Giuseppe Verdi
Don Carlos
Oper in vier Acten
Personen
Philipp II König von Spanien (Bass)
Elisabeth von Valois, seine Gemahlin (Sopran)
Don Carlos, Infant von Spanien (Tenor)
Prinzessin Eboli (Mezzo-Sopr),
Gräfin von Aremberg (Mezzo-Sopr, Damen der Königin
Marquis von Posa, ein Malteserritter (Bariton),
Graf von Lerma (Tenor), Granden von Spanien
Tebaldo, ein Page der Königin (Sopran)
Ein königlicher Herold (Tenor)
Der Gross Inquisitor des Königreiches, ein Greis von neunzig Jahren und blind (Bass)
Ein Mönch (Bass)
Abgesandte von Flandern und andern Span. Provinzen, Herren und Damen vom Span, Hofe, Volk, Pagen, Leibwachen des Königs, Mönche, Diener der Inquisition, Soldaten, Magistratspersonen, u.s.w.
Die Handlung begiebt sich in Spanien um das Jahr 1560.
Erster Act.
Erste Abtheilung.
Das Kloster von St. Just.
Rechts eine erleuchtete Capelle mit dem Grabe Carls V hinter einem vergoldeten Gitter. Links eine nach Aussen führende Thür. Im Hintergrunde das Portal des Klosters. Davor Garten mit hohen Cypressen. Der Morgen dämmert.
Vorspiel, Introduction und Scene des Mönch’s.
Der Vorhang geht auf.
Ein Mönch kniet still betend am Grabe.
CHOR aus der Capelle.
Carl der fünfte, einst so mächtig,
Ruht in dieses Grabes Höhle,
Und des grossen Kaisers Seele
Steht erbebend schon vor Gott.
DER MÖNCH für sich.
Alles wollt’er beherrschen auf Erden
Und vergass, dass ein Höherer lebt,
Der Planeten und Sonnen regiert;
Sein Stolz war ohne Maass
Und sein Wahn ohne Gleichen.
CHOR w.o.
MÖNCH.
Gross ist der Herr! vor seinem Zorn
Muss erzittern was er erschuf;
Hör mich erbarmender Gott,
Der Sündern Gnade schenkt,
Gieb seiner Seele, der reuerfüllten,
Gieb Frieden ihr, und Ruh die in Demuth sie erfleht.
CHOR.
Lass, Herr, deinen Zorn nicht treffen sein reuig Herz.
Der Tag bricht langsam an. Carlos erscheint bleich unter den Gewölben des Klosters. Er bleibt lauschend stehen und entblösst das Haupt. Man hört Geläut und der Chor der Mönche zieht aus der Capelle kommend über die Bühne nach dem Kloster.
CARLOS.
Sie ist verloren! o allmächtiger Himmel!
Ein Andrer, und ach, mein Vater;
Ein Andrer, und ach, mein Herr,
Hat die Theure mir entrissen,
Die Braut, die heiss geliebte.
Ach wie so rein, ach wie so klar
Erglänzte uns der Tag,
Als wir selig im Hoffen,
Und in Liebe vereint
Verlebten Wonnestunden
Im stolzen, schönen Frankreich,
Dort in den Hainen von Fontainebleau.
Als mein Auge sie erblicket
Fühlt ich Wonnen, nie gekannt,
Ach gar bald hat sie entrücket
Meinem Herzen des Vaters Hand.
Ohne Hoffnung, ohne Freude
Fliesst mein Leben traurig dahin:
Deinem Zauber ich ward zur Beute,
Mein Herz, mein Sehnen, mein Glück.
Du bist verloren, bist mir verloren.
DER MÖNCH welcher Carlos Worte gehört.
Folgt Schmerz und ird’scher Kummer
Dir in des Klosters Mauern:
So bringt des Herzens Stürmen
Der Himmel Ruh’allein.
Man hört eine Glocke, der Mönch zieht sich zurück.
CARLOS.
Seine Stimme … Mein Herz erbebet,
Ich erkannte in ihm den grossen Kaiser selbst.
Das Mönchsgewand verbarg die Krone
Des goldnen Panzers Pracht,
Man sagt, in diesem Kloster erscheine sein Geist
Der Mönch von innen und sich entfernend.
Es bringt des Herzens Stürmen
Der Himmel Ruh allein.
POSA.
Er ist’s! Carlos, der Infant!
CARLOS.
O mein Rodrich!
POSA.
Mein Prinz.
CARLOS.
Du bist’s den ich umarme.
POSA.
Endlich wieder! welch‘ Glück!
CARLOS.
Der Himmel sandte dich, in meinem Schmerz Tröster und Freund zu sein.
POSA.
Wie bin ich glücklich! Die Stunde kam,
Dir rufen die Völker von Flandern,
Sie flehn um deinen Schutz,
Du sollst ihr Retter sein.
Was muss ich sehn … Blässe bedeckt dein Antlitz,
Dein Aug‘ ist schmerzensfeucht durch schwere Kummerwolken,
Dein Mund verstummt, du seufzest, du senkst dein Haupt.
O mein Carlos, mit mir sollst theilen du den Kummer, deinen Schmerz.
CARLOS.
Sei Retter mir, du mein Freund, du mein Bruder,
Lass weinen mich am Busen,
Oeffne dein Herz deinem Freunde, dem Bruder.
POSA.
Was es auch sei, o vertraue es mir, rede.
CARLOS.
Wohl es sei! Vernimm die Schreckenskunde,
Voll Graun erzähl ich dir, was das Herz mir zerreisst;
Ich liebe mit sündhafter Glut Elisabeth.
POSA.
Deine Mutter! grosser Gott!
CARLOS.
Du erbleichst! zur Erde senkst du den Blick.
Wehe mir! du selbst, du getreuer,
Du mein Rodrich, wendest ab dich von mir?
POSA.
Nein, ich bleibe der Deine, bleibe treu bis ans Grab.
Deine Rettung allein ist mein Ziel.
CARLOS.
Mein Freund, mein Bruder.
POSA.
Dein Geheimniss blieb dem König noch verborgen?
CARLOS.
Ja.
POSA.
So erbitte von ihm deine Sendung nach Flandern.
Lass schweigen dein Herz. Raffe dich auf! Muthig ans Werk!
Dort wirst du lernen, bei den gebeugten Völkern
Wie man herrschen soll.
CARLOS.
Ich folge dir, du Treuer.
POSA.
Vernahmst du? Des Klosters Pforte öffnet sich schon.
Sieh es nahet der König und die Königin.
CARLOS.
Elisabeth!
POSA.
Ermanne dich, bedenke was du mir versprochen.
Noch leuchtet freundlich am klaren Himmel dir dein Stern.
Von Gott erflehe Kraft und Stärke dir.
BEIDE.
Gott der in aller Menschen Herz
Der Liebe Flamm’entzündet,
Lass leuchten auch in ihrer Brust
Der hohen Freiheit Licht.
Wir bleiben eng für alle Zeit
In Noth und Tod verbündet,
Auf Erden und in Ewigkeit
Verlässt der Herr uns nicht.
Der König und die Königin treten im Hintergrunde auf, von Mönchen begleitet.
POSA.
Dort! sie nahn.
CARLOS.
Wehe mir, ich kann mich nicht mehr fassen.
POSA.
Sei standhaft.
Posa zieht sich zurück, Carlos verneigt sich finster und argwöhnisch vor dem Könige und sucht seine Bewegung zu verbergen. Die Königin zuckt bei seinem Anblick zusammen. Der König und die Königin kommen näher und gehn in die Capelle, wo Philipp entblössten Hauptes einen Augenblick lang am Grabe Carls V niederkniet. Dann setzt er mit der Königin seinen Weg fort.
CARLOS.
Sie ward die Seine, ist mir verloren.
CHOR DER MÖNCHE.
Carl der fünfte, einst so mächtig,
Ruht in dieses Grabes Höhle
Und des grossen Kaisers Seele
Steht erbebend schon vor Gott.
Gross ist der Herr, der Herr allein.
CARLOS.
Grosser Gott, sie ward sein Weib, verloren mir!
POSA.
Komm an mein Herz, hier bei mir
Wirst Trost du finden und neuen Muth.
DER MÖNCH.
Des Herzens Stürmen bringt der Himmel Ruh.
Gross ist der Herr, ist Gott allein.
CARLOS, POSA.
Mit dir vereint, für Leben und Tod.
Und bis zum letzten Athemzug
Sei unser Ziel: Freiheit nur.
