,
per la cagion ch'a voi è manifesta,
diversamente son pennuti in ali;
084
Weshalb ich, der ich sterblich bin, mich fühle
In solcher Ungleichheit; drum dankt allein
Mein Herz auch nur dem väterlichen Gruße.
ond' io, che son mortal, mi sento in questa
disagguaglianza, e però non ringrazio
se non col core a la paterna festa.
087
Ich fleh' dich an, lebendiger Topas,
Der du das köstliche Juwel hier schmückest,
Daß du mit deinem Namen mich befriedigst.« -
Ben supplico io a te, vivo topazio
che questa gioia prezïosa ingemmi,
perché mi facci del tuo nome sazio».
090
»O du, mein Sproß, an dem ich im Erwarten
Mich schon ergetzt', ich war einst deine Wurzel.«
Dies war der Anfang seiner Red' als Antwort;
«O fronda mia in che io compiacemmi
pur aspettando, io fui la tua radice»:
cotal principio, rispondendo, femmi.
093
Dann sprach er weiter: »Er, von dem dein Stamm
Sich nennt, der hundert Jahr' und drüber
Den Berg umkreist hat auf dem ersten Simse,
Poscia mi disse: «Quel da cui si dice
tua cognazione e che cent' anni e piùe
girato ha 'l monte in la prima cornice,
096
Er war mein Sohn und war dein Urgroßvater.
Wohl ist es Pflicht, daß du so langes Leiden
Durch gute Werk' ihm abzukürzen suchest.
mio figlio fu e tuo bisavol fue:
ben si convien che la lunga fatica
tu li raccorci con l'opere tue.
099
Florenz in seinen alten Umfangsmauern,
Worin man noch vernimmt die Terz und None,
War mäßig einst und keusch und lebt' in Frieden.
Fiorenza dentro da la cerchia antica,
ond' ella toglie ancora e terza e nona,
si stava in pace, sobria e pudica.
102
Nicht gab es Kettchen da, nicht goldnes Stirnband,
Nicht Frau'n mit prächt'gen Schuhen und mit Gürteln,
Was mehr in's Auge fiel als die Person.
Non avea catenella, non corona,
non gonne contigiate, non cintura
che fosse a veder più che la persona.
105
Noch machte nicht die Tochter, kaum geboren,
Dem Vater bang, da frühe Eh' und Mitgift
In keiner Art das Maß noch überschritten.
Non faceva, nascendo, ancor paura
la figlia al padre, ché 'l tempo e la dote
non fuggien quinci e quindi la misura.
108
Noch standen Häuser leer nicht von Bewohnern,
Noch war Sardanapal nicht eingezogen,
Zu zeigen, was in Zimmern man vermöchte.
Non avea case di famiglia vòte;
non v'era giunto ancor Sardanapalo
a mostrar ciò che 'n camera si puote.
111
Noch hatt' Uccellatojo Montemalo
Nicht überboten: doch wie der im Steigen
Besiegt ist, wird er's auch im Sturze werden.
Non era vinto ancora Montemalo
dal vostro Uccellatoio, che, com' è vinto
nel montar sù, così sarà nel calo.
114
Bellincion Berti sah ich noch umgürtet
Von Bein und Leder, sah noch seine Frau
Vom Spiegel gehn mit ungeschminktem Antlitz;
Bellincion Berti vid' io andar cinto
di cuoio e d'osso, e venir da lo specchio
la donna sua sanza 'l viso dipinto;
117
Den Nerli und den Vecchio sich begnügen
Sah ich noch mit unüberzognem Felle
Und ihre Frau'n am Rocken mit der Spindel.
e vidi quel d'i Nerli e quel del Vecchio
esser contenti a la pelle scoperta,
e le sue donne al fuso e al pennecchio.
120
Die Glücklichen! wo sie begraben werde,
War jede sicher noch, und noch war keine
Im Ehebett verlassen, Frankreichs halber.
Oh fortunate! ciascuna era certa
de la sua sepultura, e ancor nulla
era per Francia nel letto diserta.
123
Die eine wachte sorglich an der Wiege
Und brauchte zur Beschwichtigung die Sprache,
An der die Eltern sich zuerst ergetzen;
L'una vegghiava a studio de la culla,
e, consolando, usava l'idïoma
che prima i padri e le madri trastulla;
126
Die andre, die den Flachs vom Rocken spann,
Erzählte der Familie Geschichten
Von den Trojanern, Fiesole und Rom.
l'altra, traendo a la rocca la chioma,
favoleggiava con la sua famiglia
d'i Troiani, di Fiesole e di Roma.
129
Ein Lapo Salterell', eine Cianghell
Wär' solch ein Wunder damals wohl gewesen,
Wie jetzo Cincinnatus und Cornelia.
Saria tenuta allor tal maraviglia
una Cianghella, un Lapo Salterello,
qual or saria Cincinnato e Corniglia.
132
Solch einem ruhigen, solch einem schönen
Leben der Bürger, solcher süßen Heimat,
So redlicher Mitbürgerschaft verlieh mich
A così riposato, a così bello
viver di cittadini, a così fida
cittadinanza, a così dolce ostello,
135
Maria, die in schweren Weh'n Gerufne;
In eurem alten Baptisterium
Ward ich ein Christ, mit Namen Cacciaguida.
Maria mi diè, chiamata in alte grida;
e ne l'antico vostro Batisteo
insieme fui cristiano e Cacciaguida.
138
Mir Bruder war Moront' und Eliseo;
Aus Val di Pado holt' ich nieine Frau,
Von der dein Zunam' auch ist hergeleitet.
Moronto fu mio frate ed Eliseo;
mia donna venne a me di val di Pado,
e quindi il sopranome tuo si feo.
141
Dann that ich unter Kaiser Konrad Dienste;
Der mich für seine Ritterschaft gegürtet:
In solche Gunst kam ich durch edle Thaten.
Poi seguitai lo 'mperador Currado;
ed el mi cinse de la sua milizia,
tanto per bene ovrar li venni in grado.
144
Ich folgt' ihm, die Verruchtheit zu befehden
Jenes Gesetzes, dessen Volk sich anmaßt,
Durch Schuld des Hirten, das, was euch gehöret.
Dietro li andai incontro a la nequizia
di quella legge il cui popolo usurpa,
per colpa d'i pastor, vostra giustizia.
147
Hier ward ich nun von jenem schnöden Volke
Entfesselt von der trügerischen Welt,
Durch deren Lieb' unrein wird manche Seele,
Quivi fu' io da quella gente turpa
disviluppato dal mondo fallace,
lo cui amor molt' anime deturpa;
150
Und kam vom Martyrthum zu diesem Frieden.« -
e venni dal martiro a questa pace».

Schreibe einen Kommentar