003
Das viele Volk und die verschiednen Wunden
Betäubten meinen Blick, der trunken war,
Ersehnte Tränen hätten ihn entbunden.
La molta gente e le diverse piaghe
avean le luci mie sì inebrïate,
che de lo stare a piangere eran vaghe.
006
Da sprach Virgil: »Was nimmt dein Auge wahr,
Daß deine Blicke länger hier verweilen
Auf dieser traurigen, zerfetzten Schar?
Ma Virgilio mi disse: "Che pur guate?
perché la vista tua pur si soffolge
là giù tra l'ombre triste smozzicate?
009
In andern Schächten konntest du doch eilen,
Bedenke, willst du zählen diese Reih'n,
Daß dieses Tal mißt zweiundzwanzig Meilen.
Tu non hai fatto sì a l'altre bolge;
pensa, se tu annoverar le credi,
che miglia ventidue la valle volge.
012
Und unter uns'rem Fuß ist Mondenschein.
Es drängt die Zeit, sie will uns weiter treiben,
Mehr als du glaubst, wird noch zu schauen sein!«
E già la luna è sotto i nostri piedi;
lo tempo è poco omai che n'è concesso,
e altro è da veder che tu non vedi".
015
»Hätt'st du den Grund gekannt, um noch zu bleiben,«
Gab Antwort ich, »und dort hinab zu schau'n,
Du hätt'st gezögert, Eile vorzuschreiben.«
"Se tu avessi", rispuos'io appresso,
"atteso a la cagion per ch'io guardava,
forse m'avresti ancor lo star dimesso".
018
Er ging voran, ich folgte voll Vertrau'n,
Und gab ihm weit're Antwort dann im Gehen,
Zufügend: »In der Höhle dunklem Grau'n
Parte sen giva, e io retro li andava,
lo duca, già faccendo la risposta,
e soggiugnendo: "Dentro a quella cava
021
Wohin die Augen ich geschickt zum Sehen,
Glaub' ich, beweint ein Geist mir blutsverwandt
Die Schuld, die dort so teuer kommt zu stehen.«
dov'io tenea or li occhi sì a posta,
credo ch'un spirto del mio sangue pianga
la colpa che là giù cotanto costa".
024
Mein Meister drauf: »Es sei von dir verbannt
Das Denken über ihn, denn lerne kennen
Jetzt anderes; drum laß ihn wo er stand!
Allor disse 'l maestro: "Non si franga
lo tuo pensier da qui innanzi sovr'ello.
Attendi ad altro, ed ei là si rimanga;
027
Ich sah ihn zu dem Fuß des Brückleins rennen.
Auf dich mit Fingern zeigend, droht er dort.
Geri del Bello hörte ich ihn nennen.
ch'io vidi lui a piè del ponticello
mostrarti e minacciar forte col dito,
e udi' 'l nominar Geri del Bello.
030
Du aber sahst nur den aus Autafort,
Der nahm dich gänzlich hin, als er gesprochen,
Den andern sahst du nimmer, bis er fort.«
Tu eri allor sì del tutto impedito
sovra colui che già tenne Altaforte,
che non guardasti in là, sì fu partito".
033
»O Meister,» sprach ich, »dieser ward erstochen,
Doch keiner, der teilhaftig seiner Schmach,
Hat diese blut'ge Tat bisher gerochen.
"O duca mio, la vïolenta morte
che non li è vendicata ancor", diss'io,
"per alcun che de l'onta sia consorte,
036
Dess' zürnt er, und wenn er mit mir nicht sprach,
So muß ich glauben, ist's aus diesem Grunde.
Mit größ'rem Mitleid noch geht das mir nach.«
fece lui disdegnoso; ond'el sen gio
sanza parlarmi, sì com'ïo estimo:
e in ciò m' ha el fatto a sé più pio".
039
So sprechend, nahten wir der andern Runde
Des Tals, am ersten Grat der Felsenwand.
Wär's lichter, säh'n das Tal wir bis zum Grunde.
Così parlammo infino al loco primo
che de lo scoglio l'altra valle mostra,
se più lume vi fosse, tutto ad imo.
042
Als wir gekommen an den letzten Rand
Des Unheilschacht's, sah'n wir gefüllt das Becken
Mit Laienbrüdern, die dorthin verbannt.
Quando noi fummo sor l'ultima chiostra
di Malebolge, sì che i suoi conversi
potean parere a la veduta nostra,
045
Die lauten Klagen mich wie Pfeile schrecken,
Als wär' von Mitleid angeschärft ihr Stahl,
Die Ohren mußt' ich mit den Händen decken. -
lamenti saettaron me diversi,
che di pietà ferrati avean li strali;
ond'io li orecchi con le man copersi.