Zweite Abtheilung.
Eine freundliche Gegend vor den Thoren des Klosters von St. Just.
Eine Quelle, Rasenbänke, Gruppen von Pinien und Orangen und Mastixbäumen. In der Ferne sieht man die blauen Gebirge von Estremadura. Im Hintergrunde rechts fuhren einige Stufen zum Eingange des Klosters.
Scene und Chor.
Die Prinzessin von Eboli, Tebaldo, die Gräfin von Aremberg, Damen der Königin, Pagen. Die Damen sitzen auf den Rasenbänken an der Quelle, die Pagen sind um sie gruppirt. Ein Page stimmt eine Mandoline.
CHOR.
Unter Bäumen am Silberquelle,
Die des heiligen Klosters Schwelle
Süss umschlingen gleich duftigem Kranz,
Lasst uns ruhen in frischer Kühle,
Wohl beschützt vor des Mittags Schwüle,
Vor der brennenden Sonne Glanz.
TEBALDO.
In saftigem Grün erglänzt die Wiese,
Die Pinie linder Hauch durchzieht
Und aus dem Schatten lockend tönt
Der Nachtigallen Liebeslied.
CHOR.
Wie so lieblich ist hier zu lauschen
Auf des Quells geschwätziges Rauschen
Das flüsternd erzählt sein Leid.
Bei der glühenden Sonne Brande
Finden wir an Bächleins Rande
Kühlen Schattens Behaglichkeit.
EBOLI.
Es öffnen diese Pforten sich, von Spaniens Frauen
Der Königin allein. So wollen wir,
Uns zu ergötzen, bevor am Horizont
Der Sterne Heer erglänzt,
Singen ein lieblich Lied.
CHOR.
Wir folgen dir, du magst beginnen,
Geliebte Fürstin, wir stimmen ein.
EBOLI zu Tebaldo.
Reich mir, Tebaldo, die Mandoline
Und wir singen vereint ein maurisches Märchen.
Das vom Schleier, der Liebe beschützt.
Ist’s recht?
CHOR.
So sei’s.
EBOLI Tebaldo begleitet auf der Mandoline.
In dem stillen Haine,
Dort am Maurenschlosse,
Ruht im Sternenscheine
Eine stolze Schöne,
Dicht in Schleier gehüllt:
Und ihr träumend Schauen
Einem Stern nur gilt.
Mahomed, der König,
Die Schöne erblickt,
Spricht zu ihr, du Holde
Du hast mich entzückt.
Komm, was mein ich nenne
Theile ich mit dir,
Mich verliess die Gattin,
Sie weilt fern von mir.
CHOR.
Rühret die Hände,
Webet den Schleier
Ehe zum Ende
Neigt sich der Tag.
Nachts ihr erfahret,
Was sein Schutz euch im Garten
Zu nützen vermag.
EBOLI.
Doch wer mag erkennen
(Dunkel ist die Nacht)
Ob die Wangen brennen,
Ob dein Auge lacht?
Lüfte deinen Schleier,
Lass dein Antlitz sehn,
So wie dort am Himmel
Klar die Sterne stehn.
Willst du Herz und Hand
Mir auf ewig weihn.
Sollst du auf dem Throne
Zur Seite mir sein.
Du sagst ja, erbebest?
Nun wohlan sei mein!
Allah! sie ist Königin!
Rief entzückt Mahomed.
Chor w.o.
Scene, Terzettino und Romanza.
ELISABETH kommt aus dem Kloster.
CHOR.
Die Königin!
EBOLI.
Ein finstres Geheimniss
Lastet schwer auf ihrem Herzen.
ELISABETH an der Quelle sitzend.
Ich hörte singen euch ein heitres Lied.
Für sich.
Weh mir: für mich verschwand die freudenreiche Zeit.
Posa erscheint im Hintergrunde. Tebaldo tritt zu ihm, spricht mit ihm leise einige Worte und stellt ihn dann der Königin vor.
POSA sich vor der Königin verneigend.
Gebieterin, für Eure Majestät
Empfing ich Briefe in Paris von Eurer erhabenen Mutter.
Posa zeigt der Königin ein Schreiben und giebt ihr schnell und heimlich ein Billet; sodann zeigt er das Siegel des Schreibens den Damen. Dann leise zur Königin.
O lesen Sie; ich beschwöre Sie beim Himmel.
Laut.
Das Siegel sehn Sie hier,
Das Frankreichs Lilien zeigt.
Die Königin ist unruhig. Posa tritt zur Eboli.
EBOLI.
Was treibt man jetzt an Frankreichs Hofe?
Herrscht Tapferkeit und feine Sine?
POSA.
Man spricht von einem Festturnier,
Es wird dabei zugegen selbst der König sein.
ELISABETH das Billet in der Hand.
Ach nimmer wag’ich’s, zu öffnen schon
Wäre Verrath an dem Gemahl.
EBOLI.
Sind Frankreichs Damen so fein gebildet,
So voller Hoheit, voll Anmuth und Adel?
ELISABETH.
Ach, warum leb’ich?
POSA.
Wärt Ihr nur dort, würd‘ erst man sehn
Wie Hoheit sich mit Schönheit vermählt.
EBOLI.
Ist es wahr, sind am Hofe des Königs
Alle Damen so reizend, so schön
Als wären sie vom Himmel gekommen, Ist es wahr?
POSA.
Ja, doch harren der Schönsten sie noch.
ELISABETH.
Noch bin im Herzen ich rein und schuldlos. Gott du kennst mein Herz.
EBOLI.
Es soll dort Alles bei festlichen Tänzen
Von Seid‘ und Gold und Schmuck erglänzen?
POSA.
Erst wenn auch Ihr beim Fest erscheint,
Ist Schönheit mit der Pracht vereint.
ELISABETH das Billet lesend, bei Seite.
»Bei der Erinnrung schöner Stunden
Beschwör’ich meine Herrin:
Schenkt Vertrauen meinem Freunde,
Der dies Blatt Euch bringt. Carlos.«
Zu Posa.
Dank mein Herr! eine Gunst
Erbittet von der Königin.
POSA lebhaft.
Es sei, doch nicht für mich.
ELISABETH für sich.
Kaum kann ich mich noch fassen.
EBOLI.
Wem von uns könntet Ihr
Durch Eure Gnade
Am Höchsten beglücken?
ELISABETH für sich.
O ich weiss.
EBOLI.
O nennt ihn.
ELISABETH.
Wer ist’s?
POSA.
Carlos, so theuer unsern Herzen,
Weilt traurig hier fern jeder Lust;
Und Niemand ahnt, welche herbe Schmerzen
Brechen den Muth in seiner Brust.
All seine Hoffnung, all sein Vertrauen
Ruht auf der Mutter, auf ihr allein;
Lasst Euer Antlitz wieder ihn schauen,
Und bald wird er getröstet sein.
EBOLI für sich.
Als einst ich ihm bei der Mutter begegnete,
Sah erröthen ich ihn. War‘ s Liebe wohl?
Und galt es mir. Warum verbirgt er mir ’s
ELISABETH.
Wer kann mir Hilfe bringen?
Wiedersehn, wär‘ mein Tod.
POSA.
Carlos, dem niemals, nie ward erschlossen
Des Vaters Herz, des Vaters Huld.
Und dass er nie solch Glück genossen
Daran war immer der Arme schuld.
Gönnet ein Wort, ein Wort ihm der Liebe,
Bald wird sein Leiden vergessen sein.
Lasst Euer Antlitz wieder ihn schauen
Und bald wird er getröstet sein.
ELISABETH für sich.
Weh mir, kaum kann ich noch mich fassen.
EBOLI für sich.
War’s Liebe wohl und galt sie mir?
ELISABETH mit Würde und Entschlossenheit zu Tebaldo.
Geh, ruf meinen Sohn, empfangen will ich ihn.
EBOLI für sich.
Wagt er es wohl mir zu bekennen, was ihn bewegt.
Posa reicht der Eboli die Hand und entfernt sich mit ihr im Gespräch.
Grosse Scene und Duett.
Elisabeth und Carlos.
Carlos erscheint mit Tebaldo, der, nachdem er einige Worte mit Posa gewechselt in das Kloster zurückkehrt. Carlos nähert sich langsam der Königin und verneigt sich vor ihr, ohne den Blick zu erheben. Elisabeth bekämpft ihre Verwirrung und winkt ihm, näher zu kommen. Posa und Eboli verständigen sich durch Geberden mit den Damen und ziehen sich mit diesen in den Hintergrund zurück, wo sie unter den Bäumen verschwinden. Die Gräfin von Aremberg und zwei Damen bleiben als dienstthuend zurück, entfernen sich aber später auch, in den Gebüschen Blumen pflückend.
