003
Nicht hemmte Wort das Gehn noch Gehn das Wort,
Fort im Gespräche ging es ohn' Ermatten,
Dem Schiffe gleich, das guter Wind treibt fort.
Né 'l dir l'andar, né l'andar lui più lento
facea, ma ragionando andavam forte,
sì come nave pinta da buon vento;
006
Und die - so schiens - zweimal gestorbnen Schatten
Sahn staunend mich aus hohlen Augen an,
Da sie lebendig mich gesehen hatten.
e l'ombre, che parean cose rimorte,
per le fosse de li occhi ammirazione
traean di me, di mio vivere accorte.
009
Und ich, fortsetzend was ich erst begann,
Sprach: Eines Andern wegen geht der Geist
Langsamer, als er sonst thut, wohl bergan.
E io, continüando al mio sermone,
dissi: "Ella sen va sù forse più tarda
che non farebbe, per altrui cagione.
012
Doch sprich: wo ist Piccarda, wenn du's weißt?
Ist unter dieser nach mir schaunden Schar
Jemand, der sich bemerkenwerth erweist?
Ma dimmi, se tu sai, dov'è Piccarda;
dimmi s'io veggio da notar persona
tra questa gente che sì mi riguarda".
015
‘Der Schwester, die so schön wie trefflich war
(Kaum weiß ich, welches mehr), ihr schmückt im hehren
Olymp die Siegesekrone schon das Haar,’
"La mia sorella, che tra bella e buona
non so qual fosse più, trïunfa lieta
ne l'alto Olimpo già di sua corona".
018
Sprach er, und weiter: ‘Hier kann niemand wehren
Daß man den Namen nennt von einem jeden,
Weil sich die Züg' im Hunger ganz verzehren.
Sì disse prima; e poi: "Qui non si vieta
di nominar ciascun, da ch'è sì munta
nostra sembianza via per la dïeta.
021
Dies ist - den Finger streckt' er aus beim Reden -
Von Lucca Bonagiunt; Der hinterdrein,
Der an Abmagrung übertrifft jedweden,
Questi", e mostrò col dito, "è Bonagiunta,
Bonagiunta da Lucca; e quella faccia
di là da lui più che l'altre trapunta
024
Schloß einst im Arm die heilige Kirche ein.
Er war aus Tours und hat hier abzudienen
Bolsenas Aalgericht und Firnewein.’
ebbe la Santa Chiesa in le sue braccia:
dal Torso fu, e purga per digiuno
l'anguille di Bolsena e la vernaccia".
027
Noch weiter zeigt' er andere von ihnen;
Gern hörten sie sich nennen, wie es schien,
Denn finster sah ich darum Keines Mienen.
Molti altri mi nomò ad uno ad uno;
e del nomar parean tutti contenti,
sì ch'io però non vidi un atto bruno.
030
Ich sah umsonst vor Hunger Ubaldin
Von Pila käu'n und Bonifacius,
Dem vieles Volk zu weiden ward verliehn;
Vidi per fame a vòto usar li denti
Ubaldin da la Pila e Bonifazio
che pasturò col rocco molte genti.
033
Sah Herrn Marchese, der im Ueberfluß
Schwelgt' in Forli mit minder trockner Kehlen,
Und nimmer satt sich fühlte beim Genuß.
Vidi messer Marchese, ch'ebbe spazio
già di bere a Forlì con men secchezza,
e sì fu tal, che non si sentì sazio.
036
Wie Einer vieles schaut um eins zu wählen,
So macht' ich es mit dem von Lucca dort,
Dem auch von mir nicht Kunde schien zu fehlen.
Ma come fa chi guarda e poi s'apprezza
più d'un che d'altro, fei a quel da Lucca,
che più parea di me aver contezza.
039
Und wie ‘Gentucca’ klang sein murmelnd Wort,
Das dorther kam, wo ihm gerechte Rache
Das Fleisch hinweggezehrt und eingedorrt.
El mormorava; e non so che "Gentucca"
sentiv'io là, ov'el sentia la piaga
de la giustizia che sì li pilucca.
