003
Vom Mittelpunkt zum Kreis, vom Kreis zum Centrum
Wallt Wasser im runden Gefäß, nachdem es
Von Außem oder Innen wird bewegt.
Dal centro al cerchio, e sì dal cerchio al centro
movesi l'acqua in un ritondo vaso,
secondo ch'è percosso fuori o dentro:
006
Was ich hier sage fiel mir plötzlich ein,
Sobald als die gebenedeite Seele
Des Bruder Thomas aufgehört zu reden,
ne la mia mente fé sùbito caso
questo ch'io dico, sì come si tacque
la glorïosa vita di Tommaso,
009
Von wegen der entschiednen Aehnlichkeit,
Von seiner Rede und der Beatrice's,
Der also zu beginnen jetzt gefiel:
per la similitudine che nacque
del suo parlare e di quel di Beatrice,
a cui sì cominciar, dopo lui, piacque:
012
Es thut hier diesem Noth, sagt er es gleich nicht,
Weder mit Worten, noch selbst in Gedanken,
Noch eine andre Wahrheit zu ergründen.
«A costui fa mestieri, e nol vi dice
né con la voce né pensando ancora,
d'un altro vero andare a la radice.
015
So sagt ihm denn, ob ewiglich wird bleiben
Bei euch das Licht, so wie es jetzo ist,
Worin allhier erblühet euer Wesen.
Diteli se la luce onde s'infiora
vostra sustanza, rimarrà con voi
etternalmente sì com' ell' è ora;
018
Und wenn es bleibt, so sagt ihm wie nachher,
Wenn sichtbar wiederum ihr seid geworden,
Es möglich, daß am Sehn es euch nicht hindre.
e se rimane, dite come, poi
che sarete visibili rifatti,
esser porà ch'al veder non vi nòi».
021
Wie von mehr Lust getrieben und gezogen,
Zuweilen die im Kreise Tanzenden,
Die Stimm' erhöhn und die Bewegung steigern,
Come, da più letizia pinti e tratti,
a la fïata quei che vanno a rota
levan la voce e rallegrano li atti,
024
So zeigten bei der frommen, eil'gen Bitte
Die sel'gen Kränze neue Freude durch
Ihr Kreisen und den wunderbaren Sang.
così, a l'orazion pronta e divota,
li santi cerchi mostrar nova gioia
nel torneare e ne la mira nota.
027
Wer sich beklagt, daß man hier sterben muß,
Um dort zu leben, der sah die Erquickung
Des ew'gen Regens von dort oben nicht.
Qual si lamenta perché qui si moia
per viver colà sù, non vide quive
lo refrigerio de l'etterna ploia.
030
Der eins und zwei und drei ist, immer lebet,
Und immer herrscht in drei und zwei und eins,
Umschrieben nicht und alles doch umschreibend,
Quell' uno e due e tre che sempre vive
e regna sempre in tre e 'n due e 'n uno,
non circunscritto, e tutto circunscrive,
033
Der ward dreimal von jedem dieser Geister
In solcher Melodie besungen, daß
Es voller Lohn jedes Verdienstes wäre.
tre volte era cantato da ciascuno
di quelli spirti con tal melodia,
ch'ad ogne merto saria giusto muno.
036
Und in dem göttlichsten der Lichter hört' ich
Vom kleinen Kreis' aus mit so sanfter Stimme,
Wie die des Engels wohl an die Maria
E io udi' ne la luce più dia
del minor cerchio una voce modesta,
forse qual fu da l'angelo a Maria,
039
Sagen: So lang' als dauern wird die Wonne
Des Paradieses, wird auch unsre Liebe
Rings um uns her ein solches Kleid ausstrahlen.
risponder: «Quanto fia lunga la festa
di paradiso, tanto il nostro amore
si raggerà dintorno cotal vesta.
042
Es richtet sich sein Leuchten nach der Inbrunst,
Die Inbrunst nach dem Schaun, und dies hängt ab
Von Gnade, die über Verdienst verliehn.
La sua chiarezza séguita l'ardore;
l'ardor la visïone, e quella è tanta,
quant' ha di grazia sovra suo valore.
045
Wenn wiederum das heil'ge und glorreiche
Fleisch uns bekleidet, wird unsre Person
Gott angenehmer sein, weil sie vollständig,
Come la carne glorïosa e santa
fia rivestita, la nostra persona
più grata fia per esser tutta quanta;
048
Wodurch das Licht zunehmen wird, das uns
Das höchste Gut aus freier Gnade spendet,
Ein Licht, das ihn zu schauen uns befähigt;
per che s'accrescerà ciò che ne dona
di gratüito lume il sommo bene,
lume ch'a lui veder ne condiziona;
051
Weshalb das Schauen denn auch wachsen muß,
Wachsen die Inbrunst, die draus sich erzeugt,
Wachsen die Klarheit, die von ihr ausgeht.
onde la visïon crescer convene,
crescer l'ardor che di quella s'accende,
crescer lo raggio che da esso vene.
