003
»O Jungfrau-Mutter, Tochter deines Sohnes,
Gering und hoch, wie's keine Kreatur ward,
Du vorbestimmter Schluß des ewigen Thrones,
«Vergine Madre, figlia del tuo figlio,
umile e alta più che creatura,
termine fisso d'etterno consiglio,
006
Du bist's, durch die erhöht die Menschnatur ward
So sehr, daß sich der Schöpfer nicht bedachte
Und ihre Schöpfung auf der Erdenflur ward!
tu se' colei che l'umana natura
nobilitasti sì, che 'l suo fattore
non disdegnò di farsi sua fattura.
009
In deinem Schoß ist's, daß sich neu entfachte
Die Liebe, deren Glut in ewigem Frieden
Der Blume hier so üppiges Wachstum brachte.
Nel ventre tuo si raccese l'amore,
per lo cui caldo ne l'etterna pace
così è germinato questo fiore.
012
Uns hier bist du als Mittagschein beschieden
Der Liebe, wie du lebende Fontäne
Der Hoffnung bist den Sterblichen danieden.
Qui se' a noi meridïana face
di caritate, e giuso, intra ' mortali,
se' di speranza fontana vivace.
015
Dir reicht so weit, o Fraue, die Domäne:
Wer Heil sucht und zu dir nicht kommt, dem frommen
Zum Fliegen nicht die flügellosen Pläne.
Donna, se' tanto grande e tanto vali,
che qual vuol grazia e a te non ricorre,
sua disïanza vuol volar sanz' ali.
018
Nicht nur wenn Zuflucht man zu dir genommen,
Hilft deine Huld; mit willigem Gemüte
Ist sie der Bitte oft zuvorgekommen.
La tua benignità non pur soccorre
a chi domanda, ma molte fïate
liberamente al dimandar precorre.
021
Bei dir ist Mitleid und bei dir ist Güte,
Bei dir ist Großmut, ja, bei dir in einem,
Was immer ein Geschöpf an Güte hüte.
In te misericordia, in te pietate,
in te magnificenza, in te s'aduna
quantunque in creatura è di bontate.
024
Vun ruft dich dieser, dem gezeigt wie keinem
Vom tiefsten Pfuhl des Weltalls nach der Reihe
Der Geister Leben bis zu unsereinem,
Or questi, che da l'infima lacuna
de l'universo infin qui ha vedute
le vite spiritali ad una ad una,
027
Um Gnade an, daß sie die Kraft ihm leihe,
Mit seinen Augen höher noch zu gehen
Bis zu des höchsten Heiles letzter Weihe!
supplica a te, per grazia, di virtute
tanto, che possa con li occhi levarsi
più alto verso l'ultima salute.
030
Und ich, der nie geglüht für eignes Sehen
Wie jetzt für seins, ich bitte dich inständigst,
Laß unerhört die Bitte nicht verwehen,
E io, che mai per mio veder non arsi
più ch'i' fo per lo suo, tutti miei prieghi
ti porgo, e priego che non sieno scarsi,
033
Daß du ihm bittend jede Schranke bändigst
Der Sterblichkeit, so daß die höchste Liebe
Und Lust sich ihm entfalten mag lebendigst.
perché tu ogne nube li disleghi
di sua mortalità co' prieghi tuoi,
sì che 'l sommo piacer li si dispieghi.
036
Noch bitt ich, Herrin, der unmöglich bliebe
Nichts, was du willst, gesund ihm zu erhalten
Nach all dem Schauen seines Herzens Triebe.
Ancor ti priego, regina, che puoi
ciò che tu vuoli, che conservi sani,
dopo tanto veder, li affetti suoi.
039
Dein Schutz besiege irdische Gewalten:
Sieh Beatrice mit so vielen Seelen
Für mein Gebet zu dir die Hände falten!« +
Vinca tua guardia i movimenti umani:
vedi Beatrice con quanti beati
per li miei prieghi ti chiudon le mani!».
042
Die Augen, Gottes teuerste Juwelen,
Bewiesen, wie sie an, dem Beter hingen,
Wie sehr sich fromme Bitten ihr empfehlen,
Li occhi da Dio diletti e venerati,
fissi ne l'orator, ne dimostraro
quanto i devoti prieghi le son grati;
045
Um dann zum ewigen Licht sich aufzuschwingen,
Und keiner glaub, daß ein Geschöpf sich fände,
Des Auge dort so klar hinein könnt dringen.
indi a l'etterno lume s'addrizzaro,
nel qual non si dee creder che s'invii
per creatura l'occhio tanto chiaro.
048
Und ich, der ich nun aller Sehnsucht Ende
Schon näherkam, ich ließ in mir, wie schicklich,
Verlöschen des Verlangens Feuerbrände.
E io ch'al fine di tutt' i disii
appropinquava, sì com' io dovea,
l'ardor del desiderio in me finii.