042
O Geist, versetzt' ich, der mit mir Zwiesprache
Gern halten möchte, laß mich dich verstehen,
Daß mich und dich dein Wort befriedigt mache.
"O anima", diss'io, "che par sì vaga
di parlar meco, fa sì ch'io t'intenda,
e te e me col tuo parlare appaga".
045
‘Ein Weib, das Frauenschleir noch nicht umwehen,
Lebt,’ sprach er, ‘ihretwegen wird dir werth
Einst meine Stadt, mag man auch jetzt sie schmähen.
"Femmina è nata, e non porta ancor benda",
cominciò el, "che ti farà piacere
la mia città, come ch'om la riprenda.
048
Du kommst dorthin, voraus vom mir belehrt,
Und ob du meinem Murmeln dürfest trauen,
Wird durch die Wirklichkeit dir einst erklärt.
Tu te n'andrai con questo antivedere:
se nel mio mormorar prendesti errore,
dichiareranti ancor le cose vere.
051
Doch sprich, ob meine Augen Den hier schauen,
Der sang das neue Lied mit dem Beginne:
Die ihr der Liebe kundig seid, ihr Frauen.’
Ma dì s'i' veggio qui colui che fore
trasse le nove rime, cominciando
'Donne ch'avete intelletto d'amore' ".
054
Ich bin ein Dichter, sprach ich, der, wenn Minne
Ihn anweht, aufhorcht, und wie sie geboten,
So schreib' ich, was ich fühlt' in Herz und Sinne.
E io a lui: "I' mi son un che, quando
Amor mi spira, noto, e a quel modo
ch'e' ditta dentro vo significando".
057
‘O Bruder,’ sprach er, ‘jetzt seh' ich den Knoten,
Der dem Notar, Guitton' und mir den Stil,
Den süßen neu'n, von dem du sprachst, verboten.
"O frate, issa vegg'io", diss'elli, "il nodo
che 'l Notaro e Guittone e me ritenne
di qua dal dolce stil novo ch'i' odo!
060
Wohl seh' ich jetzt, wie sorglich euer Kiel
Nur auf dem Fuße folget Amors Lehre;
Wir aber waren weit von solchem Ziel.
Io veggio ben come le vostre penne
di retro al dittator sen vanno strette,
che de le nostre certo non avvenne;
063
Wer drüber weg noch strebt nach höh'rer Sphäre,
Verkennt der beiden Stile Unterschied.’
Er schwieg als ob er nun befriedigt wäre.
e qual più a gradire oltre si mette,
non vede più da l'uno a l'altro stilo";
e, quasi contentato, si tacette.
066
Gleich wie der Vögel Volk, das im Gebiet
Des Nils durchwintert, bald sich häuft in Scharen,
Bald schnellern Flugs in einer Reihe zieht,
Come li augei che vernan lungo 'l Nilo,
alcuna volta in aere fanno schiera,
poi volan più a fretta e vanno in filo,
069
So sah ich hier geschwindern Schrittes fahren
Von uns, den Blick gewandt, der Leute Hauf,
Die leicht durch Magerkeit und Willen waren.
così tutta la gente che lì era,
volgendo 'l viso, raffrettò suo passo,
e per magrezza e per voler leggera.
072
Und wie, wer müde ward vom raschen Lauf,
Die andern ziehn läßt und geht mit Behagen,
Bis in der Brust das Keuchen höret auf:
E come l'uom che di trottare è lasso,
lascia andar li compagni, e sì passeggia
fin che si sfoghi l'affollar del casso,
075
So ließ die heilige Schar Forese jagen,
Und wie wir langsam schritten hinterdrein,
Sprach er: ‘Wann wird ein Wiedersehn uns tagen?’
sì lasciò trapassar la santa greggia
Forese, e dietro meco sen veniva,
dicendo: "Quando fia ch'io ti riveggia?".
078
Und ich: Wie lange währt mein irdisch Sein,
Nicht weiß ichs; doch so frühe komm' ich nicht,
Daß ich nicht wünscht', es möchte früher sein.