054
Doch einer Kohle gleich die Flammen sprüht,
Und diese doch an Glanz noch überwindet,
So daß sie in der Flamme noch erkennbar,
Ma sì come carbon che fiamma rende,
e per vivo candor quella soverchia,
sì che la sua parvenza si difende;
057
So wird das Licht, das jetzt uns schon umkreiset
In der Erscheinung von dem Fleisch besiegt,
Welches anjetzt die Erde noch bedecket.
così questo folgór che già ne cerchia
fia vinto in apparenza da la carne
che tutto dì la terra ricoperchia;
060
Und doch wird so viel Licht uns nicht beläst'gen,
Weil unsres Leib's Organe stark sein werden
Alles zu tragen, was uns mag erfreun.
né potrà tanta luce affaticarne:
ché li organi del corpo saran forti
a tutto ciò che potrà dilettarne».
063
So eilig und beeifert schienen mir
Der ein' und andre Chor Amen zu sagen,
Daß sie den Wunsch wohl zeigten nach dem Leichnam.
Tanto mi parver sùbiti e accorti
e l'uno e l'altro coro a dicer «Amme!»,
che ben mostrar disio d'i corpi morti:
066
Vielleicht nicht bloß für sich, auch für die Mütter,
Die Väter und die andern, die sie liebten,
Bevor sie ew'ge Flammen noch geworden.
forse non pur per lor, ma per le mamme,
per li padri e per li altri che fuor cari
anzi che fosser sempiterne fiamme.
069
Und siehe, rings erschien von gleicher Klarheit
Ein Leuchten über dem, das schon vorhanden,
Dem Horizonte gleich, wenn er sich aufklärt.
Ed ecco intorno, di chiarezza pari,
nascere un lustro sopra quel che v'era,
per guisa d'orizzonte che rischiari.
072
Und so wie bei des Abends erstem Eintritt
Neues beginnt am Himmel sich zu zeigen,
So daß das Aug' unsicher, ob es wahr ist,
E sì come al salir di prima sera
comincian per lo ciel nove parvenze,
sì che la vista pare e non par vera,
075
So schien es mir, als fing' ich an zu sehen
Neue Substanzen dort, die eine Kreisung
Außerhalb jener andern bildeten.
parvemi lì novelle sussistenze
cominciare a vedere, e fare un giro
di fuor da l'altre due circunferenze.
078
O wahres Funkeln des heiligen Geistes,
Wie trat es plötzlich und so glühend doch
Vor meine Augen, die es nicht ertrugen!
Oh vero sfavillar del Santo Spiro!
come si fece sùbito e candente
a li occhi miei che, vinti, nol soffriro!
081
Doch es erschien so schön und lächelnd mir
Beatrix, daß mit andrem was der Geist
Nicht fassen konnte, ich es lassen muß.
Ma Bëatrice sì bella e ridente
mi si mostrò, che tra quelle vedute
si vuol lasciar che non seguir la mente.
084
Dadurch gewannen neue Kraft die Augen
Sich zu erheben, und ich sah versetzt mich
Zu höhrem Heil, allein mit meiner Herrin.
Quindi ripreser li occhi miei virtute
a rilevarsi; e vidimi translato
sol con mia donna in più alta salute.
087
Wohl ward gewahr ich, daß ich mehr erhoben
An dieses Sternes glühenderem Lächeln,
Das röthlicher als sonst gewöhnlich schien.
Ben m'accors' io ch'io era più levato,
per l'affocato riso de la stella,
che mi parea più roggio che l'usato.
090
Dankopfer bracht' ich dar von ganzem Herzen
In jener Sprache, die da gleich in allen,
Wie sich's geziemte für die neue Gnade.
Con tutto 'l core e con quella favella
ch'è una in tutti, a Dio feci olocausto,
qual conveniesi a la grazia novella.
093
Und noch war nicht des Opfers Gluth erloschen
In meiner Brust, als ich auch schon erkannte,
Daß es ein glücklich aufgenommnes war.
E non er' anco del mio petto essausto
l'ardor del sacrificio, ch'io conobbi
esso litare stato accetto e fausto;
096
Denn mit so vielem Glanz und solcher Röthe
Erschienen Schimmer mir in zweien Strahlen,
Daß ich ausrief: O Gott, wie schmückst du sie!
ché con tanto lucore e tanto robbi
m'apparvero splendor dentro a due raggi,
ch'io dissi: «O Elïòs che sì li addobbi!».