CARLOS ruhig.
Ich komme, eine Gnade zu erflehen von der Königin.
Sie ist’s, die Philipp liebt, deren Wunsch er erfüllet, sie kann erlangen
Allein eine Gnade für mich.
Nach u. nach bewegter.
Schwer drückt mich dieser Himmel,
Er ängstet, er quält mich
Wie dunkle Ahnung grossen Unheils.
Nicht länger bleib’ich hier:
Der König soll nach Flandern mich senden.
ELISABETH bewegt.
Mein Sohn!
CARLOS heftig.
Nicht dieses Wort, ein schönres Klang sonst mir.
Die Königin will sich entfernen, er hält sie flehend zurück.
CARLOS.
Unglücksel’ger! ha, was spreche ich!
Weh mir! o habt Erbarmen mit mir.
Ein einz’ger Tag ward vom Himmel mir geschenkt
Und er verschwand ach so schnell.
Posa und die Eboli gehen im Gespräch über die Bühne.
ELISABETH.
Prinz, erfüllt der König Euren Wunsch auf meine Bitte,
Legt er Flandern vertrauensvoll in Eure Hand:
Dann ohne Zögern müsst ihr noch heute verlassen dies Land.
Sie macht Carlos eine entlassende Geberde, Posa und Eboli sind bereits abgegangen.
CARLOS.
Gott, nicht ein Wort, keinen Abschied
Für mich Armen, für den Verbannten!
Ah, glüht in Eurer grossen Seele
Nicht ein Funke von Mitleid für mich.
Mein Herz in Kälte erstarret,
Mein Geist ist umhüllet von Nacht.
Im Wahn in Raserei hab ich gebeten,
Was Ihr so kalt zu erfüllen versprecht.
ELISABETH sehr bewegt.
Warum beschuldigt Ihr dies Herz der Kälte?
Konntet Ihr nicht dies Schweigen verstehn?
Meine Pflicht zeigt den Weg zum Heile mir allein,
Ihr folge ich, sie soll mein Leitstern sein.
Mein Hoffen steht auf Gott und meiner Ehre.
CARLOS mit sterbender Stimme.
So schwand dahin mein ganzes Glück,
Du warst das Licht meines Lebens!
O gönne mir ein Wort nur noch:
Der Stimme Klang, so wunderbar schliesst mir den Himmel auf.
ELISABETH.
O güt’ger Gott, verleih ihm Kraft
Der Trennung Schmerz zu ertragen.
Leb wohl, o Carl, an deiner Seite
Zu leben ewiglich wär höchste Seligkeit.
CARLOS erregt.
Welches Wunder, dieses Herz wird ruhig, findet Trost,
Der Schmerzen Qual fühle ich entschwinden,
Der Herr erhörte mich, erbarmt sich mein.
Elisabeth, hier vor dir sterb’ich der Liebe Tod.
Er sinkt ohnmächtig nieder.
ELISABETH.
Grosser Gott, die Wange erbleichet,
Sein weinend Auge bricht.
O Gott der Liebe, gewähr Vergebung
Dem edeln Herzen, das Reu erfüllt.
Zuviel! Die Kräfte entschwinden
In diesen Armen wird er sterben
Und ihm brachte den Tod die Liebe
Die vom Himmel mir ward bestimmt.
CARLOS.
Welch süsse Stimm ertönt,
Sie spricht von Liebe mir?
Elisabeth, du selbst du Heissgeliebte.
ELISABETH.
Es ist umnachtet sein Geist!
CARLOS.
Du weilest hier bei mir
Wie einst zu bessrer Zeit,
Der Himmel öffnet sich
Ringsum die Erd‘ erblüht.
ELISABETH.
Keine Rettung, der Tod umfängt ihn. Erhor mich,
Guter Gott, o güt’ger Himmel, höre mich.
CARLOS.
Du bist mein höchstes Glück, all meine Seligkeit,
Du Heissgeliebte, soll ich schon sterben, soll scheiden ich von dir.
Welch grausames Geschick verlanget das?
ELISABETH.
O Carlos!
CARLOS.
Mag hier vor mir sich ein Abgrund eröffnen,
Des Himmels Blitzstrahl das Haupt mir zerschmettern.
Ich liebe dich Elisabeth! vergessen sei
Die Welt und was um uns ist.
Er umarmt die Königin.
ELISABETH sich losreissend.
So vollende! ermorde den Vater
Und alsdann noch vom Blute beflecket
Reisse hin zum Altar deine Mutter. Geh!
CARLOS tritt entsetzt zurück.
Weh mir dem fluchbeladnen Sohn.
Er entflichet voll Verzweiflung.
ELISABETH.
Preis dir Gott, der über uns gewacht. Dir Preis und Dank!
Scene.
Philipp, Elisabeth, Tebaldo, die Gräfin von Aremberg, Posa, Eboli, Pagen und Chor nach und nach auftretend.
TEBALDO kommt rasch aus dem Kloster.
Der König.
PHILIPP zu Elisabeth.
So allein find ich die Königin?
Nicht eine Dame habt in Eurer Nähe Ihr behalten?
Ihr kanntet doch die Sitte meines Hofes?
Welche Dame vom Hofe hatte hier den Dienst?
Die Gräfin von Aremberg stellt sich ihm zitternd vor.
Gräfin, morgen kehret Ihr zurück nach Frankreich.
Die Gräfin bricht in Thränen aus. Alle blicken überrascht nach der Königin.
CHOR.
Ah, unsrer Herrin solche Kränkung!
Romanze.
ELISABETH.
Sei ruhig, armes Mädchen,
Reich mir die Hand; zu dir die Freundin spricht:
Verbannt bist du aus Spanien,
Aus meinem Herzen nicht.
Dich hier bei mir zu sehen
War Trost mir oft im Schmerz.
Nach Frankreich kehre wieder,
Dorthin folgt dir mein Herz.
Sie giebt ihr einen Ring.
Empfange dieses Kleinod
Als Zeichen meiner Huld:
Ich muss die harte Kränkung
Ertragen in Geduld.
Verschweige meine Leiden,
Verschweige meinen Schmerz,
Nach Frankreich kehre wieder,
Dorthin folgt dir mein Herz.
POSA UND CHOR.
Verleih, o Gott, ihr Kraft
Und Trost in ihrem Schmerz.
In voller Unschuld hebt
Den Blick sie himmelwärts.
PHILIPP.
Nicht schlägt in ihrer Brust
Ein unschuldvolles Herz.
Die Königin wendet sich weinend von der Gräfin ab und entfernt sich gestürzt auf die Eboli. Der Chor folgt ihr.
Scene und Duett.
Philipp und Posa.
PHILIPP zu Posa der abgehen will.
Verweilet!
Posa bengt ein Knie vor dem Könige, nähert sich ihm und bedeckt sich ohne alle Befangenheit.
PHILIPP.
Wesshalb bleibt Ihr verborgen,
Wesshalb habt Ihr noch niemals
Zutritt zu mir verlangt?
Ich weiss zu schätzen wohl den treuen Unterthan.
Ihr habt mir gut gedient, treu war‘ t Ihr stets der Krone.
POSA.
Was könnte hoffen ich von der Gnade des Königs.
Sire, es geben mir die Gesetze Schutz und Recht.
PHILIPP.
Mir gefällt solcher Stolz, die Kühnheit verzeih’ich … nicht immer;
Ihr verliesset den Dienst in meinem Heere:
Ein tapfrer Mann wie ihr, Soldat aus edlem Hause
Darf er unthätig sein?
POSA.
Sollt eines Schwertes das Vaterland bedürfen,
Einer starken Manneshand, eines Schützers seines Ruhms;
Da werdet jeder Zeit bereit Ihr Posa finden.
PHILIPP.
Weiss es wohl. Doch habt Ihr für Euch nicht Wünsche?
POSA.
Keine, nein … nicht für mich, doch für Andre.
PHILIPP.
Sprecht, was meint’Ihr? für Andre?
POSA.
Gern spreche ich, Sire, wenn Ihr es vergönnt.
PHILIPP.
Rede!
POSA.
So vernehmt: ich komme von Flandern,
Sah die sonst so blüh’nden Au’n.