"Non so", rispuos'io lui, "quant'io mi viva;
ma già non fïa il tornar mio tantosto,
ch'io non sia col voler prima a la riva;
081
Denn jener Ort, wo mir zu leben Pflicht,
Läßt Tugend mehr von Tag zu Tage schwinden,
Und scheint verfallen grausamem Gericht.
però che 'l loco u' fui a viver posto,
di giorno in giorno più di ben si spolpa,
e a trista ruina par disposto".
084
‘An eines Thieres Schweif seh' ich ihn binden,
Der schuld zumeist, und schleppen ohne Rast
Zum Thal, wo keine Sühne mehr zu finden.
"Or va", diss'el; "che quei che più n' ha colpa,
vegg'ïo a coda d'una bestia tratto
inver' la valle ove mai non si scolpa.
087
Mit jedem Schritte wächst des Thieres Hast,
Bis es, zertretend seinen Leib, mit schweren
Todwunden ihn läßt liegen schnöd erblaßt.
La bestia ad ogne passo va più ratto,
crescendo sempre, fin ch'ella il percuote,
e lascia il corpo vilmente disfatto.
090
Nicht viel mehr werden kreisen diese Sphären -
Und er blickt' himmelan -, so wird dir klar
Was dir mein Wort nicht weiter kann erklären.
Non hanno molto a volger quelle ruote",
e drizzò li occhi al ciel, "che ti fia chiaro
ciò che 'l mio dir più dichiarar non puote.
093
Doch bleibe jetzt zurück, die Zeit ist rar
In diesem Reich, zu viel würd' ich verlieren,
Ging' ich mit dir gleichschreitend immerdar.’
Tu ti rimani omai; ché 'l tempo è caro
in questo regno, sì ch'io perdo troppo
venendo teco sì a paro a paro".
096
Wie aus der Ritter Schar, die her stolziren,
Mnachmal hervorsprengt im Galopp ein Reiter,
Des ersten Angriffs Ruhm zu usurpiren:
Qual esce alcuna volta di gualoppo
lo cavalier di schiera che cavalchi,
e va per farsi onor del primo intoppo,
099
So ging er von mir, ein gar hastiger Schreiter.
Ich mit den zweien, die auf Erden Horte
Des Ruhmes waren, wanderte nun weiter.
tal si partì da noi con maggior valchi;
e io rimasi in via con esso i due
che fuor del mondo sì gran marescalchi.
102
Als Jener nun so weit von unserm Orte,
Daß nachzufolgen ihm mein Blick nicht mehr
Vermochte als mein Geist just seinem Worte,
E quando innanzi a noi intrato fue,
che li occhi miei si fero a lui seguaci,
come la mente a le parole sue,
105
Da zeigt' ein andrer Fruchtbaum sich mit schwer
Beladnen Zweigen in geringer Ferne,
Weil ich den Blick hin wandt' erst kurz vorher.
parvermi i rami gravidi e vivaci
d'un altro pomo, e non molto lontani
per esser pur allora vòlto in laci.
108
Darunter hoben Händ' und Augensterne
Viel Leut' und schrie'n, ich weiß nicht was, hinauf:
So bitten, dummbegehrlich, Kinder gerne,
Vidi gente sott'esso alzar le mani
e gridar non so che verso le fronde,
quasi bramosi fantolini e vani
111
Und nichts erwidert der Gebetne drauf;
Nein! hält, um recht zu steigern ihr Verlangen,
Was sie begehren, vor dem Blick hoch auf.
che pregano, e 'l pregato non risponde,
ma, per fare esser ben la voglia acuta,
tien alto lor disio e nol nasconde.
114
Als sie, Enttäuschten gleich, hinweg gegangen,
Gelangten zu dem großen Baume wir,
Zu dem umsonst so Flehn wie Thränen drangen.
Poi si partì sì come ricreduta;
e noi venimmo al grande arbore adesso,
che tanti prieghi e lagrime rifiuta.
117
‘Ohn' anzurühren geht vorüber hier!
Der Baum, dem der entstammt, steht weiter oben,
Von dem einst Eva aß, zum Unheil ihr.’
