003
Begierig schon, zu prüfen auß und innen
Den grünlebendigen waldigen Gottesgarten,
Der Schutz dem Blick vorm Frühlicht ließ gewinnen,
Vago già di cercar dentro e dintorno
la divina foresta spessa e viva,
ch'a li occhi temperava il novo giorno,
006
Nahm ich vom Bergrand Abschied ohne Warten,
Hinwandelnd langsam-langsam durchs Gefilde,
Drauf Blumen schwangen ihre Duftstandarten.
sanza più aspettar, lasciai la riva,
prendendo la campagna lento lento
su per lo suol che d'ogne parte auliva.
009
Ein Lüftchen süß, das unverändert-milde
Insich verblieb, nicht stärker mir umfegte
Die Stirn, alsob ein sanfter Wind es bilde,
Un'aura dolce, sanza mutamento
avere in sé, mi feria per la fronte
non di più colpo che soave vento;
012
Wodurch das ganze Laub sich zitternd regte
Und dahin, wo vom heiligen Berge droben
Der erste Schatten fiel, die Blätter legte;
per cui le fronde, tremolando, pronte
tutte quante piegavano a la parte
u' la prim'ombra gitta il santo monte;
015
Doch ohnedaß sich die so stürmisch hoben,
Daß es die Vöglein abhielt, auf und nieder
Im Wipfelwerk all ihre Kunst zu proben.
non però dal loro esser dritto sparte
tanto, che li augelletti per le cime
lasciasser d'operare ogne lor arte;
018
Nein, jubelnd grüßten ihre Morgenlieder
Den Frühwind aus dem Laubdach, drin sie hausen,
Und das im Baß ertönte hin und wieder
ma con piena letizia l'ore prime,
cantando, ricevieno intra le foglie,
che tenevan bordone a le sue rime,
021
Gleichwie von Ast zu Aste schwillt das Brausen
Hin durch den Pinienhain an Chiassis Küste,
Wenn Äolus läßt den Scirocco sausen.
tal qual di ramo in ramo si raccoglie
per la pineta in su 'l lito di Chiassi,
quand'Ëolo scilocco fuor discioglie.
024
Schon brachte mein lustwandelndes Gelüste
Sotief zum alten Wald mich, daß zu sehen,
Wo ich hineinging, nicht mein Blick mehr wüßte.
Già m'avean trasportato i lenti passi
dentro a la selva antica tanto, ch'io
non potea rivedere ond'io mi 'ntrassi;
027
Und sieh, da wehrt ein Bach mein Weitergehen,
Der linkshin beugt mit seinen kleinen Wellen
Die Gräser, die an seinem Saume stehen.
ed ecco più andar mi tolse un rio,
che 'nver' sinistra con sue picciole onde
piegava l'erba che 'n sua ripa uscìo.
030
Von allen Wassern, die hernieden quellen,
Schien trüb das reinste gegen diese Feuchte,
Die nichts verbirgt selbst an den tiefsten Stellen,
Tutte l'acque che son di qua più monde,
parrieno avere in sé mistura alcuna
verso di quella, che nulla nasconde,
033
Obwohl die Flut mich dunkel-dunkel deuchte,
Weil nie durchbricht den immerwährenden Schatten
Der Sonne Schimmer noch des Mondes Leuchte.
avvegna che si mova bruna bruna
sotto l'ombra perpetüa, che mai
raggiar non lascia sole ivi né luna.
036
Mein Fuß hielt Rast; doch meine Augen hatten
Das Flüßchen überbrückt, froh zu betrachten
Jenseits die frischen maienbunten Matten.
Coi piè ristetti e con li occhi passai
di là dal fiumicello, per mirare
la gran varïazion d'i freschi mai;
039
Und mir erschien - wie häufig, eh wirs dachten,
Ein Etwas naht, sodaß vor dem Geschehen
Wir staunend alles Denkens nichtmehr achten -
e là m'apparve, sì com'elli appare
subitamente cosa che disvia
per maraviglia tutto altro pensare,
042
Einsam ein Weib, das mit Gesang im Gehen
Sich emsig Blumen aus den Blumen pflückte,
Mit denen ganz bemalt ihr Weg zu sehen.
una donna soletta che si gia
e cantando e scegliendo fior da fiore
ond'era pinta tutta la sua via.
045
»Ach schöne Frau, die Liebe warm durchzückte,
Wie du den Zügen nach zu glauben zwingest,
Darein das Herz noch stets sein Zeugnis drückte,
"Deh, bella donna, che a' raggi d'amore
ti scaldi, s'i' vo' credere a' sembianti
che soglion esser testimon del core,
048
Laß dirs gefallen, daß du nähergingest
Zum Ufersaum,« bat ich, »daß meine Ohren
Besser verstehen können, was du singest.
vegnati in voglia di trarreti avanti",
diss'io a lei, "verso questa rivera,
tanto ch'io possa intender che tu canti.
051
Du hast Proserpina mir herbeschworen
Nach Zeit und Ort, wo sie dahin mußt geben
Der Lenz und dann der Mutter ging verloren.«
Tu mi fai rimembrar dove e qual era
Proserpina nel tempo che perdette
la madre lei, ed ella primavera".