Und wie sollt‘ ich jetzt sie finden?
Ein Todtenfeld, voll Furcht und Graun.
Elternlos irren die Kinder,
Ohne Gatten das Weib umher,
Oede sind die Strassen der Städte,
Die Dörfer wüst‘ und leer.
Ueberall hat Schwert und Feuer
Ein entsetzlich Werk vollbracht.
Alles Glück und alle Freude
Hat verschlungen finstre Nacht.
Gepriesen sei der Himmel,
Dass er mich auserkor,
Zu künden, was ich gesehn
Vor meines Königs Ohr.
PHILIPP.
Mit Blut allein kann ich
Der Welt den Frieden sichern:
Es traf mein mächtig Schwert
Der Neu’rer Uebermuth
Sie täuschte meine Völker,
Die freche Lügenbrut.
Der Tod durch meine Hand
Soll halten reiche Erndte.
POSA.
Glaubt Ihr wirklich, wenn Tod Ihr säet
Zu pflanzer für die Ewigkeit?
PHILIPP.
Blickt umher hier in Spanien: seht den Bürger in der Stadt,
Den Landmann auf den Fluren, sie dienen Gott und mir
Ueberall Fried und Ruh! Diese Ruhe gönne ich auch meinen Flandern.
POSA nachdrücklich und schnell.
Ja grauenvolle Ruhe, die Ruhe eines Kirchhofs.
O Sire, dass nie die Zukunft sage von Euch:
Finater.
»Ein Nero war‘ s!«
Bringt Ihr der Menschheit solchen Frieden,
Ist Euch dafür nur Hass und Fluch beschieden.
Eure Priester werden Henker,
Eure Krieger Mörder sein:
Das Volk verschmachtet in Kummer und Elend,
Verwandelt ist das Reich zur weiten Wüste
Und der Name Philipps wird verflucht.
Göttern gleich könntet Ihr
Diese Welt neu erschaffen:
Schwingt Euch empor in stolzem Fluge,
Hoch über alle Fürsten der Erde,
Der Sonne gleich. Durch Euch
Sei alle Welt beglückt, macht Eure Völker frei.
PHILIPP.
Gern hör ich Schwärmerei!
Bald wirst du andern Sinns,
Wenn du das Herz der Menschen kennst
Wie es Philipp erkannt hat.
Nun genug! der König hat nichts gehört.
Fürchte nichts! Nimm dich in Acht vor der Inquisition.
POSA.
Sire.
PHILIPP.
Du standest lang vor deinem König
Und hast Dir keine Gnade erbeten.
Ich will dich immer bei mir haben.
POSA.
Sire nein, lasst mich bleiben was ich bin.
PHILIPP.
Du wusstest kühn auf meinem Throne mich auszufinden.
Doch ahnst du nicht, was mir das Herz bekümmert;
Mit Sorge und Angst mich erfüllt.
In mein Haus sollst du blicken,
Dort findest du all mein Unglück:
Als Vater tief verletzt,
Als Gatte schwer bedroht.
POSA.
Herr, was meint Ihr?
PHILIPP.
Die Königin, furchtbar quält mich der Argwohn,
Mein Sohn …
POSA heftig.
Der Prinz denkt gut und edel.
PHILIPP.
Nichts ersetzt mir das Glück, das er mir hat geraubt.
Ihr Schicksal sei dir anvertraut,
Erforsche sie, erforsche ihre Herzen,
Jede Stunde hast du bei der Königin Zutritt.
Dir der muthig sich mir als Mann gezeigt
Leg ich mein Herz in deine treue Hand.
POSA freudig.
O selger Augenblick, vom Himmel mir gesandt!
Dies Herz ging auf, das stets verschlossen war.
PHILIPP.
O brächte dieser Tag den Frieden mir zurück.
POSA.
Nie hofft’ich solches Glück. O schönster Tag meines Lebens!
PHILIPP finster.
Gedenke der Inquisition.
POSA.
Sire!
Der König reicht Posa die Hand, dieser küsst sie knieend.
Der Vorhang fällt rasen.
Zweiter Act.
Erste Abtheilung.
Vorspiel.
Der Vorhang geht auf.
Die Gärten der Königin in Madrid.
Ein geschlossenes Bosket, im Hintergrunde ünter einem Bogen von Buschwerk eine Statue mit einer Quelle. Mondhelle Nacht.
Scene, Duett und Terzett.
CARLOS mit einem Billet.
»Um Mitternacht, in den Gärten der Königin,
Unterm Lorbeer dicht an der Quelle.«
Und hier vernehm ich das Rauschen der nahen Quelle.
Trunken von Glück, trunken von Lieb‘ und Sehnsucht,
Elisabeth, komm’ich hierher, holdes Weib, harr’ich dein.
Die Prinzessin Eboli erscheint, verschleiert.
CARLOS der sie für die Königin hält.
Du bist’s, du Heissgeliebte,
Die mondumglänzt erscheint,
Du bist’s, mein Kummer schwindet,
Bin ich mit dir vereint.
Mein Sehnen all, mein ganzes Leben
Ist dir allein geweiht.
O könnte ich mein Dasein theilen,
Mit dir, holdes Weib, in Freud und Leid.
EBOLI für sich.
Wie hoch beglückt mich seine heisse Liebe,
Mich liebt er, ja mich allein.
CARLOS.
Lass vergessen uns die Welt,
Lass Erd und Himmel vergessen sein,
Vergessen was war, denk an die Zukunft nicht,
Denn Liebe vereint uns.
EBOLI.
Nichts kann uns trennen, uns hat Liebe vereint.
CARLOS.
Lass vergessen uns die Welt, lass Alles uns vergessen.
Uns keinem Schicksal weichen.
EBOLI.
O Wonne ohne Gleichen!
Sie nimmt die Maske ab.
CARLOS erschrocken für sich.
Gott, nicht ist’s die Königin.
EBOLI.
Mein Carl, weshalb erbebst du,
Du erbleichest, bist sprachlos,
Und umschleiert ist dein Auge?
Welch ein Schatten erhebt sich vor uns?
Zweifelst du noch an mir, die so innig dich liebt?
Pause.
Leidenschaftlich.
Sind unbekannt dir die Gefahren,
Die drohend dich umgeben, fürchterlich;
Muss ich zuerst dir offenbaren
Was deine Feinde planen gegen dich?
CARLOS.
Wohl kenn’ich sie, die Gefahren
Die drohend mich umgeben fürchterlich
Längst hab erkannt ich und erfahren,
Was meine Feinde planen gegen mich.
EBOLI.
In dunkler Rede sprach jüngst dein Vater
Von dir mit Posa, deinem falschen Freund.
CARLOS.
Mit Posa!
EBOLI.
Doch Rettung bringt dir meine Liebe.
CARLOS.
Welch Geheimniss enthüllet sich vor mir!
EBOLI unruhig.
O, Carlos!
CARLOS.
Welch edles Herz tragt ihr im Busen,
Doch darf ich dieses Glücks mich nicht erfreun.
Täuschend hat uns ein süsser Traum umfangen,
In holder Maiennacht, im Blüthenhain.
EBOLI.
Ein Traum! O Gott! und jene Liebesworte.
Bestimmt für eine Andre, ein Wahn war mein Entzücken!
Ha es tagt! unheilvoll! Deine Liebe gilt der Königin.
CARLOS erschrocken.
O schweig!
POSA.
Was sprach er da? er sprach im Wahnsinn.
O glaubt ihm nicht. Der Arme ras’t.
EBOLI.
Jetzt hab’ich ihn, sein Herz durchschaut,
Ich weiss es wohl – nichts rettet ihn.
POSA mit furchtbarem Ausdruck.
Was heisst das? Unglücksel’ge, zittre, ich bin …
EBOLI.
Philipps Vertrauter bist du, verborgen blieb mir’s nicht.
Doch bin als Feindin ich wohl zu fürchten und mächtig.
Ich kenne deine Macht, doch kennst die meine du nicht.
POSA.
Was willst du damit sagen?
EBOLI.
Nicht’s!
Finster zu Posa.
Vor meinem Zorn flieht ihr vergebens,
Sein Schicksal ist in meinen Händen.
POSA.
Was hat, bekennet ohne Zögern
In dieser Nacht Euch hergeführt?
EBOLI.
Die Tig’rin ist ins Herz getroffen,
Auf Rach’allein steht jetzt ihr Hoffen.
POSA.