048
Wär' aufgehäuft der Schmerz vom Hospital
Zu Valdichiana in den Fiebertagen,
Würd' der Maremma und Sardiniens Qual
Qual dolor fora, se de li spedali
di Valdichiana tra 'l luglio e 'l settembre
e di Maremma e di Sardigna i mali
051
Vereint in eines Grabens Schlund getragen,
So wär's, wie hier: der Stank dem Stanke glich
Von Gliedern, die schon in Verwesung lagen.
fossero in una fossa tutti 'nsembre,
tal era quivi, e tal puzzo n'usciva
qual suol venir de le marcite membre.
054
Der Weg nach links am langen Felsen wich
Abwärts, wo er den letzten Strand berühret,
Ihn gingen wir; mein Auge schärfte sich,
Noi discendemmo in su l'ultima riva
del lungo scoglio, pur da man sinistra;
e allor fu la mia vista più viva
057
Den Grund zu schauen, wo das Szepter führet
Des höchsten Herren Allgerechtigkeit,
Die für die Fälscher härt'ste Strafen küret.
giù ver' lo fondo, là 've la ministra
de l'alto Sire infallibil giustizia
punisce i falsador che qui registra.
060
Es herrschte nimmer größ're Traurigkeit,
Als in Aegina alles Volk verseuchte
An gift'ger Luft, und das Getier zur Zeit
Non credo ch'a veder maggior tristizia
fosse in Egina il popol tutto infermo,
quando fu l'aere sì pien di malizia,
063
Hinstarb, mit allem was da kreucht und fleuchte,
Mitsamt dem Volk, das einstens dort gebeut',
Und, was den Dichtern als Gewißheit deuchte,
che li animali, infino al picciol vermo,
cascaron tutti, e poi le genti antiche,
secondo che i poeti hanno per fermo,
066
Sich später aus Ameisenbrut erneut,
Als dieses dunkle Tal sah, Geister klagen,
Dort zu verschiednen Haufen hingestreut,
si ristorar di seme di formiche;
ch'era a veder per quella oscura valle
languir li spirti per diverse biche.
069
Die auf dem Bauch und auf dem Rücken lagen.
Noch andre aber krochen bäuchlings fort
Auf diesem Elendspfad. Wir aber wagen
Qual sovra 'l ventre e qual sovra le spalle
l'un de l'altro giacea, e qual carpone
si trasmutava per lo tristo calle.
072
Uns Schritt für Schritt nur vor und ohne Wort.
So sahen wir und hörten wir die Kranken,
Die ihren Leib nicht heben konnten dort.
Passo passo andavam sanza sermone,
guardando e ascoltando li ammalati,
che non potean levar le lor persone.
075
Und zweie sitzend aneinander sanken,
(Wie man zum Wärmen Pann' an Pfanne setzt),
Bedeckt mit Schorf an Beinen, Kopf und Flanken.
Io vidi due sedere a sé poggiati,
com'a scaldar si poggia tegghia a tegghia,
dal capo al piè di schianze macolati;
078
Nie sah ich je beim Striegeln so gehetzt,
Wenn er den Herrn erwartet, einen Knaben,
Noch einen, der nach Arbeit Ruhe schätzt,
e non vidi già mai menare stregghia
a ragazzo aspettato dal segnorso,
né a colui che mal volontier vegghia,
081
So schnell, wie die sich hier mit Nägeln schaben,
Weil sie des Juckens Reiz versetzt in Wut,
Für dessen Schmerz sie keine Hilfe haben.
come ciascun menava spesso il morso
de l'unghie sopra sé per la gran rabbia
del pizzicor, che non ha più soccorso;
084
Den Schorf zerfetzt der Nagel bis aufs Blut,
Wie es das Küchenmesser bei den Brassen
Und auch bei Fischen größ'rer Schuppen tut.
e sì traevan giù l'unghie la scabbia,
come coltel di scardova le scaglie
o d'altro pesce che più larghe l'abbia.
087
Drauf hat sich so mein Führer hören lassen:
»Wer bist denn du, der schuppend sich kasteit
Und dessen Nägel scharf wie Zangen fassen?
"O tu che con le dita ti dismaglie",
cominciò 'l duca mio a l'un di loro,
"e che fai d'esse talvolta tanaglie,
090
Gestehe, sind Latiner hier zur Zeit?
(So deiner Nägel Arbeit nicht versagen
Dir möge bis in alle Ewigkeit!)«
dinne s'alcun Latino è tra costoro
che son quinc'entro, se l'unghia ti basti
etternalmente a cotesto lavoro".
093
»Latiner sind wir beide, arg zerschlagen,
Wie du uns siehst,« sprach unter Tränen er,
»Doch wer bist du, der uns gestellt die Fragen?«
"Latin siam noi, che tu vedi sì guasti
qui ambedue", rispuose l'un piangendo;
"ma tu chi se' che di noi dimandasti?".
096
Mein Führer drauf: »Von Fels zu Felsen her
Der Lebende und ich die Wege fanden.