054
Wie Tänzerinnen dicht am Boden schweben,
Geschlossenen Fußes sich zuweilen schwenkend
Und kaum den einen Fuß vorm andern heben,
Come si volge, con le piante strette
a terra e intra sé, donna che balli,
e piede innanzi piede a pena mette,
057
So, überm rötlich-gelben Teppich lenkend
Der Blumen, kam sie zu mir, anzusehen
Gleich einer Jungfrau, züchtige Augen senkend.
volsesi in su i vermigli e in su i gialli
fioretti verso me, non altrimenti
che vergine che li occhi onesti avvalli;
060
Und sie befriedigte vollauf mein Flehen:
Sie sang ihr süßes Lied dicht am Gestade,
Daß jedes Wort mir deutlich zu verstehen.
e fece i prieghi miei esser contenti,
sì appressando sé, che 'l dolce suono
veniva a me co' suoi intendimenti.
063
Sobald sie dort war, wo die grünen Pfade
Des Ufers schon der schöne Bach bespritzte,
Erwies sie mir mich anzusehen die Gnade.
Tosto che fu là dove l'erbe sono
bagnate già da l'onde del bel fiume,
di levar li occhi suoi mi fece dono.
066
Ich glaube nicht, daß gleichen Lichtstrahl blitzte
Der Venus Augenstern und sich entfachte,
Als sie ihr Sohn ganz ohne Absicht ritzte.
Non credo che splendesse tanto lume
sotto le ciglia a Venere, trafitta
dal figlio fuor di tutto suo costume.
069
Sie stand jenseit gradüber mir und lachte,
Mehr Farben pflückend aus dem bunten Raume,
Die ungesät hervor dies Hochland brachte.
Ella ridea da l'altra riva dritta,
trattando più color con le sue mani,
che l'alta terra sanza seme gitta.
072
Drei Schritt ihr ferne nur stand ich am Saume,
Doch Hellespont, den Xerxes überbrückte,
(Noch heut hälts allen Menschentrotz im Zaume)
Tre passi ci facea il fiume lontani;
ma Elesponto, là 've passò Serse,
ancora freno a tutti orgogli umani,
075
Mit minderm Haß Leanders Herz bedrückte,
Weil Sestos von Abydos schied sein Branden,
Als dieser mich, weil mir kein Nahen glückte.
più odio da Leandro non sofferse
per mareggiare intra Sesto e Abido,
che quel da me perch'allor non s'aperse.
078
»Ihr seid,« begann sie, »fremd in diesen Landen;
Drum wird mein Lächeln wohl an heiliger Stelle,
Wo einst der Menschheit Wiege hat gestanden,
"Voi siete nuovi, e forse perch'io rido",
cominciò ella, "in questo luogo eletto
a l'umana natura per suo nido,
081
Für euch des Argwohns und des Staunens Quelle.
Doch bringts der Delectasti-Psalm zutage,
Und euers Geistes Nacht weicht seiner Helle.
maravigliando tienvi alcun sospetto;
ma luce rende il salmo Delectasti,
che puote disnebbiar vostro intelletto.
084
Du, Vorderster, der mich gebeten, sage,
willst du - denn darum kam ich - mehr erlauschen?
Ich will dir gern befriedigen jede Frage.« -
E tu che se' dinanzi e mi pregasti,
dì s'altro vuoli udir; ch'i' venni presta
ad ogne tua question tanto che basti".
087
»Das Wasser,« sprach ich, »und des Waldes Rauschen
Macht mir den jüngsterworbenen Glauben wanken,
Als gält es, das Erlernte auszutauschen.« -
"L'acqua", diss'io, "e 'l suon de la foresta
impugnan dentro a me novella fede
di cosa ch'io udi' contraria a questa".
090
»Ich will dir deuten, was dich in Gedanken
Verwundert,« sprach sie, »bis - von mir beschieden -
Die dich umhüllenden Nebel alle sanken.
Ond'ella: "Io dicerò come procede
per sua cagion ciò ch'ammirar ti face,
e purgherò la nebbia che ti fiede.
093
Das höchste Gut schuf mitsichselbst-zufrieden
Den Menschen gut fürs Gute und erteilte
Zum ewigen Frieden ihm den Ort hienieden.
Lo sommo ben, che solo esso a sé piace,
fé l'uom buono e a bene, e questo loco
diede per arr'a lui d'etterna pace.
096
Durch eigene Schuld nicht lang er hier verweilte,
Durch eigene Schuld er bald zum Tränenleben
Sein heitres Lächelspiel zu wandeln eilte.
Per sua difalta qui dimorò poco;
per sua difalta in pianto e in affanno
cambiò onesto riso e dolce gioco.