Die Schuld straft Gott an Euch allein,
Er wird der Unschuld Schützer sein.
CARLOS.
Welchem Wahn war ich verfallen,
Habe der Königin Ehre gefährtet.
Gott allein, er allein es weiss,
Dass rein ihr Herz von aller Schuld.
EBOLI mit bittrer Ironie.
Und ich, die vor ihr erröthet,
Vor dieser Frau, dieser gleissenden Heil’gen
Die den Mantel der Tugend so züchtiglich trug,
Um den Becher der Liebe
Mit schwelgenden Zügen zu leeren mit ihm.
Ja diese Frau war zu verwegen.
POSA zieht den Dolch.
So stirb durch mich!
CARLOS ihn aufhaltend.
O Posa!
POSA.
Das Gift ist noch in diesem schönen Gefässe verschlossen.
CARLOS.
O Posa, mäss’ge Dich.
EBOLI.
Warum zögerst du noch?
Vollende rasch dein Werk. Warum zogerst du?
POSA wirft den Dolch fort.
Noch giebts für mich eine Hoffnung,
Der Gedanke kam von Gott!
EBOLI.
Verderben dir, dem falschen Sohne!
Die Rache nehme ihren Lauf,
Verderben dir, zu deinem Füssen
Thut furchtbar sich ein Abgrund auf.
POSA.
Sprichts du ein Wort, wird ew’ge Strafe
Dereinst dich treffen fürchterlich,
Sprichst du ein Wort, wird schon auf Erden
Mein Rächerarm ereilen dich.
CARLOS.
Wir sind entdeckt; zu meinen Füssen
Thut furchtbar sich ein Abgrund auf.
Die Eboli geht wüthend ab.
POSA.
Carlos, hast etwa du bei dir ein wichtig Blatt,
Einen Brief, ein Geheimniss, vertraue mir es an
CARLOS sich bedenkend.
Dir! des Königs bestem Freund!
POSA.
Verlor ich dein Vertraun?
Auch mir, vertraust du nicht mehr?
CARLOS.
Nein, dir allein vertrau’ich ewig.
Dieses Herz, das so dich liebt,
Kann sich nie verschliessen dir.
Auf dir allein steht meine Hoffnung.
Ja diese wichtigen Papiere, nimm sie hin.
POSA.
Carlos du kannst vertraun auf mich.
CARLOS.
Ja, dir vertraue ich.
Sie umarmen sich.
Zweite Abtheilung.
Ein grosser Platz vor der Kirche Unserer Frau von Atocha.
Rechts die Kirche mit einer grossen Freitreppe; links ein Pallast. Im Mittelgrunde führt eine Treppe nach einem tiefer gelegenen Platze, auf welchem sich ein Scheiterhaufen befindet, dessen oberen Theil man hervorragen sieht. Den Hintergrund bilden grosse Gebäude und die Aussicht auf ferne Berge.
Grosses Finale.
Die Glocken läuten, das Volk von Hellebardirern kaum in Ordnung gehalten, tritt auf.
Chor des Volkes, Chor von Mönchen, welche die Verurtheilten herbei führen.
CHOR DES VOLKES.
Der Tag des hohen Festes ist erschienen,
Bereitet wird das Werk, das Gott gefällt.
Dem Könige Heil! dem wir dienen,
Den staunend verehret die Welt.
Unsere Lieb ihn überall begleitet,
Sie bleibt geweiht ihm immerdar,
Zum Ruhme hat er Spanien geleitet,
Uns alle beschützt in Noth und Gefahr.
Man hört einen Trauermarsch.
CHOR DER MÖNCHE welche die Verurtheilten herbeiführen.
Der Tag brach an, der Tag des Schreckens,
Der Tag der Strafe, der heil’ge Tag.
Der Tod soll alle treffen,
So will’s Gott und sein Will geschehen mag
Doch wird der Herr in seiner Gnade
Und ew’ger Huld erbarmend sein,
Wenn sich der Sünder
In letzter Stunde reuig bekehrt.
Der Hofstaat tritt aus dem Palaste, Staatswürdenträger, Deputirte aus allen Provinzen des Reiches. Granden, unter ihnen Posa und Graf von Lerma, die Königin, welcher Tebaldo die Schleppe trägt, umgeben von ihren Damen, Cavaliere, Pagen, Herolde.
EIN KÖNIG, HEROLD, gegen die verschlossene Kirche gewendet.
Thut euch auf, ihr ehrnen Pforten,
Haus des Herrn, öffne dich allem Volk.
Du hochehrwürdger Raum
Lass uns den König wiedersehn.
DAS VOLK mit enblössten Haupte wiederholt die Worte des Herold.
Die Thüren der Kirche öffnen sich. Der König tritt mit der Krone auf dem Haupte unter einem Baldachin und umgeben von Mönchen, auf. Die Herren und Damen verneigen sich, das Volk kniet nieder, die Granden bedecken sich.
PHILIPP.
Als aufs Haupt ich mir setzte diese Krone
Schwur ich zu Gott, dem Herrn der sie mir schenkte
Den Glauben zu schützen mit Feuer und mit Schwert.
DAS VOLK.
Heil König Philipp! Preis sei Gott!
Alle verneigen sich schweigend.
Der König steigt die Stufen herab und reicht der Königin die Hand, um mit ihr weiter zu gehen. Die sechs flandrischen Deputirten, in Trauerkleidern treten von Don Carlos geführt vor und werfen sich vor dem Könige nieder.
ELISABETH.
O Gott! Carlos hier!
POSA.
Was wird er beginnen!
PHILIPP.
Wer sind die Männer, die hier vor mir knieen?
CARLOS.
Gesandte sind’s von Brabant und Flandern,
Geführt von deinem Sohne vor deinen Thron.
DIE ABGESANDTEN.
Sire! hat noch die letzte Stunde nicht geschlagen
Für Deiner Flandern Noth?
Höre Deiner Völker Flehen,
Das durch uns zu dir dringt,
Und ende ihre Leiden.
Hast an heiliger Stätte
Gnade du und Erbarmen
Von deinem Gott erfleht:
So lass Gnade auch walten
Für uns, erbarm dich unser,
Erlöse unser Land,
Kraft deiner Macht,
Die du von Gott empfingst.
PHILIPP.
Von Gott seid ihr abgefallen,
Verrathen habt ihr mich:
Die Bürger Flanderns sind Rebellen!
Wachen, führt sie hinweg von mir.
ELISABETH, TEBALDO, CARLOS, POSA, DAS VOLK.
Heb‘ vergebend, o Herr, über sie deine Hände,
Schenke Erbarmen, König, dem flandrischen Volk,
Erbarm dich Herr, erhör ihr Flehn.
Ach lass sie nicht zu Grunde gehn.
SECHS MÖNCHE.
Vom Glauben abgefallen
Sind sie dem Tod geweiht.
Beklagt sie nicht, sie sind Rebellen:
Der Scheiterhaufen steht bereit.
PHILIPP.
Vom Glauben abgefallen
Bracht ihr auch mir den Eid,
Ihr seid dem Tod geweiht.
CARLOS.
Vater! länger darf ich nicht schweigen,
Müde bin ich, ein thatenloses Leben
Zu führen an diesem Hof.
Hat es Gott mir bestimmt,
Den Thron dieses Reiches einst zu besteigen:
So vergönn es mir würdig mich vorzubereiten:
Vertraue mir an die Niederlande.
PHILIPP.
Bist du rase solche Wünsche zu hegen.
Ich selbst soll übergeben an dich ein Schwert
Das bald sich kehren würde gegen mich?
CARLOS.
Ah, Gott kennt mein reines Herz,
Er wird uns Richter sein.
ELISABETH.
Ich bebe!
CARLOS den Degen ziehend.
Ich schwöre es bei Gott: ich allein
Rette dich edles flandrisches Volk.
ELISABETH, TEBALDO, POSA, DIE MÖNCHE, DAS VOLK.
Das Schwert, vor unserm Herrn!
Der Prinz ist ausser sich!
PHILIPP.
Wachen, nehmt ihm den Degen!
Ihr Herrn, ihr Stützen meines Throns,
Nehmet ihm den Degen!
Doch wie? Nicht Einer?
CARLOS.
Ich bin bereit, erwarte euch,
Wer wagt es hier mir Trotz zubieten?
Die Granden ziehen sich von Carlos zurück, dem König greift wüthend nach dem Schwerte des Comandanten der Leibwache.
PHILIPP.