099
So wie geziert mit größren und mit kleinren
Sternen zwischen den Himmelspolen dämmert
Die Milchstraß' und wohl Weisen Zweifel einflößt:
Come distinta da minori e maggi
lumi biancheggia tra ' poli del mondo
Galassia sì, che fa dubbiar ben saggi;
102
Also gestalteten sich in der Tiefe
Des Mars die Strahlen zum hochheil'gen Zeichen,
Das in dem Kreis vereint Quadranten bilden.
sì costellati facean nel profondo
Marte quei raggi il venerabil segno
che fan giunture di quadranti in tondo.
105
Hier unterliegt der Geist meinem Gedächtniß;
Denn an dem Kreuz sah ich so leuchten Christus,
Daß ich kein würdig Gleichniß finden kann.
Qui vince la memoria mia lo 'ngegno;
ché quella croce lampeggiava Cristo,
sì ch'io non so trovare essempro degno;
108
Doch wer sein Kreuz aufnimmt und folget Christus,
Der wird, was ich weglasse, leicht entschuld'gen,
Sieht er in solchem Glanz einst blitzen Christus.
ma chi prende sua croce e segue Cristo,
ancor mi scuserà di quel ch'io lasso,
vedendo in quell' albor balenar Cristo.
111
Von einem Arm zum andern, von der Spitze
Zum Fuße zogen Lichter heftig funkelnd,
Wenn sie sich trafen und vorüberzogen.
Di corno in corno e tra la cima e 'l basso
si movien lumi, scintillando forte
nel congiugnersi insieme e nel trapasso:
114
So sehen wir auf Erden grad und krumm,
Langsam und schnell, ihr Ansehn stets verändernd,
Der Körper lang' und kurze Stäubchen sich
così si veggion qui diritte e torte,
veloci e tarde, rinovando vista,
le minuzie d'i corpi, lunghe e corte,
117
Bewegen in dem Strahl, der da zuweilen
Den Schatten unterbricht, den sich verschaffen
Mit Kunst und Sinn die Menschen sich zu schützen.
moversi per lo raggio onde si lista
talvolta l'ombra che, per sua difesa,
la gente con ingegno e arte acquista.
120
Und wie die wohlgestimmte Geig' und Harfe
Mit vielen Saiten süßen Wohlklang bilden,
Auch dem, der nicht die Melodie vernimmt,
E come giga e arpa, in tempra tesa
di molte corde, fa dolce tintinno
a tal da cui la nota non è intesa,
123
Also erklang am Kreuze von den Lichtern,
Die mir erschienen, eine Melodie,
Entzückend zwar, doch hört' ich nicht die Worte.
così da' lumi che lì m'apparinno
s'accogliea per la croce una melode
che mi rapiva, sanza intender l'inno.
126
Wohl merkt' ich, daß sie höhren Lobes voll,
Da bis zu mir, der hört und nicht verstand,
Die Wort': Ersteh und siege! dennoch drangen.
Ben m'accors' io ch'elli era d'alte lode,
però ch'a me venìa «Resurgi» e «Vinci»
come a colui che non intende e ode.
129
Ich war darob so voll Entzückens, daß
Bis hierher noch kein Gegenstand mich je
Gefesselt hatte mit so süßen Banden.
Ïo m'innamorava tanto quinci,
che 'nfino a lì non fu alcuna cosa
che mi legasse con sì dolci vinci.
132
Vielleicht erscheint mein Wort wohl allzu kühn,
Setz' ich zurück der schönen Augen Wonne,
Die anzuschaun mir jede Sehnsucht stillt;
Forse la mia parola par troppo osa,
posponendo il piacer de li occhi belli,
ne' quai mirando mio disio ha posa;
135
Doch wer bedenkt, daß die lebend'gen Siegel
Jeglicher Schönheit mächt'ger sind nach oben,
Und daß zu ihnen ich mich noch nicht wandte,
ma chi s'avvede che i vivi suggelli
d'ogne bellezza più fanno più suso,
e ch'io non m'era lì rivolto a quelli,
138
Wird das entschuld'gen, was ich zur Entschuld'gung
Mir Schuld gab, und sehn, daß ich wahr geredet,
Da jene heil'ge Lust nicht ausgeschlossen,
escusar puommi di quel ch'io m'accuso
per escusarmi, e vedermi dir vero:
ché 'l piacer santo non è qui dischiuso,
141
Vielmehr beim Höhersteigen reiner wird.
perché si fa, montando, più sincero.

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