Der Gefangene
Was trug er auch sein Haupt so frei, so stolz!
Wollt edler sich als seine Treiber fühlen!
›Der Hirsch‹ von Schleifer.
Der Frühling ist zu Berg und Tal gekommen,
Sein Freudenruf ist durch die Luft erklungen;
Kaum hat die Erd im Schlafe ihn vernommen,
Hat sie vom Traume sich emporgerungen,
Der ihren Busen deckte schwer und kalt.
In allen Fernen ist der Ruf gedrungen
Mit freundlicher, süßlockender Gewalt,
Daß ihres Nests die Schwalbe nun gedenket,
Weit übers Meer zur trauten Hütte wallt,
Daß seinen Flug der Storch nun heimwärts lenket,
Verlassend schnell das Schilf im fernen Süden.
Die Blume blüht, der bunte Falter senket
Auf sie die Flügel hin, die wonnemüden;
Mit Blüten haben sich geschmückt die Bäume,
Daß sie zu Lieb und Sang die Sänger lüden.
Schon singt und bringt uns Paradiesesträume
Im Blütenstrauche dort die Nachtigall;
Melodisch zieht der Bach durch Waldesräume,
Der Hirte flötet und der Widerhall;
Zur grünen Alpe kehrt die Herde wieder,
Weithin ertönt ihr froher Glockenschall.
Der Wildbach stürzt vom Klippenhange nieder,
Ein Freudentränenstrom, dem Lenz entgegen;
Froh sonnen sich der Alpe Felsenglieder
Im warmen Schein, der Frühling klimmt verwegen
Zum Schneeberg auf und ruft ihn jubelnd wach:
Der schüttelt sich den Winter ab, den trägen,
Und schleudert ihm Lawinendonner nach.
Voll Sehnsucht harrt er schon der Alpenrose,
Der holden Freundin, die der Lenz versprach,
Die jährlich ihn beschleicht auf weichem Moose. ─
So zieht der Lenz herum in allen Gauen,
Verschwendend rings die schönen Freudenlose.
Doch einen weiß ich, der ihn darf nicht schauen
Und nicht, was Gott durch ihn gesandt, genießen,
Weil finstre Kerkerwände ihn umgrauen
Und rauhe Fesseln ehern ihn umschließen.
Nicht hört er Vogelsang im Walde tönen,
Nicht sieht er, wie so schön die Blumen sprießen.
Er hört nur seinen eignen Jammer stöhnen;
Für Nachtigallensang und Taubengirren
Hört er die Wand sein Klagen widerhöhnen
Und, regt er sich, die Eisenkette klirren.
Kein Strahl des Frühlings konnte mit Erbarmen,
Ein milder Tröster, sich zu ihm verirren;
Er darf an Gottes Sonne nicht erwarmen;
Die Nacht allein, das schwarze Ungeheuer,
Hat man mit eingesperrt zu diesem Armen.
In seinem Herzen brennt ein wildes Feuer
Von Rache, Schmerz, von unverdienter Schande,
Von Sehnsucht nach so manchem, was ihm teuer.
Oft springt er auf, gejagt vom innern Brande,
Er flucht, er sucht sein Schwert, er will hinaus:
Doch Hohngelächter rasseln seine Bande,
Und felsenfest verschlossen bleibt das Haus.
Ermattet sinkt er auf das faule Stroh,
Und bittrer Wehmut weicht des Zornes Braus;
Dumpfschweigend sitzt er da und starret so
Das schwarze Ungeheuer an, die Nacht.
Ob Stunde, Mond und Jahr vorüberfloh,
Er konnte dessen haben keine Acht;
Ihm wird in seiner dunkeln Haft die Zeit,
Die Glücklichen enteilt mit Sturmesmacht,
Zur gliederlosen, starren Ewigkeit.
Soll zählen er sie wohl nach seinen Tränen?
Und messen, wie sie noch vom Grabe weit,
Nach dem Unendlichen, nach seinem Sehnen? ─
Er wird sein hart Geschick nicht überdauern,
Und hofft er dies, es ist ein eitles Wähnen;
Denn »sterben soll er in den Kerkermauern!«
So klangen seines Richters grause Worte,
Des Mannes ohne Mitleid und Bedauern.
Sein Flehen schlägt vergebens an die Pforte;
»Gib mir, o Gott, bevor das Herz mir bricht,
Nur einen Schritt aus diesem Qualenorte,
Nur noch ein Auge voll von deinem Licht!
Dann laß mich sterben immerhin zur Stelle,
Ich klage meiner Todesstunde nicht!
Mag dann mein Leichnam auf der Kerkerschwelle,
O Herr, an deinem Lichte noch sich sonnen!