Entwaffnet ihn.
POSA zu Carlos.
Mir den Degen!
CARLOS.
O Gott, du mein Posa …
Er übergiebt seinen Degen Posa, der ihn mit einer Verbeugung der Könige überreicht.
PHILIPP.
Marquis, Ihr seid Herzog. Nun kommt zum heilgen Feste!
Der König reicht Elisabeth die Hand und begiebt sich gefolgt vom Hofe nach einer Tribüne.
Chöre wie Oben.
EINE STIMME VON OBEN.
Hinauf zum Himmel steiget,
Die Leiden enden, es harret eurer dort
Die Siegespalme, Hallelujah!
DIE ABGESANDTEN.
Das duldest du, o Gott, du löschest nicht die Flammen?
In deinem Namen dort der Scheiterhaufen brennt.
Der Scheiterhaufen steht in Flammen und der Vorhang fällt.
Dritter Act.
Erste Abtheilung.
Das Cabinet des Königs in Madrid.
Introduction und Scene.
Philipp.
Der Vorhang geht auf.
Der König sitzt in Gedanken vertieft an einem, mit Papieren bedeckter Tische. Die Kerzen auf zwei Armleuchtern sind niedergebrannt. Durch die Fenster bricht das Morgengrauen herein.
PHILIPP träumerisch.
Sie hat mich nie geliebt, nein, ihr Herz blieb kalt;
Noch seh’im Geist ich sie, wie sie hier mich erblickte,
Mein graues Haar, als sie von Frankreich angekommen.
In sich gekehrt.
Wo bin ich? Die Kerzen sind niedergebrannt,
Das Morgengrauen blickt herein,
Es naht der Tag. So gehn traurig hin meine Tage,
Ach und der Schlaf bleibt fern meinen brennenden Augen.
Schlaf find ich erst wenn man mich hat geschmückt
Zum letzten Gang’am Ende meiner Tage.
Schlaf find ich dort, wo endet jede Plage,
Wenn mich der Escurial der Welt entrückt.
Könnte mir doch die Krone die Kraft verleihn,
Den Menschen zu durchschauen, wie’s Gott vermag, nur Gott allein.
Wenn der Fürst schläft, wacht lauernd der Verräther,
Zu rauben ihm seine Krone und sein Weib.
Scene.
Philipp und der Grossinquisitor.
GRAF VON LERMA anmeldend.
Der Grossinquisitor!
Der Grossinquisotor, ein blinder Greis von neunzig Jahren tritt auf, von zwei Mönchen unterstützt.
GROSS INQUISITOR.
Steh ich vor dem König?
PHILIPP.
Ja, ich liess euch rufen, mein Vater, ich brauche Rath,
Carlos erfüllt mein Herz mit Besorgniss und Kummer.
Empörung sinnet er, griff gegen mich zur Waffe.
GROSS INQUISITOR.
Und was beschliessest du über ihn?
PHILIPP.
Das Aeusserste.
GROSS INQUISITOR.
So nenne es.
PHILIPP.
Er fliehe, oder das Schwert …
GROSS INQUISITOR.
Nun wohl!
PHILIPP.
Kannst du den Sohnesmord dem Vater wohl vergeben?
GROSS INQUISITOR.
Die Ruhe deines Reiches gilt mehr als ein Verräther.
PHILIPP.
Kann ich tödten ihn vor der Welt, ich als Christ?
GROSS INQUISITOR.
Für unser Heil hat Gott geopfert seinen Sohn.
PHILIPP.
Willst du so strenges Recht auch jetzt noch gelten lassen?
GROSS INQUISITOR.
Es gilt für ewge Zeit, was galt auf Golgatha.
PHILIPP.
Wird Natur, wird mein Blut schweigen zu solcher That?
GROSS INQUISITOR.
Alles muss schweigen dann, wenn es der Glaub’erheischt.
PHILIPP.
Genug.
GROSS INQUISITOR.
Hat mich der König sonst nichts mehr zu fragen?
PHILIPP.
Nein.
GROSS INQUISITOR.
So werde ich sprechen jetzt zu Euch, König.
Noch ward Spanien nie durch Ketzerei entweiht,
Doch jetzt bedroht ein Menseh unsrer Kirche heilgen Bau.
Er ist des Königs Freund, sein innigster Vertrauter;
Der Versucher hat selbst ihn zum Werkzeug erkoren.
Des Carlos heimlich Treiben, das dir die Ruhe stahl,
Sind gegen seinen Plan, nur eitles Kinderspiel,
Und ich, der Inquisitor, der so oft schon erhoben
Seine Hand über niedre Verbrecher,
Der zu Gericht sitzt über die Mächt’gen der Erde,
Ich vergass meine Pflicht, ich lasse ruhig leben
Jenen Schuld’gen und dich!
PHILIPP.
An diesem Hofe lebt’ich einsam und verlassen,
Vergebens sucht ich hier, was ich so heiss ersehnte:
Einen Menschen, ein reines Herz … ich fand’s in ihm.
GROSS INQUISITOR.
Wozu einen Menschen? wesshalb nennst du einen König dich,
König, wenn es deinesgleichen giebt?
PHILIPP.
Zuviel! Priester!
GROSS INQUISITOR.
Der Neu’rer Schwärmersinn hat deinen Geist ergriffen.
Zerstören möchtest du mit übermüthger Hand
Der Kirche sanftes Joch das wir der Welt aufgelegt.
Zur Pflicht kehre zurück,
Die Kirche kann dem Sünder der reuig sich in Demuth naht
Vergebung spenden. Ich verlange von dir den Posa.
PHILIPP.
Nein, nimmermehr!
GROSS INQUISITOR.
Bedenke, stünde vor dir ich nicht, vor dir in deinem Pallaste;
Beim lebend’gen Gott, schon morgen stündest du
Vor mir, vor dem Gericht im Saal der Santa Casa.
PHILIPP.
Priester, nicht diese Sprache, ich dulde sie nicht.
GROSS INQUISITOR.
Wesshalb riefst du herauf den Schatten Samuels?
Ich hab dem span’schen Throne zwei Könige gegeben.
Willst du mit frevelnder Hand mein Gebäude erschüttern?
Wesshalb bin ich noch hier, was will der König von mir?
PHILIPP.
Mein Vater, zwischen uns soll Friede wieder sein.
GROSS INQUISITOR.
Friede?
Er zieht sich zurück.
PHILIPP.
Vergessen sei was ich gethan.
GROSS INQUISITOR.
Wenn du dich beugst.
Abgehend.
PHILIPP.
So soll der König immer beugen sich vor dem Priester.
Scene und Quartett.
Elisabeth, Eboli, Posa und Philipp.
ELISABETH tritt auf und wirft sich zu des Königs Füssen.
Gerechtigkeit, mein König, mein Gemahl!
Zu deinen Füssen sieh mich hier.
Unwürdig gegen mich ist man an deinem Hof verfahren,
Gekränkt bin ich durch eines Frevlers schändliches Gebahren.
Die Schatoulle, in der ich barg, Sir was ich besass,
Mein Geschmeide, andre Dinge, die mir noch theuer sind,
Man hat sie mir geraubt.
Gerechtigkeit, mein König, ich verlange sie von Eurer Majestät.
Der König erhebt sich langsam, nimmt eine Schatoulle vom Tische und überrel sie der Königin.
PHILIPP.
Was Ihr umsonst gesucht habt, seht es hier.
ELISABETH.
Gott!
PHILIPP.
Wollt Ihr das Kästchen öffnen?
Die Königin macht eine verneinende Gebehrde.
So will ich selbst es thun.
Er sprengt die Schatoulle auf.
ELISABETH für sich.
Gott erbarm dich mein!
PHILIPP.
Ein Portrait des Infanten!
Findet Ihr keine Worte?
ELISABETH.
Ja.
PHILIPP.
Bei dem was Euch theuer?
ELISABETH.
Ja.
PHILIPP.
Wie! und Ihr wagt es zu gestehen?
ELISABETH.
Ich wag’es ja! Habt Ihr vergessen?
Es war versprochen Eurem Sohne einst meine Hand.
Jetzt bin mit Euch vor Gott ich verbunden;
Rein bin ich, einer Lilie gleich.
Und Ihr wagt, von Wahnsinn ergriffen,
Zu zweifeln an einer Königstochter,
An einer Tochter von Frankreich,
Der Königin von Spanien, an mir!
PHILIPP.
So stolz zu sprechen
Dürft Ihr noch wagen!