"Trapassate oltre sanza farvi presso:
legno è più sù che fu morso da Eva,
e questa pianta si levò da esso".
120
So sprach ich weiß nicht wer im Laube droben;
Weshalb Virgil, Statius und ich zur Seite,
Wo sich der Berg hebt, dichtgedrängt uns schoben.
Sì tra le frasche non so chi diceva;
per che Virgilio e Stazio e io, ristretti,
oltre andavam dal lato che si leva.
123
Es sprach: ‘Gedenkt an das vermaledeite
Der Wolk' entsproßne Volk, das weinesreich
Zweibrüstig einst den Theseus rief zum Streite.
"Ricordivi", dicea, "d'i maladetti
nei nuvoli formati, che, satolli,
Tesëo combatter co' doppi petti;
126
Denkt der Hebräer, die beim Trinken weich
Sich zeigten, und die Gideon drum verschmäht,
Als er gen Midian zog hinab den Steig.’
e de li Ebrei ch'al ber si mostrar molli,
per che no i volle Gedeon compagni,
quando inver' Madïan discese i colli".
129
Wie dicht am Saum hin unser Weg so geht,
Vernahmen wir von weicher Gaumenpflege,
Der trauriger Erfolg zur Seite steht.
Sì accostati a l'un d'i due vivagni
passammo, udendo colpe de la gola
seguite già da miseri guadagni.
132
Dann wieder wallend auf bequemem Wege,
Wohl tausend Schritte zogen wir und mehr,
Still in Betrachtung, und kein Laut ward rege.
Poi, rallargati per la strada sola,
ben mille passi e più ci portar oltre,
contemplando ciascun sanza parola.
135
‘Was geht ihr drei so einsam sinnend her?’
Sprach plötzlich eine Stimme, daß zusammen
Ich fuhr als ob ein scheues Roß ich wär'.
"Che andate pensando sì voi sol tre?",
sùbita voce disse; ond'io mi scossi
come fan bestie spaventate e poltre.
138
Ich sah mich um, woher sie mochte stammen,
Und nie in einem Ofen ward gesehen
Metall und Glas so roth und leuchtend flammen
Drizzai la testa per veder chi fossi;
e già mai non si videro in fornace
vetri o metalli sì lucenti e rossi,
141
Als hier ich Einen sah. ‘Hier müßt ihr drehen,
Wenns euch gefällt zur Höh' emporzukommen,
Zu der, wer Frieden sucht, hinauf muß gehen.’
com'io vidi un che dicea: "S'a voi piace
montare in sù, qui si convien dar volta;
quinci si va chi vuole andar per pace".
144
Sein Anblick hatt' die Sehkraft mir benommen,
Drum wandt' ich mich zu meinen Lehrern hin,
Wie wer dem folgt, was er durchs Ohr vernommen.
L'aspetto suo m'avea la vista tolta;
per ch'io mi volsi dietro a' miei dottori,
com'om che va secondo ch'elli ascolta.
147
Und wie, des Morgenroths Verkünderin,
Die Mailuft bebt und duftet, ganz durchwoben
Vom Hauch der Blumen, würzend jeden Sinn,
E quale, annunziatrice de li albori,
l'aura di maggio movesi e olezza,
tutta impregnata da l'erba e da' fiori;
150
So fühlt' ich auf der Stirne mitten droben
Ein Lüftchen und empfand des Flügels Schwingen,
Von dem das Ambraduften sich erhoben.
tal mi senti' un vento dar per mezza
la fronte, e ben senti' mover la piuma,
che fé sentir d'ambrosïa l'orezza.
153
‘Gesegnet sei,’ so hört' ich es erklingen,
‘Wen Gnade so erleuchtet, daß der Kehle
Gelüst' ihm nicht so sehr die Brust bezwingen,
E senti' dir: "Beati cui alluma
tanto di grazia, che l'amor del gusto
nel petto lor troppo disir non fuma,
156
Denn nach Gerechten hungert seine Seele.’
esurïendo sempre quanto è giusto!".

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