So wie der müde Wandrer an der Quelle,
Schlaf ich an deinem süßen Strahlenbronnen
Und träume, was ich sterbend noch empfunden,
O Freiheit! Freiheit! alle deine Wonnen!« ─ ─
Warum hat der ein solches Los gefunden? ─
Er fleht umsonst, er hat zu viel verbrechen,
Hat sich des Allzukühnen unterwunden:
Hat Wahrheit dem Tyrannen laut gesprochen
Und ihm erzählt der Menschheit bangen Fluch;
Er hat gerüttelt an den blutgen Jochen.
Darauf verhängst der Gesetze Buch
Den Tod, ─ der Zwingherr hat es selbst geschrieben ─
Ein jedes Blatt der Freiheit Leichentuch!
Und daß der Kühne lebend noch geblieben,
Dankt er allein des Herrschers milder Gnade;
Sie will zu schonen manchmal auch belieben,
Sie tötet ihn nicht plötzlich und gerade. ─
Der Tor! er wollte Menschenliebe wagen
Und wußte doch, daß sie den Donner lade,
Der in die Nacht sein Haupt nun hingeschlagen. ─
Unheimlich wird dem Mörder dann zumute,
Bringt ihm ein Mahner aus vergangnen Tagen
Das Kleid des Toten mit der Spur vom Blute
Und hält ihm vor das bleiche Angesicht,
Was manches Jahr im Grabesdunkel ruhte.
Also behagt' es dem Tyrannen nicht,
Daß es gewagt der edle, kühne Tor,
Mit ihm zu gehen zürnend ins Gericht,
Die blutge Wahrheit ihm zu halten vor,
Das Kleid, das einst die schöne Freiheit trug,
Als sie geführt den vollen Freudenchor,
Eh des Tyrannen Faust sie frech erschlug. ─ ─
Da weckt mich einer Quelle nahes Rauschen
Zurück vom nächtlichen Gedankenflug.
Ich seh das schlanke Reh im Dickicht lauschen;
Nun schrickt es auf, und fort ist seine Spur.
Süß mahnt mich, meinen Schmerz um Lust zu tauschen,
Mit Blüten und Gesängen die Natur;
Doch kann ichs meiner Seele nimmer wehren,
Daß sie verfolge Trauerszenen nur
Und sich statt Blumen sammle bittre Zähren
Und in den Kerker dort zu jenem wandre,
Dem Dulder, bis der Tod, sein heiß Begehren,
Aus einer Nacht ihn senket in die andre.
Entstanden 1830/31. Erstdruck 1831.
Was trug er auch sein Haupt so frei, so stolz!
Wollt edler sich als seine Treiber fühlen!
›Der Hirsch‹ von Schleifer.
Der Frühling ist zu Berg und Tal gekommen,
Sein Freudenruf ist durch die Luft erklungen;
Kaum hat die Erd im Schlafe ihn vernommen,
Hat sie vom Traume sich emporgerungen,
Der ihren Busen deckte schwer und kalt.
In allen Fernen ist der Ruf gedrungen
Mit freundlicher, süßlockender Gewalt,
Daß ihres Nests die Schwalbe nun gedenket,
Weit übers Meer zur trauten Hütte wallt,
Daß seinen Flug der Storch nun heimwärts lenket,
Verlassend schnell das Schilf im fernen Süden.
Die Blume blüht, der bunte Falter senket
Auf sie die Flügel hin, die wonnemüden;
Mit Blüten haben sich geschmückt die Bäume,
Daß sie zu Lieb und Sang die Sänger lüden.
Schon singt und bringt uns Paradiesesträume
Im Blütenstrauche dort die Nachtigall;
Melodisch zieht der Bach durch Waldesräume,
Der Hirte flötet und der Widerhall;
Zur grünen Alpe kehrt die Herde wieder,
Weithin ertönt ihr froher Glockenschall.
Der Wildbach stürzt vom Klippenhange nieder,
Ein Freudentränenstrom, dem Lenz entgegen;
Froh sonnen sich der Alpe Felsenglieder
Im warmen Schein, der Frühling klimmt verwegen
Zum Schneeberg auf und ruft ihn jubelnd wach:
Der schüttelt sich den Winter ab, den trägen,
Und schleudert ihm Lawinendonner nach.
Voll Sehnsucht harrt er schon der Alpenrose,
Der holden Freundin, die der Lenz versprach,
Die jährlich ihn beschleicht auf weichem Moose. ─
So zieht der Lenz herum in allen Gauen,
Verschwendend rings die schönen Freudenlose.
Doch einen weiß ich, der ihn darf nicht schauen
Und nicht, was Gott durch ihn gesandt, genießen,
Weil finstre Kerkerwände ihn umgrauen
Und rauhe Fesseln ehern ihn umschließen.
Nicht hört er Vogelsang im Walde tönen,
Nicht sieht er, wie so schön die Blumen sprießen.