Wohl habt Ihr schwach gesehn
Mich in besseren Tagen,
Doch kann die Schwäche leicht verwandeln sich in Wuth.
Dann wehe Euch, weh allen dann.
ELISABETH.
So sagt, was ich verbrach?
PHILIPP.
Meineid’ge!
Habt Eure Pflichten Ihr treulos vergessen,
Ward ich von Euch verrathen:
Beim allmächtigen Gott, ich schwör’es Euch
Dann fliesst der Schuld’gen Blut.
ELISABETH.
Ihr erregt mein Mitleid …
PHILIPP.
Ha! Euer Mitleid, das Mitleid einer Buhlerin.
ELISABETH sinkt ohnmächtig nieder.
Ah!
PHILIPP eine Thür öffnend.
Der Königin zu Hilfe!
EBOLI tritt anf, erschreckend beim Anblick der Königin.
Gott, dahin kam es, weh mir!
POSA.
Sire, der halbe Erdkreis von Euch wird beherrschet.
Und in den weiten Grenzen
Eures Reichs der Einzige
Seid Ihr, den Ihr nicht beherrscht.
PHILIPP.
Ha Fluch diesem Argwohn dem schwarzen Verdachte!
Teuflischer Hass allein hat erregt ihn in mir.
Nein nicht verletzt hat sie die Treue,
Unschuld allein giebt solchen Muth.
EBOLI.
Es zerreisst mir das Herz bittre Reue,
Ich beging eine furchtbare That.
Ach ich verrieth dies Weib engelrein!
O welcher Schmerz, er tödtet mich!
POSA.
Jetzt ist es Zeit, jetzt schlug die Stunde,
Mich ruft der Himmel zu rascher That.
Dem Vaterland weiht’ich mein Leben,
Rettung bringt ihm mein Opfertod.
ELISABETH.
Wo bin ich! O Gott! geliebte Mutter
Sieh meine Thränen, sieh meinen Schmerz.
Für mich, die Fremde, schlägt hier kein Herz,
Auf Gott allein steht mein Vertraun.
Der König entfernt sich nach kurzem Zögern, Posa folgt ihm mit dem Ausdrucke der Entschlossenheit. Die Prinzessin Eboli bleibt allein mit der Königin zurück.
Scene.
Elisabeth und Eboli
Arie der Eboli.
EBOLI wirft sich der Königin zu Füssen.
O hört! erbarmt Euch mein!
Hört mein reuig Bekenntniss.
ELISABETH.
Ihr kniet vor mir? was thatet Ihr?
EBOLI.
Ach mich tödtet mein Gewissen,
Es zerreisst mir das Herz:
Engel so rein, erhabene Gebieterin,
Erfahret welchem Dämon der Hölle
Ihr fielt zum Opfer, die Schatoulle …
Ich war es die sie stahl.
ELISABETH.
Ihr!
EBOLI.
Ihr!
Ja, ich war’s, ich war’s die Euch beschuldigt.
ELISABETH.
Ihr?
EBOLI.
Der Leidenschaft Gluth entflammte Hass für Euch.
Eifersucht quälte mich und riss
Hin mich zu schändlicher That gegen Euch.
Ich liebte Carlos … er hat mich verschmähet.
ELISABETH.
Ihr liebtet Carlos? steht auf.
EBOLI.
Nein, nein, erbarmt euch mein!
Noch ein Geständniss.
ELISABETH.
Noch mehr!
EBOLI.
Vernehmt, vernehmt, der König …
Gebt nicht mir Euern Fluch!
Ja verführt, gefallen …
Das Verbrechen dess ich Euch zeihte hab ich begangen!
ELISABETH.
Gebt zurück mir Euer Kreuz:
Ihr verlasset diesen Hof schon morgen in der Frühe,
Zwischen Kloster und Verbannung habt Ihr die Wahl!
Sie geht ab.
EBOLI steht auf.
Ah nie werde ich meine Königin wiedersehn!
Verhängnissvoll war das Geschenk,
Das mir gegeben der Himmel im Zorne:
Du die so stolz, so eitel mich machte,
Dir muss ich fluchen, dir, meine Schönheit.
So fliesset hin, ihr heissen Zähren,
Für mich giebts keine Hoffnung mehr;
Nichts kann auf Erden Trost mir gewähren.
Denn mein Vergehn, es war zu schwer!
Fluch sei dir Schönheit, ewig dir Fluch; ah du warst
Mein Dämon, drum sei verflucht!
Du bist, o Herrin, zum Opfer gefallen
Meiner Liebe und Eitelkeit:
Mein Leben sei in eines Klosters Hallen
Der Busse allein fortan geweiht.
Leb wohl, leb wohl, o Königin!
O Gott! und Carlos? man führt ihn zum Tode,
Weh mir, schon harret sein das Schwert.
Ah, noch ein Tag bleibt mir! ein Hoffnungsschimmer!
Dank dir gütiger Gott! ich rette ihn!
Sie eilt davon.
Zweite Abtheilung.
Das Gefängniss des Don Carlos.
Ein dunkles Souterain, in welches eilig einige prächtige Möbel gebracht worden sind. Im Hintergrunde ein eisernes Gitter, welches das Souterain von einem Hofe trennt, der es beherrscht und aus welchem eine Treppe in die oberen Gebäude führt. Im Hofe kommen und gehen Wachen.
Der Tod Posa’s und Aufruhr.
Don Carlos sitzt, den Kopf in den Händen, in Gedanken versunken. Posa tritt auf, spricht mit einigen Offizieren, die sich sofort entfernen, kommt dann näher und betrachtet traurig Carlos, der sich bald aufrafft.
POSA.
Ich bin’s, mein Carlos.
CARLOS.
O mein Rodrich! herzlich dank’ich dir, dass du
Hierher, mich aufzusuchen kamst.
POSA.
Mein Carlos!
CARLOS.
Du siehst, gebrochen ist mein Geist,
Die Liebe zu Elisabeth muss mich noch tödten.
Nein, nichts mehr kann ich thun für die Menschheit.
Doch du, kannst ihr Retter sein,
Du kannst, du wirst sie befrein.
POSA.
Jetzt sollst du meine Freundschaft ganz erkennen.
Du kannst jetzt frei verlassen diesen Ort,
Voll Freude kam ich her diese Botschaft dir zu bringen,
Ich rettete dich …
CARLOS.
Was sagst du?
POSA.
Und bin gekommen, dir Lebewohl zu sagen
Carlos blickt ihn erstaunt an; lange Pause.
Schon seh ich den Tag erscheinen
Der für diese Welt uns trennet:
Wieder wird uns Gott vereinen,
Er, der unsre Herzen kennt.
Thränen netzen deine Wangen.
Freund, warum weinst du um mich?
Fasse Muth, sei ohne Bangen,
Freudig sterbe ich für dich.
CARLOS.
Wesshalb sprichst du vom Sterben?
POSA.
So höre, es drängt die Zeit.
Ich habe selbst auf mich den Blitz herabgeleitet.
Nicht mehr von dir droht dem König Gefahr,
Wer Ungehorsam schürt bei den Flandern bin ich …
CARLOS.
Niemand wird glauben dir.
POSA.
Es fehlen nicht Beweise!
Deine Briefe, die bei mir man fand:
Sie geben volles Zeugniss, dass ich der Rebell bin.
Mein Kopf ist schon dem Beile für diese That geweiht.
Ein Beamter der Inquisition und ein mit einer Muskete bewaffneter Mann steigen die Treppe im Hofe herab und zeigen sich Carlos und Posa.
CARLOS.
Ich eile zu dem König.
POSA.
Erhalte dich Flandern, dem Werke der Befreiung,
Du sollst das Werk vollbringen:
Die neue goldne Zeit durch dich soll sie erstehen.
Du bist bestimmt zum Herrscher und ich zu sterben für dich.
Der Bewaffnete zielt auf Posa und giebt Feuer.
CARLOS erschreckt.
Gott, ein Schuss für wen?
POSA. tödtlich getroffen.
Für mich.
Nicht zögert der König mit seiner blut’gen Strafe.
Er sinkt in Carlos Arme.
CARLOS.
O Gott!
POSA.
Carlos, noch Eins, die Mutter
Harret deiner in dem Kloster Sanct Just.
Alles weiss sie. Ah mir schwinden die Sinne.
Carlos … gieb mir … o Freund … die Hand!