Die Hölle ihm zu zeigen mein Begehr!«
E 'l duca disse: "I' son un che discendo
con questo vivo giù di balzo in balzo,
e di mostrar lo 'nferno a lui intendo".
099
Da sah ich, wie die beiden sich entbanden,
Und bebend sahn sie mich mit and'ren an,
Die wohl im Widerhall mein Wort verstanden.
Allor si ruppe lo comun rincalzo;
e tremando ciascuno a me si volse
con altri che l'udiron di rimbalzo.
102
Mein guter Meister trat an mich heran
Und sprach: »Frag' jetzt, sie werden Antwort geben.«
Worauf ich so auf sein Geheiß begann:
Lo buon maestro a me tutto s'accolse,
dicendo: "Dì a lor ciò che tu vuoli";
e io incominciai, poscia ch'ei volse:
105
»Wollt für die erste Welt ihr noch erstreben,
Daß euer Andenken sich nicht schwächt
Und noch viel Jahre blühe fort im Leben,
"Se la vostra memoria non s'imboli
nel primo mondo da l'umane menti,
ma s'ella viva sotto molti soli,
108
Sagt, wer ihr seid, weß Art und weß Geschlecht.
Euch mögen eure läst'gen, eklen Plagen
Nicht schrecken, euch zu offenbaren! Sprecht!«
ditemi chi voi siete e di che genti;
la vostra sconcia e fastidiosa pena
di palesarvi a me non vi spaventi".
111
»Einst in Arezzo,« hört ich einen sagen,
»Hat Albert von Siena mich verbrannt,
Doch darum bin ich nicht hierher verschlagen.
"Io fui d'Arezzo, e Albero da Siena",
rispuose l'un, "mi fé mettere al foco;
ma quel per ch'io mori' qui non mi mena.
114
Wahr ist's, daß ich ihm einst im Scherz bekannt,
Ich könnte fliegend mich vom Boden trennen.
Und er, dess' Wunsch gar groß, klein sein Verstand,
Vero è ch'i' dissi lui, parlando a gioco:
"I' mi saprei levar per l'aere a volo";
e quei, ch'avea vaghezza e senno poco,
117
Verlangte, diese Kunst von mir zu kennen.
Weil ich nicht konnt' als Dädalus besteh'n,
Ließ er durch seinen Pfleg'sohn mich verbrennen.
volle ch'i' li mostrassi l'arte; e solo
perch'io nol feci Dedalo, mi fece
ardere a tal che l'avea per figliuolo.
120
Doch bracht' zum letzten Schachte von den zehn
Mich Alchemie, in diese Schlucht Gewimmer
Warf Minos mich, der nimmer sich versehn.«
Ma ne l'ultima bolgia de le diece
me per l'alchìmia che nel mondo usai
dannò Minòs, a cui fallar non lece".
123
Zum Dichter sprach ich da: »Es gab doch nimmer
So eitles Volk, wie das Sienas war,
Auch die Franzosen, wahrlich, sind nicht schlimmer!«
E io dissi al poeta: "Or fu già mai
gente sì vana come la sanese?
Certo non la francesca sì d'assai!".
126
Der eine, der voll Aussatz ganz und gar,
Rief mir drauf zu: »Den Stricca ausgenommen,
Der als Verschwender noch höchst mäßig zwar,
Onde l'altro lebbroso, che m'intese,
rispuose al detto mio: "Tra' mene Stricca
che seppe far le temperate spese,
129
Und Nicolo, von dem der Brauch gekommen,
Der teuren Nelkenwürze, der sie fand
Wo ihr des Gartens Boden mochte frommen.
e Niccolò che la costuma ricca
del garofano prima discoverse
ne l'orto dove tal seme s'appicca;
132
Und jene lose Sippschaft, die wie Tand
Askanios Weinberg und die Forst verschwendet,
Der Abbagliato's Witz zur Seite stand.
e tra' ne la brigata in che disperse
Caccia d'Ascian la vigna e la gran fonda,
e l'Abbagliato suo senno proferse.
135
Doch daß du wissest, wer dir Beifall spendet
Als Feind Sienas, laß dein Auge späh'n
Auf mich, und wenn sich Blick zum Blicke wendet,
Ma perché sappi chi sì ti seconda
contra i Sanesi, aguzza ver' me l'occhio,
sì che la faccia mia ben ti risponda:
138
So wirst du des Capocchio's Schatten seh'n,
Der Falschmetall durch Alchemie geschaffen!
Seh' recht ich, muß mein Bild vor dir ersteh'n,
sì vedrai ch'io son l'ombra di Capocchio,
che falsai li metalli con l'alchìmia;
e te dee ricordar, se ben t'adocchio,
141
Als eines der Natur rechtschaff'nen Affen.
com'io fui di natura buona scimia".

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