Er hört nur seinen eignen Jammer stöhnen;
Für Nachtigallensang und Taubengirren
Hört er die Wand sein Klagen widerhöhnen
Und, regt er sich, die Eisenkette klirren.
Kein Strahl des Frühlings konnte mit Erbarmen,
Ein milder Tröster, sich zu ihm verirren;
Er darf an Gottes Sonne nicht erwarmen;
Die Nacht allein, das schwarze Ungeheuer,
Hat man mit eingesperrt zu diesem Armen.
In seinem Herzen brennt ein wildes Feuer
Von Rache, Schmerz, von unverdienter Schande,
Von Sehnsucht nach so manchem, was ihm teuer.
Oft springt er auf, gejagt vom innern Brande,
Er flucht, er sucht sein Schwert, er will hinaus:
Doch Hohngelächter rasseln seine Bande,
Und felsenfest verschlossen bleibt das Haus.
Ermattet sinkt er auf das faule Stroh,
Und bittrer Wehmut weicht des Zornes Braus;
Dumpfschweigend sitzt er da und starret so
Das schwarze Ungeheuer an, die Nacht.
Ob Stunde, Mond und Jahr vorüberfloh,
Er konnte dessen haben keine Acht;
Ihm wird in seiner dunkeln Haft die Zeit,
Die Glücklichen enteilt mit Sturmesmacht,
Zur gliederlosen, starren Ewigkeit.
Soll zählen er sie wohl nach seinen Tränen?
Und messen, wie sie noch vom Grabe weit,
Nach dem Unendlichen, nach seinem Sehnen? ─
Er wird sein hart Geschick nicht überdauern,
Und hofft er dies, es ist ein eitles Wähnen;
Denn »sterben soll er in den Kerkermauern!«
So klangen seines Richters grause Worte,
Des Mannes ohne Mitleid und Bedauern.
Sein Flehen schlägt vergebens an die Pforte;
»Gib mir, o Gott, bevor das Herz mir bricht,
Nur einen Schritt aus diesem Qualenorte,
Nur noch ein Auge voll von deinem Licht!
Dann laß mich sterben immerhin zur Stelle,
Ich klage meiner Todesstunde nicht!
Mag dann mein Leichnam auf der Kerkerschwelle,
O Herr, an deinem Lichte noch sich sonnen!
So wie der müde Wandrer an der Quelle,
Schlaf ich an deinem süßen Strahlenbronnen
Und träume, was ich sterbend noch empfunden,
O Freiheit! Freiheit! alle deine Wonnen!« ─ ─
Warum hat der ein solches Los gefunden? ─
Er fleht umsonst, er hat zu viel verbrechen,
Hat sich des Allzukühnen unterwunden:
Hat Wahrheit dem Tyrannen laut gesprochen
Und ihm erzählt der Menschheit bangen Fluch;
Er hat gerüttelt an den blutgen Jochen.
Darauf verhängst der Gesetze Buch
Den Tod, ─ der Zwingherr hat es selbst geschrieben ─
Ein jedes Blatt der Freiheit Leichentuch!
Und daß der Kühne lebend noch geblieben,
Dankt er allein des Herrschers milder Gnade;
Sie will zu schonen manchmal auch belieben,
Sie tötet ihn nicht plötzlich und gerade. ─
Der Tor! er wollte Menschenliebe wagen
Und wußte doch, daß sie den Donner lade,
Der in die Nacht sein Haupt nun hingeschlagen. ─
Unheimlich wird dem Mörder dann zumute,
Bringt ihm ein Mahner aus vergangnen Tagen
Das Kleid des Toten mit der Spur vom Blute
Und hält ihm vor das bleiche Angesicht,
Was manches Jahr im Grabesdunkel ruhte.
Also behagt' es dem Tyrannen nicht,
Daß es gewagt der edle, kühne Tor,
Mit ihm zu gehen zürnend ins Gericht,
Die blutge Wahrheit ihm zu halten vor,
Das Kleid, das einst die schöne Freiheit trug,
Als sie geführt den vollen Freudenchor,
Eh des Tyrannen Faust sie frech erschlug. ─ ─
Da weckt mich einer Quelle nahes Rauschen
Zurück vom nächtlichen Gedankenflug.
Ich seh das schlanke Reh im Dickicht lauschen;
Nun schrickt es auf, und fort ist seine Spur.
Süß mahnt mich, meinen Schmerz um Lust zu tauschen,
Mit Blüten und Gesängen die Natur;
Doch kann ichs meiner Seele nimmer wehren,
Daß sie verfolge Trauerszenen nur
Und sich statt Blumen sammle bittre Zähren
Und in den Kerker dort zu jenem wandre,
Dem Dulder, bis der Tod, sein heiß Begehren,
Aus einer Nacht ihn senket in die andre.
Entstanden 1830/31. Erstdruck 1831.