Froh scheid‘ ich aus diesem Leben,
Du sollst ihm erhalten sein:
Du wirst Spanien Freiheit geben,
Carlos leb wohl, denke mein.
Posa stirbt, Carlos sinkt verzweifelt auf ihn nieder.
KÖNIG.
Mein Carlos, dein Schwert bring ich dir wieder.
CARLOS verzweifelt.
Nicht weiter, deine Hand, sie trieft von Blute. O Graun!
Brüderlich lebten wir, eng verbunden, treue Freunde.
Mich zu erretten gab er sein Leben hin.
PHILIPP bewegt, er entblösst sein Haupt, sich gegen Posa wendend.
Ha meine Ahnung!
CARLOS.
Keinen Sohn hast du mehr!
Es liegen dort meine Reiche bei ihm.
PHILIPP.
Wer giebt mir diesen Mann zurück?
Man hört Sturm läuten.
DIE GRANDEN.
Hört, hört das Stürmen.
DAS VOLK von aussen.
Well dem, der wagt den Eintritt uns zu verwehren.
Dringt ein, nichts halte uns zurück,
Erzittern soll man vor unserm Zorn, und beugen das Haupt.
LERMA.
In Aufruhr ist das Volk. Nach dem Prinzen es schreit.
PHILIPP.
Thut auf alle Pforten.
LERMA UND DIE GRANDEN.
Gott!
PHILIPP.
Schnell gehorchet, ich befehl’s.
Das Volk stürzt wüthend herein.
EBOLI maskirt zu Carlos.
Entflieht, entflieht!
PHILIPP zum Volke.
Was verlangt ihr?
VOLK.
Den Infanten.
PHILIPP auf Carlos deutend.
Sehet ihn dort.
GROSS INQUISITOR.
Unerhörte Frechheit!
VOLK.
Es naht der Cardinal!
GROSS INQUISITOR.
Werft euch nieder, vor euerm König, den Gott beschütze!
PHILIPP.
Zur Erde?
VOLK knieend.
O Herr, gnädig seid uns!
PHILIPP.
Dir Gott sei Ehr‘ und Preis!
LERMA UND GRANDEN.
Hoch unser Herr!
PHILIPP UND GROSS INQUISITOR.
Dir Gott, Ehr und Preis!
Die Granden mit entblössten Schwertern.
VOLK.
Gnade, o Herr!
Der Gross Inquisitor wendet sich zu Philipp der ihm durch das knieende Volk entgegen geht.
Vierter Act.
Das Kloster von St. Just.
Wie im ersten Acte.
Es ist Nacht und Mondschein.
Scene und Arie.
Elisabeth.
Elisabeth tritt in Gedanken versunken langsam auf und kniet am Grabe Carl V nieder.
Du im irdischen Wahn einst befangen hienieden,
Der in dieser Gruft endlich fand ersehnten Frieden,
Du höre meine Klagen,
Sieh meine Thränen fliessen,
Rettung erfleh, für mich von Gott, aus dieser Qual.
Carlos kommt hierher, ja er fliehe und vergesse …
Zu wachen über ihn, hab Posa ich versprochen.
Er wandle seinen Weg, der zu Ehr und Ruhm ihn führt.
Und ich, ich steh am Ende, für mich brach an die Nacht.
Lange Pause.
Frankreich, du edles Land,
Das ich im Herzen trage,
Fontainebleau, das mir verschönt
Der Jugend Tage.
Dort schwuren wir zu Gott der ew’gen Treue Eid,
Doch schnell schwand unser Glück
Für unsre Lebenszeit.
Spaniens lieblich Au’n, bin ich von euch geschieden
Und Carlos kommt zurück hier bei euch zu verweilen;
Dann mögen eure Blumen, eure Quellen, der Hain
Bringen ihm meinen Gruss mit süssen Harmonien,
Leb wohl du goldner Traum, süsser Wahn entschwinde,
Jedes Band ist gelösst, das auf Erden mich fest hielt.
Leb wohl Jugendglück, leb wohl. Für mich ist todt die Welt,
Mein Herz nur Eins ersehnt: die Ruhe im Grab.
Scene und Abschiedsduett.
Elisabeth und Carlos dann Finalscene.
CARLOS.
Sie ist es!
ELISABETH.
Ein Wort an Gott: Er möge Euch auf
Eurem Wege stets behüten.
Und nun ein Wort an Euch noch:
Ihr sollt vergessen, Ihr sollt leben,
CARLOS.
Ja, stark will ich sein. Doch wenn der Schmerz der Trennung,
Der Sehnsucht Schmerz mich tödtet …
ELISABETH.
Nein, denket Eures Freundes,
Es sind nicht Wahngebilde für die der Edle fiel.
CARLOS.
In den flandrischen Landen soll
Ihm, den edeln Freund, durch mich
Ein Denkmal erstehn, wie noch kein König hat, gross und herrlich wie er.
ELISABETH.
Des Paradieses Freuden beglücken seine Seele.
CARLOS.
Süsse Träume mir lachten, sie schwanden,
Finster.
Und ich erblickte im trüben Morgengraun
Ein lodernd Flammenmeer;
Von Blut gefärbt den Strom,
Städt’und Dörfer zerstört,
Von Furcht gequält das Volk,
Zu mir hebt man die Hände,
Wie zum Erlösser auf, wenn einst
Der letzte Tag kommt.
Ich eile hin zu ihnen, und werde glücklich sein,
Mag mich krönen der Sieg, mag mich treffen der Tod.
ELISABETH mit Begeisterung.
Hoch mich beglückt dein Heldenmuth
Und der Begeist’rung Flammen.
Es kann zu solcher That
Allein Liebe entflammen,
Sie macht den Menschen zum Gott.
Eile, es ruft dich die Pflicht,
Rette das herrliche Land,
Das sehnsuchtsvoll deiner harret.
CARLOS.
Ja es kündet dein Mund
Mir den Ruf der Bedrängten.
ELISABETH.
Zu retten eile! Gern will mein Leben ich ihrer Freiheit opfern.
CARLOS.
Es hätte nimmermehr vor diesem Augenblick
Die Macht der ganzen Welt zu trennen uns vermacht.
Jetzt hat in mir die Ehr’und Pflicht besiegt die Liebe,
Und jetzt geh ich mit Stolz dem grossen Ziel‘ entgegen.
O sieh, Elisabeth, an das Herz drück ich dich,
Doch rein ist meine Liebe jetzt und für alle Zeit,
Alles ist nun vorbei! Erkämpft hab‘ ich den grossen Sieg.
Doch du weinst?
ELISABETH.
Ja, Thränen der Bewunderung
Zu Deiner Männergrösse darf empor ich
Nicht steigen, doch ich kann sie begreifen,
Bewundrung kann ich ihr weihn.
Feierlich.
Wiedersehn wird uns werden
Einst in schöneren Welten
Wo keine Thränen fliessen,
Wo ewiger Friede wohnet.
Und dort wird uns zu Theil
Vor Gottes ew’gem Thron,
Was wir so heiss ersehnt
Der reinen Liebe Lohn.
Carlos eben so.
BEIDE.
Nicht mehr kennet man dort den Schmerz der bittern Trennungstunden,
Alles irdische Leid ist für ewig dort verschwunden. Leb wohl für immer.
PHILIPP nimmt den Arm der Königin.
Ja, für immer! Ein doppelt Opfer soll mir fallen.
Meine Pflicht werd ich thun.
Zum Gross Inquisitor.
Und Ihr?
GROSS INQUISITOR.
Das heilige Amt wird das Seine thun.
Er winkt den Dienern der Inquitition und zeigt auf Carlos.
ELISABETH.
Gott!
GROSS INQUISITOR.
Wachen!
CARLOS.
Gott wird mein Rächer sein.
Dieses Blutgericht zerstört sein starker Arm.
Er zieht sich mit dem Schwerte in der Hand nach dem Grabe Carlos V. zurück. Das Gitter öffnet sich und der Mönch erscheint. Es ist Carl V. mit Mantel und Krone.
DER MÖNCH.
Mein Sohn an diesem Orte
Endet alle Pein.
Es bringt des Herzens Stürmen
Der Himmel Ruh allein.
GROSS INQUISITOR.
Die Stimme Carls des Fünften!
DIE INQUISITIONSBEAMTEN.
Ja, Carl der Fünfte.
PHILIPP Erschrocken.
Mein Vater!
ELISABETH.
O Gott!
Carl V. verschwindet mit D. Carlos im Kloster
Ende der Oper.