051
Und lächelnd winkte Bernhard mir erquicklich,
Emporzuschaun, doch, nicht des Unterrichtes
Bedürftig, war ich dort schon augenblicklich.
Bernardo m'accennava, e sorridea,
perch' io guardassi suso; ma io era
già per me stesso tal qual ei volea:
054
So klar doch ward die Kraft mir des Gesichtes
Und tief und tiefer mir der Strahl zugänglich
Des hohen, in sich selber wahren Lichtes.
ché la mia vista, venendo sincera,
e più e più intrava per lo raggio
de l'alta luce che da sé è vera.
057
Von nun an ist die Sprache unzulänglich
Für was ich schaute; sie muß unterliegen
Und dem Gedächtnis wird's zu überschwenglich.
Da quinci innanzi il mio veder fu maggio
che 'l parlar mostra, ch'a tal vista cede,
e cede la memoria a tanto oltraggio.
060
Wie, wem im Traum Gesichte aufgestiegen,
Auch nach dem Schlaf geblieben die Erregung,
Indes die Einzelheiten rasch verfliegen,
Qual è colüi che sognando vede,
che dopo 'l sogno la passione impressa
rimane, e l'altro a la mente non riede,
063
So geht es mir. Fast schwindet bei Zerlegung
Die ganze Schau: die Süße, draus gewonnen,
Die aber träuft noch in des Herzens Hegung.
cotal son io, ché quasi tutta cessa
mia visïone, e ancor mi distilla
nel core il dolce che nacque da essa.
066
So ist der Schnee zergangen an der Sonnen;
So der Sibylle heimliches Erkenntnis
Auf leichtem Blatt beim Windeshauch entronnen.
Così la neve al sol si disigilla;
così al vento ne le foglie levi
si perdea la sentenza di Sibilla.
069
O höchstes Licht, dem menschlichen Verständnis
So hoch entrückt, bring wieder mir ein kleines
Von dem, wie du erschienen bist, zur Kenntnis;
O somma luce che tanto ti levi
da' concetti mortali, a la mia mente
ripresta un poco di quel che parevi,
072
Und meiner Sprachgewalt gewähre eines:
Daß ich der Nachwelt dien mit Hinterlassung
Von einem Funken deines Glorienscheines!
e fa la lingua mia tanto possente,
ch'una favilla sol de la tua gloria
possa lasciare a la futura gente;
075
Je mehr dem Geist ja schwindet die Verblassung,
Je mehr dies Lied den Widerklang vollendet,
Glückt andern deiner Siegerkraft Erfassung! +
ché, per tornare alquanto a mia memoria
e per sonare un poco in questi versi,
più si conceperà di tua vittoria.
078
Ich glaube, mit dem Glast, den er entsendet,
Hätt mich der Lebensstrahl gemacht zuschanden,
Wenn ich die Augen von ihm weggewendet;
Io credo, per l'acume ch'io soffersi
del vivo raggio, ch'i' sarei smarrito,
se li occhi miei da lui fossero aversi.
081
Doch so viel weiß ich, daß, was ich bestanden,
So meinen Augen immer kühner Blut gab,
Daß sie sich mit der Allkraft selbst verbanden.
E' mi ricorda ch'io fui più ardito
per questo a sostener, tanto ch'i' giunsi
l'aspetto mio col valore infinito.
084
O Gnadenüberschwang, der mir den Mut gab,
Den Blick zu steuern in das Licht gewaltig,
Bis meine Sehkraft äußersten Tribut gab!
Oh abbondante grazia ond' io presunsi
ficcar lo viso per la luce etterna,
tanto che la veduta vi consunsi!
087
In seiner Tiefe sah ich vielgestaltig,
Gebunden in ein einzig Buch der Liebe,
Der Welt zerstreute Blätter mannigfaltig.
Nel suo profondo vidi che s'interna,
legato con amore in un volume,
ciò che per l'universo si squaderna:
090
Substanz und Akzidenz und ihr Getriebe
War gleichsam solcherart in eins verschlungen
Daß jedes Wort ein blasser Schimmer bliebe.
sustanze e accidenti e lor costume
quasi conflati insieme, per tal modo
che ciò ch'i' dico è un semplice lume.
093
Dennoch ist, glaub ich, mir zu sehn gelungen
Des Knotens Grundform; denn indem ich's sage,
Wird weit mein Herz bei den Erinnerungen.
La forma universal di questo nodo
credo ch'i' vidi, perché più di largo,
dicendo questo, mi sento ch'i' godo.
096
's ist ferner mir entrückt mit einem Schlage,
Als was Neptun bestaunt, der Argoschatten,
Durch zweieinhalbjahrtausendlange Tage.
Un punto solo m'è maggior letargo
che venticinque secoli a la 'mpresa
che fé Nettuno ammirar l'ombra d'Argo.