099
Damit der Kampf - den unter sich erheben
Die Ausdünstungen Wassers und der Erde,
Die, wie sie können, hin zur Wärme streben -
Perché 'l turbar che sotto da sé fanno
l'essalazion de l'acqua e de la terra,
che quanto posson dietro al calor vanno,
102
Dem Menschen nicht gedeihe zur Beschwerde,
Ist dieser Berg so himmelan gestiegen
Und bleibt am Eingang frei dem dunstigen Herde.
a l'uomo non facesse alcuna guerra,
questo monte salìo verso 'l ciel tanto,
e libero n'è d'indi ove si serra.
105
Und weil im ersten Kreisflug hier noch fliegen
Die Lüfte alle und solang sich drehen,
Als nichts sie zwingt, aus ihrer Bahn zu biegen,
Or perché in circuito tutto quanto
l'aere si volge con la prima volta,
se non li è rotto il cerchio d'alcun canto,
108
So rührt auf diesen Höhen, die einsam stehen
In der lebendigen Luft, die Schwungkraft leise
Den dichten Wald, und er muß rauschend wehen.
in questa altezza ch'è tutta disciolta
ne l'aere vivo, tal moto percuote,
e fa sonar la selva perch'è folta;
111
Und Pflanzen, die erregt auf solche Weise,
Schwängern mit ihrer Kraft der Lüfte Gleiten,
Und die verstreuen die Kraft dann rings im Kreise.
e la percossa pianta tanto puote,
che de la sua virtute l'aura impregna
e quella poi, girando, intorno scuote;
114
Und anderer Boden, je nach Würdigkeiten,
Empfängt und zeugt wie Art und Luft bedingen
Verschiedenes Holz, reich an Verschiedenheiten.
e l'altra terra, secondo ch'è degna
per sé e per suo ciel, concepe e figlia
di diverse virtù diverse legna.
117
Nun wird es jenseits nichtmehr seltsam klingen,
Wenn man vernimmt, daß Pflanzen eurer Zonen
Oft ohne sichtbaren Samenkern entspringen.
Non parrebbe di là poi maraviglia,
udito questo, quando alcuna pianta
sanza seme palese vi s'appiglia.
120
Und wisse, diese heiligen Regionen,
Darauf du stehst, sind voll von Samenzellen
Für Früchte, wie sie euerm Fleiß nie lohnen.
E saper dei che la campagna santa
dove tu se', d'ogne semenza è piena,
e frutto ha in sé che di là non si schianta.
123
Das Wasser, das du siehst, strömt nicht aus Quellen,
Die Dunst ernährt und Kälte hält verschlossen
Gleich Flüssen, die bald mehr bald minder schwellen;
L'acqua che vedi non surge di vena
che ristori vapor che gel converta,
come fiume ch'acquista e perde lena;
126
Nein, sicherm, starkem Borne kommts entflossen.
Und was ihm durch zwei Arme geht verloren,
Wird ihm durch Gottes Willen neu ergossen.
ma esce di fontana salda e certa,
che tanto dal voler di Dio riprende,
quant'ella versa da due parti aperta.
129
Und jedem Arm ist eine Kraft erkoren:
Sündenerinnrung tilgt hier diese Seite,
Dort wird Erinnerung guter Tat geboren.
Da questa parte con virtù discende
che toglie altrui memoria del peccato;
da l'altra d'ogne ben fatto la rende.
132
Lethe heißt der, und Eunoë der zweite.
Doch nötig ists, um Wirkung zu bezwecken,
Daß man an jeden Fluß zum Trinken schreite.
Quinci Letè; così da l'altro lato
Eünoè si chiama, e non adopra
se quinci e quindi pria non è gustato:
135
Nichts ist wohlschmeckender als dies zu schmecken.
Und könnte deinem Durst dies auch genügen,
Selbst wenn ich dir nichts Weiteres wollt entdecken,
a tutti altri sapori esto è di sopra.
E avvegna ch'assai possa esser sazia
la sete tua perch'io più non ti scuopra,
138
Treibt michs, noch einen Nachsatz anzufügen,
Und hoffe drum - kann ich mit mehr dir dienen,
Als ich versprach - es mache dir Vergnügen.
darotti un corollario ancor per grazia;
né credo che 'l mio dir ti sia men caro,
se oltre promession teco si spazia.
141
Als Traumbild am Parnaß ist wohl erschienen
Der Ort den Alten, wenn von goldenen Zeiten
Und Seligkeit zu lesen ist bei ihnen.
Quelli ch'anticamente poetaro
l'età de l'oro e suo stato felice,
forse in Parnaso esto loco sognaro.
144
Hier sproß dem Menschheitsbaum, dem fluchbefreiten,
Ein ewiger Lenz, hier Früchte jeder Sorte;
Nektar fließt hier, dem alle Lob bereiten.«
Qui fu innocente l'umana radice;
qui primavera sempre e ogne frutto;
nettare è questo di che ciascun dice".
147
Ich wandte ganz zurück mich nach dem Orte
Von meinen Dichtern, und ihr Lächeln zeigte,
Daß sie vernahmen gut die letzten Worte.
Io mi rivolsi 'n dietro allora tutto
a' miei poeti, e vidi che con riso
udito avëan l'ultimo costrutto;
150
Drauf ich zur schönen Frau mich wieder neigte.
poi a la bella donna torna' il viso.

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