099
So schaut' mein Geist denn ohne zu ermatten,
Gespannt, in unbeweglicher Verhaltung,
Und immer schürt' die Schau den Nimmersatten.
Così la mente mia, tutta sospesa,
mirava fissa, immobile e attenta,
e sempre di mirar faceasi accesa.
102
Dies Licht schafft einem solche Umgestaltung,
Daß man für andern Anblick außerstand ist
Zu dulden seiner Anteilnahme Spaltung.
A quella luce cotal si diventa,
che volgersi da lei per altro aspetto
è impossibil che mai si consenta;
105
Das Heil doch, das des Willens Gegenstand ist,
Ist hier vereint, so daß was drin verbunden
Vollendet, Stückwerk außer dein Verband ist.
però che 'l ben, ch'è del volere obietto,
tutto s'accoglie in lei, e fuor di quella
è defettivo ciò ch'è lì perfetto.
108
Fortan wird auch für das, was nicht entschwunden,
Mein Reden karger sein als das des Kleinen,
Das an der Brust sich noch die Milch läßt munden.
Omai sarà più corta mia favella,
pur a quel ch'io ricordo, che d'un fante
che bagni ancor la lingua a la mammella.
111
Nicht, daß in dem beschauten Licht, dem einen
Lebendigen, der Anblick nicht einheitlich,
Denn wie es war, so wird es ewig scheinen;
Non perché più ch'un semplice sembiante
fosse nel vivo lume ch'io mirava,
che tal è sempre qual s'era davante;
114
Vielmehr verstärkt' mein Schaun die Sehkraft weidlich,
Und so bemächtigt' sich die Wandlung meiner,
Daß sich das Eine wandelt' unvermeidlich.
ma per la vista che s'avvalorava
in me guardando, una sola parvenza,
mutandom' io, a me si travagliava.
117
Da sah ich in des Urlichts tiefer reiner
Grundwesenheit der Kreise drei gezogen;
Die Farben waren drei, der Umfang einer.
Ne la profonda e chiara sussistenza
de l'alto lume parvermi tre giri
di tre colori e d'una contenenza;
120
Und einer war, wie bei zwei Regenbogen,
Des zweiten Widerschein, der dritte Feuer,
Von hier und dort enthaucht in gleichen Wogen.
e l'un da l'altro come iri da iri
parea reflesso, e 'l terzo parea foco
che quinci e quindi igualmente si spiri.
123
Wie ist mein Wort so schwach, so ungeheuer
Fern dem Begriff! Und den gering zu nennen,
Dem Schaun verglichen, schätzt ihn noch zu teuer.
Oh quanto è corto il dire e come fioco
al mio concetto! e questo, a quel ch'i' vidi,
è tanto, che non basta a dicer 'poco'.
126
O ewig Licht, von dir nur zu erkennen,
In dir nur ruhnd, das du, von dir verstanden,
Und dich verstehnd, dir lachst im Liebesbrennen!
O luce etterna che sola in te sidi,
sola t'intendi, e da te intelletta
e intendente te ami e arridi!
129
Die Kreisung, die sich so in dir entstanden
Erwies, als rückgestrahltes Leuchten, schwang sich,
Als sie mein Blick ein wenig konnt umranden,
Quella circulazion che sì concetta
pareva in te come lume reflesso,
da li occhi miei alquanto circunspetta,
132
Um unser Ebenbild, doch dieses rang sich
Hervor in eigner Farbe; drum versenkte
Nun ganz und gar darein des Schauens Drang sich.
dentro da sé, del suo colore stesso,
mi parve pinta de la nostra effige:
per che 'l mio viso in lei tutto era messo.
135
Doch wie ein Geometer, der sich strengte,
Des Zirkels Quadratur, betörter Meinung,
Zu lösen, nimmermehr zum Grundsatz lenkte,
Qual è 'l geomètra che tutto s'affige
per misurar lo cerchio, e non ritrova,
pensando, quel principio ond' elli indige,
138
So traf auch mich das Neue der Erscheinung:
Ich wollte Bild und Kreis zusammenbringen
In eins, verstehn das Wesen der Vereinung.
tal era io a quella vista nova:
veder voleva come si convenne
l'imago al cerchio e come vi s'indova;
141
Doch dazu reichten nicht die eignen Schwingen,
Bis durch den Geist mir fuhr ein Blitzgestiebe
Und mich Erfüllung dennoch ließ erringen.
ma non eran da ciò le proprie penne:
se non che la mia mente fu percossa
da un fulgore in che sua voglia venne.
144
Hier schwand die hohe Phantasie; die Triebe
Jedoch von Wunsch und Willen schwangen gerne
Sich wie ein stetes Schwungrad nach der Liebe,
A l'alta fantasia qui mancò possa;
ma già volgeva il mio disio e 'l velle,
sì come rota ch'igualmente è mossa,
147
Die da die Sonne rollt und alle Sterne.
l'amor che move il sole e l'altre stelle.

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